Zeitschrift

für die Geschichte des Oberrheins

149. Band (Der neuen Folge 110. Band)

herausgegeben

von der

Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden- Württemberg

: I_.

2001 Verlag W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart 00- (r;fl)~ Die Sippe des Grafen AudoinJOtwin: Fränkische Aristokraten des 7. und frühen 8. Jahrhunderts in Südalemannien

Von Eberhard Dobler

Karl Siegfried Bader in memoriam

1. Die Ebringer Schenkung des Erloin (Erfoin) von 716/20

Die überlieferten Besitzurkunden des Klosters St. Gallen beginnen mit einer Schenkung, die der alemannische Herzog Gotfrid (t 709) den Mönchen um das Jahr 707 zugewendet hat', Das geschenkte Gut lag in dem Flecken Biberburg am Neckar auf dem Gebiet des heutigen Stuttgarter Stadtteils Mühlhausens, Als nächste reiht Hermann Wartmann, der Herausgeber der St. Galler Urkunden, eine Schenkung ein, die das Kloster von einem Rodulf in dem Ort Hohunstati erhielt. Wartmann datiert sie "um 700". Sein Ansatz ist jedoch erheblich zu früh und auf die Zeit um 735/40 zu berichtigen',

1 Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Bd. 1. (= SGUB I), hg. von H. Wartmann, (Zürich 1863) Nr. 1. - Zum Todesjahr Gotfrids (709) vgl, die Quellenstellen bei B. Be hr, Das alemanni- sche Herzogtum bis 750 (BernlFrankfurt 1975), S. 175, Anm. 691.

2 Zur Örtlichkeit H. M. De eke r- Ho uf] , in: Heimatbuch Mühlhausen I Neckar, hg. von der Ev. Kirchengemeinde Stuttgart-Mühlhausen (Stuttgart 1958), S.19 ff. - Vgl. auch M. Borg 0 I t e , Kommentar zu AusteIlungsdaten, Actum- und Güterorten der älteren S1.Galler Urkunden, in: Sub- sidia SangaIlensia I, hg. v. M. Borgolte, D. Geuenich u. K. Schmid (St. Gallen 1985), S. 330, Anm.1.

3 SGUB I, Nr. 2. Borg 0 I t e (wie Anm. 2) schlägt aus formgeschichtlichen Erwägungen zur Urkunde "ca. 720/30" vor. Unsere etwas spätere Datierung beruht auf der Gleichsetzung des Schenkers Rodulf mit dem hier noch zu besprechenden Radulf, Sohn des ..Ebringer" Zeugen Ra- ganlozlReginliod; vgl, Anm. 24. - Zur sprachlichen Gleichsetzung Rodulf (S1. Gallen) = Radulf (Weissenburg) vgl, H. Sc h ny der, Die Gründung des Klosters Luzern, Bd. 1 (Freiburgl Schweiz 1978), S. 171.Zur Lokalisierung von Hohunstati als Honstetten im Hegau, Gemeinde Eigeltingen, Lkr. Konstanz, (nicht auf dem Gehrenberg bei Markdorf) folgen wir jetzt der Annahme Wa rt- ma nns (wie Anm. 1) u.a.; dazu B 0 rgo I te, S. 330 Anm. 2. Der Honstetter Schenker Rodulf ist u. E. identisch mit dem Spitzenzeugen Ruodolf bei der Schenkung Rinulfs in Petinvillare 735 (SGUB I, Nr. 5); v~!. Anm. 24. 2 Eberhard Dobler

Damit rückt an die zweite zeitliche Stelle nach der Schenkung Herzog Gotfrids eine Zuwendung, die St. Gallen in der Regierungszeit des Merowin- gerkönigs Chilperich II., mithin im Zeitraum von 716 bis no, empfing und de- ren Gegenstand im Breisgau in den Orten Ebringen (Eheringen) und Open- wilare Iag+, Ein Erfoin und seine Söhne Teotar und Rotar übertrugen damals an St. Gallen drei Hörige in Ebringen, und zwar einen Erfoin, seine Frau und einen Waldolf, samt deren Gütern und einem Jauchert Reben in Ebringen. Dazu kamen weitere 20 Jauchert Reben in Openwilare. Der letztere Ort war, wie man heute annimmt, eine kurzlebige Kleinsiedlung auf der Gemarkung Wolfenwei- ler, dicht angrenzend an Ebringen". Der Schenker behält sich, seinen Söhnen und, wenn sie wieder Kinder haben werden, auch diesen die Nutzung vor gegen einen jährlichen Zins von einer Fuhre Wein, einer Fuhre Frucht und einem Jung- tier. Der Besitz in Ebringen ist der Schenkerfamilie in Form eines Klosterlehens also auch nach 716120 erhalten geblieben. Glücklicherweise haben sich in der überkommenen Urkundenkopie auch die Namen der Männer erhalten, die dem Schenker und seinen beiden Söhnen 716/20 Zeugendienst leisteten. Nämlich: Siguini, Raganlozi, Vulpert (I), Amihuni, Wicarii, Teutarii (11), Nandonis, Ragungerii, Vulperti (11). Aufschlußreich ist die Namensgleichheit bei dem Hörigen Erfoin und seinem bisherigen Herrn. Hörige tragen nicht selten Namen aus ihrer Herrenfamilie. Weil der am Ort ansässige Hörige hier bereits verheiratet und also erwachsen ist, dürfte seine Bindung an den gleichnamigen Schenker schon seit längerer Zeit bestanden haben. Die Ebringer Urkunde von 716/20 ist die älteste des Breisgaus überhaupt. Ihre Entstehung fällt ungefähr in die Zeit, in der St. Gallen durch seinen "zwei- ten Gründer", den heiligen Abt AudomarlOtmar (719-759), eine Neuorganisa- tion erfuhr'. Für die folgenden Jahrzehnte ist eine Reihe weiterer Schenkungen

4 SGUB 1, Nr. 3. - Zur Überlieferung der Urkunde vg!. C. Sc hot t, Eberingen - Die erste Urkunde, in: Ebringen, Herrschaft und Gemeinde, hg. v. C. Schott u. E. Wenger (Freiburg 1992), S. 39 ff. Dort (S. 40) auch eine Abbildung der Urkunde. - Unweit von Ebringen sind zwei Fried- höfe des 6. und 7. Jhs. bekannt; vg!. M. H ö per, Neue Ausgrabungen im Bereich des alam. Rei- hengräberfeldes Ebringen ..Scharretenacker", in: Archäol. Ausgrabungen in Baden-Württ. 1991 (1992), S. 200 ff. - Zu den früheren Funden (7. bis beginnendes 8. Jh.) vg!. J. K 1u g, in: Ebringen, S. 9 ff. - Nach dem archäologischen Befund zeigen die Grabinventare ..durchschnittliche und nicht besonders reich ausgestattete Gräber" (S. 33).

5 Nach W. Stülpnagel, Die sanktgallische Herrschaft Ebringen, in: Schau-ins-Land 93 (1975) S. 48, ist Openwilare am ehesten zwischen Wolfenweiler und Öhlinsweiler (Pfaffenweiler) zu suchen. Daß die übergebenen Ebringer Hörigen offenbar das größere Rebland bei Openwilare mit zu bearbeiten hatten, spricht ebenfalls für eine enge Nachbarschaft beider Orte. Der Beurkun- dungsort Anninchova dürfte Innighofen bei Bollschweil sein; Amtl. Kreisbeschreibung Freiburg i.Brsg., Bd. 11, I (Freiburg 1975), S. 48, 93.

6 S t ü 1p nag e I (wie Anm. 5), S. 47, spricht von einer ..späteren Tradition" in St. Gallen, der- zufolge Ebringen und das nahegelegene Norsingen Eigenbesitz Abt Otmars gewesen seien, den er seinem Kloster zubrachte; doch werde diese Ansicht durch nichts Greifbares bestätigt. Wahr- scheinlich geht Stülpnagels Zitat auf eine ..Beschreiburg der hochfürstl. Herrschaften Ebringen und Norsingen" des sanktgaJlischen Statthalters P. Lucas Grass von 1724 (Stiftsarchiv SI. Gallen) Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 3 in Ebringen bezeugt. Um 772/73 gibt ein Baducho an die Abtei Lorsch Güter in mehreren Orten des Breisgaus, darunter in Ebringen". St. Gallen erhält Zu- schenkungen im Jahr 793 durch (Graf) Peratold", 802 durch einen Waltger? und 817 im Teilort Talhausen durch Kaiser Ludwig den Frommen". Um 854/61 folgt bei einer großen Vergabung im Aargau, in der Ortenau, im elsässischen Ober- ehnheim und im Breisgau auch wieder Gut in Ebringen; Schenker von allem sind die Brüder Theathart und Buabo". Schließlich überträgt - wohl ebenfalls um die Mitte des 9. Jahrhunderts - ein Engelger, Gatte einer Cundpirc, an St. Gallen Besitz in Ebringen und in der Bertoldsbaar", Eine genaue Untersuchung zu den für 716/20 genannten Schenkern und ihren Urkundenzeugen erbringt bemerkenswerte Aufschlüsse über Herkunft und familiäre Beziehungen dieser Personen. Sie zeigt die weitreichenden Verbin- dungen einer unter sich verflochtenen Aristokratengruppe des Merowinger- reiches, der wir hier mehr oder minder zufällig gerade in Ebringen begegnen. Die Bedeutung der Gruppe reicht jedoch weit über den Breisgau hinaus. Ihre Verbindungen führen einerseits in das fränkische Lothringen und in den frühen zurück. Dort heißt es, die Herrschaft Norsingen sei mutmaßlich mit der Herrschaft Ebringen ao. 721 dem heiligen Otmar vermacht worden, doch könne aus dem Abgang der Urkunden kein gewisser Bericht darüber abgegeben werden. In der 1860 in Freiburg gedruckten Geschichte der Herrschaft Ebringen (hg. v. J. Boo z ) des St. Galler Geschichtsschreibers P. lIdefons v. Arx und in der zugrundeliegenden Handschrift (Pfarrarchiv Ebringen) ist dies nicht erwähnt.

7 Codex Laureshamensis (= CL), bearb. v. K. Glöckner (Darmstadt 1929-1936), Nr. 2666. - Das von Baducho geschenkte Gut lag in Gisenweiler (= GalIenweiler ?), Biengen, Ebringen, Staufen, Hochdorf. Buchheim, Hartheim und Reute.- Vgl, auch CL 2701 (ea, 770). - Der hier schenkende Baducho dürfte identisch sein mit einem Bato, der 779 Besitz in Weiterdingen im Hegau an St. GalIen überläßt; SGUB I, Nr. 91. In Weiterdingen und Öhningen schenkt 788 auch ein Iring, Bruder eines Vulfbert (vgl.die Zeugennamen von 716/20), wobei der Rechtsakt auffalIender- weise in Benzhausen in der Mark Buchheim im Breisgau (zwischen Hochdorf und Holzhausen, also Besitzorten Baduchos), beurkundet wird; SGUB 1, Nr. 115). Zum letzteren vgl, E. Dobl e r , Die Schrotzburg, eine alem. Herzogsburg des 8. Jh., in: Hegau 36 (1979), S. 15. - Zur Gesamt- situation des sanktgallischen Besitzes im Breisgau: Th. Z 0 t z ; Der Breisgau und das alem. Her- zogtum (Sigmaringen 1974), S. 23 u.a.

8 SGUB 1, Nr. 135. - Dazu Borg o l t e (wie Anm. 2), S. 355; de rs., Die Alaholfingerurkun- den, in: Subsidia SangalIensia 1 (wie Anm. 2), Stemma S. 305.

9 SGUB I, Nr. 167 - Waltger hatte den Ebringer Besitz von seiner ungenannten Mutter geerbt. Sein Vater Otpert lebt 802 noch. Letzterer dürfte mit dem Zeugen Otpert bei einer weiteren Schen- kung Graf Peratolds vom Jahr 802 in den Baarorten Asolfingen und Mundolfingen (SGUB I, Nr. 170) identisch sein. Auch über Ebringen hinaus bestehen also noch Verbindungen zwischen Walt- gers Familie und Graf Peratold, die vor allem auf den Bereich der Baar hindeuten. Derselbe Walt- ger ist in dem Zeugen Walthari bei der Schenkung Trudberts in Weigheim und Trossingen auf der Baar zu vermuten, die 797 in Tuningen beurkundet wurde (SGUB 1,Nr. 146). Otpert sowie Walther mit einem Ruadher (vg!. Rotar 716/20) stehen auch 802 bei einer Schenkung nahe Bregenz unter den Zeugen (ebd., Nr. 163).

10 SGUB 1,Nr. 226.

11 SGUB 2,Anhang Nr. 7; dazu Borgolte (wieAnm. 2), S. 453 -Die beiden Schenker haben einen Bruder Thiotolo und eine Schwester Hiltisind.

12 SGUB 2, Anhang Nr. 14; dazu Borgolte (wie Anm. 2), S. 454. 4 Eberhard Dobler

Adelskreis um das unterelsässische Kloster Weißenburg (gegr. 661). Ferner gibt es gute Gründe für die Vermutung, daß die Beziehungen dieser Sippe zum Klo- ster des hI. Gallus und zum Breisgau weit in das 7. Jahrhundert zurückreichen. Ihren Anfang hatten sie wohl in der Zeit des hI. Columban und in der Freund- schaft dieses Heiligen mit der königsnahen, langobardisch versippten Familie des austrasischen Magnaten Authar, dem Columban im Jahr 610 in Meaux bei Paris begegnet war. Auch daß um 640 der hI. Trudpert seine Einsiedlerzelle gerade im breisgauischen Münstertal gegründet hatte, kann aus einer familiären Nähe zu derselben, hier schon im 7. Jahrhundert begüterten fränkischen Adels- sippe erklärt werden. Die nachfolgende Studie befaßt sich mit diesen, über den unmittelbaren Bereich von Ebringen und den Breisgau in die allgemeine ale- mannische Geschichte des 7. und des 8. Jahrhunderts hinausführenden Über- legungen. Die Auswertung der Ebringer Urkunde von 716/20 wurde bisher durch den Umstand erschwert, daß es für den Schenker Erfoin sonst keine Nachweise zu geben schien. Der Name ist jedoch offenbar eine Verschreibung und in Erloin zu berichtigen. Daß die allein erhaltene Kopie "frühestens vom Ende des 9. Jahrhunderts" Zweifel an der Genauigkeit ihrer Übertragung aus dem ver- schollenen Original erweckt, hat bereits der Herausgeber Wartmann bemerkt. Der Name Erfoin ist sonst für jene Zeit nicht bezeugt". Dagegen kommt der Name Erloin (Erlawinus) in der Nähe Ebringens schon 786 wieder in Witt- nau unter den Zeugen einer Schenkung an St. Gallen vor", Noch im 12. Jahr- hundert sitzt in Ebringens Nachbarort Wolfenweiler das edelfreie Geschlecht der Erlewine von Wolfenweiler, bei dem sich der Name Erlewin (Erloin) als Leitname beobachten läßt". Insbesondere aber ist ein Erloin von 715 bis 725, also um die Zeit der Ebringer Schenkung, mehrfach in Urkunden des Klosters Weißenburg zu finden", Im Mai 725, bei seiner letzten Erwähnung, schenkt er selbst an Weißenburg eine Bauernhube im unterelsässischen Buchs-

13 Rein sprachlich, vom Stamm Erf- (wie z.B. Erfold), wäre er freilich möglich.

14 SGUB 1, Nr. 110.- Auf Erlawinus folgt dort als Zeuge ein Otmar.

IS A. Kr ieger, Topograph. Wörterbuch des Großherzogturns Baden (2, 1904/05), Bd.l, Sp. 346 f.- L. Werkmann, Die Grafen v. Nimburg, in: Freiburger Diözesanarchiv 10 (1876), S. 71 (77). - In Wolfenweiler wird 873 die Schenkung eines Erlebald an St. Gallen beurkundet, deren Gut in Merzhausen, Witrach, Wittnau und Uffhausen lag (SGUB 2, Nr. 574, 575). - Die Herren v. Wolfenweiler der Zeit um 1100 bilden mit den Grafen v. Nimburg, mit den hegauischen Herren v. Honstetten (ders. Ort wie Anm. 3) und denen v. Seelfingen (bei Mahlspüren im Tal, Stadtteil von Stockach) eine weitverzweigte Sippe, die auch mit den Grafen v. Nellenburg verwandtschaftlich verbunden gewesen sein muß; vgl. K. Hi Is, Die Grafen v. Nellenburg im 11.Jh. (Freiburg 1967), S. 41-43,120 f., 130 mitAnm. 90; U. Parlow, Die Grafen v. Nimburg, in: Teningen, Ein Hei- matbuch, hg. v. P. Schmidt (Teningen 1990), S. 61.

16 Traditiones Wizenburgenses, Die Urkunden des Klosters Weißenburg 661-884 (= TW), hg. v. K. Glöckner u. A. Doll (Darmstadt 1979), Nr. 239, 265, 227, 267, 40. Ein anderer Erloin folgt in Weißenburg erst im Jahr 777 (Nr. 93, 94) in Lembach (sw Weißenburg) bei Schenkungen einer Sippe, in der die Namen des Stammes Berat- gehäuft vorkommen (Beratgart, Beratswind, Berat- ger, Beratold); vg!. die Anm. von Doll, ebd., S. 297. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 5

weiler (nö Zabern)!'. Dieser "Weißenburger" Erloin ist erkennbar kein anderer als unser Ebringer Schenker von 716/20. Das soll hier zunächst dargelegt werden.

2. Die nächste Verwandtschaft des "Ebringer" Erloin - erste Beobachtungen

Das Bauerngut in Buchsweiler, das Erloin 725 an Weißenburg verschenkte, kam, wie die Urkunde erwähnt, aus dem Erbe seiner verstorbenen Mutter Mumma. Erloins Zeugen sind Wieland, Otinus, Thiotger und Weroald. In Wie- land läßt sich der spätere Weißenburger Abt dieses Namens (zw. 739 und 744) erkennen", Otinus (= ) ist, wie die anderen Zeugen, wohl ein Mönch. Seinem Namen zufolge mag er dem am Schluß genannten Mönch Weroald nahestehen, denn Weroald ist ein Sohn des in Weißenburg früher einflußreichen Grafen Audoin und seiner Gemahlin Theudala, die beide schon vor 700 gestor- ben waren", Der zwischen Otinus und Weroald genannte Name Thiotger ist identisch mit TheotharlTeotar. Der damit angesprochene Zeuge ist anscheinend Erloins Sohn Teotar, dem wir zusammen mit seinem Bruder Rotar bei der Ebrin- ger Schenkung des Vaters 716/20 begegnet waren. Als Diakon in Weißenburg ist ThiotgerlTeotar schon 712 nachgewiesen20• Nach Buchsweiler führt nun noch eine zweite Spur aus Erloins Ebringer Gruppe von 716/20. Und zwar über jenen Raganloz, der für Ebringen an zwei- ter, bevorzugter Zeugenstelle genannt ist. Auch ihn kennen wir - als Raginli- odus - aus dem Adelskreis um das Kloster Weißenburgü. Raganloz ist durch

17 TWNr. 40.

18 Doll in TW, S. 223.- Doll sieht in Erloin einen Verwandten des Abtes Erloald (nach 727-739), Wielands Amtsvorgänger.

19 Dazu unten Kapitel 3. - Otinus könnte ein Bruder Erloins sein, da er vor dessen Sohn Thiot- ger (Theotar) und Erloins Onkel Weroald eingereiht ist. Es läge dann eine Nachbenennung nach dem Großvater (Audoin) vor; vgl. hierzu Anm. 90.

20 Thiotger betätigt sich, noch als Diakon, zunächst nur einmal im Jahr 712 als Urkunden- schreiber auf Bitte - seines Verwandten - Weroald (TW Nr. 231). In den Jahren 731 -757 wirkt er, nun Priester, bei verschiedenen Gelegenheiten für sein Kloster als Schreiber; siehe die Zusam- menstellung bei Doll (wie Anm. 16), S. 120 ff. Sein Name findet sich dabei auch in den Varian- ten Teutgarius, Theotharius oder Theutegarius. Für Erloins Schenkung von 725 handelt er jedoch nicht als Schreiber, sondern als Zeuge. Dies kann aus dem Umstand erklärt werden, daß er in diesem Sonderfall als Zeuge seines schenkenden Vaters beigezogen wurde. Geschrieben ist die Urkunde von 725 "aufWunsch Erloins" von dem Diakon Gundebert, dessen Name wieder auf die (über Theudala verwandte) agilolfingische Sippe im Freundeskreis des Klosters hinweist; Gund- bert ist schon 721 Zeuge für Weroald (TW 243), den Sohn Audoins und Theudalas.

21 TW Nr. 37 (zu 737, posthum). - In zwei Urkunden von 699 (ebd., Nr. 223 = 205 = 252 und 240) steht unter den Zeugen vor Weroald ein Reginbodo, der auch 705/06 wieder erscheint (Nr, 228). Alle drei Urkunden betreffen die Familie des verstorbenen dux Gundoin, die letzte im besonderen seine Witwe Wolfgunda. Ziemlich sicher ist Reginbodo mit Raganloz (Reginliodus) identisch; in den beiden Urkunden von 699 steht er also mit seinem Schwager (Weroald) zusam- 6 Eberhard Dobler seine Gemahlin Amallindl Amita ein Schwiegersohn des vorerwähnten Paares Graf Audoin und Theudala. Er ist also ein Schwager des Mönches Weroald, der Erloin 725 für Buchsweiler Zeugendienst leistet. Als Sohn des Paares Raganloz und Amita wiederum kennen wir aus Weißenburg einen Radulf. Eben dieser Radulf beschenkt im Jahr 737 Weißenburg mit einem anderen Teil von Buchs- weiler; auch er hatte seinen Anteil von seiner Mutter - Amita - geerbt-'. In der- selben Urkunde von 737 überläßt Radulf dem Kloster außerdem seinen Anteil an einem Diluquifiagun am Flüßchen Eichel (vielleicht Diemeringen bei Saar- Union)" auf der Westseite der Vogesen, den ihm sein verstorbener Vater Ragin- liodus hinterlassen hatte. Radulfs Zeugen sind 737 Otbert, Thiodo, Nortbert und Liudo. Um dieselbe Zeit erhält auch St. Gallen von diesem Radulf (Rodulf) die Schenkung in Hohunstati (Honstetten im Hegau)". Wie die Schenkungen der Söhne Erloin von 725 und Radulf von 737 zeigen, hatte Buchsweiler früher deren Müttern, Mumma und Amallind/Amita, ganz oder zum Teil gehört. Beide Frauen sind generationsgleich. Buchsweiler (Puxu- uilare, Buxuuilari) ist nach Ausweis seines -weiler-Namens wohl erst spät gegründet worden und mag um 7001720 erst wenige Bewohner gehabt haben. Wenn man vom Regelfall der Vererbung und Teilung in der Familie ausgeht, müßten Mumma und Amita mit dem Gründer von Buchsweiler noch näher ver- wandt gewesen sein, damit aber auch untereinander. Nur eine solche nahe Ver- wandtschaft Mummas und Amitas beantwortet zwei sonst offene Fragen: Warum hat Erloin, Mummas Sohn, für Ebringen (716/20) gerade Amitas Gatten Raganloz als Zeugen gebeten? Und: Warum hat Erloin für Buchsweiler (725) Amitas Bruder Weroald, der im Ort sonst keinen nachweisbaren Besitz hat, sowie den nach seinem Namen wohl ebenfalls zur Audoinsippe gehörenden Otinus beigezogen? Auch Erloin rückt so in die Nähe der Audoinsippe. Ins men. Dagegen erscheint er nicht bei Weroalds eigenen Schenkungen. Die Endungsvariante -bodo hat, auch als Zweitname, mehrfache Parallelen; erinnert sei etwa an den Vater der hI. Sadalberga, Gundoin, und dessen Söhne Leudinus/Bodo sowie FulculfuslBodo um die Mitte des 7. Jh.; MGH, Script.rer. Merow. 5, S. 50 (Vita Sadalbergae), dazu H. E b li n g , Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches (München 1974), S. 166. Die Identität Reginliods mit Reginbodo nimmt offenbar auch an H.-W. Her r m ann, Geschichte der Grafschaft Saarwerden bis zum Jahr 1527, Bd. 1 (Saarbrücken 1957), S. 37 C., Anm. 77. In Gundoin, dem Vater Sadalbergas, darf der elsässi- sehe Herzog gesehen werden; dazu z. B. A. Fri e se, Studien zur Herrschaftsgeschichte des frän- kischen Adels (Stuttgart 1979), S. 26 C. - Ein jüngerer Reginleoz ist 804 Zeuge bei der Schenkung eines Reginhard in (Freiburg-) Hochdorf an SI. Gallen, (SGUB I, Nr. 169 S. 179), also nahe bei Ebringen. Ein Reginbodo schenkt 778 seinen Besitz in Buggingen im Breisgau an Lorsch (CL 3062) und schon 771/72 in Wallstadt bei Mannheim (CL 491), wo 773 auch ein Reginbert als Zeuge (CL 494).

22 TW Nr. 37.

23 Ebd.; Erläuterung von Doll (wie Anm. 16), S. 217.

24 Vgl. Anm. 3. - Nach SGUB I, Nr. 3, sind für Hohunstati (735/40) Rodulfs Zeugen u. a. Odo = Auduin), Huado (= Ado, Ato) und Theodo. Bei der Schenkung des Rinulf in Petinvillare (an der oberen Donau) an SI. Gallen 735 steht Rodulf als Spitzenzeuge u.a. vor Audo und Otbert (Odpadi); SGUB I, Nr. 5; vg!. oben Anm. 3. Das Namengut für Buchsweiler (725, 737), Petinvillare (735) und Hohunstati (735/40) läßt auf familiäre Zusammenhänge schließen. Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 7

Auge zu fassen ist ferner der gemeinsame Namensstamm Theud- bei Amitas Mutter Theudala und Erloins Sohn Teotar/Theotharius, Der Name Theudala ist wohl eine Kurzform für Theudalinda, so wie Amita als Kurzform für Amal- lind(a) steht. Amallind hat dann den zweiten Namensteil mit ihrer Mutter ge- meinsam, während bei Teotar der erste Namensteil aus der Familie Theudalas kommen könnte. Alle diese Überlegungen zusammen erlauben die Annahme, daß Mumma wie Amallind eine Tochter des Paares Graf Audoin und Theudala war". Als Besitzvorgänger Mummas und Amitas in Buchsweiler lassen sich so ihre Eltern Graf Audoin und Theudala wahrscheinlich machen. Mumma ist dann eine Schwester Amitas und des Mönches Weroald. Unbekannt bleibt uns vor- läufig Mummas Gatte, der Vater Erloins. Seine Nichterwähnung bei Erloins Ebringer Schenkung 716120 läßt vermuten, daß er damals nicht mehr am Leben war>, Als die herausragende Person im bisher erkennbaren Verwandtschaftskreis des Ebringer Schenkers ist Graf Audoin anzusprechen, Erloins Großvater müt- terlicherseits. Audoin wird zu seiner Lebenszeit in einem Diplom König Chil- derichs 11.von 669 für das Kloster Stablo-Malmedy genannt, das neben einem dux Gundoin als Empfänger eines königlichen Auftrags den domesticus Hodo (= Audoin) anspricht". Audoin ist so für die Zeit um 670 als königlicher Amts- träger und Verwalter des Fiskus bezeugt. Spätere, nach Audoins Tod entstan- dene Urkunden seines Sohnes Weroald aus den Jahren seit 699 geben ihm den Grafentitel>, Sein Name erscheint dabei auch in der Form Otdo. Eine Blutsver- wandtschaft zwischen Audoin/Otdo und dem im Königsdiplom von 669 mit ihm erwähnten dux Gundoin ist in der Literatur wiederholt erwogen worden. Jedoch

25 Der Frauenname Mumma ist für die Zeit selten. Deshalb darf an eine Beziehung zu jener etwas älteren Mumma gedacht werden, die um 680 nach St. Benoit-sur-Loire (= Fleury) zu Ehren der hIt. Maria und Petrus ein Reliquiar stiftete und die eine Verwandte des hl, Mummolus, des 2. Abtes von Fleury (650-80), gewesen sein mag. Die Schenkerin in Fleury wird heute gleich- gesetzt mit einer Mummia, die im Jahr 694 auch das Kloster St. Pierre-Ie-Vif in Sens beschenkte (Etudes Ligeriennes, St. Benoit-s-L; 1969). In Sens wird sie unter dem Doppelnamen Leuthe- ria/Mumma erwähnt. Sie erhielt dort mit ihrer Schwester Ingoara und dem Bischof Ebbo, ihrem Bruder, im Peterskloster ihr Grab. Das Kloster gilt als Gründung der hier ebenfalls beigesetzten Königin Theudechilde: H. Kr üger, Königsgrabkirchen der Franken, Angelsachsen und Lango- barden bis zur Mitte des 8. Jh. (München 1971) S. 230, 235. Theudechilde war nach der Darlegung von 1. Ja rn ut Agilolfingerstudien, Untersuchungen zur Geschichte einer adligen Familie im 6. und 7. Jh. (München 1986), S. 92 ff. eine Tochter Chlodwigs I.

