NR. 3 | 2015 | 11. Jahrgang NACHRICHTENINFO 34 INHALT

Geleitwort 04 | 05

Jahresmitgliederversammlung 2015: Neugewählter Vorstand mit neuem Elan 06 | 07

Neu im Vorstand 08 | 09

Gewalt hinter Gittern: Eine Erinnerung an eine deutsche Vergangenheit 10 | 12

Neue Mitglieder stellen sich vor 13 IHRE UNTERSTÜTZUNG FV-Mitglied Wolfgang Welsch mit Robert-Schuman-Medaille geehrt 14 | 15 Der Förderverein freut sich auf Ihre Mithilfe. Mitglieder können Personen Traumatisiert, verarmt, allein gelassen? Die Situation der Opfer oder Organisationen werden, die des- des Kommunismus in Europa 16 | 17 sen Ziele ideell und materiell unter- stützen wollen. Gedenkfeier für Lagertote in -Hohenschönhausen 18

Organisationen oder privatwirtschaft- DDR-Rockband „Speiches Monokel“ in Gedenkstätte 19 liche Unternehmen, die den Förder- Gottesdienst zum Buß- und Bettag hinter Gittern 20 | 21 verein unterstützen, werden von der Gedenkstätte auf Wunsch öffentlich Kurznachrichten 22 | 23 erwähnt. Bundestag will Mahnmal für Opfer des Kommunismus 24 Für Ihre Spenden und Mitgliedsbeiträ- ge stellen wir Ihnen eine Spendenbe- Der Förderverein am 25. Jahrestag der Wiedervereinigung 25 scheinigung aus. Mahnmal für Maueropfer Günter Litfin an authentischen Ort versetzt 26

Stasiopfer-Gedenkstätte erhält „Berliner Friedensuhr“ 27 SPENDENKONTO Hubertus Knabe, Bodo Ramelow, Karl Marx – ein Briefwechsel 28 Förderverein Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Eklat: Ex--Mitarbeiter beleidigt Gedenkstättendirektor Knabe 29

Commerzbank Berlin Buchvorstellung: Gedenkstätte stellt neuen Katalog zum IBAN: DE11 1204 0000 0622 6229 00 Stasi-Gefängnis vor 30 BIC: COBADEFFXXX Geleitwort

Liebe Mitglieder und Freunde des Fördervereins, derverein den Druck der ersten 2.000 gime durch Flucht zu entkommen ver- Exemplare finanziert. Mit „Inhaftiert suchten. In diesem Jahr hat ein Mann der im November neu gewählte Vorstand ist sogleich an in Hohenschönhausen. Zeugnisse po- zu uns gefunden, dem im November die Arbeit gegangen. litischer Verfolgung 1945 – 1989“, so 1980 die Flucht in den freien Teil Ber- der Titel des im Berliner Nicolai Ver- lins geglückt war. „Geglückt“? Bei In diesem Nachrichteninfo, das seit nunmehr 10 Jahren lag erschienenen Katalogs, ist dem der Flucht zu dritt wurde eine junge erscheint, wird unser Engagement sichtbar. Auf Veranstal- Kurator der Dauerausstellung, dem Frau, gerade 18 Jahre alt geworden, tungen der Gedenkstätte mit Außenwirkung ebenso wie Historiker Andreas Engwert in Zusam- erschossen. 27 Kugeln der Grenzsol- innerhalb des Fördervereins. Kürzlich hat der Stiftungsrat menarbeit mit Gedenkstättendirektor daten setzten ihrem Leben ein jähes der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen unsere Arbeit Hubertus Knabe, ein Meisterstück Ende. Tatort vor 35 Jahren war der gewürdigt, der als Aufsichtsgremium zuständig ist für alle gelungen. Das 240 Seiten dicke, mit Ort nördlich von Angelegenheiten der Gedenkstätte von grundsätzlicher rund 400 Fotos illustrierte Buch kön- Berlin. Nach einigen parteipolitischen und besonderer Bedeutung. Auf Initiative des amtieren- nen Sie gern bei der Buchhandlung89 Querelen erinnert seit einigen Jahren den Vorsitzenden, Herrn Dr. Konrad Schmidt-Werthern, hat in der Gedenkstätte Berlin-Hohen- der Marienetta-Jirkowsky-Platz an das der Stiftungsrat dem Förderverein ausdrücklich für dessen schönhausen bestellen. Schicksal des jungen Mädchens. Arbeit und Einsatz insbesondere für Besucher mit Behin- derung gedankt. Preis: 16.95 Euro Die Weihnachtstage bieten Gelegen- ISBN: 978-3-89479-947-2 heit zum Innehalten. Vielleicht ergibt Das sind Ansporn und Verpflichtung zugleich. 2016 wird sich die Gelegenheit, einen Moment der Förderverein zum fünften Mal den Hohenschönhau- Die Kontaktdaten des Marktführers der Menschen zu gedenken, die an sen-Preis verleihen. Nach Joachim Walther, Karl Wilhelm im Bereich der DDR-Literatur: der Mauer erschossen worden sind. Fricke, Erich Loest und Reiner Kunze wird erneut eine Etwa Marienetta Jirkowsky, die wir Persönlichkeit gewürdigt werden, die sich in besonderer www.buchhandlung89.de nicht gekannt haben, die uns gleich- Weise um die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur [email protected] wohl nahe ist. verdient gemacht hat. 030 98 60 82 507 Nun freuen Sie sich auf eine interes- Anfang Dezember hat Gedenkstättendirektor Hubertus Dem Förderverein gehören derzeit sante Lektüre der 34. Ausgabe unse- Knabe den viermillionsten Besucher des früheren Stasi- 230 Mitglieder an. Im Alter von 18 res Nachrichteninfos. Im Namen des Gefängnisses begrüßt. (siehe Seite 22). Vor 15 Jahren, am bis 85 Jahren. Mit sehr unterschied- Vorstands wünsche ich Ihnen und 1. Juli 2000, hatte die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohen- lichen Biographien. Manche sitzen Ihren Angehörigen ein gesegnetes schönhausen ihre Arbeit aufgenommen. Eine Erfolgsge- oder saßen in Parlamenten und haben Weihnachtsfest und alles Gute, Glück schichte mit einem Wermutstropfen. Denn 2015 mussten dort die Menschenrechtsverletzun- und Gesundheit im Neuen Jahr 2016. wegen Überfüllung rund 50.000 Besucher abgewiesen gen in der DDR angeprangert. Ande- werden. re wurden Opfer der SED-Regimes, verbrachten als politische Häftlinge Ihr Jörg Kürschner Ein besonderes Anliegen ist dem Vorstand der Hinweis schlimme Jahre in den Gefängnissen „ auf den im November erschienenen Katalog zur Dauer- der zweiten deutschen Diktatur. Und ausstellung. Dank Ihrer Spenden und Beiträge hat der För- es gibt auch Mitglieder, die dem Re-

4_Interna Interna_5 Jahresmitgliederversammlung 2015: Neugewählter Vorstand mit neuem Elan von Jörg Kürschner

