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»O grabe doch und dring' hinein. Und lass nicht hart Gestein dich schrecken I Entgegen leuchtet dir ein Schein Und bald wirst du ein Licht entdecken I« Konfuzius Im Reich der Meerengel Der Nusplinger Plattenkalk und seine Fossilien

Gerd Dietl & Günter Schweigert

Verlag Dr. Friedrich Pfeil München 2001 ISBN 3-931516-90-3 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Dietl, Gerd: Im Reich der Meerengel : der Nusplinger Plattenkalk und seine Fossilien / Gerd Dietl & Günter Schweigert. - München : Pfeil, 2001 ISBN 3-931516-90-3

Copyright © 2001 Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, Germany Druckvorstufe: Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München CTP-Druck: grafik + druck GmbH Peter Pöllinger, München Buchbinder: Thomas, Augsburg Printed in Germany ISBN 3-931516-90-3 Verlag Dr. Friedrich Pfeil • Wolfratshauser Straße 27 • D-81379 München, Germany Tel. ++49-89-74 28 27 0 • Fax ++49-89-72 42 772 E-Mail: [email protected] • www.pfeil-verlag.de Inhalt

Inhalt 5 Geleitwort 7

1 Geologie, Grabungsgeschichte und Methoden 1.1 Der Nusplinger Plattenkalk auf dem Westerberg 9 1.2 Plattenkalke als Fossillagerstätten 10 1.3 Die Entdeckung des Nusplinger Plattenkalks 11 1.4 Auf der Suche nach Lithografiesteinen 13 1.5 Abbau von Boden-und Dachplatten 16 1.6 Ein Rheinländer lässt nach Fossilien graben 17 1.7 Die ersten wissenschaftlichen Grabungen 19 1.8 Die neuen Grabungen 22 1.9 Mit Hammer und Meißel im Buch der Erdgeschichte geblättert 23 1.10 Mit Sticheln, Schabern und mit viel Geduld 24 1.11 Vom Steinbruch in den Computer - moderne Funderfassung 25 1.12 Die Nusplinger Plattenkalk-Lagune 26 Eine tropische Inselwelt 26 Die Nusplinger Lagune - ein Erosionsrelikt 28 Die Wanne am »Großen Kirchbühl« 29 1.13 Vom Kalkschlick zum Plattenkalk 30 1.14 Wie alt ist der Nusplinger Plattenkalk? 34 1.15 Lebensraum - tropische Lagune 35

2 Überblick über die bisherigen Fossilfunde Die Flora der Inselwelt um die Nusplinger Lagune 41 Meeresbewohnende Pflanzen 43 Mikrofossilien 44 Schwämme 44 Weichtiere (Mollusken) 45 Muscheln 45 Perlboote (Nautiliden) 46 Ammoniten 47 Belemniten 47 Teuthiden 47 Gliederfüßer 48 Meereswürmer (Polychaeten) 48 Hundertfüßer 49 Pfeilschwänze (Limuliden) 49 Insekten 49 Krebse (Crustaceen) 51 Armfüßer (Brachiopoden) 56 Moostierchen (Bryozoen) 56 Stachelhäuter (Echinodermen) 56 Seelilien (Crinoiden) 56 Seesterne (Asteroiden) 58 Schlangensterne (Ophiuren) 58 Seeigel (Echiniden) 58 Fische 59 Haie und Rochen (Elasmobranchier) 59 Seekatzen (Holocephalen) 60 Quastenflosser (Crossopterygier) 60 Schmelzschupper 60 Moderne Knochenfische 62

5 Reptilien 65 Krokodile 65 Meeresschildkröten 65 Flugsaurier 65 Spurenfossilien - Zeugen von Leben am Meeresboden 65 Koprolithen und Speiballen 66 Auf der Suche nach dem Urvogel 69 Liste der bisher nachgewiesenen Fossilien 70

3 Naturschutz 3.1 Grabungsschutzgebiet »Nusplinger Plattenkalk« 72 3.2 Naturschutzgebiet Westerberg 73

4 Geschichten rund um den Plattenkalk 4.1 Aus dem Nusplinger Herbar 74 4.2 Kleinstkunstwerke aus Kieselsäure 76 4.3 Verkannte Schwämme 78 4.4 Festgeheftet auf einem Floß 80 4.5 Nautilus mit vollständigem Gebiss 82 4.6 Das Leitfossil des Nusplinger Plattenkalks 84 4.7 Ammonit mit Perlmuttschale 86 4.8 Treibgut aus der Tethys 88 4.9 Ein Kannibale unter den Ammoniten 90 4.10 Dem Ammonitentier auf der Spur 92 4.11 Aptychen - Kiefer oder Deckelorgan? 94 4.12 Ein gefundenes Fressen 96 4.13 Sogar die Tinte blieb erhalten 98 4.14 Der älteste Erdläufer 100 4.15 Die Nusplinger Riesenlibelle 102 4.16 Delikatesse im Speiseplan jurassischer Räuber 104 4.17 Schon zur Jura-Zeit ein »lebendes« Fossil 106 4.18 Eine Schere mit Dornen 108 4.19 Eine Nusplinger Spezialität 110 4.20 Zerkaut, ausgelutscht und ausgespien 112 4.21 Ein Überlebenskünstler auf Stelzen 114 4.22 Ein »glashartes« Stück Arbeit 116 4.23 Charakterfossil des Nusplinger Plattenkalks 118 4.24 Heute ein »lebendes Fossil« 120 4.25 Der Seeigel-Knacker 122 4.26 Ein Schuppenkleid wie ein Panzer 124 4.27 »Eine Meise war schuld« 125 4.28 Im Kalkschlick eingesunken 126 4.29 Ein gefürchteter Räuber 128 4.30 König der Lüfte zur Jura-Zeit 130 4.31 Die ältesten Kurzschwanz-Flugsaurier 132 4.32 Lumbricaria - ein Rätsel wird aufgelöst 134 4.33 »Leuchtende« Fossilien 136 4.34 Ein alter Traum wird wahr 138

Dank 140 Literatur 141 Bildnachweis 144

6 Geleitwort

Kaum ein Gebiet in Mitteleuropa ist so reich an unterschiedlichen Fossilvorkommen wie Baden- Württemberg. So liegt am Fuß der mittleren Schwäbischen Alb die bekannte Fossilfundstätte von Holzmaden mit ihren berühmten Funden von Sauriern, die in der ganzen Welt bekannt sind. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde beim Bau der Autobahn A 6 bei Kupferzell ein Saurier- friedhof aufgedeckt, der nicht nur bei Fachleuten, sondern auch bei interessierten Laien Begeiste- rung auslöste.

Seit 1993 gräbt nun ein kleines Team von Fach- leuten des Stuttgarter Naturkundemuseums zu- sammen mit ehrenamtlichen Mitarbeitern auf der südwestlichen Schwäbischen Alb im Gebiet der Oberen Donau zwischen den beiden Gemeinden Nusplingen und Egesheim im Nusplinger Plat- tenkalk und erschließt dort eine weitere spekta- kuläre Fundstelle von Fossilien. Die seitdem ge- machten Funde sind überragende Dokumente aus einer Zeit vor etwa 150 Millionen Jahren und belegen für diese erdgeschichtliche Epoche ein tropisches Meer mit Riffen und Lagunen. Dank des glücklichen Umstands, dass am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart alle Arbeiten wie Grabungen, Präparation, wissenschaftliche Dr. G. Dietl und Dr. G. Schweigert, die bisherigen Auswertung und Aufbereitung für die Präsenta- Ergebnisse dieser Ausgrabungen einer breiten tion in der Öffentlichkeit in einer Hand liegen, Öffentlichkeit in Form eines Buches präsentie- konnten erste Ergebnisse schon nach wenigen ren. In diesem Zusammenhang soll auch nicht Jahren mit der Sonderausstellung »Im Reich der unerwähnt bleiben, dass die inzwischen weit über Meerengel - Fossilfunde aus dem Nusplinger die Region hinaus bekannten Ausgrabungen bei Plattenkalk« einem breiten Publikum vorgeführt Nusplingen der beliebten Ferien- und Ausflugs- werden. Mehr als 110000 Besucher sahen die im region Naturpark Obere Donau einen weiteren Frühjahr 2001 zu Ende gegangene Ausstellung. Attraktionspunkt bescheren. Den beiden Auto- Darüber hinaus nimmt auch die internationale ren dieses Buchs wünsche ich weiterhin großen Fachwelt an dem Grabungsprojekt »Nusplinger Erfolg in ihrem Bemühen, die erdgeschichtliche Plattenkalk« regen Anteil. Fachleute von Ameri- Vergangenheit des Gebiets »Großer Heuberg« ka, Japan und aus Europa von Spanien bis Russ- einem noch breiteren Publikum zugänglich zu land haben sich inzwischen unter fachkundiger machen. Das reich bebilderte und informative Führung die Ausgrabungsstellen und das Fund- material angesehen. Buch wird dazu sicherlich einen wichtigen Bei- trag leisten.

Wir dürfen stolz sein, dass mit den Fossilfunden aus dem Nusplinger Plattenkalk im Land Baden- Lc -v/ Württemberg ein weiteres Fenster in die Erdge- schichte weit geöffnet werden konnte. Es freut Erwin Teufel mich deshalb, dass die beiden Mitarbeiter am Ministerpräsident des Landes Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, Baden-Württemberg

7 Geologie, Grabungsgeschichte und Methoden

1.1 Der Nusplinger Plattenkalk auf dem Westerberg

Etwa 12 km nördlich der Donau liegt im tief einge- schnittenen Tal der Oberen Bära das Dorf Nusp- lingen (Abb. 1). Im Ortsbild sticht die alte Fried- hofskirche St. Peter und Paul mit ihrem mächti- gen romanischen Turm und dessen Fachwerk- aufsatz hervor (Abb. 2). Nichts zu sehen und nichts zu ahnen ist dort unten im Dorf allerdings von einem Vorkommen von fossilführenden Platten- kalken, die weit über die Region hinaus bekannt sind. Sie liegen auf dem Westerberg, einem Hö- henrücken südwestlich des Orts. Über ein steiles und schmales Sträßchen, das sich in Serpenti- nen nach oben windet, erreicht man die Anhöhe von etwas über 900 Metern über dem Meeres- spiegel. Dort liegt das kleine Plattenkalk-Vorkom- men auf halbem Weg zwischen Nusplingen und der Nachbargemeinde Egesheim (Abb. 3), inmit- ten der Hochfläche in einer wunderschönen Wie- sen- und Waldlandschaft (Abb. 4). Die Bezeichnung »Nusplinger Plattenkalk« geht auf den berühmten, an der Universität Tü- bingen tätig gewesenen Jura-Geologen FRIEDRICH AUGUST QUENSTEDT (1809-1889) zurück, der diese 1843 in seinem bekannten Werk »Das Flözgebir- ge von Würtemberg« erstmals erwähnte28. In zwei kleinen, nahe beieinander liegenden Stein- brüchen sind die Plattenkalk-Schichten von Nusp- lingen heute besonders gut aufgeschlossen. Für den geologisch und paläontologisch Interessier- ten ist der Nusplinger Plattenkalk wegen der da-

Abb. 2. Ortsansicht von Nusp- lingen im Tal derOberen Bära. rin enthaltenen, ausgezeichnet erhaltenen Fossi- Bemerkenswert ist der mäch- lien etwas ganz Besonderes. Viele davon sucht tige Kirchturm der ehemali- man in anderen Jura-Gesteinen vergebens. Der gen Friedhofskirche St. Peter Abb. 1. Lage des Fundorts Nusplingen, südwestliche Nusplinger Plattenkalk bildet deswegen eine so und Paul. Schwäbische Alb/Baden-Württemberg. genannte Fossillagerstätte.

9 Abb. 3. Das Ortszentrum der Gemeinde Egesheim wird von der Liebfrau- Abb. 4. In der reizvollen Landschaft des über 900 m hohen Westerbergs enkirche sowie dem liebevoll renovierten Pfarr- und Rathaus geprägt. zwischen den beiden Gemeinden Nusplingen und Egesheim liegt das Auch auf Egesheimer Gemarkung kommt Nusplinger Plattenkalk vor. Vorkommen des Nusplinger Plattenkalks.

1.2 Plattenkalke als Fossillagerstätten

Wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, han- lien erhalten sein, die in normal geschichteten delt es sich bei Plattenkalken um ebenflächige Kalksteinen nicht oder nur äußerst selten vor- und meist ausgesprochen dünnschichtige Kalke kommen. (Abb. 5). Im angewitterten Zustand erkennt man, Plattenkalke bildeten sich zu ganz verschie- dass sie eine feinste Schichtung (Lamination) denen Zeiten in der Erdgeschichte. Eines der aufweisen. Die Dicke der einzelnen Kalkplatten bekanntesten Plattenkalk-Vorkommen ist dasje- kann von papierdünn bis zu wenigen Zentime- nige von Monte Bolca in den Veronesischen Al- tern variieren. In ihnen können manchmal Fossi- pen, das hauptsächlich eine reiche tropische Fischfauna aus dem Alttertiär geliefert hat. Aus der Kreide-Zeit haben die Plattenkalk-Vorkom- men von Hakel und Hadjoula im Libanon oder von Las Hoyas bei Cuenca in Spanien eine ähnli- che Bedeutung. Zu diesen Fundstellen ist in neue- rer Zeit mit den Insekten und Pflanzen führenden Plattenkalken von Santana in Brasilien eine Fos- sillagerstätte ersten Ranges hinzugekommen. Zur Zeit des Oberen Jura waren Plattenkalke besonders weit verbreitet. Die bekanntesten Vor- kommen sind diejenigen der südlichen Franken- alb. Stellvertretend für viele Einzelvorkommen seien nur die Orte Solnhofen, Eichstätt, Kelheim und Painten genannt. Sie sind weltberühmt ge- worden durch die Funde des Urvogels Archaeo- pteryx. Ein weiteres bekanntes Vorkommen aus dem Ober-Jura liegt bei Cerin in Südostfrank- reich. Obgleich schon lange bekannt, ist nun auch der Nusplinger Plattenkalk durch die neuen Gra- bungen wieder in das Rampenlicht der Wissen- schaft und der Öffentlichkeit getreten. Abb. 5. Plattenkalke sind feinstgeschichtete (laminierte) Kalke, die bei Verwitterung Vom reichen Leben im Meer der späten Jura- plattig zerfallen. Im Bild eine Wand des Plattenkalk-Bruchs von Kolbingen, etwa 6 km Zeit wüssten wir ohne die Fossilfunde aus den südlich des Nusplinger Plattenkalk-Vorkommens gelegen. Plattenkalken recht wenig. Die Mehrzahl der da-

10 mals abgelagerten Schichten sind nämlich nicht Man muss sich die Frage stellen, weswegen als Plattenkalk ausgebildet. Meistens handelt es ausgerechnet im Plattenkalk eine solch ausge- sich um Mergel, dickere Kalkbänke oder um Riff- zeichnete Fossilerhaltung vorkommt. Normaler- gesteine (Massenkalke), denen jegliche Feinschich- weise werden Organismen nach ihrem Tod so tung fehlt. In ihnen sind nur die »gewöhnlichen« stark zerstört, dass nichts oder fast nichts mehr Fossilien stellenweise erhalten, wie die Steinker- von ihnen übrig bleibt. Die Natur kennt keine ne von Ammoniten, Belemniten-Rostren sowie die Verschwendung - auch ein Kadaver dient als Schalen von Muscheln und Armfüßern (Brachio- Nahrung für viele Organismen. In einem lebens- poden), mit Glück vielleicht auch einmal ein See- feindlichen, meistens sauerstoffarmen oder -frei- igel. Hinzu kommen mancherorts riffbildende Ko- en Milieu wie den Bildungsorten der Plattenkalke rallen und Kieselschwämme. In den Plattenkalken konnte dieser Kreislauf der Natur unterbrochen findet man viele dieser Fossilien ebenfalls, aller- werden. Wo aasfressende Organismen fehlten, dings in einer teilweise abweichenden Erhaltung. wurden sowohl Tierkadaver und selbst zarte Pflan- Hinzu kommen im Plattenkalk dann aber noch zenreste mehr oder weniger vollständig einge- andere Fossilien, wie Meereswürmer, Krebse, Tin- bettet. In den Ablagerungsräumen von Platten- tenfische, verschiedene Fische und Meeresrepti- kalken fehlten meistens auch stärkere Wasserbe- lien. Von nahe gelegenen Inseln oder vom Fest- wegungen wie Strömungen oder Wellengang, die land konnten zusätzlich noch Pflanzen, Insekten sonst normalerweise die Skelette von Wirbeltie- und Landreptilien eingeschwemmt oder einge- ren rasch in ihre einzelnen Knochenteile zerlegt weht werden. Fossilien dieser Art sind in Meeres- hätten. Die fossilführenden Plattenkalke eröffnen ablagerungen normalerweise nicht erhaltungsfä- uns gewissermaßen Fenster in die Erdgeschichte, hig, aber hier in den Plattenkalken ausnahmswei- durch die wir exemplarische Blicke auf die Tier- se überliefert, mitunter sogar mit Weichteilen. welt vergangener Erdzeitalter werfen können.

1.3 Die Entdeckung des Nusplinger Plattenkalks

Die Kenntnis über Plattenkalk-Vorkommen auf der Schwäbischen Alb reicht bis in die Römerzeit zurück. Bereits vor etwa 1800 Jahren bauten die Römer den Kolbinger Plattenkalk, dessen Vor- kommen etwa 6 Kilometer südlich vom Nusplin- ger Plattenkalk entfernt liegt, zu Bauzwecken ab. Erst kürzlich machte der Freiburger Archäologe MARCUS MEYER in Oberschwaben auf Äckern im Bereich von ehemaligen römischen Gutshöfen Lesefunde von Gesteinsplatten, die sich eindeu- tig als Kolbinger Plattenkalk identifizieren ließen. Auch bei der näher gelegenen Villa Rustica von Möhringen/Donau fand sich Kolbinger Platten- kalk. Sicherlich wurde dieser auch im Mittelalter als Bodenbelag verwendet. Gewerbsmäßig er- folgte sein Abbau jedoch erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts". In kurzer Zeit war er offensicht- lich so populär geworden, dass ihn sogar der berühmte Naturforscher ALEXANDER VON HUMBOLDT (1769-1859) (Abb. 6) in einem 1823 erschiene- nen Buch16 besonders erwähnte und mit den schon damals sehr bekannten Plattenkalken von Abb. 6. Der berühmte Natur- Solnhofen und Eichstätt in Bayern verglich. Ab- forscher ALEXANDER VON HUM- gesehen von wenigen Spurenfossilien ist der BOLDT (1769-1859) berichtete Kolbinger Plattenkalk allerdings bis heute fossil- erstmals 1823 am Beispiel des leer geblieben und deshalb von der Wissenschaft Kolbinger Plattenkalks von auch wenig beachtet worden. Plattenkalken auf der Schwä- bischen Alb.

11 Der fossilreiche Nusplinger Plattenkalk wurde hingegen erst in der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts entdeckt. Vermutlich war es der in Nusp- lingen tätige Arzt FRIEDRICH KINZELBACH (1809-1867), der den Tübinger Jura-Geologen QUENSTEDT (Abb. 7) im Jahre 1839 zu einer kleinen Gesteins- grube führte, die ein Nusplinger Bauer zur Ge- winnung von Bodenplatten angelegt hatte. Diese kleine Grube (Abb. 8) ist zwar stark verwachsen, aber noch heute deutlich erkennbar. Sie liegt am Rand der Hochfläche des Westerbergs an der ehemaligen Westersteige. In diesem Zusammen- hang stellt man sich natürlich die Frage, wie ausgerechnet ein Arzt dazu kommt, QUENSTEDT das Vorkommen von Plattenkalk bei Nusplingen zu zeigen. Als QUENSTEDT im Jahr 1836 an die Universität Tübingen auf den Lehrstuhl für Geo- Abb. 7. Die Bedeutung des gnosie und Mineralogie berufen wurde, war die- Nusplinger Plattenkalks er- ser noch der medizinischen Fakultät zugeordnet. kannte als erster der bekann- Eine eigenständige naturwissenschaftliche Fakul- te Jura-Geologe FRIEDRICH AU- tät gab es zu jener Zeit an der Universität Tübin- GUST QUENSTEDT (1809-1889), gen noch nicht. Man darf wohl deshalb davon hier in der Robe des Rektors ausgehen, dass der besagte KINZELBACH als Stu- der Universität Tübingen. Er dent bei QUENSTEDT Vorlesungen hörte. Mit Si- führte 1843 den Namen »Nus- plinger Kalkplatten« ein. cherheit erwähnte QUENSTEDT darin die berühm- ten Plattenkalke von Solnhofen, an die sich dann KINZELBACH beim Anblick des Nusplinger Platten- kalks erinnerte. QUENSTEDT hätte zu dieser Zeit wohl kaum auf eigene Faust die versteckten Vor- kommen des Nusplinger Plattenkalks entdecken können. KINZELBACH, der damals schon Fossilien sammelte und von QUENSTEDT später als »vagi- render Sammler von Nusplingen« bezeichnet wurde, promovierte im Jahr 1839 an der Medizi- nischen Fakultät der Universität Tübingen. Er war bis 1853 als Arzt in Nusplingen tätig. Was QUEN- STEDT bei seinem Besuch in Nusplingen vorge- führt bekam, lassen wir ihn mit seinen eigenen, ausdrucksvollen Worten schildern29: »... wir befinden uns hier auch nur in einem unbedeutenden Abraum, wo irgend ein indus- triöser Bauer die grosse Brauchbarkeit der Plat- ten zu häuslichen Zwecken erkannt hat; ... Und doch erregt sie unsere Aufmerksamkeit in so hohem Grade! ... Wenn man dann endlich auch Lumbricarien gefunden hat, so zeigt uns fast jede Platte rundliche gelblich glänzende Punkte von 1 bis 2 Linien Durchmesser. Es sind alles rundliche Fischschuppen, ... Wer es je versucht, in den unübersehbaren Steinhalden Solenhofens selbst Petrefakten zu suchen, und wer dann er- fahren, mit wie geringer Ausbeute man sich hier Abb. 8. In dieser noch heute sichtbaren kleinen Gesteinsgrube am östlichen Rand des zu begnügen hat, dem muss die Ausbeute eines Westerbergs erblickte QUENSTEDT im Jahr 1839 nach einem Hinweis des Nusplinger Punktes, wo kaum so viel Platten zu finden sind, Landarztes FRIEDRICH KINZELBACH erstmals den Nusplinger Plattenkalk. Die kleine Grube ist zugleich eine der Typuslokalitäten des Weissen Jura zeta. als er zu spalten wünschte, gegründete Hoff-

12 nung auf weitere Erfunde erregen.« Erstbesuch in Nusplingen im Jahre 1839 führte Wie recht QUENSTEDT damals mit seiner Pro- QUENSTEDT auch den Schichtnamen »Nusplinger gnose haben sollte, dass der Nusplinger Platten- Kalkplatten« ein, aus dem dann später in Anglei- kalk sehr viel fossilreicher als jener von Soln- chung an den Begriff Solnhofener Plattenkalke hofen sei, bewiesen dann die späteren Aufsamm- der heute gebräuchliche Name »Nusplinger Plat- lungen und Grabungen. Im Bericht über seinen tenkalk« entstanden ist.

1.4 Auf der Suche nach Lithografiesteinen

Offensichtlich hatte QUENSTEDT mit seinem Be- berg) die Idee mit den Lithografiesteinen aus richt über den Nusplinger Plattenkalk bei einigen dem Nusplinger Plattenkalk auf. Wohl um selbst Sammlern und Geschäftsleuten Aufmerksamkeit an ausgedehntere Aufschlüsse und damit zu ver- erregt. Besonders der Pfarrer OSKAR FRAAS (1824- besserten Sammelbedingungen zu kommen, reg- 1897) (Abb. 9), der damals noch in Laufen a.d. te OSKAR FRAAS den Stuttgarter Geschäftsmann Eyach tätig war, begann neben KINZELBACH inten- CHRISTIAN FUCHS im Jahre 1853/54 zu Schürfun- siv im Nusplinger Plattenkalk Fossilien zu sam- gen nach Lithografiesteinen an10. So entstand meln. Über seine ersten Aufsammlungen von der erste Steinbruch im Nusplinger Plattenkalk Fossilien und über die Idee, aus dem Nusplinger ungefähr an der Stelle, an der sich heute noch Plattenkalk wie in Solnhofen Lithografiesteine zu der »Geologische Steinbruch« (= Nusplinger Stein- gewinnen, berichtete OSKAR FRAAS im Jahr 1849 bruch) befindet. Über die in diesem Steinbruch in einem Vortrag auf der Versammlung der deut- aufgeschlossene Schichtenfolge fertigte OSKAR 9 schen Naturforscher und Ärzte in Regensburg . FRAAS im Jahre 1853/54 in seinem privaten Samm- Sogar Graf WILHELM VON WÜRTTEMBERG (1810-1869) lungs-lnventarbuch eine Profilskizze (Abb. 11) an, (Abb. 10), der Erbauer des Schlosses Lichten- die so genau ist, das man einzelne Gesteinsbän- stein bei Reutlingen, griff im Jahre 1850 in einem ke wiedererkennen kann. Der FucHS'sche Stein- Vortrag auf der Jahresversammlung des Vereins bruch war jedoch nur wenig länger als ein Jahr in für vaterländische Naturkunde in Württemberg Betrieb. Die erhoffte Ausbeute an guten Litho- (heute Gesellschaft für Naturkunde in Württem- grafiesteinen stellte sich nicht ein. Allein eine

Abb. 9. OSKAR FRAAS (1824- 1897), Seelsorger in Laufen a. d. Eyach, und später erster Konservator der paläontolo- gischen Sammlungen am da- maligen Königlichen Natura- lienkabinett in Stuttgart, war einer der erfolgreichsten frü- hen Sammler von Fossilien aus dem Nusplinger Plattenkalk.

Abb. 10. Graf WILHELM VON WÜRTTEMBERG, Herzog zu Urach (1810-1869), der Erbauer von Schloss Lichtenstein, war Gründungsmitglied und von 1844-1854 e rs le r Vo rs itze n der des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. In dieser Eigenschaft hielt er 1850 einen Vortrag über die mögliche Bedeutung des Nusplinger Plattenkalks zur Herstellung von Lithografie- steinen.

13 Hauses überschreitet». QUENSTEDT selbst fing nun seinerseits eben- falls an, eine Sammlung von Fossilien aus dem Nusplinger Plattenkalk zusammenzutragen. Etwa zur gleichen Zeit kamen mit dem Stuttgarter Fi- nanzrat FRIEDRICH ESER (1798-1873) (Abb. 12) - der übrigens gleichfalls von KINZELBACH zum Stein- bruch geführt worden war - und dem späteren württembergischen Salineninspektor FRIEDRICH VON ALBERTI (1795-1878) zwei weitere bekannte Sammler hinzu. Die Zahl der Funde aus dem Nusplinger Plattenkalk stieg nun stetig an, nicht zuletzt wohl durch den Umstand, dass 1854/55 eine französische Firma ebenfalls den Versuch wagte, für die Lithografie brauchbare Gesteins- platten zu gewinnen. So konnte ESER im Jahre Abb. 11. Alteste Profildarstel- 1854 in einem Vortrag vor dem Verein für vaterlän- lung des Nusplinger Platten- einzige Bank schien brauchbar zu sein, doch war dische Naturkunde in Württemberg in Stuttgart kalks durch OSKAR FRAAS im Steinbruch des Stuttgarter der Aufwand dafür zu groß. Inzwischen war die hinsichtlich des Nusplinger Fossilvorkommens Unternehmers CHRISTIAN FUCHS, Sammlung von OSKAR FRAAS an Fossilien aus recht überschwenglich von der »Morgenröthe 5 etwa um 1853. DieZeichnung dem Nusplinger Plattenkalk beträchtlich gewach- eines vaterländischen Solnhofens« sprechen . stammt aus dem privaten sen. QUENSTEDT hatte im Jahr 1854 diese Samm- Aber auch die französische Unternehmung blieb Sammlungs-Inventarbuchvon lung in Laufen erstmals zu Gesicht bekommen erfolglos. Immerhin hoffte diese Firma, eine dicke, OSKAR FRAAS (Archiv des Staat- und war über die vielen Funde aus dem Nusplin- schön strukturierte Gesteinsbank in Paris beim lichen Museums für Natur- ger Plattenkalk so begeistert, dass er schreiben Neubau des Louvre als Marmor verwenden zu kunde Stuttgart). konnte29: können, um so ihre Verluste möglichst gering zu »Es ist gar keinem Zweifel mehr unterwor- halten. Ob dies auch wirklich geschah, ist bis fen, dass Alles, was in Solenhofen gefunden jetzt nicht bekannt. wird, auch in Schwaben nicht fehlt. Mehr als die Aus dieser Phase des intensiven, wenn auch, Hälfte ist schon nachgewiesen, und das in ei- rein wirtschaftlich gesehen, erfolglosen Platten- nem Loch, das kaum die Grösse eines massigen kalk-Abbaus sind einige fantastische Fossilfunde überliefert. Aus der reichhaltigen Sammlung von OSKAR FRAAS sind besonders ein großer Pflaster- zahnfisch Gyrodus circularis (Abb. 147.1) und ein wenn auch nicht ganz vollständig geborgener Flugsaurier Rhamphorhynchus cf. muensteri (Abb. 13) zu erwähnen. In der Sammlung QUEN- STEDTS, die sich noch heute am Geologisch-Palä- ontologischen Institut und Museum der Univer- sität Tübingen befindet, ragen der Flugsaurier Gallodactylus suevicus (Abb. 14) und zwei Mee- reskrokodile der Art Geosaurus suevicus heraus. QUENSTEDT berichtete über den schon erhofften Abb. 12. Der Stuttgarter Fi- 29 Flugsaurier-Fund aus dem Jahre 1855 : nanzrat FRIEDRICH ESER (1798- 1873) gehörte zu den ersten »Endlich eines Montag Morgens kommt ein Fossiliensammlern im Nusp- expresser Bote, dreizehn Stunden weit her, auch linger Plattenkalk. SeineSamm- zu mir: der Vogel sei da, ich solle sogleich kom- lung befindet sich heute im men, denn man brauche Geld! Der Mann war Museum ofComparativeZoo- seiner Sache so gewiss, dass er schon unter- logy der Harvard-Universität, wegs auf meinen Namen Schulden gemacht hat- Cambridge/USA. ESER hatte sogar die Absicht, auf dem te! Es ist das die gewöhnliche Art dieser Leute, Westerberg bei Nusplingen eine Concurrenz über ihre Erfunde auszubieten. der Fossilien wegen einen Nachdem ich nun die Aussage sorgfältig ge- Steinbruch in Betrieb zu neh- prüft, Zeichnungen ihm vorgelegt, und Alles men. glaubwürdig fand, so machte ich mich sofort auf

14 den Weg, und wie wenig ich das zu bereuen hatte, beweist beiliegende Abbildung.« Die Sammlung von ESER befindet sich heute im Museum of Comparative Zoology der Univer- sität Harvard, Cambridge (Massachusetts)/USA. OSKAR FRAAS wurde im Jahre 1855 zum ersten Kurator der Fossiliensammlung an das Königli- che Naturalienkabinett in Stuttgart, das heutige Staatliche Museum für Naturkunde, berufen. Dadurch kam seine bedeutende Sammlung an diese Institution. Im Staatlichen Museum für Na- turkunde Stuttgart befindet sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die VON ALBERTI- sche Sammlung.

Abb. 13. Der erste Fund ei- nes Flugsauriers (Rharnpho- rynchus cf. münsteri, verklei- nerte Reproduktion der Ori- ginalabbildung von 0. FRAAS 1855). Der Schädel ist durch die Unachtsamkeit eines Stein- brucharbeiters zertrümmert worden und fehlt deswegen.

Abb. 14. Der erste vollstän- dige Flugsaurier-Fund von 1855, Gal/odactylus suevicus, wurde von QUENSTEDT veröf- fentlicht und als neue Art be- schrieben. Die Abbildung gibt in verkleinerter Form die Ori- ginallithografie wieder. Der Fund stammt aus dem Nusp- linger Steinbruch und wird im Institut und Museum für Geo- logie und Paläontologie der Universität Tübingen aufbe- wahrt.

15 1.5 Abbau von Boden- und Dachplatten

Zwischen den Jahren 1855 und 1869 kam es zu rere Gründe. Zum einen ist der Nusplinger Plat- keinem kommerziellen Abbau im Nusplinger Plat- tenkalk im Vergleich mit den Solnhofener Plat- tenkalk. Wahrscheinlich holten aber einige Bau- tenkalken aufgrund des höheren Tongehalts viel ern aus Nusplingen sporadisch Gesteinsplatten weniger verwitterungsbeständig. Zum anderen zum Decken der Dächer ihrer Häuser. Die dabei verbesserten sich die Transportwege für die tö- zum Vorschein gekommenen Fossilien waren si- nernen Dachziegel durch den Bau von Eisen- cherlich eine interessante Dreingabe, denn sie bahnlinien ganz erheblich. So wurden die Nusp- ließen sich schon damals gut verkaufen. 1869 linger Kalkplatten in kürzester Zeit durch Dachzie- wurde der Nusplinger Steinbruch wieder offiziell gel verdrängt. Im Jahre 1877 konnte QUENSTEDT in Betrieb genommen. Die Plattenkalke wurden allerdings über die Verwendung der Nusplinger nun zur Herstellung von Dach- und Bodenplatten Kalkplatten noch wie folgt berichten31: systematisch abgebaut. In diese Zeit, um 1874, >iAllein bei sorgfältiger Auswahl scheinen sie fiel der Fund eines weiteren, sehr vollständigen doch brauchbar, und die Dächer, deren man in Flugsauriers der Art Pterodactylus longicollum jener Gegend mehrere sieht, haben sich seit (Abb. 153.1), der 1878 vom Stuttgarter Naturali- Jahren mindestens ebensogut gehalten, als Zie- enkabinett aufgekauft wurde. Damals sammelte gel. In Häusern werden sie als Deckel zu MUch- auch der als kartierender Geologe (»Hilfs-Geo- häfen verwendet, die dickern dienen als Boden- gnost«) bekannte JAKOB HILDENBRAND (1826-1904) platten etc.« aus Ohmenhausen - heute ein Stadtteil von Reut- Wie man sich die Verwendung als Deckel zu lingen - im Nusplinger Steinbruch auf dem Wes- Milchgefäßen vorzustellen hat, ist in Abb. 15 an- terberg. Er verkaufte um 1875 eine Auswahl da- hand von Original Nusplinger Milchhäfen aus von zusammen mit zahlreichen anderen Fossili- dem 19. Jahrhundert dargestellt. Vordem 1. Welt- en an den russischen Paläontologen NIKOLAI krieg gab es schließlich nur noch ein einziges VISCHNIAKOFF (1844-1927). Die Objekte befinden Haus, dessen Dach teilweise mit Nusplinger Plat- sich heute im VERNADZKY-Museum in Moskau. tenkalk gedeckt war. Heute ist die Erinnerung an Nach nur neun Jahren Betriebszeit kam es 1878 die ursprüngliche Verwendung der Nusplinger zur erneuten Stilllegung des Steinbruchbetriebs. Kalkplatten bei den Einwohnern fast völlig ver- Das Ende des Dachplatten-Abbaus hatte meh- blasst.

Abb. 15. Im 19. Jahrhundert hat man den Nusplinger Plat- tenkalk nicht nur zum Dach- decken verwendet, sondern, wie uns QUENSTEDT selbst be- richtete, zum Abdecken von »Milchhäfen«. Die im Bild ge- zeigten Nusplinger Milchtöp- fe befanden sich kurioserwei- se ehemals im Besitz der Fa- milie des JAKOB KLAIBER, der bei den Fossilien-Ausgrabun- gen von BERNHARD STÜRTZ in den Jahren 1897-1899 im Nus- plinger Steinbruch als Vorar- beitertätig war. Die Milchtöp- fe stellte BURKHART Russ aus Nusplingen zur Verfügung.

16 1.6 Ein Rheinländer lässt nach Fossilien graben

Im Jahr 1896 wurde der Nusplinger Steinbruch von dem Bonner Mineralien- und Fossilienhänd- ler BERNHARD STÜRTZ (1845-1928) (Abb. 16) wie- der in Betrieb genommen. Seine Firma war als »Mineralogisches und Palaeontologisches Comp- toir B. STÜRTZ« bekannt und wurde später vom gleichfalls in Bonn ansässigen Konkurrenzunter- nehmen KRANTZ übernommen - wo man noch heute einen kleinen Vorrat an Nusplinger Fossili- en besitzt. Damals ging es »nur« um die Gewin- nung von spektakulären Fossilien. Die eigentli- chen Fossiliengrabungen wurden jedoch erst im Jahr 1897 begonnen. Die Anregung dazu ging Abb. 16. Der Bonner Fossili- auf ERNST KOKEN (1860-1912), den damaligen Di- en- und Mineralienhändler rektor des Instituts für Geologie und Paläontolo- BERNHARD STÜRTZ (1845-1928) gie der Universität Tübingen, zurück, der über erwarb auf dem Westerberg die Grabungen auch die wissenschaftliche Auf- Gelände, um dort in einem Steinbruch von 1896-1899 sicht hatte. STÜRTZ verpflichtete sich, alle Funde nach Fossilien schürfen zu zuerst dem Tübinger Institut und in zweiter Linie lassen. Er war dabei sehr er- dem damaligen Königlichen Naturalienkabinett folgreich und verkaufte seine in Stuttgart zum Kauf anzubieten. Anfangs hatte besten Funde an das Institut ein gewisser JOHANNES BINDER (1864-1925) aus für Geologie und Paläontolo- Ebingen im Auftrag von STÜRTZ die Grabungsauf- gie der Universität Tübingen sicht vor Ort. Der Alb-Bote berichtete in seiner und an das damalige König- Ausgabe vom 14. Januar 1898 über dessen Vor- liche Naturalienkabinett in trag über die Grabungsarbeiten vor dem »Deut- Stuttgart.

Abb. 17. Der Vorarbeiter JA- KOB KLAIBER aus Nusplingen führte bei den STÜRTz'schen Grabungen von 1897-1899 in einem Schreibheft über die Art der Funde, deren Verpak- kung und Versand sowie über die Lohnzahlungen an die im Steinbruch tätigen Arbeiter genau Buch. Das Heft stellte BURKHART RUSS aus Nusplin- gen dem Archiv des Staatli- chen Museums für Naturkun- de Stuttgart zur Verfügung.

17 Abb. 18. Noch kurz vor dem endgültigen Ende der STüRTz'schen Grabungen im Nusplinger Plattenkalk teil- te BERNHARD STÜRTZ in einem Brief vom 19.6.1899 dem Tübinger Paläontologen VON HUENE (1875-1969) an- hand einer Skizze mit, wie er sich die Abraumbeseiti- gung im Nusplinger Steinbruch zukünftig vorstellte. Danach dachte STÜRTZ an eine Haspel, mit der man den Abraum in einer Lore über eine schiefe Ebene aus dem Steinbruch hätte hinausbefördern können. Zur Verwirk- lichung ist dieser Plan nicht mehr gekommen. Der Brief befindet sich im Archiv des Tübinger Instituts und Museums für Geologie und Paläontologie.

sehen Lehrer-Verein für Naturkunde« in Ebingen. Dies war wohl der erste Zeitungsbericht über Ausgrabungen im Nusplinger Plattenkalk und über entsprechende Fossilfunde. Später über- nahm JAKOB KLAIBER aus Nusplingen die Aufsicht im Steinbruch. Zur Hauptbetriebszeit beschäftig- te STÜRTZ im Nusplinger Steinbruch auf dem Wes- terberg 10 Personen. In einem noch existieren- den Protokollheft (Abb. 17) aus der Feder von KLAIBER sind viele Einzelheiten nachzulesen, wie zum Beispiel über die Abrechnung mit den im Steinbruch beschäftigen Arbeitern, über Fragen der Verpackung von Fossilien sowie Meldungen von Funden an das Tübinger Institut. Abb. 19. Einer der bedeutendsten Funde der STüRTz'schen Grabungen war das Meeres- STÜRTZ hatte inzwischen auf dem Westerberg krokodil Geosaurus suevicus (Abb. 151.1), das 1897 vom Königlichen Naturalienkabinett im Gewann Taubenloch mehrere Grundstücke in Stuttgart angekauft wurde. Mit dem vorliegenden Genehmigungsschreiben der »Königlichen Direktion der Sammlungen des Staats« wurde dem Königlichen Naturali- aufgekauft, um den Steinbruch erweitern zu kön- enkabinett die geforderte Summe von »2200 Mark« zum Ankauf zur Verfügung gestellt. nen. Mit einer einfachen Skizze (Abb. 18) ver- suchte STÜRTZ den Verantwortlichen vom Tübin- ger Institut mitzuteilen, wie er sich zukünftig die Abraumbeseitigung im Steinbruch vorstellte. Zur Verwirklichung dieser Pläne kam es jedoch nicht mehr, da STÜRTZ gegen Ende des Jahres 1899

Abb. 20. Nur wenige Jahre nach dem Ankauf des Geo- saurus suevicus fertigte EBERHARD FRAAS (1862-1915), Konservator am Königlichen Naturalienkabinett in Stutt- gart, ein Lebensbild dieses Meereskrokodils an (Repro- duktion aus E. FRAAS - Führer durch das Königl. Natura- lienkabinett zu Stuttgart).

18 überraschend den Betrieb einstellte. In verschie- denen Briefen an das Tübinger Institut begrün- dete er seine Entscheidung mit persönlichen Schwierigkeiten, die er vor Ort mit bestimmten Personen und Ämtern gehabt habe. Außerdem hätten die Einnahmen aus dem Verkauf der Fos- silien eben gerade die entstandenen Unkosten gedeckt. Aus wissenschaftlicher Sicht darf die relativ kurze Grabungskampagne von STÜRTZ als sehr erfolgreich angesehen werden. Ihre bedeutends- ten Fossilfunde sind ein etwa 2 Meter langes, fast vollständiges Meereskrokodil der Art Geosaurus suevicus (Abb. 151.1), das 1897 für den damals stolzen Preis von 2200 Mark - nach heutigen Maßstäben etwa 50000 Euro-an das Königliche Naturalienkabinett nach Stuttgart ging (Abb. 19- 21), der langschwänzige Flugsaurier Rhampho- rhynchus longiceps (Abb. 152) und ein etwa 1 Me- ter langer, hervorragend erhaltener Raubfisch der Gattung Caturus (Abb. 107). Die beiden letzten Funde erwarb gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Institut und Museum für Geologie und Palä- ontologie der Universität Tübingen. Viele andere Abb. 21. Die bedeutsamen Fossilien aus dem Nusplinger Plattenkalk veranlassten FRITZ Fundstücke, darunter auch einige Exemplare des BERCKHEMER (1890-1954) im erweiterten »Führer durch die Naturaliensammlung zu Meerengels Squatina acanthoderma, verkaufte Stuttgart« erstmals ein Lebensbild von der Tierwelt des Meeres der Oberjura-Zeit zu präsentieren, das wohl ebenfalls auf EBERHARD FRAAS zurückgeht. Das Meereskrokodil STÜRTZ an Universitätsinstitute und/oder Museen Geosaurus, der Meerengel Squatina, der Pflasterzahnfisch Gyrodus und der Flugsaurier in Tübingen, London, Straßburg, Frankfurt, Wien, Pterodactylus tummeln sich in und über der Nusplinger Lagune. Spaichingen, Tuttlingen, Donaueschingen und an verschiedene Privatleute, die dann später teil- weise ihre Stücke dem Stuttgarter Naturalienka- binett stifteten.

