ATTENDORN - GESTERN UND HEUTE AUTOREN DIESER AUSGABE: Mitteilungsblatt des Vereins für Orts- und Hei- Wilhelm Drüeke, Südwall 62, 57439 Attendorn matkunde Attendorn e.V. für Geschichte und Josef Duwe, Repetalstr. 168, 57439 Attendorn Heimatpflege Josef Hormes, Kampstr. 4, 57439 Attendorn Gertrud Junker, Bamenohler Str. 222, 57413 HERAUSGEBER: Verein für Orts- und Hei- matkunde Attendorn e.V., Hansastr. 4, 57439 Ludwig Korte, Westwall 35, 57439 Attendorn Attendorn Albert Schnepper, Talstr. 33, 57439 Attendorn Haymo Wimmershof, Wiesenweg 3, 57462 REDAKTION: Birgit C. Haberhauer-Kuschel, -Eichhagen Wesetalstr. 90, 57439 Attendorn, Tel. 02722- Dieses Jahresheft erscheint im Dezember 7473, Fax 02722-639729, Mail: kuschel@t- 2004 und trägt die Nr. 27. online.de

DUCK: Frey Print & Media, Bieketurmstr. 2, ANSPRECHPARTNER FÜR ALLE BELANGE 57439 Attendorn DER HEIMATPFLEGE IN ATTENDORN UND UMGEBUNG: Erscheint in zwangloser Reihenfolge. Alle Rechte vorbehalten, auch des auszugsweisen Verein für Orts- und Heimatkunde Attendorn Nachdrucks. Bezugspreis im Jahresbeitrag e.V., Hansastr. 4, 57439 Attendorn [2004: 15,- Euro für Einzelmitglieder/5,- Euro Sprechstunde: Montags 18.00-20.00 Uhr für Ehegatten] inbegriffen. Für namentlich ge- kennzeichnete Beiträge sind die Verfasser Ortsheimatpflegerin für Attendorn: persönlich verantwortlich. Birgit C. Haberhauer-Kuschel, s.o. Sprechstunde: 4. Samstag im Monat, 10.00- 12.00 Uhr im Südsauerlandmuseum VORSTAND DES VEREINS (Stand Dezember 2004): Ortsheimatpfleger für Mecklinghausen: 1.Vors.: Reinhard König, Gartenweg 7, Atten- Albert Schnepper, Talstr. 33, 57439 A.- dorn, Tel. 02722-54905 Mecklinghausen, Tel. 02722-8244 2.Vors.: Christoph Sasse, Hofestatt 15, Atten- dorn, Tel. 02722-3267 Ortsheimatpfleger für Neuenhof: Schriftf.: Christine Haberhauer, Wesetalstr. 90, Werner Huckestein, Am Baukhan 21, 57439 Attendorn, Tel. 02722-7473 A.-Neuenhof, Tel. 02722-54240 Schatzm.: Karl-Hermann Ernst, Am Riedesel 3a, Attendorn, Tel. 02722-2365 Ortsheimatpfleger für Neu-Listernohl: Beirat: Ludwig Müller, s.o. Brigitte Flusche, Hofestatt 13, Attendorn, Tel. 02722-3550 Birgit C. Haberhauer-Kuschel, s.o. INHALT Peter Höffer, Auf dem Arnsbeul 15, Attendorn, Tel. 02722-4271/3711 Markus Kaufmann, Himrichweg 3, Attendorn, Impressum und Inhalt 2 Tel. 02722-50981 Zeitgeschichte vor 25 Jahren: Die Marcus Maiworm, Am Stürzenberg 14, Atten- Schließung der belgischen Garnison dorn, Tel. 02722-2629 Ludwig Müller, Schillerstr. 7, Attendorn, Tel. Attendorn 3 02722-7409 Josef Viegener - Bernadette Schmidt-Homberg, Johann-Metz- Küster der Pfarrkirche 23 Str. 5, Attendorn, Tel. 02722-4522 Von Attendorner Hanseaten - Altbe- Ulrich Selter, Münchener Str. 90, Attendorn, kanntes neu betrachtet 25 Tel. 02722-929530 Andrea Steineke, Nordwall 21, Attendorn, Tel. Die Mühle in Mecklinghausen 30 02722-3388 Hellen wiu et domols wor 36 Dieter Thys, Mindener Str. 10, Attendorn, Tel. Aus meinem Leben - Teil 2 41 02722-54196 Der Störtenberg 48

Titelabbildung: Attendorn, Stürzenberg-Steinbruch: Stromatopore, angeschliffen; Höhe 102 mm

- 2 - Zeitgeschichte vor 25 Jahren: Die Schließung der belgischen Garnison Attendorn

Von Haymo Wimmershof

In Attendorn waren von 1946 bis1980 Einheiten der BSD (Belgische Streitkräfte Deutschland) stationiert. 2005 jährt sich zum 25. Mal das Ende dieses kaum bekann- ten Abschnitts unserer Zeitgeschichte.

Die Geschichte der BSD

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Innerhalb der Britischen Zone bekam Belgien zur Stationierung von Truppen auf deutschem Gebiet einen Sektor zugesprochen. Dieser reichte von Köln bis Bonn und von Aachen bis Soest/Siegen und wurde dann noch bis Kassel erweitert. Um 1946 begann die Stationierung erster Einheiten der FBO (Forces Belges d'occupation), später umbenannt in FBA (Forces Belgique d’Allemagne). An vielen Standorten wie z.B. Siegen und Lüdenscheid wurde die vorhandene Mili- tärinfrastruktur bzw. Gebäude der ehemaligen deutschen Wehrmacht genutzt oder ausgebaut. Im Laufe der Zeit schlossen sich soziale Einrichtungen, Kindergärten, Schulen, Einkaufsläden für die Versorgung an. Freizeiteinrichtungen wie Sportverei- ne bildeten sich in den Garnisonsstädten. In der "Zehnten belgischen Provinz", wie dieser aus 18 Standorten bestehende Sek- tor in Deutschland auch genannt wurde, waren rund 70.000 Wehrpflichtige, Soldaten auf Zeit, Berufssoldaten und Verwaltungspersonal mit ihren Angehörigen stationiert. Belgien hatte schon im März 1948, zusammen mit Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg den Brüsseler Vertrag ge- schlossen. Aus diesem Vertei- digungsbündnis wurde dann im April 1949 der Nordatlan- tikpakt, die NATO. Mit den Pariser Verträgen von 1952/53 regelten die West- mächte ihr Verhältnis zur Bun- desrepublik Deutschland neu und beendeten damit die Be- satzungszeit. Grundlage für den Aufenthalt ihrer Truppen und der anderen NATO- Mitglieder wurde der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, welcher am 5. Mai 1955 in Kraft trat. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 und der Veränderung des sicherheitspolitischen Umfeldes, ergaben sich auch für die belgischen Streitkräf- te im Heimatland und in Deutschland weitreichende Strukturveränderungen. Durch die Vier-Mächte-Erklärung über die Suspendierung ihrer Rechte und Verantwortlich- keiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes, wurden für deren Aufenthalt neue Abkommen geschlossen.

- 3 - Belgien entschloss sich 1993 und dann nochmals 1997 zu einschneidenden struktu- rellen Veränderungen seiner Streitkräfte. U.a. endete die seit 1913 bestehende Wehrpflicht zum 1.3.1995. Der größte Teil der in Deutschland stationierten Verbände wurde entweder nach Belgien verlegt, mit anderen Verbänden zusammengefasst oder aufgelöst. Das Zivilpersonal und die Familienangehörigen kehrten ebenfalls nach Belgien zurück. Waren 1992 noch rund 25.400 Soldaten in Nordrhein Westfalen in den Garnisonen, sind es 1996 nur noch 3.420 und 2002 nicht einmal mehr 2.000. Zivile Arbeitnehmer nach deutschem Arbeitsrecht gab es kaum noch. Im Rahmen des Modernisierungsplans 2000 - 2015 restrukturierte Belgien seine Streitkräfte. Für die seinerzeit noch in Deutschland stationierten Truppenteile bedeu- tet die Streitkräftereform die Auflösung der beiden letzten belgischen Standorte Spich und Altenrath bei Troisdorf. Die belgischen Schulen, Einkaufsläden, Clubs und sons- tigen Einrichtungen schlossen zum 31. August 2003. Letzter Militärstützpunkt bleibt das Camp Vogelsang, eine ehemalige Ordensburg aus der NS Zeit, in der Eifel. Es wird Ende 2005 an den Bund übergeben und zum Nationalpark umgewandelt. Damit gehen sechzig Jahre belgischer Truppengeschich- te in Deutschland endgültig zu Ende. Bundespräsident Johannes Rau und König Albert II von Belgien und die beiden Ver- teidigungsminister André Flauhaut und Rudolf Scharping verabschiedeten am 7. Juni 2002 in Troisdorf die noch in Deutschland verbliebenen Verbände.

Das 1. belgische Korps

Die nach Ende des 2. Weltkrieges in Deutschland stationierten belgischen Einheiten unterstanden dem 1. belgischen Armeekorps.

Das 1. Korps wurde ursprünglich 1870 während des deutsch-französischen Krieges aufgestellt und zwi- schen 1892 und 1923 als einzelne Armeedivisionen geführt. Von diesen nahm die 1. Division an den Kämpfen an der Yser im 1. Weltkrieg teil. Nach dem 1. Weltkrieg beteiligte sich die 1. Division an der Be- setzung Deutschlands. Das Hauptquartier befand sich zuerst in Gent, dann in Geldern, Krefeld, ab 3.1.1920 wieder in Gent und ab 1925 in Brüssel. Zwischenzeit- lich, 1923, wurde die alte Kommandostruktur eines Armeekorps wieder aufgenom- men. Zu Beginn des 2.Weltkrieges bestand das 1. Korps aus der 4. und 7. Infanteriedivisi- on. Das Einsatzgebiet war die Verteidigungslinie am Albertkanal zwischen Hasselt und Eben Emael. Nach schweren Kämpfen mit der deutschen Wehrmacht im Mai 1940 erfolgte die Verlegung hinter die Gete. Am 15.Mai wurde die 4. Division dem 3. Armeekorps unterstellt, mit Einsatzgebiet hinter dem Kanal von Willeboek. Von der 7. Division blieben nur noch Reste übrig, die später nach Frankreich zogen. Das 1. Korps bildete dann mit anderen Einheiten eine Frontlinie zwischen Dadizele und Wervik, später im Gebiet Roeselare - Menen bis zur belgischen Kapitulation am 28.5.1940.

- 4 - Die Nachkriegszeit

Nach dem 2. Weltkrieg, am 25. Oktober 1946, ließ sich das am 3. Januar 1946 neu gegründete Hauptquartier des 1. belgischen Armeekorps der FBO (Forces Belges d'occupation) in Lüdenscheid nieder. 1949 zog das Hauptquartier nach Weiden bei Köln um. Nach einigen Umgliederungen bestand das 1. Korps 1952 aus drei Divisio- nen (1., 4. und 16. Division). Der kommandierende General des 1. Korps war gleichzeitig auch Oberbefehlshaber der Belgischen Streitkräfte in Deutschland. Mit Gründung der NATO wurde das Gebiet der BSD auf den Untersektor Kassel bis 1969 ausgeweitet, Anfang der 60 Jahre erfolgte im Rahmen des Ausbaues der NIKE- HERCULES-Raketen-Geschwader eine nochmalige Vergrößerung des Bereichs in Richtung Blankenheim bis Erle.

1956 wurde das 1. Korps auf zwei Divisionen reduziert (1. Infanteriedivision und 16. Panzerdivision). 1960 erfolgte die Umorganisation dieser Einheiten in mechanisierte Divisionen zu je zwei Panzergrenadierbrigaden und einer Panzerbrigade. Anfang der siebziger Jahre wurde die 1. Division nach und nach aus der BRD abge- zogen und im Osten Belgiens stationiert.

Ab 1990 nach der Wende im Osten wurde der größte Teil der in Deutschland verblie- benen Verbände des 1. Korps nach Belgien verlegt, oder mit anderen Einheiten zu- sammengefasst. Das 1. Korps bestand dann als solches nicht mehr, wurde zur Interventionsmacht und umbenannt zur Operationellen Führung des Heeres (Ops Comdo LM), darunter die neu formierte 1. Mechanisierte Division. Die Stäbe der Staffeln zogen im September 1996 nach Belgien um und das Kom- mando der belgischen Streitkräfte in Deutschland wurde dem Kommandeur der 17. Mechanisierten Brigade übertragen. Die Brigade, zwei Divisionsverbände, eine Kompanie der Fallschirmjägerbrigade und verschiedene standorteigene Verbände blieben als einzige in Spich-Altenrath. Am 7.6.2002 erfolgte die offizielle Verabschiedung durch Bundespräsident Johannes Rau, die letzten Einheiten aus Spich werden bis Ende 2004 abgezogen.

Das 1. Belgische Korps bestand um 1970 aus:

Kommando 1. Division 16. Division

Die 1. Division bestand aus:

1. Panzergrenadier-Brigade 7. Panzergrenadier-Brigade (12. Panzergrenadier-Brigade bei Mobilmachung)

Die 16. Division bestand aus:

4. Panzergrenadier-Brigade 17. Panzer-Brigade (10. Panzergrenadier-Brigade bei Mobilmachung)

- 5 - Eine Brigade bestand aus: einer Stabskompanie zwei Panzergrenadierbataillonen ein oder zwei Panzerbataillonen einem Feldartilleriebataillon einer Panzerabwehr-Kompanie einer Pionierkompanie einer Sanitätskompanie eigenen logistischen Einheiten wie Instandsetzung, Nachschub und Transport

Logistische Einheiten wie die 101 Cie des 18. Bn Log unterstanden direkt dem Kommando des 1. Korps. Dies erklärt, warum die Attendorner Einheit als Ärmelabzeichen und an Fahrzeugen das rote Wappen des 1.Korps führte. Im Gegensatz dazu trugen die Siegener Einhei- ten mit ihrem dortigen Stab der 17. Brigade das rot/weiße Wappen der 16. Division.

