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Von der Eboli zur

Nadja Michael. Nach ihrem erfolg- reichen Fachwechsel singt die deutsche Sopranistin in Bregenz die Titelrolle in Puccinis Opernkrimi „Tosca“.

ie deutsche Sopranistin Nadja oben hatte. Dann kamen die beiden Mäuschen fe“. Das deckt sich mit ihrem eigenen Gefühl: Michael ist in Österreich von auf die Welt, und ich hatte wenig Zeit, um „Meine Stimme hat den Mezzo-Approach, ihren zahlreichen Auftritten an mich um meine Stimme zu kümmern. In dem gleichzeitig aber auch einen total direkten Zu- D der Wiener Staatsoper bekannt. Moment, wo es wieder ging, habe ich den gang zur Höhe. Da ist die Stimme zu Hause.“ Allerdings werden manche sie noch als Mezzo, Fachwechsel in Angriff genommen.“ Die Leonore in hat sie ebenso gesun- vor allem als Eboli in Peter Konwitschnys phä- Klare Höhen. 2005 sang sie in St. Gallen als gen wie Verdis Lady , die Santuzza in nomenalem , in Erinnerung haben. erste ausgesprochene Sopranpartie ihre erste Cavalleria rusticana und die Doppelrolle der Vor einigen Jahren hat sie einen Fachwechsel Tosca. Inzwischen gibt es keine Zweifel mehr Marie/Marietta in Korngolds Toter Stadt. vollzogen, der sich für sie selber schon lange an der Zugehörigkeit: In diesem Frühjahr sang Norma und Aida sind in Vorbereitung. Und sie vorher angekündigt hatte. „Ich habe mich in sie an der Mailänder Scala und an der Berliner nähert sich diesen Rollen in ihrer sehr persön- den Mezzorollen nicht mehr wohlgefühlt“, er- Staatsoper die . Kritiker attestierten ihr lichen Art an: „Ich empfinde die Lady Macbeth zählt sie. „Das war an einen Endpunkt gekom- „gestochen klare Höhen“ und eine „satte Tie- nicht so extrem dramatisch, wie sie oft inter- men. Dass ich 2000 in Toulouse meine erste pretiert wird. Man kann das schon auch singen. Venus im Tannhäuser gesungen habe, war ein Genauso die Fidelio-Leonore. Die ist für mich Schlüsselerlebnis. Da fühlte sich die Stimme SEEBÜHNE BREGENZ in der Stimmführung fast mozartisch. Ich halte plötzlich knackig und frisch an. Von da an Giacomo Puccini es für falsch, wenn man die Partie mit Wagner- habe ich mit kritischem Ohr in mich hineinge- Tosca, Do., 19. 7., 21.15 Uhr Sängerinnen besetzt. Da geht meist auch die horcht. Ich habe im Mezzobereich keine Ent- Weiblichkeit verloren, was falsch ist. Das ist ja Dirigent: Ulf Schirmer Regie: Philipp Himmelmann Bühne: wicklung mehr für meine Stimme gesehen. Im eine sehr verletzliche Frau.“ Johannes Leiacker Besetzung: Nadja Michael (Floria Tosca), Gegenteil, es ist irgendwie rückwärts gegan- Brandon Jovanovich (Cavaradossi), Claudio Otelli (Baron Scarpia) Auf Weiblichkeit setzt sie auch in der Salo- gen, weil die Stimme einen kräftigen Zug nach me: Natürlich tanzt sie den Tanz der sieben

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Seebühne Bregenz

Schleier selbst, „mit Riesenfreude“, andere Herangehensweise erfordert. Sie macht wie sie hinzufügt. „Ich liebe es so- auch eine Entwicklung durch, ist also auch als wieso, den Körper einzusetzen. Ich Figur sehr spannend. Die Tosca ist im 1. Akt kann einfach nicht an der Rampe ein reines Wesen, das noch ans Gute im Leben herumstehen.“ Darum blüht sie glaubt und die Realität nicht sehen will. Im Zu- auch auf, wenn sie „bei einem guten sammensein mit der politischen Macht muss sie Regisseur etwas Sinnvolles machen dann blitzartig erwachsen werden.“ darf“ und ihr Potenzial „auch ein- Bregenzer Dimension. Obwohl (oder gerade bringen und einsetzen“ kann. „Ich Don Carlos: Nadja Michael als Eboli weil?) Nadja Michael in Verona und in Konwitschnys Regie, Staatsoper, 2004. hasse nichts mehr, als mich in einer statischen Macerata schon im Freien gesungen Inszenierung totzuspielen. Da läuft man auf hat, ist sie von den Verhältnissen in und verblutet, und das, was man macht, wirkt Bregenz überwältigt. „Bregenz gibt im besten Fall komisch. Daher macht es dop- wahnsinnig viel her“, sagt sie. „Ich pelte Freude, in einer Inszenierung wie Luc habe bei den Proben, ohne dass Bondys Salome in Mailand aufzutreten. Da Licht eingesetzt wurde, eine Gänse- explodiere ich förmlich.“ haut gekriegt. Was man auf einer Mit dem Regisseur der Bregenzer Tosca, normalen Bühne sehr schwer umset- Philipp Himmelmann, hat sie schon beim Don zen kann, ist diese Hybris des Scar- Carlos vor drei Jahren an der Berliner Staats- pia, wenn er diesen Gottesrausch oper zusammengearbeitet, also just zu dem kriegt und sich Gott gleichsetzt. In Zeitpunkt, als David Pountney ihn für die See- Bregenz geht das. Ich habe mir das bühne ausgewählt hat. Es kann also gut sein, gar nicht ausmalen können.“ dass diese Produktion den Ausschlag Fidelio: Christian Franz und Nadja Was ist bei Tosca auf der See- fürs Engagement gegeben hat. Michael, Wiener Staatsoper, 2007. bühne anders als auf einer normaler Bühne? Moderne Umsetzung. Seit dem „Zuallererst die Freiheit in der Bewegung. Rollenwechsel von 2004/05 hat Wenn man da wegrennt, muss man wirklich Nadja Michael viele Toscas gesun- wegrennen. Beim Singen muss man sehr tech- gen, doch alle in Inszenierungen, nisch denken, sehr punktzentriert, und man „die extrem konservativ waren: muss die Stimme sehr genau kontrollieren. Be- Links das Bild, rechts die Madonna, sonders beeindruckend finde ich, dass man und dazwischen stirbt man. Die wa- Dinge, die sehr überhöht sind und nach einer ren sich – bis in die Kostüme hinein großen Dimension verlangen, auch großdi- – sehr ähnlich.“ Umso mehr freut sie mensioniert darstellen kann. Nicht zufällig ist sich auf die „modernere Umset- das Bühnenbild 46 Meter hoch.“ zung“ der Oper in Bregenz. Und das Schönste an der Seebühne sei, dass Tosca, das ist für sie nicht nur das Orchester nie zu laut sein könne. „Das ist eine Oper, die extreme Anforderun- Salome: Luc Bondys Richard-Strauss- toll! Wir sollten mal Salome dort machen.“ B Inszenierung im Teatro alla Scala, 2007. gen an die Stimme stellt, „weil jeder Akt eine Derek Weber FOTOS: MICHAEL KAEMPF, WIENER STAATSOPER GMBH / AXEL ZEININGER (2), MARCO BRESCIA/TEATRO ALLA SCALA