1.7 Die ersten wissenschaftlichen Grabungen

Erst 30 Jahre nach der STüRTZschen Grabung nach so langem Stillstand war man offensichtlich wurde der Nusplinger Steinbruch wieder aufge- in der Region so erfreut, dass der »Heuberger wältigt. War im 19. Jahrhundert die Suche nach Bote« am 29.8.1929 schreiben konnte: »Unse- Fossilien eher eine Art von Schatzsuche, bei der rem Steinbruch aber wünschen wir, dass mit der hauptsächlich die Wirbeltiere im Zentrum der begonnenen Grabung ein neues Ruhmesblatt sei- Aufmerksamkeit standen, so sollte sich dies ab ner Geschichte abzurollen anfängt, ihm zur Ehr, 1929/30 allmählich ändern. Der Steinbruch wur- der Wissenschaft zur Lehr«. Der herausragends- de wieder in Betrieb genommen, um diesmal te Fund dieser kurzen Grabungskampagne war unter rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten eine große Chimäre (Seekatze) der Anlschyodus nach Fossilien zu graben. Finanziert wurden die- quenstedti (Abb. 105). Durch HERMANN ALDINGER se Grabungen, die von der Universität Tübingen (1902-1993), der damals auch die Tübinger Gra- durchgeführt wurden, von der »Notgemeinschaft bungen leitete, kam es erstmals zu einer Unter- der Deutschen Wissenschaft Berlin« und durch suchung des Nusplinger Plattenkalks hinsichtlich Zuschüsse von Seiten des Württembergischen seiner Ablagerungsbedingungen und zur Veröf- Staats. Man beschäftigte zeitweise neun Arbei- fentlichung eines detaillierten Teilprofils1. ter; auch Werkstudenten nahmen an den Gra- Offensichtlich gingen nach kurzer Zeit die Gel- bungen teil. der für eine Fortsetzung der begonnenen Gra- Über die Wiederaufnahme der Grabungen bung aus. Man erreichte 1929/30 die tieferen

19 (Abb. 22) wieder aufgenommen werden. Nach dessen Weggang in den Irak übernahm sein Tü- binger Kollege BRUNO FUCHS die Leitung. Man grub auf einer Fläche von ungefähr 120 m2 (Abb. 23). Dabei fand man unter anderem einen Meer- engel der Art Squatina acanthoderma und einen besonders gut erhaltenen Ganoidschmelzschup- per der Art Ophiopsis procera (Abb. 106). Eine detailliertere Auswertung der Grabung von 1935 unterblieb jedoch. Die Ursache hierfür war wohl der 2. Weltkrieg. Unterdessen war STÜRTZ, der Besitzer des Nusplinger Steinbruchs, gestorben. Deshalb ver- suchten einige Baufirmen aus Nusplingen und Abb. 22. ALFRED MAYER-GÜRR, Umgebung, den Steinbruch zur Gewinnung von Leiter der Tübinger Grabung Baumaterial aufzukaufen. Um dies zu verhindern, von 1935. bemühte sich das Tübinger Institut intensiv, den Steinbruch unter Schutz stellen zu lassen, um ihn Hauptfundschichten noch nicht. Deswegen be- für zukünftige Grabungen zu erhalten. Dies schien mühte sich der damalige Leiter des Instituts für aber nur unter der Voraussetzung möglich, dass Geologie und Paläontologie der Universität Tü- eine wissenschaftliche Gesellschaft zum Erwerb bingen EDWIN HENNIG (1882-1977) im Jahre 1931 desselben bereit wäre. Man dachte hierbei an weitere Geldmittel von der New Yorker Rockefel- den Verein für vaterländische Naturkunde in Würt- ler Foundation zu erhalten, doch leider vergeb- temberg, die heutige Gesellschaft für Naturkun- lich. So verzögerte sich die Wiederaufnahme der de in Württemberg. Diesem fehlten allerdings Grabungen bis ins Jahr 1935. Erst durch die die Mittel für den Ankauf. Erst Stiftungen vom Zusage des Freiwilligen Arbeitsdienstes, der zahl- Tübinger Universitätsbund und von der würt- reiche Arbeitskräfte zur Verfügung stellte, konn- tembergischen Naturschutzbehörde ermöglich- ten die Grabungen unter der Leitung des später ten schließlich den Kauf des Steinbruchs zuguns- in der Erdölindustie tätigen ALFRED MAYER-GÜRR ten dieses Vereins im Jahre 1938. Der Steinbruch

H

Abb. 23. Bei der Tübinger Grabung von 1935 im Nusp- linger Steinbruch waren bis zu 30 Personen vom Reichs- arbeitsdienst im Einsatz.

20 wurde noch im gleichen Jahr unter Naturschutz gestellt. Wie groß das Interesse an den Fossilien aus dem Nusplinger Plattenkalk damals war, zeigten die Bemühungen der Universität Paris. Im Jahre 1946 wurde der Nusplinger Steinbruch in deren Auftrag zu Grabungszwecken aufs neue eröffnet. Unter Besatzungsmachtrechten verpflichtete man zwangsweise einige Nusplinger Bürger für die Grabungsarbeiten. Es wurde jedoch nur einen Sommer lang gegraben. Ein Nusplinger Augen- zeuge berichtete, wie derfranzösische Grabungs- leiter CAMILLE ARAMBOURG (1885-1970) einen grö- ßeren Fund in einem ausgeliehenen Kinderwa- gen persönlich zu Tal gefahren haben soll. Aus anderen Quellen geht hervor, dass die Franzosen angeblich sogar zwei Lastwagen voller Kisten mit Funden abgefahren hätten. Über deren Ver- bleib war leider trotz Nachforschungen bislang nichts in Erfahrung zu bringen. Anschließend vergingen weitere 14 Jahre, ehe Abb. 24. Foto der Tübinger erneut wissenschaftliche Grabungen im Nusp- zu befürchten war, dass durch den Schotterab- Grabung von 1962 im Nusp- linger Steinbruch aufgenommen wurden. Das bau wertvolle Fossilien unwiederbringlich verlo- linger Steinbruch mit drei Institut für Geologie und Paläontologie der Uni- ren gehen würden, beantragte das Staatliche Nusplinger Bürgern als Gra- versität Tübingen grub 1962 einen Sommer lang Museum für Naturkunde Stuttgart beim Landes- bungshelfer. Im Hintergrund steht der damalige Grabungs- (Abb. 24). Diese Grabung wurde als nicht sehr denkmalamt Baden-Württemberg, das gesamte leiter HANS-PETER SCHULTZE, Vorkommen des Nusplinger Plattenkalks unter erfolgreich angesehen und deshalb schon nach heute am Naturkundemuse- wenigen Monaten wieder eingestellt. Lediglich Grabungsschutz zu stellen. Diese Unterschutz- um der Humboldt-Universität der Fund eines Zahnes des Meereskrokodils Da- stellung erfolgte dann am 25.11.1983. in Berlin tätig. cosaurus maximus wurde im Grabungsprotokoll besonders hervorgehoben. Danach fiel der Nusp- linger Plattenkalk für längere Zeit in einen sprich- wörtlichen Dornröschenschlaf. In einem populä- ren Zeitschriftenartikel wurde sogar behauptet, der Nusplinger Plattenkalk hätte alle seine Schät- ze preisgegeben und die Fundstelle sei nun end- gültig erschöpft: Die Nusplinger hätten ganze Arbeit geleistet. Der Nusplinger Steinbruch ver- fiel allmählich (Abb. 25). Nur noch geologische Studentenexkursionen und einige wenige Fossi- lien-Sammler fanden hin und wieder den Weg auf den Westerberg, kaum ahnend, welche Schät- ze sich hier noch heben ließen. Einzig ein Hin- weisschild für Wanderer, errichtet von der Orts- gruppe Nusplingen des Schwäbischen Albver- eins, hielt die Erinnerung an die Bedeutung dieser überragenden Fossilfundstelle aufrecht. Eine neue Situation hinsichtlich der Auf- schlussverhältnisse im Nusplinger Plattenkalk er- gab sich im Jahr 1980. Auf Egesheimer Gemar- kung war zur Gewinnung von Wegschotter ein neuer, kleiner Steinbruch angelegt worden. Der Abb. 25. Steinbruch der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg auf dem Wester- Egesheimer Steinbruch liegt nur etwa 250 m west- berg bei Nusplingen (= Nusplinger Steinbruch, auch als »Geologischer Steinbruch« lich vom alten Nusplinger Steinbruch entfernt bezeichnet). Bevor hier 1994 durch das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart die etwas versteckt in einem kleinen Wäldchen. Da Grabungen aufgenommen wurden, zeigte sich dieser in stark verfallenem Zustand.

21 1.8 Die neuen Grabungen

Trotz der Unterschutzstellung des Egesheimer Fund eines vollständigen Haifischs der Gattung Steinbruchs kam es immer wieder zu Raubgra- Sphenodus (Abb. 144). Aus der Probegrabung bungen, da hier die Plattenkalke besonders leicht wurde durch zahlreiche interessante Neufunde Abb. 26. Die Grabungsstelle zugänglich waren. Deshalb begann dort 1993 von Fossilien eine längerfristig angelegte For- des Stuttgarter Naturkunde- das Staatliche Museum für Naturkunde im Auf- schungsgrabung, die ab dem Sommer 1994 auch museumsim Nusplinger Stein- trag des Landesdenkmalamts von Baden-Würt- auf den alten Nusplinger Steinbruch (Abb. 26) bruch. Das Bild zeigt den Zu- temberg mit Probegrabungen. Es ging vorrangig ausgedehnt wurde. Dort lagen nämlich ebenfalls stand von 1995. Gut sichtbar darum festzustellen, wie gefährdet eventuell zu besondere Fossilien leicht zugänglich, teilweise sind die dunklen, bituminö- erwartende Fossilien sein könnten. Noch im glei- nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche. Zu- sen Plattenkalk-Schichten, in denen viele Fossilien beson- chen Jahr gelang im Egesheimer Steinbruch der nächst wurde auf einer schmalen Schichtrippe, ders gut erhalten sind. die bei früheren Grabungen stehengeblieben war, ein kleiner Probeschurf angelegt. Aus diesem kam in den ersten Grabungstagen eine Platte mit einem mittelgroßen Raubfisch der Gattung Caturus zu Tage, der von drei etwa 20 cm langen Garnelen der Gattung Antrimpos umgeben war (Abb. 81). Hinzu kam noch die Beobachtung, dass im Nusplinger Steinbruch bestimmte Plattenkalk- Lagen aufgrund eines erhöhten Bitumengehalts blaugrau gefärbt sind und eine ausgezeichnete Fossilerhaltung versprachen. Im Egesheimer Steinbruch wird seit 1993 unter einem Grabungszelt (Abb. 27) gegraben, um von der Witterung unabhängig zu sein. Im gleichen Jahr wurde in diesem Steinbruch außerdem noch eine Grabungshütte (Abb. 28) aufgestellt. Sowohl im Egesheimer als auch im Nusplinger Stein- bruch wird in der Regel auf einer Fläche von bis zu 100 m2 gegraben. Bis zu fünf Personen kön- nen auf einer solchen Fläche gleichzeitig arbei-

Abb. 27. Im Egesheimer Steinbruch wurde zu Beginn der Grabungen im Abb. 28. Zur Verbesserung der Infrastruktur wurde im Egesheimer Sommer 1993 über der Grabungsfläche ein Grabungszelt aufgestellt. Steinbruch eine Baubaracke aufgestellt. In ihr wird das Grabungswerk- Dadurch kann man dort unabhängig von der Witterung arbeiten. Im zeug gelagert. Sie dient auch als Aufenthaltsraum bei der Mittagspause. Egesheimer Steinbruch sind nur noch die tieferen Plattenkalk-Schichten Die Tagesausbeute an Funden wird jedoch dort nicht deponiert, sondern erhalten. Die höheren Abschnitte sind durch Erosion längst abgetragen. sofort einpackt und nach Stuttgart abtransportiert.

22 ten. Eine zusammenhängende Grabungskampa- Rücksicht nehmen und muss kein örtliches De- gne gab es bisher nicht. Gegraben wurde immer pot für die Fossilien einrichten. So kann man am nur sporadisch, je nach Verfügbarkeit von Zeit Ende eines Grabungstages alle Funde einpacken und Personal. Bei dieser Art der Grabungseintei- und in das Naturkundemuseum nach Stuttgart lung kann man natürlich auch auf das Wetter bringen.

1.9 Mit Hammer und Meißel im Buch der Erdgeschichte geblättert

Die Plattenkalk-Schichten werden von oben nach bloßem Auge nicht sicher identifizieren kann, unten abgegraben. Dabei werden jeweils Schicht- müssen mit einer Lupe oder unter einem Binoku- pakete von einigen Zentimetern Dicke mit der lar (stereoskopische Lupe) vergrößert betrachtet Schaufel, einer Hacke oder einer Brechstange abgehoben und so fein wie möglich weiter auf- gespalten. Dazu benutzt man einen Hammer und sehr flache Meißel {Abb. 29). Man blättert sozu- sagen die einzelnen Plattenkalk-Lagen wie die Seiten eines Buchs auf. Beim Aufspalten müssen aber nicht nur die Plattenoberflächen, sondern auch die Bruchkanten sorgfältig nach Fossilien überprüft werden. Viele Fossilien liegen nämlich innerhalb einer Kalkplatte und werden dann erst im Querbruch entdeckt. So ist zum Beispiel ein im Inneren der Platte sitzender Krebs nur an einem Rasierklingen-dünnen, braunen Band im Abb. 29. Die Plattenkalk- Querbruch zu erkennen. Andere Funde sind ähn- Schichten werden mit der Schaufel oder mit der Brech- lich schwierig zu entdecken. Die Fossiliensuche stange gelockert und vom Un- im Nusplinger Plattenkalk erfordert deshalb ein tergrund abgehoben. Danach geschultes Auge und besondere Sorgfalt. Sie ist erfolgtmiteinemflachen Mei- also im wahrsten Sinne des Wortes echte Spezia- ßel und einem Hammer die listenarbeit. Manche Kleinfossilien, die man mit Aufspaltung in dünne Platten.

Abb. 31. Stark zerbrochene, größere Funde (hier ein Meerengel) wer- Abb. 30, Beim Abbau dickerer Bänke wird zeitweise ein Kleinbagger den auf einem Brett wieder zusammengefügt und für den sicheren eingesetzt. Die besonders dicken Brekzien-Bänke müssen dagegen von Transport seitlich mit Nägeln festgeklemmt. Diese Arbeit muss sofort einem Großbagger gelöst werden. Letzterer wird auch ab und zu für das nach der Fundbergung erfolgen, um festzustellen, ob irgendwelche rasche Umsetzen von Abraummaterial benötigt. Teilstücke fehlen und noch gesucht werden müssen.

23 werden, ehe man entscheiden kann, ob es sich fällt in kurzer Zeit eine große Menge Abraum an. um einen mitnehmenswerten Fund handelt oder Er wird mit Schubkarren auf Halden gefahren. nicht. Die meiste Grabungsarbeit ist also reine Die mitnehmenswerten Fossilfunde werden vor Handarbeit. Nur bei den dickeren Kalkbänken, Ort sofort beschriftet. Dabei werden die genaue die ab und zu in die Plattenkalk-Schichten einge- Schichtangabe, die Orientierung in Bezug zur schaltet sind, wird zusätzliches technisches Ge- Schichtfläche und das Funddatum notiert. Leider rät eingesetzt. Hierzu verwenden wir entweder zerbricht aufgrund der Klüftung des Gesteins ein einen Kleinbagger mit Meißelaufsatz (Abb. 30) Teil der Funde bei der Freilegung oder bei der oder, wenn die Bankstärke auch dafür zu mächtig Bergung. Deshalb müssen größere Objekte, die wird, einen Großbagger. nicht in einem Stück geborgen werden können, Obwohl der Nusplinger Plattenkalk vergleichs- auf Holzplatten montiert werden (Abb. 31). Am weise fossilreich ist, weist die Mehrzahl der ab- Ende eines Grabungstages werde alle Funde und gebauten Platten keine Fossilfunde oder jeden- Beobachtungen in ein Feldbuch eingetragen. Da- falls keine Funde von mitnehmenswerter Quali- nach wandern die Fossilien erst einmal in die tät bzw. besonderer Aussagekraft auf. Deswegen Magazine des Stuttgarter Naturkundemuseums.

1.10 Mit Sticheln, Schabern und mit viel Geduld

Die Freilegung der Fossilien aus dem Gestein der zusammengeklebt werden. So manches Stück erfordert neben entsprechendem präparatori- kommt nämlich von der Grabung in einem in viele schem Geschick außerordentlich viel Geduld. Ehe Teile zerbrochenen Zustand in die Werkstatt. Zu- ein Objekt überhaupt freigelegt werden kann, weilen gleicht das Zusammenfügen der einzel- müssen erst die einzelnen Gesteinsstücke wie- nen größeren Gesteinsstücke und kleinerer abge- sprungener Splitter einem anspruchsvollen Puzz- lespiel. Die wichtigsten Präparationsgeräte zum Freilegen sind Stichel, Schaber, an der Spitze keilförmig angeschliffene Präparationsnadeln, kleine Pressluftmeißel und ein Binokular. Unter dem Binokular werden die Fossilien Quadratmil- limeter für Quadratmillimeter aus dem Gestein herausgeschabt (Abb. 32). Ein Sandstrahlgerät kann man als Präparationshilfe nur in den Fällen einsetzen, in denen das Einbettungsgestein we- sentlich weicher als das Fossil selbst ist. In neues- ter Zeit werden Nusplinger Fossilien auch mit Hilfe von sogenannten Ultraschallmeißeln schonend herauspräpariert. Bei isolierten Zähnen oder Kno- chen hilft manchmal auch das Herausätzen mit einer organischen Säure (Essigsäure oder Amei- sensäure). Bei den kalzitischen Stachelhäutern kann man öfters auch Kaliumhydroxid-Plätzchen zum Freiätzen verwenden. Trotz dieser vielfälti- gen Hilfe durch moderne Präparationsgeräte und -mittel kann die Freilegung eines Fossils aus dem Nusplinger Plattenkalk je nach Größe und Art der Versteinerung Tage, Wochen und manchmal so- gar Monate dauern. Für die Freilegung der Rie- senlibelle (Abb. 137) benötigte der Präparator etwa sechs Wochen. Eine Großgarnele der Gat- tung Antrimpos (Abb. 138) kann unter günstigen Umständen, wenn sie nicht zu stark mit Eisenoxi- den verkrustet ist und nicht zu tief in der Platte liegt, schon in fünf bis sechs Tagen freigelegt

24 sein. Für die Präparation eines ausgewachsenen Meerengels (Abb. 33) muss dagegen fast ein ganzes Jahr als Präparationszeit angesetzt wer- den. Natürlich kann der Präparator nicht viele Stunden hintereinander an einem Objekt diese Hochkonzentrationsarbeit leisten. Eine zitterige und unkontrollierte Hand wäre die schlechteste Voraussetzung für eine gute Präparation. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände wird es verständlich, dass letztendlich jedes fertig präpa- rierte Fossil aus dem Nusplinger Plattenkalk eine Kostbarkeit ersten Ranges darstellt.

Abb. 33. Freilegung eines im Herbst 1999 im Nusplin- ger Steinbruch gefundenen Meerengels (Squatina acan- thoderma).

1.11 Vom Steinbruch in den Computer - moderne Funderfassung

Eine wichtige Voraussetzung für die spätere wis- Nach dem Auspacken der geborgenen Funde senschaftliche Auswertung von Fossilfunden ist werden diese gesichtet, um eine Auswahl derje- die genaue Erfassung der Funddaten, Die sehr nigen Stücke treffen zu können, die vorrangig Abb. 34. Die elektronische große Zahl an Funden aus den neuen Grabungen präpariert werden sollen. Diese Auswahl muß Funddatenerfassung hilft sehr wesentlich, die Übersicht über im Nusplinger Plattenkalk erforderte die Entwick- natürlich sehr sorgfältig vorgenommen werden, die vielen Funde zu behalten. lung einer relationalen Datenbank (»NUSPL«), Sie da die Präparation recht zeitaufwendig sein kann. Mit Hilfe der dafür speziell erleichtert die Erfassung der Fossilien und ermög- Jedes Fossil wird danach mit einer Arbeitsnum- entwickelten wissenschaftli- licht einen raschen Zugriff auf konkrete Fundob- mer und gegebenenfalls auch sofort mit einer chen Datenbank »NUSPL« wer- jekte. In ihr sind alle denkbaren Daten, auch die Inventarnummer versehen. Diese wird dann zu- den die Forschungsarbeiten für die wissenschaftliche Bearbeitung notwendi- sammen mit den Funddaten, der Bestimmung an den NusplingerFunden un- gen Informationen, gespeichert. Die Erfassung terstützt. der Funddaten beginnt bei der Grabung im Ge- lände. Dort wird ein mitnehmenswertes Fossil oder eine interessante Gesteinsstruktur auf der Gesteinsplatte mit Daten wie dem Funddatum, der genauen Fundschicht und der Einbettungsla- ge (Schichtunterseite oder -Oberseite) beschrif- tet. Bei zerbrochenen Platten werden die Teil- stücke als solche markiert, um sie später wieder richtig und vollständig zusammensetzen zu kön- nen. Vermerke über nicht mitgenommene Funde werden in ein Geländebuch eingetragen. Das Einmessen von Objekten mit Hilfe eines Gitter- netzes, wie es vor allem bei archäologischen Grabungen üblich ist, wird nur im Fall von Groß- objekten, wie beispielsweise den Meerengeln, angewandt. Es hat sich nämlich ziemlich rasch gezeigt, dass die Fossilien auf den Plattenflächen statistisch verteilt sind und langgestreckte Fossi- lien, wie zum Beispiel die Belemniten, keine Vor- zugsorientierung besitzen.

25 und dem genauen Aufbewahrungsort (Samm- bank abgelegt. Ziel dieser Funddaten-Erfassung lungsraum, Schrank, Schublade) in die Daten- ist es letztendlich, die Daten nach verschiedenen bank eingegeben (Abb. 34) und anschließend für Gesichtspunkten zu gruppieren, um sie durch das Objekt ein Etikett ausgedruckt. Dadurch ist gezielte Abfragen sortieren und in Form von Ta- nun jedes Objekt eindeutig identifizierbar. Von bellen oder Diagrammen darstellen zu können. fertig präparierten Fossilien mit größerer wissen- Nur so kann man bei inzwischen über 7000 ge- schaftlicher Bedeutung, wie zum Beispiel bei Ori- borgenen und magazinierten Fossilfunden nocii ginalen oder bei einem Fossil mit besonderem einen gewissen Überblick behalten. Schauwert, wird noch ein Foto mit in der Daten-

1.12 Die Nusplinger Plattenkalk-Lagune

Eine tropische Inselwelt kroben entstanden und werden daher von Fach- leuten als Schwamm/Mikroben-Bioherme be- In der Jura-Zeit, vor etwa 205 bis 145 Millionen zeichnet. Im Gegensatz zu den Korallenriffen sind Jahren, waren große Teile Europas von einem sie in etwas tieferem Meerwasser entstanden. Flachmeer bedeckt. Vor etwa 150 Millionen Jah- Die Ablagerung von geschichtetem Kalk zwischen ren, dem Zeitabschnitt, in dem sich auch der diesen Schwammriffen blieb gegenüber dem Riff- Nusplinger Plattenkalk ablagerte, war die Verbin- wachstum erheblich zurück. So bildeten diese dung zwischen den Meeresgebieten Nord- und Schwammriff-Hügel stellenweise, besonders Süddeutschlands durch eine ausgedehnte, un- auch im Gebiet der südwestlichen Schwäbischen gefähr Ost-West verlaufende Landbrücke unter- Alb, ein Relief vorrbis zu 100 m am Meeresboden brochen (Abb. 35). Aus dem flachen Meeresbo- (Abb. 36). Heute sind aus ihnen besonders wi- den im heutigen Gebiet der südwestlichen Schwä- derstandsfähige, ungeschichtete, massig erschei- bischen Alb ragten Schwammriffe (»Riffstotzen«) nende Kalke geworden, die durch die Erosion empor. Sie sind durch das Wachstum von Kiesel- aus den weicheren Bank- und Mergelfolgen da- schwämmen und kalkkrustenabscheidenden Mi- zwischen herausmodelliert werden. Ein beson- ders gutes Beispiel dafür sind hier die Fels- formationen des Tals der Oberen Donau (Abb. 37), die maßgeblich die Schönheit der heutigen Land- schaft ausmachen. Im Gebiet der südwestlichen Schwäbischen Alb bildeten diese Schwamm- stotzen zur Zeit des Oberjuras hier und da schüs- sel- oder wannenförmige Strukturen aus, die bis zu 80 m tief waren. Diese Schüsseln oder Wan- nen waren nicht sehr ausgedehnt. Ein besonders Berlin Warschau schönes Beispiel ist die Schüssel von Bronnen im oberen Donautal, die mit Zementmergeln des unteren Weißen Jura zeta gefüllt wurde (Abb. 38). Sie weist einen Durchmesser von weniger als einem Kilometer auf. Auch der Nusplinger Plat- tenkalk wurde in einer solchen wannenartigen Struktur abgelagert. Damit es allerdings in dieser Wanne zur Bildung von Plattenkalk kommen konn- te, bedurfte es noch zusätzlich besonderer Um- Nusplingen, Wien stände. Offenbar riegelten die Schwamm-Mikro- München ben-Riffe des Weißen Jura epsilon die Wanne zeitweise etwas vom offenen Schelfmeer ab und verhinderten so einen stetigen Wasseraustausch. Dies konnte nur dadurch geschehen, dass die Abb. 35. Zur Zeit des oberen Jura war der süddeutsche Meeresbereich vom norddeut- Schwamm-Mikroben-Riffe, die ursprünglich in schen Jurameer durch eine Landbrücke getrennt. Die Nusplinger Lagune lag nach Osten tieferem Wasser entstanden sind, nun plötzlich wie nach Norden jeweils einige Hundert Kilometer vom Festland entfernt. bis an die Wasseroberfläche reichten, dabei ab-

26 starben und sogar teilweise als Inseln aus dem Schwamm-Algen-Riff Meer herausragten. Als Ursache dafür kommt eine rasche Absenkung des Meeresspiegels oder Teilweise aufgetauchte Schwammriffe eine lokale Hebung des Meeresbodens in Frage. Bei einer Kombination beider Vorgänge wäre die Abschirmung der Wanne sehr rasch erfolgt. Hier- für spricht der innerhalb der Wanne zu beobach- tende geradezu abrupte Wechsel von einer nor- malen Bankkalk-Fazies in die Plattenkalk-Ausbil- dung (Abb. 39). Eine solche von Inseln umgebene Schüssel Backen mit Plattenkalk oder Wanne mit einer Wassertiefe von maximal (Schüssel) 70-80 m würde man heute als eine Lagune be- zeichnen, Zur Ablagerungszeit des Nusplinger Becken mit Bankfazies Plattenkalks hätten wir also im Gebiet des Gro- ßen Heubergs eine Insellandschaft gehabt, die den heutigen Seychellen oder Malediven im In- Schwamm-Algen-Riff dischen Ozean ähnlich gesehen hat. Dazu passt Bankfazies auch das tropische Klima, das wir zur Zeit des Oberjuras in Süddeutschland hatten und das eine entsprechende Tier- und Pflanzenwelt gedeihen ließ. Die Existenz von Inseln wird hauptsächlich durch das häufige Vorkommen von Landpflan- Abb. 36. Zur Zeit des höheren Oberjura war der Meeresboden in der südwestlichen zen im Nusplinger Plattenkalk belegt. Es gibt aber Schwäbischen Alb stark gegliedert. Aus dem Meeresboden erhoben sich Schwammriffe auch gesteinsstrukturelle Hinweise auf solche mit einer Höhe von bis zu 100 m empor. Zwischen den Riffen befanden sich größere ehemaligen Inseln42. Besonders hoch aufragen- Becken oder kleinere Schüsseln bzw. Wannen. In einer solchen Wanne (gelbe Farbe) wurde der Nusplinger Plattenkalk abgelagert. Nach ZIEGLER40, leicht verändert. de Schwammriffe im Umkreis der Lagune wei- sen nämlich eine eigentümliche Gesteinsum- wandlung auf, die zur Entstehung von sogenann- nem zuvor gebildeten Dolomitstein (Calcium/ tem »Zuckerkörnigem Lochfels« führte. Dies ist Magnesium-Karbonat) hervorgegangen ist. Zu- ein grobkörniges, vollkommen fossilfreies Ge- mindest ein Teil dieser Umwandlung fand bereits stein, das durch Abfuhr von Magnesium aus ei- zur Jura-Zeit statt, vermutlich, indem das dolo-

Abb. 37. Blick vom Eichfelsen auf Schloss Werenwag und in das obere Abb. 38. Die Schwammriff-Felsen im oberen Donautal bei Bronnen Donautal. Die Erosion hat die Jura-zeitlichen Schwammriffe heute als (südwestlich von Beuron) - Blick vom Knopfmacherfelsen - zeichnen Felsformationen wieder freigelegt, da sie härter sind als die dazwischen das untermeerische Relief zur Zeit des oberen Jura nach. Sie sind ring- liegenden Bankkalke und Mergel. Sie prägen das heutige Landschafts- förmig angeordnet und bilden so eine Art Schüssel oder Wanne, die hier bild in vielen Tälern der Schwäbischen Alb. allerdings nicht mit Plattenkalk, sondern mit Zementmergeln gefüllt ist.

27 Nusplinger Plattenkalk mit Brekzienlagen und synsedimentären Gleitungen

Abb. 39. Vereinfachter Schnitt Liegende Bankkalke durch den zentralen Bereich der Westerberg-Wanne. Die vollständige Sedimentfüllung der Wanne konnte durch Kern- — Obere Felsenkalke bohrungen ermittelt werden.

mitisierte Riffgestein in Kontakt mit Süßwasser- cken, der Westerberg-Wanne und der Wanne am linsen kam, die sich im Bereich von aufgetauch- Großen Kirchbühl (Abb. 40). Beide könnten ur- ten Inseln bildeten. sprünglich an ihrem östlichen Rand, wo sich heute Die Nusplinger Lagune und die umgebenden das Tal der Oberen Bära befindet, miteinander in Inseln lagen weit draußen im jurassischen Schelf- Verbindung gestanden haben. Diese Erkenntnis- meer. Nach Norden waren es mindestens 200 se gehen auf geologische Geländebeobachtun- Kilometer bis zur Rheinisch-Ardennischen Insel, gen und auf mehrere Kernbohrungen57 zurück, nach Osten etwa 400 Kilometer bis zur Böhmi- die in den Jahren 1994 bis 1997 abgeteuft wur- schen Landmasse. Nach Süden zu vertiefte sich den (Abb. 41). Allerdings basieren diese Beob- Abb. 40. Rekonstruktion des Ablagerungsraums des Nus- das süddeutsche Jurameer zum Tethys-Ozean, achtungen auf Erosionsrelikten der Ablagerun- plinger Plattenkalks zur Jura- nach Westen setzte es sich dagegen als Flach- gen der ehemaligen Lagune. Das heutige Plat- Zeit vor etwa 150 Millionen meer in das Gebiet des heutigen Pariser Beckens tenkalk-Vorkommen bedeckt nur noch eine Fläche Jahren. Damals wies der Mee- fort (Abb. 35). von weniger als 1,5 Quadratkilometern und ist in resboden ein starkes Relief mehrere Teilbereiche zerlegt (Abb. 42). Es besaß auf. Manche Schwamm/Mi- ursprünglich sicher eine größere Ausdehnung, kroben-Riffe ragten als kleine Die Nusplinger Lagune - ein Erosionsrelikt ist aber durch die Abtragung in den letzten Jahr- Inseln aus dem Meer heraus; millionen stark verkleinert worden. Die Mächtig- dazwischen lagen die Wan- nen. Nur in den breiteren und Die ehemalige Nusplinger Lagune war maximal keit des Nusplinger Plattenkalks schwankt zwi- tieferen Wannen (Westerberg- 1 bis 2 Kilometer lang und nur wenige 100 Meter schen 10,5 und 17 Metern, je nach Relief des Wanne, Großer Kirchbühl- breit. Sie bestand ursprünglich aus zwei Teilbe- Lagunenbodens. Derzeit existieren mehrere klei- Wanne) des nördlichen Be- reichs lagerte sich der fossil- führende Nusplinger Platten- kalk ab. Ganz links im Süden liegt das Gebiet mit dem fos- silleeren Kolbinger Platten- kalk. Die vordere Schnittkan- te des Blockbilds fällt in etwa mit dem heutigen Tal der Oberen Bära zusammen. Im Bereich der aufgetauchten Schwammriffe (Inseln) kam es zur Oberjura-Zeit zu einer intensiven Gesteinsumwand- lung (»Zuckerkörniger Loch- fels«, rote Farbe).

28 Schwäbisch Gmund, Neckar

Stuttgart* ioppingen,

Reutlingen Münsingen' Ehingen

Nusplingen

ipäiCbincji Nusplin] •MÄnSgen futtlingerF

Abb. 41. Der Bohrtrupp der Bodenprüfstelle des Regie- rungspräsidiums Tübingen durchbohrte die vollständi- ge Füllung der Westerberg-Wanne. Dadurch erhielt man Abb. 42. Auf dem Westerberg zwischen den beiden Gemeinden Egesheim und Nusplin- erstmals ein vollständiges Profil des Nusplinger Plat- gen kommt der Nusplinger Plattenkalk vor. Das heutige Plattenkalk-Vorkommen (kleine tenkalks und war in der Lage, die Plattenkalk-Schichten geologische Karte: blaue Flächen = Nusplinger Plattenkalk; rote Flächen = »Zuckerkör- des Nusplinger Steinbruchs mit denen des Egesheimer niger Lochfels«; 1,2 = Plattenkalk der »Westerberg-Wanne«; 3 = Plattenkalk der »Großer Steinbruchs in Zusammenhang zu bringen. Kirchbühl-Wanne«; N = Nusplinger Steinbruch; E = Egesheimer Steinbruch) bedeckt nur noch eine Fläche von weniger als 1,5 km2. Es war ursprünglich sicher größer, ist aber durch die Abtragung in den letzten Jahrmillionen stark verkleinert worden. ne Aufschlüsse. Die größten und bedeutendsten davon sind die beiden Steinbrüche auf Egeshei- mer und auf Nusplinger Gemarkung. Im Nusplin- ger Steinbruch ist die gesamte Schichtenfolge des Plattenkalks erhalten. Durch die aktuellen Grabungen sind aber derzeit lediglich die oberen 5 bis 6 Meter davon aufgeschlossen (Abb. 43). Im Egesheimer Steinbruch sind dagegen nur noch die tieferen Plattenkalk-Schichten erhalten ge- blieben. Man kann dort inzwischen das Auflager des Plattenkalks auf den Wannenboden beob- achten, das durch die Grabungen aufgedeckt wurde.

Die Wanne am »Großen Kirchbühl«

Etwa 1,5 Kilometer südlich vom Plattenkalk-Vor- kommen auf dem Westerberg kommen am Süd- hang des Großen Kirchbühl weitere Plattenkalke zum Vorschein. Da sie über eine enorme Höhen- distanz verbreitet sind, nahm man früher an, dass Abb. 43. Ein Bagger räumt im Nusplinger Steinbruch eine dicke, fossilleere Gesteins- diese auch eine besonders hohe Mächtigkeit be- bank aus. Die hinter dem Bagger anstehende Gesteinswand zeigt den Abbaustand im sitzen, wesentlich höher als beim Vorkommen Jahre 2000.

29 auf dem Westerberg. Diese Ansicht hat sich nun- tenpakete leicht ins Rutschen und sind dann mit mehr jedoch als Irrtum herausgestellt. Der Kern Gleitstriemen überzogen. Zuweilen sind auch be- des Großen Kirchbühl besteht nämlich aus älte- reits verfestigte Felsblöcke vom Schwammriff in rem Schwammriff-Gestein, dem der Plattenkalk die Lagune hinein gestürzt und wurden wie exo- wie ein dünner Schleier auflagert. Von den Plat- tische Fremdkörper vom Plattenkalk eingeschlos- tenkalk-Ablagerungen der angrenzenden Lagune sen. sind somit nur noch ganz geringe Reste vorhan- Fossilien sind in den Plattenkalken am Gro- den, während das meiste bereits der Abtragung ßen Kirchbühl nicht sehr häufig und meistens durch die Untere Bära zum Opfer gefallen ist. Das stark zerfallen. Die Plattenkalk-Bildung hat hier enorme Relief am Meeresboden der späten Jura- schon etwas früher eingesetzt als im Egesheimer Zeit lässt sich am Großen Kirchbühl noch heute Steinbruch, denn die Ammonitenfauna unter- nachmessen. Wir müssen davon ausgehen, dass scheidet sich deutlich. Typisch sind hier äußerst die dortige Lagune mindestens 80 Meter tief war, feinrippige Vertreter der Gattung SiHcisphinctes. denn über diese Distanz ziehen sich gleichaltrige An weiteren Makrofossilien kamen einige Garne- Plattenkalk-Schichten am Hang entlang hoch. Um lenreste, stark zerfallene Knochenfische, zerbis- sich ein Bild vom Ablagerungsraum zu machen, sene Belemnitenrostren und Nadelholz-Zweige ist die heutige Situation optimal, denn wir kön- zum Vorschein. Auch undeutliche Fußeindrücke nen das sonst nur durch Bohrungen bekannte von Pfeilschwänzen sind auf manchen Schicht- Unterlager des Plattenkalks direkt sehen. In der flächen zu erkennen. Bemerkenswert ist der Be- randlichen Position lagert der Plattenkalk ganz reich einer Feuersteinlage. Aus ihr wurden be- außergewöhnlich steil auf dem Riffgestein. Auf sonders vielgestaltige und recht gut erhaltene den steil gelagerten Schichtflächen kamen Plat- Radiolarien herausgelöst.

1.13 Vom Kalkschlick zum Plattenkalk

Wie in einem Buch kann man heute mit Hammer trennten Plattenkalk-Pakete unterscheiden sich und Meißel in den Plattenkalken blättern. Im Ge- leicht voneinander. Manchmal sind sie durch ei- gensatz zu einem Buch befinden sich jedoch die nen höheren Tongehalt weicher, manchmal sind jüngeren Seiten oben, die älteren unten. Nicht sie durch einen höheren Kalkgehalt härter, Im immer erfolgte freilich die Ablagerung des Plat- unteren Abschnitt des Plattenkalks stellen sich tenkalks so ungestört. Immer wieder sind dickere zusätzlich noch dünne Kiesellagen ein oder es Kalkbänke dazwischengeschaltet. Seltener unter- treten lagenweise Kieselknollen auf. Manche Plat- brechen in Falten gelegte Plattenkalke oder vom tenkalk-Schichten sind reicher an Beimengun- Schwammriff abgebrochene und in die Wanne gen von feinstem Detritus und dadurch rauer. hineingeglittene isolierte Blöcke die sonst homo- Andere fallen durch eine auffällig dunkle, blau- gene, feinschichtige Abfolge. graue Farbe auf, die eigentlich für Plattenkalke Die gesamte Sedimentfüllung der Westerberg- eher ungewöhnlich ist. Die dunkle Färbung rührt wanne beträgt in ihrem Zentrum durchschnitt- von einem erhöhten Bitumengehalt (langkettige lich mehr als 30 m. Die unteren 20 m bestehen Kohlenwasserstoffe) her (Abb. 26, 45). Durch die aus durchwühlten (bioturbaten) »Liegenden Bank- fehlende Durchmischung der Wassersäule bis kalken«. In diesen herrscht die gewöhnliche, auch auf den Grund der Lagune stellte sich dort immer von anderen Jura-Gesteinen bekannte Fossiler- wieder Sauerstoffmangel ein. Dieser hatte einen haltung vor. Es überwiegen Steinkerne von kaum verzögerten Abbau von organischen Substanzen verdrückten Ammoniten und Muscheln. Wirbel- zur Folge, die heute noch teilweise als Bitumen tiere und feingliedrige Wirbellose wie Krebse oder erhalten sind. In den bituminösen Plattenkalk- Insekten fehlen. Nur das obere Drittel der Wan- Schichten ist sogar Weichkörpererhaltung bei Fos- nenfüllung besteht aus Plattenkalk, der von in die silien möglich (Abb. 75). Wanne hineingeglittenen Riffgesteinsblöcken Ursprünglich war das heute als Plattenkalk überlagert wird (Abb. 44). Mit den Plattenkalk- vorliegende Gestein ein Kalkschlick. Er besteht Schichten setzt dann ganz plötzlich die besonde- überwiegend aus den zerfallenen Skelettelemen- re Fossilführung und die hervorragende Fossiler- ten von kalkabscheidenden Grünalgen (Coccoli- haltung ein. thophoriden), die zum Nannoplankton gehören. Die einzelnen, durch dickere Kalkbänke ge- Mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops wer-

30 Riffblöcke

Abb. 45. Die bituminösen Plat- andauern konnte. Hierbei kam es zur Ausbildung ten (links) heben sich durch ihre blaugraue Farbe deutlich Brekzienbank K2 von Trennflächen zwischen den nacheinander abgelagerten Schichten. Diese bewirken heute von den hellen, oxidierten Gesteinsplatten (rechts) ab. die plattige Aufspaltung des Gesteins. Die Abla- gerungspausen können zeitlich viel länger ge- dauert haben als der Vorgang der Ablagerung von Kalkschlick. Der ursprünglich zähplastische Charakter des Kalkschlicks wird durch die in ihm eingebetteten Fossilien oder deren Spuren ver- deutlicht. Beispiele sind die von Garnelen mit ihrem Schwanzfächer auf den Schichtoberseiten « Abb. 44. Vereinfachtes Profil erzeugten pfeilförmigen Wülste (Abb. 138.2) und durch den Nusplinger Platten- die schräg oder senkrecht im Schlick steckenden kalk, kombiniert aus den bei- Belemniten (Abb. 47). In manchen etwas tonige- den Aufschlüssen im Nusplin- ren Lagen war der Kalkschlick noch so weich, ger und im Egesheimer Stein- dass zum Beispiel Fischkadaver teilweise darin bruch. einsinken konnten und dann auf der Einbettungs- unterseite besonders gut erhalten blieben (Abb. 150.1). Eine gewisse Plastizität musste der Nusp- linger Plattenkalk auch noch in den Fällen gehabt haben, in denen er von den steilen Rändern der

Liegende Bankkalke Abb. 46. Der Nusplinger Plat- tenkalk besteht überwiegend aus den mikroskopisch klei- nen Kalkplättchen von zerfal- den diese Skelettelemente bei 2000-3000facher lenen Grün- bzw. Geiselalgen Vergrößerung sichtbar, manchmal sogar noch aus der Gruppe der Coccoli- als vollständige »Kapseln« (Abb. 46). Die Cocco- thophoriden. Im Zentrum des Bildes ist eine vollständige lithophoriden haben zumindest periodisch das »Kapsel« der Coccolithopho- Meerwasser massenhaft als sogenannte Algen- ride Ellipsagelosphaera zu er- blüte erfüllt. Auf Phasen der Ablagerung von kennen. Rasterelektronische solchen Nannoplankton-Massen folgte eine Ab- Aufnahme, Vergrößerung ca. lagerungspause, die unterschiedlich lange Zeit 2000-fach.

31 Abb. 47. Häufig sind Belem- Eine auffällige Erscheinung im Nusplinger Plat- niten-Rostren im Nusplinger tenkalk-Profil sind die immer wieder dazwischen- Plattenkalk schräg oder senk- geschalteten dicken Bänke, die häufig eckige Ge- recht eingebettet. Das 8,5 cm steinstrümmer enthalten und so einen brekziö- lange Exemplar aus dem Eges- 42 heimer Steinbruch zeigt, dass sen Charakter aufweisen . Manche davon führen die unteren Plattenkalk-Lagen Kalk-Ooide, das sind konzentrisch-schalig um ei- zur Einbettungzeit des Belem- nen Kern herum gewachsene Körnchen, die sich niten noch plastisch waren. im wellenbewegten Flachstwasser bilden und Sie wurden beim Eintauchen uns so einen Hinweis auf die Herkunft dieses des Rostrums nach unten Materials geben. Die dicken Kalkbänke weisen geborgen. Später legten sich weitere Kalklagen darüber, oft eine »gradierte« Schichtung auf (Abb. 49). die am Rostrum aufgebogen Dabei nimmt innerhalb der Bank die Korngröße sind. Solche Einbettungssi- von unten nach oben ab. Die Gradierung zeigt tuationen geben wichtige Er- uns, dass die Bänke als Trübeströme (»Kalkturbi- kenntnisse über den Zustand dite«) abgelagert wurden37. Diese entstanden aus des Sediments am Meeres- lockerem Riffschutt-Material, das sich von Zeit zu boden während der Einbet- tung des Fossils.

