Der Sammler Dr. Joseph Oberndorfer Und Seine Fossilien-Sammlung
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Zitteliana 90 MF 55 Zitteliana 90 Der Sammler Dr. Joseph Oberndorfer und seine Fossilien-Sammlung – ein Beitrag zur Geschichte der Paläontologie in Bayern und zur Frage der Paläontologie Bayerische FundorteGeoBio- im Raum Kelheim & Geobiologie Staatssammlung Center LMU München für Paläontologie und Geologie LMU München Markus Moser* München, 2017 Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns, Bayerische Staatssammlung für Manuscript received Paläontologie und Geologie, Richard-Wagner-Str. 10, 80333 München 12.01.2017; revision accepted 02.02.2017; available online: 26.07.2017 *E-mail: [email protected] ISSN 0373-9627 ISBN 978-3-946705-02-4 Zitteliana 90, 55–142. Zusammenfassung Bezirksarzt Dr. Joseph Oberndorfer (1802-1873) aus Kelheim war ein bekannter Fossiliensammler des 19. Jahrhunderts, dessen Funde vorwiegend aus oberjurassischen Platten- und Riffschuttkalken bzw. kreidezeitlichen Grünsandsteinen bei Kelheim stammen. Fachleuten wie Laien zeigte er seine Fossilien gerne und stellte sie zur wissenschaftlichen Bearbeitung generös zur Verfügung. Zu den bekannteren Wissenschaftlern, die aus seiner Sammlung schöpften, gehörten Georg Graf zu Münster, Hermann von Meyer, Friedrich August Quenstedt, Andreas Wagner, Albert Oppel, Karl Alfred Zittel, Max Schlosser und Georg Boehm. Durch Tausch, Schenkung und Verkauf gelangte der größte Teil seiner Sammlung schließlich in die großen öffentlichen Sammlungen in London, Haarlem und vor allem München. Es wird gezeigt, dass Oberndorfer Fossilien sowie Altertümer lediglich in seinem Amtsbezirk, der Gegend von Kelheim selbst, sammelte und die Fundortangabe „Jachenhausen“ für den Dinosaurier Compsognathus auf einem Irrtum beruht. Zahlreiche Fossilien der Münchner Staatssammlung konnten im Rahmen dieser Arbeit als Oberndorfer’sche Funde wiedererkannt werden, darunter viele Typen und Abbildungsoriginale. Schlüsselwörter: Oberndorfer, Fossiliensammler, Fossiliensammlung, Oberjura, Oberkreide, Plattenkalke, Riffkalke, Grünsandstein, Kelheim, Heimatkunde Abstract The physician Dr. Joseph Oberndorfer (1802-1873) from Kelheim (Bavaria) was a well-known fossil collector of the 19th century, who gathered his finds predominantly in Upper Jurassic reefal carbonates, plattenkalks and Upper Cretaceous greensandstones in the area of Kelheim. He showed his fossils to experts and laymen, and generously made them available for scientific research. To the more well- known scientists who drew from his collection belong Count Georg Muenster, Hermann von Meyer, Friedrich August Quenstedt, Andreas Wagner, Albert Oppel, Karl Alfred Zittel, Max Schlosser and Georg Boehm. By exchanging, gifting and selling, most of his collection finally came into the great public collections in London, Haarlem and above all Munich. It is shown here that Oberndorfer collected fossils and antiquities only in his official district, the area of Kelheim itself, and that the locality specification “Jachenhausen” for the dinosaurComp - sognathus is based on an error. Numerous fossils of the Munich State Collection are re-recognised as Oberndorfer’s findings in this work, including