Hubertus Fedke wird weiterhin stell- der Landesvertretung des Saarlandes vertretender Vorsitzender sein und für die seit der Vereinsgründung un- mit wachem Blick die Netzseite des unterbrochene Gastfreundschaft. Un- Fördervereins aktualisieren. Der Au- ter dem Beifall aller Mitglieder wurde tor dieser Zeilen ist wiederum zum gewürdigt, dass unsere „Schweizer Vorsitzenden des 2003 gegründeten Sektion“ extra wegen der Mitglieder- Vereins gewählt worden. Zuvor hat- versammlung nach Berlin gereist war. te die Jahresmitgliederversammlung Daniel Reuter und Mathis Kläntschi den Vorstand bei Enthaltung der Vor- sei herzlich gedankt. standsmitglieder einstimmig entlas- tet. Nach kurzer Aussprache gebilligt Im Anschluss an die etwa zweistündi- wurde auch die vom Finanzamt ver- ge Versammlung trafen sich die Mit- langte Satzungsänderung, die aus- glieder bei Speis und Trank zu einem schließlich redaktionelle Klarstellun- kleinen Empfang. In launiger Atmo- gen betrifft. sphäre wurde zurückgeblickt auf das zu Ende gehende Jahr und Aktivitäten Auf der Versammlung wurde hervor- für 2016 diskutiert. gehoben, dass 2016 die Verleihung „ des Hohenschönhausen-Preises und die Gewinnung neuer Mitglieder im Vordergrund der Arbeit stehen sollen. Auf zu neuen (Vorstands)-Taten: André Gaedecke, Christine Sauerbaum-Thieme, Jörg Kürschner, Gerald Praschl, Stephan Hilsberg (von links). Gedanklich (im Krankenbett) dabei: Hubertus Fedke Gedenkstättendirektor Hubertus Kna- be dankte für die Unterstützung des Zum siebten Mal stand eine Jahres- unter rund 70 Bewerbern die Persön- Fördervereins und hob insbesondere mitgliederversammlung ganz im Zei- lichkeit auswählt, die mit dem Hohen- dessen Einsatz für behinderte Besu- chen der Neuwahl des Vorstands, die schönhausen-Preis geehrt wird. cher des ehemaligen Stasi-Gefäng- gemäß unserer Satzung alle zwei Jah- nisses hervor. Er berichtete, dass die re zu erfolgen hat. Die übrigen Vorstandsmitglieder wur- Gedenkstätte in diesem Jahr knapp den von den knapp 30 anwesenden 44.000 Besucher (Stand 30.9.) wegen Erneut kam es zu einem personellen Mitgliedern in ihren Ämtern mit ein- Überfüllung habe abweisen müssen. Wechsel. FV-Gründungsmitglied Vera drucksvollen Voten bestätigt. Unter Lengsfeld hatte nicht wieder für den der bewährten Leitung des Wahllei- Um der steigenden Nachfrage ge- Vorstand kandidiert. Auf den Posten ters Peter Streichan standen die Er- recht zu werden, wurden die Zahl der des Beisitzers ist Gerald Praschl ge- gebnisse bald fest. FV-Gründungsmit- deutschsprachigen Rundgänge und rückt (siehe Seite 8+9). Der renom- glied Stephan Hilsberg ist weiterhin der Führungen in englischer Sprache mierte Journalist, Mitglied des Förder- Beisitzer, Christine Sauerbaum-Thie- zwischen April und Oktober erhöht. vereins seit bald fünf Jahren, gehörte me bleibt ebenso Schriftführerin wie Ausdrücklich dankte Knabe ebenso bereits der Jury an, die alle zwei Jahre André Gaedecke Kassenwart. wie der im Amt bestätigte Vorsitzende

6_Interna Interna_7 Neu im Vorstand von Gerald Praschl

Liebe Mitglieder des Fördervereins der Gedenkstätte Ho- gingen, ehrenamtlich im Gesamtel- henschönhausen, ternvorstand der Jüdischen Oberschu- le Berlin aktiv. Nach der Beendigung am 10. November hat mich die Mitgliederversammlung beider Tätigkeiten will ich gerne mei- als Beisitzer in den Vorstand gewählt. Ich möchte mich für ne neu gewonnene Zeit für ehrenamt- das Vertrauen bedanken und mich für alle, die nicht bei der liches Engagement vor allem dem Versammlung dabei sein konnten, noch einmal kurz vor- weiteren Ausbau des Fördervereins stellen. der Gedenkstätte Hohenschönhau- sen widmen, z.B. noch mehr Mitglie- Ich bin 47 Jahre alt, verheiratet, habe drei Kinder, lebe in der zu gewinnen und die schon jetzt Prenzlauer Berg und bin Politik-Redakteur und Mitglied der hervorragende interne und externe Chefredaktion der Zeitschrift Superillu. Kommunikation weiter ausbauen.

Mit unserem gemeinsamen Anliegen, einer ehrlichen Auf- Mit besten Grüßen arbeitung der SED-Diktatur, der sich die Gedenkstätte und Gerald Praschl auch wir vom Förderverein verschrieben haben, bin ich „ seit vielen Jahren beruflich wie privat eng verbunden. Als Journalist, der im Herbst 1989 aus dem „Westen“ (besser gesagt aus dem Süden, aus Regensburg in Bayern) kam, erlebte ich hier den Mauerfall und den demokratischen FV-Vorstandsmitglied Gerald Praschl Neuanfang 1989/90 als Journalist. eine Biografie über den Stasi-Unterla- Über das zu schreiben, was die SED in den von ihr ge- genbeauftragten Roland Jahn. steuerten Medien 40 Jahre unterdrückte und dabei insbe- sondere den Menschen Öffentlichkeit zu verschaffen, die Von 2007 bis 2010 war ich Vorstands- in der Diktatur Zivilcourage zeigten und dadurch oft genug mitglied des Bürgerkomitees 15. Ja- auch zu Verfolgten und Opfern wurden, war mir in den 25 nuar, wo wir uns ab 2007 erfolgreich Jahren, seitdem ich im Osten Deutschlands lebe und ar- um einen Relaunch der Aufarbeitungs- beite, ein besonderes Anliegen. zeitschrift „Horch und Guck“ bemüh- ten, die hauptsächlich aus Mitteln der „Zivilcourage in der Diktatur“, das war auch der Untertitel Stiftung Aufarbeitung finanziert wird eines Buches, das ich 2002 über Menschen schrieb, die und neuerdings vom Bürgerkomitee sich einer Spitzeltätigkeit bei der Stasi verweigerten. Ei- Leipzig e.V. herausgegeben wird. nige weitere Bücher, mit ähnlichen Thematik folgten seit- Kontaktdaten: dem, eins mit Interviews von Zeitzeugen des 17. Juni, ein -> www.horch-und-guck.info [email protected] weiteres, das ich 2005 zusammen mit den einstigen DDR- 0151/53807663 Bürgerrechtlern Bärbel Bohley und Rüdiger Rosenthal über Ansonsten war ich zehn Jahre lang, www.praschl.net „Mutige Frauen in der DDR“ schrieb und zuletzt, 2011, solange meine Kinder dort zur Schule www.east-blog.de

8_Interna Interna_9 Gewalt hinter Gittern: Eine Erinnerung an eine deutsche Vergangenheit von FV-Vorstandsmitglied André Gaedecke