Im Kreis Olpe gab es in diesem Zusammen- hang zwei Standorte, einen in Attendorn 1946 bis 1980, und ein Treibstoffdepot auf der Griesemert bei Olpe, genannt NATO- Lager, von 1969 bis 1991. Stationiert war dort eine Versorgungseinheit, die 101 Cie RAV (101 Compagnie Ravitaille- ring ) deren Aufgabe die Belieferung der in der Nähe liegenden anderen belgischen Gar- nisonen, hauptsächlich Lüdenscheid und Siegen mit Lebensmitteln, Ausrüstung und Treibstoff war. Einige ehemalige Militärangehörige heirate- ten hier und blieben nach dem Abzug im Kreis Olpe, speziell in Attendorn.

Heute, im Jahr 2004, ist es schwierig, noch Angaben über diese Zeit zu bekommen. Es handelte sich um eine kleine Einheit von ca. 100 Mann (Attendorn war die kleinste belgische Garnison der BSD), die 1980 nach Lüdenscheid und von dort 1994 zurück nach Belgien verlegt wurde. Bei einem Besuch beim 18. Logistischen Bataillon in Leopoldsburg, Belgien im Juni 2002 stellte sich heraus, dass die Einheit selbst kaum über Angaben ihrer Zeit in Deutschland, speziell im Kreis Olpe verfügt, zumal dort im Laufe der Zeit mehrere Umorganisationen stattgefunden haben.

Anders als in den großen Garnisonen, in denen zum Teil eine entsprechende Infra- struktur vorhanden war, musste in Attendorn in den ersten Jahren improvisiert wer- den. Dazu gehörte die Beschlagnahme von Firmengebäuden und Privathäusern zur Unterbringung der belgischen Soldaten. Erst 1956 wurde die neu gebaute kleine Kaserne am Heggener Weg bezugsfertig.

- 6 - Kurzchronologie

1946 Ablösung der englischen Besatzung durch belgische Einheiten

Einrichtungen in Attendorn:

1. Biggen Depot 2. Hüttenwerke Siegerland Depot 3. Bahnhofstr. Kanisterlager 4. Sonnenschule Feuerteich Transportfahrzeuge 5. Villa Sohler Logistik Transport 6. Villa Isphording Logistik Material 7. Villa Bender Offiziers- und Unteroffiziersheim ab 9.4.1963 Kaserne Heggener Weg (1956 bezugsfertig) (1980 geschlossen) Depot Biggen (1980 geschlossen) 8 Wohnungen für BSD Angehörige ab 3.4.1969 Schule in Hülschotten (1980 geschlossen) ab 31.1.1969 Treibstoffdepot Olpe-Rotherstein (1991 geschlossen)

Ferner war in Biggen von 1961 bis 1969 die Abteilung Aéro I des belgischen Ar- meewetterdienstes -METEO- stationiert, der seine Berichte täglich zum Standort Köln schickte. Die belgischen Soldaten des Standortes Attendorn organisierten regelmäßig Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen mit der einheimischen Bevölkerung und halfen auch in Notfällen bei Ereignissen wie z.B. bei der Überschwemmung in Attendorn 1965. Es bestanden ferner gute Beziehungen zu der Bundeswehrkaserne in Oedingen. An Lehrgänge des Luftsportclubs Attendorn wurde regelmäßig Essen geliefert, wes- halb dann die Soldaten zu den Abschlussfeiern eingeladen wurden.

Am 24.10.1970 ereignete sich ein tragischer Unfall, bei dem drei 18- bis 19jährige Wehrpflichtige tödlich verunglückten. Sie waren auf dem Weg vom Depot Olpe nach Attendorn mit ihrem LKW an der Talbrücke beim Sonderner Kopf von der Straße abgekommen und in den gestürzt.

1980 wurde der Standort aufgelöst. Das Treibstoffdepot in Olpe be- stand weiter bis zum 15.12.1991, der Stab der Einheit befand sich in diesen 11 Jahren in Lüdenscheid. Am 5.9.1980 fand eine Parade von ca.100 Soldaten der 101 CIE RAV in Attendorn statt, bei der dem Bürgermeister die vorher nieder geholte Nationalflagge Belgiens als

- 7 - Abschiedsgeschenk überreicht wurde. Grundstücke und Einrichtungen gingen an das Bundesvermögensamt in Hagen ü- ber. Die 8 Wohnungen wurden später verkauft.

Heute ist in der ehemaligen Kaserne im Heggener Weg ein Jugendzentrum unterge- bracht, das ehemalige Treib- stoffdepot Rotherstein ist 2003 von der Firma AKM Olpe übernommen worden und soll zu einem Entsor- gungszentrum umgebaut werden.

In Biggen war ein Versor- gungsdepot mit Bäckerei in Gebäuden untergebracht, die heute noch stehen. Nach mehrmaligem Besitzwechsel, bzw. Pächterwechsel befindet sich 2004 eine Firma darin. So wurden auch im Laufe der Zeit mehrere neue Hallen angebaut.

Lt. Aussage von Zeitzeugen wurden die Hallen ursprüng- lich als Rüstungsbetrieb (Fa. Imbert) für die Herstellung von Holzgasgeräten für den Betrieb von Wehrmachts- fahrzeugen im 2. Weltkrieg errichtet. Nach dem Krieg zuerst von den Amerikanern, dann von den Engländern beschlagnahmt, übernahm die belgische Armee um 1946 die Gebäude. Eigentü- mer des Grundbesitzes war und ist die Rentmeisterei Baron von Fürstenberg in Herdringen. Bis 1980 unter belgischer Verwaltung, standen die Hallen bis 1983 leer, dann folgte zuerst die Firma Behrend bis 1993/94, danach die Firma Siewer und ab ca. 1999 die Fa. HMT als Be- sitzer bzw. Pächter.

Es existieren nur wenige Veröffentlichungen aus der "belgischen Zeit". So werden hier nachfolgend mehrere Artikel aus dem Korpsjournal und BSD, zwei belgischen Zeitschriften für Militärangehörige wiedergegeben, die ursprünglich in flämischer Sprache verfasst waren. Das sind heute Zeitdokumente, da sie neben einigen Angaben und Daten auch man- ches vom täglichen Ablauf in den Standorten festhalten.

- 8 - Übersetzung aus: Korpsjournal Mai 1978

Eigene Bäckerei

In Attendorn, der kleinsten Garnison der BSD ( 28 Familien, 10 Kinder und zwei Leh- rer in der eigenen Schule ), unterhält das 18 Bn LOG ein Lebensmitteldepot, eine Bäckerei und ein Treibstoffdepot in Olpe. Im Depot Biggen der 101e Compagnie Bevoorrading (101 Cie Rav ) sind enorme Vorräte an Überlebens- und Essensrationen, so genannte 1/1 Rantoenen, und die Lebensmittel des täglichen Gebrauchs gelagert. Ferner werden Kaffee, Bohnen, But- ter u. ä. bevorratet. Die Umschlagmenge betrug voriges Jahr 2.756 Tonnen Lebensmittel, darunter hun- dert LKW Gemüse und Früchte, 52 LKW Eier und 13 LKW Butter. Die Lebensmittel kommen direkt von belgischen Lieferanten zu dem Kl.1 Depot, wo sie gebucht, gelagert und umgeschlagen werden. Die Bäckerei ist mehr als 30 Jahre ein Begriff in Attendorn. Eine Anzahl Soldaten kümmert sich jeden Tag der Woche darum, dass ständig frisches Brot geliefert wird. Die Kapazität beträgt 600 Brote täglich, ferner besteht auch die Ausrüstung als Feld- bäckerei. Voriges Jahr wurden 124.248 Brote gebacken, mit Höhepunkt im September, zum Blue Fox Manöver. Das Kl. 3 Depot Olpe ist gleich mit dem Depot Rüthen und lagert auch gleichartige Treib- stoffe. Die 101 Cie Rav ist ungefähr 130 Mann stark, darunter 60 Wehrpflichtige. Davon sind 30 Soldaten in Olpe stationiert, eine Anzahl beim Stab in Lü- denscheid und einige bei der Kl.2 Abteilung in Lüdenscheid (Kleidung und Ausrüstung). Die 28 belgischen Familien, die in Attendorn wohnen ( es sind acht Militärwohnungen vorhanden, der Rest wohnt zwischen der deutschen Be- völkerung, fünf Familienväter müssen jeden Tag selbst nach Lüdenscheid fahren ), sind natürlich in die BSD Infrastruktur der größeren Garnisonen integriert.

Übersetzung aus: BSD vom 4.9.1980

Die 101 Cie Rav verlässt Attendorn

Ende diesen Jahres soll die Verlegung der 101 Cie Rav vollzogen sein und so hat die Einheit am 5. September mit einer Parade vor dem Rathaus in Attendorn Abschied genommen. Der Höhepunkt war die Einholung der belgischen Flagge vor dem Rathaus. Die Anwesenheit unserer Flagge neben der deutschen Bundesflagge und dem Stadtwap- pen unterstrich die Bedeutung der guten Bande zwischen unseren beiden Völkern.

- 9 - Die Flagge wurde während der Parade durch Oberleutnant Van Houvermeiren der Stadt geschenkt. Um 19 Uhr fand ein Empfang im Rathaus und ein Volksball statt. Mit einem Informati- onsstand nahm die Einheit auch vom 6 bis 7. September an einem histori- schen Markt in der Stadt teil.

Historik der Einheit

Der Standort Attendorn verfügt über sorgfältig beigehaltene lebendige Do- kumentenmappen. Darin werden die Geschehnisse seit der Bombardierung vom 28.März 1945 in Wort und Bild beschrieben. Dieser Luftangriff forderte 180 Opfer unter der Zivilbevölkerung und verwandelte die Stadt in ein Trümmerfeld. Am 10.April 1945 stand eine amerikanische Panzerdivision vor der Stadt und zwang nach 18stündigem Kampf die deutschen Truppen zum Abzug. Aus der Zeit der ame- rikanischen Besatzung, die bis zum 15.Juni 1945 anhielt, stammt ein Foto vom Be- such General Eisenhowers beim seinerzeitigen Stadtkommandanten. Es war dann eine englische Einheit, die die amerikanischen Truppen ablöste und das heutige De- pot installierte. 1946 übernahmen belgische Soldaten unter dem Befehl von Hauptmann Van der Gucht die Einrichtungen von den Briten. 1950 wurde die 101 Cie Kwartiermeester gegründet und die Einrichtung größerer Anlagen begonnen, u. a. der Bau größerer Kühlräume und das Anlegen von elektri- schen Leitungen. Im Dezember 1956 wurde die Kaserne bezugsfertig und in dieser Zeit entstand auch ein Peleton ( Abteilung) Bäckerei der 101 Cie KWM. Am 15. Juni 1961 wurde eine Reorganisation durchgeführt, bei der auch der Armee- wetterdienst METEO der BSD und eine Section Aero in Attendorn stationiert wurde.

Schwerer Auftrag

Die heutige Einheit besteht aus 4 Offizieren, 18 Unteroffizieren und 36 Berufsfreiwilli- gen, darunter einige Frauen, 51 Wehrpflichtigen und 6 zivilen Angestellten. Zur 101 Cie Rav gehört u. a. ein Kl. 1 Depot in Attendorn. Hier werden 200.000 Essensrationen verwaltet, d.h. große Vorräte müssen gelagert und zeitlich aufeinander abgestimmt bearbeitet werden. Die Abteilung ist auch für die Le- bensmittelversorgung der Garniso- nen Siegen und Lüdenscheid ver- antwortlich. Von jeder Bewegung der Ware zivi- ler Lieferanten wie Lebensmittel, Früchte usw. existiert sowohl eine mecanographische, als auch eine manuelle Buchhaltung.

- 10 - Dieser Auftrag ist schwerer als angenommen und verlangt Verlass auf das Personal. Man kann dieses große Warenhaus nicht einfach für ein paar Tage schließen, da die täglich ausgelieferten Lebensmittel ständig bevorratet werden müssen. Außerdem ist das Depot für einen hohen Preis von den deutschen Eigentümern gemietet worden.

Artikel aus: Korpsjournal vom September 1980

Die „Raffers“ von Attendorn

Scheiden tut weh

Im Ebbegebirge, zwischen Siegen und Lüdenscheid liegt Attendorn. Die Stadt gehört zum Kreis Olpe am Biggesee. Sehenswürdigkeiten sind die Tropf- steinhöhle und die Burg Schnellen- berg. Am Rande des Stadtzentrums befindet sich die Kaserne der 101 Compagnie Ravitaillering, zur Zeit unter dem Be- fehl von Oberleutnant Van Hauwer- meiren. Das Gebäude sieht wie ein großes Bürgerhaus aus. Hier befindet sich der Kompaniestab, der 1977 von kam und seit er in Attendorn stationiert war, ein Detachement dieser Kompanie ist.

Blick in die Vergangenheit

Die Geschichte der Garnison: Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in Attendorn verschiedene Gruppen von Ver- sorgungseinheiten stationiert.