many types and figured specimens. Key words: Oberndorfer, fossil collector, fossil collection, Upper Jurassic, Upper Cretaceous, plattenkalks, reefal carbonates, green- sandstone, Kelheim, local history Gliederung 2.5. Krankheit und Rückzug aus dem 66 Berufsleben (1861-1870) 1. Einleitung 56 2.6. Ruhestand und Ableben in München (1870-1873) 67 2. Lebenslauf von Dr. Joseph Oberndorfer 58 3. Fundorte und Fundgelegenheiten 68 2.1 Kindheit und Jugend (1802-1822) 58 3.1 Allgemeiner Bergbau im Raum Kelheim 68 2.2. Studium bis Staatsconcurs (1823-1828) 58 3.2 Steinbrüche N und S der Donau, 70 2.3. Praktischer Arzt in Stadtamhof (1829-1834) 60 unmittelbar bei Kelheim (S Hohenpfahl, S Ihrlerstein) 2.4. Landgerichtsarzt in Kelheim (1834–1870) 60 3.3 Neukelheim/Ihrlerstein 71 Zitteliana 90 56 57 Zitteliana 90 3.4 Weltenburg und Stausacker 73 Akten infolge eines Bombenangriffs im Jahr 1944 ging 3.5 Kelheimwinzer und Herrensaal 73 in München auch alles verloren, was in der Staats- 3.6 Painten, Ldgr. Riedenburg 75 sammlung über den Sammler und die Fundorte der 3.7 Saal 76 Stücke bekannt gewesen sein mag. 3.8 Altmühltal (Gronsdorf, Oberau, Schellneck, Essing) 76 Anlass, sich mit der Biographie Oberndorfers 3.9 Kapfelberg 77 und seinen Fundstellen zu befassen, bietet eine alte 3.10 Jachenhausen, Ldgr. Riedenburg 78 Streitfrage und Unsicherheit, die den Fundort ei- 3.11 Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals 79 nes der bedeutsamsten Fossilien der Bayerischen 3.12 Bau der Befreiungshalle 79 Staatssammlung betreffen, den kleinen Dinosauri- 3.13 Braunkohlentertiär und Quartär 80 er Compsognathus. Wagner (1862) hatte in seiner 3.14 Beziehungen Oberndorfers zu Steinbruch 81 Beschreibung den Fundort als Kelheim angegeben. besitzern und -arbeitern Dies wurde auch von allen späteren Forschern im 3.15 Beziehungen Oberndorfers zu Fachleuten und 81 19. Jahrhundert so übernommen und nie bezweifelt. interessierten Laien In einer Arbeit von Huene (1901) allerdings ist auf 3.16 Antiquitäten 83 einer Photographie des Stücks auch das gedruck- 3.17 Ortsabwesenheiten und Grenzen der 85 te Ausstellungs-Etikett gut zu erkennen, auf dem als Bewegungsfreiheit Oberndorfers Fundort „Jachenhausen“ angegeben wurde. In der 3.18 Oberndorfers geognostische Exkursionen außerhalb 85 Folge haben verschiedene Autoren eine von beiden Kelheims Angaben übernommen und selten die Diskrepanz 4. Die Fossiliensammlung von Joseph Oberndorfer 86 der Angaben diskutiert. Zuletzt hat sich Mäuser 4.1 Pflanzen und Spurenfossilien4.2 Wirbellose 88 (1983, 1984a) für den Fundort Jachenhausen aus- 4.2 Wirbellose 89 gesprochen aufgrund der Übereinstimmung des 4.3 Wirbeltiere 96 Gesteins. Die Argumentation ist jedoch nicht schlüs- 5. Geschichte der Veräußerungen der Sammlung 121 sig, da der Beweis – nämlich eine fehlende Überein- Oberndorfer stimmung mit Kelheimer Gesteinen – nicht geführt 5.1 Tausch und Schenkung 121 werden kann: Die dafür nötigen Aufschlüsse stehen 5.2 Der erste Verkauf 1863 (Haarlem, London) 123 nicht mehr zur Verfügung und darüber hinaus beruht 5.3 Der zweite Verkauf 1865 (München) 125 ein Teil der Argumentation auf Spekulation über eine 5.4 Die Oberndorfer’sche Sammlung im 130 absichtliche Irreführung von Konkurrenz-Sammlern Paläontologischen Museum (1866 bis heute) durch Oberndorfer. 