11. November sprachen der Schullei- man sich unschwer vorstellen, unter ter Jörg Spieler und der FV-Vorsitzen- welch erbärmlichen Bedingungen die de Jörg Kürschner. Sie betonten, dass Menschen in Kuba leben mussten Demokratie keine Selbstverständlich- und immer noch leben. Gleichzeitig keit sei und die Ausstellung dazu bei- erfuhren García Vázquez und seine tragen möge, die Erinnerung an die Kollegen sehr schnell, dass sie nur Gewaltherrschaft wach zu halten. als Arbeitskräfte erwünscht waren, Freundschaften pflegen oder gar Die Ausstellung besticht vor allem noch eine Familie gründen und Kinder durch die weitgehende originalge- zu bekommen, galt als unerwünscht. treue Darstellung politischer Verfol- gung in der DDR. Dazu tragen auch Durch Kontakte zur USA-Botschaft er- die über Audiodateien abhörbaren regte der Kubaner bald die Aufmerk- Zeitzeugenberichte bei, in denen samkeit der Stasi, wurde schließlich Menschen berichten, wie sie oftmals wegen „Republikflucht“ inhaftiert wegen missliebiger Äußerungen und und lernte vor allem die psychischen unerwünschter Westkontakte in das Foltermethoden der Stasi wie stun- Visier der Stasi gerieten. Bis zum 11. denlange Verhöre oder Schlafentzug Wanderausstellung der Gedenkstätte: Hier haben Täter und Opfer der DDR-Diktatur ein Gesicht Dezember besichtigten viele Schul- kennen. Auch nach seiner Auswei- klassen und andere interessierte Be- sung nach Kuba saß er zunächst Mitte November wurde in der Aula und Lehrer waren von Anfang an sehr sucher die Ausstellung. wochenlang in Haft, wurde „auf Be- des Melanchthon-Gymnasiums im interessiert und kooperativ. währung“ entlassen und konnte 1992 Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf Einen Tag nach der Eröffnung fand schließlich in das nun wiedervereinig- die begehbare Wanderausstellung Das verwundert nicht, denn das am Gymnasium der Projekttag „Frei- te Deutschland ausreisen. „Gewalt hinter Gittern – Gefangen- Melanchthon-Gymnasium und die heit erleben, Grenzen erfahren“ statt, enmisshandlungen in der DDR“ er- Gedenkstätte haben bereits vor fünf mit dem sich Schüler und Lehrer mit Seine Stasiakte zählt an die rund 400 öffnet. Sie ist ein Projekt der Gedenk- Jahren eine Kooperationsvereinba- dem Thema auseinandersetzten. An Seiten, insgesamt waren acht Stasi- stätte Berlin-Hohenschönhausen und rung abgeschlossen. Die Bitte um einem Workshop nahm der ehema- IM auf ihn angesetzt, jedes Telefonat zeigt auf sehr realistische und gerade finanzielle Unterstützung des Pro- lige kubanische Dissident Jorge Luís unterlag der Kontrolle, ja sogar seine deshalb erschütternde Weise, wie das jekts stieß deshalb im Vorstand des García Vázquez teil, der in Havanna Schwarzfahrten mit den öffentlichen SED-Regime in der DDR mit oppositi- Fördervereins auf offene Ohren. Der aufwuchs und als so genannter Ver- Verkehrsmitteln oder seine Bestellun- onell eingestellten oder einfach auch Bezirksbürgermeister Stefan Komoß tragsarbeiter in die DDR kam. „Es gibt gen im Restaurant fand er genau do- nur andersdenkenden Menschen übernahm die Schirmherrschaft, die einen Sozialismus, in dem man auch kumentiert vor. „Die Kellner mussten umging. Auf meine Anregung, auch Mitglieder des Abgeordnetenhauses, konsumieren kann“, war sein erster den Stasileuten die Rechnung zeigen als langjähriges Mitglied der hiesigen Iris Spranger, Sven Kohlmeier und Eindruck. und erklären, was der Gast gegessen Bezirksverordnetenversammlung, Liane Ollech (alle SPD) unterstützten hatte“, erklärte der Referent eher wurde diese Ausstellung erstmals das Vorhaben zusätzlich mit einer Bedenkt man die allgegenwärtige schmunzelnd. Nach einem zunächst in einer Schule gezeigt. Schulleitung Spende. Zur feierlichen Eröffnung am Mangelwirtschaft in der DDR, so kann verhaltenen Abwarten der jungen

10_Ausstellung Ausstellung_11 Neue Mitglieder stellen sich vor von Dirk Mahlstedt

zum Opfer und warum werden wel- Dirk Mahlstedt, in Berlin che Menschen zu Tätern. „Wir müs- konfrontiert mit Teilung und Wiedervereinigung sen Probleme ohne Hass, Gewalt und der Hauptstadt Vorurteile lösen“, sagte er und spann- te mit der Frage: „Wie gehen wir mit Flüchtlingen um?“ den Bogen zur ak- tuellen Situation.

Der Inhalt der Ausstellung fand auch Eingang in die Fächer Geschichte und Politische Weltkunde. Die jungen Leu- Engagierter Zeitzeuge: Jorge Luís García Vázquez te waren sehr interessiert, so dass die Aula jeden Tag frequentiert wurde. Seit meiner Jugend als West-Berliner habe ich mich im- Leute stellten sie Fragen und zeigten Auch aus anderen Schulen schauten mer für die Geschichte der DDR interessiert und bin auch sich besonders beeindruckt von den Interessenten vorbei. Der Vorstand regelmäßig vor der Wiedervereinigung nach Ost-Berlin ge- perfiden Formen psychischer Gewalt, des Fördervereins dankt dem Schul- fahren, um den anderen Teil der damaligen geteilten Stadt die die Stasi anwandte, um ihre Opfer leiter, Herrn Spieler und den Päda- kennenzulernen. seelisch zu brechen. Dazu gehörten goginnen, Frau Baumann, Frau Gloß- Schlafentzug genauso wie das stän- mann und Frau Oldenburg, für ihr Am 9.11.1989 befand ich mich als 21-jähriger in der Ausbil- dige An- und Abschalten des Lichts Engagement und den Schülern für ihr dung und konnte mich ab diesem Zeitpunkt noch intensi- während der Nachtruhe oder undefi- Interesse und auch ihre Anteilnahme. ver mit jeglicher Geschichte der DDR auseinandersetzen. nierbare Geräusche an der Tür. Insbesondere das Thema „Stasi“ hat mich in ihrer Tragik „ und Dreistigkeit nicht mehr losgelassen, wodurch ich nach Einige der Zuhörer hatten während und nach alle verfügbare Literatur durchgearbeitet habe. der Erläuterungen Tränen in den Au- gen. Die Jugendlichen stellten auch Auch zahlreiche persönliche Begegnungen, die von der Fragen zum Alltag in der DDR. „Vie- Verfolgung betroffen waren, bewegten mich zutiefst. Die le der Einheimischen waren auf den Erzählungen meines Schwiegervaters, den ich vor acht Zuzug von Fremden, von dunkelhäuti- Jahren kennenlernen durfte und der als politischer Gefan- gen Kubanern oder von Vietnamesen gener aufgrund eines gescheiterten Fluchtversuchs in Ho- überhaupt nicht vorbereitet, dazu trug henschönhausen einsaß, motivierten mich, die Gedenk- auch bei, dass diese bewusst abge- stätte zu besuchen. schottet in speziellen Unterkünften leben mussten“, erläuterte García Da ich auch beruflich sehr viel mit Künstlern aus der ehe- Vázquez. Er mahnte trotz der eige- maligen DDR in Kontakt komme, hoffe ich, dass ich durch nen Erlebnisse, nicht einfach „auf die zukünftige Gespräche und Informationen auch Beiträge DDR draufzuhauen“. Viel wichtiger zur Aufarbeitung der Gedenkstätte leisten kann. sei es, zu fragen, warum wird man „

12_Ausstellung Interna_13 FV-Mitglied Wolfgang Welsch mit Robert-Schuman-Medaille geehrt von FV-Mitglied Angelika Neumayer

Verdiente Ehrung: das SED-Unrechtsregime geehrt. In FV-Mitglied Wolfgang seiner Dankesrede stellte Wolfgang Welsch während seiner Dankesrede Welsch die europäischen Visionen Robert Schumans in den Mittelpunkt. Europa werde durch „konkrete Tat- sachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ Diese „Solidarität der Tat“ müsse jetzt Eu- ropa gegenüber den Flüchtlingen be- weisen.