Ab 1946 war dies zuerst die 2e Compagnie RASC, 1950 abgelöst von der 101e Com- pagnie Kwartiermeester. Ende 1956 wurde dann auch das Peleton Bäckerei der 110e Compagnie Kwartier- meester nach Attendorn verlegt. Dies wur- de 1960 der 101e Compagnie Ravitaillering angeschlossen. 1970 wurde es als selb- ständiges Peleton aufgelöst und somit in die 101 Cie Rav integriert.

Ferner war von 1961 bis 1969 die Section Aero I des METEO Wetterdienstes mit im Quartier untergebracht.

- 11 - 1969 erfolgte eine Reorganisation der 101 Cie Rav, mit dem Bau des Benzindepots in Olpe kam auch das Peleton Klas III mit dazu. Außerdem waren das Peleton Klas I (Lebensmittel) und eine Section Klas II (Klei- dung) mit in Attendorn.

Der Dienst bei dieser Kom- panie ist kein Vergnügen. Die Logistiker wissen, was Arbeit ist: mechanische Hil- fen werden beinahe nie ge- braucht, so daß es hier vor allem auf Handarbeit an- kommt. Die Magazine vom Peleton Klas I befinden sich im De- pot Biggen. Hier wird die Einteilung der Lebensmittel für Siegen und Lüdenscheid vorgenommen. Viele Le- bensmittel kommen per LKW aus Belgien und durch den Bahnanschluß werden Waggons mit Reserverationen angeliefert. In den Kühl- räumen für Fleisch, Butter und Käse ist Muskelkraft ein Muß. Auch in dem Benzindepot Olpe, auf 520 Meter Höhe ist der Dienst nicht einfach. Das Leben dort ist sehr einsam, weil sich das Depot in einem abgelegenen Gebiet befindet. Selbstverständlich wird die Sicherheit hier großgeschrieben: es gibt zwei Feuerwehr- gebäude, eine solide Umzäunung, Bewachung Tag und Nacht und wöchentliche Brandschutzübungen. Um der Wasserverunreinigung vorzubeugen, ist außerhalb des Depots ein Auffangbecken angelegt worden, worin Benzinreste abgeschieden werden können. Die Section Klas II befindet sich ständig in Lüdenscheid. Die bevorstehende Verlegung ist der Anfang einer ganzen Serie von Veränderungen für die 101 Cie Rav.

Eine neue Bestimmung

Warum wird die 34 Jahre alte Garnison geschlossen? Olt. Houwermeiren nimmt an, dass Anpassungsfehler und die nicht zusammen lie- genden Truppenteile dafür verantwortlich sind. Außerdem wird der Standort Atten- dorn mehr zentralisiert. Die Verlegung nach Lüdenscheid bringt etliche Probleme mit sich. Im Juli-August werden die Militär-Wohnungen frei, die Infrastruktur im Quartier de Leie wird erst im Dezember fertig. Die Berufssoldaten müssen erst eine Zeitlang 45 km fahren, bevor die Kompanie vollständig eingerichtet ist. Die umgebauten Gebäude für das Peleton Klas I und die Sectie Maintenance liegen zusammen, der Stab und die Section Klas II kommen in separate Blöcke. Für das Peleton Klas I sind die Tiefkühlzellen vom Depot Biggen nach Lüdenscheid gebracht und dort installiert worden.

- 12 - In Attendorn wird die Kaserne an den Deutschen Staat übergeben und das Depot Biggen geht zurück an den Eigentümer, den Grafen von Schnellenberg . Die 8 Militärwohnungen in Attendorn Baujahr 1957 werden an das übrig gebliebene Personal übergeben. Im Depot Olpe werden mehr Duschen, eine neue Küche und Zimmer für nicht verhei- ratete Berufsfreiwillige / (Soldaten) eingerichtet Auch an die Entspannung wird gedacht, eine größere Kantine soll den Benzintankern die nötige Zerstreuung bieten.

Die Zukunft auf der Waage

Neue Aufgaben neue Zeiten Das Neue fordert viel auf militärischem Gebiet von der 101 Cie Rav. Die erneuerte Infrastruktur soll die administrative Zeit verkürzen. Auch die Zentralisierung vom Per- sonal ist wichtig, weniger Transportprobleme und eine gut ausgerüstete Maintennce a (Instandsetzung). Lüdenscheid ist auch für die Familien besser. Die Hausfrauen kön- nen im MHK (Militaire Hoofdkantien) Geschäft einkaufen, die Kinder gehen in eine größere Schule, es gibt ein Kino (das in Attendorn wird in Juni diesen Jahres aufge- geben), die Postverbindung geht schneller. Doch gehen die „Raffers“ nicht gerne weg und dafür gibt es bestimmte Gründe. Es besteht keine Bahnverbindung nach Lüdenscheid. Die Lebensmittelversorgung erfolgt mit LKW, was mehr Kontrollpersonal erfordert.

Attendorn war klein aber fein

Die 101 Rav gehört territorial zum Untersektor Siegen und organisatorisch am 18e Btl Log aus Werl. Bei den 22 belgischen Familien sind auch 10 deutsche Angestellte zu finden. Das ist wiedergegeben in dem Fotoalbum „De Belgische Militaire Geschiedenis van Atten- dorn“. Die Kontakte gingen von Fussballspielen mit der örtlichen Polizei über Treffen mit der Feuerwehr bis zu Aktivitäten mit der Bundeswehr in Oedingen. Außerdem half die 101 Cie 1965 bei der Überschwemmung in Attendorn. Am 5.9.1980 findet das offizielle Abschiedsfest auf dem Marktplatz in Attendorn statt. Nach einer großen Parade wird der Kommandowimpel und die belgische Flagge an den Bürgermeister übergeben. Bei den Attendornern wird die Erinnerung an die 140 Belgier lebendig bleiben.

Die Minidorfschule schließt auch

Bereits in Juni1980 wurde die Schule der Garnison Attendorn geschlossen. Sie befand sich im kleinen Hülschot- ten, einem Bauerndorf in 460 Meter Höhe. 1964 gebaut, übernahm der belgische Staat im März 1967 dann die alte Dorfschule von Hülschotten. Voriges Schuljahr waren es noch 6 Kinder in der Grundschule (von 6 bis +- 10J.) und 3 im Kindergarten. Die 3 Kleinkinder haben sich in der belgi-

- 13 - schen Schule wohl gefühlt, sie waren gern mit den anderen Schülern zusammen.

Das Lehrerehepaar, Herr und Frau Winters sorgte für einen guten Unterricht, der beinahe an Privatunterricht grenzte (die Familie hatte auch eigene Kinder in den Klassen). Seit Oktober 1969 unterrichtete die Familie Winters hier.

Übersetzung aus: Korpsjournaal 15.4.1982

Armeeoberkommandierender auf Visite

Am 23 3.1982 war Generalleutnant Gysemberg, Oberkommandiere nder der BSD (OBBSD) an zwei Standorten des 18.Bn.Log zu Besuch, im Kl 3 Depot Olpe und im Munitionsdepot Stillking 2 bei Lüdenscheid. Er wurde begleitet von Oberst Bouving, Chef der Section G4 (Bekleidung) des 1. Korps und Oberst Coenraerds, Kommandant der Section Logistik des 1. Korps.

In Olpe wurde der OBBSD von Bataillonskommandeur Oberstleutnant Tavernier, Hauptmann Degeest, Kommandant der 101 Cie. Rav und Leutnant Ceuterick, De- potskommandant Olpe, begrüßt. Nach einer kurzen Einführung durch Hauptmann Degeest besichtigte der OBBSD Gys emberg das Treibstoffdepot.

Die Aufgabe des Depots, das zur 101 Cie Rav aus Lüdenscheid (Kwartier de Leie), gehört ist u.a. das Einlagern von Treibstoff, der von der 119 Cie Zware Ketelwagens von der Pipeline zum De- pot geliefert wird. Es wird auch Treibstoff und Öl per Bahn und von zivilen Fir- men bezogen. Das Depot versorgt die Einheiten in Lüdenscheid und Siegen mit den notwendigen Treibstoffen und Schmier- mitteln, ferner finden re- gelmäßig Transfers mit anderen Depots der BSD statt.

Neben dem Besuch ka- men auch Belange des Brandschutzes und die Besonderheiten im Winter des hoch- gelegenen Umschlagplatzes zur Sprache, weitere Aufgaben für die 28 Wehrpflichti- gen, 7 Berufssoldaten und Zeitsoldaten, 5 Unteroffiziere und 1 Offizier.

Voriges Jahr wurden im Depot Olpe 1.423.600 Liter Benzin 828.800 Liter Diesel 324.025 Liter Öl umgeschlagen.

In diesem Jahr wurden 347.000 Liter Benzin in Kanister umgefüllt.

- 14 - Von der NATO Pipeline wurden 329.041 Liter Benzin und 498.687 Liter Diesel abge- nommen.

Chronik des Standortes Attendorn

1946 Ablösung der englischen Besatzung durch belgische Einheiten

Januar 1950 – 1956 101 CIE KWM ( 101 Compagnie Kwartiermeester )

1956 – 1957 100 CIE KWM ( 100 Compagnie Kwartiermeester )

1957 – 1960 DET 16 BN QM ( Detachement 16 Bataljon Quartiermeester )

Juli 1960 – 1980 101 CIE RAV ( 101 Compagnie Ravi taillering = Versorgung )

Depot Biggen um 1980 Einrichtungen: um 1956: 1. Depot Biggen 2. Hüttenwerke Siegerland 3. Bahnhofstr. ( Kanisterlager ) 4. Sonnenschule Feuerteich TPT VTGN ( Transportfahrzeuge ) 5. Villa Sohler LOG TP 6. Villa Isphording LOG ENG MAT 7. Villa Bender LOG OFF/OOFF ( Offiziere/Unteroffiziere) ab 9.4.1963 Kaserne Heggener Weg Depot Biggen 8 Wohnungen für BSD Angehörige ab 3.4.1969 Schule in Hülschotten

Funktion:

Kaserne Heggener Weg Unterkunft für ca. 70 Soldaten

- 15 - Depot Biggen Lebensmittellager, Bäckerei und Fahrzeuge Versorgung der BSD Standorte Lüdenscheid und Siegen

Ferner war in Biggen von 1961 bis 1969 die Abteilung Aéro I des belgischen Ar- meewetterdienstes -METEO- stationiert, der seine Berichte täglich zum Standort Köln schickte.

Das am 31.1.1969 eröffnete Treibstoffdepot Olpe-Rotherstein gehörte ebenfalls zur 101 CIE RAV. Der Kompaniestab befand sich in Lüdenscheid. Einige Angehörige des Standortes Attendorn sind nach dessen Schließung 1980 zum Depot Olpe-Rotherstein gewechselt.

Depot Olpe-Rotherstein

31.01.1969 Übernahme des Depots durch die 101 Cie KWM RAV (spätere Bezeichnung 101 Cie RAV ) 15.12.1991 Schließung des Depots

Anschrift: 18 BATALJON LOGISTIEK 101 COMPAGNIE RAVITAILLERING Kwartier Olpe – SPB 10 4090 BSD

Aufgabe: Treibstoffversorgung der BSD, in Ausnahmefällen auch der NATO- Partner

Kapazität: 12 Tanks à 50.000 Liter Benzin 8 Tanks à 50.000 Liter Diesel zusammen in 2 Lagerhallen = 1.000.000 Liter

10 Kanisterhallen à 500.000 Liter ( je 10 Blöcke à 2.500 Kanisterà 20 Liter ) = 5.000.000 Liter

- 16 - 1 Halle Ölmagazin, meist in Dosen 1 + 5 Liter (ebenfalls Altöl in 200 Liter Fässern ) = 500.000 Liter

Umschlag: Kanister voll und leer durch 18 – 20 eigene MAN LKW, Manöverkennzeichen 134 auf schwarzem Grund für die 101 CIE RAV. Die zurückkommenden leeren Kanister hatten teilweise noch bis zu 10 % Restinhalt. Dieser wurde dann im Depot mit Kero- sin ausgespült. Bei Bedarf Anforderung von MAGIRUS LKW aus Siegen oder Köln und/oder Fahr- zeugen der 17 CIE RAV TRP aus Ossendorf. Anfuhr und Abfuhr teils über den Bahnhof Olpe. Diesel und Benzin durch MAGIRUS Tankwagen 20.000 Liter mit Anhänger 20.000 Liter der 119 CIE CIT ( Citerne) vom Standort Altenrath, für den Transport von der NATO-Pipeline bei Freudenberg zum Depot Olpe. Im Depot erfolgte auch teils Um- füllung aus 50.000 Liter Tanks per Hand in Kanister.

Besatzung um 1990: 1Offizier (Leutnant) bis ca. 1989 6-7 Unteroffiziere 10 Berufssoldaten 15 Wehrpflichtige 1 Zivilangestellter Büro (Buchhaltung) 3 Zivilangestellte Lager 6 Zivilangestellte Nachtwächter, diese hatten Dienst im Wechsel von 18 bis 8 Uhr, zusammen mit 1 Unteroffizier und 6 Soldaten. Streifendienst mit Hund ( 3 Hunde waren in Zwingern untergebracht ). Bewaffnung: Belgisches Armeegewehr FAL – ungeladen, mit Kle- beband versiegeltes volles Magazin separat. Ausbildung war 1 Monat Lehrgang im Camp Vogelsang, danach regelmäßige Schießübungen im Standort Siegen. Kontrolle der Hundehaltung durch belgische Armeeangehörige.

Unterhaltungsangebot: Belgisches Fernsehen mit eintägiger Verzögerung, da Vorführung per Video, welches erst in Lüdenscheid auf- genommen werden musste.