26 Erloins Vater wird sich in dem zur Gundoinsippe gehörenden Haroin erkennen lassen, der 712 (TW Nr. 225) als Spitzenzeuge Amallinds und mit ihrem Bruder Weroald, seinen Schwägern, letztmals sichtbar wird. Dazu unten 4.2.

27 MGH, DMerov. Nr. 29, 28. - Eb l i n g (wie Anm. 21), S.65, verwechselt insoweit Graf Audoin (t vor 700) mit Gundoins Sohn Otto, der noch 706/07 mit seiner verwitweten Mutter Wolf- gund (TW Nr. 229 mit dortiger Anm. 5) und ca. 715 mit seinem Bruder Ermbert (ebd., Nr. 226) erscheint.

28 TW Nr. 242 (von 700), Nr. 241 (von 737).- Die Urk. Nr. 243 (von 721, Schenkung Weroalds) gibt dem comes Audoin den weiteren Namen Ocdo, was - nach Doll, S. 478 - aus Otdo verschrie- ben ist. 8 Eberhard Dobler kann, wie A. Doll bei der Auswertung der Weißenburger Urkunden zutreffend feststellte, eine Verwandtschaft, für die zwar manches spricht, keine sehr enge gewesen sein. Insbesondere ist eine Gleichsetzung des schon vor 700 verstorbe- nen Grafen AudoinJOtdo mit Gundoins noch lange nach Graf Audoins Tod han- delndem Sohn Otto mit Sicherheit auszuschließen". Unsere bisherigen Beobachtungen erlauben es, als Grundgerüst für die wei- tere Untersuchung folgende Verwandtschaftsskizze aufzustellen (durchgezo- gene Linien = belegte Verbindungen; gestrichelt = wahrscheinlich):

AudoinlOtdo Theudala 669 .Hodo", domestic us - beide 700 tot - I------....L------! Weroald Amallinda/Amita Mumma Mönch Weißenbg. 737 tot 725 tot 7001737

~eotar/Thiotger Rotar Mönch Weißenbg.712,757 - beide Ebringen 716/720 -

Man kann damit weiter versuchen, die Generationen der Familie in ihrer erkennbaren Abfolge auch nach ihren grob geschätzten Geburtszeiten zu be- stimmen. Die mittlere Spanne für eine Generation darf hierbei mit etwa 20 bis 25 Jahren angenommen werden, wie dies dem recht niedrigen Heiratsalter in der Oberschicht der Merowingerzeit entspricht. Als Ausgangspunkt für die zeit- liche Gliederung der Audoinfamilie bietet sich die Beobachtung an, daß der .Ebringer" Erloin in der Urkunde von 716/20 bereits mit zwei handlungsfähigen Söhnen auftritt. Hiernach dürfte die Geburtszeit der Söhne, von denen Teo- tarlThiotger als Diakon und Urkundenschreiber in Weißenburg schon 712 und dann von 731 bis 757 als Priester nachweisbar bleibt, nicht nach 695 gelegen haben. Das erlaubt folgende überschlägliche Schätzung:

29 Diese Verwechslung etwa auch bei F. La n gen bee k , Probleme der elsässischen Geschichte in fränkischer Zeit, in: Alem. lb. 1957, S. 29; Schnyder (wie Anm. 3), Stammbaum S. 180; W. M erz, Austrasische Adelsherrschaft des 8. Jh., in: Hist. Jahrbuch 87 (1967), S. 277 ff. (262 ff); G. M ay r , Studien zum Adel im frühmittelalterlichen Bayern (München 1974), S. 113. - Der dux Gundoin ist noch 693 Beisitzer eines Placitums Chlodwigs Ill. zu Vincennes (MGH-DM Nr. 66, S. 58), E b I in g (wie Anm. 21), S. 168, ist aber vor 700 gestorben (vgl. TW Nr. 223). - Dazu Do 11 (wie Anm. 16), S. 479 f. - Vgl. auch unten Anm. 79 und 146: Die Verbindung ist u.E. am ehesten über den 590 erwähnten OUo, Referendar Kg. Childeberts 11.,als den gemeinsamen Vorfahren und Namensgeber des Gundoinsitzes Einville (A udoi nda viii a) zu suchen. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 9

1. Generation: Graf AudoinlOtdo, Theudala - geboren um 630, gestorben vor 700; 2. Generation: Weroald, Mumma, AmalIind, Raganloz, geboren um 650/60; 3. Generation: Erloin, Radulf, geboren um 675/85; 4. Generation: Teotar, Rotar, geboren um 695.

3. Das Ahnenpaar Graf Audoin und Theudala

Für das Stammelternpaar unserer Skizze, Graf Audoin und Theudala, die schon vor 700 verstorbenen Großeltern Erloins von mütterlicher Seite, lassen sich dank der Schenkungen ihrer Kinder Weroald und Amallind an das Kloster St. Peter und Paul in Weißenburg bereits einzelne Besitzzentren erkennen. Sie zeigen sich zunächst im Unterelsaß beiderseits der Vogesen.

3.1. Erste Beobachtungen zu Graf Audoin Auf Besitz Graf Audoins stoßen wir in Waldhambach (ö Saarunion) an der Eichel und in dem daran angrenzenden weitläufigen Waldgebiet. Sein Sohn Weroald schenkt im Jahr 713 an das Kloster Weißenburg denjenigen Anteil von Waldhambach, den ihm sein verstorbener Vater Audoin gegeben hatte, mit Hof- stätten, Leuten, Forsten und mit allem, was dazugehört, bis hinauf zur Wasser- scheide zwischen Rhein und Saar am Zwölfapostelstein", Dieser ausgedehnte Besitz Audoins und danach Weroalds ist noch zur Zeit der Schenkung in einer Erweiterung durch laufende Rodungen begriffen. Er deckt sich nun auffallen- derweise großenteils mit dem Gut einer Schenkung, die im Jahr 718 Chrodoin, der Sohn eines Petrus, dem Kloster zuwendet", Beide Schenker, Weroald (713) und Chrodoin (718), hatten im verschenkten Rodungsgebiet nicht nur Real- anteile, sondern sie waren Teilhaber an einer Gesamthandgemeinschaft, wie sie auf eine Erbengemeinschaft zurückgehen könnte. Bei Chrodoins Vergabung von 718 steht auch der Enkel Audoins und Neffe Weroalds, unser .Ebringer" Erloin, unter den vordersten Zeugen. Unweit von Waldhambach liegt in dem Kirchort Berg mit seiner Martinskirche das Stammgut der Chrodoinfamilie; aus dieser Familie kam vor dem Schenker von 718 schon der - 682/83 nachweisbare - Weißenburger Abt Chrodoinv, Die Besitzverhältnisse um Waldhambach spre-

30 TW Nr. 192.

31 TW Nr. 194 = 224; 227; dazu Anm. von Doll, TW, S. 448; K. GI ö c k n er, Die Anfänge des Klosters Weißenburg, in: Elsaß-Lothring. Jahrbuch 18 (1939), S. 30 f.

32 Langenbeck (wie Anm. 29), S. 33. - Wir denken bei Abt Chrodoin und Graf Audoin an Brüder oder Vettern. Audoins Vater war unserer Annahme zufolge Rado, um 630 Kämmerer König Dagoberts; dazu unten Kap. 5.2. Bei Abt Chrodoin (= Radoin) könnte ebenfalls der Name eines Rado durchscheinen. 10 Eberhard Dobler chen dafür, daß schon zwischen Graf Audoin und Abt Chrodoin ein nahes Ver- wandtschaftsverhältnis bestand. Beide könnten dieselben Vorfahren haben, von denen das Gesamthandeigentum am Waldhambacher Rodungsgebiet herkam. Audoin- und Chrodoinsippe müssen u. E. darum im Zusammenhang gesehen werden. Sie dürften im Mannesstamm aus einer in der 2. Hälfte des 7. Jahrhun- derts noch nicht weit zurückliegenden gemeinsamen Wurzel entsprungen sein. An Berg, das Stammgut der Chrodoine, schließt südwestlich eine Siedlung Bettweiler, neben ihr ein Ottweiler (bei Drulingen) an. Der Namengeber für dieses letztgenannte Ottweiler muß der Graf Audoin/Otdo des 7. Jahrhunderts gewesen sein. Denn Audoins Sohn Weroald schenkt hier, in Auduuino vel Erialdo uilleri, 721 an Weißenburg seinen von Audoin ererbten Anteil. Der Wechsel der Ortsnamen von Audoin zu Weroald (= Eriald), vom Vater zum Sohn, zeigt dabei deutlich auch die Abfolge der Eigentümer und läßt die Identi- fizierung des Erstgenannten mit Weroalds Vater Graf Audoin ZU33• Für Bettweiler andererseits ist als Namengeber ein Betto wahrscheinlich, der ebenfalls in familiärem und zeitlichem Zusammenhang mit der älteren Chro- doin-IAudoinsippe gesucht werden kann. Auch der Name Betto (Kurzform zu Bertoald u. ä.) könnte damit aus dem Namensbestand dieser Sippe stammen. Wir können zusammenfassen, daß um 700 im Bereich um Berg und Drulingen bei Saarunion ein ausgedehnter Besitz der - damals noch nicht lange getrenn- ten - Audoin- und Chrodoinsippen zu finden ist, wobei das gemeinsame Rodungsgebiet um Waldhambach in den Weißenburger Urkunden einen heraus- ragenden Platz einnimmt. Wir belassen es hier bei diesen ersten Beobachtungen zur Herkunft Graf Au- doins. Zunächst soll auch geprüft werden, was sich zur Herkunft von Audoins Gemahlin Theudala ermitteln läßt.

3.2. Zur agilolfingischen Herkunft Theudalas Einstiger Besitz Theudalas wird bei einer Übertragung von Audoins Tochter AmitalAmallind sichtbar. Amallind und ihr Sohn Radulf bestätigen im Jahr 712 (April 20), daß sie an Abt Ratfrid von Weißenburg ihren gesamten Besitz in Ott-

33 TW Nr. 243 - In diesem Ottweiler besitzt auch Wolfgunda, die Witwe des dux Gundoin und Tochter des Hausmeiers Wulfoald (t680), einen Hof, in dem sie 7051706 wohnt, und ein Siebtel der Gemarkung, die sie mit Miterben (coheredes) teilt; TW 228. Es könnte sich um mütterliches Erbe gehandelt haben, so daß die Frau des Hausmeiers mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der Chrodoin-/Audoinsippe kam. Daß hier für Wolfgunda auch Audoins Schwiegersohn Reginbodo (= Raganloz) Zeugendienst leistet, mag auf einer MiterbensteIlung seiner Frau Amita beruhen; ebenso auf der seines Schwagers Weroald, der seinen Anteil erst 721 an Weißenburg gibt. Die hier- nach wahrscheinliche nahe Verwandtschaft Wolfgundas mit Graf Audoin schließt andererseits wie- der eine (im kanonischen Sinn) allzu enge Verwandtschaft ihres Gatten Gundoin mit Graf Audoin aus, so wie auch der Namensteil -gunda hier nicht, zumindest nicht unmittelbar, aus der Gundoin- familie kommen dürfte. Die Verwandtschaft über Wolfgunda erklärt auch das häufige urkundliche Zusammentreffen ihrer Söhne Ermbert und Otto mit den jüngeren Angehörigen Graf Audoins und den Chrodoinen in Weißenburg. Die Verwandtschaft der Söhne mit Audoin könnte durch Wolf- gundas Mutter, die nicht mit Namen bekannte Frau des Hausmeiers Wulfoald, vermittelt sein. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 11 weiler (villa re Adoaldo) und Geblingen (Gebolciacus) auf beiden Ufern der Albe (sw Saaralben) verkauft haben, den Amallinds Vater Audoin aus dem Ver- mögen (de racione) der verstorbenen Theudala oder anderswie erworben hatte>', Um dieselbe Zeit (712 März 1 und 30) schenkt Amallinds Bruder Wero- ald Grundbesitz ebenfalls in Geblingen (villa Geboaldo), den sein Vater Audoin ihm hinterlassen oder er erkauft hatte'>. Die Urkunde Amallinds zeigt, daß der Besitz hier an der Albe ursprünglich auf Theudala zurückging; Theudalas Mann Audoin hatte dann einiges dazugekauft. Audoins Erwerb aus dem Vermögen der - vorverstorbenen - Theudala weist auch auf seine eigene Erbenstellung hin: Theudala war offenbar Audoins Gattin und die Mutter Amitas. Dafür werden sich im folgenden weitere Hinweise ergeben. Weroalds Urkunde von 712 ande- rerseits enthält die Teilwiederholung einer früheren umfassenden Schenkung aus dem Jahr 700, mit der er bereits sein gesamtes Eigentum - offenbar nach dem Tod der Eltern und aus deren Erbe - seinem Kloster vermacht hatte, damals jedoch noch ohne Angabe der einzelnen Besitzorte". Zum HofWeißenburgs in Geblingen gehörten nun nach späterer Angabe auch zwei Salzpfannen bei Moyenvic (sö Chäteau-Salins)", Unweit von Moyenvic besaß Weißenburg in Marsal später nicht weniger als 14 Salzpfannen". Es fällt auf, daß zwei dieser Anlagen zur Salzgewinnung gerade zu dem - in der Luftlinie rund 40 km entfernten - Klosterhof in Geblingen an der Albe gehörten. Das läßt an eine gemeinsame Herkunft dieser beiden Salzquellen aus einem der Erwerbe in Geblingen denken, zuvorderst an Weroalds große Schenkung von 700 und 721. Schon im späten 7. Jahrhundert mögen also die Besitzvorgänger Weißenburgs aus Weroalds Familie in diesem Geblingen auch an der einträglichen Salzge- winnung bei Moyenvic beteiligt gewesen sein. Auffallenderweise gibt es nur 6 km östlich von Moyenvic ein zweites Geblingen (Gueblange-les-Dieuze), dessen Name wieder an einen früheren besitzgeschichtlichen Bezug zwischen den beiden gleichnamigen Orten denken läßt, damit auch zwischen dem Dorf an der Albe und dem Salzgebiet um Moyenvic. Der hier doppelt vertretene Ortsname Geblingen ist in beiden Altformen (villa Geboaldo; Gebolciacus) vom Personennamen Gebold abgeleitet. Dieser ist identisch mit Gairoald oder Garibald. Eine weitere Variante zu Garibald ist der Name von Audoins Sohn Weroald, der ja um 700 Erbe eines Teils von Geb- lingen an der Albe war. Weroald gehört - sovielläßt sich angesichts der starken Sippengebundenheit der merowingerzeitlichen Personennamen sagen - dann wohl zu den Nachkommen des für seinen Besitzort Geblingen einmal namen-

34 TW Nr. 225. - Das hier genannte Ottweiler (villare Adoaldo) bei Saaralben ist nicht iden- tisch mit dem vorerwähnten Ottweiler (Auduuino uilleri) bei Drulingen.

35 TW Nr. 231, 233. - Die Urkunde TW 231 ist von (Weroalds Großneffen) Theotgarius, dem Sohn des .Ebringer" Erloin, geschrieben; vgl. auch Anm. 20.

36 TW Nr. 242.

37 L. Litze n bu rge r , in: Arch. f. Mittelrhein.Kirchengesch. 18 (1966), S. 309 f.; Doll, TW S.459.

38 L. Li t zenbur g er , S. 310. 12 Eberhard Dobler gebenden GeboldlGaribald. Das müßte auch schon für Weroalds Mutter Theu- dala gelten, aus deren Vermögen dieser Besitz ja über seinen Vater Audoin an Weroald gekommen war. Der Frauenname Theudelinda (=Theudala) gehört, wie zu zeigen sein wird, selbst in den geschichtlichen Umkreis des Namens Garibald. Geblingens Nachbarort an der Albe wiederum, Ottweiler (= villa re Adoaldo), von dem ein Teil vor 700 an Theudalas Tochter Amallind gelangt war, ist nach einem Adaloaldl Adoald benannt. Als Vorbesitzer dieses -weiler-Ortes lebte Adoald vermutlich im 7. Jahrhundert. Zufolge seines Namens darf er - diesen Schluß unterstützt die Besitzlage - in einem familiären Zusammen- hang mit dem älteren Garibald gesucht werden, darum auch mit Theudala und Weroald39• GaribaldlGeboald und Adaloald sind in ihrem Grundwort verwandte Namen. Unüberhörbar sind in ihnen wie bei TheudalaffheudelindaAnklänge an Namen aus dem agilolfingischen Königshaus der Langobarden und aus dem mit ihm verwandten älteren baierischen Herzogshaus, als deren gemeinsamer namen- gebender Spitzenahn nach Jörg Jamut der 457 getötete suebische König Agiulf anzusehen isr'", Der unmittelbare genealogische Anknüpfungspunkt scheint für unsere Fragestellung in der Person des Herzogs Garibald (t 592) zu liegen, auf den der baierische Zweig der Agilolfinger zurückgeht". Denn in Geblingens Namengeber Geboald darf am ehesten der spätere Baiemherzog Garibald ver- mutet werden; zumindest kann der Name als Hinweis auf agilolfingische Vor- besitzer aus seiner Familie interpretiert werden. Mit dem Merowingerkönig über dessen agilolfingische Mutter Deoteria, einen Abkömmling König Agiulfs, nahe verwandt, erhielt Garibald um 550 von Theudebald den damals neugeschaffenen baierischen Dukat anvertrautv. Garibalds Gemahlin Waldrada war die Tochter des Langobardenkönigs Wacho (t 540) aus dem Ge- schlecht der Lethinger, das nach dem Tod von Wachos Sohn Walthari (t 546) nach mehr als hundertjähriger Herrschaft durch den Gausen Audoin vom Thron verdrängt worden war". Waldrada war kinderlos zunächst mit dem jungen König Theudebald (t 555) vermählt gewesen. Hernach wurde sie von dessen Onkel und Nachfolger Chlothar I. (t 561) geheiratet, der sie jedoch verließ und nun seinem Vasallen Garibald zur Frau gab+'. Der um 550 neu erhobene baieri- sehe Herzog kam aus dem merowingischen Ostreich von Reims, das Theude-

39 Ein jüngerer Adold steht 715 zusammen mit Erloin bei der Schenkung Erkanberts unweit von Hilbesheim (nö Saarburg) und GoerIingen (PN Garibald); TW Nr.265.

40 Ja rn u t (wie Anm. 25), S. 36 ff.

41 Zur Genealogie vgl. im allg. Jar nut (wie Anm. 25), S. 125, sowie H. E b Li n g, J. Jar nut, G. Kamp e rs, Nomen et Gens, Untersuchungen zu den Führungsschichten des Franken-, Lango- barden- u. Westgotenreiches im 6. u. 7. Jh., in: 8 (1980), S. 687 ff. (702 f.), - Für die agi- lolfingischen Baiernherzöge vgl. die Stammtafel nach W. S t ö r mer in: Die Franken - Wegberei- ter Europas, Katalog-Handbuch zur Ausstellung in Mannheim 1996/97 (Mainz 1996), S. 317.

42 Ja r n u t (wie Anm. 25), S. 50 f.

43 Ebd., S. 49.

44 Ebd., S. 52. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 13 bald unterstand. Daher paßt älterer Besitz in Lothringen, von dem Geblingen nur ein Bruchstück gewesen sein dürfte, gut zu diesem Befund. Ihren Altbesitz im Westen dürfte Garibalds Familie auch nach der Verleihung des baierischen Dukats behalten haben. Denn die Verleihung des Amtes in Baiern wäre kein Grund für einen Entzug des Eigentums im Westen gewesen. Die agilolfingi- sehen Nachkommen Garibalds oder einzelne von ihnen sind auch hier im Westen verwurzelt und einflußreich geblieben. Garibalds Sohn Grimoald, der weder im langobardischen Bereich noch im baierischen Herzogtum seines Bru- ders Tassilo auftaucht, mag hier im Westen seinen Lebensschwerpunkt behalten haben und auch in Lothringen zu einem Besitzmittler für seine Nachkommen geworden sein. Der Name GrimoaldlGrimulf ist in ihrem Kreis nicht selten. Ein Enkel Herzog Garibalds wiederum, und zwar ein Sohn seiner Tochter Theude- linde (= Theodelinda) aus ihrer 590 geschlossenen Ehe mit dem Lango- bardenkönig Agilulf (591-616), war der danach bis 626 in Italien als König regierende Adaloald=. Auch der Name Adaloald (Ado aid) gehört also in den agilolfingischen Familienverband um Herzog Garibald. Wir finden mithin schon vor und um 600 in der Familie die Namengruppe Garibald, Theudelinde und Adaloald beisammen, die uns am Ende des 7. Jahrhunderts in Geblingen, im angrenzenden villare Adoaldo sowie bei deren Besitzern Theudala (Theude- linde) und Weroald wieder begegnet. Diese beiden Orte an der Albe dürften demnach durch Erbgänge, die auf Herzog Garibald und seinen Umkreis zurück- führten, an Theudala gelangt sein. Man darf vermuten, daß dieser Zweig der Agilolfinger einen Kern seines Besitzes in Lothringen ursprünglich königlichen Schenkungen verdankte, die letztlich wohl aus der Eheverbindung ihrer Ver- wandten Deoteria mit König Theudebert (t 547) motiviert waren. Für Theudala, die Gemahlin Graf Audoins, ist jedenfalls eine agilolfingische Abstammung wahrscheinlich, die auf Herzog Garibald und über dessen Gemahlin Waldrada zugleich auf den Langobardenkönig Wacho zurückführte=. Theudalas Heirats- verbindung mit dem fränkischen Magnaten Graf Audoin paßt so auch zu ihrer eigenen herausgehobenen Herkunft. Diese Heirat muß etwa um 650 stattgefun- den haben. Theudalas Enkel Erloin, unser Ebringer Stifter, hat dann von mütter- licher Seite ebenfalls agilolfingische Ahnen. Im Namen seines Sohnes Teotar (= Theutar) - wie im übrigen des unter den Ebringer Zeugen stehenden anderen Teutar (11)- kann man unschwer einen Anklang an die weibliche Form dieses Namens bei der Agilolfingerin Deoteria, der Gemahlin König Theudeberts, fin- den. Auch für die männliche Namensform selbst gibt es bei den Agilolfingern einen frühen Beleg im Namen des Deotarius (= Theutar), der um 600 von

4' W. Me ng h j n, Die Langobarden - Archäologie u. Geschichte (Stuttgart 1985), S. 136. _ Theudelinde war als Tochter Garibalds und Waldradas, der Tochter König Wachos, etwa um 570 geboren; ebd., S. 118

46 Der Name Wacho ist als Kurzstamm zu ahd. Wachar zu stellen; E. F örs temann, Altdeut- sche Personennamen, Erg. Bd. verf. v. H. Kaufmann (MünchenlHildesheim 1968), S. 373 f.- Hierher gehören auch die Varianten Wago u. ä. 14 Eberhard Dobler seinem Bruder, dem Metzer Bischof Agiulf, zum Bischof im südaquitanischen Arisitum geweiht wurde-? und der ein Neffe der Deoteria gewesen sein mag.

3.3. Verwandte Theudalas: Die Weißenburger Schenker Theutar und Bonifatius Ziemlich sicher steht mit Theudala, deren Sohn Weroald in dem 661 gegrün- deten Weißenburg Mönch wurde, auch einer der frühesten Förderer des Klo- sters, der dux Theutar (Theotchar), in naher Verbindung. Von ihm erhielt die Abtei 682/83 im Dorf Marsal (sö Chäteau-Salins) eine Salzquelle. Zugleich gab Theutar im benachbarten Vie alles, was ihm dort von einem Wangrulf erbweise zugefallen war". Sowohl Marsal als auch Vie grenzen an Moyenvic an, wo das Kloster einige Jahre später zwei weitere Salzpfannen wahrscheinlich aus dem Erbgut Theudalas erwirbt". Angesichts seines agilolfingischen, an die "Spitzen- ahnin" Deoteria ebenso wie an den Bischof Deotarius der Zeit um 600 erin- nernden Namens darf dieser dux Theutar den westfränkischen Agilolfingern zugerechnet werden. Auch sein Sohn Theodarius, der dem Rechtsgeschäft des Vaters 682/83 zustimmt, trägt diesen Namen. Nach Eduard Hlawitschka ist der dux Theutar wahrscheinlich der Vatersbruder Irminas von Oerenv, Jene grün- dete 698 das Kloster Echternach und stattete es mit dem halben Grundanteil aus, den sie als Alleinerbin ihres nicht namentlich bekannten Vaters übernommen hatte; die andere Hälfte kam 706 aus früherem Besitz des dux Theutar und sei- nes Sohnes hinzu, die beide damals schon verstorben waren. Irmina entstammt einer der führenden Familien des Mittelmosel-Eifel-Gebiets im 7. und begin- nenden 8. Jahrhundert. Da diese Familie einen Amtsträger vom Range eines dux stellte, muß sie zu den ranghöchsten Kreisen nach den Karolingern in deren aus- trasischen Stammlandschaften gehört haben. Der Amtssprengel des dux Theutar läßt sich nicht bestimmen; nach der Annahme von Matthias Werner umfaßte er vielleicht das Gebiet um Metz und Trier". Für unsere Untersuchung läßt der Name des älteren dux Theutar auch deswegen aufhorchen, weil nicht nur ein - wohl um 695 geborener - Sohn des .Ebringer" Erloin, sondern auch einer der Zeugen Erloins von 716/20 so heißt. In dieselbe, mit Weißenburg eng verbundene Familie dürfte jener Bonifatius gehören, der im Jahr 661 dem Kloster aus der Hinterlassenschaft seines jung verstorbenen Sohnes Gundebald eine Mühle in Görlingen (n Saarburg) - in villa

47 Jarnut (wie Anm. 25), S. 24, 32. - Gregor von Tours, Historia Francorum, hg. v. B. Krusch, MOH, Script. rer. Merov. I, 1 (Hannover 1951), Kap. XI, 33 und 43, spricht von einem Priester Theutar, der vorher Referendar Kg. Sigiberts (t575) gewesen war und 589 von König Childebert 11.als Schlichter in einem Streit zwischen den Nonnen von Tours bestimmt wurde.

48 TW Nr. 213. - Die Salzquelle lag zwischen der eines Bodo und eines Bertram. 49 Vgl. Anm. 37. so E. HI a wit s chk a, Merowingerblut bei den Karolingern? in: Adel und Kirche, Festschrift O. TeIlenbach, hg. v. J. Fleckenstein u. K. Schmid (Freiburg 1968), S. 79. 'I ZU Irmina von Deren und ihrem Umkreis ausführlich M. Werner, Adelsfamilien im Um- kreis der frühen Karolinger - Die Verwandschaft Irminas von Deren u. Adelas von Pfalzel (Sig- maringen 1982); hier zit. nach S. 173. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 15

Gairoaldo, also wieder in einem auf GairoaldlGaribald hinweisenden Ort - schenkte'<. Sein anderer Sohn Teodoald schreibt selbst die Urkunde. Es ist die erste bekannte Schenkung, die das gerade erst durch den Speyrer Bischof Dragobodo gegründete Kloster überhaupt empfing. Franccis Himly identifiziert Bonifatius schlüssig mit dem gleichzeitigen Herzog im Elsaß (in diesem Amt nachgewiesen um 662 und 664/66)53, während dessen Spitzenzeuge Chrodoha- rius (Rotar) der Straßburger Bischof (t 678) und mutmaßliche Bruder des Her- zogs zu sein scheint>, Außer Chrodohar und den beiden Söhnen des Bonifatius trägt zumindest der dritte Zeuge, Chrodoald, einen auch sonst als agilolfingisch bezeugten Namen; so heißt dann auch der Nachfolger Bischofs Chrodohars in Straßburg. Offenbar haben wir in Theutar, Bonifatius und Chrodohar, die schon kraft ihrer Ämter zur höchsten fränkischen Aristokratie zählen, Angehörige der Agilolfingersippe vor uns. Der für jene Zeit noch sehr seltene Name des Bonifatius selbst läßt an den etwas älteren Papst Bonifatius IV. (608 - 615) denken. In Zusammenarbeit mit jenem Papst hatte die agilolfingische Königin Theudelinde die katholische Mis- sion unter den zuvor arianischen Langobarden entscheidend vorantreiben kön- nen. Königin Theudelinde (t 627) ist die Tochter des baierischen Herzogs Gari- bald, den wir auch unter den Vorfahren von Graf Audoins Gemahlin Theudala vermuten. Die Gründung des Klosters Bobbio in den Kottischen Alpen, das Theudelindes Gemahl König Agilulf 612 dem aus dem Frankenreich eingewan- derten Mönch Columban schenkte, war bei der von Theudelinde und Papst Bonifatius betriebenen Missionierung ein augenfälliger Schritt". Columban aber hatte sich zuvor um 610 im Mametal auch bei agilolfingischen Verwandten der Langobardenkönigin, Chagnerich und den Burgundofaronen, aufgehalten>, So könnte schon der Plan zur Missionsreise Columbans in das oberitalische Langobardenreich aus einer von den fränkischen Verwandten vermittelten Ab-

52 TW Nr. 203.- Der Name Gundebald ist nach Ja r n u t (wie Anm. 25), S. 42, für die Zeit als sicher agilolfingisch nachzuweisen, "wie denn ja überhaupt das auch in anderen Namen auftau- chende Grundwort -oald typisch für die agilolfingischen Namen im Frankenreich ist". - Zu Boni- fatius vgl. auch G. M ay r (wie Anm. 29), S. 104 f., der den Görlinger Schenker ebenfalls für einen Agilolfinger hält.