Während Deutschland Ausgangs- In feierlichem Rahmen wurde am 5. Oktober Dr. Wolfgang punkt für die europäische Teilung war, FV-Mitglied Wolfgang Welsch (dritter von links) mit den EVP-Politikern Angelika Niebler, Manfred Weber, Herbert Welsch im Europaparlament in Straßburg mit der Robert- steht Deutschland nun für die europä- Reul und Rainer Wieland Schuman-Medaille geehrt. ische Einheit und Freiheit– und das innerhalb von einem halben Jahrhun- ihre Freiheitsliebe sind mit hartnäcki- Anlässlich des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit fand dert! Deutschland hat von der euro- ger Gewissensbefragung und Wider- im Salle d’Honneur die Feierstunde statt, bei der zunächst päischen Idee am meisten profitiert: stand gegen Unrecht und Unfreiheit CDU/CSU-Fraktionsvize Arnold Vaatz in einem witzig-launi- vom besiegten Feindesland über die verbunden. Widerstand verlangt Hal- schen Vortrag die Verdienste von FV-Gründungsmitglied, wiedergewonnene Souveränität 1990 tung. „Widerstand zu leisten war für Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl bei der Herstellung der und durch die deutsche Einheit wurde mich immer ein moralischer Impera- Einheit hervorhob. Angelika Niebler, stellvertretende Vor- es zu einem stabilen Pfeiler des Hau- tiv“, so Welsch. sitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, be- ses Europa, ja sogar zur ungewollten gründete in ihrer Laudatio die Verleihung der Robert-Schu- Führungsmacht. Die Robert-Schuman- Medaille wurde man-Medaille an Wolfgang Welsch: 1986 von der EVP-Fraktion im Europä- Voraussetzung für diese Entwicklung ischen Parlament ins Leben gerufen, „Er war Widerstandkämpfer, Stasi-Opfer und Fluchthelfer, aber war der ungebeugte Freiheitswil- um Persönlichkeiten zu ehren, die die der entgegen allen Prognosen den Glauben an Demokratie le der Menschen, die die DDR vor und Wiedervereinigung des europäischen und Freiheit nie verloren hat. Sein Widerstand gegen das nach dem Mauerbau und vor allem im Kontinents begünstigt haben und Unrechtsregime der DDR ist ein beeindruckendes Vorbild Sommer 1989 verließen. Ihr Freiheits- dazu beitrugen, in der ganzen Welt die dafür, dass es sich lohnt, für seine Überzeugung zu kämp- wunsch stand immer vor materiellem Werte der Freiheit und der Demokra- fen. Menschen wie Wolfgang Welsch verdanken wir, dass Wohlstand. Sie gaben ein Beispiel tie zu verankern. die Wiedervereinigung des europäischen Kontinents nie für Zivilcourage, leisteten letztend- „ unerreichbar gewesen ist“. lich Widerstand und nahmen für sich in Anspruch, eigene und bewusste Mit der Überreichung der Medaille durch den EVP-Vor- Entscheidungen gegen ein nicht re- sitzenden Manfred Weber an Wolfgang Welsch wurde formierbares System getroffen zu erstmals auf europäischer Ebene der Widerstand gegen haben. Ihr unabhängiges Denken und

14_Auszeichnung Auszeichnung_15 Traumatisiert, verarmt, allein gelassen? Die Situation der Opfer des Kommunismus in Europa von FV-Mitglieder Thomas Thieme und Christine Sauerbaum-Thieme

Die Gedenkstätte zu Gast in der Bot- Ziel der politischen Arbeit müsse sein, In der darauf folgenden Podiumsdiskussion, die vom FV- schaft der Republik Estland die Verfahren zu vereinfachen und das Vorsitzenden Jörg Kürschner moderiert wurde, diskutier- Personal im Umgang mit Verfolgten ten Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe, Tunne Kelai, Die – gut besuchte – Veranstaltung zu schulen. Darüber hinaus könnten MdEP aus Estland, Christian Fuchs, Vorsitzender der Inter- in der estnischen Botschaft gliederte auch kleinere Gesten wie freie Fahrt nationalen Organisation ehemaliger politischer Gefangener sich in zwei Teile: Nach der Begrü- in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Opfer des Kommunismus (INTERASSO), und Gabor ßung durch die Botschafterin Est- eine Wertschätzung der Opfer durch Talai, Vize-Direktor des Hauses des Terrors in Budapest, lands, Kaja Tael, die auf die „verdräng- die Gesellschaft verdeutlichen. die Situation der Opfer des Kommunismus unter verschie- ten Erinnerungen“ an die Opfer des denen Aspekten. Kommunismus hinwies, stellte Mela- Die Historikerin Monika Kareniaus- nie Dore, wissenschaftliche Mitarbei- kaité aus Vilnius (Litauen) berichtete Zum „Projekt Datenbank“ hieß es, obwohl es sich um eine terin der Gedenkstätte, das von der anschließend über das Projekt einer europäische Aufgabe handele, würden falsche Prioritäten EU-Kommission finanzierte Projekt europäischen Datenbank für die Ver- gesetzt. Bezogen auf die Situation in Deutschland wurde „Zivilcourage würdigen“ vor. folgten des Kommunismus. Nach auch die Mahnmalfrage kritisch angesprochen. Auch wenn dem Vorbild der Datenbank in der Ge- sich der Bundestag für ein solches Mahnmal ausgespro- Der von 12 Autorinnen und Autoren er- denkstätte Yad Vashem in Jerusalem chen habe, seien die Standortfrage und die Ausgestaltung stellte Forschungsbericht untersucht sollen die Namen der (europäischen) noch nicht geklärt. Wünschenswert sei ferner die Einrich- die rechtliche und die gesellschaft- Opfer des Kommunismus gesammelt tung der Stelle eines Bundesbeauftragten für die Opfer. liche Situation der Opfer politischer werden. Verfolgung in den ehemals kommu- Auf der anderen Seite seien das Auftreten der Täter in der nistisch regierten Staaten unter Ein- Zu den Problemen, vor denen die Mit- Öffentlichkeit und die unzulängliche juristische Aufarbei- beziehung der Lage (immer noch) arbeiter an diesem Projekt stehen, ge- tung ihrer Taten für die Opfer kaum erträglich. Bezogen auf nicht anerkannter Opfergruppen. hören das Aufspüren und Auswerten Estland bedeutet dies, dass eine Aufarbeitung nur schwer Allgemeine Kennzeichen sind gerin- der entsprechenden Quellen. Die eu- zu realisieren sei, da alle Akten von Russland entfernt wor- ge finanzielle Entschädigungen, Ver- ropäische Datenbank soll Aufschluss den seien. Die Frustration der Opfer sei allzu nachvollzieh- lagerungen der Beweislasten für die geben über Verhaftungen, Deportati- bar. erlittenen Verfolgungen auf die Seite onen und Todesopfer sowie auch die der Opfer (sekundäre Viktimisierung), Gruppen des zivilen und bewaffneten Zusammenfassend – und durchaus bedrückend - bleibt der soziale Diskriminierungen, Informati- Widerstands einschließen. Eine sol- Eindruck, dass aus den Beiträgen der Diskussionsteilneh- Ernst und nachdenklich: Historikerin Monika onsdefizite. Derart ins gesellschaft- che Datenbank könnte ein digitales mer schwer wiegende Defizite, Versäumnisse oder auch Kareniauskaité, Botschaf- liche Abseits gestellt, nehmen die Denkmal sein, legte Zeugnis ab von Widerstände bei der Erfassung und Aufarbeitung der Ver- terin Kaja Tael, wiss. Opfer vielfach ihre Rechte nicht wahr, Zivilcourage und könnte das kollekti- folgungen sowie bei der Unterstützung und Würdigung der Mitarbeiterin Melanie Dore, FV-Vorstand Jörg häufig auch aus Angst vor erneuter ve Gedächtnis Europas beeinflussen. Opfer erkennbar wurden. Kürschner, Gedenkstätten- Traumatisierung. Als Beispiel für die Auf Unverständnis bei den rund 80 „ direktor Hubertus Knabe Kontinuität bestimmter Tätergruppen Zuhörern stieß die Nachricht, dass im öffentlichen Bereich wurde auf die eine weitere Finanzierung des Pro- Weiterbeschäftigung von Richtern im jekts durch die EU abgelehnt worden Justizbereich hingewiesen. ist; trotz einer positiven Bewertung.