- 17 - Ferner Sportplatz und Bar.

Stab: Zusammen mit dem Standort Attendorn gehörte die 101 CIE RAV zum 18 Bataljon Logistiek, Kwartier De Leie - SPB 10, 4090 BSD in Lüdenscheid

Verwaltungsdienst in der Attendorner Kaserne 1965

Bataillons- zugehörigkeit: 18 Bn LOG 18 Bataljon Logistiek

bestehend aus: Stab ca. 40 Mann Lüdenscheid 101 CIE RAV ca. 100 Mann Lüdenscheid, Attendorn und Olpe 109 CIE RAV ca. 100 Mann Werl 202 CIE MAT ca. 100 Mann Lüdenscheid-Hellersen 261 CIE MUN ca. 100 Mann Lüdenscheid-Hellersen

Gesamtstärke ca. 450 Mann

gegründet als 16 Bn KWM (Kwartiermeester) in Köln-Niehl am 1.12.1951 umgegliedert in 18 Bn LOG im Jahr 1971

Standorte: Köln-Niehl ab 1.12.1951 Soest 1960 Lüdenscheid ab Okt. 1981

Verlegt nach Leopoldsburg in Belgien im September 1994, hierbei wurde die 101 CIE RAV aufgelöst.

Abzeichen: Kompaniezahl 101 auf den Schulterklappen der Ausgehuni- form, Brusttaschenanhänger 1, 2 oder 3 Form des 18 Bn LOG Schulterschlaufen und Kragenspiegel in den Farben der Logis- tik, Mitte blau und Ränder violett . Es gab Sommeruniformen in hell und Winteruniformen in bräunlich-khaki. Ein eigenes Abzeichen der Kompanie existier- te nur in einer nicht tragbaren Form als Wappenschild.

- 18 - Sonstiges: Es gab in den belgischen Einheiten Offiziere mit bestimmten Funktionen:

S 1 Personal S 2 Sicherheit S 3 Unterricht/Ausbildung S 4 Bekleidung

Dazu gab es eine jeweils vorgesetzte Stelle, welche die Be- zeichnung G 1, G 2, G 3 und G 4 hatte. Als Peloton bezeichnete man eine Kompanie, d.h. ca. 30 Mann. Die Bewaffnung bestand aus dem Gewehr FAL Kaliber.308 NATO, der Maschinenpistole Vigneron Kaliber 9 mm und Pistolen FN GP 35 Kaliber 9 mm. Es existiert ein Wappenschild der 18 Bn LOG mit folgender Aufteilung:

202 CIE MAT 109 CIE RAV 261 CIE MUN 101 CIE RAV 107 PL RAV TPT DET 202 CIE MAT

Funktion des Depots als Übungsziel: Alle 3 Monate wurde ein Übungsangriff auf das Depot und den nahe liegenden Biggedamm mit NATO-Kampfflugzeugen im Tiefflug durchgeführt. Die Ankündigung erfolgte einen Tag vor- her, Zielaufnahme und Auswertung fand per Kamera im Flug- zeug statt. Zeitraum der Übungen ca. 10 Jahre bis Ende der 80er Jahre.

- 19 - Das 18. Bn Log

Das 18. Bataillon Logistiek ging aus dem 18 Bn Kwartiermeester (KwM), welches am 1.12.1951 in Köln Niehl aufgestellt wurde, hervor. Es bestand aus einer Stabskompanie und 7 weiteren Kompanien.

Am 1.1.1957 wurde das Bataillon umorganisiert. Danach bestand es aus: Stabscompagnie 1. Cie Transit 110. Cie Kwartiermeester Bakkerij 160. Cie Kwartiermeester 172. Cie Kwartiermeester

1960 wurde das Bataillon nach Soest verlegt.

1964 erfolgte eine erneute Umorganisation: Stabscompagnie in Werl 101. Cie KwM Rav (Kwartiermeester Ravitaillering – Versorgung) 109. Cie KwM Rav 118. Cie KwM Transit 107. Peloton KwM Distributie

Am 1.7.1967 wurde die 118 Cie KwM Transit zum 12 Bn KwM verlegt. Dafür kam die 119. Cie Ketelwagens zum 18 Bn KwM.

1971 wurde das 18. Bn KwM umbenannt in 18. Bn Log ( Logistiek) Es bestand aus: Stab und Stabscompagnie 101. Cie Rav 109. Cie Rav 202. Cie Mat (Materieel) 261. Cie Mun (Munitie) 107. Peloton Ravitaillering en Transport

Der Stab und die Stabscompagnie wurden im Oktober 1981 nach Lüdenscheid ver- legt. Am 10.Juli 1983 wurden aus dem 107 Peloton Rav en Tpt, einem Detachement von der 202. Cie Mat und der 210 Cie Mat (vorher Teil des 51. Bn Log) die 210 Cie Log in Arolsen aufgestellt. Die Angehörigen der Einheiten des 18. Bn Log waren auf sieben Kasernen und acht z.T. nicht ständig besetzte Depots verteilt.

Durch die Beschlüsse von REFORBEL und BEAR 97 wurden die Einheiten im Osten des BSD Bereiches abgezogen und mit neuen Aufgaben versehen. Seit 1991 gingen die Treibstoff- und Munitionsdepots in den Besitz deutscher Behör- den über.

Die Abschiedsparade des 18. Bn. Log fand am 5.5.1994 im Quartier De Leie in Lü- denscheid statt.

- 20 - Am 30.9.1994 hatten dann die meisten Einheiten des 18. Bn Log ihre Kasernen in der BRD verlassen. Der neue Standort ist Leopoldsburg in Belgien.

Das Schild des 18. Bn Log: Auf amarant farbigem Untergrund befinden sich die Symbole für die einzelnen Ver- sorgungsgüter des Bataillons: Kornähren für Lebensmittel Zahnrad für Material Trichter für Treibstoff Granate für Munition

Das Schwert hinter der Königskrone verweist auf das 1. belgische Korps, dessen Bestand- teil das 18. Bn Log ist. Die Fahne des 18. Bn Log wurde am 25.4.193 auf königlichen Beschluß vom 19.11.1930 an die Armee übergeben. Nach mehreren anderen Versorgungseinhei- ten erhielt sie das 18. Bn Log in Halle / Bel- gien am 17.5.1975. Patenschaften bestehen mit der belgischen Stadt Halle seit dem 5.4.1965 und seit dem 25.8.1976 mit dem Nachschubbataillon 7 der Bundeswehr in Unna-Königsborn.

Belgische Streitkräfte Deutschland im Kreis Olpe ab 1950

Stationierte und tätige Einheiten

101 Cie KWM Stationiert in Attendorn 1950 – 56, zugehörig zum 16 Bn KWM 100 Cie KWM Stationiert in Attendorn 1956 – 57, zugehörig zum 16 Bn KWM DET 16 Bn Qm Stationiert in Attendorn 1957 – 60, zugehörig zum 16 Bn KWM 101 Cie KWM RAV Stationiert in Attendorn ab 1960, zugehörig zum 16 Bn LOG/18 Bn/LOG 101 Cie RAV Stationiert in Attendorn bis 1980 und in Olpe vom 31.1.1969 bis 15.12.1991, umbenannte 101 Cie KWM RAV, zugehörig zum 18 Bn LOG 17 Cie RAV TRP Stationiert in Ossendorf, stellte zwischen 1969 und 1991 dem Depot Olpe Transportfahrzeuge zur Verfügung 119 Cie CIT Stationiert in Altenrath, stellte zwischen 1969 und 1991 dem Depot Olpe Tank-LKW zur Verfügung 16 Bn KWM Aufgestellt am 1.12.1951 in Köln-Niehl 16 Bn LOG Umgegliedertes/umbenanntes 16 Bn KWM 18 Bn LOG Umgegliedertes/umbenanntes (im Jahre 1971) 16 Bn LOG/16 Bn KWM METEO Stationiert in Biggen ab 15.6.1961 bis 31.1.1969 - Armeewetterdienst – ( Sectie Aero I )

- 21 - Angeschlossene- und Verbindungseinheiten

109 Cie RAV Stationiert in Werl, zugehörig zum 18 Bn LOG 202 Cie MAT Stationiert in Lüdenscheid, zugehörig zum 18 Bn LOG 261 Cie MUN Stationiert in Lüdenscheid, zugehörig zum 18 Bn LOG 107 PL RAV TPT zugehörig zum 18 Bn LOG DET 202 Cie MAT zugehörig zum 18 Bn LOG 18 Bn QM Verbindungseinheit zum Standort Attendorn zwischen 1950 und 1980 109 Cie KWM RAV zugehörig zum 18 Bn QM

Abkürzungen

Cie Compagnie, ca. 100 Mann PL Peloton, ca. 30 Mann KWM Kwartiermeester QM Quartiermeester Bn Bataljon DET Detachement (Abordnung) RAV Ravitaillering (Versorgung) TRP Transport CIT Citerne (Tankfahrzeuge) LOG Logistiek MUN Munition MAT Material

Kommandanten der 101 Cie KWM / RAV

Hier sind leider nur lückenhafte Daten vorhanden

Hauptmann Van der Gucht 1946 ( Übernahme von den Engländern ) Major Nijs 1959 Hauptmann Fripon - / - Oberleutnant Hüllsmanns Oktober 1970 Hauptmann Choens - / - Oberleutnant de Poorter April 1974 Hauptmann van de Kieboom - / - Oberleutnant de Bruyne bis November 1977 Hauptmann Eric Florin November 1977 bis Oktober 1979 Oberleutnant van Hauvermeieren Oktober 1979 bis 1981 Hauptmann Degeest (Kommandant 101 Cie RAV) April 1982 Leutnant Ceuterick (Depotkommandant Olpe) April 1982 Leutnant Lemmens (Depotkommandant Olpe) bis 15.12.1991

- 22 - Josef Viegener - Küster der Pfarrkirche von Josef Hormes

Das Wohnhaus am Kirchplatz

Die Aufnahme müsste zwischen 1925 und 1927 entstanden sein. Der Abriss erfolgte 1927 und der Neubau 1928. In der Haustür: Josef Viege- ner, seine Mutter Theresia, geborene Haberkamp, und seine Ehefrau Maria, geborene Heller. Josef Viegener wurde 1915 zum Militär einbe- rufen und kam schon sehr früh in russische Gefangenschaft. Er wurde nach Sibirien transportiert und hat dort unter grausamsten Verhältnissen in den Wäldern arbeiten müssen. 1922 erfolgte seine Entlassung. Als Spätheimkehrer wurde er in Finnentrop vom Bahnhof abgeholt. Man be- reitete ihm hier einen großen Empfang. In einer Kutsche kam er in At- tendorn an. Beim Aussteigen vor seinem Hause brachte er wegen seiner Ergriffenheit nur über die Lippen: "Ich danke Euch!" Nach seiner Rück- kehr eröffnete er ein Schreibwarengeschäft und übernahm auch wieder den Dienst als Küster der Pfarrkirche. Übrigens, schon sein Vater war Küster der Pfarrkirche. Während seiner Kriegsjahre versah die Familie Hoffmann am Kirchplatz seine Aufgabe. 1939 gab er aus gesundheitli- chen Gründen - Folgen der harten Gefangenschaft - den Dienst als Kü- ster auf. Während des Krieges war die Stelle vakant. 1945 wurde der Verfasser sein Nachfolger bis zum 31. Dezember 1981.

Wohnhaus am Kirchplatz

- 23 - Feldpostkarte

Hier ist Josef Viegener (in der Mitte) klar zu erkennen. Die beiden ande- ren Soldaten sind mir unbekannt. Josef Viegener schrieb diese Karte 1915 an seine Tante, Sophia Henze, in Beukenbeul. Sie war die Schwe- ster seiner Mutter.

