Birke J. Bertelsmeier Folklich 2 3

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Birke J. Bertelsmeier Folklich 2 3 Birke J. Bertelsmeier folklich 2 3 Birke J. Bertelsmeier Birke J. Bertelsmeier folklich 4 5 1. GIROMANiACO (2013/2015) 13:18 5. WhirliGigue (2012) 11: 03 für Ensemble für Flöte solo Ensemble Modern, Leitung: Jonathan Stockhammer Ivanna Ternay 2. hineidunke (2012) 06:35 Amorette I und II (2014/2015) für Streichquartett und Gläser für vier Pianisten an zwei Klavieren Armida Quartett: Martin Funda, Johanna Staemmler (Violine), Birke J. Bertelsmeier, Lukas Maria Kuen, Julian Riem, Paul Rivinius Teresa Schwamm (Viola), Peter-Philipp Staemmler (Violoncello); 6. Amorette I 08:30 Birke J. Bertelsmeier (Gläser) 7. Amorette II 07:49 3. Quartettstück (2008 ) 11:4 4 8. Zimzum (2015) 07:54 für Streichquartett für Symphonieorchester Armida Quartett Bamberger Symphoniker, Leitung: Christoph Eschenbach 4. folklich (2012) 08:27 für Ensemble Ensemble Modern, Leitung: Jonathan Stockhammer Gesamtspieldauer 75:20 Vergnügte Subversion nur Luft 6 Wollte man die Musik Birke J. Bertelsmeiers charakterisieren, so müsste genau alternative Räume und Klangperspektiven eröffnen und verheißt nicht zuletzt 7 davon, vom Charakterisieren nämlich und von Charakteren, die Rede sein. auch einen Zuschuss an unberechenbarer Lebendigkeit. Zu dieser Lebendig- Die Lust der Komponistin am Erfinden prägnanter musikalischer Gestalten keit der Musik Birke J. Bertelsmeiers trägt schließlich auch bei, dass die Kom- ist in ihren Werken allenthalben greifbar, ebenso wie eine schon aus den ponistin ihr Tun als das Erzeugen von und das Arbeiten mit Energien ver- Titeln sprechende Liebe zum Doppel- und Hintersinn. Das verleiht Birke J. steht – auch im übertragenen Sinne: Mit der Energie, die in ihren Werken Bertelsmeiers Werken eine elementare Lebendigkeit und musikantische zum Ausdruck kommt, will sie die Hörer am elementaren Impuls ihrer Musik Aufgeräumtheit: „vergnügt“ lautet eine häufig vorkommende Spielanweisung teilhaben lassen. in ihren Partituren. Weit mehr als nur eine Vorschrift für die Ausführenden Giromaniaco für großes Ensemble entstand 2013 in Rom, während Birke ist damit zugleich eine Grundhaltung ihrer Musik benannt, ein sie kennzeich- J. Bertelsmeiers dortigem Aufenthalt als Stipendiatin der Deutschen Akade- nendes Maß an Vitalität und Weltzugewandtheit. Daneben aber scheinen mie Villa Massimo. Die Uraufführung erfolgte noch im selben Jahr durch das sich Birke J. Bertelsmeiers Kompositionen immer wieder gegen eine allzu prob- Ensemble Modern. Der spielerisch wortkombinierende Titel verweist auf lemlose Geläufigkeit zu sperren. Planvoll enttäuschen sie zuvor aufgebaute etwas wahnhaft Kreisendes, von dem das Stück Prägung und Charakter Erwartungen, verfremden Vertrautes und inszenieren nicht selten ein Spiel erhält – so bereits gleich zu Beginn, wo eine eintaktige rhythmisch-harmo- mit kalkulierter Irritation, durch das die Aufmerksamkeit der Hörer gefesselt nische Figur in den Blasinstrumenten unerbittliche 97 Takte lang wiederholt und herausgefordert wird. Vergnügte Subversion: das ist als kompositorische wird. Dass hierbei auch zwei Zinken zur Anwendung kommen, ist eine klang- Strategie ein Charakteristikum der auf