53 F. Him I y, Les plus anciennes chartes et les origines de I'abbaye de Wissembourg, in: Bibliotheque de I' Ecole des Chartes lOO(1939), S. 286 f.

54 Die Frage läßt offen Doll in TW, S. 416. - Zu den Namensformen Chrodoharius-Rothar vgl. Ebling (wie Anm. 21), S. 89 Anm. 9. - Nach dem Straßburger Bischofskatalog (MGH. SS 13, S. 322) war Rotharius zuvor Herzog gewesen; vgl. L. Duc h e s ne, Fastes episcopeaux de l'ancienne Gaule 1 (Paris 1907), S. 171. - Zu Rothars Nachfolger Rodobaldus (Chrodoald) vgl. ebd. - Die auf den Spitzenzeugen Chrodohar 661 folgende Zeugenreihe lautet auf Gaisuarius, Chrodoaldus, Ledoaldus, Theodoaldus: Die Zeugen scheinen unter sich und mit Bonifatius nahe verwandt zu sein, wobei Chrodoaldus an den gleichnamigen Straßburger Amtsnachfolger des Spitzenzeugen (Bischof) Chrodohar denken läßt. ss Menghin (wieAnm. 45), S. 136.

56 Vita Columbani auctore Iona, ree. B. Krusch, MGH. SS. rer. Germ. (1905), Il, 7. - Dazu R. Sprandel, Der merowingische Adel und die Gebiete östlich des Rheins (Freiburg 1957), S. 14 ff. - vgl. auch unten 5.2. 16 Eberhard Dobler sprache mit Königin Theudelinde und ihrem Gemahl König Agilulf entstanden sein. Ebenso mag nun auch in dem Zusammenwirken der westfränkischen Ver- wandten mit Königin Theudelinde die Erklärung dafür liegen, wie der Name des gleichzeitigen römischen Papstes um 610/15 bei der Taufe des westfränkischen Agilolfingers Bonifatius in diese Familie Eingang gefunden hat'". Der ursprüngliche Papstname wäre so um 610/15 neu in den westfränkischen Zweig der Agilolfinger hereingekommen. Als Bruder des Bonifatius kommt, wie gesagt, der Straßburger Bischof Chrodohar/Rotar in Betracht. Von den beiden Söhnen des Bonifatius sind keine männlichen Nachkommen bekannt. Auch der Umstand, daß das elsäßische Herzogtum nach Herzog Bonifatius an einen Fremden, den Herzog AdalrichlEticho, gelangt ist (um 673), läßt eher vermuten, daß es zu jener Zeit keine männlichen Nachkommen des Bonifatius in direkter Linie mehr gab. Die Bonifatiussöhne Gundebald (schon 661 tot) und Teodoald tragen Namen, die an Königin Theudelinde und ihren Bruder Herzog Gundoald (t 616) sowie den angesippten Merowinger König Theudebald erinnern. Es ist gut vorstellbar, wenn auch nicht zu beweisen, daß Herzog Bonifatius, Bischof Chrodohar und Herzog Theutar von Königin Theudelindes Bruder Grimoald abstammen, dem anscheinend in Westfranken verbliebenen weiteren Sohn Her- zog Garibalds. Jedoch wäre dann dem Zeitabstand nach wohl eine - bisher nicht benennbare - Generation zwischen Bonifatius und Chrodohar, die um 610/20 geboren waren, und ihrem mutmaßlichen Großvater Grimoald anzunehmen. Der Name Theutar mag schon injener Generation vertreten gewesen sein. Wie Theudala, die Gattin des Grafen Audoin, mit dem dux Theutar sowie Bonifatius und ChrodoharlRotar nun zusammenhängt, bleibt offen. Die Wahr- scheinlichkeit geht aber dahin, daß ihr Vater ein Bruder des dux Bonifatius oder dieser selber war. Der dux Theutar wiederum, anscheinend aus der Generation nach Bonifatius, könnte zu Theudala etwa altersgleich und vielleicht ihr Vetter oder Bruder sein. Beim Namen von Theudalas Tochter AmaIlind läßt das Stammwort Amal- aufhorchen. Denn der Amal-Name bringt einen weiteren Hochadligen des 7. Jahrhunderts gerade im Umkreis des Herzogs Bonifatius in den Blick. Ein Diplom Childerichs 11.für Speyer von 664/66 nennt unter den weltlichen Intervenienten die viri illustres und duces Amalrich und Bonifatius, letzterer ohne Zweifel der elsässische Herzog"; Dessen Name wiederum ist eng mit dem Kloster Münster im Gregoriental (nw Colmar) verbunden. Bei der Gründung dieses Klosters um das Jahr 662 hat neben dem Straßburger Diöze-

57 Erinnert sei an die spätere Parallele in der Namenswahl für den Sohn Adrian des Udalrichin- gers Graf Gerold, der mit Papst Hadrian (772 -795) in engerem Kontakt gestanden hatte und des- halb den Namen des Papstes als des höchsten christlichen "Heilsspenders" in seine Familie über- nahm; dazu W. Ha r tun g, Tradition und Namengebung im frühen Mittelalter, in: Früh- und hoch- mittelalterl. Adel in Bayern u. Schwaben, hg. v. I.Eberl, W. Hartung u. J. Jahn (Sigmaringendorf 1988), S. 78.

S8 MGH, DMerov. Nr. 28, S. 27. - Als vir illuster wird Amalrich auch in einer Urkunde Chil- derichs von 673 erwähnt (MGH, Scipt, rer. Merov. 5, S. 610), als er sich neben Bischof von Autun und dessen Bruder Gerin, dem maiordomus Wulfoald und dem vir illuster FuIcoald für SI. Wandrille verwendet; Ebli ng (wie Anm. 21), S. 51. Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 17 sanbischof Chrodohar auch Bonifatius als zuständiger Amtsherzog entschei- dend mitgewirkt'". Unweit von Münster und Colmar findet sich der einzige mit Amalrich gebildete Ortsname: Amalricivillare (Ammerschweier b. Rappolts- weilerj'", Amalrich könnte zur Verwandtschaft des ranggleichen dux Bonifatius gehört haben. Der Namensstamm Amal- erscheint auch in der Audoinfamilie mehrfach. Zum Beispiel dürfte der in der Ebringer Urkunde von 716/20 als Amihuni geschriebene Zeugenname als Amaloin/Amalungus aufzulösen sein. Ein Amal- rich ist 744 und 745 Zeuge in erkennbar naher Verwandtschaft zu der St. Galler Schenkerin Beata"; jene Beata ist nach unserer Annahme, die wir im folgenden

Garibald (t ea. 590) Waldrada Hg. Baiern um 550 T. Kg. Wachos

Hg. Gundoald Hg. Tassilo Grimoald Theudelinda (t627) (t616) (t610) (t592) Cl)

? I Kg. Agilulf (t616) . I I N Kg. Adaloald (t626)

I I ~ lI ,

Amalrich Bonifatius Chrodohar (Rothar) "dux" 664/66 geb. um 610/15 B. v. Strassburg Hg. Elsass (t678) Wbg.661

Gundebald Theodoald Theudala Theutar (661 tot) Wbg.661 Cl) 682/83 Wbg. Audoin 707 tot (beide 700 tot)

~------~------1Weroald Amallinda Mumma Mönch Wbg. Cl) Cl) 7001737 Raganloz (Haroin) I I Radulf Erloin 737 Ebringen 716/20

Teotar/Thiotger Rotar • Ebringen 716/20 -

S9 A. Bruckner, Regesta Alsatiae aevi Merovingici et Karolini (496-918), Bd. 1 (Straß- burglZürich 1949), Nr. 44.

60 Schnyder (wieAnm. 3), S. 179.

61 SGUB I, Nr. 10, 11, 12; dazu S c h n y d er (wie Anm. 3), S. 158 ff. 18 Eberhard Dobler noch begründerr", eine Enkelin Audoins und Theudalas. Die Zeugennamen Amaluni, Amalrih, Gozbert stehen 745 für die Schenkung, die ein Bischof Hart- bert in Forstfeld (Unterelsaß) zum Seelenheil eines Reginbert an Weißenburg macht=': wir können diesen Reginbert mit dem gleichnamigen Vater Beatas identifizieren=. Bei der Prekarieschenkung des Diakons Ato im mittleren Hegau, die 787 in Singen beurkundet wird, ist Spitzenzeuge ein Theutar, etwas nach ihm folgt ein Amalungus='; der St. Galler Mönch Ato ist, wie wir an ande- rer Stelle zeigen werden, ein Nachkomme Graf Audoins und Theudalas.

4. Die Herkunft Erloins von väterlicher Seite

4.1. Hinweise auf die Gundoin-Sippe Mit den ersten Beobachtungen ließ sich die Herkunft des Ebringer Schenkers Erloin zunächst von der Seite seiner Mutter Mumma und deren Eltern Graf Au- doin und Theudala erschließen. Als nächster Schritt bleibt damit die Abstam- mungslinie auf der väterlichen Seite zu untersuchen. Den Namen von Erloins Vater kennen wir ja bisher nicht. Außer bei seiner eigenen Schenkung in Ebringen um 716/20 und zeitlich vor jener im unterelsässischen Buchsweiler (725) wird Erloin noch in vier Weißen- burger Urkunden der Jahre von 715 bis 720 sichtbar, dort jeweils als Zeuge. Alle diese Urkunden betreffen den unterelsässischen Raum. Urkundenzeugen wer- den mit Vorliebe aus dem familiären Umkreis der Handelnden genommen. Darum macht es Sinn, nach Erloins Verbindungen zu den Hauptpersonen jener Rechtsakte zu fragen. Zwei der Urkunden nun betreffen die Familie der sog. Gundoine (715 und 720)66. Eine dritte berührt die Chrodoine, denen Erloin, wie wir schon sahen, über seinen Großvater Graf Audoin nahesteht (718)67. Die vierte (715) weist in den Verwandtschaftskreis von Audoins Gemahlin Theu- dala", Neu ist für uns bisher noch die Spur zu den Gundoinen; sie soll hier zunächst aufgenommen werden. Die damit angesprochenen beiden Urkunden haben folgenden Inhalt:

62 Dazu unten Abschn. 5.6.

63 TW Nr. 143.

64 Zu Reginbert SOUB 1,Nr. 7 und 10. - Reginbert wird dort zu 744 als verstorben bezeichnet und dürfte schon 741 nicht mehr gelebt haben; anders zu 741 Sc h n y d e r (wie Anm. 3), S. 158; vgl. auch Anm. 198. u SOUB 1, Nr. 111.- Dazu E. D'o b l e r , Die Urkunde vom 15. Feb. 787, in: Singen - Zieh- mutter des Hegaus, Bd. 1, hg. von H. Berner (Konstanz 1987), S. 135 ff; der s. , Der hegauische Besitz des Klosters St. Gallen im 8.Jh. - sein Umfang und seine Herkunft, in: Hegau 21/22 (1966), S. 20 ff.

66 TW Nr. 239, 267. - Vg!. Anm. 29 und 33.

67 TW Nr. 227 (194). - Vg!. oben 3.1.

68 TWNr.239. Die Sippe des Grafen AudoinJOtwin 19

1) Im Jahr 715 (I 1) verkauft in Rimsdorf (? ö Saarunion) Ermbert, der Sohn des verstorbenen dux Gundoin und Mönch in Weißenburg, dem Kloster seinen Gesamtbesitz im Saar- und Seillegau, darunter die Güter am Stammsitz der Familie in Biberkirch (sö Saarburg) und in Einville (n Luneville), Erloin ist 12. von 13 Zeugen. 2) Im Jahr 720 (VII 12) erklärt Graf Adalhard, vir inluster, daß er von Abt Ratfrid die Güter in Biberkirch, die Ermbert und Otto, Söhne Gundoins, dem Kloster (715) geschenkt hatten, auf seine Lebenszeit zu Lehen erhalten habe. Unter den 8 Zeugen der in Biberkirch errichteten Urkunde steht Erloin an 6. Stelle. Die Rechtshandlung von 720 kann dahin gedeutet werden, daß Graf Adalhard nach dem Tod der beiden Schenker das Gut in Biberkirch gewisser- maßen als deren Rechtsnachfolger - weil Verwandter? - verliehen bekam. Der- selbe Graf Adalhard gehört später zum Gründerkreis der Abtei Hombach in der Pfalz (um 742), mit dem wieder das nachmalige Königshaus der Salier in Ver- bindung gebracht wird. Adalhards Bruder Warin hat die Söhne Nanthar, Erloin und Rothar=: das sind Namen, die wir alle schon in Ebringen 716/20 finden (zu Nanthar vgl. hierbei den Zeugen Nando). Auf eine bisher noch nicht bestimmte Weise gehört Erloin anscheinend in den familiären Umkreis der Gundoinsöhne wie des Grafen Adalhard. Ein weiterer genealogischer Fingerzeig läßt sich im Namen von Erloins Ebringer Spitzenzeugen Sigoin (Siguini) erkennen. Dieser Sigoin (Il in unserer - nachfolgend zu erläuternden - Zählung) bekundet die Schenkung von 716/20 unmittelbar nach Erloin selbst und dessen Söhnen. Er ist hierbei noch vor dem - schätzungsweise um 650/60 geborenem - Raganloz, dem Schwager von Erloins Mutter, eingereiht, steht also anscheinend in noch engerem Verhältnis zu Erloin selbst als Raganloz. Schon als ein Vetter Erloins hätte er diesen Vor- rang nicht mehr erwarten können; sein eigenes Verwandtschaftsverhältnis ist also wohl noch enger. Andererseits dürfte Sigoin, wie die noch vorzunehmende Gegenüberstellung zu dem älteren Sigoin (I) zeigen wird, generationsgleich mit dem - um 670/80 geborenen - Erloin sein, d.h. er ist jünger als Raganloz und dessen Generation. Die Übereinstimmung des jeweils zweiten Namensteils kommt hinzu. Sigoin (Il) ist nach allem ein Bruder Erloins. Seiner engen Ver- wandtschaft verdankt er hier in Ebringen seine Einreihung als Spitzenzeuge nach Erloins Söhnen. Wenn, wie wir vorerst nur unterstellen, Erloin 716/20 aus elterlichem Erbe schenkt, war die Zustimmung seines Bruders in der Tat auch für St. Gallen von besonderer Bedeutung. Die Zuziehung des Raganloz weist dann am ehesten wieder auf mütterliches Erbe Erloins hin, also auf das Schwe- sternpaar Mumma und Amallind, damit auf deren Eltern Audoin und Theudala als frühere Eigentümer des Ebringer Schenkgutes. Die Mitwirkung des Ragan-

69 TW Nr. 267 - A. Dolt, Das Pirminskloster Hornbach, in: Archiv für mittelrheinische Kir- chengeschichte 5 (1953), S. 108 ff. (120 f.); W. Met z , Miszellen zur Geschichte der Widonen und Salier, in: Hist. Jahrbuch 85 (1965), S. 3; der s. (wie Anm. 29), S. 262 ff.; M a y r (wie Anm. 29), s. 104 f. 20 Eberhard Dobler loz erhält dann ebenfalls den Charakter einer Zustimmung, und zwar dieses anderen Zweiges der Audoin-Erben. Sigoin (II) ist vor seinem Auftreten für Ebringen nur einmal nachzuweisen. Im Jahr 709 war er zu der großen Schenkung des Paares Graf Wulvoald, Sohn eines Gislaram, und seiner Frau Adalsinda an die Abtei St. Mihiel bei Verdun beigezogen worden". Nach einem Theodoin (Dodino) eröffnet er dort die Reihe der zahlreichen weltlichen Zeugen. Den Ehrenplatz hinter dem Spitzenzeugen Theodoin verdankt Sigoin (11),wie sich vermuten läßt, seiner nahen Verwandt- schaft zu diesem. Theodoin wiederum ist der Vater jenes eben angesprochenen älteren Sigoin (I), der freilich um 709 schon einige Jahre tot war. ÜberTheodoin ergibt sich eine Verbindung zwischen seinem Sohn Sigoin (I) und dem ihm 709 angereihten Sigoin (11). Das bleibt anschließend zu begründen, erfordert aber ei- nige Umwege. Wir dürfen unser Ergebnis daher vorwegnehmen: Theodoin und sein Sohn Sigoin (I) lassen sich der Gundoinsippe zuweisen", und mit guter Wahrscheinlichkeit darf man in dem älteren Sigoin (I) einen Vatersbruder der .Ebringer" Erloin und Sigoin (11)sehen. Theodoin ist der Großvater dieser bei- den .Ebringer" Brüder, die von väterlicher Seite damit ebenfalls zur Gundoin- sippe gehören. Vermutlich deswegen, weil er ein Enkel Theodos war, ist Sigoin (11)in der Urkunde Wulvoalds und Adalsindas von 709 auf den Ehrenplatz nach diesem, seinem Großvater, als dem Spitzenzeugen gestellt worden. Es ist nach dieser einleitenden Zusammenfassung nun geboten, zunächst den älteren Sigoin (I) mit seinem Vater Theodoinffheodo ins Auge zu fassen. Für beide ist die Quellenlage recht günstig. Ein vir inluster Sigolenus, den wir mit Sigoin (I) gleichsetzen, wird 693 unter den optimates bei einem Märzfeld König Chlodwigs 11.in Valenciennes genannt; als letzter von zwölf Vornehmen in dieser Gruppe, in der an fünfter Stelle auch (der dux) Gundoin steht". Im Jahr 717 vergabt Sigoins (I) Witwe Geratrudis/Geila aus seinem Erbe Grundbesitz und Hörige in Einville am Sänon (n Luneville) mit Zustimmung der drei Söhne Chuncellin, Buccelin und Snarung". Von diesen waren Chuncellin und Buccelin schon 699 Zeugen bei einer Schenkung der Söhne des dux Gundoin gewesen, die ebenfalls Einville und dessen Umkreis betraf". Diese beiden Söhne Sigoins (I) und Geratruds sind also, da schon 699 handlungsfähig, schwerlich nach 685 geboren. Ihr Vater Sigoin (I), den man in der wichtigen Urkunde von 699 eigentlich an ihrer Stelle erwartet hätte, fehlt. Er war, zumal er auch sonst nirgends mehr erscheint, ver- mutlich bereits verstorben. Beim Märzfeld von 693 hatte unmittelbar vor Sigoin (I) als anderer vir inluster ein Buccelin (I) gestanden, dessen sehr seltenen

70 J. M. Pa rd es sus, Diplomata, Chartae, Epistolae, Leges, Bd. 2 (Paris 1849; Neudruck Aalen 1969), Urk. 475.

71 S. im folgenden. - Dazu Skizze S. 28.

72 MOH, DMerov. Nr. 66, p. 58; dazu Eb l i n g (wieAnm. 21), S. 217.

73 TW Nr. 261.

74 TW Nr. 223, 240. Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 21

Namen dann auch Sigoins (I) und Geratruds zweiter Sohn trägt. Nicht nur die Identität zwischen dem Sigolenus von 693 und dem Gatten der Geratrud wird damit deutlich, sondern es darf so auch eine persönliche Verbindung zwischen dem älteren Buccelin (I) und Sigain (I) angenommen werden". Beim Namen von Sigoins (I) ältestem Sohn Chuncellin wiederum ist anzumerken, daß in der Urkunde von 699 die beiden Söhne des dux Gundoin, Ermbert und Otto, an Weißenburg unter anderem einen Anteil an einem Johannevillare in der Nach- barschaft von Einville verschenken, den sie von ihrem avunculus Cuhnchyrino (= Chuncellin) als Erbe erhalten hatten?", Der für Cunchirin gebrauchte Aus- druck avunculus ist hier wohl als Vatersbruder zu deuten. Denn es dürfte sich um Verwandtschaft mit den Gundoinsöhnen von väterlicher, nicht von mütter- licher Seite gehandelt haben, nachdem um Einville ein Kernbereich der Gun- doine lag, aus deren Kreis der Vater der beiden Schenker gekommen war. Jener Cunchirin, bei Einville begütert und vor 699 wohlohne Söhne verstorben, war dann am ehesten ein Bruder des dux Gundoin. Wenn somit im Namen des Sigoinsohnes Chuncellin (11)ein Name wiederkehrt, den anscheinend schon ein Bruder des dux Gundoin (I) getragen hatte, mag sich auch hierin eine familiäre Nähe zwischen Sigoin (I) und dem dux Gundoin andeuten. Sigoin (I) gehört nach allem zum Kreis der fränkischen Großen, aus dem auch Graf Audoin und der dux Gundoin kommen. Er ist etwa generationsgleich mit diesen beiden Magnaten und ihnen als vir inluster ranggleich. Mit Einville sind wir auf einen gemeinsamen Besitzort des dux Gundoin und des älteren Sigoin (I) gestoßen. Als Stammgut der Gundoinfamilie ist der Ort nicht zuletzt dadurch bezeugt, daß zu dem Besitz, den Gundoins Söhne 699 an Weißenburg verschenken, auch die dort schon "von ihren Vorfahren erbauten" Eigenkirchen gehörten". Den Vater des dux Gundoin sieht eine Forschungs- meinung in dem baiolus (Prinzenerzieher) Otto, dem um 640 die Erziehung des jungen austrasischen Unterkönigs Sigibert Ill. anvertraut worden war und der in

75 Der Name Buccelin läßt an die Brüder Butilin und Leuthari denken, die als von Kg. Theu- debert I. eingesetzte Führer eines alemannischen Heeres 553/54 in Oberitalien einfielen; dazu B. Behr, Das alem. Herzogtum bis 750 (BernlFrankfurt M. 1975), S. 75 ff; ferner M. Borgolte, Art. Dux, Dukat, in: Lexikon des MA Bd. I11.7 (Zürich/München 1985), Sp. 1487-1491. -An "alte Sippenverbindungen" zwischen den alemannischen Heerführern Butilin und Leuthari einerseits, der Familie Gundoins und Sigoins andererseits denkt M a y r (wie Anm. 29), S. 105 f. Er hält für zweifelsfrei, "daß wir in der Familie Sigoins Agilolfinger sehen dürfen" (S. 107). - Ein jüngerer Snarung findet sich um 785 unter den ortskundigen adligen Zeugen, die über das Stifungsgut Chro- doins bei Waldhambach an der Eichel und die Kirche in Berg aussagen, zusammen mit Männern wie Theotho, Rodoin, Otinus und Theathart (doppelt); er gehört hiernach wohl zur Verwandtschaft der damaligen Chrodoine; TW Nr. 196 a i.V. m. Nr.197. Ein Snarung ferner 765(?) als Schenker in Lorbach bei Mosbach (CL 3575) und 768 als Zeuge in Mannheim (CL 559). Zu Snarung auch M ay r (wie Anm. 29), S. 106 f.

76 TW Nr. 223. - Im selben Weiler des Johannes schenkt 775 ein Hildrat u.a. 9 Hörige, darun- ter Guntrad und Erloin; TW Nr. 246.

77 Dazu Do 11, TW, S. 439 f. - Die Kirchen in Einville hatten Martin sowie Hilarius als Patrone. 22 Eberhard Dobler

einem Machtkampf gegen die Pippiniden 643 von dem Alemannenherzog Leut- hari getötet wurde". Der gleiche Name wie der des Prinzenerziehers Otto (= Audoin), der ja auch bei einem der Söhne Gundoins wiederkehrt, liegt dem alten Ortsnamen villa Audoino super fluvio Cernuni für Einville am Sänon zugrunde. Der baiolus Otto wiederum war ein Sohn des domesticus (= Fiskus- verwalters) Uro, der sein Amt unter König Dagobert I. (t 639) innegehabt hatte". Der Personenname Uro ist auch in Ortsnamen des Westens häufig; im Bereich von Einville begegnet er in dem abgegangenen Urvillers bei Crevechamps (sö Nancyj'", Sigoins (I) Witwe Geratrud nun läßt 717 bei ihrer Schenkung aus dem Erbe ihres Mannes in Einville ausdrücklich auf die erteilte Zustimmung eines Theodo hinweisen. Dieser Theodo dürfte ihr Schwiegervater gewesen sein". Ob er 717 noch lebte, wird aus der Urkunde nicht klar. Theodo, von dem wir bereits im Zusammenhang mit der Schenkung Graf Wulvoalds bei Verdun im Jahr 709 sprachen, wo er vor dem jüngeren Sigoin (I1) steht, war dann der Vater Sigoins (I); seine Verbindung mit den beiden Sigoinen ist es, die die Gleichsetzung des Theodo von 717 mit jenem von 709 erlaubt. Seine Zustimmung für ein in Ein- ville gelegenes Erbgut stellt Theodo in die Gruppe der Gundoinfamilie. Unter seinem Vollnamen Theodoin/Theodolin - wir dürfen ihn nach der Besitzsitua- tion hier wieder mit dem Vater Sigoins (I) identifizieren - finden wir ihn weiter in einer von ihm selbst um 700 veranlaßten Urkunde. Wohl zu seiner Altersver- sorgung hatte er sich damals in die Klausur Weißenburgs aufnehmen lassen und dem Kloster als Gegenleistung seinen Besitz in Montecottane, offenbar Kuttin- genlCutting (nö Dieuze), übergeben". Aus der Zugehörigkeit zur Gundoinfami-

78 Langenbeck (wie Anm. 29), S. 30. - Zu den Personen Ebling (wie Anm. 21), S. 66. Zum Namen Ottos und dem älteren Referendar dieses Namens (um 590) vgl, auch unten Abschnitt 5.3. mit Anm. 147.

79 Ebl in g , S. 225. - Ebenso E. E w; g , Die fränkischen Teilreiche im 7. Jh., Trierer Ztschr, 22 (1953), S. 113; Neuabdr. in: Spätantikes und fränkisches Gallien Bd.l (München 1976), hg. v. H. Atsma, S. 199; A. Fri e se (wie Anm. 21), S. 27. - Daß der Name Gundoin durch sein Partikel "Gund-" einen Bezug zu dem Namengut der agilolfingischen Burgundofaronen enthält, zeigt Jarnut (wie Anm. 25), S. 42. Ein Gundoin ist zu Beginn des 7. Jahrhunderts als Verwandter des Agilolfingers Agilo, des ersten Abts von Rebais, bezeugt, der ihn auf seinem Landgut Meuse im Gebiet von Langres besuchte; dazu Jar nut, ebd. - Zum Namen von Einville vgl. auch Anm.147.

80 Doll, TW, S. 467. - In unserem Untersuchungsbereich ist ferner an Urenvilare unweit Völ- lerdingen (nö Saarunion) zu denken (TW Nr. 236 von 801), ebenso an Urweiler im Unterelsaß (n Buchsweiler).

81 TW 261. - In der Urkunde ist bei "Geratrudis sibi Geila matrona, Theodone" die verbindende familiäre Bezeichung weggefallen. Do 11 (wie Anm. 16), S. 502, ergänzt .filia" oder .murus". Nach unseren genealogischen Beobachtungen muß .murus" (= Schwiegertochter) richtig sein. - So im Ergebnis wohl auch M a y r (wie Anm. 29), S. 106.