Der Text der Feldpostkarte lautet: d. 20.1.15 Liebe Tante. Bin schon 24 Stunden auf der Fahrt nach Rußl. Je weiter wir fahren, je kälter wird’s. Sonntag geht’s nach Waarschau ins Stadttehater. Es grüßt euch alle herzl. Euer Joseph

- 24 - Von Attendorner Hanseaten Altbekanntes neu betrachtet von Gertrud Junker

Was kennzeichnet die Epoche, in der ohne die genauen Größen von Häu- der „Sauerländer Dom“ errichtet wur- sern, Wäldern und Feldern genannt zu de? Wer lebte damals in Attendorn? bekommen. Der Erblasser ist in der Welche Schriften sind erhalten aus Lage zum Bau von St. Johannes Bap- diesem Jahrhundert? tist alles Holz aus den „gesamten Waldbeständen, die den Namen Eines der Dokumente, welches uns Schoyneykholt tragen“ zu vermachen. zurückversetzt in diese Zeit vor 650 Das scheint eine nicht unbeträchtliche Jahren, ist das Testament des Robert Menge zu sein. Zu Robert von der Be- von der Becke, errichtet am 17. Januar ckes Besitz zählen außerdem der 1353. Bei genauem Hinsehen erzählt Haupthof in Ennest, sein Haus Kale- es Interessantes und nährt zudem ein born, Hof Tilienrode - wo lagen wohl wenig die Hoffnung, beim wiederholten diese Besitzungen ? - und Felder auf Lesen neue Attendorner Familienzu- der Attendorner Flur, laufende Einkünf- sammenhänge zu finden. te wie der Zehnte von Olpe (!), zwei Fässer Wein, Schmuck, Hausrat und Dieses Testament wurde in seiner ur- noch nicht weiter definiertes Vermö- sprünglichen Fassung in lateinischer gen. Robert von der Becke verteilt und Sprache errichtet, ist in der Chronik1 bestimmt sorgsam und großzügig. Er jedoch auch ins Deutsche übersetzt bedenkt auch die Armen, wie es sich wiedergegeben. für einen vermögenden Menschen des Mittelalters gehörte. Er trägt Sorge, Zunächst bedenkt der Erblasser seinen dass für „sein und seiner ihm Teuren Vater, den er leider nicht näher be- Seelenheil“ hl. Messen gefeiert wer- nennt. Da die Mutter nicht erwähnt den. wird, darf angenommen werden, dass diese schon verstorben ist; auch hier Das Testament teilt einiges mit über fehlt der Eigenname. Es folgen die Robert von der Becke. Anzunehmen Brüder Hertwin, Radolf und Johannes, ist obendrein, dass er im Laufe seines seine Schwestern Wabela und Kuni- Lebens vermutlich schon allerlei Er- gunde. worbenes zum Gemeinwohl gestiftet hat. Eine Stadt von damals wird fast Robert von der Becke nennt außerdem nur private „Fördertöpfe“ und nichts zwei Verwandte als Testamentsvoll- sonst zum Aufbau und Erhalt von Rat- strecker: Heinemann, genannt Richter haus, Kirchen, Stadtmauern und Toren und Tillmann von Affeln, Sohn des gehabt haben - das als Vermutung und verstorbenen Johann von Affeln. Ro- Anregung. bert von der Becke bedenkt Heineman gnt. Richter denn auch wie einen Ver- Die erstaunlichste Passage im Testa- wandten mit Vermögenswerten. ment lautet: „Ich verlasse mich auf Der von der Becke'sche Besitz ist als meine Brüder, wünsche allerdings sehr umfangreich zu erkennen, auch auch, dass dem erwähnten Tillman Leimbergh bei der erforderlichen Be- 1 Brunabend, Josef; Pickert, Julius; Boos, Karl: rechnung des Besitzes, der ihm und Attendorn - Schnellenberg, Waldenburg und mir in Geschäftsgemeinschaft gemein- Ewig. sam gehört, bei seinen Angaben ein- 2. Auflage Münster 1958

- 25 - fach Glauben schenken und miteinan- Limberg anführte, scheint je nach ver- der nicht in Streit geraten, vielmehr liehener Geldsumme von wechselnder jeden Argwohn zurückhalten.“ Welch Zusammensetzung der Kaufleute zu ein Vertrauen! Es scheint keinen Ver- sein. Sicher ist, dass Limberg immer trag oder Aufzeichnungen zu geben mit Geschäftsfreunden dort handelte. über gemeinsames Vermögen! Zu einem sogenannten Kontor gehör- Wer ist dieser Tilmann Limberg? Er ist ten durchweg vier Partner. Diese offensichtlich der langjährige Ge- stammten manchmal aus einer Fami- schäftspartner, denn die zweite Mög- lie. Es darf auch eine verwandtschaftli- lichkeit, eine verwandtschaftliche Be- che Beziehung angenommen werden, ziehung, ist vordergründig nicht zu er- wenn zwei unterschiedliche Familien- kennen. Wieso diese Annahme? Zie- namen darin vorkommen. Schwieger- hen wir andere Dokumente aus dem söhne, Schwäger, Neffen könnten da 14. Jahrhundert zu Rate. eine Position einnehmen. Wie könnte das vertrauensvolle Verhältnis gewe- Der Name Tillman Limberg findet sich sen sein? Ob ein Zufall hilft, hier Klar- in alten englischen Akten. Diese sind heit bekommen? Ein verwandtschaftli- im Public Record Office gelagert und ches Verhältnis ist hier jedenfalls nicht stammen aus der Zeit der englischen herauszulesen. Da Geldgeber in die- Könige Edward II.2 und Edward III.3 sem vom König benötigtem Umfang Die Auswertungen sind festgehalten, derzeit nicht zu finden waren - man soweit sie deutsche Hansekaufleute hatte auch bei italienischen Bankiers betreffen. Da in früheren Zeiten die nachgesucht - wandte der König sich Schreibweise eines Namens je nach – er führte Krieg gegen Frankreich – „Schriftgelehrtem“ abweichend aufge- bekannt unter dem Namen der faßt wurde, stört es nicht, wenn von „Hundertjährige Krieg“ - an die deut- Tydeman Leimbergh oder Tilman Lim- schen Kaufleute. berg geschrieben wird. Zur Darlehenstilgung gewährte der Die Aufschlüsselung dieser alten Ur- König den Gläubigern Zollerlaß oder kunden englischer Herkunft zeigt Till- Zollminderung auf die gekaufte Ware, man Limberg als Wollkäufer, Wollex- bei der es sich immer um Wolle han- porteur, als geschickten Finanzier, delte. Es tauchen auch die Namen Jo- schließlich als Gläubiger der engli- hann Attendern, Conrad de Afflen, Jo- schen Krone in den Jahren 1342, 1347 han de Bek, Hertwin de Bek , ebenso bis 1350 und weiter bis 1358. Er han- Godekin, Alvin und Winand de Revele, delt meistens für ein Konsortium (etwa teilweise schon 1327 als Wollkaufleute dreizehn) deutscher Kaufleute, doch und Gläubiger der englischen Krone die Verhandlungen rund um die Ver- auf. träge mit der Krone dominiert er. Aus den Unterlagen geht hervor, dass er in Zu Beginn des Handels mit dem König Hausbesitz, ebenso ange- heißt es: „Ausgeliefert wurde die große mietete Lager hatte, auch vermutlich Krone ( magna corona) an Wesenham Handlungsgehilfen beschäftigte. Wer und Limberg (!) in dessen Haus in la exakt zu den Geldgebern des engli- Roperie.“ ( Februar 1339) Der Bischof schen Königs Edward III. gehörte, die von Westminster erledigte die Überga- be. Auch die „secunda corona“, die „ 2 Edward II. 1284 - 1327, König von England kleine Krone“, befand sich im Besitz 1307 - 1327 der deutschen Hansekaufleute. Bei 3 Edward III. 1312 - 1377, König von England Beendigung des Handels mit dem Kö- 1327/30 - 1377

- 26 - nig steht geschrieben: „In Westminster cke wird Konrad von Aflen benannt „als wieder ausgehändigt hat sie Tideman sein lieber Verwandter“. Limberg, und zwar vermutlich erst Es wurde ebenso mit Holzkohle, Fär- 1345“. berwaid, Holzasche, Bitumen und mit Wein von Rhein und Mosel gehandelt. Deutsche Hansekaufleute als Gläubi- Die Kaufleute hatten demnach schon ger der englischen Krone! Wer be- viel Geld erworben, so viel, dass sie wachte die Schätze? Wer transpor- als Finanziers auftreten konnten. Und tierte sie? Wie fädelten die Kaufleute der Geldverleih brachte noch einmal alles ein? Die „Corona magna“ hatte Gewinn. Wörtlich heißt es: „Es blieb der Bischof von Trier im Tresor. Man deshalb gar nichts anderes übrig, als stelle sich das Procedere vor: Die den deutschen Gläubigern die Zollein- Kaufleute mußten das „Versteck“ vor- nahmen zu verpfänden, um ihnen für bereiten, das sichere Geleit dorthin die verauslagten bzw. überhaupt erst erledigen und später den glücklichen aufzubringenden Summen eine ak- Rücktransport über den Ärmelkanal zeptable Gewähr auf Rückzahlung zu organisieren, das gesamte Risiko geben.“ übernehmen. Als Transportmittel dien- ten Segelschiffe und Pferdewagen. Die In der Nennung der Wollhändler und damaligen „Straßen“ waren mehr- der vielen Aufstellungen und Zahlen heitlich so gut wie heutige einfache des Englandhandels dominiert der Wege, nämlich schlecht für die langen Name Tillman Limberg. Er scheint sich Wagenkolonnen. über Jahre in England aufgehalten zu haben, an den verschiedensten Orten, Es stellt sich die Frage: Woher hatten darunter auch London. Unter dem 7. Tillman Limberg und Genossen diese April 1358, circa fünf Jahre nach Er- Menge Geld? Was verkauften sie in richtung des erwähnten Testamentes, England? ist Teilman van Lymbeck als Kölner Es bietet sich an, an Eisenwaren zu Neubürger (!) verzeichnet. Er setzte denken, halbfertig oder fertig. Welche sich hier offenbar zur Ruhe. Zuvor hat- Rohstoffe konnte unsere Gegend da- te er im Januar 1358 in Köln an der mals bieten? Die Überlieferung und die Hohen Straße ein Haus gekauft. Er Funde alter Stollen, Pingen, Reste von war also kein Original-Kölner, „nur“ ein Schmieden, der Handel mit dem Sie- Neubürger. Er gehörte zu den Kaufleu- gerland zu damaliger Zeit lassen die ten, die in Flandern „het Keulwest- Annahme zu, dass der Handel mit Ei- false“ bezeichnet wurden, die kölni- senwaren an erster Stelle gestanden schen Westfalen, was offenbar recht haben muss. zutreffend war. Als Mitglied der Kölner In den „Westfälischen Urkunden“ vom Hanse hat er seine letzten Lebensjah- 20. Juli 1311 schon verzeichnet, ver- re in Köln ausschließlich als Wein- handelt in Berwick upon Tweed, geht händler verbracht. es um 150 Fässer Stahl, die derzeit gehandelt und zwischenzeitlich irrtüm- War er von seiner Herkunft ein Sauer- lich beschlagnahmt wurden. Beteiligt länder? Im sind die Lim- waren u. a. Attendorner Kaufleute. Ge- bergs zahlreich zu finden, gestern wie nannt sind dort Tidemann, Johann, Al- heute. Hatten Tilmann Limberg und bert von Afle und Johann von Beyke. Robert von der Becke sich hier im Stammen sie aus einem Kontor? Ist Sauerland kennen und schätzen ge- Johann von Beyke der Schwiegersohn lernt? Es gibt Historiker, die Tillman oder der Schwager? Im oben erwähn- Limberg gerne zu den Dortmunder ten Testament des Robert von der Be- Hanseaten zählen. Zu bedenken ist,

- 27 - dass nach den umfänglichen For- sam Erworbene läßt sich auf diese schungen des Herrn Josef Lauber sich Weise mit der jahrelangen räumlich im Kirchspiel Dorlar zu Beginn der Auf- getrennten Arbeitsteilung und ehrli- zeichnungszeit um 1535 ein freies chem Handeln erklären. So wie die Erbgut der Familie Limberg findet. Es Geschäfte in den englischen Städten ist eine Solstätte4 und muß demnach mit mancherlei Schwierigkeiten behaf- schon recht lange Bestand gehabt ha- tet waren - man benutzte die Häfen ben. Für die Größe dieses Gutes wird von London, Hull und Lynn - so gab es eine unwahrscheinlich hohe Zahl an auch diesseits des Kanals viele Hin- Morgen angegeben. Als eine Witwe dernisse. Der Rat von Brügge und die Limberg im 19. Jahrhundert keinen Gemeinschaft der Handelsleute hatten Nachfolger hatte, ging das Gut unter. öfter Streit, auch Mitte des 14. Jahr- Könnte das die Heimat des Tillmann hunderts. Die Hanseaten verlegten Limberg gewesen sein? deshalb mehrmals ihre Lager und Ge- schäfte von Brügge nach Damme und Da die Quellen sich in England mit Dordrecht. den Gläubigern der englischen Krone befassen, sind die anderen Waren- Welche Schwierigkeiten mag die große ströme nur am Rande erwähnt. Die Pestepidemie, die in der Mitte des 14. Brüder Radulf und Johann und Hertwin Jahrhunderts in Europa wütete, den von der Becke sind genannt. Der Na- Hanseaten zusätzlich bereitet haben? me des Robert von der Becke jedoch Ganz deutlich geht aus den bisher im- wird bei den in England Handelnden mer noch mageren Quellen hervor: Die nicht erwähnt. Aber es besteht offen- deutschen Hansekaufleute, die fähig bar sehr viel gemeinsamer Besitz mit waren, König Edward III. von England Tillmann Limberg. Robert bereitet sei- sehr viel Geld zur Kriegführung zu lei- ne Brüder auf viele Ansprüche vor. hen, waren u. a. auch Attendorner !