dieser CD versammelten Werke. lich aparte Überschreitung der Grenzen von „Alter“ und „Neuer“ Musik Allerdings sollte man derlei Strategien nicht als Hörerziehung missverste- und gibt damit ein gutes Beispiel ab für die angesprochenen Irritationsmo- hen. Sie sind keine pädagogischen Maßnahmen, sondern in erster Linie mente in der Musik Birke J. Bertelsmeiers. Gegen dieses Ostinato behauptet künstlerische Entscheidungen, getroffen auf der Suche nach kompositorischen sich – „mit trotzigem Charakter“, konzertierend, zunehmend frei und Gestaltungsmöglichkeiten. Das Ausscheren aus einem gegebenen Zu- schließlich sogar ganz unabhängig vom Ensemble – eine entfernt postierte sammenhang – sei es einer der Zeit- oder der Tonhöhenorganisation – kann Solovioline. Ein solches Gegenüber von Individuum und Kollektiv wird für wenn möglich: anfahrendes Auto 8 den weiteren Verlauf des Stücks ebenso formbestimmend wie das gleichzeitig 9 exponierte Gegensatzpaar von manisch kreisender Wiederholung und beredter melodischer Linie. Das Besondere, durchaus auch Irritierende des 2012 entstandenen Quin- tetts hineidunke liegt bereits in seiner Besetzung: Einem Streichquartett ist hier eine Anzahl gestimmter Gläser beigesellt. Dabei beschränkt das Gläser- spiel sich nicht auf die Rolle einer exotischen Anreicherung, sondern er- schafft zusammen mit den Streichinstrumenten einen eigenständigen und markant gegen die Konvention verschobenen Klangraum, zu dem auch die gezielte Manipulation des Quartettklangs beiträgt: Die tiefste Cello-Saite ist auf B hinabgestimmt und die zweite Geige durch einen Hoteldämpfer fast unhörbar gemacht. Die Musik, die sich in diesem Raum entfaltet, ist von gro- ßer Ruhe: Quintklänge, an die sich kleinere Intervalle anlagern, um Reibungs- effekte und zarte Schwebungen zu produzieren, geben erst allmählich Ansätzen einer melodischen Linie Raum. Und wenn sich schließlich in der ersten Geige so etwas wie eine Kantilene erhebt, endet das Stück. Ganz anders dagegen das dem Arditti Quartett gewidmete Quartettstück von 2008, das ungeachtet des zeitlichen Abstands wie das kontrastierende Gegenstück zum Quintett wirkt. Es ist ein hochenergetisches Werk, dessen vergleichsweise nüchterner Titel in die Irre führt: Denn nüchtern ist hier Partiturausschnitt GIROMANiACO im Charakter frei und „betrunken“ spielen (free and “drunken”) 10 11 Skizze zu Quartettstück Partiturausschnitte Quartettstück 12 nichts, nicht nur, weil es an einer Stelle heißt, die erste Geige möge „im Cha- 13 rakter frei und ‚betrunken’“ spielen. Vielmehr begegnen wir einem über zwölf Minuten durchgehaltenen Ausnahmezustand, dessen Hochspannung auch in den ruhigeren Passagen nicht nachlässt. Auch folklich (2012), ein Werk, das nicht nur durch seinen Titel Allusionen an Folk- und Volksmusik weckt, birst vor Vitalität. Und stärker als im Quar- tett entsteht diese Lebendigkeit hier durch das In- und Nebeneinander von solistisch agierenden Instrumenten. Als wäre jedes eine Hauptstimme, lösen sie einander ab oder fallen sich direkt ins Wort, umspielen einander oder igno- rieren sich auch einmal. Dieses Nebeneinander verschärft die Komponistin noch durch präzise entworfene Unschärfen des Zusammenspiels: Hier eine Trübung der Intonation (tatsächlich ein Unisono