16_Aus der Gedenkstätte Aus der Gedenkstätte_17 Gedenkfeier für Lagertote in Berlin-Hohenschönhausen DDR-Rockband „Speiches Monokel“ in Gedenkstätte von Jörg Kürschner von Jörg Kürschner

Es war eine außergewöhnliche Veranstaltung, nicht ohne Risiko, aber gelungen. Mit einem Auftritt der DDR-Rock- band „Speiches Monokel“ hat die Gedenkstätte die Schlie- ßung des einstigen Stasi-Gefängnisses vor 25 Jahren ge- feiert.

Und dabei waren rund 230 Gäste, darunter viele, die die Gedenkstätte noch nie aufgesucht hatten. Die aufmüpfige Hartes Schicksal: Ex-Gulag-Häftling Heinz-Joachim Premiere: Bezirksbürgermeisterin Birgit Monteiro Band hatte in der DDR Tausende Anhänger. Wann immer Schmidtchen sie irgendwo spielte, war der Saal voll. Lange Haare und Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschön- SPD-Politikerin war im Januar von der Nietenhosen gehörten ebenso zu ihren Kennzeichnen wie hausen und der Bezirk Lichtenberg Bezirksverordnetenversammlung als unkonventionelle deutsche Texte, die die Sehnsucht nach haben Anfang November an die Opfer Nachfolgerin von Andreas Geisel ge- Freiheit zum Ausdruck brachten. Die Bandmitglieder wur- des sowjetischen Speziallagers Nr. 3 wählt worden, der zum Stadtentwick- den deshalb bespitzelt, schikaniert und teilweise inhaftiert. erinnert. Das Lager war im Juni 1945 lungssenator berufen wurde. Der Be- eingerichtet worden und markiert den zirk war quälend lange Jahre geprägt Auch Bandvater Jörg Schütze („Speiche“) saß nach einem Beginn des kommunistischen Terrors von der absoluten Mehrheit der PDS/ Fluchtversuch in verschiedenen DDR-Haftanstalten. Au- in Ostdeutschland. Linkspartei. Mit der Amtsübernahme ßer ihm kamen die ostdeutschen Musiker Bernd Buchholz des Sozialdemokraten Geisel 2011 („Zuppe“), Frank Gahler („Gala“), Achim Mentzel, Peter Auf dem nahe der Gedenkstätte gele- hatte sich das Verhältnis zwischen der Schmidt und Eberhard Klunker. genen Städtischen Friedhof berichte- Gedenkstätte und dem Bezirk spürbar te der ehemalige Lagerhäftling Heinz- verbessert. Die Mitglieder von „Monokel“ machten nicht nur Musik Joachim Schmidtchen über seine Er- vor einem begeisterten Publikum, sie erzählten auch aus fahrungen in dem Gulag. Er war 1946 Auf dem Gelände der heutigen Ge- ihrem Leben und berichteten über die unangepasste Mu- wegen Protesten gegen die Zwangs- denkstätte Berlin-Hohenschönhausen sikszene in der DDR. Die Band treibe mit ihrer Musik die vereinigung von SPD und KPD ver- inhaftierte die sowjetische Geheim- bösen Geister von einst aus, meinte Gedenkstättendirek- haftet worden. Von Juni bis August polizei nach dem Zweiten Weltkrieg tor Hubertus Knabe in seiner launig-ernsten Begrüßungs- 1946 hielt man ihn im Speziallager etwa 20.000 Menschen. Schätzungen rede. Nr. 3 gefangen, anschließend kam er zufolge starben bis zu 1.000 Lagerin- ins Speziallager Sachsenhausen. Vier sassen. Nach dem Zusammenbruch Nicht ohne Schadenfreude informierte er die Besucher da- Jahre später wurde ihm in Waldheim der DDR wurden bei Suchgrabungen rüber, dass der ehemalige Gefängnischef Siegfried Rataizik der Prozess gemacht. Das Urteil lau- die sterblichen Überreste von 127 in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte wohnt und somit tete zehn Jahre Gefängnis. Toten gefunden. Diese wurden 1995 unfreiwilliger Mithörer der Rockmusik sei. nachbestattet. Vier Jahre später wur- „ Da wurde abgerockt. „Speiches Monokel“ Das Wort ergriff erstmals auch Lich- den auf dem Friedhof in der Gärtner- in der Gedenkstätte tenbergs Bürgermeisterin Birgit Mon- straße die Gebeine von weiteren 132 teiro, die in eindrucksvollen Worten Menschen beigesetzt. der Toten des Lagers gedachte. Die „

18_Gedenken Aus der Gedenkstätte_19 Gottesdienst zum Buß- und Bettag hinter Gittern von Katharina Furian (Superintendentin des Kirchenkreises Zossen-Fläming) Am 18. November gab es in der Gedenkstätte, wie auch in sperrt zu werden. Gib denen, die hier im Gefängnis Macht den Jahren zuvor, für Konfirmanden evangelischer Kirchen- ausgeübt haben, die Einsicht, dass sie heute Freiheiten gemeinden aus Berlin zunächst eine Führung in mehreren genießen dürfen, die DDR-Bürgern damals vorenthalten Gruppen und anschließend Bußtags-Andachten – unter- worden sind. dessen schon eine gute Tradition. Schenke allen, die hier als ehemalige Gefangene eine Am Abend fand dann im Raum 101 erstmals ein Bußtags- wichtige Erinnerungsarbeit leisten, die Kraft, dies nicht mit Gottesdienst der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin- Bitterkeit zu tun, sondern im Geist der Versöhnung.“ Hohenschönhausen mit etwa 30 Teilnehmern statt, zwei von ihnen, die am Ende die Fürbitte gesprochen haben, ka- Der Raum, den die Kirchengemeinde ausgesucht hatte, men aus der katholischen Kirchengemeinde Hohenschön- ein standardisierter Seminarraum, erschien allerdings man- hausen. chen Teilnehmern als nicht überzeugend zu dem besonde- ren Anlass eines „Gottesdienstes zum Bußtag in einem Es wurde – wie in jedem gewöhnlichen Gottesdienst – ehemaligen Gefängnis“; er wirkte wenig passend zu den gesungen, gebetet und auf biblische Texte gehört. Unge- gesprochenen Texten. Ein stimmig gewählter Raum, der wöhnlich und doch für diesen Ort passend, hatte Pfarrerin das Bedrückende des Ortes deutlicher signalisiert, würde Christina Trodler dazu auch drei ehemalige Insassen der auch den Inhalt solch eines Gottesdienstes mehr zu Her- Katharina Furian, Super- intendentin des Kirchen- MfS- Untersuchungshaftanstalt eingeladen: zen gehend nahebringen. kreises Zossen-Fläming

Frau Margit Beltschew aus der Kirchengemeinde sowie die Auf jeden Fall ist der Gedenkstätte zu danken für die nicht Besucherreferenten Jorge Luís García Vázquez und Gilbert selbstverständliche Erlaubnis, an diesem Ort einen Gottes- Furian. Diese drei stellten zunächst im Eingangsteil (Kyrie) dienst zu halten. „Zu danken ist auch Jorge Luís García als Blick auf die Vergangenheit ihre jeweilige Geschichte Vázquez, von dem die Initiative für diesen Gottesdienst mit diesem Ort vor, und erzählten dann im Rahmen der ausging.“ Predigt, wie sie nach der Entlassung damit umgegangen „ sind und was das für sie bis heute bedeutet.