Transportierte Robert die preiswerte Außer der Bezeichnung „het Keul- Wolle, die von Häfen in London, Hull westfaalse Genotschap“ nannten die und Boston nach Brügge oder Flamen die Kaufleute aus dem Her- Dordrecht oder nach Damme ver- zogtum Westfalen und Erzbistum Köln schifft wurde, auf dem Festland zu den auch „Oosterlingen“. Noch heute erin- Kunden? Ein ebenso aufwendiges wie nert in Brügge eine Straße mit Namen schwieriges Unternehmen. Es ging „Oosterlingen Plein“ an die Kaufleute, dabei um Stapelrechte, Anmietung für die ostwärts zu Hause waren und in Lagerung, Verladung, Transport und Brügge handelten. Mit den „Oosterlin- Verkauf. Der Transport der Englischen gen“ konnten die Brügger und die an- Krone auf dem Festland? Das gemein- deren Flamen in ihrer Sprache verhan- deln und ohne Dolmetscher ihre Ge- schäfte abwickeln. 4 Unter Solstätte könnte man verstehen, dass das Gut der Limbergs schon sehr früh ein fes- tes Haus, vorwiegend aus Stein errichtet war. Die Vermarktung der Wolle auf dem Ob das Wort von solidus abgeleitet ist, was Kontinent wird Part des Robert von der fest bedeutet? Die Häuser und Ställe der Bau- Becke gewesen sein! Wie anders ernhöfe bestanden gewöhnlich aus Lehm- konnte bei der Testamentserrichtung fachwerk, nur Adelige und besonders Vermö- so viel gemeinsames Vermögen vor- gende konnten sich ein Haus allein aus Stein leisten. Auch eine Herkunft des Wortes aus handen sein? der Erzgewinnung sei möglich, ergab eine Recherche. Für das Sauerland, damals ein Ganz zuletzt sei noch angefügt, dass Eisenland, keine ungewöhnliche Erklärung. die in Attendorn blühende Wollverar-

- 28 - beitung kein Zufall war. Attendorner x „Attendorn, Schnellenberg und Tuch als ein festes, fast Wasser un- Waldenburg“ von Josef Brunabend, durchlässiges, Wollgewebe ist als Be- Prof. Julius Pickert und Karl Boos, sonderheit der Wollindustrie überliefert, 1958. gehandelt wie Markenware. Noch nach x „Heimatstimmen aus dem Kreise dem Dreißigjährigen Krieg sind in dem Olpe“ rudimentär erhaltenen Rauchschatzre- x „Kölner Neubürger 1356-1789“ von 5 6 gister von 1648 zehn Wollweber auf- Hugo Stehkämper und Gerd Müller geführt. Ebenso erinnert bis heute ein x „Bruges and its Past“, Chronik der Flurname an Attendorner Wollindustrie: Stadt Brügge, Flandern, aus dem 7 Walkeschütt. Jahre 1926 x „Westfälisches Urkundenbuch“, Zum Zeitvergleich: Im Jahre 1356 tagte Lieferung 2: 1311-1320 bearbeitet in Lübeck der erste allgemeine Han- von Manfred Wolf setag, drei Jahre nach Errichtung des x Die Forschungen des Josef Lauber, Testamentes von Robert von der Be- „Höfe und Familien im Sauerland“. cke! Wir dürfen annehmen: Die Atten- dorner Hansekaufleute zählten zu den Pionieren der „ersten europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“.

Quellen: x „Deutsche Hansekaufleute als Gläubiger der englischen Krone“ von Inge-Maren Peters.

5 Unvollständiges Kopfschatzregister vom Sep- tember 1648, Stadt Attendorn: Wäre es vollständig und konsequent mit Berufsbezeich- nungen erhalten, könnte die Anzahl der da- mals tätigen Wollweber vielleicht höher aus- fallen. So nachhaltig wirkten sich die Tätigkei- ten allein dieser Hanseaten aus. Und es gab damals noch andere Hansekaufleute.

6 Hier die uns erhaltenen Namen der Wollwe- ber am Ende des 30jährigen Krieges: Wil- helmb Herschede, Cornelius Kobinghaus, Pavel Keirspe, Johan Krütrop, Göbel Potthoff, Johann Kobinghaus, Wilhelmb Gerdtmann, Hennerich Rüsche, Johan Dingerkus, Steffen Grüber. Dazu passend: Jürgen Geseke, ein Blawferber ( Blaufärber )

7 Der alte Name für Wehr war Schütt. Der Mühlengraben hatte unter dem Stürzenberg direkt bei der Walkemühle ein Schütt. So er- klärt sich der übriggebliebene alte Flurname, Aus “Bruges and its Past”, Hausnummer 79 - House of German merchants der Hinweis auf den Standort der Woll- industrie, „ Walkeschütt“.

- 29 - Die Mühle in Mecklinghausen von Albert Schnepper

Im Bestand Reg. Arnsberg des Staats- schichte der Mühle in Mecklinghausen archivs Münster befindet sich eine ge- mit den oft hartnäckig geführten Argu- schlossene Akte der Korrespondenz mentationen, für und wider eine Errich- betreffend der Erbauung einer Mahl- tung verfolgen und nacherleben. mühle in Mecklinghausen anno Der Vorgang umfaßt 123 Seiten von 1816. Sie gibt einen interessanten Ein- der Antragstellung in hessischer Zeit blick in die Entstehungsgeschichte der 1815 bis zur Genehmigung 1822 durch Mühle. die preußische Regierung."

HERBERT MENKE verfasste am Der oben erwähnte Antrag und die 24.01.1997 darüber eine Niederschrift Concessions-Urkunde liegen in Ori- von 35 Seiten mit Abschriften, Fotoko- ginalkopie vor und lauten als Ab- pien und Bemerkungen. Er schreibt: schrift:

" Vor 175 Jahren wurde die Meckling- "Arnsberg 11. Xbris 1815 hauser Mühle errichtet. Vom Antrag An Großherzoglich Hessische Hof- auf Errichtung bis zur Genehmigung kammer zu Arnsberg hatte es 7 Jahre gedauert. Die Groß- Gehorsamste Vorstellung mit Bitte sei- herzogliche Hessische Hofkammer zu tens Johann Pulte, und Caspar Arnsberg war am 11. Dezember 1815 Schnepper genant Brincker zu "gehorsamst um Erlaubnis" gebeten Mecklinghausen Erlaubnis eine neue worden, eine Mahlmühle bauen zu dür- Mahlmühle bauen zu dürfen. fen. Nach dem Regierungswechsel Johann Pulte besitzet eigentümlich 1816 wurde das Bemühen um die eine Wiese ober Mecklinghausen nach Conzession erneut energisch fortge- Rieflinghausen hin, unter dem Summel setzt. Erst die Königlich Preußische gelegen. Regierung in Arnsberg erteilte dann Bei dieser Wiese fließt ein Bach vorbei, schließlich unter dem 24. Dezember bei uns die Bremicke genannt, welcher 1822 die Conzessions-Urkunde zur hinreichendes Wasser zu einer ober- Anlegung einer Frucht-Mahlmühle an schlächtigen Mahlmühle mit zwei Ge- dem Bache Bremke. läufen liefert. Auf diese Wiese, auf die- sen Fluß sind wir entschlossen, eine Die Mühle liegt am Weg von Meckling- solche Mahlmühle zu bauen, und wün- hausen nach Rieflinghausen, im Ober- schen sehr hierzu die gnädigste Er- dorf, im Tal der Bremke. Über viele laubnis zu erhalten. Kein Hammer, Generationen wurde hier für die umlie- keine Mühle stehet auf diesem Fluße, genden Dörfer des Kirchspiels Helden wir können keinem in Benutzung des für Mensch und Tier Getreide gemah- Wassers in dieser Hinsicht nachteilig len. 1979 ist, wie bei den meisten Müh- sein. len im Familienbetrieb, die Arbeit ein- Wir sind zu keiner Mahlmühle bann- gestellt worden. Im Staatsarchiv Müns- pflichtig, wir besuchen jede, nach dem ter befindet sich im Bestand Reg. Zeit und Umstände solches ergeben. Arnsberg III A eine geschlossene Akte Die nächste Mühle bei uns ist die Stadt der Korrespondenz zwischen An- Attendörnische, von dieser ist Meck- tragstellern, Regierung, Landrat, Bür- linghausen fünf Viertel Stunde entle- germeister, Gegnern, Gutachtern u.a. gen. Jeder Mühlenbesuch kostet uns, Aus ihr läßt sich die Entstehungsge- unsere Miteinsassen und Nachbaren

- 30 - meistentheils, wenn auch der Aufent- das wir uns zur Entrichtung einer an halt nicht bedeutend ist, einen ganzen das Rentamt zu Bilstein jährlich zu Tag, denn wir müssen schlechte Wege zahlende Abgabe hiermit erklären. und sehr steile Berge auch Wässer Wir bitten daher unterthänig: passieren. Zur Winterszeit, bei ange- Uns die Erlaubnis auf dem obgedach- schwollenem Wasser, bei tiefem ten Platz nur für eine Mahlmühle mit Schnee, bei Frost und Glatteis kostet zwei Geläufen gegen eine angemes- uns der Mühlenbesuch öfters mehr als sene jährliche Abgabe erbauen zu dür- einen Tag. Wir haben alsdann dabei fen gnädigst zu erteilen und die desfal- auch noch mit den gefahrvollsten Hin- sige Verfügung zu beschleunigen. dernissen zu kämpfen. Wir haben Spit Zeppenfeld N Darüber mehrmalen den Fall erlebt, daß Pferde Puelte und Brincker" auf dem Mühlenbesuch bei solchen Zeitpunkten verunglücket sind. Äußerst nachteilig ist daher für uns, Abschrift unsere Miteinsassen und unsere "Arnsberg, den 24t. Decbr 1822 Nachbaren zu Rieflinghausen, zu Rep- pe mit dem Klöber, und zu Teckling- Concessions-Urkunde hausen, welche von uns respektive für den Eingeseßenen Herrn Johannes eine kleine und starke Viertelstunde Puelte zu Mecklinghausen zur Anle- entlegen sind, dieser kostspielige und gung einer Frucht Mahlmühle an dem gefahrvolle Mühlenbesuch. Wir glau- Bache Bremeke. ben daher gegen uns und unsere Dem Eingeseßenen Herrn Johannes Nachkommen die Pflichten zu erfüllen, Puelte zu Mecklinghausen ist, auf er- unseren Miteinsassen und Nachbaren statteten Bericht der Landräthlichen eine Wohltat zu erweisen und zum all- Behörde zu Olpe, die nachgesuchte gemeinen Wohl beizutragen, wenn wir Erlaubniß zur Anlegung einer neuen auf unsere Kosten diese Mahlmühle oberschlächtigen Korn-Mahlmühle von bauen. zwei Gängen auf seinem eigenthümli- Ich, Caspar Schnepper genant Brinker chen Grund und Boden an dem Brem- habe hierbei noch die besondere Ab- ke Bache, beim Dorfe Mecklinghausen sicht, ich wollte nämlich eine Bierbrau- unter folgenden Bedingungen erteilt erey und Brantweinsbrennerey in worden. Mecklinghausen anlegen. Ich kann 1. muß derselbe sich aller schon be- aber dieses gemeinnützige Vorhaben stehenden oder künftig wegen des nicht ausführen, wenn ich den kost- Mühlenbetriebs erscheinenden Ge- spieligen und gefahrvollen Mühlenbe- setzen und Anordnungen unbedingt such nicht entfernt sehe, wenn ich unterwerfen. nicht die Gelegenheit habe, meine 2. Darf er durch diese seine Anlage Früchte jederzeit und ohne alles Hin- niemandem in seinen erworbenen dernis hierzu zubereiten zu können. Es Gerechtsamen beeinträchtigen. verstehet sich vonselbsten, daß wir 3. Hat der g. Puelte, oder wer nach unseren Miteinsassen und Nachbaren, ihm die Mühle besitzen oder betrei- welche ebenwohl zu keiner Mühle ben wird als eine Recognition des bannpflichtig sind, nur das in anderen Landesherrlichen Flußregals all- Mühlen hergebrachte Multer abneh- jährlich, und zwar Martini k. J. zu men, das es diesen, so wie bisher, un- erstenmal sechs Thlr. Pr. Ct [Thaler benommen bleibet, jede inländische preußisch Courant] an das Rentamt Mühle zu besuchen, das wir nur durch Bilstein, oder dasjenige Königliche pünktlich und --- offenheit [?] Mahlgäs- Rentamt, wohin dessen Gefälle te an uns zu ziehen trachten müssen, künftig überwiesen werden möch-

- 31 - ten zu zahlen. Dessen zur Urkunde Auch in der Heldener Pfarrchronik in ist gegenwärtige Concession aus- B 20 S. 30 finden wir über die Mühle gefertigt, von uns vollzogen und mit von Pastor Fernholz die Eintragung: dem größeren Regierungs Siegel "Seit undenklichen Jahren waren die bekräftigt worden. hiesigen Bewohner genötigt, nach At- So geschehen Abg ut supra L.S." tendorn zur Mühle zu fahren, welches (Unterschrift) zur Winterszeit für Menschen und Vieh höchst gefährlich war. Mehrmalen Daneben ist eine spezifizierte Gebüh- machten die hiesigen Einwohner Ver- renrechnung notiert von insgesamt 5 suche, eine Mühle anlegen zu dürfen, Thlr., 27 Sgr., 6 Pfennig. wurden aber von den Attendornern

Hoch interessant ist die beigefügte jedesmal vereitelt, bis endlich 1823 die Zeichnung, die am 28ten May 1817 liberale Preußische Regierung zu vom Geometer Zimmermann zum Al- Arnsberg den obenbenannten [Meck- tenhof erstellt worden ist und deren linghauser] Einsassen den Consens, Richtigkeit vom Bauconductor Sombart eine Mühle anzulegen, erteilte. 1823 am 2. Mai 1822 attestiert wurde. Der ist es endlich dem Johann Pulte und "Grundriß" mit Erklaerung lautet: Caspar Brinker [=Schnepper] in "Über die bey Mecklinghausen an dem Mecklinghausen gelungen, eine Mahl- sogenannten Ohl gelegenen und dem mühle ober dem Dorfe anzulegen, wo- Joannes Puelten daselbst zugehörigen nach schon unsere Voreltern hunderte Wiese, worauf derselbe, und der Brin- der Jahre trachteten." ker daselbst, eine neue Mahlmühle mit hoher Genehmigung anzulegen ge- Mit dem Bau der Mühlenanlagen wird denken ... die Mühle hat 14 Fuß man sofort nach Jahresbeginn 1823 [=4,4m] Fall". begonnen haben. Das Gelände vor dem Summel war dafür äußerst güns- tig. Um die treibende Kraft des Brem- ke-Wassers nutzen zu können, konnte es auf der "Wiese am Ohl" durch den