82 TW Nr. 39. - Vgl. zur Lokalisierung auch Anm. 88; in Kuttingen sind im Jahr 777 Grund- eigentümer Theutrada, Theodoin, Sicco/Sigoin, die schon mit ihren Namen an die älteren Theo- doin und Sigoin denken lassen (TW Nr. 230). Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 23 lie muß es begründet sein, daß bei der großen Schenkung der beiden Gun- doinsöhne im Bereich von Einville 699 Theodo (Theodoin) und ebenso seine beiden Enkel Chuncellin und Buccelin, die Söhne Sigoins (I), als Zeugen zuge- zogen werden". Für den dux Gundoin und TheodoinfTheodo dürfte die Geburtszeit, wie für den Grafen Audoin, um 630/40 zu suchen sein. Sigoin (I) mag dann um 650/60, seine Söhne Chuncellin, Buccelin und Snarung mögen um 670/80 geboren sein und gehören so zur Generation des .Ebringer" Erloin und seines Bruders Sigoin (11).Sigoin (11)gehört freilich nicht zu Söhnen Sigoins (I), die wir aus der Ur- kunde ihrer Mutter Geila von 717ja namentlich kennen. Wenn er trotzdem aber dessen nicht häufigen Namen trägt, darf man hier im Blick auf die schon beob- achteten familiären Zusammenhänge und auf die Gepflogenheiten bei der Na- mensvererbung im frühen Mittelalter, insbesondere die geläufige Benennung nach dem Vatersbruder, eine hohe Wahrscheinlichkeit entnehmen, daß der - noch zu findende - Vater des .Ebringer" Erloin und Sigoins (11)ein Bruder des älteren Sigoin (I) gewesen ist. Erloin wäre unter dieser Annahme dann von väterlicher Seite ein Großneffe des dux Gundoin und Urenkel des baiolus 84 Ott0 • Auch nach seiner Herkunft von der väterlichen Seite gehört er dann zur Aristokratie des Merowingerreiches, ebenso wie schon von mütterlicher Seite durch Graf Audoin und die Agilolfingerin Theudala'". Man kann nach den bisherigen Beobachtungen festhalten, daß jener Sigoin (II), der 716/20 für Ebringen als Zeuge handelt, wohl ein Bruder des Schenkers Erloin war. Wir begegen offenbar auch in dieser Familie der Gepflogenheit, einen ihrer Söhne mit dem Namen eines Vaterbruders zu benennen. Dann wäre auch in der Familie Erloins der Name Sigoin aus der Traditionslinie von väter- licher Seite neben Teotar und Rotar schlüssig; dabei ist neben abwesenden frei- lich auch mit schon verstorbenen, unbekannten Kindern zu rechnen. In der älte- sten Mönchsliste des St. Galler Professbuchs, die mit dem Namenszug Abt Otmars beginnt, steht an 25. Stelle hinter Otmar das Gehorsamsgelübte eines Sigoiniw, Sollte dieser Mönch Sigoin ein weiterer Sohn Erloins gewesen sein? Der Name Sigoin ist für diese Zeit nicht nur an sich selten, sondern offenbar auch besonders an den Verwandtschaftskreis des .Ebringer" Erloin gebunden. Die Möglichkeit, daß jener Sigoin im Konvent Abt Otmars ein Sohn des Ebrin- ger Schenkers war, darf daher angesprochen werden.

83 TW Nr. 223, 240.

84 Doll, TW, S. 503, vermutet in dem Spitzenzeugen FoIcoin - nach den drei Söhnen - bei Geratruds Schenkung von 717 einen Bruder Sigoins (I).

85 Hinweise auf frühere Träger der Namen Erloin und FoIcoin enthält die Schenkungsurkunde Wulvoalds von 709 (wie Anm. 70), zugleich mit einem früheren Besitzort beider in Calvonecurte an der Maas, in dessen Nähe auch Besitz eines Gundoin gelegen hatte.

86 P.M. Krie g, Das Professbuch der Abtei St. Gallen (Augsburg 1931), Faks. S. 1.-Abbildung in: Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung 1997, hg. v. Archäol. Landesmuseum Baden- Württ. (Stuttgart 1997), S. 494. 24 Eberhard Dobler

Ein nochmals jüngerer Sigoin (Ill) schenkt im Jahr 755 an Weißenburg ein Gut, das in einem nicht mehr genau zu identifizierenden Bochildingas an der Eichel (ö Saarunion) lag" Das Gut kam von Sigoins (Ill) verstorbenem Vater Haroin (11),der es Sigoins Mutter Theutrada als Morgengabe überlassen hatte. Haroin selbst hatte 742 Besitz in Waldhambach an der Eichel verschenkt, lebte also 742 noch", Das weite Rodungsgebiet um Waldhambach, in dem auch Bochildingas gesucht werden muß, kennen wir aus der Zeit um 700 bereits als einen Besitzschwerpunkt der Audoinfamilie. Aus ihr kam Mumma, die Mutter der .Ebringer" Brüder Erloin und Sigoin (11)89. Jener spätere Haroin (11)hatte außer bei Waldhambach 742 auch Güter im Unterelsaß an Weißenburg überlas- sen, und zwar im näheren Umkreis von Buchsweiler, wo auch der .Ebringer" Erloin 725 Erbe von seiner Mutter Mumma verschenkt hatte. Haroins Schen- kung von 742, die er unter Zeugenschaft seines Sohnes Sigoin (Ill) beurkunden ließ, umfaßte im Unterelsaß seinen Gesamtbesitz in Kirweiler an der Sauer (unbek., wohl östlich von Buchsweiler), in Teuringas an der Zorn (unbek. bei Hochfelden), in Säsolsheim (sw Hochfelden) und Wangen (n Wasseinheim). Mit der gleichen charakteristischen Besitzposition beiderseits der Vogesen tritt dieser Haroin (11) auch 725/26 schon in Erscheinung, als er an Weißenburg jeweils seine Anteile in Deorangus an der Zorn (- dem Teuringas von 742 -) und gleichzeitig Besitz aus väterlichem Erbe in Waldhambach schenkt?", Daß Haroins Besitzungen in den beiden räumlich weit voneinander getrennten Bereichen jeweils mit dem früheren Gut Mummas zusammenliegen, kann kein Zufall sein. Zumal nicht, wenn man den Namen von Haroins Sohn Sigoin (III) mit dem von Mummas Sohn Sigoin (11)und ihres Schwagers Sigoin (I) zusam- menstellt. Der Haroin (11)von 742, Vater Sigoins (Ill), scheint ein unmittelbarer Nachkomme und Besitzerbe Mummas zu sein. Nachdem er nun den 725/26 ver- schenkten Besitz in Waldhambach - der über Mumma in die Familie hereinge- kommen sein dürfte - schon von seinem Vater erhalten hatte, war dieser wohl ein Sohn Mummas. Er könnte am ehesten Sigoin (11) gewesen sein, der ja nach

81 TW Nr. 222. - Ein Zeugenpaar Siguin und Drudepert nennt zum Jahr 765, u. a. nach einem Gundoin, eine Fuldaer Urkunde über die Schenkung eines Waltram im Lobdengau; E. F. J. D ro n k e , Cod. diplomaticus Fuldensis (Kassel 1850), Urk. 25, vg!. CL 281 (765). Dazu auch M a y r (wie Anm. 29), S. 55.

88 TW Nr. 1.- Dieser Haroin (11)ist nach unserer Annahme nicht identisch mit einem Hariwini, Sohn eines Harihulf, der 747 an Weißenburg in Mietesheim und Lembach elterliche Güter schenkt (TW Nr. 148). Die Bezifferung als Haroin (11)hier schon vorgreifend auf die Feststellungen unter Abschn. 4.2.

89 Vg!. oben 3.1.

90 TW Nr. 18. - Spitzenzeugen sind Oduinus, Leodoin (Chlodoinus) und Folcuin. Die Schen- kung Haroins (725/26 Feb. 27) liegt zeitlich sehr nahe bei der Vergabung Erloins in Buchsweiler (725 Mai 1; vg!. Anm. 17), bei der ebenfalls ein Otinus, sicher der vorige Oduinus, zeugt. Nach der Abfolge in den Zeugenreihen (TW 18 und 40) ist Oduinus wohl ein Bruder Erloins und Onkel Haroins (11);der Name kam dann von Oduins und Erloins Großvater Graf Audoin. Die Variante Otinus, Oduinus ist möglicherweise eine gewollte Unterscheidung gegenüber dem Konstanzer Bischof Auduin, einem anderen Enkel Graf Audoins über seine Tochter Amallind; vgl, dazu 5.7. Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 25

716/20 nicht mehr erscheint, also in der Zeit bis 725/26 verstorben sein mag. Erloin, dessen Söhne wir von 716/20 kennen, scheidet als Vater Haroins (II) ja aus. Das ergäbe bei Mummas Nachkommen - neben Erloin - die Namens- abfolge Sigoin (11) als Sohn - Haroin (11) als Enkel - Sigoin (Ill) als Urenkel. So kann man von den Namen her die Frage stellen, ob ein nochmals älterer Haroin (I) schon der Vater Sigoins (11) und Gatte Mummas gewesen ist. Wir hät- ten dann die für die Zeit geläufige wiederholte Weitergabe der jeweiligen Großvatemamen vor uns. Sigoin (I), dessen drei andersnamige Söhne wir eben- falls kennen, scheidet ja als Vater Sigoins (11) aus. Der Gedanke an einen älte- ren Haroin (I) als Mann Mummas und Schwiegersohn Graf Audoins ist zunächst nicht mehr als eine mögliche Hypothese. Sie weiter zu prüfen, erscheint deswegen angebracht, weil dieser Vater Sigoins (11) und Gatte Mum- mas gleichzeitig der Vater des .Ebringer" Erloin und damit das gesuchte Ver- bindungsglied zu der Gundoinsippe sein muß. War Mummas Gatte der vermu- tete Haroin (I)?

4.2. Der ältere Haroin (l) In der Tat finden wir einen älteren Haroin (I in unserer Zählung) während der Jahre 711 bis 715 wiederholt in Weißenburger Urkunden. Im Jahr 712 ist er (Charuino) bei der Schenkung Amitas, der Tochter des Grafen Audoin, und ihres Sohnes Radulf, die Ottweiler und Geblingen (sw Saaralben) betraf, nach Radulf der vorderste Zeuge?'. Wenn er der Gatte von Amitas Schwester Mumma, also Amitas Schwager, war, erklärt sich diese Vorzugsstellung zwang- los. Ebenso ist Haroin (Chariauuino) Spitzenzeuge für Amitas Bruder Weroald, als dieser 712 väterliches Erbe in Geblingen an Weißenburg überträgt". Wieder ließe sich aus einer familiären Stellung als Schwager, der als Zeuge durch seine Unterschrift für den Schenker zugleich die Zustimmung Mummas zum Aus- druck bringt, Haroins herausgehobene Rangstelle einleuchtend erklären. Haroin (I) repräsentiert hier gewissermaßen den anderen Zweig der auf Graf Audoin zurückgehenden Familie. In die Nähe von Mummas und Amitas Besitzort Buchsweiler führt Haroins (Harduni) erste bekannte Erwähnung, als er 711 die Schenkung eines Ermenrad in Minwersheim (nö Hochfelden) aus dem Erbe von dessen Großmutter Guntrudis bezeugt; einige Stellen vor ihm findet sich Theo- doin?', Im Besitzgebiet der Audoinfamilie am Flüßchen Eichel tritt Haroin (Caruino) 713 in Erscheinung, als er die in Bettweiler belegene Schenkung eines Paares Otmar und Imma mitunterschreibt; auch Audoins Sohn Weroald, Mummas Bruder, ist bei dieser Rechtshandlung, die in Waldhambach stattfin-

91 TW Nr. 225. - Vgl. Anm. 34.

92 TW Nr. 233.

93 TW Nr. 169. - Theodoin ist nach unserer Beobachtung der Vater Sigoins (I); vgl. oben 4.1. Nach unserer Annahme ist er auch der Vater Haroins (I). - Den Namen der Guntrudis und ihres Enkels Ermenrad kann man mit denen des dux Gundoin und seines Sohnes Ermenbert zusammen- stellen, was für Guntrudis auf einen Ursprung in der Gundoinsippe hindeuten mag. 26 Eberhard Dobler

det, zugegen?', Im Jahr 715 schließlich ist Haroin [Chraiuuino] bei der Schen- kung des Gundoinssohnes Ermbert im Saargau achter Zeuge; vorderster ist Weroald, elfter Zeuge der .Ebringer'' Erloin'". Im Jahr 712 waren Weroald und Haroin (Charoino) die Spitzenzeugen für Chrodoin, den Sohn des Petrus, ge- wesen, als dieser an der Albe - in Geblingen ? - von seinem Gut an Weißenburg vergabte". Bei den späteren Schenkungen Chrodoins im Jahr 718 erscheint nicht mehr Haroin, wohl aber Erloin unter den beigezogenen Zeugen. Das Jahr 715 bringt also die letzte Erwähnung Haroins (I). Zur Zeit der Ebringer Schen- kung von 716/20 mag er schon nicht mehr gelebt haben. Die Erwähnungen Haroins (I) und seine Einreihung in den Urkunden Weißenburgs ergeben insgesamt eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß er der Gatte von Graf Audoins Tochter Mumma und damit der Schwager Weroalds und Ami- tas war. Die Urkunden zeigen Haroin (I) sowohl im Umkreis der Gundoinsippe, aus der er von väterlicher Seite kam, als auch der Audoinfamilie, der seine Frau Mumma entstammt. Bei einzelnen Rechtsgeschäften von Verwandten Mummas bringt er für seine Frau auch deren eigene Zustimmung zum Ausdruck. Haroin (I) war offenbar der Vater des .Ebringer" Erloin und seines Bruders Sigoin (II); Sigoin hatte dann seinerseits wieder einen Sohn Haroin (II). Von dem letzt- genannten Haroin (II), der schätzungsweise um 6901700 geboren war und 755 schon nicht mehr lebt, kennen wir seine Witwe Theudrada und den Sohn Sigoin (Ill), dessen Geburtszeit um 720 zu suchen sein wird. Von dem Paar Haroin (II) und Theudrada (I) dürfte jene jüngere Theudrada (11) abstammen, die 777 mit ihren mutmaßlichen Brüdern Theodoin und Sicco (Sigoin IV) als ihren Spitzenzeugen Ackerland in der Mark Kuttingen (nö Dieuze) an Weißenburg schenkt, wobei letzter der zehn Zeugen ein sichtlich nochmals jüngerer Haroin (Agroinus) ist?'. In Kuttingen (Montecottane) hatte ja um 700 schon der gemeinsame Vorfahr Theodoin Besitz an Weißenburg gegeben"; jetzt im

94 TW Nr. 202.

95 TW Nr. 226. - Vgl. oben 4.1.

96 TW Nr. 232. - In Geblingen waren auch Weroald und Amallind begütert; TW 231, 233, 235; vgl. oben 3.2. - Chrodoins Vater hatte das Gut in Geblingen von einem Laiboin, wohl einem Ver- wandten, gekauft. Zum Gedächtnis eines Laibher ist die Schenkung Haroins (11)von 725/26 (vgl. Anm. 81) mit bestimmt. Die Namen Laiboin und Laibher lassen an die späteren Libonen denken, die im 8. und 9. Jh. Eigenkirchenherren in Wittnau am Schönberg, unweit Ebringens, sind und ver- mutlich mit der Audoin-/Chrodoinsippe in Beziehung stehen; SGUB 1 Nr. 203, 371; Bd. 2 Nr. 397, 445,486,555,677. - Über die Libonen vgl. R. Sp ra nd e I, Das Kloster St. Gallen in der Verfas- sung des karolingischen Reiches (Freiburg i.Br. 1958), S. 79, 120 f.; H. Ha r t er in: Wittnau - Bie- zighofen, hg.v.d. Gemeinde Wittnau (Freiburg 1986), S. 61 ff.

97 TW Nr. 230. - Zu 755 vgl. Anm. 87 (TW Nr. 222). - Ein Sicgo schenkt 765/6 (CL 1711) in Dienheim (s Oppenheim) und zwischen 769/778 (CL 462) die Morgengabe seiner Frau Geilswind in lIvesheim (sö Mannheim) an Lorsch. Ein anderer Sigewin, Mönch in Lorsch, beschenkt sein Kloster 782 u.a. in WalJstadt nö Mannheim (CL 544). - Ein zweifellos weitgestreuter Besitz der Familie ist auch hier in Rechnung zu stellen, kann aber in dieser Studie nicht einbezogen werden. Vgl. dazu etwa M ay r (wie Anm. 29) oder Met z (wie Anm. 29).

98 Vgl. Anm. 82. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 27

Jahr 777 liegt das an Theodrada (II) anstoßende Waldstück in der Hand ihres Bruders Theodoin. Diese Fakten passen für unsere genealogische Annahme ein- wandfrei zusammen. Auch die Besitzlage bestätigt also die Verbindung der Na- men Theodoin und Haroin, die beide auf die ältere Gundoinfamilie des 7. Jahr- hunderts zurückverweisen. Anscheinend gibt es von dieser Familie auch eine Verbindung in die Boden- seegegend, die hier freilich nur angedeutet werden kann. Schon im Jahr 770 hat eine Theodrada mit ihrem Sohn Hadupert Eigengut in Hattenweiler (Haddin- wilare bei Langenargen an St. Gallen übertragen, wobei auch ein Erloin unter den Zeugen genannt wird?', Das Zusammentreffen der Namen Theodrada und Erloin in dieser von Lothringen weiter entfernten Gegend kann für familiäre Zusammenhänge sprechen. Dies umso deutlicher, als Erloin im folgenden Jahr auch die Schenkung einer Sigga mit ihren Söhnen Hagano, Immo und Punno an St. Gallen bezeugt; der Name Sigga kann die weibliche Form zu SiccolSigoin sein'?'. Unklar ist, wo der Wittnauer Zeuge Erloin von 786101 hier einzuordnen ist. Daß er zu der Familie gehört, aus der schon der .Ebringer" ErIoin von 716/20 kam, erscheint jedoch sicher. Gleiches gilt für einen Sigoin (Sigini), der Mitte des 9. Jahrhunderts die Schenkung Engelgers in Ebringen und auf der Bertoldsbaar mitbezeugt'<. Bei dem Erloin von 786 ist weiter an einen in Worms und im Kraichgau begüterten Erlewin zu denken, der 774 mit seiner Tochter Hilda dem Kloster Lorsch ein Gut in Sinsheim schenkte; eine Identität erscheint möglich 103.

4.3. VerwandschaJtsskizze für Erloin Aus den Beobachtungen, die uns bis hierher zur Familie des .Ebringer'' ErIoin und seines Vaters Haroin möglich waren, läßt sich die folgende Skizze der wahrscheinlichen Verbindungen erstellen:

99 SGUB 1, Nr. 58. - Auch für Fulda bezeugen 772 Albuin, ein Erloin und andere die Schen- kung eines Ruodolt im Worrnsgau; D ro n k e (wie Anm. 87), Nr. 38.

100 SGUB I, Nr. 61. - Die Schenkung betrifft Engishofen (Thurgau).

101 Vgl. Anm. 14.

102 Vgl. Anm. 12. - Dabei auch ein Ruodhart (vgl. Rotar 716/20) als Zeuge.

103 CL 931. - Ausführlich zu beiden Personen W. A I te r, Studien zur mittelalterlichena Sied- lungs- und Volksgeschichte der mittleren Vorderpfalz, in: Mitt. des hist. Vereins der Pfalz 57 (1959), S. 98 f. 28 Eberhard Dobler

Uro I ~ OttoL (t643) ~

Gundorn. dux Theodoin (699,709) Audoin CDTheudala

--I r~:~::~------__l------rSigoin I Erloin Haroin I CD Mumma Amallind r------JI---- Weroald, 725 Mönch Wbg. ~ratrud 1- (7_1_1n_l_5)_L tot) (717 Wwe) z.:(Ebringen 716/20) I I Chuncellin, Sigoin II Otinus Erloin Radulf Buccelin (709; Ebringen (725) (Ebringen Snarung 716/20) Mönch Wbg. 716/20) ! ~1~1~ 2 , Haroin II (725/26;742) Teotar, Rotar Sigoin CD (Ebringen 716/20) Mönch Theudrada I St. Gallen I Sigoin III (755) 1------J------1 Theodoin Sicco Theudrada lJ (- 777-)

Erloin (Wittnau 786)

5. Die Herkunft des Grafen Audoin

5.1. Das Namengut der Familie Die väterlichen Vorfahren des .Ebringer" Erloin lassen sich, wie gezeigt, in der westfränkischen Gundoinsippe erkennen. Erloin ist über seine Mutter Mumma andererseits ein Enkel des fränkischen Grafen Audoin, der schätzungs- weise um 630 geboren war. Die bisher erkannten Spuren der Audoinfamilie führen vor allem in das Gebiet um das unterelsäßische Drulingen und in das dortige, am Ende des 7. Jahrhunderts in der Rodung begriffene Neusiedlungs- land um Waldhambach. In das Rodungsgebiet teilen sich um 700 die Audoin- familie und die mit ihr eng zusammenhängende Chrodoinsippe. Sicher ist damit nur eines der regionalen Besitzgebiete der Audoinfamilie im 7. Jahrhundert erfaßt, und andere entziehen sich noch unserem Blick. Schon angesichts des hohen sozialen Ranges der Familie ist mit anderen und auch älteren Besitzzen- tren im merowingischen Reichsgebiet zu rechnen. Sie deuten sich z.B. im Rhein-Maingebiet und in der Pfalz an. Ihnen kann im begrenzten Rahmen die- ser Studie nicht nachgegangen werden. Der Versuch erscheint jedoch aussichts- reich, über eine Kombination von genealogischen Beobachtungen mit besitz- Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 29 geschichtlichen Indizien aus unserem engerem Raum die Herkunft der Familie weiter aufzuhellen. Für die Prüfung der genealogischen Indizien können wir zunächst das bisher erkennbare Namengut der Audoinfamilie zusammenstellen. Hierbei ist Audoins Sohn Weroald freilich auszuscheiden; sein Name kommt erkennbar aus der agilolfingischen Familie seiner Mutter Theudala und von deren Vorfahr Herzog Garibald. Der Blick richtet sich daher zunächst auf Audoins Enkel Radulf, den Sohn der Amallind und ihres Gemahls Raganloz. Radulf erscheint bei seiner Schenkung aus Eltemerbe 737 mit einem Spitzenzeugen Otbert, in dem wir ver- mutlich einen Sohn vor uns haben'P'. Im Namen OtbertlAudobert steckt der- selbe Stamm wie in AudoinlOdo/Otto. Vermutlich derselbe Otbert (Hautberti) bezeugt schon 717 eine Schenkung von Radulfs Verwandten Chrodoin bei Wald- hambach'?'. Bei Radulfs eigener Schenkung an St. Gallen in Hohunstati um 735/40 gehören zu den Zeugen ein Odo und ein Huado'w, Bei Weroalds großer Schenkung von 721 findet sich am Ende der Reihe die offenbar jugendliche Gruppe Rato, Ado und Gundbert, wobei der Name Rato an Radulf erinnert'?"; man darf bei dieser Gruppe vielleicht an Enkel Radulfs, jedenfalls an An- gehörige der Audoinsippe denken. Bei der von Radulf als Spitzenzeugen bestätigten Schenkung des Rinulf in Petinvillare an der oberen Donau 735 sind Zeugen unter anderen ein Audo und ein Otbert (Odpadiy», Wir können schon nach diesen Beobachtungen die Namen Radulf - Rato - Otbert (Audo-bert) _ Ado/Huado dem vermutlich überlieferten Namenbestand der Audoinsippe zurechnen. Der gesonderten, ausführlichen Prüfung bedarf hier eine Weißenburger Ur- kunde von 741, die anscheinend auch die letzte Erwähnung des - nach unserer Annahme um 670/80 geborenen - Radulf enthält'?", Sie ermöglicht weitere Auf- schlüsse zum familiären Umfeld. Nach dieser Urkunde schenkt ein Richbert 741 an Weißenburg in einem Rimovilare - Rimsdorf bei Hilbesheim (nö Saarburg) - ein Landstück, das er einer Gertrud abgekauft hatte, sowie einen Wald. Zeugen- dienst leisten ihm Radulf, Theudald und Theudulf. Urkundenschreiber ist Teuti-

104 TW Nr. 37. - (Buchsweiler); vgl. Anm. 22,23. - Otbert müßte als Sohn Radulfs der um 690/95 geborenen Generation angehören. Seine Position als Spitzenzeuge Radulfs bringt auch die Zustimmung dieses Sohnes zu der väterlichen Verfügung über Familienerbe zum Ausdruck; vgl. die Parallele bei den Söhnen Erloins in Ebringen 716/20. 105 TW Nr. 196.

106 SGUB 1, Nr. 2; vgl. Anm. 3. - Das .Honstetter'' Zeugenpaar Odo, Sigirich findet sich 739 auch bei dem elsäßischen Herzog Liutfrid; TW Nr. 10.

107 TW Nr. 243. - Zu Gundbert vgl. auch Anm. 20.

108 SGUB 1, Nr. 5. Vgl. auch Anm. 24. - Wir halten Rinulf, wie an anderer Stelle auszuführen sein wird, für einen Bruder Radulfs und identifizieren ihn mit dem Vater (Riculf) Abt Fulrads von SI. Denis und seiner Geschwister Gaustbert, Bonifatius, Waldrada.

109 TW Nr. 235.- Der Schenker laut dieser Urkunde, Richbert, war 734 (TW Nr. 13) schon Zeuge für den Etichonen Herzog Liutfrid, und zwar unmittelbar nach einem Hudo, den wir viel- leicht mit dem 735/40 auch in Honstetten (vgl. Anm. 3) anwesenden Huado gleichsetzen können. 30 Eberhard Dobler garius (Teotar), den wir schon als Sohn von Radulfs Vetter Erloin aus Ebringen und Buchsweiler kennen'P. Nahe bei Hilbesheim liegt jenes Görlingen, wo die Abtei 661 von dem Agilolfinger Bonifatius mit Söhnen namens Gundebald (damals bereits verstorben) und Teodoald eine Mühle erworben hatte'!', Rich- berts Zeuge Theudald trägt den gleichen Namen wie der Sohn des Bonifatius von 661. Er dürfte, ebenso wie Theudulf, zum selben agilolfingischen Verwand- tenkreis gehören. Richberts Wald in Rimsdorf andererseits könnte eher aus einem alten Besitzkomplex der Chrodoin-IAudoinfamilie gekommen sein. Denn zwei Angehörige der Chrodoine, die Brüder Samuel und Benedikt, Söhne eines Chroccus, hatten an diesem Ort schon 712 geschenkt; daneben in Mack- weiler und zum Beispiel in Hangenbieten (sw Straßburg), ferner in Kirchberg (sw Drulingen), wo ihr Großvater Chramnoald die Georgskirche erbaut hatte!", Der Schenker Richbert von 741 ist anscheinend vermählt mit einer Thiotlinda (Theudelinde). Sie nämlich dürfte jene "vornehme Frau" Theudelinda sein, die zwischen 706 und 760 - genauer läßt sich der nur in der Vita des hI. Hildulf genannte Vorgang nicht bestimmen - mit Einwilligung ihres Gemahls Ricpert dem Kloster Mayenmünster unter Abt Regimbert ein Gut in Niederehnheim (sw Straßburg) gibt'!'. Ein Sohn Thiotlindas ist der Geistliche Ado. Dieser beschenkt Weißenburg in mehreren Schritten zwischen 774 und 787 mit Gütern in den unterelsäßischen Dörfern Donnenheim, Rottelsheim (Radulfo villa), Wahlenheim, Senppestat, Dauendorf und Lernbach'>. Mit den Namen Theude- linde und Ado kommen wir in den Umkreis von Radulfs Familie. An einen _ früheren? - Radulf erinnert ja auch Ados Besitzort Radulfo villa; Ado scheint hier in der Nachfolge eines Radulf zu stehen. Von den Urkunden ihres Sohnes Ado her gerechnet, kann Theudelinda nicht mehr zur Generation des Radulf gehört haben, der 741 letztmals, als Zeuge für ihren Gemahl Richbert, auftritt. Sie dürfte vielmehr eine Generation jünger sein. Nachdem nun schon Radulfs Großmutter, die Gemahlin Graf Audoins, den agilolfingischen Namen Theude- linda (Teutila) getragen hatte, spricht manches dafür, daß Richberts gleich- namige Frau eine Tochter Radulfs gewesen ist. Durch sie kam wohl nicht nur das an einen Radulf erinnernde Rottelsheim, sondern auch der Name Ado in Richberts Nachkommenschaft herein. Das bedeutet dann: Radulf tritt 741 als Spitzenzeuge für seinen Schwiegersohn Richbert, den Mann seiner Tochter Theudelinda, auf. Der elsäßische Besitz, den Radulfs Nachkomme Ado zwi-

110 Vgl. Anm. 20.

111 Vgl. oben 3.3.

112 TW Nr. 234 und 237. - In Rimsdorf 790 (TW 219) auch die Schenkung eines Chrotger (= Rotar).

113 Br u c k ne r (wie Anm. 59), Nr. 191. Der Name Ricbert ist familiär wohl mit dem des beschenkten Abtes Reginbert zusammenzustellen, Ricbert ist dann ein Verwandter des Abtes. - Theudald und Theudulf, die hinter Radulf 741 für Richbert Zeugen sind, mögen - neben dem Kleriker Ado - Söhne Richberts und seiner Gemahlin Thiotlinda sein; auf letztere könnte das gemeinsame Stammwort Theud- hinweisen.