im Vierteltonabstand), da eine etwas verschleppte Figur (tatsächlich eine exakt ausnotierte Tempo- schwankung) oder ein scheinbar regelmäßiges rhythmisches Modell, das immer wieder aus dem Lot gerät (weil seine Asymmetrie höchst kunstvoll kalkuliert ist). Was daraus folgt, ist der komponierte Schein des Imperfekten, eine inszenierte Freiheit, die als musikalische Energie unmittelbar erfahrbar wird. Der Verstärkung und Übermittlung dieser Energie dient schließlich auch die Vorschrift, dass alle Ausführenden im Stehen spielen sollen. Aus demselben Jahr wie folklich stammt auch WhirliGigue für Flöte solo. Als Pflichtstück eines Instrumentalwettbewerbs konzipiert, berücksichtigt es Skizze zu folklich 14 die instrumentenspezifische Rhetorik und Figuration, ohne sich darauf zu Agogik angefacht und von Spieler zu Spieler, von Phrase zu Phrase weiter- 15 beschränken. Der Titel verspricht Kreiselndes und Tänzerisches, und beide gereicht wird. Bewegungsformen sind denn auch im Stück vertreten, eingebunden in einen „Mit äußerster Ruhe“ – „Mit äußerster Freude“: Zwischen diesen beiden Formverlauf, der sich von anfänglicher Ruhe zu großer Agilität entwickelt, Polen spannt sich die Dramaturgie von Zimzum (2015) für Orchester. Beide um am Ende zu jener Ruhe des Beginns zurückzukehren. So glatt wie hier Vortragsanweisungen markieren Stationen auf dem Weg vom Amorphen zum beschrieben geht diese Entwicklung freilich nicht ab, und es gehört zum Gestalthaften, vom Flächigen zum Konturierten, kurz: von einem Zustand Reiz des Stücks, dass der einmal etablierte Bewegungsimpuls immer wieder des Noch-nicht zu einem der emphatischen Gegenwart. Die Musik zeichnet gestaut und unterbrochen wird. diesen Weg oder Entwicklungsgang nach und entwirft dadurch so etwas Bewegungsimpulse spielen auch in den beiden Klavierstücken Amorette I wie einen idealtypischen Schöpfungsakt. Darauf spielt auch der Titel an: und II eine zentrale Rolle. Ihre Besetzung mit zwei Klavieren und vier Pia- Zimzum bedeutet in der jüdischen Mystik die „Zusammenziehung“, die nisten lässt eher Perkussives oder Motorisches erwarten, und wirklich strotzt Selbstbegrenzung Gottes, um der zu erschaffenden Welt Platz zu machen. das zweite, längere der beiden vor Drive und Energie. Zugleich aber zeigen Die ihm innewohnenden gegenläufigen Prozesse eines Aus-sich-Hervor- die Klavierstücke in idealtypischer Weise, was der oben angesprochene Hang bringens und eines In-sich-Zurückziehens sind es auch, die den Zimzum zur gutgelaunten Subversion musikalisch konkret bedeuten kann: Denn jenseits aller theologischen Dimensionen für die Künste so attraktiv machen: dieses e hässlich spielen wenn zuerst der zweite Pianist und dann nach und nach auch die anderen Barnett Newman und Anselm Kiefer lassen sich stellvertretend für viele andere sich aus dem gemeinsamen Grundtempo verabschieden und „unabhängig nennen. Und da, wie eingangs schon beschrieben, Birke J. Bertelsmeier ihr vom Takt“ (so die Vorschrift in der Partitur) langsamer beziehungsweise Komponieren immer auch als das Erzeugen von und Arbeiten mit Energien schneller werden, dann bekommt das motorische Getriebe des Stücks versteht, hat die Vorstellung sich überkreuzender,
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