- 32 - "Mühlengraben" umgeleitet und dem nisse in der Folgezeit Aufschluß ge- "Teich obig der Mühle" zugeführt wer- ben. den. Über die Schaufelräder des ober- schlächtigen Mühlrades floß es dann Im "Flurbuch" des Katasteramtes Ol- durch den Untergraben dem Bach wie- pe ist noch im Jahre 1867 verzeichnet der zu. Das ca. 3 m große hölzerne unter Art. Nr. 217: Pulte Johann / Schaufelrad war auf einer horizontalen Schnepper Caspar Flur XXI Nr. 74a Welle montiert und übertrug die Kraft am Ohle. über ein Zahnradgetriebe auf die verti- kale Welle des oberen Mahlsteins. In der "Abschlußliste 1885/86" wer- Später wurde auch ein Walzenstuhl den unter Art. Nr. 237 ausgewiesen: angeschafft. 'alt': Pulte Johann und Schnepper Caspar: 5 Parz. mit 45 a 82 qm und Im Urhandriß und in der Urkarte von Gebäude 1831 sind der Obergraben, der Teich 'neu': Belke Friedrich, Mühlenbesitzer, und das damalige Mühlengebäude 5 Parz. mit 49 a 09 qm. eingetragen. Als Ergänzung dazu ist im Güterverzeichnis der Gemeinde Der neue Mühlenbesitzer Friedrich Helden unter Artikel-Nr. 166 eingetra- Belke hatte lt. Kauf vom 08.07.1884 gen: Pulte Johann und Schnepper die Grundstücke und die 3 Gebäude a) Caspar: a) Mühle u. Hofraum in Flur Mühle, b) Wohnhaus und c) Stall er- XXIII Parz. 73 in der Größe von 25 Ru- worben. Auch scheint er etwas später then und 50 Fuß; b) Teich in XXIII zum Betrieb einer kleinen Landwirt- Parz. 74 in der Größe 102 Ruthen und schaft weitere Grundstücke erworben 50 Fuß, c) Hütung am Ohle in XXI zu haben, denn in der "Abschlußliste Parz. 76a in der Größe von 1 Morgen 1887/88" ist unter Art.-Nr. 237 einge- und 18 Ruthen. Das ergibt zusammen tragen: Belke, Fritz in Mecklinghausen 1 Morgen und 143 Ruthen. [Ein Mor- 'alt': 13 Parz. in der Größe von 7 ha 15 gen entspricht ungefähr 1/4 ha. oder a 87 qm; 'neu': 14 Parz. mit 7 ha 66 a 25 a; eine Quadratruthe betrug 14,2 73 qm. Quadratmeter.] In der "Vermessungsanmeldenach- Oben genannter Caspar Schnepper weisung 1881/1882" wird notiert und gnt. Brincker hinterließ bei seinem To- durch eine Vermessungsskizze erläu- de am 15. April 1838 u.a. "... eine mit tert, daß am 25.07.1878 der Neubau dem Johann Pulte zu Mecklinghausen eines Wohnhauses vermessen wurde. zu gleichen Anteilen gemeinschaftliche Dieses Gebäude ist das heutige "Mül- Mühle auf dem Grundstücke Flur XIII lers Haus". Der Untergraben mußte Nr. 73 nebst Teiche XIII Nr. 74 und vorher verlegt werden. Hütung XXI 76a in derselben Gemein- de mit den Mühlengeräthschaften". Friedrich Belke wurde am 22.02.1849 in Oberveischede geboren als Sohn Die Mühle ist in den ersten Jahren ver- der Eheleute Kaspar Belke & Anna pachtet gewesen an den Müller Jo- Maria Sieler. Er war weitläufig mit Pul- hannes Garte. ten und Brinker verwandt, da er ein Großneffe von Caspar Schneppers Über weitere Pächter ist nichts be- Ehefrau war. In erster Ehe heiratete er kannt, doch finden sich in den Akten am 24.09.1874 die Therese Baltes aus des Olper Kataster-Archivs einige Ein- Helden. Er war "Müller in Meckling- tragungen, die über die Besitzverhält- hausen", und dort wurden zwischen 1875 und 1883 vier Töchter und 1

- 33 - Sohn geboren. Nach dem Tode seiner lichkeit noch immer bis zur Stillegung Frau im Jahre 1883 zog er 1885 mit der Mühle 1972 genutzt. seinen Kindern nach Riemsloh. Nach dem frühen Tode von Josef Bal- Die Mühle in Mecklinghausen verkauf- tes wurde die Mühle verpachtet an den te er an seinen Schwager Josef Bal- Müller Reinhold Bicher aus Hengste- tes aus Helden. Josef Baltes wurde beck. 1860 geboren und heiratete 1888 die Anna Maria Frevel aus Eiserfeld. Er Anfang des 20. Jahrhunderts kaufte starb 1896 an Diabetes und hinterließ Anton Schöttler (* 08.02.1855, + die Witwe mit 4 minderjährigen Kin- 02.12.1922) aus Westenfeld bei Sun- dern. dern den Betrieb. Er zog mit seiner Frau Luise geb. Klagges und 6 kleinen Kindern in die Mühle in Mecklinghau- sen ein. [1) Johann * 30.10.1888. Er heiratete nach Epen in Helden und starb dort am 20.10.1974. 2) Fritz * 30.07.1890, + 20.09.1964. 3) Franz * anno 1892, + 01.11.1937 als Elektriker in Helden. 4) Louise * 18.04.1898, hei- ratete am 10.02.1931 Julius Kremer in Grevenbrück, + ??. 5) Wilhelm * 30.11.1899, + 05.03.1982. 6) Clemens * 17.11.1901, + 26.09.1972]

Später übernahmen vornehmlich die drei Söhne Fritz, Wilhelm und Clemens den Betrieb. Alle drei blieben unverhei- ratet, und in der Mühle wohnten mehr als vier Jahrzehnte lang diese drei Junggesellen allein, abgesehen von Wahrscheinlich reichte der Wasser- den Zeiten, als sie Flüchtlinge und Mie- zufluß der Bremke nicht immer aus. ter aufnehmen konnten. Deshalb war inzwischen beim Einlauf in den Mühlengraben ein zweiter, grö- Der eigentliche Müller war Fritz, nach ßerer Teich als weiteres Wasserreser- dessen Tod übernahm das Mahlen voir angelegt worden. Aber auch dieser sein Bruder Wilhelm, der aber auch Vorrat scheint wohl den Energiebedarf schon vorher ausgeholfen hatte und bei gesteigerten Mahlaufträgen nicht die Bücher führte. Wilhelm war auch hinreichend gedeckt zu haben. ein leidenschaftlicher Imker. Clemens arbeitete vorwiegend in der Landwirt- Am 16.07.1893 hatte Josef Baltes die schaft, fuhr regelmäßig das Mahlgut Genehmigung zur Anlegung eines mit Pferd und Wagen zu den Kunden Dampfkessels erhalten. Dieser Dampf- und belieferte die Bäcker. Im oberen kessel von 10 qm Heizfläche mit 8 Repetal ernteten damals noch die mei- Atm. ist zur Überbrückung bei Was- sten Familien ihr eigenes Brotgetreide sermangel in Betrieb gewesen vorwie- und ließen es mahlen. Die Kleie wurde gend bis zum Jahre 1919, als die Ort- ans Vieh verfüttert und das Mehl zum schaft Mecklinghausen den elektri- Bäcker gebracht. So brauchten sie fürs schen Stromanschluß erhielt. Die Brot nur den Backlohn zu zahlen, und Wasserkraft wurde jedoch nach Mög- der betrug auch lange Jahre nach der Währung nur 20 Pfennig!

- 34 - Nach Wilhelm Schöttlers Tod ging die Mühle über an seinen Neffen, den heutigen Besitzer Julius Kremer jun. in Grevenbrück. Dieser vergrößerte den Mühlteich, in- vestierte noch ein neues Mühlenrad aus Eisen und sorgte dafür, daß die stillgelegte Mühle bis heute so erhalten geblieben ist, wie sie vor 30 Jahren in Betrieb gewesen ist.

Die Mühle im Jahre 1993

Hochzeit Louise Schöttler & Julius Kremer 1931

- 35 - Hellen wiu et domols wor vam Duwen Jupp

Luie, niu leihnet mi dirn Dag et Ohr, iek kuier van Hellen, wiu et domols wor. Van Huisern un Luien, deu ens hi woren, in unserm Duarpe ver langen Johren.

Me kuiert jo liuter hie im Land, van d'r gurren allen Tiet, bie Lecht beseuh'n sirt me dann, eok domols gafftet manchen Schirt. Et wor ümme annodazumal, me harr neo keun elektrisch Lecht, bie unsern Biuern, hie im Dal, wor in jedem Hius en Knecht.

Keumes harr ne Melkmaschin', me keierde met Muskelkraft, seo arwe me - dagiut - dagin, bit dat me sachte: "Gurre Nacht". Et gaffte keunen langen Obend, me konn jo seowiseo nix seuhn, in d'r Kürke, - hingern Oawen sat me - imme triuten Heum.

De Perre gongen in nen Schwengeln, wann se erren Wagen teogen. De Biuern hor me Sensen dengeln, wann se bie d'r Ernte woren. De Trecker woren neo nit do, jeder harr seo sien Gespann, met Perren, Feoherossen, seo gemeutl'ch teoch me ens veran.

Jeder harr, dat wor seo Sitte, - en Schwien, - en Schoop un ne bockige Hitte, Hauhnder, Goise un manch'r en Wau-Wau, in nen meißten Huisern wor mindestens enne Kauh. Deu mochte me heuhen biet owens ümme acht, met teoch länges de Stroten, dann deu Diers harren Schmacht. De Siedensteins Peiter un et Schürholz Marie dat worren de eifrigsten Heuher hie.

Uns'r Duarp war neo seo kleun, vie harren hie bleos en Gesangvereun. Met Tiedungleasen - un met Singen mochte me de Tiet verbrengen. Manche Werkstie'e imme Duarpe stong siet virlen Johren jo ver de Nohricht imme Orte, et Niggeste, dat hor me do.

In seo mancher Schusterstuabe drap siek liuter Jung un Alt, - un seo word in seo ner Bude virl vertappet un vertallt. Eok bie'm Bäcker un biem Schnieder wor't gemeutl'ch un eok nett, un me drap siek liuter widder, weil me virl te prohlen heat.

- 36 - Wann enner mol op en Emmer mochte wor Dag un Nacht en greot Ge- dee. Et Örtchen, dat me dofer sochte, me kannte enns neo keun WC. En Waterklo, weu harr dat schon? Me mochte no biuten op et Huisken gohn. En kleunet Hertte, un Tiedungspapier fong me an d'r Lokusdiar. Und dat de Fleugen en nit bierten bleif me eok nit lange sitten. Drüm, woll me mol op et Huisken gohn bruchte keumes lange antestohn.

Niu well iek mol dear Hellen teun, wiu't domol wor, wat wor te seuhn? Imme eisten Hiuse woannere mal deu domols bekannte "Muierkarl". Met Kelle un Spies wor heu ame muiern. Heu buggere Huiser, Ställe un Schuiern.

De Schrienheunerikes vam' Siagewerke schnei'en de Briar ob Bredde un Stärke. Met Volldampf un met Waterkraft heat deu Schniedmürllers manchres schaffet.

Fer gurre Zigarren im' Heller Land suarren deu Platten, eok Franzes ge- nannt. Seo wickleren deu manche briune Stange, dicke un dünne, kuatte un lange.

De Mattheis Erich, beschloich de Ossen un aff un tau mol en Zossen, met Gebrumm un met Gesang, am Reapesk't alt Johre lang.

De Hoorschnie'er in dern fröggeren Johren - teoch de Blagen gern an'- nen Ohren. Op em Stauhl harr heu fer de Kinger en Böckchen, - un liuter parot harr heu ständig sien Stöckchen.

Neawenan de Hennes Maag suarere fer en Schaubeschlag. Un neawen siener Schauhmerkerie harr heu eok en Backes neawenbie.

De Fitti, deu in d'r Krempe wuannt harr liuter ne Kauh met em Strick an d'r Hand. Heu teoch ständ'ch tefaute wiet ürwer Land, de Keop word besiegelt met em Schlag in de Hand.

Kuahlen kreigen ve liuter van Greuten. Bi'em Insacken kom me gehörig int Schweiten. Dern gurren allen "Montgomerie" vergeaten vie in Hellen nie.

- 37 - Enner van d'r Klempnerie wor de Arens Toni hie. Wor met Water wat in Noien kom de Toni taume loien.

Toi iek widder, oder weiter si'e iek alt biem Wageners Peiter. Heu tirmere seo manchen Karren, dern bie uns de Biuern harren.

De Merren Lange, ständ'g heiter, etwas grötter asse de Peiter wo fer't Witteln hie, im Land ürwerall un wiet bekannt.

Schmiers, deu Schlertners woren halt etwas klender van Gestalt. Met Roihers, Nialen un Haken mochten deu Geschäfte maken.

Eok en Tante Emma Laden konn em Duarpe jo nit schaden. Mirlk un Burtter, Meahl un Gries gafftet fer en gurren Pries.

Un biem Schuster, Mertens Hermen doh me siek seo geren wärmen. Manchmol frog de Oma Fine: "Wiu virl Luie sind hie inne?" Manchmol fiewteun-twintich Mann hochten bie derm Pinnemann.