114 TW Nr. 71, 73, 72; vgl. auch TW Nr. 90, 117, 181. •

Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 31 sehen 774 und 787 um Radulfo villa - Rottelsheim - herum an Weißenburg überläßt, scheint diesem Ortsnamen nach aus Radulfs Familie an Richbert und seine Nachfahren gekommen zu sein. Dazu paßt, daß unweit von Rottelsheim und Wahlenheim der Ort Mommenheim liegt, dessen Name wieder an eine - männliche? - Form zum Namen von Audoins Tochter Mumma erinnert, deren Besitz um 700 im ebenfalls nahen Buchsweiler erschlossen werden kann!". Rottelsheim ist, ungeachtet seines späteren unechten heim-Namens, ein Aus- bauort erst des 7. Jahrhunderts, wie seine Altbezeichnung als villa zeigt'", Einen weiteren Teil von Rottelsheim (hier: Ratolfesdorph) erhält Weißenburg übrigens im Jahr 797 von einem Gozbert'", Dieser, der auch als Grundbesitzer in Stotz- heim (sö Barr) nachweisbar ist (783, 787)118,hat die Söhne Otbert und Otheri (= Authar, Otger), deren Namen schon nach ihrem Stammwort Aut-/Aud- wieder auf die Sippe Audoins und Radulfs bezogen werden können. Gozberts Besitzort Stotzheim liegt unweit vom einstigen Gut Theudelindas, der Tochter Radulfs, in Niederehnheim. Der Name Gozbert taucht auch in älteren Urkunden Weißenburgs mehrmals auf. Der Name eines Gaosbodi steht in der Chrodoin- Urkunde von 717 unmittelbar vor Radulfs Sohn Otbert!". Es ist möglich, daß auch der Name Gozbert zu einer älteren Tradition in der Audoinfamilie gehört, ebenso wie Otbert und Other/Authar. Was den Besitz anbetrifft, ist auch im mitt- leren Elsaß für das 8. Jahrhundert mit überkommenem Gut der Audoinfamilie zu rechnen.

5.2. Die Ableitung aus der Familie des vir inluster Authar, deren Berührung mit Columban und Gallus (um 610) Die bisher gefundenen Namen Audoin, Ado/Ato, Radulf, Rado, Authar (Other) aus der Zeit um 700 und bald danach schaffen eine Verbindung zurück zu einer westfränkischen Magnatenfamilie der Zeit um 600, zu deren Grundbestand diese Namen schon gehörten. Wir kennen diese Familie vor allem aus der Lebensbeschreibung des hI. Columban, die der Mönch Jonas von Bobbio verfaßte'"; sowie aus der Überlieferung des Klosters Jouarre bei

115 Vgl. oben Abschn. 2. - Nahe von Rottelsheim und Mommenheim ist auch das abgeg. Danonewilare (TW Nr. 71 mit Anm. von Doll) zu suchen, wo Ado selbst von einem vermutlich verwandten Adaluuinus dessen gesamten Besitz erhalten hattte, den er zur Seelenruhe des Sehen- kers nun an Weißenburg weitergibt. Man darf den Namen Adaloin und seine latinisierte Nebenform Adalungus (vgl. etwa SGUB I, Nr. 57 und 184) danach wohl ebenfalls mit der Audoinsippe in Ver- bindung bringen.

116 Doll in TW, S. 274.

117 TW Nr. 85.

118 TW Nr. 84, 86. - In diesem Zusammenhang vgl. auch TW Nr. 53 (von 774), wo sich bei der großen Schenkung Sigibalds im Elsaß und im Speyergau die Zeugengruppe Iring, Radolf, Otbert, Engelbert, Radolf findet.

119 TW Nr. 196.

120 Vita Columbani auct. Iona (wie Anm. 56), S. 243 f. - Daraus die folgende Schilderung von Columbans Aufenthalt an der Marne. 32 Eberhard Dobler

Paris's'. Der Iroschotte Columban war um 610 durch König Theuderich 11. von Burgund und die Königin Brunichilde gezwungen worden, sein Kloster Luxeuil, das er um 590 gegründet hatte, zu verlassen. Als Flüchtling nahm er zunächst im Norden des Frankenreichs Aufenthalt. "Er besuchte eine Reihe von Adelshäusern, wurde von ihnen mit Sympathie aufgenommen und hinterließ prägende Eindrücke"122. Seine Wanderung führte Columban letzten Endes an den Bodensee und über die Alpen nach Oberitalien, wo er auf langobardischem Boden im Zusammenwirken mit dem langobardischen Königspaar Agilulf und Theudelinde 612 das Kloster Bobbio gründete. Auf seinem Weg hatte sich Columban 610 im Mametal auch bei den dortigen agilolfingischen Verwandten der Königin Theudelinde aufgehalten, bei der Familie des Chagnerich. Deshalb liegt die Vermutung nahe, daß schon dort bei den Verwandten der Königin Columbans Plan einer Weiterreise ins langobardische Italien entstanden ist. Von Chagnerich wanderte Columban 610/611 zunächst zu der benachbarten Familie eines vir inluster Autharius (Authar), die damals in Ussy an der Mame wohnte. In der Familie dieses Authar nun scheinen wir die Vorfahren Graf Audoins und Radulfs vor uns zu haben. Dies bleibt im folgenden auszuführen. Unter den jüngeren Gefährten Columbans, die bei der Autharfamilie Aufenthalt nahmen, befand sich wahrscheinlich auch schon der hI. Gallus'P. Er hat sich dann um 612 am Bodensee von seinem über Graubünden nach Italien weiterziehenden Lehrer getrennt und an der Steinach jene Zelle begründet, aus der zur Zeit Abt Audomars/Otmars (719-759) das Kloster St. Gallen herauswuchs. In der Begegnung von Columbans wandernder Schar mit der westfränkischen Authar- familie im Jahr 610 können wir im Rückblick den ersten Ansatz einer Verbin- dung zwischen dem späteren Galluskloster und Authars Nachfahren finden. In die Berührungsstellen läßt sich, wie wir sehen werden, nicht nur die Ebringer Schenkung Erloins von 716/20 einordnen, sondern auch der ihr zeitlich voran- gegangene Zusammenstoß St. Gallens mit dem mutmaßlichen Authar-Enkel Graf Audoin, dem praeses Otwin der St. Galler Überlieferung'>, Der vir inluster Authar, der damit in den Kern unserer Untersuchung rückt, hatte anfanglieh im Gebiet von Soissons in Sancy-Ies-Cheminots (Aisne) gelebt, sich aber zwischen 605 und 610 in Ussy-sur-Mame bei Meaux nieder- gelassen'P. Soissons gehörte bis 584 als Residenz zum Teilreich König Chilpe-

121 L' abbaye royale N.D. de Jouarre, hg. v. Y. Chaussy u.a. (Paris 1961), darin insbes. 1. G u e TO ut, Les origines et le premier siede, S. 1 ff.

122 Sprandel (wieAnm. 56), S. 14.

123 A. Borst, Mönche am Bodensee 610-1525 (Sigmaringen 1978), S.22; dort S. 540 die Zusammenstellung der Quelleneditionen und der kritischen Literatur zu Gallus.

124 Zu Otwin: H. KeIl e r , Fränkische Herrschaft und alemannisches Herzogtum im 6. und 7. Jh., ZGO 124 (1976), S. 1 ff. (29); M. Bo rg o l t e , Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit (Sigmaringen 1986), S. 188. - Dazu unten Abschn. 5.5.

12S I o n a s (wie Anm. 56), S. 209 f. - Dazu Guerout (wie Anm. 121), S. 6 ff. - Ferner R. Kai s e r , Untersuchungen zur Geschichte der Civitas und Diözese Soissons in römischer und merowingischer Zeit (Bonn 1973), S. 22. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 33 richs I., der sich 576 auch des Gebietes um Meaux bemächtigen konnte. Nach Chilperichs Ermordung im Jahr 584 fielen beide Städte unter die Herrschaft der austrasischen Könige Childebert 11. (575 -595) und Theudebert 11. (geb. um 586, getötet 612)126.Authar zählte schon zu den engen Vertrauten Theudeberts. Beim Übergang von Theudeberts Teilreich in das gesamtfränkische Reich Chlo- thars 11.(584-629) im Jahr 612 schloß er sich diesem Herrscher an und gehörte wieder zu dessen nächster Umgebung. Seine Güter im Umkreis von Meaux müssen, wie die späteren Klostergründungen seiner Söhne erkennen lassen, einen bedeutenden Umfang gehabt haben. Zumindest ein großer Teil davon dürfte aus Fiskalgut gekommen sein. Mit seiner ersten Gemahlin Aiga, die bei Columbans Besuch 610/611 noch lebte, hatte Authar die drei Söhne Ado, Dado - mit dem Zweitnamen Audoin - und Rado, die um 603/604 geboren waren, sowie eine Tochter Magnafleda'". Die Autharfamilie war in nicht mehr exakt zu bestimmender Weise verwandt mit der bereits erwähnten Familie des Agilolfingers Chagnerich (Agnerich), in deren Nachbarschaft bei Meaux sie nach 604 gezogen war und mit der sie in ihrer politischen und kirchlichen Haltung übereinstimmte'>. Agilus, der Sohn von Chagnerichs Bruder Chagnoald, wurde in der Familie Authars wie ein Sohn gehalten und von Audoin später zum ersten Abt in Rebais eingesetzt. Der Name Aiga mag so eine agilolfingische Herkunft schon von Authars erster Frau andeuten; mit einiger Wahrscheinlichkeit bildete Aiga die Verwandtschafts- brücke zwischen den Familien Authars und Chagnerichs wie Chagnoalds. Nach Aigas Tod - also nicht vor 610/11 - hat Authar eine zweite Ehe mit einer Dame namens Moda geschlossen. Aus dieser Verbindung kamen die Kinder Ermen- dranda und Ermenulf. Für Moda hat 1. Gereut!" aus der Überlieferung der Abtei Jouarre folgende Geschwister erschließen können: Betto/Belfrid, verheiratet mit Aya; beider Kinder sind Agilbert (Erzbischof von Paris) und Teodechilde (erste Abtissin von Jouarre); BobinuslPretextus; seine Frau ist unbekannt; er hat die Kinder Anacharius, Armegille und PiencelMonita;

126 Ewig (wie Anm. 79), Neuabdr. S. 142. - Zur Genealogie vgl. die Stammtafel der Mero- winger (nach Ewig) in: Die Franken - Wegbereiter Europas (wie Anm. 41), S. 390 f.

127 Guerout (wieAnm. 121), S. 11.-Aus dem Vorkommen der Namen Ado einerseits,Audoin andererseits erweist sich, daß Ado hier keine Kurzform zu Audoin sein kann, sondern als selbstän- diger Name (vielleicht Abkürzung vom Stamm Adal-) zu sehen ist. - Über Authars Tochter Magnafleda ist nichts Näheres bekannt. Eine Magnafledis soll die erste Äbtissin des von Amatus und Romaricus um 620 gegründeten Klosters Remiremont gewesen sein: Pa rd e s sus (wie Anm. 70), Bd. 1,S. 216 Anm. 2. Magnafledas Name hat den Stamm gemeinsam mit dem des Magnowald, der 587 dux der civitates Soissons und Meaux geworden war; Gregor va n To u rs (wie Anm. 47), IX, 9; E wig (wie Anm. 79), S. 142, Anm. 127.- Audoins Geburtsjahr ist 604.

128 A. Berge ng rü n, Adel und Grundherrschaft im Merowingerreich (Wiesbaden 1958), S. 76 f.; Ja rn ut (wie Anm. 25), S. 41 ff.; Kaiser (wie Anm. 125), S. 22; Sp randel (wie Anm. 56), S. 15 f.

129 Geraut (wieAnm. 121). -Nach Ewig (wieAnm. 79), S. 216,Anm. 179, könntenAgilbert und Theodechilde dagegen Kinder von Bischof Audoins Bruder Rado gewesen sein. 34 Eberhard Dobler

Abolin, verheiratet mit Pience; beide haben die Kinder Ebregisel (Bischof von Meaux) und Agilberta (zweite Äbtissin von Jouarre). In der Aufzählung von Modas Verwandten fallen bei Agilbert und Agilberta wieder unverkennbar agilolfingische Namen ins Auge. Moda selbst hat in ihrem Namen dasselbe Stammwort wie der Agilolfinger Modericus, Bischof von Ari- situm und dort Nachfolger seines Onkels Deotarius!"; Einer späteren Überliefe- rung in Jouarre zufolge soll Moda die Tochter eines Königs von Baiern gewesen sein 131. Darin mag ein verdunkelter Hinweis auf eine Verwandtschaft Modas mit dem Agilolfinger Garibald stecken, der um 550 als Herzog in Baiern eingesetzt worden war. Auch Garibald selbst wird von dem langobardischen Geschichts- schreiber Paulus Diaconus (t797), ebenso wie sein Nachfolger Tassilo, als rex Baioariorum tituliert'P. Die drei Söhne aus Authars erster Ehe kamen schon in jungen Jahren an den Hof König Chlothars 11.Sie erhielten hier ihre Erziehung und früh hohe Ämter. Ado errichtete sodann um 635 auf Familiengrund die Abtei Jouarre bei Meaux, in die er sich danach zurückzog. Am bekanntesten und bald nach seinem Tod auch als Heiliger verehrt wurde Audoin. Er erscheint in den 630er Jahren (632/33 und 629/39) als Referendar und Träger des königlichen Siegels. Im Jahr 641 erhielt er das Bistum Rauen, aber auch in diesem geistlichen Amt ist er bis zu seinem Tod im Jahr 684 enger Berater der Könige geblieben'», Auf Boden des Fiskus gründete er um 635 das Kloster Rebais. Der dritte Bruder Rado wird um 630 Thesaurar (Kämmerer) König Dagoberts I. (623 -639). Vielleicht ist er identisch mit einem unter Chlodwig 11.(639-657) zum Jahr 639 und um 650 genannten Referendar, der ohne Amtsbezeichnung zuletzt 654 in einem Präzept dieses Herrschers erscheint'>. Rado gilt als der Gründer des Klosters Rueil (= Radolium) bei Meaux. Er blieb jedoch der einzige der drei Brüder, der sich nicht selbst dem religiösen Leben verschrieb. Der Kämmerer Rado, um 605 geboren, dürfte der Vater des Grafen Audoin sein, dessen Geburtszeit wir ja um 630 ansetzen können. Für eine weitere Ge- neration zwischen Rado und Graf Audoin jedenfalls scheint der Abstand zu kurz. Auch der Umstand, daß Graf Audoin den Namen eines Bruders seines wahrscheinlichen Vaters Rado - nämlich des Bischofs Audoin - trägt, paßt gut zu einer direkten Filiation. Weil wir aus der Überlieferung anscheinend die Na- men aller Kinder Authars kennen, in dieser Generation also schwerlich mit unbekannten Geschwistern rechnen müssen, verengt sich die Ableitung auf Rado. Vor allem die Dichte der Namensüberlieferung macht die direkte Ab-

130 Jarnut (wieAnm. 25), S. 20. m Guerout (wieAnm. 121), S. 14.

132 Dazu K. Bo s l , Der Adelsheilige, in: Speculum Historiale, Festschr. 1. Spörl, hg. v. C. Bauer, L. Boehm, M. Müller (Freiburg 1965), S. 169.

133 Vita Audoini eps. Rotomagensis, ed. B. K ru s c h , MOH, Script.rer.Merov. 5, S. 554-556; Gu ero ut (wieAnm. 121), S. 7 ff.

134 Ebling (wieAnm. 21), S. 201 f., Nr. 258. Die Sippe des Grafen AudoinJOtwin 35 stammung der jüngeren Audoinfamilie von dem Ehepaar Authar und Aiga der Zeit um 600 überaus wahrscheinlich. Der Name von Audoins Enkel Radulf stellt sich dann als Rückgriff auf den Namen von Audoins vermutlichem Vater, den Kämmerer Rado, dar; der Name Rado selbst kann als Kurzform von Radulf verstanden werden. Vor Rado (II in unserer Zählung), dem um 605 geborenen Sohn Authars und vermutlichen Vater Graf Audoins, hat es schon einen anderen Rado (I) gegeben. Er war von Chlothar 11.als Maiordomus in Auster eingesetzt worden und wird 616 im Testament des Bischofs Berthram von Le Mans erwähnt'>, Jener mit dem vir-illuster-Prädikat ausgezeichnete Große erhielt von Chlothar gemeinsam mit dem burgundischen Hausmeier Warnachar und Bischof Berthram, wohl im Jahr 613, aus dem Besitz des Patricius Leudegisel mehrere namentlich nicht genannte Orte in Burgund'>, Das Hausmeieramt hat dieser ältere Rado (I) nur wenige Jahre wahrgenommen; bereits 617/18 wird ein anderer Amtsinhaber genannt?". Etwa 631/32 setzt König Dagobert I. in Thüringen einen Radulf als Herzog ein. Dieser rebelliert 641 offen gegen König Sigibert Ill. und bringt ihm eine vernichtende Niederlage bei, die dem Herzog künftig eine selbständige Politik ermöglicht. Dabei findet er in der austrasischen Oberschicht vor allem des Mainzer Gebiets weitgehende Unterstützung. Wegen solchen geheimen Einverständnisses ließ Sigibert 641 den Agilolfinger Fara töten. Der thüringi- sche Herzog Radulf war nach Fredegar ein Sohn des chamaro'», Alfred Friese sieht einleuchtend in dem Wort chamaro keinen Eigennamen, sondern die fran- kolateinische Bezeichnung für Camerar = Kämmerer'>, Jedoch kann Herzog Radulf aus zeitlichen Gründen kein Sohn von Authars Sohn Rado (11)gewesen sein, der zwar um 630 das Kämmereramt bekleidete, aber damals selbst erst etwa 25 Jahre alt war. Dennoch bleibt die Namensähnlichkeit zwischen dem chamaro Rado und Radulf auffallend. Eingängiger ist daher Herzog Radulfs

135 Eb l i n g (wie Anm. 21), S. 201, Nr. 257. - Der Wortlaut bei Pardessus (wie Anm. 70), Urk. 230, S. 211.

136 Ebling, ebd.

137 Ebd. (Chucus) - Für , wo 641 Audoin als Bischof eingesetzt wird, ist 639 ein Radulf als Graf bezeugt (dazu E b li n g wie Anm. 21), S. 205, Nr. 262). Er läßt sich nicht näher identifi- zieren, könnte aber nach seinem Namen zum familiären Umkreis Authars und damit Bischof Audoins gehören. Sollte er mit dem "älteren" Rado (I) gleichzusetzen sein? Ämter sind im 7./8. Jh, erfahrungsgemäß mit Besitz in derselben Region verbunden; im Bereich von Rouen ist darum für die Zeit Bischof Audoins und Graf Radulfs auch mit Besitz der Autharsippe zu rechnen.

138 MGH, Script. rer. Merov. 2, 159; Eb l in g (wie Anm. 21), S. 204, Nr. 261. - Zu Herzog Radulf vgl. Ewig (wie Anm. 79), S. 200, 205. Älteren eigenen Besitz der Familie im Mainzer Gebiet läßt z.B. der Name der abgeg. Siedlung Rudolfsheim bei Dienheim vermuten, wo 766 ein Rudolf an Lorsch schenkt (CL Nr. 1857), ebenso 775 ein (CL 1855). In Dienheim finden sich Namen wie Badogis (766, Nr. 2760), Hiring (767, Nr. 1687), Sicco (766, Nr. 1711),Abbeuin (Alboin ? 770, Nr. 1910), Radolf (774, Nr. 1678), Ado (781, Nr. 1528). - Heranzuziehen sind ferner die Ortsnamen Ottersheim (ö Landau; 808 Otheresheim, vg1. Authar; TW Nr. 20) und Edesheim (n Landau; 715 villa Auduino. TW Nr. 41 mit Anm. von Doll, S. 224 f.),

139 Friese (wieAnm.21),S.17. 36 Eberhard Dobler

Abkunft nicht von dem chamaro, sondern von dem älteren Rado (I), der schon um 616 das austrasische Hausmeieramt innehatte. Möglicherweise liegt der Chronik Fredegars eine Verwechslung der gleichnamigen Amtsträger zugrunde. Der ältere Rado (1) dürfte zur Generation Authars gehören. Beide könnten Brü- der oder Vettern gewesen sein. Dafür spricht, daß Authar einem seiner Söhne (Rado 11) den Namen des Hausmeiers Rado (I) gab, was sich hier als Nach- benennung nach dem Vatersbruder verstehen ließe. Der hohe soziale Rang und die Königsnähe der Familie dürften bereits unter den Eltern Authars bestanden haben. In der Jugendzeit Authars, der um 580/85 geboren sein mag, hatten seine Eltern ihren Wohnsitz ja im Bereich von König Chilperichs Residenz Soissons.

5.3. Verbindungen der Autharfamilie zum langobardischen Königtum Insgesamt kann der gesellschaftliche Geltungsanspruch nicht unbeachtet bleiben, der schon im Namengut der Autharfamilie zum Ausdruck kommt. Un- übersehbar ist die Häufung der in ihm steckenden älteren - vor allem langobar- dischen - Königsnamen. An erster Stelle ist hier der Name des berühmtesten der Langobardenkönige, Audoin (546 - um 560), zu nennen. Authar wiederum trägt denselben Namen wie der von 584 bis 590 regierende Langobardenkönig Authari'<, Der Erstname von Authars Sohn Dado/Audoin kann an den Lango- bardenkönig Tato (t 510) erinnern. Jener Tato war der Onkel König Wachos (t 540) gewesen. Bei Authars Sohn Rado läßt sich der Name - wohl eine Kurz- form zu Radulf - dem des 510 gefallenen letzten Herulerkönigs Rodulf/Radoald zur Seite stellen. König Rodulfs Tochter Silinga wurde die dritte Frau des Langobardenkönigs Wacho und die Mutter seines Sohnes Walthari (t 546). Ra- dulflRadoald ist dann wieder der Name eines Nachkommen König Audoins, nämlich des 642 zum Herzog von Benevent erhobenen Sohnes (t 647) des 610 gefallenen Herzogs Gisulf 11.Angesichts dieser ersten Beobachtungen erscheint ein näherer Blick auf die langobardische Königsgeschichte des 6. Jahrhunderts sinnvoll: Nach König Wachos Tod (540) führte Audoin aus dem Geschlecht der Gau- sen zunächst kurze Zeit für Walthari die Regentschaft über das Langobarden- reich. Im Jahr 546 usurpierte er selbst die Königsherrschaft!". Der Übergang von dem Geschlecht der Lethingen, zu dem Wacho gehört hatte, zu Audoin bedeutete zwar einen Dynastiewechsel. Aber es ist gut vorstellbar, daß Audoins Regentschaft für Walthari schon auf einer familiären, vielleicht kognatischen Beziehung zum Geschlecht Wachos beruhte. Einen Beweis dafür gibt es jedoch nicht. Audoins Mutter Menia hatte aus ihrer zweiten Ehe mit dem thüringischen König Bisinus eine Tochter Radegunde, die eine Gemahlin Wachos geworden war. Audoin war so durch seine Halbschwester Radegunde mit Wacho ver- schwägert und außerdem durch seine Mutter auch ein Halbbruder des Thürin-

140 Die Angaben zu den langobardischen Dynastien hier im allg. nach W. Men g hin (wie Anm. 45), mit besonderem Hinweis auf die Stammtafel a.E.

141 Zu den langobardischen Königen vgl. auch oben Abschn. 3.2 I

Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 37 gerkönigs Irminfrid. Audoin regierte die Langobarden bis zu seinem Tod um 560. Er war zunächst mit Rodelinde verheiratet, einer Frau, über deren Herkunft uns nichts überliefert ist. Sie wurde die Mutter seines Sohnes Alboin. Dieser hat als König das Langobardenvolk 568 aus seinen damaligen Sitzen in Pannonien nach Italien geführt und hier sein Reich begründet. Alboin selbst war bei einer Wendung der langobardischen Außenpolitik von seinem Vater Mitte der 550er Jahre mit der Merowingerin Chlodoswinda, einer Tochter des Frankenkönigs Chlothar I. (511-561), verheiratet worden. Sie starb schon vor 566. Die Tochter Albswinda aus dieser Ehe blieb Alboins einziges Kind. Als Alboin 572 ermor- det wurde, ging das Reich an die einer anderen Dynastie zugehörigen Könige Cleph (572-574) und - nach einem Interregnum - an dessen Sohn Authar (584 - 590) über. Albswinda, die Tochter Alboins und der Merowingerin Chlo- doswinda, wurde nach der Ermordung ihres Vaters nach Konstantinopel geschickt; dort verliert sich ihre Spur. Nach dem Tod König Authars erhielt 590 Agilulf, der im übrigen mütterlicherseits ein Verwandter dieses Authar war, durch seine Heirat mit der Königswitwe Theudelinde die königliche Würde142• Die starke Betonung vorab des ursprünglich gausischen Namens Audoin bei den Nachkommen des fränkischen Aristokraten Authar läßt im familiären und zeitlichen Bereich um den Langobardenkönig Audoin eine Berührungsstelle zwischen beiden Sippen vermuten. Ebenso begegnet uns, wie hier vorweg- genommen werden darf, der Name von König Audoins Sohn Alboin im Um- kreis der fränkischen Audoin-/Chrodoinsippe. Ein Neffe (nepos) König Alboins war der Langobardenherzog Gisulf I, dem sein Onkel Alboin 568 das Herzog- tum Friaul übertragen hatte und dessen Stamm sich danach im Besitz dieses Herzogsamtes weiter fortpflanzte!", Der Name von Gisulfs Elternteil, über den die Verbindung zu Audoin läuft, ist nicht überliefert. Ebenso bleibt offen, ob Gisulfs Verwandtschaft mit König Alboin auf der ersten Ehe Audoins mit

142 Men g hin (wie Anm. 45), S. 101, 118. Ferner H. S tö be, Die Unterwerfung Norddeutsch- lands durch die Merowinger, in: Wiss. Ztschr. der Univ. Jena, Jg. 6 (1956/57), Gesellsch. u. sprach- wiss. Reihe, Heft 112, S. 154 ff. (166). - Der Name Albswinda findet sich im Besitzbereich der mutmaßlichen Nachkommen Herzog Garibalds später unter den Hörigennamen, die ja oft das Namengut der Herrenfamilie widerspiegeln. So 774 (TW 61, 67) bei der Schenkung GerbaIds in Wanzesheim (abg. bei Rheinzaben), dort auch Otuuinus, unter den Zeugen Sigoin. Ferner 774 (TW 53) bei der Schenkung Sigibalds in Herxheim, dabei weitere Hörige wie Aigo, Wache, Richolf, Tiodrada, Hado, unter den Zeugen Iring, Radolf (2), Otbert. Eine Hörige Albsuuind auch 824 (TW 171)bei der Schenkung Albrichs in Preuschdorf u.a. mit Zeugen Wacho, Gerolt; dort außerdem ein Höriger Otbert.