Auch im letzten Teil des Gottesdienstes, in der Fürbitte, ka- men sie – neben der Pastorin sowie Frauen und Männern aus der Kirchengemeinde – mit ihrer besonderen Haltung zum Thema Buße und Versöhnung zu Wort. Gilbert Furian, der hier sieben Monate in Untersuchungshaft saß, formu- lierte seinen Teil der Fürbitte so:

„Herr, unser Gott, wir bitten für diesen Stadtbezirk: Lass die Menschen, die hier wohnen, ein Leben in Frieden führen. Mach ihnen bewusst, wie wertvoll es ist, seine Meinung äußern zu können – ohne die Angst, dafür einge-

20_Aus der Gedenkstätte Aus der Gedenkstätte_21 Kurznachrichten

„ Die Gedenkstätte Berlin-Hohen- agierte damit auf Äußerungen von Ex- „ Der Stasiunterlagen-Beauftragte getroffen. Linke, SPD und Grüne hat- schönhausen hat Anfang Dezember Bundestagspräsident Wolfgang Thier- Roland Jahn fordert finanzielle Hil- ten in ihrem Koalitionsvertrag die DDR einen Schüler aus Bayern als vier- se (SPD). Er hatte erklärt, es wäre ein fen für ehemalige Zwangsarbeiter als Unrechtsstaat definiert. jök millionsten Besucher begrüßt. Der Affront gegenüber der Expertenkom- in DDR-Gefängnissen. Die Zwangs- 16-jährige Alex Frimann aus Wasser- mission, wenn Jahn für weitere fünf arbeit müsse im bestehenden Sys- „ Nach einem Aufmarsch in Unifor- burg bekam einen Blumenstrauß und Jahre gewählt würde, obwohl noch tem der Rehabilitierungen und Aus- men der Nationalen Volksarmee (NVA) ein Buchgeschenk überreicht. Zudem unklar sei, was mit der Stasiunterla- gleichszahlungen für DDR-Unrecht am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin- schenkte ihm Kulturstaatsse- gen-Behörde künftig geschehen soll. berücksichtigt werden. Dafür müss- Treptow bleiben vier ehemalige DDR- kretär Tim Renner einen Buddybären, Derzeit arbeitet eine vom Bundestag ten jetzt Kriterien entwickelt werden, Offiziere unbestraft. Das Amtsgericht eine Berliner Bärenskulptur aus Kunst- eingesetzte Expertenkommission un- erklärte Jahn. Dabei seien sowohl der Tiergarten stellte das Verfahren gegen stoff. Die Stasiopfer-Gedenkstätte ter dem Vorsitz des früheren Minis- Staat als auch Westkonzerne, die von die Angeklagten wegen Verstoßes ge- nehme seit 20 Jahren einen zentralen terpräsidenten von Sachsen-Anhalt, der erzwungenen Arbeit politischer gen das Verbot der Uniformierung bei Platz in der nationalen Erinnerungs- Wolfgang Böhmer (CDU ), an Empfeh- Häftlinge profitiert hätten, gefordert. Versammlungen wegen Geringfügig- kultur ein, sagte Renner. Das gelte lungen, was aus der Behörde werden Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen keit ein. Die 54- bis 69jährigen sowie es auch für die Zukunft zu bewahren. soll. Die Empfehlungen werden aber betraf politische wie kriminelle Gefan- weitere Mitglieder des Traditionsver- Direktor Hubertus Knabe betonte, voraussichtlich erst vorliegen, nach- gene gleichermaßen, die häufig ge- bandes Nationale Volkarmee waren von den mehr als 440.000 Besuchern dem Jahns Amtszeit im März 2016 sundheitlichen Gefahren ausgesetzt am 9. Mai 2013 vor dem Ehrenmal in diesem Jahr komme mehr als die endet. jök waren. jök in ihren alten Paradeuniformen auf- Hälfte aus dem schulischen Bereich. marschiert. Dort begingen zahlreiche Er freue sich, dass sich so viele Men- „ Gedenkstättendirektor Hubertus „ Die Vereinigung der Opfer des Gruppen den 68. Jahrestag des Sie- schen für die jüngste deutsche Ge- Knabe sieht die politisch Verfolgten in Stalinismus (VOS) hat Linken-Mi- ges über Hitler-Deutschland. jök schichte interessieren. „Es ist unser der DDR als Verlierer der deutschen nisterpräsident Bodo Ramelow auf- aller Aufgabe, die Erfahrungen mit Einheit. Vielen DDR-Opfern stoße bit- gefordert, Verbesserungen bei der „ Es fehlte an nichts bei der Weih- der kommunistischen Diktatur in Ost- ter auf, dass die Auftraggeberin der DDR-Opferrente voranzutreiben. „Ich nachtsfeier der Gedenkstätte am deutschland an die junge Generation Stasi, die SED, nach der Wiederver- dachte, Ramelow tut da etwas im 8. Dezember. Es wurde „Schrottge- weiterzugeben“. Im Gründungsjahr einigung einfach habe weitermachen Bundesrat“, sagte der thüringische wichtelt“, gesungen, gegessen und 1994 waren es insgesamt 3.000 Be- können. Statt sie zu verbieten und ihr stellvertretende Landesvorsitzende getrunken, über Quizfragen gerätselt sucher. jök Vermögen zu beschlagnahmen, habe Wolf-Dieter Meyer. Vor allem müsse sowie Rückschau gehalten auf das sie sich lediglich umbenennen müs- die Leistung einkommensunabhängig zu Ende gehende, arbeitsreiche Jahr. „ Der kultur- und medienpolitische sen. Der Historiker kritisierte, es sei gezahlt werden. „Bedürftigkeit ist fehl Rund 40 Mitarbeiter der Gedenk- Sprecher der CDU/CSU-Bundestags- nicht nur stillschweigend akzeptiert am Platz“. Die Opferrente erhalten stätte waren dabei als sich Direktor fraktion, Marco Wanderwitz, hat sich worden, dass ehemalige SED-Funkti- seit 2007 Menschen, die in der DDR Hubertus Knabe ans Klavier setzte. für eine volle zweite Amtszeit des onäre und Stasi-Mitarbeiter „auf dem mindestens sechs Monate lang aus Weihnachtsstimmung kam auf. Ein Stasiunterlagen-Beauftragten Roland Ticket der Linkspartei“ als Volksver- politischen Gründen inhaftiert waren herzliches Dankeschön dem Organi- Jahn ausgesprochen. Die Argumente treter agierten. „Noch schmerzhafter und finanziell bedürftig sind. Der thü- sationsteam um Jana Birthelmer und der SPD, die für eine befristete Ver- für die Opfer ist, dass sie in Thüringen ringische Regierungschef hatte sich den Sponsoren, der Buchhandlung89 längerung plädiert, „überzeugen mich und Brandenburg auch über die Re- im früheren Erfurter Stasi-Gefängnis und dem einstigen politischen Häft- in keiner Weise“. Das FV-Mitglied re- gierungspolitik entscheiden“. jök mit Vertretern von Opferverbänden ling Karsten Berndt. jök

22_Aus der Gedenkstätte Aus der Gedenkstätte_23 Bundestag will Mahnmal für Opfer des Kommunismus Der Förderverein am 25. Jahrestag der Wiedervereinigung von Jörg Kürschner von Jörg Kürschner