Lagune ins Gleiten kam und beckenwärts ab- rutschte. Er legte sich dabei zuweilen wie ein Tischtuch in Falten. Ein besonders schönes Bei- Abb. 48. Eine Falte im Nu- spiel für eine solche isoliert in normal geschich- splinger Plattenkalk des Eges- tetem Plattenkalk auftretende Falte ist im Eges- heimer Steinbruchs. Von den heimer Steinbruch aufgeschlossen (Abb. 48). steilen Rändern der Platten- Anhand von Gleitstriemen an der Basis kann kalk-Wanne geriet hin und wieder schon leicht verfestig- man sogar noch deren Bewegungsrichtung re- tes, aber noch plastisches konstruieren. Solche Faltenstrukturen findet man Material ins Rutschen und leg- vorzugsweise in randnahen Aufschlüssen wie te sich dabei wie ein Tisch- dem Egesheimer Steinbruch. tuch in Falten.

Abb. 49. Anschliff einer Brekzien-Bank aus dem Nu- splinger Plattenkalk. Die Korngröße der in der Bank enthaltenen Partikel nimmt von unten nach oben ab. Man nennt dies eine »gradierte« Schichtung. Sie geht auf Schuttströme (Kalkturbidite) zurück, die sich von den steilen Riffrändern gelöst und über den ganzen Lagunenboden ausgebreitet haben. Dabei setzten sich zuerst die gröberen Partikel ab. Die Feintrübe blieb noch längere Zeit im Meerwasser in der Schwebe und setzte sich erst später darüber ab.

32 Zeit von den steilen Riffrändern gelöst und lawi- nenartig in der Plattenkalk-Lagune ausgebreitet hat. Dabei haben sich zuerst die gröberen und schwereren Partikel auf dem Meeresboden ab- gesetzt. Die Feinfraktion blieb längere Zeit im Meerwasser in der Schwebe und lagerte sich anschließend über dem groben Material ab. Sol- che Trübeströme können nur in einem Ablage- rungsraum entstehen, der steile Ränder und eine größere Tiefe aufweist. Die Ränder der Nusplin- ger Plattenkalk-Lagune können im Extremfall bis zu 45° steil einfallen. Im Egesheimer Steinbruch fällt der Lagunenrand mit etwa 15° verhältnismä- ßig flach ein. Die Lagune selbst konnte eine Tiefe von bis zu 80 m erreichen. Entsprechende Beob- achtungen lassen sich noch in den heutigen Auf- schlüssen in der Wanne am »Großen Kirchbühl« machen (s. S. 29). Dort sind die am Lagunenrand aufragenden Schwammriffe noch ziemlich voll- ständig erhalten. Auch die Anlagerung des Plat- tenkalks an die Riffkalke ist so gut zu erkennen, Abb.50. Im Nusplinger Stein- bruch wird der Plattenkalk von dass man dort sogar noch heute das ursprüngli- ren Mächtigkeit übereinander gestapelt worden mächtigen Riffkalk-Blöcken che Relief nachmessen kann. sind. Vielleicht setzte darüber aber auch die Plat- überlagert. Diese lösten sich Im Nusplinger Steinbruch erzählen uns die tenkalk-Bildung wieder ein. Eines ist jedenfalls vermutlich bei einem hefti- Schichten, die den Plattenkalk überlagern, eine sicher: Diese Schwammriff-Blöcke sind, wie Ge- gen Seebeben von den be- dramatische Geschichte. Sie hat etwas mit dem nachbarten Riffrändern ab Ende der Lagune zu tun. So abrupt wie die Plat- und sind in die Wanne hinein- tenkalk-Bildung über den »Liegenden Bankkal- gestürzt und -geglitten. Sie ken« einsetzte, so plötzlich endete sie auch. Oben deformierten dabei den dar^ unterliegenden Plattenkalk in an der Steinbruchkante (Abb. 50-51) liegen auf vielfältigerWeise. Dies bedeu- dem Plattenkalk kubikmetergroße Massenkalk- tete offensichtlich das Ende Blöcke, die offensichtlich von den randlichen Rif- der Nusplinger Lagune. fen stammen. Wie einige Ammoniten-Funde aus ihnen belegen, sind sie früher entstanden als der Plattenkalk darunter. Damit liegt hier ein etwas älteres Gestein auf einem jüngeren, eine schein- bar paradoxe, für den Bereich des Schwäbischen Juras jedenfalls ganz ungewöhnliche Erschei- nung. Erklärbar ist dies nur dadurch, dass diese ungeschichteten Riffblöcke ursprünglich von Riff- körpern stammen, die sich erheblich über die Plattenkalk-Oberfläche erhoben haben. Die Blö- cke lösten sich von den steilen Riffrändern und glitten oder rollten über die Wannenränder in das Lagunenzentrum hinein und überschütteten den Plattenkalk. Wie eine Kernbohrung nördlich vom Nusplinger Steinbruch zeigte, konnten diese Abb. 51. Im Nusplinger Stein- aufeinander gestapelten Riffblöcke stellenweise bruch beobachtet man inner- sogar eine Mächtigkeit von über 5 m erreichen. halb des Plattenkalk-Abschnitts, Durch die spätere Abtragung der Landoberflä- der unmittelbar unter den ab- geglittenen Riffkalk-Blöcken che auf dem Westerberg sind uns leider weitere liegt, eine starke Verschup- Informationen über die den Plattenkalk überla- pung. Dadurch kam es stellen- gernden Schichten verloren gegangen. So wis- weise zu einer Erhöhung der sen wir nicht, ob diese Riffschutt-Blöcke nicht Mächtigkeit des entsprechen- vielleicht ursprünglich mit einer noch viel höhe- den Schichtabschnitts.

33 fügeuntersuchungen erwiesen haben, nicht nor- etwas stärker kompaktierte und daher härtere mal abgelagert worden, sondern verkippt und Schichten wurden durch die Gleitblöcke teilwei- rotiert. Sie liegen heute bestimmt einige 100 m se verschuppt und zu größerer Mächtigkeit auf- von ihrem Herkunftsort entfernt. Ihre Wegstre- einander geschoben. Dieses spektakuläre sedi- cke ist gekennzeichnet durch Gleitstriemen auf mentologische Ereignis muss eine dramatische der Oberfläche der darunterliegenden Platten- Ursache gehabt haben. Wir nehmen an, dass nur kalk-Schicht. Beim Gleitvorgang deformierten sie gewaltige Seebeben in der Lage waren, die Riffe außerdem die unmittelbar unter ihnen liegenden, zum Einsturz zu bringen und die Nusplinger Plat- noch plastischen Plattenkalk-Schichten. Schon tenkalk-Lagune mit deren Schutt zu begraben.

1.14 Wie alt ist der Nusplinger Plattenkalk?

Das Vorkommen von Plattenkalken ist eine wei- en Grabungen gar nicht gemacht worden sind. ter verbreitete Erscheinung im Oberjura Süd- Die wichtigsten Leitfossilien der Jura-Zeit sind deutschlands. Jura-Geologen wie QUENSTEDT oder die Ammoniten. Ihre Evolution verlief rascher als ALBERT OPPEL hielten deswegen verschiedene Vor- diejenige anderer Organismengruppen. Mit ihrer kommen wie die Solnhofener Plattenkalke und Hilfe kann man deswegen die Ablagerungen der Jura-Zeit am genauesten datieren. Während man früher einzelne Ammonitenarten wie die Leitart Lithacoceras ulmense betrachtete (Abb. 128.1), verwendet man heute zur relativen Altersdatie- Hangende Bankkalk- rung die gesamte Vergesellschaftung65. Die cha- Formation rakteristische Ammoniten-Vergesellschaftung ei- nes bestimmten Zeitabschnitts bezeichnet man Zementmergel-Formation (ki5) als einen Faunenhorizont. Er wird nicht nur von ---- Liegende Bankkalk der Evolution der Ammoniten bestimmt, son- (ki4) Formation dern auch von Einwanderungs-Ereignissen in der Obere Felsenkalk- Folge sich verändernder Meeresströmungen. Mit Formalion dieser Methode kann man eine zeitliche Auflö- Untere Felsenkalk sung von weniger als 100000 Jahren erreichen, Balderum-Bänke (kil) das ist wesentlich genauer als mit radiometri- I.acunosamergel-Formation schen Methoden. Es hat sich nun gezeigt, dass der Nusplinger Plattenkalk um etwa 500000 Jah- Wühlgeschichtete Kalk- re älter ist als die Solnhofener Plattenkalke. Die Formation (0 —j-fHttiNSTEtiTs I ucdiienbank- Ammonitenfaunen beider Plattenkalk-Vorkommen Bimammatum-Bänke sind so verschieden, dass keine einzige Art über- einstimmt. Damit gehört der Nusplinger Platten- Impressamergel-Formation kalk noch in die Zeit des Ober-Kimmeridgium (oxl) (Abb. 52). Auf der amtlichen geologischen Karte Trans versari um-Bänke wird er fälschlicherweise noch immer in die Zeit des Unter-Tithonium eingestuft, dem Alter der Abb. 52. Stratigrafische Stel- lung des Nusplinger Platten- Solnhofener Plattenkalke. 26 kalks (NP im braunen Feld) im den Nusplinger Plattenkalk für gleichaltrig . QUEN- Innerhalb des Nusplinger Plattenkalks ist die Oberjura der Schwäbischen STEDT differenzierte die jüngeren Kalkserien der Ammonitenfauna einheitlich, sieht man einmal Alb. Der Nusplinger Platten- Schwäbisch-Fränkischen Alb allerdings nicht wei- von den noch erhaltenen Plattenkalken am Gro- kalk stellt eine Sonderfazies ter, sondern stufte sie alle in seinen Weißjura ßen Kirchbühl ab, die sogar noch etwas älter der »Liegenden Bankkalke« »zeta« ein. Die kleine Plattenkalk-Steingrube an sind als der Plattenkalk an unseren Grabungs- dar und gehört im Sinne der der Westerbergsteige (Abb. 8) ist sogar eine der QuENSTEDT'schen Jura-Glie- stellen. Aus weiteren Beobachtungen kann man derung in den tieferen Weis- klassischen Lokalitäten, mit denen QUENSTEDT sei- schließen, dass das gesamte Profil des Nusplin- 28 sen Jura zeta. Er besitzt auf- nen Weißjura zeta definierte . Die Ansicht einer ger Plattenkalks wohl in nur einigen zehntausend grund seiner Ammonitenfau- Gleichaltrigkeit des Nusplinger Plattenkalks mit den Jahren abgelagert wurde, erdgeschichtlich be- nen noch eindeutig ein Ober- Solnhofener Plattenkalken hielt sich hartnäckig, trachtet also einem äußerst kurzen Zeitraum. Kimmeridgium-Alter. obwohl genauere Untersuchungen vor den neu- Absolute Datierungen des Nusplinger Platten-

34 kalks sind nur auf indirektem Weg mit Hilfe der liche Verteilung von Schwamm-Riffen, Korallen- Ammoniten und auch der Radiolarien möglich. riffen und Zementmergelbecken zur Bildungszeit Für ungefähr gleichaltrige Ablagerungen in Kali- des Plattenkalks untersuchen. In der engeren fornien, die durch eingeschaltete Vulkanite ra- Nachbarschaft der Nusplinger Lagune sind wir diometrisch datierbar sind, hat man ein Alter von allerdings auf andere Überlegungen angewie- etwa 150 Millionen Jahren vor heute ermittelt. sen, da dort gleichaltrige Ablagerungen bereits Die Untersuchung der Ammonitenfauna er- der Abtragung zum Opfer gefallen sind. Die möglicht aber nicht nur eine Alterseinstufung, Schwamm-Mikroben-Riffe in der heutigen Um- sondern auch eine Rekonstruktion der Paläogeo- gebung des Plattenkalks sind nämlich aufgrund grafie zur Oberjura-Zeit. So kann man die räum- ihrer Ammonitenfauna älter als der Plattenkalk.

1.15 Lebensraum - tropische Lagune

Wer heute im Frühjahr, Herbst oder Winter auf cher in Jurakalken nachweisen. der Hochfläche des über 900 m hohen Wester- Nach der Fülle der Fossilien, die bisher aus bergs einen Spaziergang unternimmt und die dem Nusplinger Plattenkalk geborgen wurden - beiden Grabungsstellen im Plattenkalk des Nusp- es wurden bis jetzt mehr als 250 verschiedene linger und Egesheimer Steinbruchs besucht, sollte Pflanzen- und Tierarten nachgewiesen - möchte Auf den folgenden 4 Seiten: warme Kleidung mit sich führen. Das heutige man annehmen, dass die Nusplinger Lagune von raue Klima lässt die Vorstellung eines tropischen reichem Leben erfüllt war. Das tropische Leben Abb. 53. Auf den Inseln in Klimas vor 150 Millionen an derselben Stelle nur hat sich aber eher in den flachen randlichen Be- der Umgebung der Nusplin- schwer nachvollziehen. Überrascht von Schnee- reichen und im oberflächennahen Wasser der ger Lagune herrschte ein ein- schauern, wie sie noch bis in den Frühsommer Lagune sowie in den Schwamm-Mikroben-Riffen geschränktes Leben an Pflan- hinein auftreten können, mag man es als eine abgespielt, Die umgebenden Inseln dürften, da zen und Tieren. Neben Pflan- Ironie des Schicksals empfinden, an einem Ort sie ja weitab vom nächsten Festland lagen, nur zen fanden nur wenige Tier- zu stehen, an dem sich zur Oberjura-Zeit eine eine artenarme Vegetation und Fauna aufgewie- gruppen wie die Flugsaurier und einige Insekten den Weg blaue Lagune mit einer angenehmen Wasser- sen haben. Der Meeresboden im zentralen Be- auf die Inseln. temperatur von wohl weit über 20 °C befand. Wie reich der Lagune glich dagegen eher einer Art ist es möglich, dass sich das heutige Klima so von Unterwasserwüste (Abb. 56). Dafür gibt es Abb. 54. In den Flachwasser- sehr vom damals herrschenden unterscheidet? verschiedene Gründe. Durch den mangelhaften bereichen um die Nusplinger Insgesamt war das Klima zur Oberjura-Zeit welt- Wasseraustausch mit dem offenen Meer entstand Lagune und an deren Rän- weit deutlich wärmer als heute. Vereiste Pol- über dem Meeresboden zumindest zeitweise eine dern herrschte ein reiches tro- kappen gab es damals nicht. Bedingt durch die lebensfeindliche Zone mit stagnierendem, sauer- pisches Unterwasserleben, Kontinentaldrift und die damit einhergehende stoffarmem und vielleicht auch zeitweise etwas auch mit zahlreichen boden- Veränderung der Lage der heutigen Kontinente übersalzenem (hypersalinem) Wasser. Die Folge bewohnenden Tieren. zueinander hat sich ganz Süddeutschland seit davon war ein verzögerter Abbau organischer Abb. 55. Innerhalb der Nus- der Jura-Zeit vom 40. Breitengrad N weiter nach Substanzen. Im oder am Meeresboden lebende plinger Lagune tummelten sich Norden zum 50. Breitengrad N hin verlagert, also Organismen, wie Sedimentwühler und aasfres- schwebende und schwim- in etwas kältere Bereiche. Auch die heutigen sende Tiere mieden diesen Biotop. Viele zum mende Tiere, insbesondere Alpen existierten zur Jura-Zeit noch nicht. An Meeresboden abgesunkene Tierkadaver zerfie- in den höheren Bereichen der ihrer Stelle erstreckte sich der warme Tethys- len deswegen an Ort und Stelle, ohne gefressen Wassersäule, in denen nor- Ozean. Schließlich muss man noch die Heraus- zu werden. Auch die sonst übliche Durchwüh- male Sauerstoff- und Salini- hebung auf heute 900 m über dem Meeresspie- lung (Bioturbation) des Kalkschlicks blieb aus. tätsverhältnisse bestanden, gel in Rechnung stellen. Diese Hebung, die im Als Folge davon ist die Feinstschichtung (Lamina- Zusammenhang mit der Gebirgsbildung der Al- tion) des Sediments in der Regel noch vollkom- Abb. 56. Der Meeresboden pen steht, ist noch gar nicht so alt. Lange nach men erhalten. Zu einer vollständigen Abschnü- am Grund der Nusplinger Lagune war meistens eine Art der Oberjura-Zeit, vor 20 Millionen Jahren, er- rung der Lagune kam es aber nie, sonst wären von Unterwasserwüste. Dort streckte sich das Molassemeer zwischen Schwä- die auf normales Meerwasser angewiesenen Or- lagen von Aasfressern unbe- bischer Alb und den aufsteigenden Alpen. Die ganismen irgendwann vollkommen verschwun- rührte Kadaver und zersetz- damalige Küste verlief wenige Kilometer südlich den. Irgendwo muss es also doch Durchlässe ten sich mehr oder weniger vom Westerberg, der demnach nur wenig über gegeben haben, durch die immer wieder frisches langsam an Ort und Stelle. Im dem Meeresspiegel lag. Bei Tuttlingen konnte Meerwasser und neue Fauna in die Lagune kam. zähen Kalkschlick steckten die man diese Küstenlinie durch Bohrmuschel-Lö- Dies war allerdings nur für die in den höheren Rostren von Belemnitentie-

35

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ches Umkippen des Meerwassers zurück zum sauerstoffarmen Milieu tötete alle Individuen gleichzeitig ab, In einer noch viel größeren Popu- lationsdichte fanden sich auf einer anderen Plat- tenkalk-Schicht kleine, unbestimmbare Muscheln. Sie hinterließen manchmal sogar noch Bewe- gungsspuren. Aber auch sie starben nach kurzer Zeit eines plötzlichen Massentods. An diesen Beispielen der Besiedlung des Meeresbodens erkennt man, dass sich die Lebensbedingungen in der Lagune immer wieder änderten. Eine all- gemeingültige Aussage über diesen Lebensraum ist also nur unter Vorbehalt möglich. In der höheren Wassersäule der Lagune herrschten jedoch normale Lebensbedingungen. Hier war genügend Sauerstoff im Meerwasser vorhanden, und auch die Salzkonzentration dürf- te überwiegend der des offenen Meeres entspro- chen haben. So darf man annehmen, dass hier ein reiches Leben an schwimmenden, planktoni- schen und pseudoplanktonischen Organismen geherrscht hat (Abb. 55). Tintenfische aus der Gruppe der Belemniten dürften in Schwärmen aufgetreten sein. Ab und zu dümpelten vielleicht auch Ammoniten nahe der Wasseroberfläche, obwohl sie sich sonst eher in der Nähe des Mee- resbodens aufgehalten haben dürften. Raubfische Abb. 57. Austern der Art Li- jagten nach Tintenfischen und kleineren Fischen. ostrea socialis sind häufig auf im Meerwasser treibenden Wasserschichten lebende Tierwelt von Bedeu- Vielleicht schwebten auch Garnelen in größeren leeren Ammonitengehäusen tung. Bis zum Meeresboden dürfte dieser Was- Scharen in diesem Lebensraum umher, obwohl aufgewachsen und mit die- seraustausch nicht gereicht haben. Hin und wie- sicherlich ihr Hauptaufenthaltsort die flachen La- sen Flößen in die Nusplinger der kam es allerdings auch in den Wasserschich- gunen-Randbereiche oder die Schwammriffe Lagune geraten. Nusplinger ten direkt über dem Meeresboden zu etwas waren. Periodisch drifteten auch die kleinen, Steinbruch; Breite der Grup- lebensfreundlicheren Bedingungen, hauptsäch- planktonischen Seelilien der Gattung Saccoco- pe 15 cm. lich verursacht durch die von den randlichen ma massenhaft in die Lagune hinein. An umher- Schwammriffen abgeglittenen Schuttströme. Sie treibenden, leeren Ammonitengehäusen setzten bewegten sich mit hoher Geschwindigkeit über sich Larven von Austern fest, wuchsen dort zu die steilen Wannenränder in die Tiefe und breite- kleinen Individuen heran und sanken dann nach ten sich in weiten Bereichen der Lagune aus. wenigen Wochen oder Monaten mitsamt ihrem Dadurch wurde der lebensfeindliche Wasserkör- Floß auf den Meeresboden, wo sie sofort umka- per des tieferen Wassers mit dem des sauerstoff- men (Abb. 57). Meereskrokodile jagten nach al- reichen Oberflächenwassers vollkommen durch- lem, was irgendwie fressbar war. Flugsaurier von gemischt. Jetzt war zumindest für kurze Zeit eine den nahe gelegenen Inseln tauchten in der Lagu- Besiedlung des Meeresbodens durch Speziali- ne nach Fischen. Wo sich in diesen oberen Was- sten möglich. Wenige, aber ganz charakteristi- serbereichen der Lagune so viel Leben tummel- sche Organismen hinterließen nun ihre Grabspu- te, wurde gejagt und gefressen. Folglich findet ren und Fressbauten (Abb. 114-115). Auf der man im Nusplinger Plattenkalk auch Nahrungs- Oberfläche einer dicken Riffschuttbank (Turbidit- reste und Spuren von Gefressenem, in manchen bank) siedelten plötzlich bisher unbekannte re- Schichten sogar in großer Häufigkeit. Versteiner- guläre Seeigel mit extrem langen Stacheln in te Exkremente (Koprolithen), Speiballen und Fraß- relativ großer Dichte (Abb. 143). Auf einer Fläche reste, wie abgebissene Köpfe oder Schwänze von etwa einem Quadratmeter lebte jeweils ein von Fischen und Krebsen sanken nach unten auf derartiger Seeigel und weidete Algen- oder Bak- den Meeresboden und wurden dort eingebettet. terienrasen ab. Die Besiedelung gelang freilich So manches, was der Fressfeind am Lagunen- nur einer einzigen Generation, und ein plötzli- rand oder im Schwammriff erbeutet hatte, wurde

40 von ihm in die Lagune hinausgetragen und fiel servorkommen gegeben haben. Dafür sprechen dabei unterwegs häufig aus dem Maul. So liefert insbesondere die Funde von Libellen, da deren uns der Nusplinger Plattenkalk auch Kenntnis Larven ihre Entwicklung im Süßwasser vollzie- über die Tierwelt in den heute längst abgetrage- hen. Auch die Flugsaurier dürften auf diesen nen Flachstwasserarealen am randlichen Bereich Inseln gelebt und ihre Jungen großgezogen ha- der Lagune oder in den Schwamm-Mikroben- ben. Es ist anzunehmen, dass die Meereskroko- Riffen. Hier lebten Haarsterne, Schlangensterne, dile und die Meeresschildkröten zur Eiablage die reguläre Seeigel, Panzerkrebse, Ammoniten, Arm- Strände dieser Inseln aufgesucht haben. Ob ein füßer (Brachiopoden), Weichschwämme und vie- Urvogel (Archaeopteryx) allerdings diese Inseln les andere (Abb. 54). In den an Detritus reichen jemals erreicht hat, bleibt sehr fraglich. Vermut- Bodensedimenten lauerten leicht eingegraben lich war der Archaeopteryx nicht genügend flug- Breitschildkrebse und Meerengel auf Beute. In fähig, um den weiten Weg von den festländi- Höhlungen der Schwammriffe versteckten sich schen Großinseln über das Meer bis zur Nusplin- die Seekatzen (Chimären) und vielleicht auch ger Inselwelt zu schaffen. manche Arten von Krebsen wie zum Beispiel Durch die Fossilien aus dem Nusplinger Plat- Kleingarnelen und die Schlankhummer. Auf den tenkalk bekommen wir einen exemplarischen nahe gelegenen Inseln siedelten sich mit der Zeit Überblick über die damalige Tier- und Pflanzen- Landpflanzen an. Es handelte sich vorwiegend welt des südwestdeutschen Oberjura-Meeres und um Araukarien-ähnliche Koniferen, die mit den bestimmter Biotope. Es ist nicht einfach und nicht heutigen Palmfarnen (Cycadeen) verwandten immer eindeutig, aus der im Nusplinger Platten- Bennettiteen und die heute ausgestorbenen Sa- kalk überlieferten Grabgemeinschaft (Taphocoe- menfarne. Alle diese Pflanzen sprechen eher für nose) die richtigen Schlüsse auf die damaligen einen niederschlagsarmen Standort. Dennoch Biotope zu ziehen. Viele Fragen zum Biotop Nus- muss es auf diesen Inseln auch kleinere Süßwas- plinger Lagune bleiben deshalb noch offen.

Überblick über die bisherigen Fossilfunde

Die Flora der Inselwelt Unter den Nadelhölzern sind die schuppen- um die Nusplinger Lagune blättrigen Zweige und isolierte Zapfenschuppen von Araukarien-Verwandten f.Brachyphyllum, Pa- Ganz im Gegensatz zum übrigen Weißjura der laeocyparisj am häufigsten (Abb. 58-60). Eine der Schwäbischen Alb gehören Reste von Landpflan- im Nusplinger Plattenkalk vorkommenden Bra- zen im Nusplinger Plattenkalk zu den häufigeren chyphyllum-Arten besaß nur einen sehr dünnen Fossilien. Manchmal sind sie sogar in Häcksella- Holzanteil im Kern der Zweige, sodass man diese gen angereichert. Sie dürften nicht von einem Pflanze gewissermaßen mit Kakteen vergleichen fernen Festland stammen, sondern von kleinen kann. Die Nadelholzgruppe der Araukarien, zu Inseln in der unmittelbaren Umgebung der Lagu- denen die Zimmertanne gehört, ist heute in ih- ne. In den bituminösen Lagen des Nusplinger rem natürlichen Vorkommen auf die Südhalbku- Steinbruchs kommen nicht nur Abdrücke vor, gel der Erde beschränkt. Viel seltener sind ande- sondern sogar hervorragend erhaltene Reste in re ebenfalls schuppenblättrige Nadelhölzer wie organischer Substanz, die man noch wie heutige Watsoniocladus, die etwas an heutige Zypressen Pflanzen untersuchen kann. An ihnen lassen sich erinnern. Ihre Blätter stehen einander paarweise Zellen der Blattoberfläche und sogar Spaltöff- gegenüber, während sie bei Brachyphyllum spi- nungsapparate beobachten. Insgesamt ist die Flo- ralig angeordnet sind. Ovale Blättchen besitzt ra verhältnismäßig artenarm. Podozamites, ebenfalls ein Nadelholz und nicht, Die meisten Pflanzenreste stammen von ver- wie der Name vermuten lässt, ein Palmfarn. Sa- schiedenen Nadelhölzern und von Samenfarnen. menfarne sind durch Cycadopteris jurensis ver- Fast alle Fflanzen weisen Anpassungen an trocke- treten, deren Wedel mit zerschlitzten Teilblätt- ne Standortverhältnisse auf wie Wasserspeicher- chen eine Länge von fast einem halben Meter gewebe, derb-ledrige Blätter, Schuppenblätter erreichen können (Abb. 123). Ausgestorbene und eingesenkte Spaltöffnungen. Verwandte der heutigen Palmfarne (Cycadeen)

41 Abb. 60. Zapfenschuppe Araucarites haeberlelni. Nusplinger Steinbruch; Länge 2,5 cm.

Abb. 58. Nadelgehölz Palaeocyparis e/egans, ein an "rockenstandorte angepasstes Araukarien-Gewächs mit schuopenblättrigen Zweigen. Nusplinger Steinbruch; Lenge etwa 18 cm.

Abb. 61. Isoliertes Fiederblättchen der Bennettitee Zamites feneonis, ein mit den Cycaspalmen verwandtes Gewächs. Nusplinger Steinbruch; Länge 7,5 cm.

Abb. 59. Zweigende des Nadelholzes Brachyphyllum thLJioides mit den Ansatzstellen der Zapfen. Nusplinger Abb. 62. Männliche Bennettiteen-Blüte Weltrichia n. sp.; Erstfund aus dem Nusplinger Stc'nbruch; Gesamtlänge 7 cm, Plattenkalk. Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 5,2 cm.

42 sind die Bennettiteen. Außer vereinzelten lan- zettförmigen Blättern von Zamites feneonis (Abb. 61), die ursprünglich an farnartigen Wedeln saßen, fanden wir als Seltenheit bizarre Blütenor- gane, die der Gattung Weltrichia (Abb. 62) zuge- ordnet werden können. Manche Pflanzenreste sind hinsichtlich ihrer systematischen Stellung noch unsicher und schwer interpretierbar (Abb. 63). Echte Blütenpflanzen fehlen aber noch; die- se erscheinen erst im Verlauf der Kreide-Zeit. Extrem selten sind Reste von altertümlichen Schachtelhalmgewächsen, die vielleicht auf et- was feuchtere Standorte schließen lassen. Sol- che Biotope beschränkten sich wohl auf wenige größere Inseln. Die Vegetation auf den kleinen Inseln muss man sich wohl als lichte Wälder aus niedrigen, vereinzelt stehenden Nadelbäumen und einem dichten, stacheligen Unterwuchs vorstellen.

Abb. 63. Wurzeln einer noch Meeresbewohnende Pflanzen muss man annehmen, dass sie in seichteren unbekannten Pflanze, die ver- mutlich ähnlich den heutigen Randbereichen der Lagune wuchsen, aber nicht Mangroven die Uferzonen der In heutigen Meeren spielen Pflanzen eine bedeu- am Lagunenboden. In dieser Tiefe hätte auch Inseln besiedelte. Nusplinger tende Rolle. Sie dienen als Lebensraum für viele das für die Photosynthese notwendige Licht nicht Steinbruch; Länge 8,5 cm. Organismen und tragen zur Verfestigung und ausgereicht. Flachwasser anzeigende Grünalgen Stabilisierung des Meeresbodens bei. Hierbei aus der Gruppe der Dasycladaceen, die ein kalki- besitzt heute das Seegras eine wichtige Bedeu- ges Gerüst abscheiden und die deswegen viel tung. Diese zu den höheren Pflanzen gehörige leichter fossil überliefert werden können als die Gruppe existierte allerdings zur Jura-Zeit noch Braunalgen, kennt man bisher aus dem Nusplin- nicht. Damals gab es lediglich verschiedene Al- ger Plattenkalk nicht. Sie siedelten eher im Be- gen. Die meisten als Meeresalgen gedeuteten reich von Korallenriffen, die in der Umgebung Abb. 64. Kohlig erhaltene fä- dige Braunalge in Gestalt ei- Fossilien in Plattenkalken erwiesen sich jedoch der Nusplinger Lagune kaum ausgebildet waren. nes »Seeballs«. Nusplinger nach eingehender Prüfung als Reste tierischer Steinbruch; Durchmesser7 cm. Organismen, besonders von Schwämmen. Nur in den bituminösen Lagen des Nusplinger Plat- tenkalks wurden gelegentlich tatsächlich auch Meeresalgen überliefert, doch sind diese weit seltener als die Reste von Landpflanzen. Es han- delt sich dabei meistens um dünnfädige Struktu- ren, die manchmal wie ein »Seeball« zusammen- geknäuelt sein können (Abb. 64). Ihre Reste be- stehen ebenso wie diejenigen der Landpflanzen aus kohliger Substanz. Mitunter beobachtet man einfache Verzweigungen, was sie von gewissen Koprolithen (»Medusites«) im Solnhofener Plat- tenkalk unterscheidet, die allerdings aus phos- phoritischem Material bestehen. Bei guter Erhaltung waren auf den Oberflä- chen der fossilen Algen noch rundliche Struktu- ren sichtbar, bei denen es sich um Fortpflan- zungsorganellen, sogenannte Konzeptakeln, han- delt. Nach ihrer Struktur erinnern die meisten Reste verblüffend an heutige Braunalgen der Gattung Cystoseira. Aufgrund ihrer Seltenheit

43 Untersucht man Gesteinsdünnschliffe vom Nus- plinger Plattenkalk, kann man in seiner feinstkör- nigen, kalkigen Grundmasse eine Vielzahl von winzigen Partikeln erkennen. Viele davon lassen sich kaum bestimmen. Manchmal sind jedoch gekammerte Gehäuse von Einzellern (Foramini- feren) oder verschiedene Skelettnadeln von Kie- selschwämmen zu identifizieren. Löst man den Plattenkalk mit Säure auf, kommen neben den Skelettnadeln der Kieselschwämme (Abb. 65) weitere Mikrofossilien heraus. Hier sind beson- ders auffällig die filigranen, kieseligen Gehäuse von Radiolarien (S. 76, Abb. 124), die mit einer sehr großen Formenvielfalt im Nusplinger Plat- tenkalk vertreten sind. Etwa 50 Taxa sind bis jetzt belegt.

Schwämme

Bandförmige, verzweigte Gebilde mit körniger Abb. 65. Im Ätzrückstand von Oberfläche, die im Nusplinger Plattenkalk nicht in verdünnter Salzsäure auf- Mikrofossilien gelöstem Kalk finden sich in selten vorkommen, waren lange Zeit in ihrer Na- großer Zahl die Skelettnadeln tur unklar. Erst in den letzten Jahren gelang ihre von Kieselschwämmen ne- Unter Mikrofossilien sind Fossilien oder Teile von Enträtselung an Hand von sehr gut erhaltenen ben Radiolarien. Probe aus Fossilien zu verstehen, die man mit dem bloßen Funden aus dem Nusplinger Plattenkalk. Sie ge- dem Egesheimer Steinbruch; Auge nicht erkennen kann. Die kleinsten Fossili- hören zu den Kieselschwämmen, und zwar zu Länge der großen Skelettna- en, die zum Nannoplankton gehörigen Coccoli- einer besonderen Gruppe von Weichschwäm- del etwa 2 mm. thophoriden, wurden schon auf S. 31 vorgestellt. men der Gattung Codites (S. 78, Abb. 125). Ihre

Abb. 66. Der Kieselschwamm Verrucocoelia, ein seltener Fund im Nusplinger Platten- kalk. Nusplinger Steinbruch; Länge 8,5 cm.

Ot> Abb. 67. Der Kalkschwamm Crispispongia stolata gehört zu den eher unerwarteten Fun- den im Nusplinger Platten- kalk. Nusplinger Steinbruch; Länge 3,5 cm.

44 Skelettelemente sind von rundlicher bis nieren- förmiger Gestalt. Sie sind unter der Bezeichnung Rhaxe als gesteinsbildende Komponente wohl- bekannt. Neben diesen nicht allzu seltenen Weich- schwämmen gibt es auch ganz vereinzelte Fun- de von normalen Kieselschwämmen, die aus den benachbarten Schwammriffen stammen, dort von ihrer ursprünglichen Unterlage abgerissen sind und dann im Plattenkalk eingebettet wurden. Sie gehören zu den hexactinelliden Schwämmen und weisen demzufolge ein gitterförmiges Schwamm- gerüst auf. Ein schönes Beispiel dafür ist der Fund eines Schwammes der Gattung Verrucocoe- lia mit röhrenförmigen Ausstülpungen (Abb. 66). Gelegentlich findet man Kieselschwämme mit extrem langen, meistens unverzweigten (mona- xonen) Skelettnadeln (Abb. 68). Früher wurden sie fälschlicherweise als Borstenwürmer angese- hen. Zwei schöne Exemplare von Kalkschwäm- men hat der Nusplinger Plattenkalk ebenfalls ge- liefert. Sie gehören zu den Arten Crispispongia sto/ata (Abb. 67) und Peronidella cylindrica. Bei den neuen Grabungen kam als weitere Überraschung, die erst nach längeren Diskussio- nen als solche richtig interpretiert werden konn- te, ein organisch erhaltener Hornschwamm zum Abb. 68. Fast ausschließlich aus monaxonen, nicht miteinander verschweißten Vorschein, der sich eng an Formen anschließt, Schwammnadeln besteht dieser noch unbeschriebene Kieselschwamm, der früher für die man bisher nur aus dem Kambrium (600 einen Borstenwurm gehalten wurde; Länge 6 cm. Millionen Jahre vor heute) von Kanada und Chi- na kannte. lopecten oder Camptonectes (Abb. 69-70). Über das massenhafte Auftreten einer kleinen Muschel Weichtiere (Mollusken) aus Gruppe der Nuculiden (Nussmuscheln) wur- de schon auf S. 40 berichtet. Immer wieder fin- Muscheln det man im Nusplinger Plattenkalk auch kleine, Schalenreste von Weichtieren (Mollusken) sind ovale Muscheln in doppelklappiger Erhaltung. naturgemäß in marinen Ablagerungen wie dem Durch diefrühdiagenetische Auflösung der Schale Nusplinger Plattenkalk häufige Fossilien. Es tre- zeigen sie leider keinerlei Skulpturmerkmale mehr, ten hier jedoch all diejenigen Gruppen in den sodass zwar eine artliche Bestimmung (»Lucina« Hintergrund, die eine bodenbezogene (benthi- zeta), aber keine genauere systematische Zuord- sche) Lebensweise besitzen. Dies gilt für die nung möglich ist. Ähnliches gilt für die radial- meisten Muscheln und in besonderem Maße für streifige Pseudofimea. Vielleicht waren letztere die Schnecken (Gastropoden). Von Letzteren mit Byssus an irgendeinem Treibgut angeheftet, wurden bis jetzt nur zwei sichere Stücke gefun- gerieten in die Lagune, fielen von ihrem Floß ab den. Die sonst von Korallenkalken bekannte und sanken schließlich auf den Meeresboden. Schlitzbandschnecke Leptomaria stammt aller- Die häufigsten Muscheln, die man im Nusp- dings aus einer Brekzienbank. Dennoch sind bei linger Plattenkalk findet, gehören zur Gattung den Nusplinger Grabungen einige interessante Liostrea, einer kleinen Auster. Sie treten mei- Muschelarten herausgekommen. Von ihrem ur- stens in so genannten »Muschelnestern« auf. Sie sprünglichen Lebensort, den Schwammriffen haben bestimmt nicht auf dem Meeresboden in oder den randlichen Flachwasserarealen wurden der Lagune gesiedelt, sondern sind gleichfalls sie häufig durch Fressfeinde in die Lagune hin- mit Treibgut, an dem sie angeheftet waren, in die eingetragen und dort ausgespien. Deshalb sind Lagune gekommen (S. 40). Drei Austernarten sie auch nur in Fragmenten erhalten. Es handelt konnten bis jetzt im Nusplinger Plattenkalk nach- sich dabei um Muscheln wie Ctenostreon, Radu- gewiesen werden.

45 Abb. 69. Die Musciei Csmp- ronccies auritus muss durch einen Fressfeind in die Nusp- mger Lagune eingetragen worden sein, worauf auch ihr zerbissener Zustand Hinweist. Nusplinger Steinbruch,: Höhe 1.5 cm. O

» Abb. 70. Aufgrund ihrer dop- pelklappigen Erhaltung ist diese Muschel Ctenostreon pectirvforme vermutlich mit rtirem Byssus an Treibgut an- geheftet in die Nusplinger Lagune geraten. Nusplinger Steinbruch; Breite 3,5 cm.

Die im Nusplinger Plattenkalk überlieferten Perlboote (Nautiliden) Muschelarten sind fast alle durch zufällige Ereig- Die häufigsten Funde von Weichtieren im Nusp- nisse in den Plattenkalk hineingelangt. Man kennt linger Plattenkalk gehören zu den freischwim- sie häufiger und dann auch vollständiger erhal- menden Vertretern aus der Gruppe der Kopffü- ten aus den Ablagerungen ihrer eigentlichen Le- ßer. Unter ihnen sind die Nautiliden, Verwandte bensräume, den Riffgesteinen und anderen Flach- des heutigen Perlboots Nautilus, wiederum rela- wasserbildungen. tiv selten. Vier Exemplare davon sind so gut

Abb. 71. Der Ammonit Hybonoticeras sp., ein wichtiges, wenn auch seltenes Leitfossil für den Grenzbereich Kimmeridgium/Tithonium. Nu- Abb. 72. Ammonit Tarame/liceras sp., ein seltener Fund im Nusplinger splinger Siehbruch; Durchmesser 10,5 cm. Plattenkalk. Nusplinger Steinbruch; größter Durchmesser 5,8 cm.

46 erhalten, dass sie noch beide Kieferelemente in situ in der Wohnkammer enthalten (S. 82, Abb. 127).