143 Vg!. auch Anm. 157. - Gisulf als "nepos" Alboins: Paulus Diaconus, Historia Langobar- darum, ed. G. Waitz, MGH, Script. rer. Lang. (1878),11,9; Menghin (wieAnm. 45) S. 98, 121. - J. Jar nut, Prosopographische und sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Ita- lien (568-774) (Bann 1972), S. 354. - Ferner: Ebling, Jarnut, Kampers (wie Anm. 41), Stemma S. 702. - K. A. Eck ha rd t ; Merowingerblut II: Agilolfinger u. Etichonen (Witzenhausen 1965), S. 89-92, legt in genealogischer Beweisführung dar, daß die Gemahlin Kg. Theudeberts 11. eine langobardische Prinzessin (Appa - Bilichilde), Tochter Herzog Gisulfs 11.von Friaul, war, deren Schwester den Agilolfinger Chrodoald geheiratet hatte; dazu Fr i es e (wie Anm. 21), S. 18, 38 f. 38 Eberhard Dohler

Rodelinde oder auf dessen zweiter Ehe beruht. Gisulfs Erbe war sein Sohn Gra- sulf, dem dann als Herzog sein Sohn wieder mit dem Namen Gisulf (11)nach- folgte, der bei einem Einfall der Awaren im Jahr 610 fiel. Wir vermuten bei der auf Audoin zurückführenden Linie Gisulfs die genealogische Ableitung der fränkischen Autharsippe und die Brücke zwischen der langobardischen Königs- sippe einerseits und der fränkischen Aristokratensippe mit den auffallenden Namensdeckungen andererseits. Durch die Mitte der 550er Jahre vollzogene Heirat zwischen Audoins Sohn Alboin und der Merowingerin Chlodoswinda ist König Alboins mutmaßlicher Bruder, der Vater Gisulfs I., zum Schwager dieser Tochter König Chlothars I. geworden. Er war damit nicht nur Sohn des Lango- bardenkönigs Audoin, sondern war jetzt auch durch seinen Bruder König Alboin mit der Familie des Frankenkönigs Chlothar I. verschwägert. Zu dieser Sippe dürfte auch die fränkische, aber im Mannesstamm ursprünglich lango- bardische Familie Authars im Gebiet von Soissons gehört haben. Sie muß u. E. in einer zwar nicht urkundlich bestimmbaren, aber zweifellos engen Bluts- verbindung zu König Audoin (t um 560) und Herzog Gisulf I. von Friaul gestanden haben. Über Alboins Heirat mit der Merowingerin Chlodoswinda in den 550er Jahren ergab sich dann für sie auch ein Zugang zu Chlodoswindas Bruder König Chilperich von Soissons. Ein solches Zusammentreffen könnte unschwer die Königsnähe erklären, die wir bei der Familie des fränkischen Authar um 600 beobachten und die auch schon bei seinen Eltern anzunehmen ist. Nach einer freilich erst im 17.Jahrhundert faßbaren Genealogie der Gründer von Jouarre soll dieser fränkische Authar selbst sogar ein "König der Lango- barden und von Soissons" gewesen seinl44• Man kann sich den Übergang dieser Angehörigen aus einer Seitenlinie des gausischen Königshauses der Lango- barden in den fränkischen Bereich in Zusammenhang mit den Wirren vorstellen, die im Langobardenreich nach der Ermordung Alboins (572) ausbrachen. Soissons, in dessen Bereich wir den ältesten Besitz der Autharfamilie feststellen können, ist damals ja die Residenz König Chilperichs I., des Bruders von König Alboins vor 566 verstorbener Gemahlin Chlodoswinda. Insgesamt hat also der hier vermutete Übergang einer langobardischen Hochadelsfamilie in das fränkische Reich von Soissons - am ehesten in der Zeit um 572/75 - eine gute Wahrscheinlichkeit für sich'<. Gregor von Tours erwähnt zum Jahr 590 einen Otto (also Audoin), der einige Zeit früher Referendar König Childeberts 11. (575 - 595) gewesen

144 G u e rou t (wie Anm. 121), S. 14, nach der "Genealogie des fondateurs"; von dort auch der Hinweis, daß Moda eine Königstochter aus Bayern gewesen sei (vgl. Anm. BI). Bei dem (S. 15) .Langobardenkönig" dürfte es sich, wie auch G u e ro ut (Anm. 70) sieht, vordergründig um eine Verwechslung mit König Authar (584-590) handeln. Nichtsdestoweniger erscheint die wohl dahinter steckende verdunkelte Erinnerung an eine Beziehung zum langobardischen Königshaus für Authar ebenso real wie jene zum "König von Soissons", mit weIcher der Merowinger Chilpe- rich angesprochen sein dürfte.

145 Als Einzelbeobachtung paßt hierzu, daß gerade ein gebürtiger Langobarde, Wulfllaich, um 580/85 in den Ardennen bei Sedan Reste des Heidentums bekämpfte - Gregor von Tours (wie Anm. 47), VIII, 15. I

Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 39 war'<. Zum Teilreich Childeberts, dessen Hauptstadt Reims war, gehörte seit 584 auch Soissons, die vorherige Residenz Chilperichs. Eine Beziehung von Childeberts Referendar Otto zu dieser Region, in der um 600 die Familie Authars auftritt, erscheint darum möglich. Zeitlich dürfte jener Otto zur Gene- ration vor Authar gehören. Ob er der Vater Authars und des älteren Maiordomus Rado (I) war? Die gemeinsame Zugehörigkeit Ottos und danach Authars zu dem engen Kreis der austrasischen Hofaristokratie läßt zusammen mit den Namen in der Familie daran denken. Authars Sohn Bischof Audoin trüge dann also den Namen seines Großvaters Otto (Audoin). Ebenso hat möglicherweise der 643 erschlagene Prinzenerzieher Otto, der Sohn des Gundoiniden Uro, seinen auf die Audoinfamilie weisenden Namen über seine - uns unbekannte - Mutter nach dem gleichnamigen Referendar Otto des späten 6. Jahrhunderts bekom- men'<. Auf dieser früheren Stufe bei den Eltern des Prinzenerziehers Otto wäre dann die von der Forschung bislang später angesetzte Verbindung zwischen Au- doin- und Gundoinsippe zu suchen, wie sie sich auch im Namen des Gundoin- sitzes Einville am Sänon - Audoinda villa - niedergeschlagen hat. Die Aufnahme der langobardischen Freunde in das Reich Chilperichs und an den königlichen Hof dürfte mit Landschenkungen aus Fiskalgut verbunden ge- wesen sein. Der bereits um 600 vorhandenen Grundbesitz der Autharfamilie bei Soissons und Meaux gibt Raum für eine solche Vermutung. Landschenkungen des Königs an seine Beamten und Höflinge sind für die Zeit üblich. Der Name Herzog Gisulfs I. von Friaul, nach unserer Annahme eines engen Verwandten Authars, könnte im Namen des lothringischen Gisselfingen (s Dieuze; heute Gelucourt) stecken. Auch in diesem Ort darf Frühbesitz der Autharfamilie gesucht werden. Noch bei den Zeugen einer Schenkung von 788 kommt hier bezeichnenderweise ein Authar (Hodacro) vor, im selben Jahr auch ein Gisolfv"; frühere Aufzeichnungen für den Ort fehlen. An den Sohn Gisulfs, den Herzog Grasulf von Friaul, wird man wieder durch einen Graolf erinnert, der nach einem Rambert 807 für zwei Angehörige der Chrodoinsippe eine Lehens- erneuerung Weißenburgs in Waldhambach und Berg bezeugt und anscheinend zu deren Verwandtschaft gehörte+". Ein früherer Graulf, Sohn eines Madalhar,

146 Gregor von To urs (wieAnm. 47), X, 19. Der Aufstieg der fränkischen Autharfamilie fällt wohl in diesen Zeitabschnitt. Ew i g (wie Anm. 79), S. 145 f., weist in anderem Zusammenhang auf einen ..Magnatenschub großen Umfanges" zum Jahr 587 hin. - Nach Kai se r (wie Anm. (25) kann man vielleicht einen von Gregor (VII, 15) genannten judex Audo, der im Dienst Chilperichs stand und in Paris einige Häuser besaß, wegen seines Namens und seiner Verbindung zum neu- strischen Königshaus mit der Familie Authars in Beziehung setzen (S. 222, Anm. 272): ..Mit dem Präfekten Mummolus hatte er viele Franken, die zur Zeit König Childeberts 1. freie Männer gewe- sen waren, den öffentlichen Abgaben unterworfen".

147 Vg!. oben 4.1 und Anm. 78, 79.

148 TW Nr. 209,207.

149 TW Nr. 199. - Vergleiche auch den Ortsnamen Grafstall (a. 745 Graolfestale - SGUB I, Nr, 11), heute Teilgemeinde von Illnau bei Zürich. Der Ort gehört um 740 zum Besitz der Beata- Sippe, deren Besitzvorgänger und Vorfahr Graf Audoin wieder von Authar abstammt; der Name Graolf (Grasult) ist damit auch für die Beata-Sippe schlüssig. Vg!. unten Abschn. 5.6. 40 Eberhard Dobler schenkt an Weißenburg unter Abt Erlebald 731 in Plittersdorf am Rhein-"; er läßt sich familiär nicht einordnen. Der gausische Königsname Alboin, den wir nun ergänzend heranziehen kön- nen, ist ebenfalls in die Tradition der fränkischen Audoin-/Chrodoinfamilie ein- gegangen, wenn auch nicht vorrangig. So findet sich ein Alboin, zusammen mit Männern wie Rathelm, Otbert oder Gausbodo (Gaosbodi), als Zeuge bei der großen Schenkung Chrodoins von 717, die Teile des Stammguts um Berg und Waldhambach an Weißenburg brachte!", Als Chrodoins Sohn Gebhard nach dem Tod des Vaters diese Güter 726/27 zur Nutzung erhält, sind seine Zeugen Ato, Alboin und Otbert'v. Mit Rathelm zusammen ist wohl derselbe Alboin 737 Zeuge für den Etichonen Graf Eberhard!", Dann stehen beide Zeugen wieder bei der Schenkung Haroins (11.) von 742, die Besitz in Waldhambach ebenso wie im Raum von Buchsweiler umfaßte'>'. Die Zugehörigkeit dieses Alboin, dessen Name für seine Zeit zudem sehr selten ist, zur Audoin- und Chrodoin- familie kann nicht zweifelhaft sein 155. Ihre Verwandtschaft mit dem langobardischen Königshaus bedeutet für die Autharfamilie zugleich eine Nähe zu dem 531/32 von den Franken entmachte- ten thüringischen Königshaus. König Audoin war ja der Sohn der Menia gewe- sen, die in zweiter Ehe die Frau des Thüringerkönigs Bisinus (t 505) geworden war. Audoin war so ein Halbbruder von Bisins Sohn und letztem Nachfolger Irminfrid (t 534), seiner Brüder Baderich und Berthachar und der Radegunde, der ersten Frau König Wachos'", Audoins zweite Frau - nach Rodelinde, der Mutter Alboins - aber soll eine Tochter König Irminfrids und der Amalberga, einer Nichte des großen Ostgotenkönigs Theoderich (t 526), gewesen sein!". Ob König Audoins Nachfahren aus dem Zweig des friulinischen Herzogs Gisulf, bei denen wir die Ableitung der fränkischen Autharfamilie suchen, aus

ISO TW Nr. 16.

ISI TW Nr. 196.

IS2 TW Nr. 257.

IS3 TW Nr. 8 = 47.

1S4 TW Nr. l. - Hier ist (Grat) Eberhard Spitzenzeuge nach Haroins Sohn Sigoin (11).

ISS VgI. auch Rudolf i.V. m. Alboin (Anm.153); ferner die Zeugen Alboin und Erloin bei der Schenkung eines Ruodolt im Wormsgau 772 an Fulda (wie Anm. 87). Ein Alboin schenkt 790 an Lorsch in Edigheim bei Frankental (CL 592), im nahen Mörsch schon 766 (CI 830) ein Radulf.

IS6 Pa u Ius Dia c. (wie Anm. 143), V, 9. - Zur Genealogie des thüringischen Königshauses vgl. die Stammtafel (nach B. Sc h mid r), in: Die Franken - Wegbereiter Europas (wie Anm. 41), S. 286. - VgI. auch Anm. 142, 143.

IS7 Prokop, Gothenkrieg, übers. v. D. Cos t e , in: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vor- zeit. 7 (2. A. 1903), S. 294. - Ihr Bruder war Amalafrid, der wie sie zunächst nach Byzanz gelangte, von Kaiser Justinian zum römischen Offizier gemacht wurde und sich 551 Audoin auf dessen Kriegszug gegen die Gepiden anschloß. Die Heirat der Schwester mit Audoin soll vom Kaiser arrangiert worden sein, nachdem Audoin seine erste Frau Rodelinde, die Mutter seines Nach- folgers Alboin, verstoßen hatte. Dazu Menghin (wie Anm. 45), S. 34; ferner Stöbe (wie Anm. 142), S. 166. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 41 dieser zweiten Ehe kamen, ist nach den Quellen nicht zu entscheiden, denn bezeugt ist nur, daß Gisulf 1. ein nepos von Audoins Sohn Alboin war!". Wir selbst halten die Herkunft der Autharfamilie aus dieser langobardisch-thüringi- schen Verbindung freilich für die wahrscheinlichere der beiden Möglichkeiten. In ihr könnte zum Beispiel ein Motiv liegen, warum König Dagobert 631/32 den aus der Autharfamilie stammenden Radulf als ersten fränkischen Amtsherzog für Thüringen ausgesucht hatl59•

J. Ehe 2.Ehe N Menia B isinus, Kg. Thürgn. t505

Audoin Irminfrid Baderich Berthachar Radegunde (I) Kg. Langob. Kg. Thürgn .• t534 CD CD J. Ehe CD Kg. Wacho Rodelinde Amalberga (dessen J. Ehe) I Kg. Alboin t572 Tochter N Radegunde (Il) CD um 555 CD CD Chlodosvinda, Kg. Audoin Kg. Chlothar (t561) T. Kg. Chlothars (dessen 2. Ehe) danach Nonne Poitiers

Albsvinda GisulfI. Byzanz nach 572 "nepos" Alboins, Hzg. Friaul 568

1------1.1------__:. 1 GrasulfI., N Hzg. Friaul, um 581 (? Otto, Referendar Childeberts 1I.,lebt 590)

Gisulf 11 t610 ~----L------4Authar Rado (I) Hzg. Friaul Soissons, 610 Meaux Maiordomus in CD CD I. Ehe CD 2.Ehe Auster 613 Romilda I t610 Aiga Moda I I I I I I I-.J ~ I---'----~ Radoald Ado, Ermendrada, Radulf Hzg. Benevent, Dado/Audoin, Ermenulf Hzg. Thürg. Grimoald B. v. Rouen t684, 631/32, (u.a.) Rado (Il) Otbert Thesaurar um640

Graf Audoin I Ocdo CD Theudala

t58 Vg!. Anm. 143.

159 Vg!. Anm. 138. 42 Eberhard Dobler

5.4. Der breisgauische Grundherr Otpert um 640 und die Gründung des Klosters St. Trudpert Im Breisgau, also im Bereich um Ebringen, wo 716/20 Authars Nachkomme Erloin vergabt, lassen sich frühe Spuren der Autharsippe schon in der Zeit um 640 erschließen. Sie finden sich in der Vita des hI. Trudpert. Zwar ist die Le- bensgeschichte dieses lokalen Heiligen in der ältesten überlieferten Redaktion erst im 10. Jahrhundert niedergeschrieben worden, sie enthält aber offenbar viele zuverlässige Einzelheiten'w, Trudpert, Wandermönch irischer Observanz und schon nach bisheriger Annahme wohl Westfranke, hat um 640 im Münster- tal hinter Staufen eine Einsiedlerzelle gegründet. Aus ihr ist später das wohl- habende Kloster St. Trudpert herausgewachsen. Das Rodungsland für seine Gründung war Trudpert von dem Besitzer des Tales, einem Edlen Otpert, geschenkt worden. Etwa drei Jahre nach seiner Ankunft - um 643 - wurde Trud- pert von zweien der Knechte, die Otpert ihm zur Arbeit beigegeben hatte, erschlagen. Sein gewaltsamer Tod wurde schon von den Zeitgenossen als Mar- tyrium gewertet, Trudpert selbst seit da als Heiliger verehrt. Otpert ließ die Mörder dem für das Gebiet zuständigen Grafen Bobo zur Aburteilung zu- führen 161.Als Folge dieser Gewalttat wurden zunächst alle weiteren Pläne für eine spätere Klostergründung aufgegeben. Otpert errichtete nur noch ein bescheidenes Oratorium zur Verehrung des Märtyrers und veranlaßte "nach vie- len Jahren" dessen Umbettung. Bei der Gründung der Zelle hatte er Trudpert nicht nur den Platz für die Behausung, sondern auch liegende Güter in der Nähe überlassen'<. Im Hauptbestand scheint Otpert bewaldetes, rodungsfähiges Land geschenkt zu haben. Man hat darum schon gefragt, ob Otpert an Trudpert nicht ursprüngliches alemannisches Herzogs- oder merowingisch-fränkisches Kö- nigsgut weitervergabt hat. Nach W. Werth kann jedenfalls zufolge der Schen- kung "vermutet werden, daß wir es hier mit einem Edlen aus einer besonderen Familie zu tun haben"163.Nach Otperts Tod stritten sich seine Erben jahrelang um das Schenkungsgut und zogen dabei den an Trudpert geschenkten Besitz wieder an sich. Erst ein jüngerer Verwandter Otperts, sein abnepos Rampert, gründete um 815 am Platz der Märtyrerzelle ein Kloster und brachte hierbei den an Trudpert geschenkten Besitz wieder einl64•

160 Vita S. Trudperti, hg. v. B. Krusch in MGH, Script. rer. Merov. IV, S. 355 ff. Zur Bedeu- tung vg!. Th. M aye r, St. Trudpert und der Breisgau, in: Beitr. z. Gesch. v. St. Trudpert (Freiburg 1937), S. 11-30, Neuabdruck in: Th. M aye r, Mittelalt. Studien (Darmstadt 1963), S. 273 ff. Zum Traditionsgehalt insbes. W. We r t h , Zum realen Kern der Passio Thrudberti im St. Galler Codex 577, in: Ztschr. d. Breisgau-Geschichtsvereins 94/95 (1976/77), S. 145 Cf.

161 Zu Bobo vg!. M. Borg 0 It e, Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit (Sigmaringen 1984), S. 21 ff. - Der Name Bobo ist eine Kurzform des Namens Bodegisei, vg!. E b l i n g (wie Anm. 21), S. 87. Ferner We r t h (wie Anm. 160), S. 160 f.

162 Dazu Werth (wieAnm. 160), S. 158. 163 Ebd.

164 Br u c k ne r (wie Anm. 59), S. 398, 399 (Urk. Nr. 662 v. 902); Werth (wie Anm. 160), S.159. Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 43

Otpert und Rampert gehören, wie die Forschung zeigen konnte, zu den Vor- fahren der elsässischen Liutfride im 10. Jahrhundert'<. Auch für den Stamm- baum der Habsburger wurden sie im übrigen schon in Anspruch genommen. Über Otpert als Zwischenglied versuchte der Humanistenkreis um Kaiser Maxi- milian I. eine Abstammung der Habsburger von den Merowingerkönigen herzu- leiten. Der für Maximilian arbeitende Genealoge Jakob Mennel (Manlius) etwa wollte eine solche Verbindung über König Theudebert 11.(geb. 586) herstellen; seine Beweisführung ist jedoch, wie G. Althoff nachweist, nicht stichhaltigt=. Eine andere, ebenfalls nicht nachvollziehbare Version für die Ansippung Otperts und der Habsburger an die Merowinger bringt der 1547-1555 in Augs- burg verfaßte, 1668 im Druck erschienene österreichische .Ehrenspiegel". Nach ihm soll Otpert "ein Sohn oder wie etliche wollen, ein Enkel Sigiberti" gewesen sein, wobei offen bleibt, welcher der mehreren Merowingerkönige gemeint sein l67 mag • In einer dem Druck des .Ehrenspiegels" beigegebenen Darstellung ist hinter Sulzburg ein Otperttal vermerkt'«. Einen realen Besitzhinweis für Otpert bringt dagegen die Passio des hI. Trudpert. Sie erzählt, die Priester des "benachbarten Gaues" (pagi vicini) seien nach altem Brauch unter dem Vorsitz von Otpert zusammengekommen. Werth deutet den hier angesprochenen benachbarten Gau eingängig auf den linksrheinischen Sundgau'w, Die Angabe der Passio läßt so die Folgerung zu, daß Otpert um 640 im Oberelsaß eine Reihe von Eigenkirchen besaß, deren Priester er zu einer Versammlung unter seinem Vorsitz zusammenrufen konnte. Sein Besitzbereich hat sich also offenbar über beide Seiten des Rheins ausgedehnt. Insgesamt bleibt der Eindruck, daß Otpert aus einem reichbegüterten Aristokratengeschlecht von mehr als regionaler Be- deutung kam. Seinen Wohnsitz muß er um 640 im weiteren Bereich vor dem Eingang des Münstertals gehabt haben. Denn als Trudpert dorthin kommt, gibt er ihm zur Platzsuche seine Jäger als Führer und sechs ausgewählte starke Män- ner aus seinen Hörigen zur Rodungsarbeit mit'?", Das deutet auf wenigstens einen Herrenhof mit abhängigen Leuten in der Hand Otperts hin. Der Name Otpert (Otbert, Audobert) gehört wenig später zum nachweisbaren Namenbestand der Autharsippe'?'. Sein Stammwort Aut- klingt zugleich an die

165 Der Hinweis des Etichonen Liutfrid in der (falsifizierten) Urkunde von 902 (wie Anm. 164) auf seine Vorfahren Otpert und Rampert dürfte auf eine echte Vorlage zurückgehen; vgl. Z 0 t t (wie Anm. 7), S. 123 Anm. 66.

166 G. Althoff, Studien zur habsburgischen Merowingersage, in: MiöG 72 (1979), S. 71 ff. (80 ff.)

167 A. Z et tie r, Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau, in: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland (Sigmaringen 1990), S. 238 ff.

168 Ebd., Abbildung S. 240.

169 Wert h (wie Anm. 160), S. 158 f. - Werth sieht in Otperts Handeln den Versuch eines Vor- nehmen, der im Sundgau jenseits des Rheins das Christentum mitträgt, wo der Ausbau der (eigen- kirchlichen) Pfarrorganisation schon weiter vorangeschritten war, "nun auch im Breisgau bei den noch wenig erschlossenen Alemannen eine christliche Zellengründung zu wagen" (S. 159). 170 Dazu Werth (wieAnm. 160), S. 152,155. 171 Oben Kap. 5.1. 44 Eberhard Dobler

Leitnamen Audoin und Authar dieser Familie an. Von der Namengebung her ist auch die Siedlung Openwilare nahe Ebringen ins Auge zu fassen, wo 716/20 ein Teil des von Erloin an St. Gallen geschenkten Besitzes liegt. Im Namen Open- wilare steckt der Anfangsteil eines Personennames auf Op- (Opp-), Er kann nach der Regel als Kürzung von einem Vollnamen wie Audobert mit seinen Ne- benformen wie Otbert, Oppert, Oprecht aufgefaßt werden!". Openwilare fällt, da bereits 716/20 erwähnt, in die frühe, aber wohl nicht allzulang vor 700 ent- standene Gruppe der breisgauischen -weiler-Orte!", Der namengebende Orts- gründer könnte danach ein Grundherr noch des 7. Jahrhunderts sein, der den Namen Otbert - oder einen ähnlich klingenden Namen - trug. Da andererseits Erloin um 716/20 zumindest einen Teil von Openwilare besitzt, erscheint er hier als Besitznachfolger des Namengebers, der vielleicht noch der Otpert aus der Zeit des hI. Trudpert um 640 war. Denn jener Otpert lebte, wie es die Vita dar- stellt, noch "viele Jahre" nach dem Tod des Heiligen (um 643). Erloin stammt über seinen Großvater Graf Audoin von dem Meldenser Magnaten Authar der Zeit um 600 ab. Die Möglichkeit, daß auch der "breisgauische" Vornehme Otpert (Audbert) in diese fränkische Aristokratenfamilie gehört, deutet sich so nach Besitzlage und Namen an. Openwilare, vermutlich eine Ausgründung von dem älteren -ingen-Ort Ebringen her, ist später, wie man annimmt, in dem etwa gleichalten Wolfenweiler aufgegangen. Im Ortsnamen von Wolfenweiler steckt ein mit Wolf- zusammengesetzter Personenname, der dann - über einen Grund- herrn wohl wieder aus dem späten 7. oder frühen 8. Jahrhundert - auch im familiären Umkreis Otperts und Erloins vorstellbar istl74• Eine gewisse Gegen- probe ermöglicht die Ebringer Urkunde von 716/20, wenn sie gleich zwei Trä- ger des Namens Wolf-bert anführt, die von Erloin hier als Zeugen zugezogen werden. Für den im Breisgau um 640 nachweisbaren Otpert dürfte die Geburtszeit nicht später als 620 zu suchen sein. Noch "viele Jahre" nach 643, dem Todesjahr Trudperts, soll er andererseits die Umbettung des Heiligen veranlaßt haben. Woher kam er? Ausschließen läßt sich, daß Otpert ein Sohn des um 610 in Meaux ansässigen Authar gewesen sein könnte; denn die anderslautenden Na- men der - um 605 geborenen - Söhne Authars sind gut und wohl vollständig überliefert. Für einen Enkel Authars aber wäre Otpert offenbar zu alt; für diese .Enkelgeneration" steht bisher der etwa um 630 geborene Graf Audoin. Viel- leicht besteht damit ein Zusammenhang Otperts mit dem älteren Rado (I), dem Hausmeier Chlothars 11.in der Zeit um 613, in dem wir einen Bruder oder Vet-

172 Förstemann (wieAnm. 46), Sp. 1173.

173 Zur Chronologie der breisgauischen Ortsnamen vgl, O. Ge u e nie h, Der Landesausbau und seine Träger, in: Archäologie u. Geschichte (wie Anm. 167), S. 210. Die -weiler-Orte sind hiernach zwar im allgemeinen ein jüngerer Ausbautyp des 8. und 9. Jahrhunderts (8 oe sehr; jedoch kommt u. E. bei dem schon 716/20 erwähnten Openwilare eine Gründung noch im späten 7. Jh. in Betracht.

174 Zotz (wie Anm. 7), S. 124, bringt den Ortsnamen Wolfenweiler mit dem Personennamen Wolvene in Zusammenhang. Dieser - identisch mit Wolvin, Wolvoin - führt zugleich in den Umkreis der Bertolde auf der Baar; dazu 8orgo lte (wie Anm. 8). - Vgl. auch Anm. 15. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 45 ter Authars vermuteten!". Das hieße, daß Otpert möglicherweise ein Sohn Rados und ein Bruder des Thüringerherzogs Radulf, der 641 gegen König Sigi- bert Ill. rebellierte, gewesen wäre. Der Familienbesitz in der Breisgauer Bucht könnte gut mit dem zeitweiligen Hausmeieramt Rados zusammenhängen und mit einer daraus motivierten Schenkung König Chlothars 11.,der seit 613 Herr- scher des merowingischen Gesamtreiches und der alemannischen Gebiete war. Für 613/14 sind ein Aufenthalt des Königs in der elsässischen Pfalz Marlenheim und die Unterdrückung eines alemannischen Aufstands bezeugt!". In die dabei zu unterstellende Regelung der politischen Verhältnisse am Oberrhein würde sich eine Schenkung des Herrschers an seinen Hausmeier gut einfügen. Bemer- kenswerterweise ist für dieselbe Zeit um 613 ja auch eine Schenkung Chlothars an Rado in Burgund bekannt'?". Otperts abnepos Rampert, der um 815 das Kloster St. Trudpert gründet und es mit Besitzungen bedenkt, läßt sich ver- mutlich in jenem Rambert finden, der 793 die große Schenkung Graf Pera- tolds an St. Gallen mitbezeugt. Zu ihr gehörte unter anderem Peratolds Gut in Ebringen 178. Interessanterweise wird in der habsburgischen Hofgeschichtsschreibung nicht nur, wie schon erwähnt, Otpert den Vorfahren des Kaisergeschlechts zugeordnet. Auch der hl. Trudpert wird um 1500 unter die Heiligen aus der Sippschaft Kaiser Maximilians eingereiht und dabei als Sohn eines Franken- königs bezeichnet'?'. Die Parallele läßt vermuten, daß dabei eine nähere ver- wandtschaftliche Bindung zwischen Trudpert und Otpert, seinem Förderer, unausgesprochen zugrundegelegt wurde. Das mag dahinstehen. Jedoch gibt es auch besitzgeschichtliche Indizien für die Annahme, daß Trudpert um 640 nicht zufällig gerade zu Otpert in den mittleren Breisgau gekommen ist. Vielmehr dürften ihn hierher auch verwandtschaftliche Beziehungen geführt haben. Sie mögen den Magnaten Otpert bewogen haben, dem Ankömmling das Land für seine geplante Zelle zu schenken. Denn auch die wenigen sonstigen Indizien zu Trudperts Herkunft weisen wieder auf den Kreis der Autharsippe hin. Diese Anzeichen sind in folgendem zu erblicken:

175 Vg!. oben Kap. 5.2. - Zu möglichen Rückverbindungen nach Alemannien von Nachkom- men des sächsischen Herzogs Radulf (v.a. mit den Zeugen Germunt und Ruadolf 779 im hegau- ischen Weiterdingen; SGUB I, Nr. 91) vgl. M a y r (wie Anm. 29), S. 40; ferner K. Bosl, Franken um 800 (München 1959, 21969), S 100 f.