6. Abschließende Diskussion 130 Außer Compsognathus sind auch sehr viele ande- Quellen re Fossilien in der Staatssammlung aus Oberndorfers Referenzen Sammlung vor der Vernichtung im Krieg gerettet wor- den. Auch hier muss grundsätzlich die Fundortangabe „Kelheim“ als zu ungenau oder sogar zweifelhaft an- 1. Einleitung gesehen werden, wenn sich der Fundort Jachenhau- sen bewahrheiten sollte. Auch andere Fundorte wie In der deutschsprachigen paläontologischen Fach- Painten und Kapfelberg kursieren statt Kelheim als literatur des neunzehnten Jahrhunderts finden sich Fundortangabe für verschiedene Oberndorfer’sche mehrfach Hinweise auf einen gewissen Gerichtsarzt Fossilien in der neueren Literatur. Es wäre daher wün- Dr. Oberndorfer in Kelheim und dessen spektakuläre schenswert, so viel wie möglich über die wahren Fund- Funde aus dem lithographischen Schiefer. Zahlreiche orte der Oberndorfer’schen Fossilien in Erfahrung zu bekannte Forscher durften in Kelheim seine Sammlung bringen, da diese Fossilien in paläogeographischer, besichtigen, u. a. Andreas Wagner, Professor in Mün- biostratigraphischer und taxonomischer Hinsicht für chen und Gründungsdirektor der Bayerischen Staats- den Vergleich der Faunenvergesellschaftungen der sammlung für Paläontologie, sowie sein Nachfolger Rifffazies und verschiedener Plattenkalkvorkommen Albert Oppel, oder bekamen die Fossilien leihweise für von hoher Bedeutung sind. Forschungszwecke zugesendet, vor allem Hermann Es gibt also einen wissenschaftlichen Bedarf, sich von Meyer, Bundeskassen-Controlleur des Parla- mit allen Fundort-relevanten Fragen auseinander- ments in Frankfurt am Main und Vater der deutschen zusetzen. Die vorliegende Arbeit befasst sich daher Wirbeltierpaläontologie. Oberndorfers Sammlung wur- mit Lebenslauf und Beruf Oberndorfers als äußerem de schließlich zum größten Teil von der Staatssamm- Rahmen der Möglichkeiten, seiner fachrelevanten lung in München gekauft. Seine Fossilien wurden in Ausbildung und den Lebensverhältnissen als Vor- zahlreichen Werken beschrieben und sind heute noch aussetzung für ein kostspieliges Hobby, seine do- immer Gegenstand vieler wissenschaftlicher Untersu- kumentierbare Interessenslage und Motivation, den chungen. Näheres über die Person Oberndorfers und Beziehungen zu Fachleuten, den Aufschluss- und seine Sammlung ist in der Fachliteratur jedoch nicht Bergbauverhältnisse im Raum Kelheim, den nach- zu finden (sieht man von einer kurzen Erwähnung bei weisbaren Fundorten Oberndorfers, einer vorläufi- Röper & Schuster 2003: 66 ab). Mit dem Verlust eines gen Bestandsaufnahme der sicher aus Oberndorfers Teils der Sammlung, des gesamten Inventars und aller Sammlung stammenden Stücke und schließlich der Zitteliana 90 56 57 Zitteliana 90 Erwerbungsgeschichte für die Münchner Staats- im selben Archiv wurden von meinem Vater Franz sammlung. Moser im November 2012 durchgeführt. Den Kolle- Der Name Oberndorfer ist keine Seltenheit und so gen Ilja Nieuwland (Teylers Museum Haarlem), Jür- seien noch drei Personen dieses Namens erwähnt, gen Kriwet (Universität Wien), Helmut Mayr, Martin die nicht mit dem hier zu besprechenden verwech- Nose, Alexander