Ammoniten Die bekanntesten und im süddeutschen Jura auch häufigsten Fossilien sind die Ammoniten. Als Leitfossilien sind sie auch für den Nusplinger Plattenkalk von Bedeutung (Abb. 71-73, S. 84). Zuweilen treten sie sehr zahlreich auf, ebenso wie auch die ihre kalzitischen Unterkiefer, die so genannten Aptychen. Ihre flachgedrückte Erhal- tung macht sie allerdings nicht immer attraktiv. Dafür werden sie oft noch im Zusammenhang mit dem Aptychus gefunden. Normalerweise ist der ursprünglich aus Chitin bestehende, flügel- ähnliche Oberkiefer nicht fossil erhalten geblie- ben. In den bituminösen Lagen des Nusplinger Plattenkalks kamen sie aber gar nicht einmal sel- ten zum Vorschein und liegen nun in dunkler, organischer Substanz vor. In wenigen Fällen be- finden sich beide Kieferelemente noch neben dem dazugehörenden Ammoniten oder sogar in der Wohnkammer desselben (Abb. 132). Ist die- se Fundsituation schon eine kleine Sensation für sich, so erst recht die Beobachtung, dass bei Abb. 73. Halbkörperlich er- einigen wenigen Ammoniten auch noch der alle zu einer Art, Hiboiithes semisu/catus (Abb. haltener Ammonit Aspido- ceras catalaunicum. Nusplin- Magen- oder Kropfinhalt erhalten ist, sowie eine 134). Die Fossildichte ist manchmal so groß, dass dunkle, organische Substanz, die wohl einen Teil ger Steinbruch; Durchmesser in bestimmen Plattenkalk-Schichten pro Quadrat- ca. 16 cm. des Weichkörpers darstellt. Anhand der Magen- meter ein Rostrum vorkommt. Vollständige Rost- oder Kropfinhalte wissen wir, dass unterschiedli- ren, die noch ihren Kammerapparat (Phragmo- che Ammonitengattungen auch unterschiedliche kon) besitzen, sind keine Seltenheit. Recht häufig Nahrung bevorzugten. Die einen ernährten sich sind aber die Rostren von Fressfeinden zerbis- von den planktonischen Seelilien der Gattung sen. Viele Exemplare sind schichtparallel einge- Saccocoma, während andere Schwämme, feine bettet, andere stecken schräg bis senkrecht im Partikel, Krebse oder zuweilen sogar ihresglei- Sediment. Gelegentlich finden sich isoliert im chen fraßen (S. 90). Gestein auch die großen Fanghaken (Onychites), Auch über den Geschlechtsdimorphismus bei viel seltener dagegen die Kleinhäkchen (Para- Ammoniten geben uns viele Funde aus dem glycerites), mit denen die Arme besetzt waren. Nusplinger Plattenkalk aufgrund ihrer oft voll- ständigen Gehäuse wichtige Hinweise (Abb. 128). Teuthiden Die großwüchsigen Weibchen (»Makroconche«) Drei Arten von Teuthiden konnten bis jetzt aus weisen einen einfachen Mundsaum auf. Die auf dem Nusplinger Plattenkalk nachgewiesen wor- den Innenwindungen von den Weibchen nicht den. Es sind dies Trachyteuthis hastiformis, Ple- unterscheidbaren Männchen (»Mikroconche«) sioteuthisprisca (Abb. 135) und der riesige Lepto- sind viel kleiner und besitzen in ausgewachse- theuthis gigas. Die Art Trachyteuthis hastiformis nem Zustand am Mundsaum ein Paar löffelarti- ist im Nusplinger Plattenkalk am häufigsten. Lep- ger Fortsätze, über deren Funktion man bis heute totheuthis gehört hier dagegen zu den selten- noch nichts Genaueres weiß. sten Tintenfischen. Es wurden bis jetzt nur zwei vollständigere Exemplare gefunden. Das am be- Belemniten sten erhaltene Individuum, ein Altfund aus dem Unter den Tintenfischen, die einen Tintenbeutel Tübinger Institut, besitzt einen Schulp von 70 cm besaßen, überwiegen im Nusplinger Plattenkalk Länge und ist mit seinen Fangarmen erhalten mit weitem Abstand die Belemniten. Sie gehören (Abb. 74). Dieses Stück weist sogar noch einen

47 Abb. 74. Der Riesentinten- fisch Leptotheuthis gigas war Mageninhalt auf, der aus Fischresten besteht. Bei Gliederfüßer ein seltener Gast in der Nus- plinger Lagune. Er ist noch den neuen Ausgrabungen wurde im Egesheimer mit seinem Tentakelapparat Steinbruch ein weiteres Exemplar gefunden. Es Meereswürmer (Polychaeten) erhalten. Sein Mageninhalt wurde im Bereich einer mehr oder weniger stark Meereswürmer sind normalerweise nicht erhal- weist ihn als Fischräuber aus. durchwühlten, dicken Bank eingebettet und ist tungsfähig, weil ihr Weichkörper kein Skelett be- Altfund aus dem Nusplinger schlecht erhalten, weil sich Aasfresser an ihm zu sitzt. Um so erstaunlicher ist der Fund eines der- Steinbruch, aufbewahrt im schaffen gemacht hatten. Leptotheuthis war wohl artigen Wurms (Abb. 75) im Nusplinger Platten- Institut und Museum für Geo- ein ausgesprochenes Hochseetier, das sich nur logie und Paläontologie der kalk. Vermutlich handelte es sich um einen gelegentlich in die Nusplinger Lagune verirrte. Universität Tübingen; Länge Sedimentfresser, der dem heutigen Wattwurm etwa 80 cm. Arenicoia gleicht. Seine relativ gute Erhaltung hat er dem Umstand zu verdanken, dass er in einer bituminösen Plattenkalk-Lage eingebettet wurde. Aufgrund fehlender Details - über die inneren Organe wissen wir natürlich nichts - wurde er nicht als neue Art beschrieben, son- dern nur als eine neue, bisher unbekannte Art vorgestellt. Eine andere Wurmart (Abb. 76), Eu- nicites proavus, weist einen kalzitischen Kiefer Abb. 75. Meereswurm mit auf und ist aus den Solnhofener Plattenkalken Weichteil-Erhaltung, der auf- schon in zahlreichen Exemplaren bekannt. Aus grund seiner wenigen Merk- dem Nusplinger Plattenkalk fanden sich von die- male bisher nicht näher zu- ser Art sowohl isolierte Kiefer als auch vollstän- geordnet werden kann. Er ist digere Stücke, die aus dem Wurmkörper mit seit- am Hinterende etwas zer- lich anhängenden Borsten bestehen. Eine ande- quetscht. Dies geht wohl auf re Wurmart aus dem Nusplinger Plattenkalk wurde die Einwirkung eines Fress- feindes zurück, der ihn in die ursprünglich anhand von Funden aus den Soln- Nusplinger Lagune transpor- hofener Plattenkalken als Alge beschrieben. Spä- tierte und dort aus dem Maul tere Bearbeiter stellten sie dann fälschlicherwei- fallen ließ. Nusplinger Stein- se unter dem Namen »Epitrachys rugosus« zu bruch; Länge etwa 10 cm. den Egeln. Sogar einen Saugnapf glaubte man

48 Abb. 76. Isolierter, zerfallener Unterkiefer des Borstenwurms Eunicitesproavus. Nusplinger Steinbruch; Länge 1,2 cm. «

erkennen zu können. Tatsächlich handelt es sich hier um die Art Muensteria vermicu/aris (Abb. 77) 76 Abb. 77. Aus winzigen Parti- aus der Gruppe der Fächerwürmer . Diese leb- keln zusammengesetzte (ag- ten als Filtrierer in einer aus fremdem Material glutinierte), auf einem Ge- zusammengefügten (agglutinierten) Röhre und steinsstück festgewachsene bildeten im flacheren Wasser dichte Kolonien. Wurmröhre Muensteria ver- Als Baumaterial für die Wurmröhre wurden je micu/aris. Nusplinger Stein- nach Angebot Skelettelemente von Schwämmen, bruch; Länge 10 cm. Foraminiferen und feinere Kalkpartikel verwen- det. Ein weiterer, unbenannter Wurm verwen- Pfeilschwänze (Limuliden) dete zum Bau seiner agglutinierten Röhre aus- schließlich zerbrochene, monaxone Schwamm- In die Verwandtschaft der Spinnentiere gehört nadeln. Diese monaxonen Schwammnadeln der F*feilschwanz Meso/imulus. Er besitzt heute bilden in vielen Lagen des Nusplinger Platten- noch Verwandte an der nordamerikanischen Ost- kalks, insbesondere in den Plattenkalken des küste und im westlichen Pazifik. Da sich der ju- Egesheimer Steinbruchs, eine wichtige, auf man- rassische Mesolimuius nur geringfügig von den chen Flächen fast gesteinsbildende Komponen- rezenten Vertretern der Gattung Limulus unter- te. Die in anderen Jura-Gesteinen häufigen Kalk- scheidet, werden letztere auch als »lebende Fos- röhrenwürmer aus der Gruppe der Serpuliden silien« bezeichnet. Mesolimuius ist aus den Soln- sind in der Plattenkalk-Fazies ausgesprochene hofener Plattenkalken mit sehr schönen Exem- Raritäten. Bis jetzt fanden sich nur einige wenige plaren bekannt, insbesondere von der Fundstelle Exemplare, die auf je einem Ammoniten- und Pfalzpaint, östlich von Solnhofen. Im Nusplinger einem Nautiiidengehäuse aufgewachsen waren. Plattenkalk konnte die Art Mesolimuius walchi gleichfalls nachgewiesen werden (Abb. 78). Die Hundertfüßer wenigen Nusplinger Funde liegen ausschließlich als Häutungshemden vor. Auf einigen wenigen Groß war die Überraschung bei der Entdeckung Schichtflächen waren sogar die charakteristischen eines Erdläufers im Nusplinger Plattenkalk, der Eindrücke der Beine dieser Tiergruppe sichtbar, zu den Hundertfüßern gehört. Er lag schon eine die erkennen lassen, dass diese Tiere gelegent- Weile im Sammlungsmagazin, war allerdings bei lich sogar den Grund der Lagune aufsuchten, den Meereswürmern eingeordnet. Erst das de- dort ein Stück entlangschwammen, um dann die- taillierte Studium dieses Fundes ergab seine sen lebensfeindlichen Ort allerdings gleich wie- wahre Natur. Das Stück wurde inzwischen als der zu verlassen. Eogeophilus jurassicus neu beschrieben. Die genaue Entdeckungsgeschichte, eine detaillierte Insekten Beschreibung und Anmerkungen über den mög- lichen Lebensort sind auf S. 100 nachzulesen Manche Fossilfunde, die auf den ersten Blick wie (Abb. 135). Insekten aussehen, stellten sich bei genauerer

49 flügel {Aeschnidium densumj zum Vorschein, kurz danach folgte ein Flügelpaar einer weiteren Li- bellenart (Cymatophlebia longialata). Diese über- raschenden Funde waren nicht nur die ersten fossilen Insekten aus dem gesamten Schwäbi- schen Jura, sie sind außerdem auch noch in organischer Substanz erhalten. Die zahlreichen Insektenfunde aus den Solnhofener Plattenkal- ken liegen dagegen alle nur als Abdrücke vor. Sekundär wurden sie manchmal mit Eisenoxi- den eingefärbt. Der dritte Libellenfund aus dem Nusplinger Plattenkalk stellt ein kleine Sensation dar. Beim Aufspalten einer bituminösen Kalkplat- te im Nusplinger Steinbruch kam im Querbruch der Vorderkörper einer, wie anschließend die Prä- paration ergab, fast vollständigen Riesenlibelle der Art Urogomphus nusplingensis heraus (Abb. 137). Im weiteren Verlauf der Grabungen wurden noch zwei weitere Libellenflügel der Art Aeschni- dium densum (Abb. 79) sowie im Sommer 2001 eine vollständige Steneoph/ebia sp. gefunden. An weiteren Insektenresten kam der Flügel eines Abb. 78. Häutungshemd des Mückenhafts (Ordnung Mecoptera) zum Vor- Pfeilschwanzes Meso/imulus Betrachtung als Zapfenschuppen von Araukari- schein44. Der erste Fund eines echten Käfers aus wa/chi. Gelegentlich findet man von dieser Art im Nusp- en-ähnlichen Nadelhölzern heraus. So verwun- dem Nusplinger Plattenkalk gelang kurioserwei- linger Plattenkalk auch Fußab- dert es nicht, dass schon OSKAR FRAAS Mitte des se in der Tübinger Sammlung. Bei der Durch- 11 drücke, aber keine längeren 19. Jahrhundert diesem Irrtum erlegen ist . Sei- sicht von altem, vermutlich aus der Grabung von Spuren. Egesheimer Stein- ne vermeintlichen »Käferreste« existieren noch B. STÜRTZ 1897-99 stammendem Sammlungsma- bruch; Länge 15 cm. heute in der Sammlung des Stuttgarter Natur- terial wurde im Herbst 2000 ganz zufällig auf kundemuseums. Auch bei späteren Grabungen einer Gesteinsplatte, die offensichtlich wegen wurden keine Insekten-Funde bekannt. Erst bei eines darauf befindlichen Cephalopodenkiefers den neuen Grabungen im Jahre 1995 sollte sich mitgenommen worden war, ein unzweifelhafter dies ändern. Zuerst kam ein einzelner Libellen- Käferrest entdeckt. Er war dem damaligen Gra-

Abb. 80. Nicht näher bestimmbarer Käferrest, der vermutlich aus der STÜRTz'schen Grabung stammt. Fund aus dem Nusplinger Steinbruch, Abb. 79. Flügel der Libelle Aeschnidium densum in organischer Erhal- aufbewahrt im Institut und Museum für Geologie und Paläontologie der tung. Nusplinger Steinbruch; Länge 3,5 cm. Universität Tübingen; Länge einer Flügeldecke 4,5 mm.

50 bungsteam wohl entgangen. Dieser Käferrest ist so gut erhalten, dass man auf den Flügeldecken neben Punktreihen noch Längsrillen erkennen kann (Abb. 80). Eine engere Zuordnung dieses Käferrests zu einer bestimmten Gattung oder Art ist allerdings aufgrund fehlender Gliedmaßen und des nicht erhaltenen Kopfbereichs derzeit un- möglich. Der Rest, also die erhaltenen Flügelde- cken und Teile des Thorax, sind jedoch so gut erhalten, dass man Vergleiche mit den Käfer- Funden von Solnhofen anstellen kann. Danach muss man aber feststellen, dass keine Überein- stimmung mit einem der zahlreichen von dort beschriebenen Käferresten besteht. Mit dem Nusplinger Käfer liegt also ganz offensichtlich etwas Neues vor. Aufgrund der Unvollständig- keit dieses Fundes wird aber bis jetzt auf die Aufstellung eines neuen Taxons verzichtet.

Krebse (Crustaceen) Im Vergleich zu den Insekten sind im Nusplinger Plattenkalk Krebse ausgesprochen häufig. An manchen Grabungstagen werden in bestimmten Schichten mehr als ein Dutzend Krebse pro Tag gefunden. In den Berichten der früheren Gra- bungen ist auf die Krebse kaum eingegangen worden. Offensichtlich hat man sie meistens ein- fach übersehen, denn ihre Entdeckung erfordert höchste Aufmerksamkeit beim Aufspalten der Platten und eine genaue Prüfung der Bruchkan- ten. Auch ihre Präparation dürfte früher sehr Abb. 81. Gesteinsplatte aus dem Nusplinger Steinbruch schwierig gewesen sein. Bei den meisten Krebs- gens nicht, wie man in der Literatur meistens funden im Nusplinger Plattenkalk handelt es sich mit drei Garnelen der Gattung angegeben findet, einen langen, sondern nur Antrimpos und einem leicht um Vertreter der schwimmfähigen Großgarnele einen ganz kurzen Kopfsporn. zerfallenen, 50 cm langen Raub- Antrimpos, die eine Länge von bis zu 25 cm er- Gegenüber den häufigen Großgarnelen der fisch der Gattung Caturus. reichen konnte. Sie sind in der Regel ausgezeich- Gattung Antrimpos sind kleinere Formen wie net erhalten und machen im Nusplinger Platten- Hefriga und Dusa deutlich seltener. Bei früheren kalk etwa zwei Drittel aller Krebsfunde aus (Abb. Grabungen scheinen sie fast völlig übersehen 81). An ihnen lassen sich interessante Studien worden zu sein. Am häufigsten findet man noch zur Einbettung im Kalkschlick am Boden der La- Häutungshemden der auch aus den Solnhofener gune machen. Weitere Einzelheiten über diese Plattenkalken bekannten Art Dusa monocera Garnelen-Gruppe sind auf S. 104 nachzulesen (Abb. 83). Sie besitzt ein etwas verlängertes Bein- (Abb. 138). paar, das pinzettenartige Scheren trägt. Mit die- Die Gattung Aeger mit ihren reusenartig be- sen Scheren dürfte die Garnele in den Schwamm- dornten Extremitäten ist zwar ebenfalls im Nusp- Mikrobenriffen dicht über dem Meeresboden linger Plattenkalk nachgewiesen, aber im Ver- schwimmend feine Nahrungspartikel abgezupft gleich etwa zum Solnhofener Plattenkalk von Eich- haben. Aus den Solnhofener Plattenkalken wur- stätt doch wesentlich seltener. Die neuen Funde den noch zwei weitere Arten dieser Gattung be- sind ausschließlich Fraßreste. Das bisher einzige schrieben, die sich durch die Länge des speziali- vollständige Exemplar eines Aeger tipularius aus sierten Beinpaars voneinander unterscheiden dem Nusplinger Plattenkalk stammt aus der lassen. Nachdem nun alle Stücke aus dem Nus- Sammlung von OSKAR FRAAS und wurde in der plinger Plattenkalk, die wir bis 1999 gefunden Mitte des 19. Jahrhunderts gefunden (Abb. 82). hatten, zur Art Dusa monocera gehörten, war es Die erstmals aus den Solnhofener Plattenkalken doch überraschend, Reste einer weiteren, zuvor beschriebene Art Aeger tipularius besitzt übri- noch völlig unbekannten Art zu entdecken (Abb.

51 Abb. 82. Häutungshemd der Garnele Aeger tipularius; ein Altfund aus der Sammlung von 0. FRAAS. Nusplinger Stein- bruch; Länge ohne Antennen 12,5 cm.

Abb. 83. Häutungshemd der Kleingarnele Dusa monocera 84). Es handelt sich dabei allerdings um kein einer Mahlzeit. Die äußerst grazilen Pinzettenbei- mit pinzettenförmigen Sche- vollständiges Exemplar, sondern lediglich um ei- ne dieses Stücks sind gegenüber den bekannten ren am Ende ihrer langen nige Extremitäten mit den Pinzettenscheren, also Arten geradezu abenteuerlich verlängert, dop- Vordergliedmaßen. Nusplin- entweder um einen Häutungsrest oder die Reste pelt so lang wie bei Dusa denticulata und sogar ger Steinbruch; Länge 6 cm. ein Vielfaches von Dusa monocera. Die Garnele, die solche Beine getragen hat, muss wie eine Spinne ausgesehen haben. Vielleicht lebte diese Form in kleinen Höhlungen der Riffe und suchte mit den Beinen die Umgebung nach Nahrung ab. Funde wie dieser zeigen uns, wie unvollständig im Grunde die Fossilüberlieferung der einstigen Lebewelt ist. Wer weiß, ob wir jemals ein vollstän- diges Exemplar der Spinnen-Dusa im Nusplinger Plattenkalk finden werden. Die bodenbewohnenden Krebse sind natur- gemäß im Nusplinger Plattenkalk stark unterre- präsentiert. Von ihnen wurden fast ausschließ- lich Häutungshemden (Exuvien) in die zentrale Nusplinger Lagune eingedriftet. Sie lebten in den flachen, randlichen Bereichen der Lagune und in den umgebenden Schwammriffen. Dort konnten sie sich in Höhlungen verstecken oder auf Beute lauern, oder sie gruben sich einfach in Lockerse- diment ein. Letzteres trifft sicherlich für die Breit- schildkrebse der Gattung Cycleryon zu. Sie kom- men mit drei Arten im Nusplinger Plattenkalk vor. Von der einen Art, Cycleryon spinimanus, gelan- gen erstmals im Grabungsjahr 2000 zwei voll- ständige, nahezu perfekt erhaltene Funde (S. 108, Abb. 140). Daneben findet man gelegentlich Cy- cleryon propinquus. Neuere Untersuchungen und Vergleiche mit heutigen Krebsen aus dieser Ver-

52 Abb. 83. Häutungshemd der Kleingarnele Dusa monocera 84). Es handelt sich dabei allerdings um kein einer Mahlzeit. Die äußerst grazilen Pinzettenbei- mit pinzettenförmigen Sche- vollständiges Exemplar, sondern lediglich um ei- ne dieses Stücks sind gegenüber den bekannten ren am Ende ihrer langen nige Extremitäten mit den Pinzettenscheren, also Arten geradezu abenteuerlich verlängert, dop- Vordergliedmaßen. Nusplin- entweder um einen Häutungsrest oder die Reste pelt so lang wie bei Dusa denticulata und sogar ger Steinbruch; Länge 6 cm. ein Vielfaches von Dusa monocera. Die Garnele, die solche Beine getragen hat, muss wie eine Spinne ausgesehen haben. Vielleicht lebte diese Form in kleinen Höhlungen der Riffe und suchte mit den Beinen die Umgebung nach Nahrung ab. Funde wie dieser zeigen uns, wie unvollständig im Grunde die Fossilüberlieferung der einstigen Lebewelt ist. Wer weiß, ob wir jemals ein vollstän- diges Exemplar der Spinnen-Dt/sa im Nusplinger Plattenkalk finden werden. Die bodenbewohnenden Krebse sind natur- gemäß im Nusplinger Plattenkalk stark unterre- präsentiert. Von ihnen wurden fast ausschließ- lich Häutungshemden (Exuvien) in die zentrale Nusplinger Lagune eingedriftet. Sie lebten in den flachen, randlichen Bereichen der Lagune und in den umgebenden Schwammriffen. Dort konnten sie sich in Höhlungen verstecken oder auf Beute lauern, oder sie gruben sich einfach in Lockerse- diment ein. Letzteres trifft sicherlich für die Breit- schildkrebse der Gattung Cycleryon zu. Sie kom- men mit drei Arten im Nusplinger Plattenkalk vor. Von der einen Art, Cycleryon spinimanus, gelan- gen erstmals im Grabungsjahr 2000 zwei voll- ständige, nahezu perfekt erhaltene Funde (S. 108, Abb. 140). Daneben findet man gelegentlich Cy- cleryon propinquus. Neuere Untersuchungen und Vergleiche mit heutigen Krebsen aus dieser Ver-

52 wandtschaft legen allerdings den Verdacht nahe, dass es sich bei diesen beiden Arten wohl um die Geschlechtspartner (Sexualdimorphe) ein- und derselben Art handelt. Sehr selten ist der Breit- schildkrebs Cycleryon orbiculatus, von dem uns ein recht vollständiges Häutungshemd vorliegt, das lange vor Aufnahme der neuen Grabungen bei einer Aufschlußkontrolle im Egesheimer Stein- bruch gefunden wurde (Abb. 89). Eine außergewöhnliche Krebsform stellt Co- leia longipes mit langen Scherenarmen dar (S. 106, Abb. 139). Vor den neuen Grabungen lagen von dieser seltenen Art, die ebenfalls eine Nusplinger »Spezialität« darstellt, nur isolierte Abb. 84. Eine Extremform Scheren und kümmerliche Thorax-Reste vor. Ein Eryma modestiforme (Abb. 86). Sehr auffällig sind von Dusa mit außergewöhn- im Museum am Löwentor (Staatliches Museum auch isolierte Krebsscheren, jedoch ganz andere lich stark verlängerten, grazi- für Naturkunde Stuttgart) ausgestellter Altfund Formen als diejenige, die man in den Zement- en Pinzettenbeinen. Bis jetzt stellte sich kürzlich als eine neue Art heraus und mergeln oder in der Bankkalk-Fazies findet. Es kennt man nur diesen unvoll- ständigen Fund. Die vollstän- handelt sich hier wohl in der Regel um Fraßreste. wurde nach dem bekannten Tübinger Paläonto- dige Garnele mag wie eine logen FRANK WESTPHAL, der sich in der jüngeren Zu den seltensten Krebsen im Nusplinger Plat- Spinne ausgesehen haben. Vergangenheit um den Nusplinger Plattenkalk tenkalk gehört Pustulina suevica, eine im Jahr Nusplinger Steinbruch; Län- verdient gemacht hat, als Eryma westphali (Abb. 1857 von'QuENSTEDT aufgestellte Gattung und ge 11 cm. 85) benannt. Unter den Neufunden befinden sich Art. Das lange Zeit einzige bekannte Stück dieser ausgezeichnet erhaltene Jugendexemplare von Art war ein Scherenarm mit einer auffällig star- ken Bepustelung, die den Anlass für den Gat- tungsnamen gab. Seit der Abbildung galt das Stück als verschollen, sodass nur die zeichneri- sche Darstellung QUENSTEDTS, die auch von sei- Abb. 86. Jugendexemplar 25 nem Schüler ALBERT OPPEL kopiert wurde , inter- des Schlankhummers Eryma pretiert werden konnte. Der Krebsspezialist KARL modestiforme mit ausgebrei- BEURLEN (1901-1985) befasste sich im Jahr 1928 tetem Schwanzfächer und ausführlicher mit der Zeichnung und befand, es langen Antennen. Egeshei- mer Steinbruch; Länge von müsse sich um einen Vertreter aus der Krabben- der Scherenspitze bis zum Schwanzfächer 4 cm.

Abb. 85. Dieser Schlankhummer der erst kürzlich neu beschriebenen, sehr seltenen Art Eryma westphali ist ein Altfund. Es stammt aus der Zeit von 1869-1878, als der Nusplinger Plattenkalk zur Gewinnung von Dach- platten abgebaut wurde. Nusplinger Steinbruch; Länge ohne Scheren 5,3 cm.

53 Abb. 87. Der Typus von Pu- Zweifel festgestellt, dass ein fast vollständiger stulina suevica, ein einzelner Schlankhummer aus dem Nusplinger Plattenkalk, Scherenarm, war 150 Jahre den er »Eryma fraasi« nannte, ebensolche Sche- lang verschollen und wurde renarme besitzt (Abb. 87). Der übrige Panzer erst kürzlich im Institut und stimmt mit der Gattung Phlyctisoma überein, Museum für Geologie und Paläontologie der Universität doch wurde dieser Name erst später in die Wis- Tübingen wieder entdeckt. senschaft eingeführt als Pustulina. Wir müssen Darunter ein fast vollständi- daher auch die übrigen zur Gattung Phlyctisoma ges Exemplar dieser Art aus gerechneten Schlankhummer-Arten jetzt zu Pus- der Sammlung von O. FRAAS. tulina stellen. Erst im Frühsommer 2000 gelang Beide stammen wahrschein- uns jetzt ein Neufund von Pustulina suevica, wie- lich aus dem Nusplinger Stein- derum zwar nur ein einzelner Scherenarm, doch bruch; Länge 5,5 cm. wesentlich besser erhalten als die älteren Stü- cke. Pustulina lebte sicherlich in den Schwamm/ Mikroben-Riffen in der Umgebung der Platten- kalk-Lagune, wo sie mit ihren kräftigen Scheren dickere Schalen knacken konnte. Von Erymasta- cus major liegen bislang noch keine vollständi- gen Funde aus dem Nusplinger Plattenkalk vor. Die neue Grabung lieferte zerbissene Scheren- reste und einen vollständigen Scherenarm (Abb. 88). Ein eigenartiger Krebs ist Glyphea pseudoscyl- larus, dessen Schere an eine grabende Lebens-

Verwandtschaft handeln3. Heute wissen wir, dass dies ein Trugschluss war. Überraschenderweise fand sich nämlich das Originalstück im Herbst Abb. 88. Isoliertes Scheren- 1998 in der Tübinger Sammlung wieder. Dabei bein des großen Panzerkreb- zeigte sich, dass die Zeichnung das Stück nicht ses Erymastacus major aus ganz zutreffend wiedergibt. Hätte OPPEL das Stück adem Nusplinger Steinbruch; seinerzeit in seinen Händen gehabt, hätte er ohne Länge ca. 12 cm.

Abb. 89. Das bisher einzige Nusplinger Exemplar des Breitschildkrebses Cycleryon orbiculatus wurde 1980 bei einer Kontrollbegehung im Abraum gefunden. Eges- heimer Steinbruch; Breite 5,5 cm.

54 weise angepasst ist. Dieser seltene Maulwurfs- krebs wurde ausgerechnet in einer Plattenkalk- Schicht am unmittelbaren Wannenrand im Eges- heimer Steinbruch gefunden, und zwar im Zusam- menhang mit den verzweigten Bauten des Spu- rentyps Spongeliomorpha (= Thalassinoides). Es liegt deswegen nahe, diese Bauten auf die Tätig- keit von Glyphea zurückzuführen. Ein vollständi- ges Exemplar von Glyphea wurde außerdem im Sommer 2001 im Nusplinger Steinbruch gefun- den (Abb. 90). Heutzutage existiert von dieser Krebsgruppe nur noch ein einziger Vertreter, die Art Neoglyphea inopinata aus dem südchinesi- schen Meer7. Sie gilt deswegen als »lebendes Fossil«. Eine sonst sehr seltene, ungewöhnlich aus- sehende Krebsgruppe ist die der Heuschrecken- oder Fangschrecken-Krebse. Sie sind noch heu- te verbreitet und leben räuberisch am Meeresbo- den. Von dieser zuvor im Nusplinger Plattenkalk unbekannten Krebsgruppe wurden bei den neu- Abb. 90. Häutungshemd des Maulwurf-Krebses Glyphea en Grabungen bislang drei Exemplare geborgen, galithacoceras. Solche Funde stellen immer Ra- pseudoscyllarus, ein Sedi- die alle zur Art Sculda spinosa gehören (Abb. 91). ritäten dar, nicht zuletzt, weil man sie wegen ihrer mentwühler, der Gangsyste- Eine sehr stark spezialisierte Gruppe von Kreb- Unscheinbarkeit als Fossil gerne übersieht. me im Kalkschlick anlegte. sen sind die Rankenfußkrebse (Cirripedier), zu Erst vor wenigen Jahren wurde aus den Soln- Nusplinger Steinbruch; Län- denen heute die Entenmuscheln (Lepadiden) und hofener Plattenkalken aus der heute ausgestor- ge der Schere ca. 1,5 cm. die Seepocken (Balaniden) gehören. Im Nusplin- benen, weitläufig mit den Krebsen verwandten ger Plattenkalk fanden sich erstmals bei den neu- Klasse der Thylacocephalen mit Mayrocaris buc- en Grabungen Vertreter der Lepadiden, Eolepas cu/ata eine neue Art beschrieben. Diese konnte quenstedti (Abb. 130), aufgewachsen auf ein gro- inzwischen auch aus dem Nusplinger Plattenkalk ßes Perisphincten-Gehäuse der Gattung Euvir- mit relativ vielen Funden belegt werden (Abb. 92). Die unscheinbaren, nur knapp über einen Zenti- meter großen Panzer waren früher offensichtlich übersehen oder für isolierte Fischschuppen oder Abb. 91. Der Heuschrecken- krebs Sculda spinosa liegt als unvollständige Krebsteile gehalten worden. Häutungshemd vor. Nusplin- ger Steinbruch; Länge 1,8 cm. «

Abb. 92. Erst jüngst in den Solnhofener Plattenkalken entdeckt und jetzt auch im Nusplinger Plattenkalk nach- gewiesen wurde Mayrocaris bucculata. Dieses Fossil gehört zu der heute ausgestorbenen, weitläufig mit den Krebsen verwandten Klasse der Thylacocephalen. Nusplinge^Steinbruch; Länge 1,7 cm.

55 Abb. 93. Der Entenfuß-artige Armfüßer Cheirothyris fleuri- au&a wurde bisher nur ein- mal im Nusplinger Plattenkalk gefunden. Er lebte ursprüng- lich im Flachwasser. Nusplin- ger Steinbruch; Länge 2,5 cm. >

t» Abb. 94. Unter den wenigen im Nusplinger Plattenkalk ge- fundenen Armfüßern ist die Terebratulide Ornithella pen- tagonalis am häufigsten. Die- ses Exemplar ist in zerbisse- nem Zustand eingebettet wor- den. Nusplinger Steinbruch; Länge 2,5 cm.

Armfüßer (Brachiopoden) geschwemmt. Die auffälligste Form unter den Nusplinger Brachiopoden ist eine Einzelklappe Der zentrale Bereich der Nusplinger Lagune war der Entenfuß-artig berippten Art Cheirothyris fleu- nicht der Lebensraum der Brachiopoden. Des- riausa (Abb. 93), die sonst hauptsächlich in der halb verwundert es auch nicht, dass sie dort eher zeitgleichen Korallenfazies der östlichen Schwä- zu den seltenen Fossilien gehören. In normalen bischen Alb auftritt. Etwas häufiger sind die glatt- Jura-Gesteinen sind sie dagegen mit ihren zwei- schaligen Terebratuliden der Art Ornithella pen- klappigen Kalkschalen mitunter gesteinsbildend. tagonalis (Abb. 94). Andere seltene Einzelfunde Die wenigen Brachiopoden aus dem Nusplinger gehören zu den Gattungen Lacunosella und Tor- Abb. 95. Die kleine schwimm- Plattenkalk hatten ihren ursprünglichen Lebens- quirhynchiaM. fähige Seelilie Saccocoma te- raum in den randlichen Flachwasserarealen oder nella tritt in bestimmten Ab- in den Schwamm/Mikroben-Riffen. Ihre Schalen schnitten des Nusplinger Plat- wurden entweder durch Fressfeinde in die Lagu- Moostierchen (Bryozoen) tenkalks massenhaft auf. Nus- ne eingetragen oder durch eine leichte Drift ein- plinger Steinbruch; Durch- messer je ca. 2,5 cm. Die den Brachiopoden nahe verwandten Bryozo- en sind im Nusplinger Plattenkalk extrem selten. Bis jetzt gelang nur ein einziger, bisher unbe- stimmter Fund. In den turbiditischen Kalkbänken kommen sie hingegen häufiger vor.

Stachelhäuter (Echinodermen)

Seelilien (Crinoiden) Die häufigsten Stachelhäuter im Nusplinger Plat- tenkalk sind die planktonischen, stiellosen Klein- crinoiden der Art Saccocoma tenella. Sie können in bestimmten Schichten massenhaft auftreten, sind aber im Vergleich zu denjenigen aus den Solnhofener Plattenkalken oft im Gelände kaum zu erkennen. Ihr Erhaltungszustand wechselt von Schicht zu Schicht. Nur in wenigen Plattenkalk- Lagen sind sie vollständig erhalten (Abb. 95).

56 Abb. 96. Solanocrinites ist ein robust gebauter Haarstern, der wie Abb. 97. Der feingliedrige Haarstern Pterocoma cf. formosa wurde Pterocoma zu den schwimmfähigen, stiellosen Seelilien gehört. Nusp- bisher nur ein einziges Mal in dieser vollständigen Erhaltung im Nusplinger linger Steinbruch; Gesamtbreite etwa 15 cm. Plattenkalk gefunden. Nusplinger Steinbruch; Gesamtbreite etwa 8 cm.

Zumindest von Zeit zu Zeit müssen sie die Plat- Münchner Paläontologe KARL ALFRED VON ZITTEL tenkalk-Lagune massenhaft bevölkert haben. Auf (1839-1904) als Piicatocrinus fraasi beschrieben manchen Plattenkalk-Flächen sucht man sie aber hat (Abb. 98)41. Dieser Seelilien-Fund besteht nur auch mit der Lupe vergeblich. Ihre zarten Skelett- noch aus der Krone mit anhängenden Armen, elemente finden sich dann jedoch immer noch in während der Stiel, mit dem sie zu Lebzeiten an- den wurmartigen Kotschnüren, die unter dem geheftet war, fehlt. Sie dürfte bei einem Sturmer- Namen Lumbricaria bekannt sind (Abb. 154). Sac- eignis von ihrem Stiel abgerissen und in die cocomen waren demnach offenbar eine wichti- ge Nahrungsgrundlage für andere Tiere. Ebenfalls zu den stiellosen Seelilien gehören Abb. 98. Von ihrem Stiel ab- gerissene Krone der Seelilie die Haarsterne der Gattungen Pterocoma (Abb. Piicatocrinus fraasi, ein Alt- 97) und Solanocrinites (Abb. 96). Beide kommen fund aus der Sammlung von als große Seltenheiten im Nusplinger Plattenkalk O. FRAAS. Nusplinger Stein- vor. Sie wurden erstmals bei den neuen Grabun- bruch; Durchmesser 6,5 cm. gen des Stuttgarter Naturkundemuseums nach- gewiesen. Aufgrund ihrer Schwimmfähigkeit ge- hören sie zum Nekton. Um den Kelch herum sind lange Arme mit filigranen Fortsätzen, den soge- nannten »Pinnulae«, angeordnet. Ihre gute Erhal- tung wird erst bei der Betrachtung mit einer UV- Lampe sichtbar, bei der dann die einzelnen Ske- lettelemente violett aufleuchten. Solanocrinites ist wesentlich robuster gebaut als Pterocoma. Beide Haarsterne lebten sicherlich wie ihre heu- tigen Verwandten im gut durchlüfteten Flach- wasser und filterten dort Plankton. Von einer gestielten Seelilie lag bisher nur ein Einzelfund vor. Es handelt sich hierbei um ein Stück aus der Sammlung von OSKAR FRAAS, das der berühmte

57 Abb. 99. Aus dem Nusplin- seltener auch im Nusplinger Steinbruch vor, der ger Plattenkalk sind bisher nur mehr im Zentrum der einstigen Lagune liegt. In jugendliche Individuen des ihrem ursprünglichen Lebensraum, von dem sie Schlangenstern Sinosura kel- in die Lagune hineingetrieben wurden, dürften sie heimense gefunden worden. Egesheimer Steinbruch; Durch- in dichter Population gelebt haben. Wahrschein- messer 2,5 cm. lich besiedelten sie die Flachwasserareale in der unmittelbaren Umgebung der Lagune. Dort leb- ten sie wie ihre heutigen Verwandten flach ein- gegraben in einem lockeren Sediment oder kro- chen auf den Schwämmen herum. Mit Sinosura keiheimense wurde bisher nur eine einzige Art nachgewiesen. Sie ist im Nusplinger Plattenkalk auffälligerweise ausschließlich mit Jugendexem- plaren vertreten (Abb. 99).

!>D> Abb. 100. Während sonst aus dem Nusplinger Plattenkalk Lagune hineingetrieben worden sein. Das ZITTEL'- nur isolierte Stacheln oder sche Exemplar von Plicatocrinus ist bis jetzt der zerbissene Seeigel-Gehäuse einzige Nachweis dieser Art geblieben. gefunden wurden, liegt hier erstmals ein vollständiger See- igel der Art Stomechinusper- Seesterne (Asteroiden) latus vor. Man erkennt noch Von lediglich zwei Seesternen wurden bisher den Kieferapparat in der ven- tralen Öffnung, die so genann- im Nusplinger Plattenkalk kümmerliche Reste te »Laterne des Aristoteles«. gefunden. Sie gehören zu den beiden Arten Allerdings fehlen dem Gehäu- Sphaeraster granulatus und Tylasteria jurensis. se sämtliche Stacheln. Nusp- Die Sphaeraster-Reste liegen im selben Speibal- linger Steinbruch; Durchmes- len wie zerknackte Seeigel-Reste zweier Arten. ser 6 cm. Von Tylasteria fanden sich nur einige charakteri- stische Skelettelemente, die auf einen Fraßrest hindeuten.

Seeigel (Echiniden) Schlangensterne (Ophiuren) Abb. 101. Dieser bizarre See- Von Seeigeln liegen fast nur einige zerbissene igel-Stachel, der zu Rhabdo- Schlangensterne gehören als Bodenbewohner Gehäuseteile mit Stacheln vor. Es handelt sich cidaris boehmi gehört, ist sicher nicht zur typischen Fauna der eigentlichen hierbei um Speiballen (S. 112, Abb. 142). Durch durch eine besonders starke Nusplinger Lagune. Deshalb verwundert es nicht, solche Speiballen oder Fraßreste konnten acht Bedornung gekennzeichnet. dass sie besonders häufig im Plattenkalk des Die Art war zuvor noch nie im Arten von Seeigeln im Nusplinger Plattenkalk Egesheimer Steinbruch nahe am einstigen Wan- Schwäbischen Jura gefunden nachgewiesen werden (Artenliste auf S. 71). Ver- nenrand gefunden wurden. Sie kommen jedoch worden. Nusplinger Stein- einzelt fanden sich auch isolierte Stacheln, die bruch; Länge 7,5 cm. wohl einem Fressfeind aus dem Maul gefallen waren (Abb. 101). Eine erste vollständig erhalte- ne Corona (Gehäusekapsel) kam erst im Frühjahr 2000 ans Tageslicht (Abb. 100). Sie gehört zu der großwüchsigen Seeigelart Stomechinus perlatus. Da die Seeigelfunde im Nusplinger Plattenkalk üblicherweise extrem selten sind, überraschte das Massenvorkommen einer neuen Art Polyci- daris nusplingensis auf einer einzigen Schicht- fläche, und zwar auf der Oberfläche einer dicken, turbiditischen Kalkbank (S. 114, Abb. 143).

58 Fische

Haie und Rochen (Elasmobranchier) Kurz nach Aufnahme der ersten Grabungen im Egesheimer Steinbruch gelang im Sommer 1993 ein überraschender Fund. Dabei kam ein voll- ständiger, etwa 70 cm langer Hai der Art Spheno- dus macer ans Tageslicht (Abb. 144). Die Präpa- ration war extrem schwierig und dauerte ent- sprechend lange, da das Skelett in einer Schicht aus glashartem Feuerstein (»Silex«) eingebettet war (S. 116). Eine weitere Art der Gattung, Sphe- nodus nitidus, lieferte bis jetzt keine Skelettfunde Abb. 102. Aus dem Nusplin- aus dem Nusplinger Plattenkalk. Ihre spitzen Zäh- ger Plattenkalk mit verdünn- Eonotidanus war aber wesentlich seltener als ne finden sich aber isoliert gar nicht selten (Abb. ter Säure herausgeätzte Zäh- 102). Es vergeht kaum ein Grabungstag ohne Sphenodus, weshalb man deren isolierte Zähne ne des Haifischs Sphenodus einen oder sogar mehrere solcher Zahnfunde. nur ganz vereinzelt findet. Außerdem fand man nitidus. Sie kommen recht Sphenodus nitidus lebte bevorzugt in den obe- zwei Exemplare des mit Sphenodus verwandten, häufig vor. Nusplinger und ren Wasserschichten und jagte dort nach Fischen über einen Meter Länge erreichenden Paraortha- Egesheimer Steinbruch; Län- oder Tintenfischen. Die Gattung Sphenodus ist codus jurensis sowie Jungtiere des stachelbe- ge des größten Zahns etwa 2 cm. in der Kreide-Zeit ausgestorben. Anhand des voll- wehrte Rückenflossen tragenden Stierkopfhais ständigen Exemplars aus dem Egesheimer Stein- bruch können wir uns erstmals ein Bild von der Abb. 103. Isolierter Zahn des Körperform dieses Hais machen. Noch eine an- seltenen Grauhais Eonotida- dere große Haiart, Eonotidanus muensteri, lebte nus muensteri. Nusplinger in der Nusplinger Lagune. Sie besaß mehrspitzi- Steinbruch; Länge ca. 2 cm. ge Zähne (Abb. 103). Im 19. Jahrhundert kam von dieser Gattung offenbar ein vollständigeres Exemplar heraus, von dem aber leider nur ein Abb. 104. Der kleine Hai He- Rest auf der Halde geborgen wurde. Letzterer terodontus fa/cifer weist als unterscheidet sich durch stärker gesägte Zähne auffälligstes Merkmal lange und wird zu einer weiteren Art, Eonotidanus ser- Stacheln an den beiden Rük- kenflossen auf. Altfund aus ratus, gestellt. Der zu den Grauhaien gehörige dem Nusplinger Steinbruch; Länge 30 cm.

59 Seekatzen (Holocephalen) Seekatzen oder Chimären sind Knorpelfische. Sie gehören also in die Verwandtschaft der Haie und Rochen. Im Nusplinger Plattenkalk hat man von ihnen zwei Arten nachweisen können. Die eine Art, Elasmodectes avitus, ist relativ klein und als Fossil unscheinbar. Von der anderen Art, Ischyo- dus quenstedti (Abb. 105), befindet sich im Tü- binger Institut ein großes, sehr gut erhaltenes Exemplar. Es wurde bei der Grabung der Univer- sität Tübingen im Jahr 1929/30 gefunden, An diesem Stück kann man sehr schön erkennen, dass die Chimären im Maul nur zwei Schneide- zähne und vier massive Zahnplatten tragen. Bei diesem Gebiss findet kein permanenter Zahn- wechsel statt, wie sonst bei Knorpelfischen üb- lich. Die Rückenflosse stützt ein langer, knöcher- ner Flossenstachel. Der für die Chimären außer- dem typische, peitschenförmige Schwanz ist bei dem Nusplinger Exemplar nicht mehr vorhan- den. Vermutlich ist er schon bei der damaligen Abb. 105. Ischyodus quen- Fundbergung verloren gegangen. Diese große stedti gehört zur altertümli- Chimären-Art war wohl mit ihrem kräftigen Ge- chen Fischgruppe der See- Heterodontus falcifer (Abb. 104). Bei den Stier- biss in der Lage, Krebspanzer und Muschelscha- katzen (Chimären). Er besitzt kopfhaien ändert sich im Verlauf der Ontogenese len zu knacken. Möglicherweise ist sie auch für einen langen Flossenstachel die Zahnform von spitzen Zähnen zu Fflasterzäh- die vielen zerbissenen Belemniten-Rostren ver- und große Zahnplatten im nen, mit denen harte Schalen zerknackt werden antwortlich, die man im Nusplinger Plattenkalk Maul. Der Fund stammt aus können. zahlreich findet (S. 96, Abb. 134). derTübingerGrabung im Nu- Im Mittelpunkt der Nusplinger Hai-Funde ste- splinger Steinbruch von 1929/ hen allerdings die meist perfekt erhaltenen, ro- 30. Er wird im Institut und Quastenflosser (Crossopterygier) chenähnlichen Meerengel der AnSquatina acan- Museum für Geologie und Pa- thoderma. Seit Beginn der Grabungen in der Zwei Arten von Quastenflossern sind bisher im läontologie der Universität Nusplinger Plattenkalk sicher nachgewiesen. Die Tübingen aufbewahrt. Länge Mitte des 19. Jahrhunderts hat man weit mehr 35 des Flossenstachels 32 cm. als 20 Exemplare davon geborgen . Viele Mu- am besten erhaltenen Funde gehören zu Cocco- seen, sowohl im Inland als auch im Ausland, derma suevicum. Von Undina penicillatum, die besitzen einen Nusplinger Meerengel. Die Art ist wesentlich kleiner ist, fanden sich bisher nur Reste außerordentlich typisch für den Nusplinger Plat- oder schlechter erhaltene Stücke. Mehr Informa- tenkalk und ist möglicherweise auf dieses Vor- tionen über die Quastenflosser aus dem Nusplin- kommen beschränkt (S. 118, Abb. 145). Deshalb ger Plattenkalk gibt es auf S. 120 (Abb. 146). bezeichnet das Nusplinger Grabungsteam die Meerengel aus dem Nusplinger Plattenkalk auch Schmelzschupper gerne scherzhaft als das »Wappentier von Nusp- Unter diesem Sammelbegriff werden alle alter- lingen«. tümlichen Fische mit Ganoidschuppen und auch In den Solnhofener Plattenkalken sind Meer- Übergangsformen zu den modernen Fischen zu- engel eher selten, wogegen sich Funde von per- sammengefasst. Die Knochenschmelzschupper fekterhaltenen Rochen in zahlreichen öffentlichen sind typische Formen der Trias- und Jura-Zeit. Ihr Museen und in vielen Privatsammlungen befin- Schuppenkleid wirkte wie ein Panzer, der den den. Die Rochen gehören dagegen im Nusplinger Körper schützt und stützt. Die dicken, vierecki- Plattenkalk zu den größten Seltenheiten, denn es gen, glänzenden Schuppen machten diese Fi- liegt bis heute nur ein unvollständiger Altfund sche schwer und relativ unbeweglich. Dies wird der Art Belemnobatis sismondae vor. Vielleicht deutlich an Ophiopsis procera (Abb. 106), einem bestand aufgrund ähnlicher Lebens- und Ernäh- unzerfallenen Fund aus der Tübinger Grabung rungsweise eine Konkurrenz zwischen Meeren- von 1935. Ab dem oberen Jura wurden die geln und den Rochen, die hiervon den Meeren- Schmelzschupper allmählich durch die moder- geln gewonnen wurde.