Damit ist das Engagement unserer Treffen auf höchster Gründungsmitglieder Vera Lengsfeld, Ebene: FV-Mitglied, Bundesratspräsident Stephan Hilsberg sowie unserer Mit- Volker Bouffier, im glieder Marco Wanderwitz, MdB und angeregten Gespräch mit Kai Wegner, MdB und von Gedenk- den Mitgliedern Roland Jahn, Bundesbeauftragter stättendirektor Hubertus Knabe, nach für die Stasi-Unterlagen, vielen Jahren auf ein positives Echo und Edda Schönherz, gestoßen. einst im Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert, während der Der Bundestagsabgeordnete Wan- offiziellen Feier zum Tag derwitz, kultur- und medienpolitischer der Deutschen Einheit in Frankfurt am Main. Sprecher der CDU/CSU Bundestags- Es herrschte eine dem Die ehemaligen Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld, fraktion, betonte gegenüber dem Anlass gemäße heitere, (2.v.re), Gunter Weissgerber, (re), und Stephan Hilsberg, Nachrichteninfo, die Verbände hätten Die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit fanden gelöste Stimmung, im Hintergrund mit Inter- (2.v.li), überreichen Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert in den letzten Jahren eine intensive, in diesem Jahr in Frankfurt am Main statt. Der Ort richtet Lammert, (li), CDU/CSU, Unterschriften für den Aufruf für esse verfolgt von Jana das Mahnmal der Opfer des Kommunismus. hervorragende Vorarbeit zur Konzep- sich jeweils nach dem Land, das für ein Jahr den Präsi- Birthelmer, wissenschaft- tion und möglichen Ausgestaltung denten des Bundesrats stellt. Und so fügte es sich, dass liche Mitarbeiterin der © Deutscher Bundestag / Achim Melde Gedenkstätte. eines Denkmals geleistet. Wander- FV-Mitglied Volker Bouffier, Ministerpräsident von Hessen, Der Bundestag hat sich anlässlich witz Fraktionskollege Wegner sagte am 3. Oktober weitere Mitglieder des Fördervereins in der des 25. Jahrestags der Wiederverei- zu, mit Kultur-Staatsministerin Moni- Mainmetrople begrüßen konnte. nigung für die Errichtung eines zentra- ka Grütters über die Finanzierung der len Mahnmals für die Opfer des Kom- Planungskosten sprechen zu wollen. Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasiunterlagen, munismus ausgesprochen. und die frühere politische Gefangene und heutige Besu- „ cherreferentin in der Gedenkstätte, Edda Schönherz, dis- In dem Antrag der Großen Koalition kutierten mit dem Präsidenten der Länderkammer. Mit wird festgestellt, dass es in Deutsch- einem umgebauten Gefangenentransporter des DDR- land „trotz umfangreicher konzepti- Staatssicherheitsdienstes war die Gedenkstätte bei den oneller Vorarbeit seitens der Opfer- zentralen Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Wieder- verbände bislang noch kein zentrales vereinigung Deutschlands vertreten. Dort präsentierte sich Denkmal zur Mahnung und Erinne- auch das Koordinierende Zeitzeugenbüro, das deutsch- rung an die Opfer der kommunisti- landweit Gespräche mit DDR-Zeitzeugen vermittelt. schen Gewaltherrschaft“ gibt. Dies wäre aber „ein wichtiger Teil einer Er- Inzwischen hat der Freistaat Sachsen turnussgemäß den innerungskultur an die SED-Diktatur“, Vorsitz des Bundesrats übernommen. Am 3. Oktober 2016 hieß es weiter. Die Regierung wird wird der Tag der Deutschen Einheit also in Dresden gefei- aufgefordert, die Initiative des Par- ert. laments noch in dieser Wahlperiode „ aufzugreifen.

24_Interna Veranstaltung_25 Mahnmal für Maueropfer Günter Litfin an authentischen Stasiopfer-Gedenkstätte erhält „Berliner Friedensuhr“ Ort versetzt von André Kockisch von Jörg Kürschner

der aufgestellt. Jetzt steht er unter Seit dem 9. November steht im Be- der Bahnbrücke am ursprünglichen sucherzentrum der Gedenkstätte Ort des Geschehens. Die Umsetzung Berlin-Hohenschönhausen eine Nach- erfolge „im Einklang mit der Idee des bildung der Berliner Friedensuhr. dezentralen Gedenkstättenkonzepts des Landes Berlin“, betonte der Di- Ende 2014 hatte das Berliner Komi- rektor der Stiftung Berliner Mauer, tee für UNESCO-Arbeit den Preis der Axel Klausmeier, in seiner Ansprache. Gedenkstätte und der DDR-Bürger- rechtlerin Ulrike Poppe verliehen. Seit Bei der Zeremonie zugegen war auch 2003 vergibt der Verein die Auszeich- Jürgen Litfin, ein Bruder des Getöte- nung an Persönlichkeiten oder Ins- ten. Er kam 1980 selbst ins berüchtig- titutionen, die zur Überwindung von Gedenken an Günter Litfin, dem ersten Opfer des Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe und Jens Lorenz, Schießbefehls in Berlin – elf Tage nach dem Mauerbau te Zuchthaus Cottbus, da er einen an- Mauern zwischen Rassen, Klassen, Initiator der „Berliner Friedensuhr“ im August 1961 deren Republikflüchtling unterstützt Völkern, Nationen, Kulturen, Ideologi- © Stiftung Berliner Mauer hatte. Um die Erinnerung an seinen en, Konfessionen, Parteien und Men- ber 1989 sickerte die Nachricht vom Bruder Günter wachzuhalten, hat Jür- schen beigetragen haben. Fall der Mauer durch. Die Preisträger, Wer in Berlin in Richtung Hauptbahn- gen Litfin 2003 an der Kieler Straße zu denen unter anderem Hans-Diet- hof strebt oder mit der Bahn ange- aus einem Wachturm eine Gedenk- Das UNESCO-Komitee hatte die Aus- rich Genscher, Michail Gorbatschow, kommen ist, hat seit Anfang Oktober stätte gemacht. zeichnung damit begründet, dass die Ronald Reagan, Helmut Kohl, George Gelegenheit, der Hektik dort zu ent- Gedenkstätte im früheren zentralen Bush sen. und Papst Johannes Paul fliehen und inne zuhalten am Ge- Für den Weg vom Gedenkstein am Untersuchungsgefängnis der Staats- II. gehören, erhalten eine 30 cm hohe denkstein für Günter Litifin. Hauptbahnhof zur Gedenkstätte nahe sicherheit durch ihre tägliche Arbeit Nachbildung der Uhr. des Bundeswirtschaftsministeriums die früheren Gefängnismauern über- „ Der Ostberliner Schneider starb vor braucht man zehn Minuten. winde, hinter denen die Menschen- 54 Jahren im Wasser des Humboldt- „ rechte mit Füßen getreten worden Hafens, wo die Grenze zwischen seien. Sie reiße die Mauern nachträg- dem britischen und sowjetischen lich nieder und rehabilitiere damit die Sektor verlief. Der 24-jährige war am Opfer. 24. August das erste Opfer des Schießbefehls. Der Gedenkstein hat Die Verleihung der Berliner Friedens- eine lange Geschichte. uhr geht auf den Juwelier Jens Lorenz zurück. Dieser baute 1989 eine fast 3 1962 aufgestellt auf Veranlassung Meter hohe und 2,5 Tonnen schwere des Regierenden Bürgermeisters Uhr mit der Inschrift „Zeit sprengt alle Willy Brandt ging er später verloren, Mauern“. Er wollte damit ein Zeichen wurde im Jahr 2.000 von Bauarbei- der Hoffnung setzen, dass sich Ost tern gefunden und am ehemaligen und West wiedereinigen mögen. Bei Grenzübergang Invalidenstraße wie- der Vorstellung der Uhr am 9. Novem-