176 B ru c k ne r (wie Anm. 113), Nr. 27.

177 Vgl. Anm. 135.

178 Vgl. Anm. 3 und 15. - Ein Rampert auch 789 in der Hattenhuntare Zeuge, SGUB 1 Nr. 123. Ramo (wohl Rambert) Zeuge 779 in BermatingenlLinzgau für das Paar Ato und Herosta, ebd. Nr. 87; fraglich dessen Identität mit dem Schenker Hrambert - Söhne: Waldbert, Wolfbert - in Fischbach 778, ebd. Nr. 84. Ein späterer Hrambert, u.a. mit einem Radolf, 807 Zeuge für die Chro- doine in Waldharnbach, TW Nr. 199.

179 S. La s ch i t z e r, Die Heiligen aus der .Sipp-, Mag- und Schwägerschaft" des Kaisers Maximilian I., Jahrb. der Kunsthist. Sammlgn. des allerhöchsten Kaiserhauses IV (Wien 1885), S. 203; J. Bra un, Tracht und Attribute der Heiligen in der dt. Kunst (Stuttgart 1943), S. 702. 46 Eberhard Dobler

Im nordelsäßischen Waldhambach, im großen Rodungsgebiet der Audoin-I Chrodoinsippe der Zeit um 700, findet sich unter den Zeugen ein anderer Trud- bert, als Graf Audoins Sohn Weroald im Jahr 713 seinen Markungsanteil an Weißenburg schenkt'<. Weroald tritt hier auf mit den Zeugen Cardoenus, Gau- ciberto, Bertegiso, Odune (Audoin), Baldoino, Badacone (Badacho), Teudo und Trudberto. Dieselben Personen einschließlich des jetzt nicht selbst handelnden Weroald und Haroins - des Vaters des .Ebringer" Erloin - bestätigen dann die gleichzeitige Schenkung eines Otmar (Otmarus) und seiner Frau Imma in der marca Bettune, die mit Bettweiler (nw Drulingen) zu identifizieren ist; dort gibt es auch eine Wüstung Druotpertovillare (Trudpertsweiler)!", Bei Rimsweiler (nö Saarburg) wiederum gehört 713 ein größeres Landstück "Trudeberts Erben"182. Dieses Rimsweiler ist ein alter Besitzort von Graf Audoins Enkel Radulf. Nach allem darf man den Namen Trudpert für die Zeit um 700 und wohl schon früher mit der Audoinsippe in Verbindung bringen. Insgesamt hat so unsere Annahme, daß schon der Einsiedler Trudpert der Zeit um 640 ebenso wie der im Breisgau begüterte Magnat Otpert in diesen Verwandtschaftskreis gehört, eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich. Bedeutsam ist darüber hinaus, daß auch der Name des St. Galler Abtes Audomar/Otmar, des Empfängers der Ebringer Schenkung von 716/20, in diesen Zusammenhang gehört, nachdem sich feststellen läßt, daß es im Besitzgebiet der Audoin-/Chrodoinsippe bei Bettweiler schon mindestens einen älteren, um 713 handelnden Teilhaber Otmar gegeben hat. 713 zieht er bezeichnenderweise Haroin, den Vater des .Ebringer'' Erloin und Ehemann der Audointochter Mumma, als einen seiner wenigen Zeu- gen zu. Zufolge seines Besitzes, seines Namens (Audo-mar) und zufolge seiner Zeugen kam auch dieser wenig ältere Otmar ziemlich sicher aus der Audoin- familie. War er der Vater oder ein anderer naher Verwandter des 719 zum Abt erhobenen Otmar? Daß Erloin seine Schenkung von 716120 gerade um die Zeit an St. Gallen gibt, in welcher der junge Abt dort die Regierung übernimmt,· erscheint immer weniger als zufälliges Zusammentreffen. Otmar dürfte tatsäch- lich ein Verwandter des Schenkers Erloin gewesen sein 183. Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß offenbar schon im 7. Jahrhundert im Bereich von Ebringen und im breisgauischen Münstertal hinter Staufen ein Be- sitzgebiet der westfränkischen Authar-/Audoinsippe gelegen hat. Zu diesem

ISO TW Nr. 256.

181 TW Nr. 202.

182 Ebd., Vorbemerkung. - Als Verwandte Trudperts werden in der späteren Tradition der hI. Rupert (t718) und die hI. Ehrentrudis (t um 718), Ruperts Nichte, angesehen. Für Th. M aye r (wie Anm. 160), S. 174 f. handelt es sich hierbei zwar nicht um historische Tatsachen. Indessen zeigt E. Zölln er, Woher stammte der hI. Rupert?, in: MIÖG 57 (1949), S. I ff., daß Rupert ziem- lich sicher aus dem westfränkischen Gebiet am Mittelrhein kam und mit den späteren Rupertinern in Verbindung gebracht werden kann. Dort kann eine Überschneidung mit der Chrodoin-/ Audoin- sippe des 7. Jh. vermutet werden.

183 Für den Bereich um Ebringen vgl. auch das Zeugenpaar Erlawinus und Otmar 786 bei der in Wittnau beurkundeten Schenkung Heimos und seiner Tochter Svanahilt; SGUB 1, Nr. 110; s. auch Anm. 14. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 47

Verwandtenkreis gehörte anscheinend der in der Passio des hi. Trudpert für die Zeit um 640 bezeugte Grundbesitzer Otpert. Auf den Altbesitz dieser Familie dürfte das Gut in Ebringen und Openwilare zurückgehen, das Erloin um 716/20 ungefähr zum Amtsantritt Abt Otmars dem Kloster St. Gallen schenkt. Einer der Besitzvorgänger Erloins mag hier sein Großvater Graf Audoin gewesen sein. Wenn man freilich für den Anteil Otperts (um 640) eine königliche Schenkung schon um 613 ins Auge fassen kann, so bedarf dennoch die Frage nach dem Erwerbszeitpunkt für Ebringen einer gesonderten Prüfung. Denn die von uns angenommene königliche Schenkung an Otperts Besitzvorgänger Rado (I) hing vermutlich mit dem Hausmeieramt zusammen, in dem Rado um 613 bezeugt ist. Mit Rado (I) war Erloin aber anscheinend nur in der Seitenlinie verwandt; er war wohl kein Besitznachfolger Rados (I). Andererseits wirkt auch Graf Audoins Vater Rado (11)um 630 als Thesaurar König Dagoberts I. an einfluß- reicher Stelle des Hofes!". Für diese ersten Regierungsjahre Dagoberts nimmt die Forschung heute eine weitreichende Neuordnung der politischen Verhält- nisse in Alemannien an; mit ihr ist wohl auch die Einführung der Grafschafts- verfassung einhergegangen ISS. Die Tätigkeit Rados (11) in dieser Aufgabe könnte auch ihm eine Dotation aus breisgauischem Königsgut eingebracht haben, von dem ein Teil dann 716/20 in die Schenkung seines Nachkommen Erloin eingegangen ist. Eine andere denkbare Möglichkeit wäre, daß schon bei der Dotation an Rado (I) um 613 auch sein am Hof einflußreicher Verwandter (Bruder?) Authar angrenzendes Gut im Breisgau empfangen hat.

5.5. Graf Audoin: Der "praeses Otwin" der St. Galler Überlieferung Graf Audoin tritt auch selbst in der frühen Geschichte St. Gallens in Erschei- nung. Vierzig Jahre nach dem Begräbnis des hI. Gallus hat, wie Wetti in seiner Vita des Heiligen berichtet, ein Otwinus praeses mit einem großen Heer einen Teil des Thurgaus verwüstet, wobei Konstanz und Arbon angezündet und viele Männer getötet wurden. Auf der Verfolgung der flüchtenden Einheimischen kam der unter Otwins Befehl stehende praefecti vicarius Erchonaldus zu der Galluszelle. Auf der Suche nach versteckten Kostbarkeiten erbrachen seine Leute sogar das Grab des Heiligent=. Der von Wetti geschilderte Vorfall, den auch Walahfrid in seine Bearbeitung der Gallusvita mit Modifikationen über- nahm, und damit der Kriegszug Otwins lassen sich nur ungefähr datieren. Das von Wetti als Bezugspunkt genommene Todesjahr des hI. Gallus kann zwischen 630 und 650 gesucht werden, und zwar mit größerer Wahrscheinlichkeit gegen Ende dieses Zeitraums'<. Geht man von einem Ansatz um 645 aus, so müßte der Heereszug Otwins um das Jahr 685, spätestens um 690 stattgefunden haben. Die

184 Vgl. Anm. 134.

185 Borg 0 It e (wie Anm. 161), v.a. S. 21 ff.; De r s . (wie Anm. 124), S. 84, 242.

186 Vita Galli confessoris triplex, ed. B. Krusch, MOH, Script. rer Merov. 4 (1902), S. 276, 313. -Borgolte (wieAnm. 161), S. 24; ders. (wieAnm. 124), S. 188.

187 Borgolte (wieAnm. 124), S. 188. 48 Eberhard Dobler

Bezeichnung praeses oder praefectus, wie sie Otwin in der St. Galler Über- lieferung beigelegt wird, gilt in merowingischer Zeit als Synonym zu comes. Man darf so in Otwin vielleicht einen im Süden des Bodenseegebicts amtenden Grafen der Zeit um 680/90 sehen!". Schon H. Keller hat in diesem ..sanktgalli- sehen" praeses Otwin den vor 700 verstorbenen Grafen Audoin des Weißen- burger Adelskreises erkannt'v, Diese Gleichsetzung erscheint schlüssig. Daß merowingische Magnaten an wechselnden Stellen des Reiches auftreten und Funktionen wahrnehmen, ist eine ohnehin geläufige Beobachtung. Audoins Tätigkeit am Bodensee kann zugleich erklären, weshalb wir ihm zu seiner Le- benszeit nicht selbst in Weissenburg begegnen, obwohl dieses Kloster im Kreis seiner Verwandten ein wichtiger Sammlungspunkt war. Als tragender Unter- grund für die Rolle, die Audoin in der Gegend des Bodensees um 680/90 zu spielen vermochte, hat hier ohne Zweifel auch größerer Grundbesitz in seiner Hand gelegen. Aus St. Galler Sicht hat Graf Audoin, - für S1. Gallen der praeses Otwin _, bei dem Heereszug um 685/90 zweifellos eine unrühmliche Rolle gespielt. Daß seine Anhänger das Kloster geplündert und sogar das Grab des Heiligen geschändet hatten, war ein unerhörter Frevel, der jedenfalls auch Otwin selbst zugerechnet wurde. Von diesem Vorfall her gesehen, hätte er sich den fort- dauernden Zorn der Mönche nicht weniger zuziehen müsssen als die späteren fränkischen Prokuratoren Warin und Rudhard, in deren Gefangenschaft 759 Abt Otmar gestorben ist. Die Parallele läßt sich wahrscheinlich noch weiter ziehen. Denn im Fall GrafWarins hat dessen Sohn Isanbard noch im Jahr 806 dem Gal- luskloster eine umfangreiche Landschenkung zugewendet, um die Klagen der Mönche über die Schuld des Vaters ein für alle Male aus der Welt zu schaffen 190. Sollte es sich ähnlich bei Erloins Schenkung von 716/20, die fast an Anfang der St. Galler Erwerbungen steht, auch um eine Wiedergutmachung des Enkels für die dem Grafen Audoin zugerechnete Untat gegenüber dem hI. Gallus aus der Zeit um 685 gehandelt haben? Zeitlicher Anlaß der Ebringer Schenkung könnte die Erhebung Otmars zum Abt gewesen sein. Otmar ist dem Kloster wohl im Jahr 719 durch den rhätischen Praeses Victor als Abt präsentiert worden, also ungefähr zur Zeit von Erloins Schenkung. Vielleicht Otmars Eltern, zumindest nahe Verwandte des nachmali- gen Abtes, sind in dem Ehepaar Otmar und Imma zu vermuten, das im Jahr 713 Weißenburg Güter in Bettweiler an der lothringischen Eichel schenkte!", Für

188 Ebd.

189 H. K elle r, Fränkische Herrschaft und alem. Herzogtum (wie Anm. 124), S. 29; B 0 rg o l le (wie Anm. 124), S. 188. - Der Name Otwin ist eine Erweiterung des Stammes Aud - Od mit uni- suffix: Förslemann (wieAnm.46),S.273;Schnyder (wieAnm.3),S.159.

190 SGUB I, Nr. 190. - Borg 01 le (wie Anm. 124), S. 151 (Isanbard). - Vgl. ferner die Wie- dergutmachung Kaiser Karls Ill. an SI. Gallen für das Abt Otmar durch Warin zugefügte Unrecht; dazu Tb. Z 0 Iz , Grundlagen und Zentren der Königsherrschaft, in: Archäologie und Geschichte (wie Anm. 167), S. 290.

191 Wie Anm. 181. Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 49 den Bereich um Ebringen selbst gibt es einen nur wenig jüngeren Hinweis: Ein Zeugenpaar mit den Namen Erloin (Erlawinus) und Otmar tritt im Jahr 786 in Wittnau bei der Schenkung eines Heimo und seiner Tochter Svanahilt an St. Gallen, deren Güter in Ebringens Nachbarorten Merzhausen, Mengen, Wendlingen und Haslach lagen, gemeinsam in Brscheinung'<. Es ist nach allem gut vorstellbar, daß die Verwandten Otmars zu Beginn seiner Abtszeit um 719 bemüht waren, auch das Andenken des Grafen Audoin, das seit dem Vorfall von 685/90 in St. Gallen diskreditiert war, durch eine großzügige Schenkung aufzu- bessern. So konnte zugleich auch Otmar von einem auf der Familie lastenden Makel befreit und St. Gallen ein Vorteil aus seinem Amtsantritt geboten werden. Vielleicht lag hierin mit ein Motiv für Erloins Schenkung, die dann wohl genauer auf 719 oder 720 anzusetzen wäre. Man kann ohnehin die Frage stellen, welche Gründe die Nachkommen Graf Audoins gerade zum Beginn von Otmars Abbatiat bewogen haben mögen, aus dem Kreis des von ihnen sonst begünstigten Klosters Weißenburg herauszutre- ten und dem noch wenig bedeutenden, zudem räumlich weit entfernten St. Gal- len eine Landschenkung zu machen. Eine Brücke kann vielleicht über den Grafen Audoin des späten 7. Jh. und zugleich in dem Wunsch nach einer Hilfe- stellung für den verwandten Abt gefunden werden. Ein solches Motiv schon der Schenkung um 716/20 wäre umso eher zu erwä- gen, nachdem auch unter den folgenden Stiftungen zwei weitere Enkel Audoins als Urheber erscheinen. Als Enkel Audoins hat sich bereits der Honstettener Schenker Rodulf (Radulf) der Jahre um 735/40 erwiesen!". Und auch jener Rinulf, der 735 mit Radulf als seinem Spitzenzeugen St. Gallen in Petinvillare beschenkt, ist nach unserer Ansicht ein Enkel Audoins, nämlich ein Bruder Radulfst?'. Zum selben genealogischen Schluß führt die Überprüfung der sog. Beatafamilie, von der St. Gallen die hier schon einmal erwähnten umfangrei- chen Güter am Zürichsee in den Jahren 744 und 745 erhält: Die Aristokratin Beata, mit der die Reihe der Zuwendungen dieser Familie ihren Anfang nimmt, ist höchstwahrscheinlich wieder ein Abkömmling des Grafen Audoin/Otwin'", Zusammenfassend kann man sicher sagen, daß das durch den Übergriff Au- doins - oder zumindest seiner Leute - um 685/90 empfindlich gestörte Verhält- nis der Familie zu St. Gallen spätestens mit der Ebringer Schenkung Erloins um 719, die mit der Übernahme der Klosterleitung durch ihren Verwandten Abt Audomar/Otmar ungefähr zusammenfiel, in ein freundschaftliches Zusammen- leben übergegangen ist. Daß hierbei auch Erinnerungen an die Begegnung Columbans und wohl auch schon seines Schülers Gallus mit der Autharfamilie der Zeit um 610 mitgespielt haben mögen, ist gut vorstellbar.

192 SGUB 1,Nr. liD. - Vg!. Anm. 14. - Vermutlich derselbe Otmar tritt in Wittnau auch 790 und 809 als Zeuge auf; SGUB 1, Nr. 126 und 203.

193 Vg!. Anm. 3 und Skizze 1.

194 SGUB 1,Nr. 5. - Vg!. oben Anm. 24, 108.

19S Dazu unten Abschn. 5.7. 50 Eberhard Dobler

5.7. Graf Audoin und die Beata-Sippe am Zürichsee Von Graf Audoin, dem um 680/90 im Süden des Bodenseegebiets bezeugten praeses Otwin, läßt sich eine Verbindungslinie zu der sogenannten Beata-Sippe, die wenige Jahrzehnte später im selben Gebiet sichtbar wird, erschließen. Mit der Beata-Sippe hat sich die jüngere landesgeschichtliche Forschung wiederholt und unter verschiedenen Blickwinkeln beschäftigt. Urkundlich tritt dieser Verwandtenkreis kurz vor der Mitte des 8. Jahrhunderts und mit einem ausgedehnten Grundbesitz am oberen Zürichsee in Erscheinungt=, Ein Schwer- punkt des Besitzes liegt hier in Illnau und den umliegenden Ortschaften bis süd- lich hinüber zum Zürichsee. Die heute meist als Namensgeberin für den Ver- wandtenkreis genommene Aristokratin Beata ist mit ihrem reichen Besitz in den Urkunden St. Gallens seit 741 bezeugt. Sie war die Tochter eines Reginbert (Ra- chimbert) und einer Ata (Hatta). Anscheinend ist Beata ebenso wie ihr Gatte Landolt 744 oder 745 gestorben. An die Stelle beider tritt in den Urkunden ab 745 der Sohn Landbert. Beata besaß aus dem Erbe ihrer Eltern auch die Insel Lützelau im Zürich see mit einem dort begründeten kleinen Frauenkloster. Hier lebte sie zeitweilig, und auch schon ihre Mutter Ata hatte auf der Lützelau ihre letzten Lebensjahre verbracht'?", Ata wird 744 als verstorben bezeichnet; ihr Gatte Reginbert dürfte schon 741 nicht mehr gelebt haben!". St. Gallen unter Abt Otmar hat seit den Jahren 744/45 aus der Hand Beatas und nach ihrem Tod aus dem Erbe ihres Sohnes Lantbert durch Kauf und Schenkung zahlreiche Gü- ter erhalten, unter ihnen auch das Klösterehen auf der Lützelau'?", Die Zuwen- dungen der Beata-Familie sind für das junge Kloster St. Gallen unter Otmar von grundlegender Bedeutung gewesen; etwa die Hälfte aller Güter, die ihm bis zu Otmars Tod 759 zuflossen, stammt von dieser Seite2°O. Auch noch bis zum Ende des 9. Jahrhunderts begegnen uns am oberen Zürichsee viele Männer als Grund- besitzer, Vögte und Zentgrafen, die nach dem Namengut und der Lage ihres Be- sitzes Nachkommen von Verwandten dieser Sippe sein müssen. Die Beata- Sippe gehörte erkennbar bereits im 8. Jahrhundert zur merowingischen Reichsaristokratie in Alernannien-?'. Es gibt aber Anzeichen dafür, daß zumin-

196 SOUB 1, Nr. 7, 10, 11, 12. - Dazu etwa Sprandel (wie Anm. 96), S. 15 - 23 u.a.; Schnyder (wieAnm. 3), S. 154 ff. m.w.N.

191 SOUB 1, Nr. 7 (von 741): ubi Hatta et Beata cum religuas ancillas Dei degere videntur. - Schnyder (wie Anm. 3), S. 304, nimmt für das Klösterehen ein Gründungsdatum um 740 an.

198 Zu Ata SOUB 1, Nr. 10. - Zu Reginbert vgl. oben Anm. 63 und 64. Von den Zeugen der Gedächtnisstiftung Hartberts für Reginbert (745) erscheint Amalrich 744 auch als Zeuge für Beata (SOUB 1,Nr. 10) sowie 745 zweimal für Lantbert (ebd., Nr. 11, 12). Die Gleichsetzung des Regin- bert, für den Weißenburg 745 die Gedächtnisstiftung Hartberts erhält, mit dem Gemahl der Ata erscheint danach begründet.

199 SOUB I, Nr. 10, 11, 12.

200 S P ra n del (wie Anm. 96), S. IS, 28.

201 W. Sc h n e id er, Die merowingische Reichsaristokratie Alamanniens, in: Arbeiten zur ala- mannischen Frühgesch., Heft 3/4 (Tübingen 1976), S. 175. - Der s. , Die sog. Beata-Sippe, ihre Traditionen an St. GaHen (741-745) und deren Motive, ebd., S. 315 ff. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 51 dest ein Teil ihrer Besitzungen am Zürichsee nicht lange zuvor an die Familie gelangt waren und daß nahe Vorfahren Beatas, mütterlicher- oder väterlicher- seits, erst in dieses Gebiet eingewandert sind. H. Schnyders= etwa glaubt, daß sie aus dem westfränkischen oder burgundischen Bereich herübergekommen waren; in Zusammenhang damit hätten sie ihren Grundbesitz in der Gegend des oberen Zürichsees erworbens". Das "bodenständige" Element innerhalb der Vorfahren drücke sich hingegen vor allem in dem Namen Ufo/Offo aus>'. Die- ser Personenname steckt schon in der alten Bezeichnung der Ufenau, der Nach- barinsel zur Lützelaus". Schnyder weist unter anderem auf Überschneidungen zwischen den Zeugenreihen der Beata-Urkunden und dem Adelskreis um das Kloster Weißenburg hin206• Auch eine Versippung zwischen der Familie des Ale- mannenherzogs Gotfrid und der Beata-Sippe gilt ihm nach Namengut und Besitzungen als sicher-". Unweit von Illnau, einem Schwerpunkt des Beata-Besitzes, liegen auf einem Bergsporn sieben Grabhügel der Merowingerzeit, die nach ihrer abgesonderten Lage wie nach der Qualität der Beigaben aus den vier älteren der Gräber nur als Grabstätte einer herausragenden Adelssippe gedeutet werden können. Die Bele- gung beginnt am Ende des 7. oder im frühen 8. Jahrhundert mit je einem Man- nes- und einem Frauengrab. Diesem "Gründerpaar" folgt ein Paar in den näch- stälteren beiden Hügeln aus dem zweiten Viertel des 8. Jahrhunderts=", Der archäologische Bearbeiter der Friedhofanlage, R. Moosbrugger, sieht eine au- genfällige Kongruenz des ergrabenen Befundes mit dem urkundlichen Befund zur Landolt-Beata-Sippe der 740er Jahre. Diese Übereinstimmung mache es "wahrscheinlich, daß wir in der Grabhügelnekropole von Illnau den Bestat- tungsplatz der Landolt-Beata-Sippe vor uns haben"209.Mit dem Ansatz der Grä- ber des "Gründerpaares" auf die Zeit kurz vor oder um 700 gelangt man dann bereits in eine Generation vor Beatas Eltern Reginbert und Ata, die beide in höherem Alter erst um 740 gestorben sind. Nach Zeit und örtlicher Situation könnten dort also in erster Linie die Eltern Reginberts oder Atas gesucht werden. Ein Schritt zur Klärung dieser Frage scheint auf einem gewissen Umweg noch möglich. Schon im Jahr 741 hatte Beata ihr Eigenkloster auf der Lützelau, das sie dann 744 an die Abtei St. Gallen weitergab, reich beschenkts''. Neben

202 Schnyder (wieAnm. 3), S. 168 ff. 203 Ebd.

204 Ebd., S. 168, 228.

20S Förstemann (wieAnm. 46), Sp. 1474/1.

206 S chnyde r (wie Anm. 3), S. 169 ff.

207 Ebd., S. 219 ff.

208 R. Moo sb rug g e r , Die frühma. Grabhügelnekropole lIInau, in: Helvetia Antiqua, Fest- schrift Emil Vogt, hg. v. R. Degen u.a. (Zürich 1966), S. 293 ff.

209 Ebd., S. 303.

210 SGUB I, Nr. 7. 52 Eberhard Doblcr

Landgütern in der Umgegend hatte sie dem kleinen Kloster dabei nicht weniger als 64 ihrer hörigen Leute zugewiesen. Die Schenkungsurkunde führt die Na- men der Männer und Frauen einzeln auf. Beata ordnete in diesem Zusammen- hang an, daß vier dieser Eigenleute dem Kloster dienen sollten zum Seelenheil ihrer Mutter Ata, die damals anscheinend in hohem Alter auf der Lützelau noch lebte. Drei andere Leute nun - Vindisca, Rathar, Volvinc - sollen dem Kloster dienen für die Seelen (pro anima) Otunlis et Zon. Die Aufreihung läßt den Schluß zu, daß ebenso wie Ata auch Otunlis und Zon zu den nahen Vorfahren Beatas gehörten. Beata hat offensichtlich bei der Schenkung an ihr Eigenkloster nicht zuletzt eine Gedächtnisstiftung für einen Teil ihrer Vorfahren im Auge gehabt. Bei dieser Stiftung scheint es sich jedoch, da Beatas Vater Reginbert im Gegensatz zu ihrer Mutter Ata hier unerwähnt bleibt, um das Gedenken für Be- atas Vorfahren von mütterlicher Seite gehandelt zu haben-!'. Diese haben dann wohl auch zur Lützelau in einer engeren Verbindung als die Seite Reginberts gestanden; die Lützelau war wohl von der Seite Atas her an Beata gelangt. Mit dem Namen Otunlis und Zon müßte unter dieser Annahme am ehesten die Generation vor Ata, also deren Eltern, angesprochen sein. Was den Namen Otunlis angeht - er ist hier offenbar als Genitivform zu sehen -, darf angenom- men werden, daß er aus Otunis verschrieben ist und daß also ein Otun, Otwin, zu den Vorfahren Beatas gehört hatm. Der Name ist identisch mit Audoin-P. Daß es sich bei diesem Otwin um den Angehörigen der obersten Gesellschafts- schicht gehandelt hatte, kann schon angesichts des eigenen sozialen Ranges seiner Nachfahrin Beata nicht zweifelhaft sein. Damit aber verengt sich das Feld der von der Zeit und dem räumlichen Bereich her in Betracht zu ziehenden Personen entscheidend. In erster Linie kommt dann der praeses Otwin in den Blick, der um 685 seinen Heereszug im heute schweizerischen Bodenseegebiet zwischen Konstanz und St. Gallen unternommen hatte. Er ist, wie wir sahen, identisch mit dem Grafen Audoin der Weißenburger Urkunden, der etwa um 630 geboren war und vor 700 gestorben ist. Graf Audoin/Otwin kann auch nach dem Zeitansatz sehr wohl der Vater Atas und damit der Großvater Beatas sein. Als Tochter Audoins ist Ata eine Schwester Weroalds, AmaIlinds und Mummas. Ihre eigene Geburtszeit dürfte dann um 660 oder etwas später liegen. Im Jahr 741 hat sie noch gelebt, vor 744 ist sie verstorben-", Der Name Atas fügt sich in die Namenstradition der Authar-/Audoinsippe ein. Er ist die weibliche Form zu Ato; so hieß zum Beispiel der Vatersbruder Graf Audoins. Auch in den Güter- übertragungen Beatas an St. Gallen im Jahr 744 und ihres Sohnes Lantbert 745215 wirktjeweils ein Träger dieses Namens (Otto, Aottuni) als offenbar nahe- stehender Zeuge mit. Er ist vermutlich dieselbe Person, die um 735/40 für Au-

211 Für Reginbert bestand andererseits die Gedächtnisstiftung seines mutmaßlichen Verwandten Bischof Hartbert in Weißenburg von 745; TW 143, vgl, oben Anm. 63, 64, 198.