60 Abb. 106. Einer der wohl schönsten Fischfunde aus nen Knochenfische verdrängt. Letztere sind we- bung liegt gemeinsam mit drei Großgarnelen der dem Nusplinger Plattenkalk sentlich beweglicher und damit auch schneller. Gattung Antrimpos auf einer Platte. Das größte ist Ophiopsis procera, ein Sie besitzen nun im Gegensatz zu den Schmelz- Exemplar der Tübinger Caturus-Funde weist eine Schmelzschupper. Er wurde schuppern eine vollständig verknöcherte Wirbel- Länge von einem Meter auf (Abb. 107). Die Catu- bei der Tübinger Grabung von säule, welche die Stützfunktion des Schuppen- riden waren neben den Haien die größten Raub- 1935 gefunden und wird heu- panzers übernimmt. Heute existieren nur noch fische in der Nusplinger Lagune. Bevorzugte Beu- te im Institut und Museum für wenige Vertreter der altertümlichen Schmelz- te waren wohl die kleinen, heringsartigen Fische Geologie und Paläontologie schupper. Im Nusplinger Plattenkalk sind sie aber der Gattung Tharsis. In einem auch aus dem der Universität Tübingen auf- bewahrt. Nusplinger Stein- noch mit vielen Funden vertreten. Eine andere Nusplinger Plattenkalk belegten Fall ist ein Catu- bruch; Länge 35 cm. für den Nusplinger Plattenkalk nicht ganz untypi- rus wohl an einem etwas zu großen Tharsis er- sche Fischgruppe scheint diejenige der Gattung stickt, denn dieser steckte noch im Maul des Furo zu sein. Einige schöne Exemplare dieser Räubers. relativ schlanken Fischform, von der drei ver- Der aus den Solnhofener Plattenkalken be- schiedene Arten vorliegen, lieferten die neuen kannte »Schnabelfisch« Aspidorhynchus mit sei- Grabungen (Abb. 148-149). Der wohl attraktivste ner spießartig verlängerten Schnauze kommt als Fund unter den Schmelzschuppern ist der Kugel- Seltenheit auch im Nusplinger Plattenkalk vor zahnfisch Gyrodus (Abb. 147). Dieser Altfund hat und scheint hier auf einen kurzen Schichtab- bis heute nichts neues Vergleichbares zur Seite schnitt beschränkt zu sein. Bei den neuen Gra- bekommen. bungen kam im Jahr 1999 mit dem Fisch So/n- Gefürchtete Räuber waren die Fische der hofenamia e/ongata erstmals ein Vertreter aus Gattungen Caturus, Eurycormus und Eurypoma der Gruppe der »Besenfische« heraus (Abb. 109). (Abb. 107-108). Sie weisen eine torpedoförmige Er ist mit dem heutigen nordamerikanischen Gestalt, eine hohe Schwanzflosse und ein mit Schlammfisch Amia verwandt, der ausschließ- kräftigen, spitzen Zähnen bestücktes Maul auf. lich im Süßwasser lebt. So/nhofenamia gehört Zwei ausgezeichnet erhaltene, ziemlich große zu einer in der Kreide-Zeit und im Tertiär weit Exemplare von Caturus furcatus sind im Muse- verbreiteten Fischfamilie, die erstmals im Ober- um des Geologisch-Paläontologischen Instituts jura auftrat. Der Nusplinger Fund gehört somit zu der Universität Tübingen ausgestellt. Ein Neu- den ältesten bekannten Vertretern dieser Grup- fund der gleichen Art aus der Stuttgarter Gra- pe. Im Gegensatz zu ihren heutigen Verwandten

61 Nvixplingpn

Abb. 107. Der Knochenschmelzschupper Caturus furcatus ist der bisher größte Fund aus dieser Fisch-Gruppe im Nusplinger Plattenkalk. Sein Gebiss (unten) weist ihn als lebten die Besenfische der Jura- und Kreide-Zeit Raubfisch aus. Er stammt aus der Grabung von STÜRTZ 1897-1899 und wurde an das Institut und Museum für Geologie und Paläontologie der Universität Tübingen verkauft. sowie des Tertiärs noch im Meer. Nusplinger Steinbruch; Länge ca. 100 cm. Die häufigste im Nusplinger Plattenkalk ver- tretene Gruppe von Schmelzschuppern, die schon zu den modernen Knochenfischen überleiten, war früher insgesamt unter dem Gattungsnamen »Pholidophorus« bekannt. Eine Art davon wird heute zur Gattung Siemensichthys gestellt (Abb. 150)2.

Moderne Knochenfische Die modernen Knochenfische (»Teleostei«) sind im Nusplinger Plattenkalk neben den altertümli- cheren, noch Ganoidschuppen tragenden Pholi- dophoriden überwiegend mit Kleinformen ver- treten (Abb. 110-112). Sie sind in diesem Zeitab- schnitt zwar nur mit wenigen Arten, aber dafür in hoher Individuenzahl präsent. Besonders der he- ringsartige Tharsis dubius (Abb. 111) dürfte in Schwärmen in der Nusplinger Lagune gelebt und als Nahrung für viele verschiedene Räuber, wie andere Fische und Tintenfische gedient haben. Die modernen Knochenfische standen zwar im Oberjura, was ihre Artenzahl anbelangt, noch am Anfang ihrer Entwicklung, stimmen aber sonst schon weitestgehend mit den rezenten Vertre- tern überein. Im Gegensatz zu den meisten Ga- noidschmelzschuppern, die noch dicke, vierecki- ge Schuppen besaßen, tragen sie jetzt dünne, rundliche Schuppen. Ihre Wirbelsäule ist voll- ständig verknöchert. Sie sind dadurch zu sehr schnellen, beweglichen Schwimmern geworden

62 Abb. 108. Fast vollständiger Knochenschmelzschuppen- und konnten so ihren zahlreichen Feinden leich- idschuppen sind im Nusplinger Plattenkalk gut Fisch Eurypoma äff. grande; ter entkommen. Im Nusplinger Plattenkalk konn- erhalten. In einer einzigen Plattenkalk-Lage fan- Schnauzenspitze leicht er- ten bis jetzt fünf Arten nachgewiesen werden, den sich allerdings sogar Exemplare, die noch gänzt; NusplingerSteinbruch; eine lächerlich geringe Artenzahl gegenüber den den Darminhalt aufweisen. Ansonsten sind sie in Länge 58 cm. mehr 20 000 der heutigen Meere. Nur wenige der Regel mehr oder weniger stark zerfallen oder Funde der modernen Knochenfische ohne Gano- als Fraßreste ohnehin unvollständig überliefert.

Abb. 109. Erstfund des Schlammfischs Solnhofen- amia e/ongata aus dem Nusp- linger Plattenkalk. Der Fund gehört mit zu den ältesten bekannten Vertretern dieser noch heute lebenden Grup- pe. Nusplinger Steinbruch; Länge 36 cm.

63 Abb. 110. Diesen Knochen- fisch der Gattung Allothris- sops wurde von einem Räu- ber dio Schwanzflosse ab- gebissen. Nusplinger Stein- bruch; Länge 20 cm.

Abb. 111. Bisher konnten nur in einer einzigen Gesteinsla- ge des Nusplinger Platten- kalks in solch ausgezeichne- ter Erhaltung die heringsarti- gen Knochenfische der Art Tharsis dubius gefunden wer- den. Neben dem vollständig erhaltenen Schuppenkleid ist auch noch der Darminhalt überliefert. Nusplinger Stein- bruch; Länge 15 cm.

Abb. 112. Kleiner Knochenfisch der Art Leptolepides sprattiformis. Nusplinger Steinbruch; Länge 7 cm.

64 Reptilien gefunden - gehören die Flugsaurier im Nusplin- i > ger Plattenkalk zu den Fossilien, denen immer Reptil-Funde sind naturgemäß immer große Be- ein besonderes Interesse entgegengebracht wur- sonderheiten. Dies gilt auch für alle Plattenkalk- de und die auch Gegenstand zahlreicher wissen- Vorkommen. Sogar in Solnhofen und Umgebung, schaftlicher Publikationen waren. Über die bei- wo der Plattenkalk auch heute noch in riesigen den Altfunde aus der Mitte des 19. Jahrhunderts Steinbrüchen in industriellem Maßstab abgebaut wurde schon weiter oben berichtet (S. 14), In der wird, gelten sie als Raritäten und sind daher auch zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam der sehr teuer. Dies gilt erst recht für den Nusplinger bislang größte Flugsaurier dieser Fundstelle zum Plattenkalk. Bisher kamen bei den neuen Gra- Vorschein. Er gehört zur kurzschwänzigen Art bungen nur vereinzelte Knochen und Zähne zum Pterodacty/us longicol/um (S. 132, Abb. 153). Das Vorschein. Bei den vollständigeren Reptilien han- vierte Exemplar, ein sehr gut erhaltener lang- delt es sich bisher ausschließlich um Altfunde. schwänziger Rhamphorhynchus longiceps (Abb. 152), wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts Krokodile durch die Bonner Firma STÜRTZ geborgen und an Zur Oberjura-Zeit entwickelte sich mit Geosau- das Tübinger Institut verkauft. rus unter den Meereskrokodilen eine echte Hoch- Abb. 113. Vom größten be- seeform heraus. Die Typusart für diese Gattung kannten Räuber im süddeut- ist das Nusplinger Meereskrokodil Geosaurussue- Spurenfossilien - schen Oberjura-Meer, dem Meereskrokodil Dacosaurus vicus (Abb. 151). Sein Artname spielt darauf an, Zeugen von Leben am Meeresboden maximus, fanden sich im dass man diese Form bisher nur im Nusplinger Nusplinger Plattenkalk nur Plattenkalk und damit im Schwabenland nachge- Wie wir bereits festgestellt haben, ist das Fehlen von Bodenleben eine wichtige Voraussetzung für vereinzelte Zähne. Nusplinger wiesen hat. Die interessante Fundgeschichte ist Steinbruch; Länge des Zahns die Entstehung von Plattenkalken, da sonst jegli- schon auf S. 18 beschrieben; auf S. 128 wird auf 4cm. che Feinschichtung zerstört und das nacheinan- mehr Details eingegangen. Vom wahrscheinlich der abgelagerte Material untrennbar miteinander größten Räuber unter den Krokodilen der Ober- vermischt wird. In Plattenkalk-Vorkommen sollte jura-Zeit, Dacosaurus maximus, liegen aus dem man daher eigentlich nicht mit Spurenfossilien Nusplinger Plattenkalk ebenfalls Belege in Form rechnen. Vor allem in den tieferen Plattenkalk- von einzelnen Zähnen vor (Abb. 113). Es ist anzu- Schichten des Egesheimer Steinbruchs kommen nehmen, dass diese marinen Großkrokodile die jedoch immer wieder einzelne Lagen mit Spuren- Nusplinger Lagune nur gelegentlich aufgesucht fossilien vor. Insgesamt konnte im Nusplinger haben. Die isolierten Zahnfunde, insgesamt bis- Plattenkalk eine überraschend hohe Zahl verschie- her fünf an der Zahl, gehen auf den permanenten 64 dener Spurentypen nachgewiesen werden . Zahnwechsel zurück, wie er für Krokodile und Meistens handelt es sich allerdings um Massen- andere Verwandte typisch ist. vorkommen eines einzigen Spurenfossil-Typs. Die Lebensbedingungen waren demnach so extrem, Meeresschildkröten das sich immer nur ganz kurzfristig hochspeziali- Eigentlich könnte man vollständigere Belege von sierte Formen ansiedeln konnten, die sich dann Meeresschildkröten im Nusplinger Plattenkalk er- stark vermehrten. Öfters befinden sich die Hori- warten. Die Lagune und die sie umgebende In- zonte mit Spurenfossilien im Bereich einer Turbi- selwelt müssen für sie ein ideales Biotop darge- ditbank. Bei der turbulenten Ablagerung einer stellt haben. So könnten zum Beispiel die Strän- solchen Kalkbank wurde wohl das Meerwasser de der Inseln zur Eiablage gedient haben. Bis so stark umgewälzt, dass der Sauerstoffgehalt heute wurden aber nur ein kümmerlicher Reste durch Vermischung mit oberflächennahem, sauer- einer Schildkröte gefunden. Hierbei handelt es stoffreichem Wasser anstieg und eine Besiede- sich um eine erst kürzlich beschriebene Halswir- lung ermöglichte. Nach kurzer Zeit stellten sich belsäule, ein Altfund, der im Geologisch-Paläon- dann wieder die vorherigen Bedingungen ein, tologischen Institut der Universität Tübingen auf- und die Besiedelung des Meeresbodens erlosch. bewahrt wird62. Wir greifen aus der Vielzahl an Spurenformen für den Nusplinger Plattenkalk besonders charakte- Flugsaurier ristische Beispiele heraus. Trotz ihrer Seltenheit - neben wenigen Einzel- Parahaentzschelinia egesheimense (Abb. 114) knochen und einigen Zähnen wurden bisher nur setzt sich aus zahlreichen kleinen, napfförmigen vier mehr oder weniger vollständige Exemplare Vertiefungen, die die Ausmündungen eines Gang-

65 bau Rhizocorallium (Abb. 115) vor, dem man im Germanischen Muschelkalk häufiger begegnet, während er in Plattenkalken der Oberjura-Zeit zuvor nur von dem französischen Fundort Cerin bekannt war. Von diesem Bau werden zwar Kreb- se als Erzeuger angenommen, doch fehlt bislang der Beweis dafür. Andere Grabbauten, die man als Spongeliomorpha (= Tha/assinoides) bezeich- net, werden ebenfalls auf Krebse zurückgeführt. Tatsächlich fanden wir in einer solchen durch- wühlten Lage im Nusplinger Plattenkalk auch ein Häutungshemd der den Meeresboden bewoh- nenden Garnele Glyphea (S. 55). Auf manchen Schichtflächen des Nusplinger Plattenkalks kommen auch Spuren von Lebewe- sen vor, die sich dicht über dem Boden der Lagu- ne bewegten. Manche undeutlichen, an einen Vogelfuß erinnernden Eindrücke stammen vom Pfeilschwanz Mesolimulus. Auch ein Quasten- flosser hinterließ im Kalkschlick des Meeresbo- dens Abdrücke seiner Flossen, an denen man erkennen kann, dass diese im selben Rhythmus Abb. 114. Das eigentümliche Spurenfossil Parahaentzsche- wie bei heutigen Vierfüßern bewegt wurden. Auf systems am Meeresboden darstellen, zusammen. linia egesheimense, erstmals derselben Fläche wie diese Schwimmspur kommt im Egesheimer Steinbruch Wer diese Bauten erzeugte, wissen wir nicht. In auch die rätselhafte Spur Serpentichnoidesnusp- nachgewiesen, besteht aus anderen Lagen kommt der U-förmige Spreiten- lingensis vor. Sie zeigt ein eigenartiges Muster zahlreichen zu Gruppen an- von schräg hintereinander versetzten Einritzun- geordneten, kleinen napfför- gen der Sedimentoberfläche, wobei jeder zweite migen Vertiefungen. Nusplin- Streifen mehrere kurze Unterbrechungen auf- ger Steinbruch; Durchmesser weist. Der lateinische Gattungsname soll aus- der Gruppe ca. 20 cm. drücken, dass die Spur etwas an das Bewegungs- bild einer Schlange im Wüstensand erinnert. In einem Fall konnten wir sogar einen Richtungs- wechsel beobachten, was unsere Deutung als Lebensspur unterstreicht. Da diese Spur Serpent- ichnoides mehr oder weniger deutlich in ganz verschiedenen Plattenkalk-Lagen wiederkehrt, muss sie von einem Tier stammen, dessen stän- diger Lebensraum die Plattenkalk-Lagune war.

Koprolithen und Speiballen

Eine große Zahl von Tierarten, die man im Nusp- linger Plattenkalk findet, sind erst auf dem Um- weg über das Maul oder gar über den Verdau- ungstrakt eines Räubers auf den Meeresboden gelangt und auf diese Weise fossil überliefert Abb. 115. Rhizocorallium, ein worden. Zahlreiche Fraßreste, Speiballen oder so genannter Spreitenbau, Koprolithen dokumentieren eindrücklich, dass die wurde in einigen Plattenkalk- Nusplinger Lagune - abgesehen vom Meeresbo- Lagen des Egesheimer Stein- bruchs nachgewiesen. Damit den -kein lebensfeindlicher Tierfriedhof war, son- wird belegt, dass zeitweise dern Schauplatz alltäglicher Kämpfe um die Nah- am Meeresboden Leben mög- rung und das Überleben. lich war; Höhe etwa 20 cm. Viele schalentragende Organismen des Nusp-

66 linger Plattenkalks wie Ammoniten, Muscheln und Brachiopoden weisen charakteristische Biss- spuren auf. Manchmal sind die Schalen sogar vollständig zerkaut. Dies gilt beispielsweise für viele der insgesamt seltenen Seeigelgehäuse (Abb. 142). In einem Speiballen mit Echinoder- menresten als Inhalt konnten gleich zwei ver- schiedene Seeigelarten und ein Seestern identifi- ziert werden. Ammonitengehäuse weisen öfters im hinteren Drittel der Wohnkammer Schalen- ausbrüche auf, die von erfolgreichen Attacken durch Fische herrühren müssen. Die isoliert ein- gebetteten Schalenfragmente zeigen, dass dies in der Lagune selbst geschah. Selbst die robus- ten Kieferorgane der Ammoniten, die Aptychen, sind nicht selten zerbrochen eingebettet (Abb. 133). Von Belemnitentieren findet man sehr häu- fig Rostren, die im Bereich der Alveole, in der zu Lebzeiten der gasgefüllte Kammerapparat steck- te, stark zertrümmert sind (Abb. 134). Bei denje- nigen Garnelen der Gattung Antrimpos, die nicht als Häutungshemden überliefert sind, fehlen Tei- le des Panzers. Zuweilen findet man solche töd- lich verletzten Individuen oder gar abgebissene Hinterleiber, die mit ihrem Schwanzfächer noch einige Zuckungen auf dem Meeresboden aus- führten (Abb. 138.2), Von vielen Fischen liegen abgetrennte Köpfe, Schwanzflossen oder andere Körperteile isoliert eingebettet im Plattenkalk Abb. 116. Abgebissener und (Abb. 116). vor der endgültigen Einbet- darin erkennen (Abb. 118). Meistens handelt es tung zerfallener Fischkopf von Aber noch andere Überbleibsel einer reichen sich um zerbissene Panzerreste von Großgarne- Euryconnus. Nusplinger Stein- Lebewelt in der Nusplinger Lagune wurden uns len oder um Skelett-Teile von Knochenfischen. bruch; Länge 13,5 cm. im Plattenkalk überliefert: Koprolithen. Die be- Krebse und Knochenfische stellten demnach ein reits erwähnten wurmförmigen Lumbricaria-Kot- schnüre (Abb. 154), die auf bestimmte Ammoni- ten als Erzeuger zurückgeführt werden können, gehören in manchen Lagen zu den häufigsten Fossilien überhaupt. In vielen Schichten sind auch Koprolithen aus blassrosafarbenem, phosphori- tischem Material ausgesprochen häufig. Sie er- reichen bisweilen die Größe einer Kinderfaust. Manche der Koprolithen zeigen noch deutlich eine spiralige Struktur, die sich auf den spiraligen Darm von Haien zurückführen lässt (Abb. 117). Hauptsächlich kommt wohl der Hai Sphenodus nitidus als Verursacher in Frage, dessen isolierte Zähne zu den häufigsten Wirbeltierresten im Nusplinger Plattenkalk gehören. Andere phos- phoritsche Koprolithen mit ovaler oder knolliger Abb. 117. Manche Koproli- Umrissform könnten von marinen Reptilien wie then (fossile Exkremente), die den Meereskrokodilen stammen (Abb. 119). Wie- im Nusplinger Plattenkalk vor- der andere Koprolithen besaßen offensichtlich kommen, weisen eine spirali- eine weichere Konsistenz, sodass sie am Mee- ge Struktur auf. Sie stammen resboden zerflossen sind. Bei manchen davon vermutlich von Haifischen. Nusplinger Steinbruch; Län- kann man noch Reste der gefressenen Mahlzeit ge 3,5 cm.

67 Abb. 119. Dieser knollenförmige Koprolith stammt wahr- scheinlich von einem Reptil, vielleicht dem Meereskro- kodil Geosaurus. Nusplinger Steinbruch; Länge 3,8 cm.

wichtiges Glied in der Nahrungskette der Nusp- linger Lagune dar. In einigen selteneren Fällen waren auch Fanghäkchen oder Rostren von ju- Abb. 118. In vielen Koprolithen stecken noch Reste der letzten Mahlzeit. Hier sind gendlichen Belemnitentieren enthalten. Solche deutlich Teile von Krebspanzern zu erkennen. Der Erzeuger dieses Koprolithen ist Koprolithen stammen vielleicht von Raubfischen unbekannt. Nusplinger Steinbruch; größter Durchmesser 13,5 cm. oder von größeren Tintenfischen wie dem Lepto- theuthis gigas. Bei einem Exemplar von Lepto- theuthis kann man noch den Mageninhalt studie- ren, der aus einer ebensolchen phosphoritischen r i Jpäkfcsi'l Masse mit eingelagerten Fischknochen besteht. Ein ganz besonderer Fund gelang uns in Ge- stalt eines Speiballens mit eingelagerten Kno- chen (Abb. 120). Die meisten Knochen in diesem Speiballen stammen von einem langschwänzi- gen Flugsaurier, wohl der Gattung Rhamphorhyn- chus. Man darf sich fragen, ob dieser Flugsaurier über dem Meer verunglückte, auf der Wasser- oberfläche trieb und schließlich von einem Aas- fresser verzehrt wurde, oder ob er auf der Jagd nach Fischen in der Nusplinger Lagune tauchend selbst zur Beute wurde. Als Räuber, die von ihrer Größe her dafür in Frage kommen, entsprechen- de Speiballen zu produzieren und eventuell auch einen lebenden Flugsaurier zu erbeuten, kom- men im Nusplinger Plattenkalk neben größeren Raubfischen wie Caturus auch die Meereskroko- dile Geosaurus oder Dacosaurus in Frage. Abb. 120. Speiballen sind neben den Koprolithen im Nusplinger Plattenkalk nichts Ungewöhnliches. Dieses Exemplar stellt insofern etwas Besonderes dar, als es Knochen eines Flugsauriers der Gattung Rhamphorhynchus, darunter einen typischen Schwanz- wirbel, enthält. Möglicherweise stammt dieser Speiballen vom Meereskrokodil Geosau- rus. Ob das Krokodil hier einen an der Meeresoberfläche treibenden Kadaver gefressen oder einen im Meer nach Fischen tauchenden Flugsaurier erwischt hat, wissen wir nicht. Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 6,5 cm.

68 Auf der Suche nach dem Urvogel

Nicht nur von Laien, sondern sogar auch von ursprünglicher Lebensraum war nämlich die Rhei- Fachleuten wird das Nusplinger Grabungsteam nisch-Ardennische bzw. Böhmische Kontinental- immer wieder gefragt, wann wir denn wohl den Insel. Letztere lag viel näher zu den Solnhofener ersten schwäbischen Archaeopteryx finden wer- Plattenkalk-Lagunen als zur Nusplinger Wanne. den. Von Solnhofen kennt man inzwischen acht Von der Nusplinger Inselwelt zum böhmischen Funde von Urvögeln. Es bedurfte für diese Zahl Festland bestand immerhin eine Distanz von an- eines Zeitraums von fast 200 Jahren intensiven nähernd 400 Kilometer über das Meer. So wäre Steinbruchbetriebs im dortigen Plattenkalk. Be- es allenfalls denkbar, dass zur Ablagerungszeit rücksichtigt man noch die Größe der zahlreichen des Nusplinger Plattenkalks ein Urvogel durch Steinbrüche von Solnhofen und Eichstätt und einen Sturm auf das damalige Weißjura-Meer die große Zahl an Steinbrucharbeitern, die dort hinausgetrieben worden wäre, sich dort auf ei- neben der Gewinnung von Kalkplatten jede Plat- nen im Meerwasser driftenden Baumstamm ge- te auch nach Fossilien absuchen, muss man fest- flüchtet hätte, der dann allerdings noch in die stellen, dass die Suche nach dem/4rc/7aeopfe/yx Nusplinger Lagune hätte eingeschwemmt wer- ein reines Glücksspiel ist. Wohl über eine Million den müssen. Diese vielen unwahrscheinlichen Fossilien hat man bis heute trotz der dort eigent- Voraussetzungen zeigen schon auf das allerdeut- lich herrschenden Fossilarmut in den Solnhofe- lichste, wie gering die Chance ist, einen Urvogel ner Plattenkalken zusammengetragen. Da ist der im Nusplinger Plattenkalk zu finden. Allerdings Fund eines Urvogels trotz mehrerer Exemplare kann man dies auch nicht vollkommen ausschlie- immer ein echter Lotterie-Haupttreffer, Die Su- ßen. So hat man vor wenigen Jahren in den che nach dem Archaeopteryx gleicht im wahrsten jurassischen Kohle-Ablagerungen von Guimaro- Sinne des Wortes der sprichwörtlichen Suche ta in Portugal, die wie der Nusplinger Plattenkalk nach der Stecknadel im Heuhaufen. Eine gezielte älter als die Plattenkalke von Solnhofen, Langen- Suche nach dem Urvogel ist also nicht möglich. altheim und Eichstätt sind, tatsächlich isolierte Überträgt man diese Erfahrung auf den Nusplin- Zähne von Urvögeln finden können. Das Gra- ger Plattenkalk und seine beiden winzig kleinen bungsteam im Nusplinger Plattenkalk weiß na- Steinbrüche, in denen zur Zeit vielleicht an 25 bis türlich sehr wohl um die Bedeutung eines mögli- 30 Tagen im Jahr durch ein Team von drei oder chen Archaeopteryx-Fundes im Nusplinger Plat- vier Personen auf nur etwa 100 Quadratmetern tenkalk. Aufgrund der dort zu erwartenden guten gegraben wird, kann man sich leicht vorstellen, Erhaltung hätte man mit einem Nusplinger Ar- dass die Chancen hier noch wesentlich geringer chaeopteryx, der dann etwa 500000 Jahre älter sind. Eine gezielte Suche nach dem Urvogel im als die fränkischen Exemplare wäre, einen gut Nusplinger Plattenkalk bedeutet hier erst recht untersuchbaren Fund, der morphologisch dem eine Illusion, zumal der Archaeopteryx als wahr- Ursprung der Vögel möglicherweise noch ein scheinlich schlechter Flieger die Nusplinger In- Stück näher stehen würde. Vermutlich wird dies selwelt wohl gar nicht erreichen konnte. Sein aber wohl für immer ein Traum bleiben.

69 Liste der bisher nachgewiesenen Fossilien

Natürlich konnten nicht alle im Nusplinger Plat- aber sie dokumentieren dennoch die reiche tenkalk gefundenen Fossilien in diesem Buch ab- Fossilführung der Fossillagerstätte »Nusplinger gebildet werden. Es war ohnehin nicht die Ab- Plattenkalk«. Die bisherige Zahl von über 250 sieht der Autoren, einen Katalog über die Nusp- nachgewiesenen Taxa im Nusplinger Plattenkalk linger Fossilfunde zu erstellen. Viele Funde sind sollte wenigstens aus der folgenden Liste zu ent- unvollständig oder zu schlecht erhalten und da- nehmen sein; bisher nur aus dem Nusplinger her zur Abbildung in diesem Buch ungeeignet, Plattenkalk bekannte Arten sind hervorgehoben:

Bakterien/Cyanobakterien: Radiolarien (Radiolaria): Foraminiferen (Foraminifera): Coccale Mikrobenform Acanthocircus amissus SQUINABOL Ammobaculites cf. irregularis (GÜMBEL) Girvanella sp. Actinomma sp. Bullopora sp. Orthopithonella gustafsoni (BOLU) Alievium (?) sp. Glomospira variabilis (KÜBLER 6 ZWINGU) Archaeodictyomitra apiarium FRÜST) Haplophragmoides cf. globigerinoides (HAEUS- Grüne Gaisselalgen (Coccolithophori- Archaeodictyomitra minoensis (MIZUTANI) LER) den): Archaeodictyomitra shengi YANG Lenticulina sp. Axopodorhabdus cf. dietzmannii (REINHARDT) Archaeodictyomitra sixi YANG Patellina feifeli (PAALZOW) Cyclagelosphaera margereli NOEL Astrosphaeridae gen et sp. indet. Rectocydammina chouberti HOTTINGER Ellipsagelosphaera britannica (STRADNER) Cinguloturris cylindra KEMKIN 6 RUDENKO Rheophax sp. PERCH-NIELSEN Complexapora tirolica KIESSLING Spirillina cf. elongata BIELECKA 6 POZARYSKI Ellipsagelosphaera fossacincta BLACK Emiluvia sp. Spirillina potygyrata GÜMBEL Stephanolithion bigotii DEFLANDRE Eucyrtidiellum pyramis (AITA) Spirillina cf. tenuissima GÜMBEL Watznaueria barnesae (BLACK) PERCH-NIELSEN Hagiastrum sp. Subbdelloidina luterbacheri RIEGRAF Zeugrhabdotus sp. Loopus primitivus (MATSUOKA 6 YAO) Textularia cf. jurassica GÜMBEL Loopus doliolum DUMITRICA Thurammina papillata BRADY Braunalgen (Phaeophyceae): Mirifusus dianae (KARRER) Tolypammina vagans (BRADY) Phaeophyceaa gen. et sp. indet. A Obesacapsula äff. rusconensis BAUMGARTNER Trochammina sp. Phaeophyceae gen. et sp. indet. B Praecaneta (?) sp. »Tubiphytes« morronensis (CRESCENTI) Phaeophyceae gen. et sp. indet. C Praeparvicingula Phalangites sp. Schwämme (Porifera): Schachtelhalmgewächse (Equisetales): Podobursa äff. triacantha (FISCHLI) Codites dubius (GOLDFUSS) Neocalamites sp. Podobursa (?) sp. Codites n. sp. Phyllotheca sp. Podocapsa amphitreptera FOREMAN Codites serpentinus STERNBERG Protunuma japonius MATSUOKA 6 YAO Codites subarticulatus (STARNBERG) Nadelhölzer (Coniferophytina): Pseudodictyomitra sp. 1 Cypellia sp. Araucarites falsanii S APORTA Pseudodictyomitra sp. 2 ? Halichondrrtes n. sp. Araucarites haeberleini THISELTON-DYER Pyramispongia barmsteinensis (STEIGER) Stauroderma sp. Brachyphyllum desnoyersii (BRONGNIART) SAPOR- Phalangites sp. Verrucocoelia sp. 1 TA Ristola sp. Verrucocoelia sp. 2 Brachyphyllum thuioides (POMEL) BARALE Saitoum äff. pagei PESSAGNO Crispispongia stolata (QUENSTEDT) Masculostrobus sp. Saitoum äff. dercourti WIDZ & DE WEVER Peronidella cylindrica (GOLDFUSS) Pagiophyllum cirinicum (SAPORTA) HEER Sethocapsa äff. zweilii JUD Homschwamm n. gen. n. sp. Palaeocyparis elegans (SAPORTA) SAPORTA Sethocapsa sp. 1 Pityophyllum sp. Sethocapsa sp. 2 Muscheln (Lamellibranchiata): Podozamites sp. Spongocapsula (7) sp. Camptonectes auritus (SCHLOTHEIM) Pseudofrenelopsis sp. Spongocapsula sp. Chlamys textoria (SCHLOTHEIM) Watsoniocladus itieri (SAPORTA) Stichomitra sp. Ctenostreon pectiniforme (SCHLOTHEIM) Syringocapsa äff. lata YANG Eopecten velatus (GOLDFUSS) Samenfarne (Pteridospermae): Syringocapsinae gen. et sp. indet. Nanogyra virgula (DEFRANCE) Apoldia sp. Tethysetta äff. mashitaensis (MIZUTANI) Liostrea socialis (MÜNSTER) Cycadopteris jurensis (KURR) HIRMER Tethysetta (?) sp. Liostrea roemeri (MÜNSTER) Triactoma sp. »Lucina« zeta QUENSTEDT Bennettiteen (Bennettitales) Tritrabs ewingi PESSAGNO Nuculidae gen. et sp. indet. Cycadolepis infundibulum BARALE Tritrabs imperfecta Parallelodon fractus (GOLDFUSS) Weltrichia n. sp. Tetraditryma sp. Plagiostoma pratzi (BOEHM) Willlamsonla sp. Williriedellum sp. 1 Pinna sp. Zamites feneonis (POMEL) ETTINGSHAUSEN Williriedeilum sp. 2 Pseudolimea duplicata (GOLDFUSS) Williriedellidae gen. et sp. indet. Radulopecten sigmaringensis (ROLLIER) Ginkgoge wachse (Gi nkyoales): Xitus sp. Spondylopecten palinurus (D'ORBIGNY) Baiera verrucosa BARALE Zhamoidellum äff. ovum DUMITRICA Schnecken (Gastropoda): Amberleya sp. Leptomaria umbiticata (SIEBERER)

70 Ammoniten (Ammonoidea): Bodenbewohnende Krebse (Reptantia): Seekatzen (H olocep ha Ii): Glochiceras cf. lens (BERCKHEMER] Coleia /ongipes (O. FRAAS) Elasmodectes avitus (v. MEYER) Ochetoceras cf. zio (OPPEL) Cycleryon spinimanus (GERMAR) Ischyodus quenstedti WAGNER Granulochetoceras ornatum (BERCKHEMER) Cycleryon orbiculatus (MÜNSTER) Taramelliceras sp. Cycleryon propinquus (SCHLOTHEIM) Quastenflosser (Crossopterygii): Streblites cf. zlatarskii (SAPUNOV) Eryma modestiforme (SCHLOTHEIM) Coccoderma suevicum QUENSTEDT Neochetoceras subnudatum (FONTANNES) Eryma punctatum OPPEL Undina penicillata MÜNSTER Lingulaticeras sp. Eryma westphali SCHWEIGERT, DIETL & RÖPER Lingulaticeras pseudopercevali SCHWEIGERT Erymastacus major (OPPEL) Strahlenflosser (): SiHcisphinctes hoelderi (SAPUNOV) Erymidae gen. et sp. indet. Allothrissops sp. SiHcisphinctes keratinitiformis SCHWEIGERT Glyphea pseudoscyllarus (SCHLOTHEIM) Anaethalion cf. cirinensis GAUDANT SiHcisphinctes oxypleurus (HERBICH) Palinurina sp. Anaethalion cf. angustus (MÜNSTER) SiHcisphinctes russi SCHWEIGERT Palaeopolycheles roettenbacheri (MÜNSTER) Aspidorhynchus acutirostris (BLAINVILLE) Lithacoceras fasciferum (NEUMAYR) Pustulina suevica QUENSTEDT Caturus furcatus AGASSIZ Lithacoceras uimense (OPPEL) Eurycormus speciosus WAGNER Lithacoceras äff. onukii TAKAHASHI Heuschreckenkrebse (Stomatopoda): Eurypoma äff. grande (WOODWAHD) Subplanites sp. Sculda spinosa KUNTH Furo aldingeri (HEIMBERG) Euvirgaiithacoceras n. sp. Furo microlepidotus (AGASSIZ) Physodoceras nattheimense SCHWEIGERT Rankenfußkrebse (Cirripedia): Furo sp. Sutneria cf. rebhoizi BERCKHEMER Eolepas quenstedti (v. AMMON) Gyrodus circularis (AGASSIZ) Aspidoceras cf. catalaunicum (LORIOL) Hypsocormus macrodon (WAGNER) Hybonoticeras harpephorum crassicostatum Thylacocephalen (Thylacocephala): lonoscopus cyprinoides (WAGNER) OLÖRIZ Mayrocaris bucculata POLZ Leptolepides sprattiformis (BLAINVILLE) Hybonoticeras n. sp. Ophiopsis procera AGASSIZ HybonoteUa sp. Armfüßer (Brachiopoda): Siemensichthys macrocephalus (AGASSIZ) Cheirothyris fleuriausa (D'ORBIGNY) »Pholidophorus« sp. Perlboote (Nautiloidea): Lacunosella sp. Solnhofenamia elongata (AGASSIZ) Pseudaganides sp. Ornithella pentagonalis (BRONN in MANDELSLOH) Tharsis dubius (BLAINVILLE) Torquirhynchia speciosa (MÜNSTER) Belemniten (Beiernnoidea): Krokodile (Crocodylia): Hibolithes semisulcatus MÜNSTER Moostierchen (Bryozoa): Crocodilia gen. et sp. indet. Bryozoe gen. et sp. indet. Geosaurus suevicus PUENINGER Tintenfische (Teuthoidea): Dacosaurus maximus PLIENINGER Leptotheuthis gigas MEYER Stachelhäuter (Echinodermata) Plesioteuthis prisca (RÜPPELL) Seeigel (Echinoidea): Schildkröten (Testu d inata): Trachyteuthis hastiformis (RÜPPELL) Diplocidaris cladifera (AGASSIZ) Cryptodire Schildkröte gen. et sp. indet. Diplopodia subangularis (GOLDFUSS) Würmer (Vermes): Nenoticidaris histricoides (QUENSTEDT) Flugsaurier (Pterosauria): Muensteria vermicu/aris STERNBERG Paracidaris cf. florigemma (PHILLIPS) Pterodactylus longicollum MEYER Serpu/a sp. Plegiocidaris crucifera (AGASSIZ) Gaiiodactylus suevicus (QUENSTEDT) Eunicites proavus (GERMAR) Polycidaris nusplingensis GRAWE-BAUMEISTER, Rhamphorhynchus cf. muensteri (GOLDFUSS) Polychaeta n. gen. n. sp. SCHWEIGEFTT & DIETL Rhamphorhynchus longiceps WOODWARD Rhabdocidaris boehmi BANTZ Insekten (Insecta): Stomechinus perlatus DESMAREST Spurenfossilien (Ichnofossilia): Aeschnidium densum HAGEN Chondrites ligulatus (KÜHR) Bittacidae gen. et sp. indet. Seesterne (Asteroidea): Cruziana ichnosp. Coleoptera gen. et sp. indet. Sphaeraster granulatus QUENSTEDT Furculosus cf. carpathicus RONIEWICZ & PIENKOW- Cymatophiebia iongiatata GERMAR Tylasteria jurensis (QUENSTEDT) SKI Steneophlebia cf. amphitrite (HAGEN) Haentzschelinia temmleri SCHWEIGERT Urogomphus nusplingensis BECHLY Schlangensterne (Ophiuroidea): Kouphichnium lithographicum (OPPEL) Sinosura kelheimense (BOEHM) ParahaentzscheHnia egesheimense SCHWEI- Hundertfüßer (Chilopoda): GERT Eogeophilus jurassicus SCHWEIGERT & DIFTL Seelilien (Crinoidea): Phycodes ichnosp. Piicatocrinus fraasi ZITTEL Phymatoderma (»Granularia«j ichnosp. Pfeilschwänze (Limulida): Solanocrinites sp. Rhizocorallium irreguläre MAYER Mesolimulus walchi (DESMAREST) Pterocoma cf. formosa (WALTHER) Sabularia ichnosp. Saccocoma tenella (GOLDFUSS) Serpentichnoidas nusplingensis SCHWEIGERT Krebstiere (Crustacea) Spongeliomorpha suevica (RIETH) Schwimmkrebse (Natantia): Haie und Rochen (Elasmobranchii): Taenidium serpentinum HEEH Antrimpos undenarius SCHWEIGERT Belemnobatis sismondae THIOLLIERE Telsonichnus speciosus SCHWEIGERT Acanthochirana sp. Eonotidanus muensteri AGASSIZ Undichna westerbergensis SCHWEIGEHT Aeger tipularius (SCHLOTHEIM) Eonotidanus serratus (O. FRAAS) Zoophycos ichnosp. Bylgia spinosa MÜNSTER Heterodontus falcifer (WAGNER) Dusa monocera MÜNSTER Palaeoscyllium sp. Koprolithen (Faeces): Dusa n. sp. äff. denticulata MÜNSTER Sphenodus macer (QUENSTCDT) Lumbricaria intestinum MÜNSTER Hefriga serrata MÜNSTER Sphenodus nitidus WAGNER Lumbricaria gordialis MÜNSTER Hefriga frischmanni OPPEL Squatina acanthoderma O. FRAAS Diverse unbenannte Koprolithen n. gen. n. sp. Paraorthacodus jurensis (SCHWEIZER) Udora sp.

71 3 Naturschutz 3.1 Grabungsschutzgebiet »Nusplinger Plattenkalk«

Seit 1983 ist das gesamte Verbreitungsgebiet mehr erlaubt. Mit der Grabungsschutz-Verord- des Nusplinger Plattenkalks zwischen den Ge- nung des Regierungspräsidiums Freiburg vom meinden Nusplingen und Egesheim unter Gra- 25.11.1983 sind seitdem auch Grabungen und bungsschutz gestellt. Tafeln an den aktuellen Gra- Aufsammlungen durch Unbefugte verboten. Eine bungsstellen weisen darauf hin (Abb. 121). Ein Grabungsgenehmigung erhielt im Jahr 1993 das Abbau des Plattenkalks zur Gewinnung von Weg- Staatliche Museum für Naturkunde in Stuttgart schotter und sonstigem Baumaterial, bei dem und gräbt seitdem in beiden Steinbrüchen des zahlreiche Fossilien zerstört würden, ist nun nicht Nusplinger Plattenkalks. Leider hat es am Anfang der neuen Grabungen Störungen durch Raub- gräber gegeben. Dazu beigetragen haben sicher- lich die sich an die Grabungen anschließenden Aktivitäten wie Vorträge, Führungen, Ausstellun- gen und Veröffentlichungen. Inzwischen sind die- se Ausgrabungen in der Region so bekannt ge- worden, dass viele Einheimische mit auf »ihre« Plattenkalke aufpassen. Ohnehin werden an den Tagen, an denen keine Grabungen stattfinden, Kontrollen durch beauftragte Personen durchge- führt. Wir bitten alle um Verständnis dafür, dass das Betreten der Grabungsstellen mit dem Ziel, dort nach Fossilien zu suchen, nicht gestattet werden kann. Eine störungsfreie Grabung ist die beste Voraussetzung dafür, dass die Wissenschaft- ler und die Präparatoren des Stuttgarter Natur- kundemuseums eines Tages ein neues, viel voll- ständigeres Bild der Tier- und Pflanzenwelt in und um die Nusplinger Plattenkalk-Lagune lie- fern können. Jeder durch Unbefugte zerstörte oder fortgetragene Fund kann ein unersetzlicher Baustein zur Rekonstruktion der Lebewelt vor Abb. 121. An den beiden Steinbrüchen auf dem Westerberg zwischen den Gemeinden 150 Millionen Jahren sein. Wir bitten daher um Nusplingen und Egesheim informieren Hinweistafeln des Regierungspräsidiums Frei- Verständnis, wenn wir uns auch in Zukunft ge- burg im Breisgau über das Grabungsschutzgebiet »Nusplinger Plattenkalk« und die gen Raubgräber energisch zur Wehr setzen wer- damit verbundenen Schutzverordnungen. den.