26_Gedenken Auszeichnung_27 Hubertus Knabe, Bodo Ramelow, Karl Marx – ein Briefwechsel Eklat: Ex-Stasi-Mitarbeiter beleidigt Gedenkstättendirektor Knabe von Jörg Kürschner von Jörg Kürschner

freundlichen Brief an den frisch ge- Der Berliner Stadtteil Hohenschön- fortfuhr („Volksverhetzer“), notierte backenen Regierungschef des Frei- hausen war jahrzehntelang eine sich Knabe dessen Autonummer. staats. Hochburg der Mitarbeiter des DDR- Staatssicherheitsdienstes. Vor dem Mit dem Ausruf „Ja, schreibt ruhig Die Gedenkstätte unterhalte eine mu- Mauerfall und auch noch nach dem meine Nummer auf“ endete die un- seale Sammlung, in der mittlerweile Zusammenbruch der DDR. erfreuliche Begegnung mit dem ewig rund 15.000 historische Objekte ge- Gestrigen. Der Gedenkstättendirek- sammelt und bewahrt werden. Ein Bis 2011 stellte die in PDS und Linke tor erstattete Strafanzeige wegen Bereich der Sammlung widmet sich umbenannte SED die Bezirksbürger- Formalbeleidigung. Bereits 2007 war auch der Geschichte des Kommunis- meisterin. Im Laufe der Jahre ist der der Sprecher des sogenannten MfS- mus in der DDR und der SBZ. Dabei Einfluss der Honecker-Erben jedoch Insiderkomitees, Wolfgang Schmidt, geht es auch um die Frage, wie die zurückgegangen. Die einstigen Mitar- vom Amtsgericht Tiergarten wegen heutige Gesellschaft mit dem politi- beiter des Zentralen Untersuchungs- Verleumdung zu einer Geldstrafe Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe schen Erbe der Vergangenheit um- gefängnisses des Ministeriums für verurteilt worden, Er hatte in einem geht und welche weltanschaulichen Staatssicherheit (MfS) sind in die Jah- Offenen Brief behauptet, man dürfe Was haben Karl Marx, Bodo Ramelow Werte aus dieser Zeit heute noch in re gekommen. Die Nachricht, dass Knabe „öffentlich und ungestraft als und Hubertus Knabe gemeinsam? der Gesellschaft der Bundesrepublik die Gedenkstätte zu Monatsbeginn Volksverhetzer“ bezeichnen. Den Direktor der Gedenkstätte Berlin- wirksam sind. den viermillionsten Besucher begrüßt Hohenschönhausen in die geistige hat, wird ihre Lebensfreude kaum ge- Bei dem Täter handelt es sich um ei- Nähe des Begründers des wissen- Vor diesem Hintergrund fragte Knabe steigert haben. Manchmal verlieren nen früheren Mitarbeiter des Ministe- schaftlichen Kommunismus oder des den ranghöchsten Links-Politiker in die früheren Stasi-Schergen die Be- riums für Staatssicherheit (MfS), der ersten Linken-Ministerpräsidenten Deutschland, ob er die Marx-Figur an herrschung. dort bis 1989 beschäftigt war. nach dem Mauerfall zu rücken, wäre die Sammlung abgeben könne. Die „ ein „no go“ wie heutzutage oft for- von Knabe erbetene wohlwollende Diese Erfahrung musste Gedenkstät- muliert wird. Prüfung fiel allerdings negativ aus. tendirektor Hubertus Knabe machen. Die Marx-Figur sei nur „symbolisch Zusammen mit seinem Stellvertreter Der Reihe nach: Bodo Ramelow, Mi- mit Herrn Ramelow in die Thüringer Helmuth Frauendorfer hielt er sich nisterpräsident von Thüringen seit Staatskanzlei eingezogen“, hieß es in Anfang September unweit der Ge- Dezember 2014, hielt es für ange- einem Schreiben der Erfurter Staats- denkstätte im Einkaufszentrum Al- bracht, während des Wahlkampfs kanzlei. Tatsächlich befinde sich die leecenter auf. Plötzlich brach es aus eine Figur von Karl Marx mit sich zu Figur im Landtag und „bewache“ einem älteren Herrn heraus. „Da sind führen. Was die Bundeskanzlerin und die Fraktionsräume der Linken. Statt ja die Volksverhetzer! Lumpen!“. Nun CDU-Vorsitzende Angela Merkel zu Marx habe Ramelow aber ein blaues gehört Knabe nicht zu denen, die sich der Bemerkung veranlasste: „Da soll Schaf als Symbol für Toleranz mit in durch Anschuldigungen oder gar Be- jetzt der Karl Marx in die Staatskanz- die Staatskanzlei mitgenommen, so leidigungen aus der Ruhe bringen lei getragen werden. Das kann doch der Mitarbeiter des Regierungschefs. lassen. Er ignorierte zunächst diesen nicht sein“. Ähnlich sah es wohl auch Zuruf. Als der ältere Herr aber fünf Mi- Hubertus Knabe und schrieb einen „ nuten später mit den Beleidigungen

28_Interna Interna_29 Buchvorstellung: Gedenkstätte stellt neuen Katalog zum Stasi-Gefängnis vor von Jörg Kürschner

Kann man einen Ausstellungskatalog sagte Kordon mit Blick auf zahlreiche über ein Gefängnis machen? Lassen Lesungen seiner Werke wie etwa sich Einsamkeit, Verzweiflung und „Krokodil im Nacken“ als ein Katalog, Leid in einem Bildband darstellen? der Informationen enthalte. Hafterleb- nisse ließen sich nicht musealisieren, Die Gedenkstätte im ehemaligen Sta- gab Wolle während der Debatte zu si-Gefängnis in Berlin-Hohenschön- bedenken, die von Andreas Nachama hausen ist dieses Wagnis eingegan- moderiert wurde, Direktor der Stif- gen und hat ein aufwändig gestaltetes tung Topographie des Terrors. Nicht Begleitbuch zu ihrer Dauerausstellung zu vergessen Andreas Engwert, Kura- herausgebracht. Es präsentiert erst- tor der Dauerausstellung und Heraus- mals zahlreiche Exponate, historische geber des Katalogs, der an diesem Fotos und unbekannte Dokumente Abend ein vielgefragter Gesprächs- über das geheimste Gefängnis der partner war. DDR. Robert Rückel, Direktor des DDR- Ende November wurde der mit Museums, freute sich über den regen IMPRESSUM Unterstützung des Fördervereins Zuspruch und feierte eine gelungene herausgegebene Katalog im DDR- Premiere. Mit der Vorstellung des Ka- Herausgeber: Museum in Berlin-Mitte der Öffent- talogs wurde das Besucherzentrum Förderverein Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen lichkeit vorgestellt. Mit einer erfreuli- des DDR-Museums eingeweiht, ein Dinkelsbühler Steig 12 chen Resonanz, begleitet von einem trefflicher Ort für Lesungen und Dis- 13465 Berlin hochkarätigen Podium, das über die kussionsrunden. Schwierigkeit diskutierte, Gewalt und „ Telefon/Fax: + 49 (30) 22 48 99 20 Unterdrückung in einem Museum [email protected] darzustellen. www.foerderverein-hsh.de www.facebook.com/groups/foerdervereinhsh

Da saßen mit Hermann Schäfer, dem Redaktion: ehemaligen Präsidenten der Stif- Dr. Jörg Kürschner tung Haus der Geschichte, und dem André Kockisch renommierten Schriftsteller Klaus Inhaftiert in Hohen- Fotos: Kordon zwei FV-Mitglieder neben Ge- schönhausen. Zeugnisse Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen denkstättendirektor Hubertus Knabe politischer Verfolgung Seite 24: Achim Melde Seite 26: Stiftung Berliner Mauer und Stefan Wolle, dem wissenschaft- 1945 – 1989. Katalog zur Dauerausstellung. lichen Leiter des DDR-Museums, Nicolai Verlag Berlin. Layout: und sprachen über den Versuch, das 240 Seiten, 400 Abb., Anne Dück 16.95 Euro Grauen verständlich zu machen. Ein Auflage: Roman könne mehr Nähe vermitteln, 700 Druckexemplare

30_Buchtipp BUCHHANDLUNG 89

In der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Genslerstr. 66 13055 Berlin

Telefon: + 49 (30) 98 60 82- 507 Fax: + 49 (30) 98 60 82 34

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