212 So auch S chnyd er (wie Anm. 3), S. 159.

213 Ebd.; Förstemann (wieAnm. 46), Sp. 1175ff.

214 SGUB I, Nr. 7. - Dazu Sc h ny der (wie Anm. 3), S. 158, Anm. 5. m SGUB I, Nr. 10, 11, 12. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 53 doins Enkel Radulf in Honstetten (Huado) und 735 mit Radulf in Petinvilare (Audo) für Rinulf Zeugendienst geleistet hatte>", Es spricht so nichts dagegen, den Otunlis der Gedächtnisstiftung Beatas von 741 mit dem vor 700 verstorbenen Grafen Audoin, dem praeses Otwin der St. Galler Überlieferung, zu identifizieren. Dann müßte in der mit ihm genann- ten zweiten Person am ehesten die Gattin Audoins, also die Großmutter Beatas, zu suchen sein. Audoin war, wie wir wissen, mit der fränkischen Agilolfingerin TheudalalTheudelinda verheiratet. Sollte ihr Name hinter dem erkennbar bis zur Unkenntlichkeit verschriebenen Zon der Urkunde von 741 - sie liegt nur in einer Abschrift vor - zu suchen sein? Dank der ausführlichen Aufzählung der Hörigennamen scheint auch aus der Urkunde von 741 ein Schritt zur Lösung dieser Frage möglich. Man kann vorab bei dieser Liste wieder von der Erfah- rung ausgehen, daß die Namen der Eigenleute vielfach das Namengut der Her- renfamilie widerspiegeln. Prüft man die Namen der 64 Hörigen, die Beata 741 ihrem Kloster Lützelau zuweist, so fallen unter den Frauen je eine Teudila, eine Tetalinda (Theudelinda) und eine Teudhara auf; ferner je eine Tetta und eine Totta, in deren Namen man ebenfalls Kurzformen vom Stamm Theut- erkennen kann. Als männlicher Name, gewissermaßen als Gegenstück zu der genannten Teudhara, erscheint ein Teutger (Teuthar). Das sind gewissermaßen Gegen- stücke zu dem Frauennamen Theudala in der vermuteten Herrenfamilie vor 700 und zu dem Namen des mit Graf Audoins Gattin Theudala nach unserer An- nahme verwandten dux Theutar. Vor allem das doppelte Auftreten des Namens TheudilalTheudelinda in dieser Hörigengruppe, verbunden mit den anderen Na- men des Theut-Stammes, ist ein deutlicher Hinweis: Zumindest ein größerer Teil dieser Familien scheint vormals in einer Abhängigkeit zu Audoins Gattin Theudala und der Herrenfamilie, aus der sie selbst kam, gestanden zu haben. Andererseits fällt auf, daß an AudoinlOtwin anklingende Namen in dieser Gruppe von Hörigen, die Beata 741 an Lützelau überläßt, nicht erscheinen. Auch an Atas Gatten Reginbert erinnern allenfalls die Hörigennamen Rachin- trudis und Richvinus durch den gemeinsamen Regin-Stamm, während die Schenkerin Beata selbst vielleicht in einer Butta eine Entsprechung findet. Die Vermutung drängt sich auf, daß es die elterliche Familie Theudalas gewesen war, in deren Abhängigkeit die zum Teil aus ihrer Namenstradition mitbenann- ten Hörigenfamilien früher gelebt hatten. Diese Herrenfamilie des 7. Jahrhun- derts dürfte auch die Inhaberin der von ihren Leuten bewirtschafteten Güter gewesen sein. Unter den Gütern der Familie Theudalas darf dann vor allem die Lützelau selbst vermutet werden. Das dortige Kloster ist wohl auch deshalb von Beata 741 mit dem Gedenken an ihre - wie wir nun annehmen dürfen - mütter- lichen Vorfahren Ata, Audoin und Theudala betraut worden ist. Theudala ist wie Audoin nach unserer überschläglichen Schätzung um 630 geboren und vor 700 gestorben-'"; ihre Eheschließung mit Graf Audoin/Otwin

216 Ebd., Nr. 2,5. - Vg!. oben Anm. 24.

217 Vg!. oben Abschn. 2 und 3. 54 Eberhard Dobler darf dann ungefähr um 650 gesucht werden. Um 685/90 kann der Kriegszug Audoins datiert werden, bei dem ein Teil der Thurgaus verwüstet, Konstanz angezündet und auch St. Gallen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Schon ein Blick auf die beträchtliche Ausdehnung des betroffenen Gebiets läßt vermuten. daß es sich bei dem Zug Otwins um mehr als eine bloße lokale Fehde gehandelt hat. In diesen Zusammenhang paßt, daß von der Forschung - gestützt auf die archäologischen Befunde von IIInau und die Ausdeutung der Urkunden von 741 bis 745 - auch die Sitznahme der Beata-Sippe am Zürich see erst für die Zeit ausgangs des 7. Jahrhunderts angenommen wird. Es liegt nahe, zwischen beiden Vorgängen einen ursächlichen Zusammenhang zu suchen. Vor allem Hans Schnyder hat schon auf die enge Verzahnung zwischen dem Besitz der Beata- Sippe einerseits, dem Besitz der Familie des alemannischen Herzogs Gotfried und ihrer Nachkommen andererseits hingewiesen. Schnyder zeigt dies an Bei- spielen ebenso in den Kantonen Uri und Glarus!". Nach seinen Beobachtungen ist eine nahe Versippung zwischen den Familien Herzog Gotfrids und Beatas überaus wahrscheinlich-". Eine zureichende Erklärung kann nur darin liegen. daß der Besitz der Beata-Familie aus älterem Herzogs- oder Fiskalgut des 7. Jahrhunderts herausgewachsen war. Vielleicht ist auch der Heereszug, den Graf AudoinlOtwin - wahrscheinlich um 685 - am Bodensee unternahm, in die- sen Zusammenhang zu stellen. Eine Erklärungsmöglichkeit könnte in einem Erbstreit um früheres Herzogs- oder Fiskalgut vermutet werden, wobei wir frei- lich weder den Besitzvorgänger noch die anderen Prätendenten kennen. Aus- löser könnte zum Beispiel ein Wechsel im Herzogsamt gewesen sein. Gewißheit hierüber läßt sich freilich nicht gewinnen. Für die letzten Jahrzehnte vor dem Amtsantritt Herzog Gotfrids ist kein Inhaber des alemannischen Herzogsamts bezeugt-". Auch Gotfrieds Regierungsbeginn kann nur sehr ungenau auf etwa 687 geschätzt werden-". Legt man unsere Beobachtungen zur Lützelau zu- grunde, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß Graf Audoins Gemahlin Theudala dort das vermittelnde Glied auch zu den Vorbesitzern gewesen war. Ihr Erbanspruch könnte dann Rechtsgrund für den Erwerb dieses Besitzes gewesen sein; vielleicht war er auch Anlaß für das gewaltsame Vorgehen Au- doins. Theudalas eigene Herkunft ist nach unseren früheren Beobachtungen in einem Zweig der westfränkischen Agilolfinger zu suchen, zu dem eine Genera- tion davor der im Elsaß regierende Herzog Bonifatius, seine als ..duces" bezeugten mutmaßlichen Verwandten Amalrich und Theutar sowie der Straß- burger Bischof Chrodohar/Rotar gehörtenw, Kam aus diesem Kreis jener Vor- besitzer, auf den sich Theudalas und Audoins Erbforderungen stützten? Die Zeit, die sich für Audoins Kriegszug am Bodensee erschließen läßt - um 685/90 - ist eigenartigerweise dieselbe, in der auch Gotfrid - im Jahr 687 - zur her-

218 Schnyder (wieAnm. 3), S. 70 ff., 193 ff.

219 Ebd., S. 219 ff.

220 Vgl. B. Be h r (wie Anm. I), S. 171.

221 S chnyde r (wie Anm. 3), S. 231. - Sp rand et (wie Anm. 96), S. 13, Anm. 22.

222 Vgl. oben Absehn. 3.3. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 55 zogliehen Würde in Alemannien gelangt sein soll. Herzog Gotfrids Geburts- datum dürfte um 650 liegen-"; er war damit ungefähr eine Generation jünger als Audoin und Theudala. Für die politische Haltung der Audoinfamilie im späten 7. Jahrhundert läßt sich ein Anzeichen noch aus dem Patrozinium der Kirche auf der Lützelau ent- nehmen. Die Kirche hat, wie schon die Beata-Urkunde von 741 bezeugtt>, damals als Schutzheilige Maria und den Apostel Petrus, außerdem die Heiligen Martin, Leodegar und Petronella. Sankt Peter ist unter anderem zugleich der Patron von Weißenburg, Martin der fränkische Reichsheilige der Merowinger- zeit. Diese beiden Patrozinien können als Ausdruck fränkischer Verbindungen der Gründerfamilie verstanden werden. Martin ist im übrigen auch Patron am Stammsitz der Audoin-/Chrodoinsippe in Berg bei Waldhambach-". Auffällig ist auf der Lützelau aber vor allem das Mitpatrozinium des hI. Leodegar. Es hat eine Parallele in der frühen Leodegarskirche von Buchsweiler im Unterelsaß-", also einem Ort, der, wie aus den Schenkungen Amallinds und Mummas, der mutmaßlichen Schwestern Atas, hervorgeht, zu Anfang des 8. Jahrhunderts den Nachkommen Graf Audoins und Theudalas gehört hatte-". Der in diesen Patro- zinien angesprochene Bischof Leodegar von Autun hatte erst 678/79 in den fränkischen Machtkämpfen durch den neustrischen Hausmeier (t 680), seinen politischen Gegenspieler, nach zweijähriger Gefangenschaft den Tod erlitten; ein Vorgang, der von den Zeitgenossen bald als Martyrium und als ein Grund dafür gewertet worden war, Leodegar als Heiligen zu verehren. Leodegar entstammte wahrscheinlich einer frankoburgundischen Familie, die im Gebiet der Bistümer Langres, Chalon und Nevers begütert war, aber auch Beziehungen nach dem austrasischen Nachbargebiet von Toul hin besaß-". Zwischen Leode- gars Tod und dem ersten Nachweis seines Mitpatroziniums auf der Lützelau liegen nur etwa sechzig Jahre. Die Herrenfamilie der Lützelau muß sich dem heiligen Bischof von Autun besonders verbunden gefühlt haben. Das kann angesichts des geringen Zeitabstands nur bedeuten, daß sie auch zur Lebenszeit Leodegars dessen politischer Richtung angehangen hatte. Diese Richtung war von 662 bis zu Leodegars Tod durch den Gegensatz zu Ebroin bestimmtw, Als den damals herausragenden Vertreter der späteren Beatafamilie kann man den Grafen AudoinlOtwin erschließen. Audoin dürfte damit ein Parteigänger Leo- degars von Autun und Gegner Ebroins gewesen sein. Dies ebenso, wie es etwa für Wulfoald, den Hausmeier des Gesamtreichs von 673-675, bezeugt ist230

223 Schnyde r (wie Anm. 3), S. 229, Anm. 28.

224 SGUB I, Nr. 7.

225 Vgl. Anm. 32.

226 Zum Patrozinium Schnyder (wie Anm. 3), S. 240. m Vgl. oben Abschn. 2.

228 Ewig (wieAnm. 79), S. 213.

229 Ebd., S. 215 f.

230 Ebd. - Ferner Ebling (wieAnm. 21), S. 131,242. 56 Eberhard Dobler und wie es z.B. für den .Weißenburger" dux Gundoin anzunehmen ist, der mit Wulfoalds Tochter Wolfgunda verheiratet war?". Dagegen hat sich Bischof Audoin von Rouen (t684) mit Ebroin nie überworfen und gute Beziehungen zu ihm unterhalten-".

5.8. Der Konstanzer Bischof Audoin (708?-736) Auffallenderweise steht auch das Bistum Konstanz, zu dem das Besitzgebiet der Beatasippe gehörte, bald nach dem Jahr 700 unter der Leitung eines Bischofs mit dem Namen Audoin. Der Beginn von Audoins Episcopat ist mit etwa 708 anzunehmen, sein Ende auf das Jahr 736233• Der Name des Bischofs, der zweifellos der sozialen Oberschicht entstammte, ist für die Zeit noch außer- ordentlich selten und soziologisch anspruchsvoll. Die Zugehörigkeit des Trä- gers zur Familie des Grafen Audoin kann darum als sicher gelten. Sie bedeutet, worauf bereits H. Schnyder hingewiesen hat, vermutlich auch einen Sippenzu- sammenhang mit Abt Orrnar-". Nimmt man als Beginn für Audoins Pontifikat ungefähr das Jahr 708 an, dürfte er angesichts des erforderlichen Mindestalters von 30 Jahren schwerlich nach 675/80 geboren gewesen sein. Er müßte dann etwa zur Generation von Graf Audoins Enkeln gehört haben. Somit könnte er am ehesten ein Sohn des Paares Raganloz und Amita und ein Bruder Radulfs gewesen sein. In deren Generation fehlt ja bisher für uns dieser nach der Regel sonst zu erwartende Großvatername, der zu den Leitnamen der Familie gehört. Bischof Audoin findet sich für uns fernab seiner alemannischen Diözese im Jahr 709 als Käufer zweier Dörfer im Gebiet von Rouen an der unteren Seine. Dort hatte ja bis 684 sein Verwandter Dado/Audoin das Bistum innegehabt, so daß man in dessen Umkreis auch mit älterem privatem Besitz der Audoinsippe rech- nen darf. Zu diesem Altbesitz erwarb der Konstanzer Bischof nun offenbar im Jahr 709 Stücke hinzu-", Der Käufer selbst wird in der Urkunde zwar nur als Audoinus clericus bezeichnet. Daß ein Bischofstitel durch den einfachen Kleri- kertitel ersetzt wird, wäre aber nichts Ungewöhnliches; möglicherweise lag der Kauf auch noch vor Audoins Erhebung auf den Konstanzer Bischofsstuhl. Daß die Urkunde vor dem König durch dessen Pfalzgrafen errichtet wurde, weist deutlich auf den hohen sozialen Rang der Vertragsparteien hin. Auffallend ist auch der Verkäufer, ein Vornehmer namens Leodefrid, der die beiden Dörfer Childriciaecas und Taxmedas mit den darin wohnenden Hörigen von seinen verstorbenen Eltern Godfrid und Ragamberta geerbt hatte. Angesichts der schon erschlossenen Familienzusammenhänge haben wir keine Bedenken, den zur Zeit des Verkaufes (709 April 8) schon nicht mehr lebenden Vater des Verkäu- fers mit dem alemannischen Herzog Gotfrid und den Verkäufer selbst mit

231 TW Nr. 228. - E bl in g (wie Anm. 21), S. 242. Vgl, auch oben Anm. 33. 232 Ewig (wieAnm. 79), S. 216. 233 Regesta Episcoporum Constantiensium, bearb. v. P. La d ewi g u. Th. M ü lie r (Innsbruck 1895), Bd. I, Nr. 22, 23. 234 Schnyder (wieAnm.3),S.63f. 235 MOH, DMerov. Nr. 76, S. 68. Die Sippe des Grafen AudoinlOtwin 57

Gotfrids Sohn Liutfrid zu identifizieren-", Zugleich erfahren wir damit den Namen von Gotfrids bisher unbekannter Frau, RagambertaJReginberta. Das Rechtsgeschäft wurde vor König Childebert Ill. im Kreis seiner Vornehmen bei einem Gerichtstag im Palast von Crecy-en-Ponthieu (Dep. Somme) vorgenom- men. Der einzige dabei namentlich genannte Große ist der mit Amtstitel und vir illuster-Prädikat herausgehobene Comes palatii Bertoaldus, dessen Name im übrigen wieder an Bezüge zu den späteren Bertolden der alemannischen Baar wie etwa den an Ebringen bis 793 mitbeteiligten Grafen Peratold denken läßt-'". Zu erwägen ist, ob der 709 als Pfalzgraf in Crecy tätige Bertoald personengleich ist mit jenem Grafen Bertold, der 724 zusammen mit dem alemannischen Her- zog Lantfrid Empfänger des Herrscherdiploms war, durch das die Schenkung der Insel Reichenau an Abt Pirmin verfügt wurde-", Sowohl bei Liutfrid und dem Kleriker Audoin als auch bei dem Grafen Bertoald - wenn auch bei letzte- rem erst später belegt - käme man dann auf Verbindungen zu Alemannien. Der Graf BertoId der Urkunde von 724 war, wie sich mit Gewißheit sagen läßt, Ver- walter von Königsgut am westlichen Bodensee. Vorstellbar wäre, daß er im Zuge der politischen Neuordnung aus austrasischen Hofkreisen nach Aleman- nien berufen wurde. Umstritten ist die Frage, ob er auch als Namengeber der seit etwa 763 belegten Bertoldsbaar angesehen werden darf; zumindest aber scheint er mit diesem Namengeber nahe verwandt gewesen zu sein. Enge Ver- bindungen werden ebenso zwischen dem Grafen Bertold von 724 und dem ale- mannischen Herzogshaus vermutet-". Ein Verwandter des Pfalzgrafen von 709 könnte jener etwas ältere vir illuster BertoId gewesen sein, der nach 690 im Ge- biet von Rouen Familienbesitz an die Abtei St.Wandrille geschenkt hatte und zusammen mit seinem Bruder Radamast in diesen Konvent eingetreten war240• Wenn man in Bischof Audoin einen Sohn des RaganlozlReginleod sieht, ist eine Verbindung zur Familie Herzog Gotfrids über Reginberta vorstellbar. Zum einen könnten nach der gemeinsamen Stammsilbe Regin- bei Audoins Vater und der wohl generationsgleichen Mutter Liutfrids beide verwandt gewesen sein. Bischof Audoin von Konstanz und Liutfrid, der Sohn Gotfrids, wären unter die- ser Annahme ebenfalls miteinander verwandt gewesen. Audoins Gütererwerb von 709 im Gebiet von Rouen könnte dann auch als Interessenausgleich zwi- schen Verwandten nach dem Tod Herzog Gotfrids verstanden werden. Er ent- hüllt zugleich, daß die Beziehungen der Authar-/ Audoinfamilie zu ihrem west- fränkischen Ausgangsgebiet im Umkreis von Paris zu Beginn des 8. Jahrhun-

236 Zu Herzog Gotfrids Sohn Liutfrid vg!. E. Z ö II ne r, Die Herkunft der Agilulfinger, in: MIÖG. 59 (1951) S. 257 f.; Neuabdr. in: Zur Geschichte der Bayern, hg. v. Karl Bosl (Dannstadt 1965), S. 107 ff. (125 f.). - K. A. Eck hard t, Merowingerblut 1. Die Karolinger u. ihre Frauen (Witzenhausen 1965), S. 71 f.; dazu auch S eh nyd er (wie Anm. 3), S. 245.

237 Zu dem Grafen Bertold von 724 und zur Literatur vg!. Bo r g o l te (wie Anm. 124), S. 69 f. 238 Ebd., S. 70.

239 Vg\. Ebling (wieAnm. 21), S. 83.

240 Ebd. 58 Eberhard Dobler derts noch nicht völlig gelöst waren. Es ist vorstellbar. daß in diesem Bereich vor allem Liutfrid die Interessen der alemannischen Herzogsfamilie wahrte und vielleicht dortiges Familienerbe allein angetreten hatte. Das könnte wiederum mit eine Erklärung dafür sein, weshalb dieser Herzogssohn in Alemannien selbst nicht erscheint, so daß seine Existenz von einem Teil der Forschung auch schon in Frage gestellt wurde>'. Eine Nähe der Audoinsippe zur alemannischen Herzogsfamilie läßt sich zum anderen auch aus der Ebringer Urkunde von 716120erkennen. Bei ihrer Errich- tung hat ja Raganloz/Reginleod, über den die Verbindung zu Gotfrids Gemahlin Reginberta gelaufen sein dürfte, als Zeuge mitgewirkt. Die Urkunde nennt sodann an dritter und vierter Stelle einen Wicar und einen Teutar (II). letzterer mit dem gleichen Namen wie der eine von Sigoins (Il) mitanwesenden Söhnen (Teutar I). Jener Zeuge Teutar (11) läßt sich anscheinend wiedererkennen in einem DudariuslDuhtari, der 752 an S1. Gallen Besitz zu beiden Seiten des Rheinknies bei Basel überläßt. Diesen Besitz hatten ihm sein verstorbener Vater Willaarius und sein in der Urkunde nicht namentlich benannter Bruder als Erbe hinterlassen'<. Der Kern des Schenkgutes lag in Nollingen beim heutigen (Badisch- )Rheinfelden und auf der gegenüberliegenden Rheinseite bei Kaiser- augst. Für Wilhelm Schneider-" ist dieser Besitz der ..letzte. abseits gelegene. kümmerliche Rest" einer früheren herzoglichen Großgrundherrschaft um Bin- zen und Rümmingen, deren Hauptteil schon nach dem letzten alemannischen Aufstand um 746 vom fränkischen Fiskus eingezogen worden war. Zu jener weitläufigen herzoglichen Grundherrschaft gehörte nach Schneider auch die Siedlung Tohtarinchova (heute Lörrach I Tumringen). deren Namen auf einen älteren Duhtari (= Teutar) zurückverweist. Der Schenker Duhtari von 752 hatte hier - am wahrscheinlichsten durch familiäre Erbgänge erworben - einstmals herzogliches Gut inne, und auf einer früheren Stufe dürfte hier schon einmal ein Dudar (Teutar) als namengebender Besitzer gestanden haben. Der Duhtari von 752 ist wohl nicht lange nach seiner Schenkung gestorben. Denn ein Wachar, der bei dieser Gelegenheit als filius Teotgero condam bezeichnet wird. schenkt zwischen 760 und 782 in Biesingen (bei Donaueschingen) auf der Bertoldsbaar vom Vater ererbten Grundbesitz an St. Gallen. allein mit Ausnahme des Leib- gedings seiner Gattin waldrada>'. Im Jahr 761 wiederum gibt ein Hungaer, ebenfalls alsfilius Teutgaeri bezeichnet. Besitz in Liptingen bei Tuttlingen, den

241 Vgl, Anm. 236. 242 SGUB I, Nr. 15; dazu Nachtrag Bd. 2, Nr. 16, wo auch ein (jüngerer) Williheri unter den Zeugen. 243 W. Sc h n e i d er, Die Urform des Ortsnamens Tumringen u. die frühma. Grundherrschaft Binzen - Rümmingen, in: Arbeiten zu alam. Frühgesch., Heft I (Tübingen 1975), S. I ff. 244 SGUB 2, Anhang I, Nr. 25; dazu Bor goi t e (wie Anm. 2), S. 452. Wa r t m ann hatte für die Urkunde die Datierung ..Nov. 759 - Juli 760" vorgeschlagen. - Zu der Annahme, daß der Schenker Wachar ein Enkel des Willihar war, paßt die Beobachtung, daß sich nordwestlich von dem Dotationsort Biesingen ein Weilersbach (b. Villingen - Sehwenningen) findet, in dessen Bezeichnung der Personenname Willihari steckt; Schnyder (wie Anm. 3), S. 54 f., erinnert dabei an den Alemannenherzog zu Beginn des 8. Jh. Die Sippe des Grafen Audoin/Otwin 59

ihm sein verstorbener Vater hinterlassen hatte=". Wachar und Hungaer waren mithin Söhne eines sowohl im Breisgau als auf der Baar begüterten Teutgaer (= Teutar), der vor 761 gestorben war. Auch auf der Baar ist für die ältere Zeit ausgedehntes Herzogsgut anzunehmen, das später zu Königs- oder Adelsgut 246 geworden ist • Der Schenker Duhtari von 752 erwähnt außer seinem Vater Wil- laarius, noch - ohne Namen - einen vor diesem Zeitpunkt verstorbenen Bruder, von dem er einen Teil des geschenkten Guts am Hochrhein geerbt hatte. Dieser vorverstorbene Bruder hatte demnach, so darf man aus der Angabe schließen, wohl keine eigenen Söhne als Besitzerben hinterlassen. Es steht u. E. nichts im Weg, den Duhtari von 752 sowie seinen damals schon verstorbenen Bruder mit dem 716/20 bei Erloin vermerkten Zeugenpaar Wicar und Teutar (11) zu identi- fizieren. TeutarIDuhtari hat dann wieder einen seiner Söhne - Wachar - in An- klang an den Namen seines Bruders benannt. Vater der beiden Brüder und ihr unmittelbare Besitzvorgänger für das 752 verschenkte Gut - nach Wilhelm Schneider vormaliges Herzogsgut - war, wie gesagt, ein Willaarius. Der Name bringt den Alemannenherzog Willehar in den Blick, gegen den die Franken in den Jahren 709 bis 712 mehrmals in der Ortenau zu Feld gezogen waren>? und der ein Sohn des Alemannenherzogs Gotfrid (t 709) gewesen sein dürfte>", Willehars früheste Spur führt wieder nach Weißenburg. Bei einer großen Schen- kung der aus vornehmster Familie kommenden jugendlichen Waisen Hildifrid, Managold und Waldswind, Kinder eines Bodegisel und Enkel eines Reginfrid, trifft sich 693/94 eine Zeugengruppe, in der beieinander die Namen Uuillihar, Lantfrid; festgehalten sind249• In Lantfrid darf man den späteren alemannischen Herzog (t 730) und Sohn Gotfrids sehen, in Willehari einen wohl etwas älteren 250 Bruder • Für beide Herzogssöhne läßt der Vorgang von 693/94 eine familiäre Nähe zu dem damaligen Abt Ratfrid ebenso vermuten wie zu der Familie der Tradenten. Im Jahr 696 bezeugen Willihar und Landfrid sodann die Schenkung eines Asulf an das Kloster, die den Gesamtbesitz des Schenkers in Görsdorf (sw Weißenburg) zum Inhalt hatte>'. Zwei Weißenburger Urkunden von 699 (Mai

24S SGUB 1, Nr. 30.

246 Dazu M. B 0 rgolte, Das Königtum am oberen Neckar (8.-11. Jh.), in: Zwischen Schwarz- wald und Schwäbischer Alb, Das Land am oberen Neckar, hg. v. F. QuarthaI (Sigmaringen 1984), S. 67 ff. (92).

247 Die Quellen zusammengestellt bei Be h r (wie Anm. 1), S. 177 ff. 248 Eckardt (wie Anm. 236), S. 65 ff. - Nach der Ansicht von Schnyder (wie Anm. 3), S. 287, die wir auch im Hinblick auf die Altersverhältnisse nicht teilen, wäre WiIlihari dagegen ein Bruder Gotfrids gewesen.

249 TW Nr. 38. - Zum politischen Hintergrund der Rechtshandlung siehe die Vorbemerkungen von Doll (wie Anm. 16, S. 219) zur Urkunde.

250 Dazu Eckha rdt (wie Anm. 236), S. 65 ff. - I. Ja rn ut, Untersuchungen zu den fränkisch- alem. Beziehungen in der 1. Hälfte des 8. Jh., in: Schweiz. Ztschr. f. Gesch. 30 (1980), S. 7 ff. 251 TW Nr. 43. - Der seltene Name Asulf kommt im 8. Jh. wieder bei Alaholfingern der Baar vor; vg!. Borgolte (wie Anm. 8), S. 305. Die Alaholfinger gelten, obwohl es keinen genealo- gischen Nachweis dazu gibt, als Erben der alemannischen Herzöge; dazu Borg 0 I t e (wie Anm. 246), S. 91 Anm. 143. - Ferner Karl S. Bad er, Zum Problem der alemannischen Baaren, in: ZGO 93 (1941), S. 423, 450. 60 Eberhard Dobler

1) wiederum, die Schenkungen der Gundoinfamilie verbriefen. erwähnen als letzten Zeugen einen Heranwachsenden (adulescens) Wachar-". Als adulescens hatte jener Wachar das fränkische Mündigkeitsalter von 15 Jahren noch nicht erreicht. Eine Beiziehung Minderjähriger zu Rechtsgeschäften aber ist unge- wöhnlich. Wenn Wachar trotzdem zu der wichtigen Beurkundung als Zeuge gebeten wurde, ist dies neben seiner persönlichen Zugehörigkeit zu dem han- delnden Verwandtschaftskreis am ehesten aus einer herausgehobenen Abkunft zu verstehen. Unter den zahlreichen, älteren Zeugen findet sich hier beidemale der Mönch Weroald, der Sohn Graf Audoins, aber auch ReginbodolReginleoz. Das ist ein Teil des Verwandtenkreises, aus dem wieder der ..Ebringer" Erloin kommt. Wir halten es aus der Zusammenschau dieser Urkunden für zulässig, den 699 noch nicht volljährigen Wachar mit dem Sohn des nachmaligen Her- zogs Willihar und - trotz der abweichenden Schreibform - zugleich mit dem Ebringer Zeugen Wichar von 716/20 zu identifizieren. Daß sein Bruder Teutar (11) dann einen seiner Söhne wieder Wachar (11) nennt, bestärkt diese An- nahme-", In Ebringen trifft Wachar/Wichar erneut mit Raganloz (Reginleoz) zusammen, mit dem er schon 699 in Weißenburg auftritt. Ein gemeinsamer ver- wandtschaftlicher Schnittpunkt dürfte in dem Personenkreis zu suchen sein, den die Weißenburger Urkunde von 693/94 anspricht: Hier zeichnen sich anschei- nend Verbindungen zwischen der Familie BodegiseIs und Reginfrids sowie des Weißenburger Abtes Ratfrid, ebenso aber auch zu der alemannischen Herzogs- sippe und der Familie des Reginleoz ab.

252 TW Nr. 223. 205. 252.

253 Die Namen Wachar (Wacho) und Wichar sind in der Regel nicht identisch. Bei der Urkunde von 716/20 ist freilich im Hinblick auf ihre ungenaue abschriftliche Überlieferung - ebenso wie bei Erfoin statt richtig Erloin - auch ein Übertragungsfehler des Kopisten vorstellbar.