72 3.2 Naturschutzgebiet Westerberg

Das Gelände auf dem Westerberg, in dem sich der Nusplinger Steinbruch befindet, wurde nicht nur aufgrund der besonderen Fossilfunde als Grabungsschutzgebiet ausgewiesen, sondern liegt auch in einem Naturschutzgebiet. Letzteres wurde im Jahr 1987 ausgewiesen und umfasst derzeit eine Fläche von 42,8 Hektar. Zukünftig ist eine erhebliche Erweiterung auf 124 Hektar vor- gesehen, die dann auch das Gelände des Eges- heimer Steinbruchs umfassen würde. Die heutige landwirtschaftliche Nutzung des Naturschutzgebiets Westerberg unterliegt stren- gen Auflagen, um den besonderen Charakter dieser Landschaft zu erhalten. Die Wiesen dürfen nicht gedüngt werden und werden nur einge- schränkt und zu einem vorgegebenen, spät ge- wählten Termin gemäht. Der aufmerksame Besu- cher bemerkt deswegen besonders im Frühsom- mer eine enorme Vielfalt von Fflanzen auf den reich blühenden Wiesen und eine Vielzahl ver- schiedenster Schmetterlinge und anderer Insek- ten. Die besonders schützenswerten heckenbe- standenen Steinriegel, die aus der Zeit stammen, als noch Ackerbau betrieben wurde, stellen idea- le Brutplätze für selten gewordene Vögel wie den Abb. 122. Der Gelbe Enzian Raubwürger, den Steinschmätzer und den Neun- entwickelt sich jedes Jahr im töter dar. Bussard und Roter Milan ziehen regel- Bereich des Nusplinger Stein- mäßig ihre Kreise, und nicht selten lärmt eine bruchs zu einer stattlichen Pflanze und entfaltet seine Familie von Kolkraben. Zunehmende Verbu- ganze Blütenpracht. schung und die Ausbreitung von Brachflächen aufgrund zurückgegangener Nutzung gefährden jedoch den gegenwärtigen Zustand. Eine seltene senden Steinriegel ersetzen helfen. Auf Trocken- Heuschreckenart, der Kleine Feldgrashüpfer, rasen und auf alten Halden im Eingangsbereich scheint deswegen inzwischen auf dem Wester- des Nusplinger Steinbruchs siedeln Enzianarten berg erloschen zu sein. Die mittlerweile notwen- (Gelber Enzian (Abb. 122), Gefranster Enzian) und dig gewordene Beweidung durch Schafe wird verschiedene Orchideen wie die Händelwurz und ohne Zweifel eine Veränderung der Vegetation zwei Stendelwurz-Arten. Zahlreiche Arten, die nach sich ziehen. auf der Roten Liste stehen, wie der Frühlings- Naturschutz und Grabungsschutz stehen auf Enzian und die Kleine Traubenhyazinthe, aber dem Westerberg nicht in Konkurrenz, denn gera- auch viele andere geschützte Fflanzen wie den de die neu entstehenden Halden aus Plattenkalk Seidelbast und die Nestwurz, kann man auf dem bilden Biotope, welche die alimählich verwach- Westerberg noch zahlreich finden.

73 Geschichten rund um den Plattenkalk

4.1 Aus dem Nusplinger Herbar

Im Oberjura der Schwäbischen Alb gehören Land- pflanzen zu den Raritäten. Vor der Entdeckung des Nusplinger Plattenkalk-Vorkommens waren von dort fast keine Pflanzen bekannt. Eine Aus- nahme war allerdings der Abdruck eines farn- artigen Wedels im Brenztaltrümmeroolith von Schnaitheim auf der Ostalb, der von dem Stutt- garter JOHANN GOTTLOB VON KURR (1798-1870) im Jahr 1845 aus Anlaß der 65. Geburtstagsfeier des württembergischen Königs Wilhelm I. be- schrieben worden war18. Diese Pflanze, Cycado- pteris jurensis, kommt auch im Nusplinger Plat- tenkalk in hervorragend erhaltenen Exemplaren vor (Abb. 123). Besonders günstig ist die Erhal- tung in den bituminösen Plattenkalk-Lagen, wo die Substanz noch in organischer Form vorliegt, während in oxidierten Lagen wie denen des Eges- heimer Steinbruchs nur Abdrücke vorkommen. Die bis zu einem halben Meter langen, farn- laubigen Wedel von Cycadopteris jurensis gehö- ren zu keinem echten Farn, sondern zu einem sogenannten Samenfarn, einer heute ausgestor- benen Pflanzengruppe. Man findet deswegen an den Wedeln niemals Sporangien. In bergfeuch- tem Zustand lösen sich die Wedel ab und rollen sich auf, falls man die Trocknung nicht rasch unterbindet. Solche Stücke sind so gut erhalten, daß man selbst anatomische Feinstrukturen wie die Epidermisoberfläche mit den Spaltöffnungen untersuchen kann. Je nach der einstigen Stellung an der Pflanze, die wohl einen gedrungenen, buschartigen Habi- Abb. 123.2. Samenfarn Cycadopteris jurensis. Nusplin- tus besaß, sind die einzelnen Fiederblättchen am ger Steinbruch; Länge 17 cm. Wedel stärker oder schwächer zerschlitzt. Würde man nicht alle Übergänge kennen, käme man anhand der unterschiedlichen Formen leicht auf seite umgebogen. Die Spaltöffnungen sind ver- den Gedanken, mehrere Arten von Cycadopteris engt und stark eingesenkt. Beides vermindert die vorliegen zu haben. So glaubte etwa QUENSTEDT, Verdunstung. Neben einigen schuppenblättrigen neben der typischen Form noch eine »Neuropte- Nadelhölzern gehört Cycadopteris jurensis zu den ris Umbata« unterscheiden zu können, die aber Charakterpflanzen der Nusplinger Flora. Man fin- lediglich eine Formvariante darstellt. det diese Art auch häufiger in den Plattenkalken Cycadopteris jurensis war wie viele andere von Kelheim und von Cerin, während sie in den Landpflanzen im Nusplinger Plattenkalk an Tro- Solnhofener Plattenkalken ausgesprochen sel- ckenstandorte angepaßt. So sind die derb-ledri- ten ist. gen Blätter am Rand verstärkt und auf die Unter-

Abb. 123.1. Samenfarn Cycadopteris jurensis. Nusplin- > ger Steinbruch; Länge 40 cm.

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4.2 Kleinstkunstwerke aus Kieselsäure

Winzig und für das bloße Auge nicht sichtbar diolarienspezialisten PETER ZÜGEL kamen wir auf sind die zum Plankton gehörigen Radiolarien mit den Gedanken, im Bereich solcher Kiesellagen ihrem filigranen kieseligem Skelett, die heute in gezielt nach besser erhaltenen Radiolarien zu der Tiefsee, in der Kalk aufgelöst wird, den roten suchen. Tatsächlich führte dieser Gedanke zum Radiolarienschlamm bilden. Auch in den Ozea- Erfolg (Abb. 124)7S. Besonders ergiebig erwies nen der Jura-Zeit lebten zahlreiche Radiolarien, sich das Gestein im Bereich einer Kiesellage in die im Alpenraum den gleichfalls meist rotge- der südlichen Plattenkalk-Wanne, der »Großer- färbten, splitterharten Radiolarit bildeten. Kirchbühl-Wanne«. Dass im Nusplinger Plattenkalk Radiolarien Wenngleich die Erhaltung der Nusplinger Ra- vorkommen, war durch sehr schlecht erhaltene diolarien hinter denen der Mörnsheimer Schich- Reste in Ätzrückständen bereits Ende der 60er ten zurücktritt, konnte doch eine bemerkenswer- Jahre vom Münchner Paläontologen GERHARD te Fülle von über 60 Arten nachgewiesen wer- 33 SCHAIRER festgestellt worden . Bei unseren Gra- den. Das durch Ätzen mit verdünnter Salzsäure bungen erschloss nun der Egesheimer Stein- gewonnene Material wird dabei noch ergänzt bruch auch Plattenkalk-Schichten, die früher nicht durch schichtparallele Gesteinsdünnschliffe, die zugänglich waren. Sie enthalten einige Kiesel- vom Stuttgarter Diplomanden GUNNAR BANTEL an- lagen, die sich sogar in den Bohrungen wieder- gefertigt wurden. In ihnen waren besonders fili- fanden und uns so halfen, die Schichten der grane Arten erhalten, die beim Ätzprozess aufge- Bohrungen mit den Übertage-Aufschlüssen zu löst wurden, weil sie in kalkiger Erhaltung vorla- parallelisieren. Aufgrund des Nachweises her- gen. In anderen Schnittlagen sind Radiolarien vorragend erhaltener Radiolarienfaunen in den kaum zu identifizieren und waren bei früheren gleichfalls kieseligen Mörnsheimer Schichten der Untersuchungen übersehen worden. Südlichen Frankenalb durch den Frankfurter Ra- Die Nusplinger Radiolarienfauna zeigt deutli- che Übereinstimmungen mit Vorkommen aus den Nördlichen Kalkalpen, dem damaligen Gebiet des Tethys-Ozeans. Damit wird eine offene Verbin- dung nach Süden angezeigt, während die Ver- bindung mit dem Nordmeer weitgehend unter- brochen war. Radiolarien weisen zwar eher auf Hochseebedingungen hin, doch können sie durch Strömungen auch weit verdriftet werden und kommen dann auch in seichten Meeresberei- chen vor. Dass Radiolarien im Oberjura der Schwäbischen Alb bisher nur im Nusplinger Plat- tenkalk gefunden wurden, heißt sicher nicht, dass dort zu anderen Zeiten oder an anderen Orten keine Radiolarien vorhanden gewesen wären. Der Nusplinger Plattenkalk bot vielmehr ganz be- sondere Erhaltungsbedingungen für diese plank- tonische Tiergruppe.

k

Abb. 124.2. Radiolarien im Gesteins-Dünnschliff, Egesheimer Steinbruch; Durchmes- Abb. 124.1. Radiolarien (Nasselarien) aus dem Nusplin- 1> ser je ca. 0,4 mm. ger Plattenkalk, überwiegend vom Großen Kirchbühl. Von links oben nach rechts unten: Archaeodictyomitra minoensis, Syringocapsinae gen. et sp. indet., Archaeo- dictyomitra apiarium, Compiexapora tiroiica, Protunu- ma japonicus, Saitoum sp. äff. pagei, Podocapsa am- phitreptera, Phalangites sp., Spongocapsulidae gen. et sp. indet., Tethysetta (?) sp.; Durchmesser je ca. 0,3 mm.

76 77 4.3 Verkannte Schwämme

In oberjurassischen Plattenkalken glaubte man Diesen sollte man allerdings nicht mehr gebrau- immer wieder, bandförmige, manchmal verzweig- chen, da er auf einem undefinierbaren Wurzel- te oder eingeschnürte Fossilreste mit körniger oder Rhizomrest einer höheren Pflanze beruht Oberflächenstruktur als Tange ansprechen zu kön- und somit gar nichts mit den Gebilden zu tun hat, nen. Erstmals als Algen beschrieben wurden sie die ROTHPLETZ eigentlich darunter verstanden ha- von dem böhmischen Grafen KASPAR VON STERN- ben wollte. Gültigkeit besitzen noch immer die BERG (1761-1838), einem Zeitgenossen und Freund von STERNBERG eingeführten Namen, worunter GOETHES. Graf STERNBERG gilt als eigentlicher Be- wir den Namen Codites für die aus dem Nusplin- gründer der Paläobotanik. Sein Material aus den ger Plattenkalk vorliegenden Formen verwenden Solnhofener Plattenkalken wurde so genau ab- können (Abb. 125). Die Tangdeutung hatte mitt- gebildet36, dass man als Kenner von Plattenkalk- lerweile die Oberhand gewonnen. Gelegentlich Fossilien sogleich erkennt, um was es sich han- fand man die Fossilien auf Gesteinsresten festge- delt. Die Deutung der unter verschiedenen Na- heftet, die an diesem Floß in die Lagunen einge- men beschriebenen Objekte blieb allerdings nicht driftet waren, wie es auch bei heutigen Tangen unwidersprochen. So meinte etwa der bekannte geschieht. Paläobotaniker WILHELM PHILIPP SCHIMPER (1808- Obwohl Codites in den Solnhofener Platten- 1880) in diesen Gebilden eher Schwämme erken- kalken gar nicht so selten ist, waren doch erst die nen zu können34, und auch der Bonner Paläonto- Nusplinger Funde der Anlass, sich mit dieser loge GEORG AUGUST GOLDFUSS (1782-1848) bildete Fossilgruppe erneut zu beschäftigen. Dabei wur- ein derartiges Fossil zunächst als Schwamm ab, de Überraschendes festgestellt. Eine zentrale ehe er sich zu einer Deutung als Alge bekannte12. Eindellung bei breiteren Stücken lässt sich nur Fragmentarische Teilstücke wurden sogar für See- dadurch erklären, dass es sich ursprünglich um gurken gehalten. Später untersuchte der Münch- Röhren handelte. Eine Überprüfung, wie die typi- » ner Paläontologe AUGUST ROTHPLETZ (1853-1918) sche körnige Oberfläche zustande kommt, zeig- Abb. 125.1. Weichschwamm diese Fossilien anhand von Gesteinsdünnschlif- te, dass sie von rundlichen Gebilden herrührt, die Codites serpentinum aus dem fen32. Da er darin Moostierchen und Einzeller man auch isoliert in vielen Jurakalken findet, und Nusplinger Steinbruch; Höhe wie Foraminiferen erkannte, schloss er sich der die als Schwamm-Rhaxen längst wohlbekannt 17 cm. Deutung als Tange an, auf dem diese Tierchen Abb. 125.2. Weichschwamm sind, einem eigenartigen Typ von Schwamm- Codites n. sp. aus dem Nus- festgeheftet waren und nannte die Fossilien Skelettelementen. Sehr häufig kommen Rhaxen plinger Steinbruch; Länge Phyllothallus. Ihm widersprach jedoch JOHANNES beispielsweise im Ätzrückstand von Korallenkal- 33 cm. WALTHER (1860-1937) aus Jena, der wiederum ken der Ostalb vor. Damit ist die Schwammnatur Abb. 125.3. Rekonstruktion Schwämme zu erkennen glaubte und die Objek- unserer vermeintlichen Tange bewiesen. Da die des Weichschwamms Codi- te deswegen in Phyllospongia umbenennen woll- Rhaxen nicht wie das Skelett anderer Schwäm- tes serpentinum. te38. Einen Beweis blieb er freilich schuldig. me miteinander vernetzt sind, zerfielen die Im Laufe der Zeit bürgerte sich der von ROTH- Schwämme normalerweise nach ihrem Abster- PLETZ eingeführte Gattungsname Phyllothallus ein. ben vollständig. Hier bekommen wir also eine Vorstellung, wie diese rhaxentragenden Weich- schwämme ausgesehen haben. Die Weichschwämme scheinen in seichteren Meeresbereichen um die Plattenkalk-Lagune in größeren Kolonien gewachsen zu sein. Im Nusp- linger Plattenkalk kommen drei Arten vor. Die häufigste Art ist Codites serpentinus, seltener ist die schlanke, geweihartig verzweigte Art Codites dubius. Die in den Solnhofener Plattenkalken ver- breitete Art Codites subarticulatus mit ihren wurstartig an- und abschwellenden Röhren fan- den wir nur ein einziges Mal. Von einer weiteren, Abb. 125.4. Ätzprobe mit den nierenförmigen Skelettele- ebenfalls zur Gattung Codites gerechneten neu- menten (Rhaxen) von Weich- en Art liegt uns bisher neben einigen Fragmen- schwämmen. Egesheimer Stein- ten ebenfalls nur ein einziges vollständiges Ex- bruch; Bildbreite ca. 7 mm. emplar vor.

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4.4 Festgeheftet auf einem Floß

Die meisten Austern benötigen einen felsigen scheln sitzen nämlich sogar auf dem Aptychus, Untergrund, an dem sie sich im Larvenstadium der somit nach dem Absterben des Ammoniten- anheften. Im vorliegenden Fall nahmen sie er- tiers in der Wohnkammer liegengeblieben war - satzweise mit einer großen Ammonitenschale übrigens ein Indiz dafür, dass die Wohnkammer vorlieb (Abb. 126). Der Ammonit ist zwar sehr zu Lebzeiten nach unten orientiert war. Lediglich schlecht erhalten, doch ist er noch als zu der im die beiden großen Austern könnten sich schon Nusplinger Plattenkalk äußerst seltenen Gattung zu Lebzeiten des Ammoniten in dessen Nabelbe- Aspidoceras gehörig bestimmbar. Im Gegensatz reich angeheftet haben. Sie erreichten mit einem zu den recht häufigen Austern der Art Liostrea Durchmesser von 9 cm eine Rekordgröße für socialis handelt es sich in diesem Fall um die Austern im Nusplinger Plattenkalk. sonst im Nusplinger Plattenkalk nicht nachge- Der größte Teil des Bewuchses auf der Am- wiesene Liostrea roemeri, die eine schiefovale monitenschale erfolgte sicherlich erst, als die Umrissform besitzt und großwüchsig ist. Neben leere, gasgefüllte Schale wie ein Floß im Wasser Liostrea roemeri ist die Ammonitenschale auch trieb. Zunächst hatten die Muscheln den Vorteil, noch von der feingerippten Klappe einer Pilger- immer neue Nahrung aus dem Wasser filtern zu muschel (Eopecten velatus) und noch einer wei- können und gediehen prächtig. Dann aber nahm teren Auster (Nanogyra virgu/a) besiedelt. Auch das Verhängnis seinen Lauf. Nachdem die Auf- von Nanogyra virgula fanden sich nur wenige last immer schwerer wurde und das Gehäuse weitere Exemplare im Nusplinger Plattenkalk, porös zu werden begann, sank es schließlich gleichfalls auf einem Ammoniten aufgewachsen. mitsamt seiner Fracht in der Nusplinger Lagune Fundstücke wie dieses werfen die Frage auf, zum Meeresboden. Dort fiel es auf die Seite, auf ob die Austern an driftende Schalen angeheftet der sich die beiden großen, schweren Austern waren oder ob sie am Meeresboden liegende befanden. Dadurch konnten sich deren Klappen Schalen besiedelten, die dort gewissermaßen nicht mehr öffnen, wie das sonst bei abgestorbe- »Oasen« in einer ansonsten lebensfeindlichen nen Muscheln üblich ist, wenn die Schließmus- Umwelt darstellten. Merkwürdigerweise besitzt keln erschlaffen. Wegen der geradezu exotischen der vorliegende Ammonit noch seinen Aptychus Auflast und der enormen Größe der Muscheln in der Wohnkammer. Wir dürfen daraus jedoch in dürfte der Ammonit wohl monatelang gedriftet diesem Fall nicht vorschnell darauf schließen, und nur durch Zufall in die Nusplinger Lagune dass der Muschelbewuchs auch zu Lebzeiten hineingeraten sein. des Ammoniten erfolgte. Ein paar kleinere Mu-

80 Abb. 126. Die Austern Liostrea roemeri und Nanogyra virgu/a sowie die Pectinide Eopecten ve/atus, angewachsen auf dem Ammoniten Aspidoceras. Nusplinger Steinbruch; Breite der beiden großen Austern je 9 cm.

81 4.5 Nautilus mit vollständigem Gebiss

Erst durch die neuen Grabungen wurden im Nus- gelöst. Auch die Kammerscheidewände sind nicht plinger Plattenkalk Funde von Nautiliden gemacht mehr vorhanden. Vom Sipho fehlt ebenfalls jede (Abb. 127). Inzwischen sind über 10 Exemplare Spur, ganz im Gegensatz zu den Ammoniten, bei geborgen und präpariert worden. Sie weisen alle denen dieser meistens auffällig gut erhalten ist eine flachgedrückte Erhaltung auf, und zwar ähn- und aufgrund der Einlagerung von Phosphat un- lich derjenigen der Ammoniten. Die aragoniti- ter UV-Licht aufleuchtet. Alle bisherigen Funde sche Schale wurde schon frühdiagenetisch auf- sind aufgrund dieser Erhaltung nicht mehr genau bestimmbar. Sie gehören mit großer Wahrschein- Kapuze lichkeit zur Gattung Pseudaganides, die körper- lich erhalten auch in gleichaltrigen Bankkalken vorkommt. Zur großen Überraschung gelangen bei den neuen Grabungen drei Funde von Nauti- liden mit komplettem Kieferapparat (Unter- und Oberkiefer), der noch in situ in der Wohnkammer steckt. Die an den Kiefern anhängenden Flügel- fortsätze sind noch deutlich sichtbar, aber etwas zerrissen. Dies geht wohl auf die Kompaktion (Verdichtung) des Einbettungsgesteins zurück. Bei einem weiteren Stück konnte nur ein Kiefer- Flügelfortsätze teil freigelegt werden, der andere ist verdeckt. Fossile Nautiliden, bei denen sich noch beide Kiefer in der Wohnkammer befinden, waren zu- vor aus dem Erdmittelalter überhaupt noch nicht bekannt54. Bei zweien dieser Stücke sind außer- dem noch Reste der letzten Mahlzeit erkennbar, die einmal aus Schlangensternen, im anderen Fall aus einer Garnele bestand. In neuerer Zeit sind auch zwei isolierte Kiefer gefunden wurden. Die in-situ-Lage der Kiefer (Rhyncholiten) mit Kropfinhalt spricht dafür, dass die Nautiliden auch in der Nusplinger Lagune gelebt haben, denn sie mussten nach ihrem Tod mitsamt dem noch in der Wohnkammer befindlichen Weichkörper auf Flügelfortsätze den Meeresboden gesunken sein. Vergleicht man Abb. 1Z7.1. Leicht schematisierte Detailzeichnung vom die geringe Zahl der Nautiliden-Funde mit den Kieferapparat (oben: Oberkiefer; unten: Unterkiefer) zahllosen Ammoniten im Nusplinger Plattenkalk, des Exemplars auf Abb. 127.3. waren sie wohl immer seltene Gäste.

Abb. 127.2. Nautilide Pseudaganides aus dem Nusplin- t> ger Steinbruch; Durchmesser 13,8cm. Abb. 1Z7.3. Nautilide Pseudaganides mit noch in situ befindlichem Kieferapparat. Nusplinger Steinbruch; Durchmesser des Gehäuses 13 cm. Abb. 127.4. Vergrößerter Ausschnitt eines Nautiliden mit in situ befindlichem Oberkiefer und Mageninhalt (Krebsresten) aus dem Nusplinger Steinbruch; Länge des Oberkiefers 1 cm. Abb. 127.5. Isolierter Oberkiefer (Rhyncholith) von Pseudaganides. Egesheimer Steinbruch; Länge 2,2 cm.

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4.6 Das Leitfossil des Nusplinger Plattenkalks

Im Jahr 1858 beschrieb der in München tätige Paläontologe ALBERT OPPEL eine neue Ammoniten- art, von der er eine Anzahl Exemplare aus der Umgebung von Ulm erworben hatte23. Nach die- sem Fundort erhielt die Art auch ihren Namen. Erst in einer späteren Veröffentlichung bildete OPPEL die Art ab, wobei er aber fälschlicherweise neben einem Exemplar aus der Umgebung von Ulm auch ein Ammoniten-Fragment aus den Soln- hofener Plattenkalken zu dieser Art rechnete26. Das abgebildete Ulmer Exemplar gab vielerlei Anlass zu Verwechslungen, zumal es mehrmals verlorengegangen schien, aber immer wieder auftauchte. Es wird noch heute in der Bayeri- schen Staatssammlung in München aufbewahrt. Sehr viele ganz unterschiedliche Ammoniten aus dem Oberjura Süddeutschlands waren in der Folge als Lithacoceras u/mense bestimmt wor- den, ohne dass eine sichere Übereinstimmung mit dem »Urstück« vorlag. Erst die neuen Gra- bungen im Nusplinger Plattenkalk schufen hier endlich Klarheit77. In einer leicht durchwühlten Kalkbank des Egesheimer Steinbruchs steckte ein vollständiges Exemplar, das auf den inneren Abb. 128.2. Zugehöriger Mikroconch SiHcisphinctes Windungen vollständig mit dem Ulmer Exemplar hoelderi. Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 10 cm. übereinstimmt (Abb. 128.1). Das Egesheimer Stück zeigte nun erstmals, wie Lithacoceras uim- ense in ausgewachsenem Zustand aussieht, denn Vergleicht man die Innenwindungen von Litha- das »Urstück« ist nicht ausgewachsen. Später coceras ulmense mit denjenigen bei der kleiner- kamen noch zahlreiche weitere Exemplare zum wüchsigen, mit Mündungsohren versehenen Peri- Vorschein, aber nicht nur im Nusplinger Platten- sphinctiden-Art SiHcisphinctes hoelderi (Abb. kalk, sondern auch in offensichtlich gleichaltri- 128.2), so stellt man eine verblüffende Überein- gen Ablagerungen der übrigen Schwäbischen stimmung fest. Interessanterweise kommen bei- Alb. Lithacoceras ulmense gilt nun als wichtiges de Formen immer zusammen vor, und sie besit- Leitfossil für diesen Zeitabschnitt; man spricht zen auch genau denselben Typ von Unterkiefer sogar von einer »Ulmense-Zone«. Im Gebiet von (Praestriaptychus). Es liegt daher nahe, sie als Solnhofen auf der Südlichen Frankenalb schei- Geschlechtspartner einer einzigen biologischen nen Ablagerungen dieser Zeit sehr geringmäch- Art anzusehen. Vermutlich handelte es sich bei tig zu sein, sodass die Art und auch die übrigen den großwüchsigen »Makroconchen« um die Ammoniten aus dem Nusplinger Plattenkalk dort Weibchen, bei den kleinwüchsigen »Mikrocon- bis heute nicht gefunden werden konnten. chen« um die Männchen.

4.7 Ammonit mit Perlmuttschale

Beim routinemäßigen Überprüfen des Quer- nen Praestriaptychus erkennen, der aufgrund bruchs einer Kalkplatte im Nusplinger Steinbruch seiner geringen Länge nicht als Deckelorgan in zeigte sich überraschenderweise der perlmuttri- Frage kommt, sondern vermutlich eine Unterkie- ge Glanz eines eingeschlossenen Fossils. Zu- ferfunktion besaß. Es kann jedenfalls kein Zwei- nächst wurde vermutet, dass es sich vielleicht fel daran bestehen, dass hier keine leere Ammo- um einen unbekannten Teuthiden handelt. Des- nitenschale eingebettet wurde, sondern sich der halb wurde der Präparation dieses Stücks beson- Weichkörper noch in der Wohnkammer befun- dere Priorität eingeräumt. Schon vor der Präpa- den haben muss. ration zeigte sich im Streiflicht eine rundliche Nur in einem scharf umgrenzten Bereich in- Delle im Gestein, die darauf hinwies, dass es sich nerhalb der Wohnkammer ist noch die aragoniti- »nur« um einen Ammoniten handelt. Im Gelände sche Schalensubstanz erhalten und schillert auf- hatte man dies wegen des hohen Sonnenstands grund ihrer dünnblättrigen Struktur in allen Re- noch nicht erkennen können. Die Präparation genbogenfarben. Im Querbruch konnte man vor förderte dann ein komplettes Exemplar der Art dem Zusammenkleben feststellen, dass sich un- Lithacoceras fasciferum zu Tage (Abb. 129). Sie ter dieser Perlmuttschicht eine dichte Lage aus ist neben dem Leitfossil Lithacoceras ulmense feinkörnigem, rosafarbenem Phosphorit befindet. eine weitere Art dieser Gattung, die sich von Ammonitenschalen sind im Nusplinger Platten- letzterer durch die unregelmäßige Berippung der kalk normalerweise nicht erhalten, sondern wur- Innenwindungen unterscheidet, die uns in iden- den schon kurz nach der Einbettung aufgelöst. tischer Weise von den viel häufigeren männli- Der Phosphorit bewirkte offenbar, dass die sonst chen Individuen her bekannt ist. Letztere werden übliche Auflösung der Schale partiell verhindert in der Art SiHcisphinctes russi zusammengefasst wurde. Bei der phosphoritischen Substanz, die und erreichen meist nur einen Durchmesser von sich innerhalb der Wohnkammer befindet, han- 7 Zentimetern. Im Gegensatz zur makroconchen delt es sich sicherlich um den Kröpf- oder Magen- Art sind an der Mündung löffelartige Vorsprünge inhalt. Dies deutet vielleicht auf Krebse als Nah- ausgebildet. SiHcisphinctes russi ist zu Ehren rung dieser Art. Während die erhaltene Perlmutt- unseres ehrenamtlichen Mitarbeiters BURKHART schale bislang einen Einzelfund im Nusplinger Russ aus Nusplingen benannt. Plattenkalk darstellt und dieses Stück zu einem Bei unserem Fund von Lithacoceras fasci- der optisch schönsten Exemplare kürt, zeigte ein ferum ist der Siphonalapparat als dunkler Strang weiteres Exemplar dieser Art einen identischen deutlich zu erkennen. Beim lebenden Tier ver- Kropf-/Mageninhalt. Der Vergleich mit einem band er die einzelnen Kammern des Phragmo- ebenfalls erhalten gebliebenen, aus Schwamm- kons miteinander und diente damit der Regula- rhaxen und Foraminiferen bestehenden Kröpf-/ tion des Auftriebs. Der Ammonit hatte bereits zu Mageninhalt von Lithacoceras ulmense zeigt uns, Lebzeiten eine Verletzung am Mundsaum erlit- dass verschiedene Vertreter derselben Gattung ten, die zu einer Störung in der Berippung führte auch unterschiedliche Fressgewohnheiten hat- (»Rippenscheitelung«), die das Tier aber nicht ten und damit unterschiedliche ökologische Ni- beeinträchtigt haben dürfte. Im vorderen Teil der schen besetzten. Wohnkammer kann man noch den relativ dün-

86 Abb. 129. Ammonit Lithacoceras fasciferum mit teilweise erhaltener Perlmuttschale im Bereich des Mageninhalts aus dem Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 25 cm.

87 4.8 Treibgut aus der Tethys

Unter den Tausenden von Ammoniten fanden wir auch zwei auffällig regelmäßig, aber recht grob berippte Perisphinctiden, deren löffelförmi- ge Mündung sie als Mikroconche, die mutmaßli- chen männlichen Individuen, auszeichneten. Bei- de gehören zur Gattung Subp/anites, die erst im Tithonium, der Ablagerungszeit der Solnhofener Plattenkalke, häufig wird. Da ganz allgemein mi- kroconche Perisphinctiden im Nusplinger Plat- tenkalk viel häufiger sind als die großwüchsigen Abb. 130.2. Vergrößerte Rekonstruktionszeichnung der Makroconche, konnten wir kaum damit rechnen, Entenmuschel Eolepas quenstedti. unter unseren Fundstücken auch den zugehöri- gen Partner zu finden. Immerhin wussten wir aber durch die Funde aus jüngeren Schichten, die nördlicheren Schelfmeere oder gar in die dass es sich beim makroconchen Partner von Nusplinger Lagune. Die Schale dieser großwüch- Subp/anites um die Gattung Euvirga/ithacoceras sigen Art ist nicht, wie bei vielen anderen Peri- handelt. sphinctiden, im Wohnkammerbereich aufge- Vor der Präparation eines Perisphinctiden kann bissen, sondern bis zur Mündung komplett er- man meistens noch nicht erkennen, zu welcher halten. Ein zugehöriger Aptychus befand sich Art er gehört, da sich auf der Plattenoberfläche allerdings nicht mehr in der Wohnkammer. Aus nur eine flache Delle abzeichnet, die von der diesen Gründen dürfte die Schale bereits in lee- Kompaktion des leeren Gehäuses herrührt. Die rem Zustand in die Lagune gelangt sein. häufigsten Makroconche im Nusplinger Platten- Auf der Flanke des Euvirga/ithacoceras fallen kalk stammen von Lithacoceras fasciferum. Viele einige rostig braune Flecken auf. Hierbei handelt Stücke sind allerdings bereits unvollständig ein- es sich um die Reste von Entenmuscheln der gebettet worden. Andere konnten nicht komplett Gattung Eolepas (Abb. 130.2), die auf dem leeren geborgen werden. So blieb die Zahl präparations- Gehäuse gesiedelt hatten und mit diesem Floß werter Stücke relativ gering. Groß war deswe- zusammen eingebettet wurden. Entenmuscheln gen die Überraschung, als sich bei der Präparati- sind mit einem fleischigen Stiel versehene sessi- on eines dieser Exemplare herausstellte, dass le Krebstiere und gehören wie die bekannteren hier tatsächlich ein Euvirga/ithacoceras vorliegt Seepocken zu den Rankenfüßern. Heutige Ver- (Abb. 130.1). Diese Ammonitengattung hatte sich treter dieser Gruppe siedeln gerne an Treibholz in der Tethys, einem der damaligen Weltmeere, oder an Schiffsrümpfen. Der Fund ist bisher der entwickelt. Nur selten gelangten mit südlichen einzige Nachweis von Entenmuscheln im Nusp- Meeresströmungen vereinzelte Exemplare bis in linger Plattenkalk geblieben.

88 Abb. 130.1. Ammonit Euvirgalithacoceras mit im Nabelbereich aufgewachsenen Entenmuscheln der Art Eolepas quenstedti aus dem Nusplinger Steinbfuch; Durchmesser 29 cm. 4.9 Ein Kannibale unter den Ammoniten

Unter den Ammoniten mit Sichelrippen kommt selten findet man bei diesen Ammoniten in der im Nusplinger Plattenkalk gelegentlich ein Vertre- Wohnkammer oder unmittelbar davor noch den ter der Gattung Neochetoceras vor (Abb. 131.1). kalkigen Unterkiefer, der auf einer Seite rippenar- Anhand des großen Durchmessers und des ein- tige Lamellen trägt und deswegen als Lamellapty- fach geschwungenen Mundsaums können wir chus bezeichnet wird. erkennen, dass es sich um Makroconche, also Die vorsichtige Präparation eines Exemplars vermutlich weibliche Individuen, gehandelt hat. aus einer bituminösen Plattenkalk-Schicht brach- Die Gattung Neochetoceras ist in den jüngeren te nicht nur den zugehörigen Lamellaptychus Solnhofener Plattenkalken weiterverbreitet. Nicht ans Licht, sondern auch einen dunklen Fleck in der Wohnkammer. Bei der genaueren Untersu- chung dieses Flecks unter dem Mikroskop stellte sich heraus, dass darin einige sehr kleine, zer- brochene Lamellaptychen enthalten sind. Es dürf- te sich deswegen um den Kröpf- oder Magenin- halt handeln. Die Gattung Neochetoceras ernährte sich demnach von ihresgleichen, entweder von Jugendexemplaren der Art oder aber von den viel kleineren, als Lingulaticeras (Abb. 131.3) be- zeichneten Männchen, die auch diesen Lamell- aptychus besaßen. Der hier nachgewiesene Fall ist durchaus kein Einzelfall, denn schon im 19. Jahrhundert wurde in der Wohnkammer eines Neochetoceras aus den Solnhofener Plattenkal- ken ein derartiger Inhalt aus kleinen, zerbroche- nen Aptychen beschrieben, damals aber noch als Ammonitenbrut gedeutet. Gar nicht selten finden wir im Nusplinger Plattenkalk isoliert auf den Schichtflächen kleine Häufchen aus solchen Lamellaptychen, die sicher nichts anderes dar- stellen als Speiballen. Sie zeigen, dass sich Neo- chetoceras regelmäßig in der Lagune aufgehal- ten hat und dort offenbar den Männchen oder Abb. 131.2. Detail vom Kropfinhalt des Neochetoceras Jungtieren nachstellte.

90 Abb. 131.1. Ammonit Neo- chetoceras subnudatum mit zugehörigem Lamellaptychus, In der Wohnkammer ist ein Kropfinhalt erkennbar (dunk- lerFleck), dereinige Fragmen- te von kleinen Lamellapty- chen enthält. Nusplinger Stein- bruch; Durchmesser 11 cm.

Abb. 131.3. Zugehöriger Mi- kroconch Lingu/at/ceras pseu- dopercevali mit erhaltenen Mündungsfortsätzen. Nusp- linger Steinbruch; Durchmes- ser 4,5 cm.

91 4.10. Dem Ammonitentier auf der Spur

» Trotz der ungeheuren Fundmenge an versteiner- tungen an Aptychus oder Oberkiefer erkennbar Abb. 132.1. AmmonitP/jyso- ten Ammonitenschalen weiß man bis heute nicht, sind, scheint die Nahrung eher zerquetscht oder doceras nattheimense mit zu- wie das Ammonitentier eigentlich aussah. Die zerrieben worden zu sein. Merkwürdigerweise gehörigem Oberkiefer (oben) Vorstellung orientiert sich notgedrungen meistens fanden wir bei Physodoceras auch keine Radula, und Laevaptychus (unten) aus am einzigen heute noch lebenden Kopffüßer mit obwohl man derartige Funde bei Ammoniten dem Nusplinger Steinbruch; Durchmesser des Ammoni- äußerer Schale, dem Perlboot (Nautilus). Ein sol- aus dem Unterjura kennt. Möglicherweise wurde ten 3,2 cm. cher Vergleich kann natürlich nur modellhaften die Radula bei Physodoceras und anderen ober- Abb. 132.2. Ammonit/5/jyso- Charakter haben. jurassischen Ammoniten zurückgebildet. doceras nattheimense mit zu- Einige Nusplinger Funde von Physodoceras Verglichen mit der phosphoritisch überliefer- gehörigem Laevaptychus und nattheimense (Abb. 132.1-3), einem Vertreter der ten Muskelsubstanz bei manchen Tintenfischen darunter liegendem, leicht Aspidoceraten, lassen immerhin einige interes- kann der Ammonitenweichkörper nicht sehr mus- verdeckten Oberkiefer. In der sante Schlüsse über den Weichkörper zu. Bei kulös gewesen sein. Zweifellos konnte er sich Wohnkammer des Ammoni- mehreren Exemplaren befanden sich in der weit in die Wohnkammer zurückziehen. Das Ge- ten befindet sich noch Magen- inhalt, der von einer schwar- Wohnkammer noch beide Kieferorgane, der paa- häuse besaß einerseits eine gewisse Schutzfunk- zen Substanz, dem vermutli- rige, kalkige Laevaptychus und ein nicht minera- tion vor Fressfeinden, andererseits diente es zur 71 chen Kropfmagen, verdeckt lisierter zweiflügliger Oberkiefer . Wie diese bei- Regulierung des Auftriebs. Die unverdaulichen wird. Nusplinger Steinbruch; den Organe zusammengearbeitet haben, ist noch Nahrungsrückstände wurden im Darmtrakt ein- Durchmesser 8,5 cm. unklar. Im hinteren Teil der Wohnkammer kann geschleimt und wurden als lange Stränge, die Abb. 132.3. Senkrecht einge- man in manchen Fällen noch eine schwarze Mas- sogenannten Lumbricarien (Abb. 132.4, Abb. 154), bettetes Exemplar des Am- se erkennen, offenbar ein Rest des Weichkör- moniten Physodoceras natt- dicht über dem Meeresboden abgesetzt. Daraus heimense mit in situ befind- pers. Sie enthält Bereiche mit einer dichten Pak- ist wiederum abzuleiten, dass Physodoceras lichem Laevaptychus und kung aus Saccocoma-Skelettelementen, die wohl schwimmfähig war, sonst hätten die Tiere auf schwarzer Substanz (Kropf- den Kropf-/oder Mageninhalt darstellt. Wir sehen der Sedimentoberfläche irgendwelche Spuren magen und/oder sonstige an solchen Funden zwar, was dieser Ammonit hinterlassen müssen. Der Sipho, der die einzel- Weichkörper-Reste). Nusplin- gefressen hat, aber nicht, wie er die Nahrung nen Kammern miteinander verband, besaß phos- ger Steinbruch; Höhe 8 cm. aufgenommen hat. Da keinerlei Schneidevorrich- phatische Einlagerungen, sodass er unter UV- Licht fluoresziert. Der Sipho von Perlbooten be- stand dagegen aus Aragonit und wurde kurz nach der Einbettung völlig weggelöst. Manche Ammo- nitenschalen weisen einen Bewuchs von kleinen Austern auf, der die Schwimmfähigkeit augen- scheinlich kaum beeinträchtigte. Dass der Mu- schelbewuchs bereits zu Lebzeiten des Ammoni- ten erfolgte, erkennt man daran, dass sich in der Wohnkammer noch der komplette Kieferapparat befindet. Während bei Tintenfischen der Tinten- beutel oft überliefert ist, kann bei Ammoniten nichts derartiges nachgewiesen werden. Ammo- nitentiere dürften daher keinen Tintenbeutel be- sessen haben, zumindest geben die Nusplinger Funde darauf keine Hinweise. Die bituminösen Schichten des Nusplinger Plattenkalks lassen noch manche außergewöhn- lich erhaltenen Stücke von Physodoceras natt- heimense und anderen Ammoniten erwarten, die weitere Bausteine zum Verständnis dieser faszinierenden Tiere liefern könnten.

Abb. 132.4. Lumbricaria, fossiles Exkrement von einem Ammoniten aus der Gruppe von Physodoceras, bestehend aus Skelettelementen der kleinen Seelilie Saccocoma. Nusplinger Steinbruch. Durchmesser 5 cm.

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93 4.11 Aptychen - Kiefer oder Deckelorgan?

Zu den häufigsten Fossilien im Nusplinger Plat- ren durchsetzte, sehr breite und dickschalige tenkalk gehören die sogenannten Aptychen Laevaptychus. Durch zahlreiche Funde von Apty- (Abb. 133), zweiteilige, kalkige Gebilde, die man chen in den Wohnkammern wissen wir, welcher oft isoliert, gelegentlich aber auch noch im Zu- Aptychentyp zu welcher Ammonitengruppe ge- sammenhang mit Ammonitengehäusen findet. hört. So gehören Lamellaptychen zur Ammoni- Es handelt sich nicht, wie man zunächst anneh- tenfamilie der Sichelripper (Oppeliiden), also bei- men könnte, um Muschelschalen, sondern um spielsweise zu den Gattungen Taramelliceras oder ein Organ des Ammonitentiers. Da es vorwie- Streblites, Laevaptychen hingegen zu den Sta- gend aus der kalzitischen Modifikation des Kalks chelhörnern (Aspidoceraten). Mit Hilfe der Apty- besteht und nicht wie die Schale aus leichter chen ließ sich sogar zeigen, dass die kleinwüch- löslichem Aragonit, gewinnt man manchmal so- sige Gattung Sutneria mit ihren spießartigen Mün- gar den Eindruck, die Aptychen seien noch häu- dungsfortsätzen den mutmaßlich männlichen figer als die Ammoniten, zumal letztere oft nur (»mikroconchen«) Partner der Aspidoceraten-Gat- schemenhaft erhalten sind. tung Physodoceras darstellt. Auch die Sutnerien Unter den Aptychen kann man nach Skulptur besitzen nämlich einen typischen Laevaptychus. und Umrissform verschiedene Typen unterschei- Wesentlich zarter gebaut und nur ganz schwach den. Leicht zu erkennen sind der außen mit kräf- verkalkt ist der Praestriaptychus von Spaltrip- tigen, lamellenartigen Falten verzierte, relativ pern (Perisphinctiden). schlanke Lamellaptychus und der von feinen Po- Aptychen findet man manchmal auch zerbis- sen, einzeln oder in kleinen Häufchen. Daraus ist ersichtlich, dass Ammoniten-fressende Räuber den harten Aptychus wieder ausgespien haben. Die Umrissform der Aptychen entspricht oft ungefähr dem Mündungsquerschnitt der zuge- hörigen Ammonitenschale. Aus diesem Grund hielt man dieses Organ immer wieder für einen Deckel. Vieles spricht allerdings eher dafür, dass Aptychen die kalkig verstärkten Unterkiefer des Ammonitentiers darstellen. Manche Ammoniten- forscher nehmen sogar an, dass beide Funktio- nen - Kiefer- und Deckelfunktion - gleichzeitig möglich waren19. Im Nusplinger Plattenkalk kom- men in den bituminösen Schichtabschnitten auch flügelartige Oberkiefer vor, die im Gegensatz zu den Aptychen nicht verkalkt sind. Die endgültige Lösung der Frage nach der Funktion der Aptychen ist derzeit noch immer nicht endgültig geklärt. Die unterschiedlichen Aptychentypen dürften in- Abb. 133.4. Zerbissener Laev- dessen mit den unterschiedlichen Ernährungs- aptychus mit organischer In- gewohnheiten der jeweiligen Ammonitengrup- nenauflage. Nusplinger Stein- bruch; Durchmesser ca. 3,5 cm, pe zu tun haben.

94 Abb.133.1. Laevaptychus aus dem Nusplinger Steinbruch; Breite 7,5 cm.

Abb. 133.2. Lamellaptychus aus dem Nusplinger Stein- bruch; Breite 1,8 cm. Abb. 133.3. Praestriaptychus aus dem Nusplinger Stein- bruch; Breite 2,8 cm.

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95 4.12 Ein gefundenes Fressen

Belemniten stellten während der Jura-Zeit eine abbrach und zur Seite kippte. Bis zu dieser Zeit sehr häufig vorkommende Gruppe von Tinten- waren indessen bis zu 15 Millimeter Kalkschlamm fisch-Verwandten dar. Ebenso wie die Ammoni- abgelagert worden. Damit erhält man eine ge- ten starben sie am Ende der Kreide-Zeit nach- wisse Vorstellung über die Sedimentationsge- kommenlos aus. In der Regel findet man von den schwindigkeit der Plattenkalk-Ablagerung68. Belemnitentieren nur das kalkige Rostrum des Vollständige Belemnitentiere, die mit kleinen, Körperhinterendes, das volkstümlich als »Don- spitzen Häkchen besetzte Fangarme und einen nerkeil« bekannt ist. Im Nusplinger Plattenkalk Tintenbeutel besaßen, fand man im Posidonien- kommt mit Hibolithes semisulcatus nur eine ein- schiefer des Unter-Jura in der Gegend von Holz- zige Art vor, diese allerdings in beachtlicher Häu- maden und Schlierbach. Bei einigen davon wa- figkeit (Abb. 134). Die Rostren besitzen Längen ren zwei besondere Haken, die sogenannten zwischen kaum einem Zentimeter bis zu fast 15 »Onychiten« ausgebildet. Isolierte Onychiten Zentimetern. Sie stammen also sowohl von ganz kommen nicht allzu selten im Nusplinger Platten- jungen als auch von ausgewachsenen Tieren, kalk vor, besonders in den bituminösen Lagen. In die die Nusplinger Lagune in großer Zahl besie- seltenen Fällen fanden wir solche Onychiten nun delten. Schon OSKAR FRAAS fiel eine ganz beson- noch im Zusammenhang mit kleinen Häkchen dere Erhaltung auf, die bei fast der Hälfte aller und Bruchstücken des kalkigen Rostrums. Hier Funde zu beobachten ist. Im Bereich der Alveole, handelt es sich wohl um Speiballen, die sogar also dem vorderen Teil des Rostrums, in dem der Reste mehrerer gefressener Belemnitentiere ent- gasgefüllte Kammerapparat (Phragmokon) steck- halten können. Man erkennt dies daran, dass te, ist das Rostrum zerbrochen, als hätte man es manchmal mehrere Onychitenpaare beieinander mit dem Hammer zertrümmert. Die Bruchstücke liegen. Extrem selten sind Koprolithen von Rep- liegen stets noch in nächster Nähe zum Rest des tilien mit Fragmenten von Rostren gefressener Rostrums. Bei der Einbettung müssen sie noch Belemnitentiere, die den Verdauungstrakt pas- durch Reste von Bindegewebe zusammengehal- siert haben. ten worden sein. Ganz offensichtlich waren diese Belemnitentiere Opfer eines Räubers geworden, der sie mit einem gezielten Biss erbeutete und das für ihn uninteressante Rostrum zum Meeres- boden fallen ließ. Aufgrund ihrer massiven Kau- platten kommt in erster Linie die altertümliche Fischgruppe der Chimären oder Seekatzen als Verursacher der zerbissenen Belemnitenrostren in Betracht, worauf schon der Stuttgarter Paläon- 15 tologe HELMUT HOLDER hingewiesen hat . Neben den zerbissenen Rostren, die auf den Schichtflächen liegen, kommen im Nusplinger Plattenkalk auch schräg oder sogar senkrecht eingebettete Exemplare vor. Wenn man ein sol- ches Rostrum mitsamt dem umgebenden Ge- stein der Länge nach aufsägt, sieht man, wie es in den zähplastischen Kalkschlamm eingedrun- gen und in dieser Position stecken geblieben ist (Abb. 47). Das senkrechte Eindringen in den Kalk- schlick rührt daher, dass das Rostrum zunächst wie ein Fesselballon am gasgefüllten Phragmo- kon hing. Dieser Phragmokon wurde im Verlauf einiger Zeit, vielleicht weniger Wochen, porös, Abb. 134.4. Großer Haken (Onychites) aus dem Nus- sodass das Gas aus ihm entweichen konnte, er plinger Plattenkalk vom Großen Kirchbühl; Länge 2,6 cm.

96 Abb. 134.1. Belemnit Hiboli- thes semisulcatus, bestehend aus Rostrum (Hartteil) und Phragmokon (Kammerappa- rat). Nusplinger Steinbruch; Länge 19,5 cm.

Abb. 134.2. Belemnit HiboH- thes semisulcatus, von einem Fressfeind im Bereich der Al- veole zerbissen. Nusplinger Steinbruch; Länge etwa 6 cm.

Abb. 134.3. Speiballen aus gefressenen Belemnitentie- ren mit den großen Haken (Onychites) und den Kleinhäk- chen (Parag/ycerites). Nusp- linger Steinbruch; Durchmes- ser 7 cm.

97 4.13 Sogar die Tinte blieb erhalten

Der mit Abstand häufigste echte Tintenfisch im natürlich entsprechende Räuber anzogen. Nusplinger Plattenkalk gehört zur Art Trachyteu- Seltener als Trachyteuthis sind im Nusplinger this hastiformis (Abb. 135.1). Man kennt diese Plattenkalk die äußerst schlanken, an Kalmare Art auch aus den untertithonischen Scrtnhofener erinnernden Schulpe von Plesioteuthis prisca Plattenkalken. Ähnliche oder vielleicht identische (Abb. 135.2). Auch bei Plesioteuthis sind die Formen wurden sogar aus Oberjura-zeitlichen Schulpe meistens deutlich randlich angenagt, Juraablagerungen der Antarktis nachgewiesen. sodass manchmal nur noch die zentrale Achse Im Nusplinger Plattenkalk sind immer nur die übrig ist. Aufgrund der Schmalheit des Schulps Schulpe überliefert, die auf ihrer Oberseite eine war der auf der Unterseite befindliche Tinten- fein gekörnelte Zone aufweisen. Die Präparation beutel kaum vor den Bissen geschützt und wur- dieser Strukturen ist überaus aufwendig und kaum de in der Regel beschädigt. Dass diese Tinten- je so perfekt vorgenommen worden wie bei den fische unmittelbar vor dem Auftreffen des ent- Nusplinger Exemplaren. Der hintere Abschnitt fleischten Schulps auf den Meeresboden erbeutet des Schulps verbreitert sich auf beiden Flanken wurden, ist daran zu erkennen, dass sich noch in bogenförmig umgrenzte Seitenfelder. An ih- die ausgelaufene Tinte neben dem Schulp befin- nen saßen, wie man von vollständig mit Weich- det. Manche Schulpe zeigen in unregelmäßigen » teilen erhaltenen Tieren weiß, seitliche Flossen Abständen wieder verheilte Bruchstellen. b. 135.1. Schulp des Tin- an. Im Nusplinger Plattenkalk sind bisher weder An weiteren Überresten dieser Tintenfische tenfischs Trachyteuthis hasti- Reste der Flossen noch der Fangarme bekannt fanden wir als Seltenheit die ursprünglich chitini- formis aus dem Nusplinger geworden. Nur sehr selten sitzen im vorderen gen, jetzt in kohliger Substanz erhaltenen, papa- Steinbruch; Länge 25 cm. Bereich des Schulps phosphoritisch erhaltene geischnabelartigen Kiefer isoliert im Sediment Abb. 135.2. Schulp des Tin- Reste, die wohl von Weichteilen herrühren. Bei (Abb. 135.3). terrfischs Plesioteuthis pris- den meisten Fundstücken kann man den Grund ca mit ausgetretener Tinten- für diese Art der Erhaltung unschwer erkennen. substanz. Nusplinger Stein- bruch; Länge 15 cm. Der Schulp ist nämlich meistens randlich abge- splittert und es sind Stücke herausgebrochen. Derartige Beschädigungen können nur durch Fressfeinde entstanden sein, die den schmack- haften Weichkörper wegknabberten und den kal- kigen Schulp zum Meeresboden fallen ließen. Da die Nusplinger Lagune reich belebt war, gerieten in der Regel nur Reste solcher Mahlzeiten zum Meeresboden, nicht jedoch tote vollständige Tiere wie in den Solnhofener Plattenkalken. Bei von der Unterseite freigelegten oder aufgebroche- Abb. 135.4. Schulp des Tin- nen Exemplaren ist oft trotz der seitlichen Bisse tenfischs Plesioteuthis pris- der Tintenbeutel mit der noch darin befindlichen, ca mit deutlich wieder ver- durch das Farbpigment Melanin schwarzbraun heilten Brüchen (Pfeile) im Abb. 135.3. Sogenannter Sepienschnabel, vermutlich gefärbten Tinte vorhanden. Vielleicht lebte Tra- Bereich der Mittelleiste. Nus- zu Trachyteuthis oder Plesioteuthis gehörend. Nusplin- plinger'-Steinbruch; Länge chyteuthis in kleinen Gruppenverbänden, die ger Steinbruch; Länge 2 cm. 18,5 cm.

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4.14 Der älteste Erdläufer

Kurz nach Aufnahme der Grabungen im Nusplin- Jahre älter und stellt damit den erdgeschichtlich ger Steinbruch im Sommer 1994 kam ein kleines, ältesten Fund dieser Tiergruppe überhaupt dar69. unscheinbares Fossil zum Vorschein, das uns Eine seltsame Ironie wollte es, dass nur wenige sogleich an einen Meereswurm erinnerte (Abb. Wochen nach der Veröffentlichung von Eogeo- 136). Ein langer, schlanker, segmentierter Körper philus aus Kreide-zeitlichen Ablagerungen in Bra- trägt seitliche Fortsätze, und der Kopf weist einen silien ein weiterer versteinerter Erdläufer bekannt kräftigen Kieferapparat auf. Tatsächlich gibt es gemacht wurde, den man in Unkenntnis unseres Meereswürmer aus der Gruppe der Vielborster Funds gleichfalls für den ältesten hielt21. Ver- (Polychaeta), die so ähnlich aussehen, und es lag wandte aus der Gruppe der Hundertfüßer kennt bei der marinen Ablagerung des Nusplinger Plat- man freilich schon aus der mittleren Devon-Zeit, tenkalks natürlich zunächst nahe, das Fossil so zu 380 Millionen Jahre vor heute. Da sie ein recht interpretieren. Eine genauere Betrachtung des verborgenes Leben führen, sind sie fossil eben Objekts unter dem Stereomikroskop machte uns nur ausnahmsweise überliefert worden. dann jedoch stutzig. Die seitlichen Fortsätze, bei Heutige Erdläufer leben ausnahmslos auf dem denen wir an sogenannte »Parapodien« gedacht Festland und sind meistens nachtaktiv. Einige hatten, erwiesen sich als segmentiert und tragen wenige Arten bewohnen den Gezeitenbereich an ihrem Ende jeweils eine kleine Klaue oder der Küste und ertragen den periodischen Kon- Borste. Auch die Kiefer bestehen aus einzelnen takt mit dem Meerwasser, was möglicherweise Segmenten und tragen an ihrem Ende jeweils auch von dem fossilen Vertreter anzunehmen ist. eine kräftige Klaue mit einer Rinne. Mit diesen Mit ihren kräftigen Kieferfüßen packen sie ihre Merkmalen konnte es sich nur um einen Hun- Beute, die in der Regel aus kleineren wirbellosen dertfüßer handeln, genauer gesagt um einen Tieren besteht, und töten sie mit einem Gift, das sogenannten Erdläufer. Versteinerte Erdläufer aus den Klauen injiziert wird. Neben den Insekten kannte man bis dahin fast ausschließlich aus und den Flugsauriern ist Eogeophilus das bis- dem etwa 50 Millionen Jahre alten baltischen lang einzige festländische Tier im Nusplinger Plat- Bernstein. Das Nusplinger Exemplar, das jetzt tenkalk. Wir nehmen an, dass er im Küstenbe- den wissenschaftlichen Artnamen Eogeophilus reich der kleinen Inseln im Umkreis der Nusplin- jurassicus trägt ist noch ungefähr 100 Millionen ger Lagune lebte.

100 Abb. 136.1. Erdläufer, Eogeophilus jurassicus, aus der Gruppe der Hundertfüsser. Der Kopf mit den Kieferfüßen befindet sich links. Nusplinger Steinbruch; Länge ca. 4,5 cm.

Abb. 136.2. Vergrößerte Rekonstruktionszeichnung des Erdläufers Eogeophilus jurassicus.

101 4.15 Die Nusplinger Riesenlibelle

Versteinerte Libellen oder andere Insekten waren ergab hingegen, dass das Nusplinger Exemplar bis zu den Grabungen des Stuttgarter Naturkun- zu einer eigenen, neuen Art dieser Gattung ge- demuseums im Nusplinger Plattenkalk nicht be- hört, die er folgerichtig unter dem Namen Uro- kannt. Inzwischen liegen uns aus unserer Gra- gomphus nusplingensis beschrieb43. Die Gattung bung vier Libellenarten und ein Flügelrest eines Urogomphus gehört zu einer altertümlichen Li- Mückenhafts vor. Nachdem zunächst ein isolier- bellengruppe. Die Flügelmerkmale dieser Großli- ter Flügel und anschließend ein Flügelpaar zum bellen deuten darauf hin, dass sie sich wohl mehr Vorschein gekommen waren, erkannte man beim im Gleitflug fortbewegten. Solche schwerfällig Aufschlagen einer Platte im Querbruch eine ver- fliegenden Libellen sind in der jüngeren Kreide- dächtige Struktur, die sich als Brustbereich einer Zeit ausgestorben, vermutlich da sie eine leichte Libelle mit daran ansitzenden, ausgebreiteten Flü- Beute der sich rasch entfaltenden Vögel wurden. geln herausstellte. Die Platte wurde wieder zu- Da Libellenlarven zu ihrer Entwicklung Süß- sammengeklebt und das Fossil (Abb. 137) vor- wasser benötigen und die gute Erhaltung von sichtig unter dem Stereomikroskop freigelegt. Urogomphus nusplingensis einen weiten Trans- Im Gegensatz zur substanzlosen Erhaltung port ausschließen lässt, gehen wir davon aus, von Libellen in den Solnhofener Plattenkalken dass es auf größeren Inseln in der Umgebung bewirkte der bituminöse Plattenkalk, in dem das der Nusplinger Lagune Süßwasservorkommen Nusplinger Stück eingebettet ist, dass die extrem gab. Die Seltenheit von Insektenresten rührt wohl dichte und feine Flügeladerung in organischer daher, dass diese kaum einmal bis auf den Mee- Substanz erhalten ist. Auch die Flügelmale und resboden gerieten, sondern bereits vorher ge- selbst Reste einer einstigen Farbzeichnung sind fressen wurden, und dass die besonderen Bedin- noch überliefert worden. gungen zur Erhaltung von Insekten selbst im Zunächst hielten wir die Nusplinger Riesenli- Nusplinger Plattenkalk nur ausnahmsweise ge- belle für identisch mit einer aus den Solnhofener geben waren. Plattenkalken beschriebenen Art der Gattung Uro- Neben den versteinerten Meerengeln ist die gomphus, obwohl sie eine etwas geringere Flü- Nusplinger Riesenlibelle inzwischen wohl zum gelspannweite aufweist73. Eine genauere Ver- populärsten Fund der neuen Grabungen gewor- gleichsuntersuchung aller Funde von Urogom- den. phus durch den Paläo-Entomologen GÜNTER BECHLY

102 Abb. 137.1. Riesenlibelle Urogomphus nusplingensis aus dem Nusplinger Steinbruch; Flügelspannweite 15,5 cm.

103 4.16 Delikatesse im Speiseplan jurassischer Räuber

Das neben den Ammoniten und Belemniten häu- von der Größe der Exemplare weisen nämlich figste Wirbellosen-Fossil des Nusplinger Platten- alle Nusplinger Funde 11 Dornen auf, während kalks ist eine Garnele, die eine Länge von fast die Solnhofener Art nur deren 10 besitzt. Dane- 25 cm erreicht (Abb. 138). Schon FRIEDRICH AU- ben sind die Scheren des verlängerten Beinpaars GUST QUENSTEDT berichtete im 19. Jahrhundert bei den Nusplinger Stücken deutlich länger. Eine über Hunderte von Funden, von denen allerdings bestimmte Fundstelle im Fränkischen Jura, die nur wenige erhalten blieben, und dies in durch- etwas älter ist als der normale Solnhofener Plat- wegs schlechter Präparationsqualität. Selten lie- tenkalk, lieferte jedoch Stücke, die zwischen der gen die Krebse direkt auf einer Plattenoberflä- Nusplinger und der Solnhofener Form vermit- che. Meistens liegt noch eine mehr oder weniger teln. Dieser Fall kann geradezu als Lehrbuch- dicke Gesteinsschicht darüber, die dann erst Beispiel für die Evolution gelten, die sich hier im mühsam abgetragen werden muß. Nur eine blas- Verlauf von einer halben Million Jahren abge- se Verfärbung der Schichtoberfläche oder ein spielt hat. Die Nusplinger Art erhielt den Namen dunkler Strich im Querbruch verraten den Fund. Antrimpos undenarius, was sich auf die 11 Dor- In vielen Fällen lohnt sich allerdings die Mühe. nen des Kopfsporns bezieht. Der Krebspanzer hebt sich dann dunkelbraun Die allermeisten Funde von Antrimpos im vom hellen Plattenkalk ab und lässt bemerkens- Nusplinger Plattenkalk sind Häutungshemden. werte Einzelheiten erkennen, wie die Antennen, Dies ist auch kein Wunder. Da sich die Krebse im die beinahe die Länge des Körpers erreichen Laufe ihres Lebens mehrfach häuteten, konnte können, oder die gestielten Facettenaugen. Be- theoretisch derselbe Krebs mehrfach fossil über- sonders auffällig ist ein verlängertes Beinpaar liefert werden. Bei körperlich erhaltenen Funden, mit langen, schlanken Scheren. Dieses Merkmal die mit einer blassrosafarbenen phosphoritischen ist typisch für die Gattung Antrimpos, die man Substanz »gefüllt« sind, beobachtet man fast auch aus den Solnhofener Plattenkalken kennt. immer Bissverletzungen. Manchmal handelt es Abgesehen von dem verlängerten Beinpaar erin- sich bei derartigen Funden sogar nur um isolierte nert Antrimpos verblüffend an heutige Arten, Hinterleiber. Gelegentlich hinterließen solche Tie- wie man sich in der Auslage eines Fischgeschäfts re am Meeresboden mit ihrem Schwanzfächer leicht überzeugen kann. Auf den ersten Blick lag noch einige pfeilförmige Wülste, ehe sie schließ- es nahe, eine Übereinstimmung der Nusplinger lich verendeten. Es liegt nahe anzunehmen, dass Form mit der fränkischen Art Antrimpos specio- diese Tiere zufällig einem Fressfeind wieder aus sus anzunehmen - und doch wirkten die Stücke dem Maul gefallen sind und zum Meeresboden irgendwie verschieden. Erst genauere Untersu- absanken. Dass die Garnelen eine beliebte Beute chungen haben nun gezeigt, dass sich die Nusp- jurassischer Räuber waren, zeigt sich auch am linger Antrimpos-Art tatsächlich von der Solnho- Inhalt von größeren Koprolithen und Speiballen, fener unterscheidet. Am einfachsten erkennt man in denen man öfters noch ihre Panzerreste erken- den Unterschied, wenn man die Dornen auf der nen kann. Oberseite des Kopfstachels abzählt. Unabhängig

104 Abb. 138.1. Häutungshemd der Großgarnele Antrimpos undenarius. Nusplinger Stein- bruch; Länge 22 cm.

Abb. 138.2. Abgebissener Hin- terleib der Großgarnele Ant- rimpos undenarius, noch letz- te Spuren (pfeilartige Wülste) von Leben am Meeresboden hinterlassend. Nusplinger Stein- bruch; Länge des Hinterleibs ca. 7,5 cm.

105 4.17 Schon zur Jura-Zeit ein »lebendes« Fossil

Im 19. Jahrhundert besaß OSKAR FRAAS ohne tenkalk zugrunde, sondern er bezog sich ledig- Zweifel die bedeutendste Sammlung versteiner- lich auf die Zeichnung OPPELS. ter Krebse aus dem Nusplinger Plattenkalk. Im Es sollte bis zur Stuttgarter Grabung dauern, Jahr 1855 beschrieb er mit knappen Worten eine ehe wieder neue Exemplare von »Palaeopolyche- seltene neue Art als Eryon longipes, was auf les«longipes gefunden wurden (Abb. 139). Mögli- deren auffällig lange Scherenarme anspielt11. cherweise hatte man den kleinen Krebs bei frü- FRAAS besaß von dieser Art insgesamt 6 relativ heren Grabungen einfach übersehen. Mittlerwei- schlecht erhaltene Exemplare. Während er häufi- le liegen etwa 30 Exemplare dieser Art vor, davon gere Fossilien aus Nusplingen auch verkaufte viele in hervorragender Erhaltung72. Bei einigen oder eintauschte, kamen alle Stücke dieser Art Stücken sind sogar noch die Facettenaugen er- an das damalige Stuttgarter Naturalienkabinett, halten. Auch andere, vorher nicht bekannte oder das heutige Naturkundemuseum. Da FRAAS seine nicht genau beobachtete Merkmale waren nun neue Art nicht abgebildet hatte, stützte sich die deutlich erkennbar. Besonders interessant erwies Kenntnis von Eryon longipes auf eine Rekonstruk- sich der Bau des Schwanzfächers, der überra- tionszeichnung von ALBERT OPPEL (1831-1865). schenderweise nicht mit der OppEL'schen Rekon- Dieser befasste sich in einer bedeutenden Mo- struktionszeichnung übereinstimmt. So stellte es nografie mit den Krebsen der Jura-Zeit26, darun- sich heraus, dass die Beziehungen zu den heute ter auch denen aus dem Nusplinger Plattenkalk. lebenden Formen weit geringer sind als ange- Besondere Aufmerksamkeit erweckte die Art nommen. Die Nusplinger Art gehört nämlich zur Eryon longipes, als bei einer Tiefsee-Expedition Gattung Cofeia, die ihre Hauptverbreitung in der des deutschen Forschungsschiffs Valdivia in den Zeit des Unterjuras hatte. Die Gattung Coleia galt Jahren 1898/99 heutige Vertreter dieser Krebs- als seit dem Ende der Unterjura-Zeit ausgestor- gruppe gefangen und untersucht werden konn- ben, sodass die etwa 30 Millionen Jahre jüngere ten. Die damaligen Krebsspezialisten stellten eine Art Coleia longipes zur Oberjura-Zeit bereits ein weitgehende Übereinstimmung der fossilen Art lebendes Fossil darstellte! mit der noch heute lebenden Gattung Po/ycheles Im Gegensatz zu den heutigen Tiefseeformen, fest, die somit als »lebendes Fossil« galt. Aus die beinahe blind sind, deuten die großen Augen diesem Grund errichtete der auf mysteriöse Art von Coleia longipes auf eine Lebensweise in we- im Jahr 1907 auf Island verschollene Geologe sentlich flacherem, noch durchlichtetem Wasser. WALTHER VON KNEBEL für die fossile Nusplinger Bis jetzt ist diese Art nur aus dem Nusplinger Form die neue Gattung Palaeopolycheles™. Sei- Plattenkalk bekannt geworden, was wohl daran ner Untersuchung lagen aber keineswegs die liegt, dass ihr sehr spezieller Lebensraum selten Originalstücke der Art aus dem Nusplinger Plat- fossil überliefert wurde.

106 Abb. 139.2. Häutungshemd des langarmigen Breitschildkrebses Coleia longipes. Die vorderen rundlichen Gebilde sind Mundwerkzeuge; die hinteren sind die Augen. Egesheimer Steinbruch; Länge 4,5cm.

Abb. 139.1. Langarmigcr Breitschildkrebs Coleia longipes mit nach unten umgeschlagenem Hinterleib. Nusplinger Steinbruck Länge 9,5 cm.

Abb. 139.3. Auge des Krebses Coleia longipes vom Exemplar der Abb. 139.2 in starker Vergrößerung. Man erkennt deutlich den quadratischen Umriss der einzelnen Facetten.

107 4.18 Eine Schere mit Dornen

Mit zu den allerersten aus dem Nusplinger Plat- bildung eindeutig aus Nusplingen. Im Nusplinger tenkalk publizierten Fossilien gehört der Krebs Plattenkalk verraten solche isolierte Scheren, dass Cycleryon spinimanus, der aufgrund seiner auf die Art hier vergleichsweise häufig gewesen sein der Innenseite bedornten Scheren unverkennbar muss, aber auch oft gefressen wurde. ist (Abb. 140). Ein Exemplar davon wurde im Zu Beginn unserer neuen Grabung kam im Jahr 1854 von dem Frankfurter Universal-Paläon- Egesheimer Steinbruch ein Exemplar zum Vor- tologen HERMANN VON MEYER (1801-1869) abge- schein, das jedoch nicht rechtzeitig erkannt wor- bildet22. Es stammte aus der Sammlung des Berg- den war, sodass unglücklicherweise ein großer rats FRIEDRICH VON ALBERTI. Letzterer war als Sali- Teil davon Tags zuvor unauffindbar auf der Halde neninspektor in württembergischen Diensten und verlorengegangen war und die Suche nach dem wurde vor allem durch die Einführung der erdge- Rest leider vergeblich blieb. Obwohl immer wie- schichtlichen Zeiteinheit »Trias« bekannt. Weni- der isolierte Scheren auftauchten und die Hoff- ger bekannt ist, dass er nicht nur eine große nung auf vollständige Stücke nährten, dauerte es Sammlung von Fossilien der Trias-Zeit zusam- bis zum Frühjahr des Jahres 2000, ehe ganz un- mengetragen hatte, sondern auch Besonderhei- verhofft ein kompletter, diesmal perfekt erhalte- ten aus dem Jura besaß, wie eben jene Fossilien ner Cycleryon spinimanus gefunden wurde. Un- aus dem Nusplinger Plattenkalk. verhofft deswegen, weil im Gelände nur ein Stück Cycleryon spinimanus galt schon früher als des rechten Scherenarms freilag, der noch keine außerordentliche Rarität. ALBERT OPPEL konnte Deutung zuließ, worum es sich hierbei handelte. 1863 bei seiner Bearbeitung Jura-zeitlicher Kreb- Die Präparation des Stücks dauerte etwa drei se gerade auf drei Exemplare zurückgreifen. QUEN- Wochen und erfolgte nur mit feinen Sticheln un- STEDT hatte behauptet, eine spinimanus-Schere ter dem Stereomikroskop. Das Ergebnis zeigt, im Solnhofener Plattenkalk selbst gefunden zu dass sich diese aufwendige Arbeit gelohnt hat. haben. Das von ihm als solches ausgegebene Cycleryon spinimanus gehört zur Krebsfami- Stück stammt jedoch nach seiner Gesteinsaus- lie der Eryoniden, die heute nur noch mit weni- gen Arten in der Tiefsee vorkommen. Die jurassi- sche Art besaß im Gegensatz zu den heutigen Vertretern einen viel breiteren Panzer, gut ent- wickelte gestielte Augen und viel kürzere Anten- nen. Der abgeflachte Körperbau weist darauf hin, dass sich diese Krebse in lockeres Sediment ein- gruben und dort auf Beute lauerten. Im Platten- kalk findet man ausschließlich eingedriftete Häu- tungshemden (»Exuvien«), da der Meeresboden in der Plattenkalk-Lagune für diese Krebse le- bensfeindlich war. Genauere anatomische Detailuntersuchungen von gut erhaltenen Nusplinger Funden ließen nun vermuten, dass es sich bei Cycleryon spini- manus und dem damit vergesellschafteten Cy- cleryon propinquus eigentlich gar nicht um zwei verschiedene Arten handelt, sondern um Weib- chen und Männchen einer einzigen Art, die sich fast nur anhand der Scheren voneinander unter- Abb. 140.2. An der isolierten Schere von Cycleryon scheiden. Bestätigt wurde dies durch ein Exem- spinimanus erkennt man 3 nach innen gerichtete Dor- plar aus den Solnhofener Plattenkalken, das eine nen, die der Art den Namen gegeben haben. Nusplinger Schere mit männlichen und eine mit weiblichen Steinbruch; Länge 1,7 cm. Merkmalen aufweist.

108 Abb. 140.1. Dornenfingriger Breitschildkrebs Cyc/eryon spinimanus aus dem Nusplinger Steinbruch; Länge 8 cm.

109 4.19 Eine Nusplinger Spezialität

Als der in München tätige Paläontologe ALBERT Panzers mit dem Kopfsporn besteht (Abb. 141.2). OPPEL die Fossiliensammlung von OSKAR FRAAS am Dieses Stück bewies nun ganz klar, dass sich damaligen Stuttgarter Naturalienkabinett durch- Eryma punctatum von Eryma modestiforme stöberte, fiel ihm unter den Fundstücken aus durch ihre außerordentlich breiten, kräftig skulp- dem Nusplinger Plattenkalk eine einzelne, etwas turierten Scherenballen unterscheidet und die verdrückte Krebsschere auf, die ihn veranlasste, Scherenfinger beider Arten außerdem eine ganz diese im Jahr 1861 als neue Art von Schlank- unterschiedliche Bezahnung aufweisen. Derartig hummern der Gattung Eryma zu beschreiben24. breite Scheren fanden wir isoliert noch mehr- 76 Charakteristisch für diese Art erschien ihm ein fach . Aber erst im Frühjahr der Grabungskam- sehr dichtes Punktmuster und eine größere Brei- pagne 2000 sollte uns im Nusplinger Steinbruch te im Vergleich mit anderen Arten, von denen er ein vollständiger Fund von Eryma punctatum immerhin eine recht große Anzahl an Vergleichs- gelingen (Abb. 141.1). Dabei stellte sich heraus, stücken in verschiedenen Sammlungen gesich- dass es nicht möglich ist, verschiedene Schlank- tet hatte. Heutzutage würde man freilich wohl hummer allein aufgrund ihres Kopfbrustpanzers kaum mehr aufgrund einer einzigen Schere eine voneinander zu unterscheiden. Hierzu sind im- neue Art beschreiben. Der Münchner Spezialist mer die zugehörigen Scheren notwendig. Das gleichzeitige Vorkommen von Eryma punctatum für derartige Krebse, REINHARD FÖRSTER (1935— neben zwei weiteren Arten derselben Gattung 1987), bezweifelte prompt die artliche Eigenstän- (Eryma modestiforme und Eryma westphali) im digkeit dieser von OPPEL Eryma punctatum ge- Nusplinger Plattenkalk deutet darauf hin, dass nannten Schere und hielt sie für nichts anderes diese sich in ihren Lebensweisen an kleinräumi- als ein etwas verdrücktes Exemplar von Eryma ge Biotope angepasst hatten und dadurch nicht modestiforme, einer besonders in den Solnhofe- zueinander in Konkurrenz traten. Eryma puncta- ner Plattenkalken häufiger vorkommenden Art. tum ist bislang nur aus dem Nusplinger Platten- Im Egesheimer Steinbruch gelang uns im Som- kalk bekannt. mer 1998 überraschenderweise ein Neufund, der aus zwei Scherenarmen und dem Vorderteil des Abb. 141.1. Vollständiger Schlankhummer Eryma punctatum aus dem Nusplinger Steinbruch; Länge 7,7 cm.

Abb. 141.2. Kopf und Scheren des Schlankhummers Eryma punctatum als Nahrungsrest eines unbekannten Räubers. Egesheimer Steinbruch; Länge eines Scherenarms 4 cm.

111 4.20 Zerkaut, ausgelutscht und ausgespien

Abgesehen von der Art Polycidaris nusplingen- hier dokumentierte Fall ist eine andere Möglich- sis, deren Vorkommen aber auf eine ganz be- keit, Stacheln im Zusammenhang mit dem Ge- stimmte Schicht des Nusplinger Plattenkalks be- häuse zu finden. schränkt ist, gehören Seeigel zu den Seltenhei- Besonders eindrucksvoll ist ein zerbissenes ten60. Ihr eigentlicher Lebensraum war nicht der Gehäuse von Stomechinusper/atus (Abb. 142.2), zähe, lebensfeindliche Kalkschlamm am Lagu- einem regulären Seeigel, dessen Gehäuse von nenboden, sondern die umgebenden Schwamm- sehr kleinen Stacheln besetzt war. Auffällig sind Riffe, wo es Mikrobenmatten zum Abweiden und die verstreuten Kieferelemente. Merkwürdiger- zahlreiche Höhlungen zum Verstecken gab. Na- weise fanden wir einmal auch ein komplettes türlich waren sie auch dort vor Nachstellungen Stomechinus-Gehäuse ohne Stacheln, das noch durch Fressfeinde nicht sicher. Insbesondere Fi- den Kieferapparat, die sogenannte »Laterne des sche mit einem Knackgebiss wie der Kugelzahn- Aristoteles« besaß (Abb. 100). Vielleicht wurde fisch Gyrodus (Abb. 147) dürften sich unter an- dieses Stück nach dem Tod von einer Strömung derem von Seeigeln ernährt haben. Die harten erfasst und so in die Lagune eingeschwemmt. In Gehäuse der Seeigel und die anhaftenden Sta- einem anderen Fall waren innerhalb eines Spei- cheln wurden meistens nicht verschluckt, son- ballens die Reste von drei verschiedenen Stachel- dern nur zerkaut und wieder ausgespien. Wenn häutern enthalten: jeweils Stacheln und Gehäu- der Räuber mit seiner Beute auf die Lagune hin- seplatten von Pseudodiadema, Nenoticidaris ausschwamm, konnten diese Reste der Mahlzeit sowie die sechseckigen Plättchen des Seesterns dort zum Meeresboden fallen. Deswegen findet Sphaeraster. man als große Seltenheit isolierte Stacheln oder Von Rhabdocidaris boehmi, einer Seeigelart auch Reste von zerquetschten Gehäusen mit noch mit langen, bizarr bedornten Stacheln, die man einigen dabeiliegenden Stacheln (Abb. 142.1-2). sonst auch noch aus dem Gebiet von Kelheim Auf diese Art und Weise wurden sechs Arten von auf der Südlichen Frankenalb kennt, liegen meh- regulären Seeigeln im Nusplinger Plattenkalk rere isolierte Stacheln vor (Abb. 101). Die rein überliefert. Bei abgestorbenen Tieren lösen sich mechanische Präparation dieser Stacheln aus die Stacheln in kurzer Zeit ab, sodass man nor- dem harten Plattenkalk stellt eine technische malerweise nur dann Gehäuse mit Stacheln fin- Meisterleistung dar. det, wenn diese rasch verschüttet wurden. Der

112 Abb. 142.1. Zerbissenes Gehäuse (Corona) des Seeigels Plegiocidaris crucrfera mit Primärstacheln und Teilen des Kieferapparats. Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 7 cm.

Abb. 142.2. Teile eines zerbissenen Gehäuses (Corona) des Seeigels Stomechinus periatus mit einzelnen Stacheln und Teilen des Kieferapparats. Egesheimer Steinbruch; Breite 13 cm.

113 4.21 Ein Überlebenskünstler auf Stelzen

Normalerweise war die Nusplinger Plattenkalk- senhaft vermehren konnte. Neben den Seeigeln Lagune kein geeigneter Lebensraum für Seeigel. kommen in derselben Schicht auch noch Reste Die wenigen Funde stammten daher alle aus von zerfallenen Schlangensternen der Gattung umgebenden Biotopen. Es handelt sich um zer- Sinosura vor. bissene Exemplare, die irgendwelche Fressfein- Funktionsmorphologische Untersuchungen de wieder ausgespien hatten. Groß war daher an dieser Seeigel-Art zeigten, dass sich die Tiere die Überraschung, als im Sommer 1995 auf einer auf ihren langen Stacheln fortbewegten. Man Schichtoberfläche zahlreiche stark zerfallene See- kann daraus ableiten, dass die Kalkbank, die bei igel mit sehr langen, lanzenartigen, seitlich be- einem einzigen Sturmereignis abgelagert wor- dornten Stacheln zum Vorschein kamen (Abb. den war, sich bereits so stark verfestigt hatte, 143). Diese waren offenbar bei früheren Grabun- dass die Seeigel nicht darin einsanken. Vermut- gen übersehen worden. Bei der Seeigel-führen- lich lebten sie von Algenmatten, die sie abweide- den Schicht handelt es sich um die Oberseite ten. Offenbar war der Meeresboden kurzfristig einer über 30 cm mächtigen Turbiditlage. Die Ber- etwas durchlüftet worden. Die Seeigel der Art gung von Belegstücken erwies sich aufgrund der Polycidaris nusplingensis waren zusätzlich an großen Härte und kaum vorhandenen Klüftung reduzierte Sauerstoffgehalte angepasst, wie man dieser Kalkbank als außerordentlich schwierig. aus bestimmten anatomischen Details ihrer Ge- Trotzdem gelang es, eine Anzahl repräsentativer häuse schließen kann. Nach einiger Zeit jedoch Stücke herauszusägen. Auf der Oberfläche wur- verschlechterten sich die Lebensbedingungen so den sie dann mit mehrfacher chemischer Unter- stark, dass trotz dieser Anpassung die gesamte stützung durch Kaliumhydroxid-Plätzchen mecha- Seeigelpopulation und mit auch die vergesell- nisch herausgearbeitet. schafteten Schlangensterne abstarben. In kurzer Eine genauere Untersuchung ergab, dass alle Zeit zerfielen die Gehäuse vollständig, doch wur- Seeigelreste zu einer einzigen, zuvor noch unbe- den sie nicht wegtransportiert, da am Grund der kannten Art der Gattung Polycidaris gehören60. Lagune fast keine Strömungen vorhanden wa- Es lag nahe, die neue Art nach ihrem Fundort zu ren. Nach einiger Zeit legte sich dann eine dünne benennen. Die Art ist im Nusplinger Plattenkalk Lage Kalkschlamm auf die zerfallenen Seeigel. auf eine einzige Schichtoberfläche beschränkt, Danach gelang es dieser Seeigelart nie wieder, wo sie ganz offensichtlich kurzzeitig günstige Le- den Grund der Nusplinger Lagune zu besiedeln. bensbedingungen vorfand und sich dann mas-

114 Abb. 143.1. Am Einbettungs- ort zerfallenes Jugendexem- plar des Seeigels Polycidaris nusplingensis. NusplingerStein- bruch. Längster Stachel 4,8 cm.

Abb. 143.2. Teilansicht vom Typus-Exemplar des Seeigels Polycidaris nusplingensis aus dem Nusplinger Steinbruch; längster Stachel 11 cm.

115 4.22 Ein »glashartes« Stück Arbeit

Kurz nach Aufnahme der ersten Grabungen im Egesheimer Steinbruch gelang im Sommer 1993 ein überraschender Fund. Schon seine Bergung bereite große Schwierigkeiten. Ehe das Gra- bungsteam die wahre Bedeutung des Fundes erkannt hatte, waren schon Teile davon in klei- nen Stücken auf die Halde gewandert. Das stun- denlange Suchen hat sich aber gelohnt. Die Stü- cke ergaben zusammengesetzt einen vollständi- gen, etwa 70 cm langen Hai (Abb. 144). Allerdings steckte er in einer Schicht aus glashartem Feuer- stein (»Silex«). Deshalb war die Präparation ex- trem schwierig und dauerte auch entsprechend lange. Dennoch ließen sich die Hautumrisse frei- legen, und auch das Gebiss zeigt noch die volle Bezahnung. Die Körperoberfläche dieses Hais ist wie bei fast allen Haien von unzähligen Haut- zähnchen bedeckt. Die Art konnte als Sphenodus macer bestimmt werden. Die Haie der Gattung Sphenodus trugen spitze, dolchartige Zähne, ähnlich wie die heuti- gen Heringshaie. Sie gehörten damit im Jura- Meer zu den gefährlichsten Raubfischen. Aller- dings lauerte die Art Sphenodus macer überwie- gend am Meeresboden auf ihre Beute. Anhand dieses Neufundes konnte erstmals die Körper- form der Gattung Sphenodus rekonstruiert wer- den. Die Art Sphenodus macer wurde von QUEN- STEDT anhand von Zähnen aus dem Brenztal-Trüm- merkalk von Schnaitheim aufgestellt. Die kürzliche Abb. 144.2. Detail vom Gebiss; Länge eines Zahns ca. 7 mm. Neubeschreibung dieser Art durch RONALD BÖTT- CHER und seinen englischen Kollegen CHRISTOPHER 45 DUFFIN , die nun auf dem vollständigen Nusplin- Sphenodus. Letztere ist schon in der Kreide-Zeit, ger Fundstück basiert, bedeutet einen großen etwa 70 Millionen Jahren vor unserer Zeit, aus- Fortschritt in der Kenntnis über die Gattung gestorben.

Abb. 144.4. Rekonstruktion des Körperumrisses. Nach BÖTTCHER & DUFFIN (2000). Abb. 144.1. Haifisch Spheno- dus macer aus dem Egeshei- mer Steinbruch; Länge 76 cm.

Abb. 144.3. Hautzähnchenaus dem Kiemenbereich; Durch- messer eines Hautzähnchens ca. 0,3 mm.

117 4.23 Charakterfossil des Nusplinger Plattenkalks

Ohne Zweifel sind die Haie die auffälligste Fisch- lauern. Sie saugen hierbei ihre Beute blitzartig gruppe im Nusplinger Plattenkalk. Sie verdanken ein und schlingen sie hinunter. Da sich die Nusp- dies hauptsächlich den vielen prachtvoll erhalte- linger Meerengel von den heutigen im Körper- nen Funden des Meerengels Squatina acantho- bau kaum unterscheiden, darf für sie eine ver- derma (Abb. 145). Normalerweise sind Fossilfun- gleichbare Lebensweise angenommen werden. de vollständiger Meerengel äußerst selten. Der Die meisten Nusplinger Meerengel-Funde sind Nusplinger Plattenkalk ist für diese Haigruppe nahezu perfekt erhalten. Sie sind nämlich über- die bei weitem reichste Fundstelle. wiegend noch mit vollständigen Hautumrissen Meerengel sind Haie mit einem rochenähnlich überliefert. Dies hat einen guten Grund. Zum abgeplatteten Körper. Im Gegensatz zu den Ro- einen sind sie im Nusplinger Plattenkalk aufgrund chen sind bei ihnen die Brustflossen nicht mit der Einbettung in eine leicht bituminöse Schicht dem Kopf verwachsen. In diesem Merkmal unter- sehr gut erhalten, zum anderen geht die gute scheiden sie sich nicht von den übrigen Haien. Erhaltung auch darauf zurück, dass die Haut, wie Ihre Körperumrisse sind jedoch deutlich verschie- bei allen Haien üblich, mit zahllosen kleinen Haut- den von den »normalen« Haien. Dies ist durch ihre zähnchen bedeckt ist. spezielle Lebensweise bedingt. Da Meerengel Bei allen Knorpelfischen besitzen die männli- noch heute in den Küstenbereichen der Ozeane chen Tiere an den paarigen Bauchflossen stab- weit verbreitet sind, lohnt es sich, zu Vergleichs- förmige Begattungsorgane. Diese sind auch bei zwecken ein Blick auf die Lebensweise der heuti- den Nusplinger Funden zu erkennen. Mit einer gen Vertreter zu werfen. Die heutigen Meerengel Länge von bis zu 130 Zentimetern für das er- leben leicht eingegraben im lockeren Sediment wachsene Tier sind die Nusplinger Meerengel am Meeresboden, wo sie vorbei schwimmenden recht groß. Aus dem Nusplinger Plattenkalk lie- Fischen, Krebsen und anderen Beutetieren auf- gen Funde in allen Größenstadien vor. Die weite- re Umgebung der Nusplinger Lagune war also ihr Lebensraum, in dem sie sich auch vermehrt haben. Die heutigen Meerengel sind lebendge- bärende Fische, was man wohl auch für die Nus- plinger Vertreter annehmen darf. Die neuen Gra- bungen im Nusplinger Plattenkalk haben bis jetzt zehn weitere Exemplare geliefert. Nimmt man noch die 28 bekannten Altfunde hinzu, so wird klar, dass Squatina tatsächlich das Charakterfos- sil des Nusplinger Plattenkalks ist. Deshalb wur- de die im Jahre 2000/2001 im Museum am Lö- wentor des Stuttgarter Museums gezeigte Son- derausstellung über die Fossilfunde aus dem Nusplinger Plattenkalk und auch dieses Buch »Im Reich der Meerengel« betitelt.

Abb. 145.1. Meerengel Squatina acanthoderma Blick > auf die Bauchseite, männliches Tier mit paarigen Ge- schlechtsorganen an den Bauchflossen. Nusplinger Steinbruch; Länge 113 cm. Abb. 145.2. Jungtier des Meerengels Squatina acan- thoderma aus dem Nusplinger Steinbruch; Länge ca. 40 cm. Abb. 145.3. Die Haut des Meerengels Squatina acan- Abb. 145.4. Kopfregion des thoderma (Exemplar von Abb. 145.4) ist von zahlrei- Meerengels Squatina acan- chen Zähnchen bedeckt. Neben der Wirbelsäule sind thoderma aus dem Nusplin- auch plättchenartige Strukturen zu erkennen, bei denen ger Steinbruch in Rückenan- es sich um fossile Knorpelsubstanz handelt; Durch- sicht; Breite 15 cm. messer eines Hautzähnchens ca. 0,5 mm.

118 119 4.24 Heute ein »lebendes Fossile«

Keineswegs selten, aber leider oft sehr stark zerfal- tene Fund aus dem Nusplinger Plattenkalk ge- len sind die Funde von Quastenflossern im Nusp- hört zur großwüchsigen Art Coccoderma suevi- linger Plattenkalk. Als Fossilien sind die Quas- cum (Abb. 146). Er ist fast vollständig, aber von tenflosser schon lange bekannt. Entsprechende einem Fressfeind in der hinteren Körperhälfte Funde wurden sowohl in Schichten des Erdalter- gebissen und dabei tödlich verletzt worden. Zwei tums (Paläozoikum) als auch des Erdmittelalters Flossen sind beim Angriff verlorengegangen, (Mesozoikum) gemacht. Man glaubte früher, dass zahlreiche Knochen zerknackt. Im Bereich der es sich bei ihnen um eine ausgestorbene, alter- Bissstelle ist der Körper rechtwinklig abgeknickt. tümliche Fischgruppe handelte. Im Jahre 1938 Diese Art ist mit einer Länge von 70 Zentimetern gelang zur Überraschung aller Zoologen und Pa- relativ groß. Vielleicht wurde dieser Quastenflos- läontologen erstmals der Nachweis von heute ser von Meereskrokodilen wie dem Geosaurus noch lebenden Quastenflossern der Gattung La- gejagt. Die Art Coccoderma suevicum wurde von timeria vor der Küste von Südafrika. Später konn- QUENSTEDT anhand eines Nusplinger Fundes auf- ten bei der Inselgruppe der Komoren im Indi- gestellt. Deshalb darf man auch sie als eine Spe- schen Ozean weitere Exemplare gefangen wer- zialität des Nusplinger Plattenkalks und damit der den. Sie unterscheiden sich nur wenig von den Nusplinger Lagune bezeichnen. fossilen Formen. Erst kürzlich wurde noch eine Von einer anderen Quastenflosser-Art liegt weitere Art, Latimeria menadoensis, im Indopa- ein isolierter Schädel vor, an dem besonders zifik bei Sulawesi (Indonesien) entdeckt27. Quas- deutlich die kräftigen Schädelknochen studiert tenflosser unterscheiden sich von den übrigen werden können. Auch hier hat ein Fressfeind Knochenfischen darin, dass die meisten ihrer zugebissen und den Schädel vom Körper abge- Flossen auf einer Art Stiel sitzen und somit das trennt. Ganze einer Quaste ähnelt. Der am besten erhal-

Abb. 146.2. Isolierter Schä- del des Quastenflossers Un- dinapenicillata aus dem Nus- plinger Steinbruch; Länge 13,5 cm.

120 Abb. 146.1. Quastenflosser Coccoderma suevicum. Das Individuum ist im Bereich des Körperknicks gebissen worden. Nusplinger Steinbruch; Länge etwa 70 cm.

121 4.25 Der Seeigel-Knacker

Unter den Fischen des Nusplinger Plattenkalks Weichkörper heranzukommen. Im Nusplinger zählt die Art Gyrodus circularis (Abb. 147) zu den Plattenkalk jedenfalls hat er sich wohl auch der Exoten. Nur zwei Exemplare, darunter ein voll- Seeigel als einer willkommene Nahrungsquelle ständiger Altfund aus der Sammlung von OSKAR bedient. Seinem Gebiss wäre dies jedenfalls zu- FRAAS, die 1855 an das damalige Königliche Na- zutrauen. Ein unvollständiger Fund eines Gyro- turalienkabinett gelangte, sind bis jetzt aus dem dus aus den neu entdeckten Plattenkalken von Nusplinger Plattenkalk bekannt geworden. Der Brunn bei Regensburg weist als Mageninhalt See- scheibenförmige Gyrodus war nämlich eher ein igelreste auf. Deshalb darf man wohl zu Recht typischer Bewohner der Korallenriffe. Mit seinem davon ausgehen, dass diese Art für die vielen Fflasterzahn-Gebiss, das aus vielen rundlichen zerbissenen Seeigel im Nusplinger Plattenkalk Zähnen besteht, dürfte er sich bevorzugt mit verantwortlich ist. In den Schwammriffen am hartschaliger Nahrung abgegeben haben. In den Rand der Nusplinger Lagune waren Seeigel si- Korallenriffen könnte er, ähnlich wie die heutigen cher recht häufig. Nachdem er dieselben zer- Drückerfische, an den Korallen geknabbert ha- knackt und zerbissen hatte, trug er sie wohl noch ben. Auch Muschelschalen dürften für ihn kein eine Weile im Maul herum, um sie dann draußen Problem dargestellt haben. Vielleicht hat er auch in der Lagune wieder auszuspeien. Ammonitengehäuse aufgeknackt um an den

Abb. 147.2. Detail vom Knackzahn-Gebiss; Durchmesser eines Zahns 3-4 mm.

122 Abb. 147.1. Der Schmelzschuppen-Fisch Gyrodus circularis, ein Altfund von 0. FRAAS aus dem Nusplinger Steinbruch; Länge 60 cm.

123 4.26 Ein Schuppenkleid wie ein Panzer

Abb. 148. Schmelzschuppen- Fisch Furo aldingeri-, Kopf und Flossen sind vor der Einbet- Nur ein einziges Mal kam bisher der hechtartig Auch die seitlich abstehenden Flossen und die tung zerfallen, aber der stabi- schlanke Ganoidschmelzschupper Furo aldingeri Schwanzflosse sind weitgehend zerfallen. Ver- le Schuppenkörper ist noch zum Vorschein (Abb. 148). Diese Fischart wurde mutlich lag der Fisch noch kurze Zeit am Grund, im Verband geblieben. Nusp- ursprünglich aus Plattenkalk-artigen Weißjura- sodass bereits eine Verwesung einsetzte, ehe linger Steinbruch; Länge ca. Ablagerungen von Erpfingen auf der Reutlinger sich eine neue Kalkschlammschicht darüberleg- 28 cm. Alb beschrieben13 und nach dem Fischspeziali- te. Bedingt durch die recht schnelle Verfestigung sten HERMANN ALDINGER (1902-1993) benannt, der des Kalkschlicks wirkt der Fisch noch recht plas- die Tübinger Grabung des Jahres 1929/30 im tisch. Furo aldingeri war nach seinem kräftigen Nusplinger Plattenkalk geleitet hatte. Wie viele Gebiss und der schlanken Körperform zu urteilen andere Nusplinger Fischfossilien war auch dieser sicherlich ein Räuber, der sich von kleineren Fi- Fund zunächst nur im Querbruch einer dickeren schen ernährt haben dürfte. Die beiden Funde Kalkplatte erkennbar. Der Panzer aus glänzenden aus Erpfingen und Nusplingen zeigen, dass diese Ganoidschuppen hielt wie ein Schlauch zusam- Fischart in den oberjurassischen Schwamm-Al- men, während der Kopf in seine einzelnen Kno- gen-Riffen wohl weiter verbreitet war, aber eben chen zerfiel. Dies ist für die wissenschaftliche nur ausnahmsweise fossil überliefert wurde. Aus Bearbeitung eher ein Vorteil, weil man dann die den Solnhofener Plattenkalken ist diese Art bis- einzelnen Knochen besser untersuchen kann61. her nicht bekannt.

124 4.27 »Eine Meise war schuld«

Abb. 149. Schmelzschuppcn- Fisch Furo micro/epidolus Die Fundgeschichte dieses Fisches der Gattung fläche im Querbruch eine verdächtige, braunge- aus dem Nusplinger Stein- Furo ist außergewöhnlich. Eigentlich sollte die färbte Struktur. Nachdem auch dieses Platten- bruch; Länge ca. 40 cm. Grabungsfläche durch einen Baggereinsatz er- kalk-Paket freigelegt und vorsichtig abgebaut weitert werden, doch blieb der bestellte Bagger worden war, zeigte es sich, dass dort gerade der durch ein Missverständnis aus. Zum Graben blie- Anschluss an den schon geborgenen Teil vorlag. ben an diesem Frühlingstag im Jahr 2000 nur Deutlich war sogar durch eine dickere Kalklage noch wenige Alternativen. An einer Stelle mus- hindurch bereits der Kopf mit seinen kräftig be- ste das Graben sogleich wieder abgebrochen zahnten Kiefern zu erkennen. Nach einer mehr- werden, da sich herausstellte, dass ein Kohlmei- wöchigen Präparation kam schließlich dieser nur senpärchen just dort in einer natürlichen Höhle leicht zerfallene, 40 Zentimeter lange Raubfisch in altem Abraum sein Nest angelegt hatte und ob zum Vorschein, der als Furo microlepidotus be- der Störung heftig zeterte. Etliche Meter dane- stimmt werden konnte (Abb. 149). Für den Nus- ben gelang dann aber doch das Freilegen eines plinger Plattenkalk ist dies zwar nicht der erste größeren Plattenkalkpakets. Beim Aufspalten Nachweis dieser Fischart aus der Gruppe der zeichneten sich plötzlich auf einer Fläche deutli- Schmelzschupper, aber mit Abstand das attrak- che Umrisse eines Fischkörpers mit der gegabel- tivste Stück. ten Schwanzflosse ab. Der Rest des Fischs mit Wie man aus dieser Fundbergung ersehen dem Kopf schien leider bereits früherem Abbau kann, gab es nur Gewinner. Die Meisen behielten zum Opfer gefallen zu sein. Eine Überprüfung ihr Nest und konnten weiter brüten; die Ausgrä- benachbarter, noch stehengebliebener Platten- ber hielten ein fantastisches Fossil in den Hän- kalkpakete ergab dann allerdings auf einer Kluft- den.

125 4.28 Im Kalkschlick eingesunken

Fische sind im Nusplinger Plattenkalk nicht allzu noch ein Stück über den Kalkschlick hinausragte, selten, aber in den meisten Fällen stärker zerfal- ist stark zerfallen. Merkwürdig sind zwei neben- len. Dies gilt meistens auch für die Schmelz- einander befindliche Löcher im Schuppenpan- schupper mit ihren dicken, glänzenden Ganoid- zer, durch die die Rippen sichtbar werden. Die schuppen. Der vorliegende Fisch (Abb. 150.1) Brustflossen, die in diesem Bereich gesessen stellt davon allerdings eine Ausnahme daf. Er haben müssen, fehlen. Die einzig mögliche Er- gehört zur Gruppe der Pholidophoriden, die der- klärung dafür ist, dass es sich um eine Bissverlet- zeit von der am Berliner Naturkundemuseum tä- zung handelt. Der tödlich verletzte Fisch wurde tigen Fischspezialistin GLORIA ARRATIA neu bear- jedoch von seinem Fressfeind nicht gleich ver- beitet werden. Die Präparation dieses Stücks er- schluckt, sondern sank zum Meeresboden ab. folgte von der Schichtunterseite her. Wir blicken Dadurch war er dem nochmaligen Zugriff des hier auf die Bauchseite des Fischs. Üblicherwei- Räubers entzogen. Der Kalkschlick zementierte se liegen derartige Fische auf der Seite. In unse- anschließend rasch aus, sodass der Fisch kaum rem Fall war der Fisch mit dem stark verknöcher- verdrückt und ausgesprochen plastisch erhalten ten Kopf voran in den offenbar besonders wei- ist. Zum Vergleich zeigen wir noch ein weiteres chen Kalkschlick eingesunken. Dadurch blieb der Exemplar derselben Fischgruppe, das stark zer- Kopf und das Schuppenkleid mit den ansitzen- fallen ist, weil es nicht sogleich von Kalkschlick den Bauchflossen komplett erhalten. Lediglich überdeckt wurde (Abb. 150.2). die Schwanzflosse, die bei der Einbettung wohl Abb. 150.1. Blick auf die Bauchseite des senkrocht eingebetteten Schmelzschuppen-Fischs »Pho/idophoras« sp. aus dem Nusplinger Steinbruch; Länge 12 cm.

Abb. 150.2. Vor cfer endgültigen Einbettung arr Meeresboden zerallener Schmclzschuppen-Fisch Siemcnsichtys macrocephalus. Nusp'inger Steinbruch; Lange ca. 17cm.

127 4.29 Ein gefürchteter Räuber

Unter den Funden von Reptilien aus dem Nusp- aus dem Posidonienschiefer (Schwarzer Jura ep- linger Plattenkalk sind eigentümliche Meereskro- silon) nach unten abgeknickte Schwanzwirbel- kodile besonders spektakulär. Diese haben zur säule endete wie bei letzteren in einer senkrecht Oberjura-Zeit mit Geosaurus suevicus echte gestellten Schwanzflosse. Wie groß der obere Hochseeformen hervorgebracht (Abb. 151). Der Abschnitt der Schwanzflosse ursprünglich war, Artname »suevicus«, der auf das Vorkommen im wissen wir allerdings nicht, da von Geosaurus Schwäbischen Jura hinweist, besitzt heute noch keine Hauterhaltung bekannt ist. Die auffallend Berechtigung, da man diese Art bis jetzt nur aus lang ausgebildeten Dornfortsätze im entsprechen- dem Nusplinger Plattenkalk kennt. Sie konnte den Bereich der Schwanzwirbel lassen jedoch eine Länge von mindestens zwei Metern errei- auf eine derartige Schwanzflosse schließen. Im chen, wie anhand des Stuttgarter Exemplars er- Gegensatz zu den meerlebenden Krokodilen der sichtlich ist. Bis heute kennt man von dieser Art älteren Jura-Zeit ist der Hautpanzer aus Kno- neben dem Stuttgarter Fund außer wenigen Ein- chenplatten vollständig zurückgebildet worden. zelknochen und Zähnen noch zwei weitere, aber Das Gebiss von Geosaurus besteht aus schlan- etwas unvollständigere und kleinere Exemplare, ken, spitzen Zähnen mit einer seitlichen Schnei- die im Tübinger Institut ausgestellt sind8. Diese de und weist ihn als Räuber aus, der in der beiden Tübinger Stücke stammen noch aus der Nusplinger Lagune nur noch vom gewaltigen aktiven Zeit von QUENSTEDT und wurden in der Krokodil Dacosaurus maximus an Größe über- Mitte des 19. Jahrhunderts geborgen30. Das Stutt- troffen wurde. Bei einem der Tübinger Altfunde garter Stück wurde erst gegen Ende des 19. von Geosaurus ist noch der unverdaute Magen- Jahrhunderts bei den Grabungen des Bonner inhalt in Gestalt von Resten der Wirbelsäule ei- Mineralienhändlers STÜRTZ gefunden. Über des- nes Hais, vielleicht eines Meerengels, erkennbar. sen Fundgeschichte wurde schon auf S. 19 aus- Viele der ovalen, phosphoritischen Koprolithen führlicher berichtet. stammen wohl von Geosaurus und zeigen, dass Geosaurus suevicus besaß eine schmale sich dieses Meereskrokodil regelmäßig in der Schnauze sowie eine ausgesprochen schlanke, Nusplinger Lagune aufhielt. Ob Geosaurus zur grazile Umrissform. Die Extremitäten waren in Eiablage irgendwelche Küsten aufsuchte oder perfekter Anpassung an die Lebensweise auf of- wie die Ichthyosaurier vielleicht sogar lebendge- fener See zu Paddeln umgestaltet, und die lange, bärend war, wissen wir freilich nicht. ebenso wie bei den Fischsauriern (Ichthyosaurier)

128 Abb. 151.1. Meereskrokodil Geosaurus suevicus aus dem Nusplinger Steinbruch; Länge 1,8 m.

Abb. 151.2. Lebensbild des Meereskrokodils Geosaurus suevicus von M. WILD, Kulmbach.

129 4.30 König der Lüfte zur Jura-Zeit

Zur Gattung Rhamphorhynchus gehören der un- Fluges gedient haben. Demnach war Rham- vollständig geborgene Fund von OSKAR FRAAS phorhynchus ein geschickter Flieger, was auch (Abb. 13) und das Tübinger Exemplar aus der für die beiden Nusplinger Arten angenommen STüRTZ'schen Grabung (Abb. 152). Sie ist seit werden darf. Der gut erhaltene Tübinger Fund der oberen Trias (ca. 200 Millionen Jahre vor von Rhamphorhynchus longiceps gehört zu ei- heute) bekannt und hat somit schon eine lange ner Art, die die größten Exemplare der Gattung Evolutionsgeschichte hinter sich. Ihre letzten Ver- hervorgebracht hat. Sie erreichten eine Flügel- treter erreichten nicht mehr die Wende vom Jura spannweite von bis zu 1,75 Metern. Der relativ zur Kreide-Zeit. Die jüngsten bekannten Funde große, spitz zulaufende Schädel saß auf einem langschwänziger Flugsaurier stammen aus den kräftigen, kurzen Hals. Im Schädel stecken lange, Mörnsheimer Schichten, die die Solnhofener spitze Zähne, die leicht nach vorne gekrümmt Plattenkalke überlagern. Anhand der zahlreichen sind. Das Gebiss weist Rhamphorhynchus lon- Solnhofener Funde und auch derjenigen aus dem giceps als einen Fischräuber aus. Die Rham- Nusplinger Plattenkalk wissen wir recht gut Be- phorhynchiden dürften auf den Inseln um die scheid über das Aussehen dieser Flugsaurier- Nusplinger Lagune gelebt und ihre Jungen groß- Gattung. Besonders charakteristisch ist der lange gezogen haben. Von dort aus starteten sie auch Wirbelschwanz, sozusagen ein Erbe der landrep- zu ihren Beuteflügen auf das offene Meer oder in tilischen Vorfahren. Am Ende dieses langen die Nusplinger Lagune. Dass sie selbst auch Op- Schwanzes war zu Lebzeiten ein rhombisches fer von anderen Räubern werden konnten, be- Schwanzsegel ausgebildet, wie besonders gut weist ein im Nusplinger Plattenkalk gefundener erhaltene Funde aus den Plattenkalken der Süd- Speiballen mit entsprechenden Knochenresten, lichen Frankenalb belegen. Dieses Schwanzse- der auf S. 68 ausführlicher vorgestellt wird. gel dürfte sicherlich der Steuerung während des Abb. 152. Langschwanz-Flug- saurier Rhamphorhynchus lon- giceps aus Asm Nusplinger Stein- bruch. Altfund aus der Grabung STÜRTZ im Tübinger Institut; Schädellänge 18 cm.

131 4.31 Die ältesten Kurzschwanz-Flugsaurier

Die Kurzschwanz-Flugsaurier (Pterodactyliden) (S. 14). Der Pterodactylus longicollum kam in umfassen mehrere Gattungen. Aus dem Nusplin- der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an das ger Plattenkalk können zwei Arten, die jeweils zu Königliche Naturalienkabinett in Stuttgart. Über einer eigenen Gattung gehören, angeführt wer- seinen Weg nach Stuttgart weiß man nichts Ge- den. Es sind dies ein Exemplar des Flugsauriers naues. Beide Funde aus dem Nusplinger Platten- Gal/odacty/us suevicus (Abb. 14), das in der Mit- kalk gehören zu den erdgeschichtlich ältesten te des 19. Jahrhundert von QUENSTEDT für die bekannten Funden der Kurzschwanz-Flugsaurier Tübinger Universität erworben wurde und ein und liegen damit zeitlich gesehen noch vor den Pterodactylus longicollum (Abb. 153). Der Weg Funden aus den Solnhofener Plattenkalken, da des zuerst genannten Fundes nach Tübingen letzterer jünger ist als der Nusplinger Plattenkalk. wurde von QUENSTEDT ausführlich beschrieben Auch der bekannte Flugsaurier-Spezialist PETER WELLNHOFER aus München bezeichnete die Ptero- dactylus-Funde von Nusplingen und Solnhofen als die frühesten Nachweise dieser Gruppe, die allerdings schon eine längere stammesgeschicht- liche Entwicklung durchlaufen haben müssen, von der man bis jetzt noch keine Dokumente kennt. Aufgrund der Ähnlichkeit mit den Rham- phorhynchiden vermutete WELLNHOFER eine Ab- spaltung von dieser Gruppe im Unter- oder im Mitteljura. Bei dem Nusplinger Pterodactylus longicol- lum, die Art ist auch aus den Solnhofener Plat- tenkalken nachgewiesen, ist einerseits die Leicht- bauweise des Schädels und andererseits die Län- ge des Halses besonders auffällig. Lange, spitze Zähne kennzeichnen diesen Flugsaurier eben- falls als einen Fischräuber. Das Nusplinger Exem- plar dürfte eine Flügelspannweite von etwa 1,5 Metern gehabt haben. Es gehört nicht nur zu den schönsten und vollständigsten Flugsaurier-Fun- den aus dem Nusplinger Plattenkalk, sondern Abb. 153.2. Lebensbild des Kurzschwanz-Flugsauriers Pterodactylus longicollum. auch zu den schönsten seiner Art.

Abb. 153.3. Detailbild vom Schädel des Kurzschwanz- Flugsauriers Pterodactylus longicollum (Exemplar von Abb. 153.1).

132 Abb. 153.1. Kurzschwanz-Flug- saurier Pterodactylus longicol- lum. Altfund des Stuttgarter Museums aus dem Nusplinger Steinbmch; Schädellänge 22 cm.

133 4.32 Lumbricaria - ein Rätsel wird aufgelöst

Auf vielen Schichtflächen des Nusplinger Plat- ausgestoßene Därme von Seegurken handelt, tenkalks kommen merkwürdige, wurmförmige da eine Lumbricaria unmittelbar neben einem Häufchen vor, die man als »Lumbricaria« (von als Seegurke gedeuteten Fossil lag. Inzwischen lat. lumbricus = Regenwurm) bezeichnet (Abb. hat sich jedoch herausgestellt, dass die vermeint- 154). Bei seiner ersten Begegnung mit dem Nus- liche Seegurke in Wirklichkeit ein Weichschwamm plinger Plattenkalk fielen FRIEDRICH AUGUST QUEN- ist und folglich mit der daneben liegenden Lum- STEDT diese Lumbricarien sogleich auf, und er bricaria nichts zu tun haben kann. Die Deutung schloss daraus nicht nur auf einen größeren Fos- als Kot konnte immerhin dadurch bewiesen wer- silreichtum, sondern auch auf das Vorkommen den, indem genauere Untersuchungen zeigten, von Fischen, was er durch den Fund isolierter dass die Lumbricarien fast ausschließlich aus Schuppen sogleich bestätigtfand. QUENSTHDT hielt den Skelettelementen freischwimmender Seeli- demnach Lumbricaria für Fischkot. Auch andere lien der Gattung Saccocoma bestehen. Wissenschaftler, wie der bekannte Fossilien- Wer aber war nun der Saccocoma -Fresser? sammler GEORG Graf zu MÜNSTER (1776-1844) Es muss sich um Tiere gehandelt haben, die sich aus Bayreuth, hatten bereits vermutet, dass es fast ausschließlich von diesen Seelilien ernährt sich um den Kot irgendwelcher Tiere handle12, hatten. Bei Lumbricaria-Funden aus den Soln- also keinesfalls um einen Wurm, wie man ur- hofener Plattenkalken wurden neben Fischen sprünglich angenommen hatte. Die Häufchen auch Kopffüßer in Betracht gezogen - schließlich erinnern durchaus an den Kot heutiger Schlick- gehören Kopffüßer neben Fischen dort zu den würmer. In den feingeschichteten Plattenkalken häufigeren Fossilien. Aus dem Nusplinger Plat- mit Lumbricaria kommen aber keine Wurmbau- tenkalk liegen inzwischen eine Anzahl von be- ten vor, sodass diese Deutung ausscheidet. Ein dornten Ammoniten der Gattung Physodoceras Fund aus den Solnhofener Plattenkalken schien vor, die nicht nur mit ihren Kieferelementen, son- darauf hinzudeuten, dass es sich vielleicht um dern auch noch den Resten ihrer letzten Mahlzeit eingebettet wurden. Dieser Kröpf- oder Magen- inhalt besteht ebenso wie die Lumbricarien aus Saccocoma-Resten. Eine gleichartige Beobach- tung an einem Nusplinger Physodoceras-tunA wurde bereits von den Hamburger Paläontolo- gen ULRICH LEHMANN und WOLFGANG WEITSCHAT gemacht20. Es dürfte damit feststehen, dass es sich bei Lumbricaria um Ammonitenkot handelt. Offenbar wurde der Kot dieser Ammoniten im Darmtrakt eingeschleimt und dicht über dem Meeresboden abgesetzt - ein Hinweis darauf, dass diese Ammoniten in der Nusplinger Lagune lebten und auch mit den dort herrschenden sau- erstoffarmen Bedingungen zurechtkamen. Dies erscheint bei langsam schwimmenden Tieren, die sich von Plankton ernähren, durchaus vor- stellbar. Zur Nahrungsaufnahme begaben sie sich sicherlich in die gut durchlüfteten höheren Was- serschichten, wo ihre Beute lebte. Eine Bestäti- gung der Ammonitengattung Physodoceras (und verwandter Aspidoceraten) als Erzeuger von Lum- bricaria ergibt sich außerdem aus einer überein- stimmenden Verbreitung in oberjurassischen Plat- tenkalken. Abb. 154.2. Lumbricaria intestinum; Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 10 cm.

134 Abb. 154.1. Gesteinsplatte, die mit dem Ammoniten-Kot Lumbricaria übersät ist. Nusplinger Steinbruch; Aus- schnittsbreite ca. 15 cm.

Abb. 154.3. Lumbricaria gordialis; Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 6 cm.

135 4.33 »Leuchtende« Fossilien

Unter ultraviolettem Licht (UV-Licht) versteht man ten unter dem UV-Licht ebenfalls stark auf und eine kurzwellige, energiereiche Strahlung. Ver- lassen dabei feinste Details erkennen (Abb. 155). schiedene Mineralien werden zum Beispiel durch Bei ihnen fluoresziert besonders der Magnesi- diese Strahlung zum Leuchten angeregt. Dieser um-reiche Kalkspat von Stachelhäutern (z.B. See- Vorgang wird als Fluoreszenz bezeichnet. Sieikann igel, Schlangensterne und Seelilien) sowie das durch geringe Gehalte von Spurenelementen (z.B. Kalziumphosphat von Krebspanzern und Kno- Eisen, Mangan, Seltene Erden), die in das Kristall- chen von Fischen und anderen Wirbeltieren. Bei gitter der Mineralien eingebaut sind, hervorgeru- Ammoniten leuchtet der Siphonalstrang beson- fen werden. ders auffällig. Die Betrachtung unter UV-Licht ist Schon seit langer Zeit kennt man den Fluo- eine wichtige Methode zur Erkennung von mor- reszenzeffekt bei Fossilien aus den Solnhofener phologischen Details insbesondere bei vielen Fos- Plattenkalken. Viele Nusplinger Fossilien, die bei silien aus den Plattenkalken. normalem Licht eher unscheinbar wirken, leuch- Abb. 155.2. UV-Licht-Foto eines Häutungshemdes des Breit- schildkrebses Cycleryon propinquus. Nusplinger Steinbruch; Länge 16cm.

Abb. 155.1. Unter UV-Licht leuchtet bei dem Ammoniten Litha- coceras ulmense besonders auffällig der Sipho. Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 17 cm.

137 Abb. 155.2. UV-Licht-Foto eines Häutungshemdes des Breit- schildkrebses Cycleryon propinquus. Nusplinger Steinbruch; Länge 16cm.

Abb. 155.1. Unter UV-Licht leuchtet bei dem Ammoniten Litha- coceras ulmense besonders auffällig der Sipho. Nusplinger Steinbruch; Durchmesser 17 cm.

137 4.34 Ein alter Traum wird wahr

Mit der Erfindung des Lithografiedruckverfahrens durch ALOIS SENEFELDER (1771-1834) im Jahr 1798 wurden die Solnhofener Plattenkalke mit einem Mal zu einem weit über die Region der Südlichen Frankenalb hinaus gefragten Produkt. Im damals bitter armen Agrarstaat Württemberg hätte man sich nur zu gerne auch eine derartige Rohstoff- Quelle erschlossen. QUENSTEDTS Bericht über den Fund von Plattenkalken bei Nusplingen erregte deswegen sicherlich großes Interesse. Besonders OSKAR FRAAS, dem Pfarrer aus Laufen, lag nicht nur das Seelenheil seiner Gemeinde am Herzen, sondern auch das viel dringlichere Problem von Hunger und Armut. Er hoffte deswegen einen Unternehmer zu finden, um den Nusplinger Plat- tenkalk für Lithografiezwecke auszubeuten, wobei dann sozusagen als Nebenprodukt noch die in- teressanten Fossilien zum Vorschein kämen. Auch Abb. 156.2. Eine angeschliffene und polierte Gesteins- platte aus dem Nusplinger Plattenkalk liegt bereit für Graf WILHELM VON WÜRTTEMBERG, der damalige Vor- den Lithografie-Druck. sitzende des Vereins für vaterländische Naturkun- de, ließ sich von der Begeisterung anstecken und warb für den Nusplinger Plattenkalk als potentiel- freilich weder bei Böhringen noch in Nusplingen len Lithografiestein. Ein Unternehmer fand sich den erhofften Erfolg brachten, weswegen dieses dann tatsächlich in dem Stuttgarter CHRISTIAN FUCHS, Unternehmen scheiterte. Eine französische Fir- der aber nicht nur in Nusplingen, sondern auch ma versuchte jedoch trotz dieses Fehlschlags auf der mittleren Schwäbischen Alb bei Römer- erneut, im Nusplinger Plattenkalk Lithografiestei- stein-Böhringen nach Lithografieplatten graben ne zu gewinnen. Offenbar glaubte man, in größe- ließ. Der heutige Flurname »Fuchslöcher« beim rer Tiefe günstigeres Material anzutreffen. Dabei Römerstein geht auf diese Versuche zurück, die stieß man immerhin auf eine Kalkbank, die man polieren konnte und die man aufgrund ihrer attrak- tiven Musterung als Marmor für den Neubau des Louvre in Paris verwenden wollte. Nachdem die Hoffnungen alle unerfüllt blieben, mußte man schließlich annehmen, dass der Nusplinger Plat- tenkalk für Lithografiezwecke unbrauchbar sei. Im Sommer 2000 stießen wir bei unserer Gra- bung wieder einmal auf eine dicke Kalkbank, die einen Baggereinsatz notwendig machte. Da die Oberseite dieser Kalkbank sehr feinkörnig ist, hatten wir die Idee, mit dieser das Lithografieren wenigstens einmal zu versuchen. Die nötige In- frastruktur dazu stellte GOTTHILF FISCHER (Holzma- den) zur Verfügung. Schon die ersten Versuche zeigten, dass diese Kalkbank den Solnhofener Lithografieplatten an Qualität nicht nachsteht und sich zu Druckplatten verarbeiten lässt. Im Juli 2001 konnten im Museum des Urweltsteinbruchs Holzmaden Lithografiedrucke mit dem Motiv der Nusplinger Friedhofskirche in Serie hergestellt werden (Abb. 156). So wurde nun nach 150 Jah- ren ein Traum wahr: Lithografien mit dem Nusp- Abb. 156.3. Lithografie-Druck mit einer alten Druckmaschine in einer Halle des Urwelt- steinbruch-Museums von Holzmaden. linger Plattenkalk!

138 Abb. 156.1. Die ehemalige Friedhofskirche St. Peter und Paul in Nusplingen. Erster Li- thografie-Druck mit Nusplin- ger Plattenkalk, angefertigt im Juli 2001! Motivgestaltung N. Edel, Druck H. Ulrich.

139 Dank

Ganz besonderer Dank gebührt in erster Linie und Paläontologie der Universität Tübingen foto- unseren ehrenamtlichen Mitarbeitern HOLGER und grafieren und entleihen zu dürfen, danken wir Dr. JÖRN DIETL (Stuttgart), ROLF HUGGER (Albstadt-Onst- ALEXANDER LIEBAU. Für die kritische Durchsicht mettingen), BURKHART RUSS (Nusplingen), ARMIN des Manuskripts danken wir Dr. GÜNTER BECHLY SCHERZINGER (Immendingen-Hattingen) und AU- und Dr. RONALD BÖTTCHER. ROTRAUD HARLING fertig- GUST ILG (Düsseldorf) sowie unseren Präparato- te einen großen Teil der fotografischen Doku- ren MARTIN KAPITZKE, MARKUS RIETER, OLAV MAASS, mentation der Fossilien und einige Geländefotos HARM-UWE FLÜGGE, FALK-HORST EPPING. Ohne ihren an. Weitere Fotos und Informationen dazu ver- Einsatz wäre weder der Erfolg der Grabung noch danken wir den im Bildnachweis genannten dieses Buch zustande gekommen. OLGA DIETL Personen. Frau BARBARA BECHTHOLD danken wir entwickelte für die Erfassung der Nusplinger Fun- für die Lebensbild-Rekonstruktionen. Den Bür- de die Datenbank »NUSPL«. Dr. RONALD BÖTTCHER germeistern ALFONS KÜHLWEIN (Nusplingen) und stand uns bei der Bestimmung der Fischneufun- JOSEF BÄR (Egesheim) danken wir für die Gast- de zur Seite und beteiligte sich außerdem tatkräf- freundschaft in ihren Gemeinden. tig an der Grabung und bei der Präparation von Eine wesentliche Hilfe waren verschiedene Fischen. Dank der immerwährenden Gastlichkeit Geld- und Sachspenden, für die wir uns an dieser der Eheleute IRMGARD und BURKHART RUSS fand Stelle besonders bedanken möchten. Nicht ver- mancher Grabungstag seinen angenehmen Aus- gessen sei natürlich auch die vielfältige Unter- klang in deren freundlicher Wohnstube. Letzterer stützung und Ermunterung durch Kollegen des überließ uns freundlicherweise in seinem Besitz Stuttgarter Naturkundemuseums. Unserem Ver- befindliche Unterlagen und original Nusplinger leger Dr. FRIEDRICH PFEIL danken wir für die hervor- Steingut und bemühte sich um den Ankauf von ragende Ausstattung dieses Buchs. Besonders Grundstücken für zukünftige Grabungen. Weite- danken möchten wir schließlich der Deutschen re historische Unterlagen aus dem Archiv der Forschungsgemeinschaft für ihre großzügige fi- Universiät Tübingen stellte Prof. Dr. FRANK WEST- nanzielle Unterstützung der wissenschaftlichen PHAL zur Verfügung. Für die Genehmigung, Stü- Auswertung der neuen Grabungen (Projekt DI cke aus der Sammlung des Instituts für Geologie 680/1).

140 Literatur

1 ALDINGER, H. (1930): Über die Entstehung der Kalk- Lagerungen der Gebirgsarten in beiden Erdhälften; schiefer des oberen Weißen Jura von Nusplingen Straßburg]. in Württemberg. - Cbl. Mineral., Geol. Paläont., 17 KNEBEL, W. VON (1907): Die Eryoniden des oberen Abt. B, 1930: 257-267; Stuttgart. Weissen Jura. - Arch. Biontologie, 2/2: 193-233; 2 ARRATIA, G. (2000): New teleostean fishes from the Berlin. of southern Germany and the systematic 18 KURR, J. G. (1846): Beiträge zur fossilen Flora der Problems concerning the >pholidophoriforms<. - Juraformation Württembergs. 21 S.; Stuttgart (Gut- Paläont. Z„ 74: 113-143; Stuttgart. tenberg). 3 BEURLEN, K. (1928): Die Decapoden des Schwäbi- 19 LEHMANN, U. 6 KULICKI, C. (1990): Doublefunction of schen Jura mit Ausnahme der aus den oberjurassi- aptychi (Ammonoidea) as jaw elements and oper- schen Plattenkalken stammenden. - Palaeontogra- cula. - Lethaia, 23: 325-331; Oslo. phica, 70: 115-278; Stuttgart. 20 LEHMANN, U. & WEITSCHAT, W. 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143 Bildnachweis

G. Bantel, Birenbach: Abb. 46. Dr. M. Krautter, Stuttgart: Abb. 125.3. Dr. G. Bechly, Stuttgart: Abb. 137.2. H. Lumpe, Stuttgart: Abb. 7,9,20-21,80,82,147.1,155. B. Bechthold, Stuttgart: Abb. 53-56. Prof. Dr. A. Mayer-Gürr, Bad Urach: Abb. 22, 23. Dr. G. Bloos, Stuttgart: Abb. 35. Prof. Dr. H.-R Schultze, Berlin: Abb. 24. Dr. R. Böttcher, Stuttgart: Abb. 102, Abb. 144.3-4,)Abb. Dr. G. Schweigert, Stuttgart: Abb. 2-6,12,28,30,37-39, 145.3-5. | 40-45, 47, 49-52, 57-60, 62-73, 75-77, 79, 84-85, 87-88, Dr. G. Dietl, Stuttgart: Abb. 8, 25-27, 31, 121,12711. 91-98, 100-101, 103, 105-106, 109-110, 112-118, 120- O. Dietl, Stuttgart: Abb. 11, 13,18-19, 36. 123.1, 124.2, 125.1-2, 125.4, 126, 127.2-5, 130, 131.2-3, W. Gerber, Tübingen: Abb. 74. 132-134.2,134.4-136.2, 138-143,146.2,148-150.1, 152, W. Harre, Berlin: Abb. 81. 153.1, 153.3, 154, 156. R. Harling, Stuttgart: Abb. 14-17, 29, 32-34, 48, 61, 78, Stadtarchiv Stuttgart: Abb. 10. 83, 86, 89-90, 99, 104, 107-108, 111, 119, 123.2, 128- H. Tischlinger, Stammham: Abb. 137.1. 129, 131.1, 134.3, 144.1-2, 145.1-2, 146.1,147.2,150.2- Verlag Dr. F. Pfeil: Abb. 1, 35. 151, 153.2. Dr. P. Zügel, Frankfurt: Abb. 124.1 Das Leben und Sterben im Jurameer Südwestdeutschlands, vor 150 Millionen Jahren, hat wohl kaum irgendwo so eindrucksvolle Spuren hinterlassen wie in den plattigen Kalk-Ablagerungen bei Nusplingen auf der südwestlichen Schwäbischen Alb, unweit des Oberen Donautals. Seit der Entdeckung im Jahr 1839 hat es an Versuchen nicht gemangelt, den reichen Schatz an Versteinerungen aus dem Nusplinger Plattenkalk zu heben. Einzelne spektakuläre Funde aus älteren Grabungskampagnen nährten immer wieder die Hoffnung auf weitere Entdeckungen. Erfolgreich waren aber letzlich erst die wissenschaftlichen Grabungen des Stuttgarter Naturkundemuseums, die seit 1993 andauern. Unter den mehr als 7000 Funden wurden inzwischen über 250 Arten von Pflanzen und Tieren der Jura-Zeit nachgewiesen, darunter die als »Meerengel« bekannten rochenähnlichen Haie, Meereskrokodile, Flugsaurier, Riesenlibellen, Krebse und Landpflanzen in seltener Vollkommenheit oder außergewöhnlicher Erhaltung. Eine herausragende Präparation machen die Funde aber nicht nur wissenschaftlich wertvoll, sondern zu einem ästhetischen Genuß. Nach einer Einführung in die Fossilfundstelle Nusplinger Plattenkalk und einer Übersicht über die verschiedenen dort vorkom- menden Tier- und Pflanzengruppen werden ausgewählte Funde in ihrer Bedeutung erläutert. Das vorliegende Buch gibt einen umfassenden Überblick über den gegenwärtigen Forschungsstand. Es ist in allgemein verständlicher Form geschrieben und wendet sich damit an ein breites, naturkundlich interessiertes Publikum, bietet aber auch dem Fachmann viel Neues.

Dr. Gerd Dietl, 1942 in Heidelberg geboren, ist seit 1972 am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart als Konservator für die dortige Sammlung von Wirbellosen der Jura- und Kreide-Zeit verantwortlich. Seine Interessengebiete sind die Systematik von Jura-Ammoniten und die Feingliederung der Schichten des Mittleren Juras in Süddeutschland. Seit 1993 leitet er außerdem die neuen Grabungen im Nusplinger Plattenkalk und beteiligt sich an der wissenschaftlichen Auswertung und populärwissenschaftli- chen Darstellung dieser Fossillagerstätte. Dr. Günter Schweigert, Jahrgang 1964, ist seit 1994 am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart tätig, zuletzt als wissen- schaftlicher Angestellter im DFG-Projekt »Nusplinger Plattenkalk«. Seine derzeitigen Forschungsschwerpunkte sind die wissen- schaftliche Auswertung der Fossilfunde im Nusplinger Plattenkalk sowie die weltweite zeitliche Feingliederung des Oberen Jura mit Hilfe von Ammoniten. Daneben führt er seit 1990 paläobotanische Untersuchungen im Tertiär und Quartär Süddeutschlands durch. 1992 erhielt er den Walter-Schall-Preis der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg, 2000 den Friedrich-von-Alberti- Preis der Von-Alberti-Stiftung. ISBN 3-931516-90-3