Schrienermester Martin Bicher, wo streng met Stiften, dat wert ih jo sir- ker. Heu makere Finster un Diaren iut Holt un Trappen un Schapee, wat ih wollt.

Ne greote Möbeltischlerie harren ens de Bichers hie. Manchmol teun bit twealf Gesellen soh me do biem Möbelstellen. Enns te greote Schrienerie, dat is alles niu verbie.

De Vatter Wiese wor en Mann, deu uns de Huiser striekere aan. Met Wittelquast un Pinselpott wor de Vatter liuter flott.

Pasteoer wor domols de Huckestein, dat konn eok en Feldgeustl'chen sein. Met sienen schwabbel'gen Fingern schleuch heu man'chmol no uns Kin- gern.

Van d'r Kerke wert vertallt knapp diusend Johre woer se alt. Suit me'dern Granserik do stohn seo sirt me siek: "Dat kann geroh'n."

Dern Kerkuaff verrammlere me ver dern Haubitzen, met Hecken un iesernen Tuinen, met Spitzen.

Deu Spitzen, dat wor'n eok Zigarrenhalter fer'n Hessen Wüll'm un d'n Bastes Walter,

- 38 - un fer virle andere Schmeuker, deu de Misse hie beseukeren.

Un hingern lesten Kerkhuaffsgatter, do pinnere de Heuels Vatter. Stirffeln un Schauh, met Reumen un Haken, lot me siek bie dermme ma- ken.

Weierte harren vie domols twei met Post un eok met Bäckerei. Bie'em Antons Franz un bie'm Metten Vater, do drapen siek liuter deu Whister un Skater.

Beckers Egon wor en Mann bie derm me alles keopen kann. Textilien un Kriut un Salt kreich me do ver Johren alt.

De Ruienauvers harren hie en Cafei' - un ne Bäckerie. Me konn en gurren Kaffei drinken, konn Kauken henn - un Breot met Schinken.

Bie Duwen lot me Butzen un Jacken un Heue fer de Köppe maken. Ne Schnieder- un ne Putzmakerie, harren deu ver Johren hie.

De Farbes Kasper wo en Genie, met plattduitsker Schaumerkermesterie. Do soh me et obends de Nobers, deu Biuern, en wenn'ch te prohlen un te liuern.

Un gong me neo en Huisken widder do harren fe jo neo en Schnieder. Met Knoipen, Näggegarn un Schere gafften siek deu Neus de Ehre.

Vie harren Handwerker un virle Biuern, un woi in d'r Industrie wor, deu wor te bediuern. De Wecker, deu schloich ümme veiere an - me schnappere Knifften - un Henkelmann - un mochte tefaute no Attendorn gohn, - ümme Sesse alt an d'r Walze te stohn.

Un wann me mol an'net Bian denket, - Luie wat heat se eak domols verrenket. Et werkdags twei Missen un sundags oft dreu, - un et nummerdags ne Andacht, un liuer op de Kneu. Wann seo virl Bian neo nit batt, dann is de ganze Welt verkaat.

Eok in unser Heller Schaule harren vie d'r Lehrer dreu. Manchmol hor me do Gejaule, oder eok mol Wehgeschreu. Deupman, Weber, Pütz, Dornieden harren erren Stock ter Hand. Alle fut un affgeschieden, doch deu Schlia blitt bekannt.

- 39 - Un wann vie widder int Ürwerduarp liuern, do was en Veierl, - nix asse Biuern, Schoppen un Misten, Schuiern un Ställe, Kaustallgebölke un Ruiensge- bälle, Spinot op d'r Strote un Hauhnderschirt, deu van dern Diers do liehen blitt, in dirser gurren allen Tiet. Iek sachte et jo: "Et eas eok virl Schirt."

- 40 - Aus meinem Leben Erinnerungen von Wilhelm Drüeke

1942 den Garten, wir hatten endlich ein Lebenszei- chen. Mutter und ich lasen gemeinsam die Obwohl von Außenminister Ribbentrop am Briefe. In einem Brief stand u.a.: Liebe Eltern Anfang des Krieges ein Nichtangriffsvertrag und Geschwister. Ich bin hier auf vorgescho- unterschrieben wurde, griffen deutsche Trup- benem Posten. Sollte euch die schlimmste pen im Sommer plötzlich Russland an. Hitler Nachricht treffen, die alle Angehörigen eines litt an Eroberungswahn. Er hatte es auf die kämpfenden Soldaten erreichen kann, nehmt Kornkammer Europas, die Ukraine, abgese- sie geduldig und gottergeben auf. Ihr wisst, hen. Große Schlachten wurden bis zur Krim, dass ich das Gebet nicht vergessen habe und Moskau und Leningrad geschlagen. Der plötz- allezeit meine Pflicht tat. lich grimmig kalte Winter, der sich über West- europa bis hin nach Spanien ausbreitete, In dem anderen Brief stand: Liebe Eltern. Ihr brachte den Vormarsch ins Stoppen. Die Moto- macht euch zu große Sorgen um mich. Ich risierung war sozusagen eingefroren. vergesse das Gebet nicht. Als erstes bete ich Zur Besetzung dieses riesengroßen Landes immer für meine Eltern und meine kämpfenden fehlten natürlich Besatzungstruppen. Unser Brüder Wilhelm, Toni, meine anderen Ge- Bataillon wurde kurz vor Weihnachten ohne schwister und alle Soldaten. zusätzliches Winterzeug nach Russland ver- Am 12. Juli 1943 starb er den Heldentod für setzt. Die 45 - 50 Grad Kälte machten der unsere geliebte Heimat." Truppe große Probleme. Darum mussten auch viele Hände und Füße amputiert werden. Viele Soldaten erlitten tödliche Erfrierungen. Die Partisanen und Untergrundbewegungen mach- ten uns schwer zu schaffen. Den August ver- brachte ich zu Hause.

Schlagzeile des Jahres 1942 5. Juli, Berlin: Sechster Titelgewinn für Schalke 04

1943

Auf den Nachschubwegen und Eisenbahnen wurden Wachtürme, Bunker und Stellungen angebracht. Bei den großen Schlachten im Osten gab es viele Verluste auf beiden Seiten zu vermelden. In Deutschland wurden ganze Städte durch die amerikanischen Bombenan- griffe zerstört. Egon Drüeke Meine Werkstatt hatte vollauf zu tun mit In- standsetzungen an Waffen und Material. Im Wie viele tausend Mütter, Väter, Frauen und Dezember kam ich nach Hause, um mich an Angehörige haben in aller Welt diese Todes- der Leiste operieren zu lassen und meinen nachrichten in Empfang nehmen müssen? So Jahresurlaub zu verbringen. auch meine Eltern, Schwester Cilly und Bruder Engelbert, die allein von uns Geschwistern Im Jahr 2000 schickte mir meine Schwester diese traurige Nachricht erhielten. Die Trauer, Cilly folgende Begebenheiten von unseren 2 wie bei allen Fällen, war übergroß. Wir hatten gefallenen Brüdern Egon und Josef: den Trost, dass er bestimmt im religiösen Sin- "Weihnachten 1942 waren beide Brüder zu ne gestorben sei. Egon hat in mehreren Brie- Hause in Milstenau. Am 2. Weihnachtstag fen erwähnt, dass er das Beten nicht verges- musste Egon wieder zurück an die russische sen hatte. Die Anteilnahme der Bevölkerung Front. Wir hörten wenig von ihm. Im Sommer war groß, die Kirche beim Seelenamt voll. In mussten wir lange auf Post warten. Eines Ta- seiner Predigt sprach der Herr Pastor auch von ges war Mutter im Garten am Johannisbeeren den Worten, die in den Briefen von Egon stan- pflücken. Ich war im Haus und konnte ein oder den. Nach dem Seelenamt war Kaffeetrinken zwei Briefe in Empfang nehmen. Ich rannte in in der Wirtschaft "Vogt".

- 41 - Schlagzeile des Jahres 1943 April: Veröffentlichung des Bestsellers "Der kleine Prinz"

1944

Wann die einzelnen Urlaube in diesen Kriegs- wirren waren, weiß ich nicht mehr. Antonie und ich haben uns die Urlaubswochen immer schön gestaltet. Es fehlte schon an allen Sa- chen und man musste gut Haus halten. An allen Kriegsschauplätzen wurden unsere Fein- de immer stärker und unsere weit vorgescho- benen Fronten gingen in Eilmärschen zurück. Die Anfang des Jahres durch geführte Leisten- operation verheilte sehr gut. Nach einigen Erholungswochen kam ich im März nach Berlin zum Ersatztruppenteil. Im Herbst wurde ich abgestellt nach Krakau zum 8. Pz.-Div. Pz.-Reg. 10 als Waffenmeister. Josef & Egon Drüeke 1942 Es war noch eine einsatzfähige Division. Die Division hatte Einsätze an den Fronten in Po- war eine sehr traurige Zeit. Gundel Fries, seine len, Ungarn, Tschechoslowakei und Ober- Braut, war auch tief traurig. Ich sehe es noch schlesien. Die Postverbindungen in die Heimat heute, wie sie weinend und fast abwesend wurden immer schlechter. In der Heimat wur- durchs Dorf hinauf kommt. Sie ist ihrem Bräu- den ganze Städte durch amerikanische Bom- tigam über den Tod hinaus treu geblieben. ber dem Erdboden gleich gemacht. Der russi- sche Druck in Richtung Berlin verstärkte sich Weil in dieser Zeit meine Eltern ihr 40jähriges immer mehr. Nach meinem letzten Urlaub Hochzeitsjubiläum hatten, wollten wir eine bekam ich nun nach 4jähriger Wartezeit die kleine Feier machen und hatten Lebensmittel- lang ersehnte Nachricht, dass meine Frau ein karten gesammelt. Jetzt brauchten wir die Kind erwartet. Die Freude war sehr groß. Sachen für Vogts zum Trauerkaffee, sonst hätten wir die Gäste nicht zum Trauermahl einladen können. Schlagzeilen des Jahres 1944 2. August, Berlin: Sportwettkämpfe werden einge- stellt. Die Vernichtung von Menschen und Material 7. November, Washington: Roosevelt wieder zum war ungeheuer. So etwas hatte die Menschheit Präsidenten der USA gewählt. noch nicht erlebt. Von den Kriegsgegnern wur- de Deutschland am 9. Mai zur bedingungslo- sen Kapitulation gezwungen. Millionen von 1945 deutschen Soldaten kamen in Gefangenschaft.

Im Januar 1945 fuhr mein Bruder Josef wieder Unsere Division lag in der Tschechoslowakei. zurück nach Budapest, er war über Weihnach- Am 8. Mai marschierten wir zu mehreren Ka- ten zu Hause gewesen. Er hatte mir vor seiner meraden in Richtung Westen, um den Russen Abreise die Schublade mit den Unterlagen zu entkommen. In der dritten Nacht kamen wir gezeigt, die wir brauchen würden, wenn er nicht über die Moldau. Um die Mittagszeit wur- nicht zurück käme. Das Herz schlug mir bis den wir von bewaffneten tschechischen Zivilis- zum Hals, ihm wahrscheinlich auch. ten im Böhmerwald festgenommen und einer Einige Zeit später kam Hubert Richard durch russischen Einheit übergeben. Wir kamen in das Dorf hinauf. Meine Mutter stand an der ein großes Sammellager. Nach einigen Tagen Nähmaschine am Fenster. Sie rief nur: "Der marschierten wir zu ca. 80.000 Gefangenen Richards Hubert kümmet. Oh unser Jung...". nach Prag. Wir bekamen 3 Tage nichts zu Sie ließ sich auf die Bank fallen. Hubert kam essen und hatten großen Hunger. Viele sind hinein. "Unser Toni, unser Toni!" Hubert nahm gestorben, oder die nicht mitkamen, wurden Mutter in den Arm. Nach einer ganzen Weile erschossen. Von russischen Posten wurden sagte er das erste Wort: "Frau Drüeke, nicht mir alle Wertgegenstände abgenommen - Ehe- der Toni, sondern Josef". Für uns war das, ring, Uhr, Kamera mit Stativ und Geldbeutel. zumal Vater schon lange schwer krank in der Viele Posten hatten schon mehrere Uhren um Stube lag, alles sehr schwer zu verstehen. Es

- 42 - den Arm, alle von deutschen Soldaten. Wer 1947 sich weigerte, bekam Kolbenstöße. Ende des Jahres wurde ich mit einem Schlos- In Prag wurden wir mit je 100 Mann in Vieh- serkommando nach Leningrad versetzt. Wir waggons verladen und über Ungarn und Ru- arbeiteten dort in einem schönen Betrieb. Un- mänien nach Russland gebracht. Endstation terkunft und Verpflegung waren besser. Von war ein Torflager bei Ribinsk nördlich von der russischen Führung wurde immer wieder Moskau. Ich wurde als Kompaniechef eingeteilt gesagt: Skora Damoi (bald nach Haus). Kran- und war für 100 Mann verantwortlich. Es war ke, die für Russland nicht mehr arbeiten konn- ein schwerer Posten. Mit sehr dürftiger Beklei- ten, starben oder kamen vereinzelt in die Hei- dung bekamen wir den Winter erst richtig zu mat. Wenn ich auch schon wegen Erschöpfung spüren. Wir lagen in amerikanischen großen einige Wochen krank war, hab ich mich doch Zelten auf vier langen Pritschen, Mann an im Großen und Ganzen gesund gehalten und Mann. Morgens um 4 - 5 Uhr mussten wir im sehr viel zur Mutter Gottes gebetet. Sommer und Winter ins Torfgelände und schwere Arbeit leisten. Torfstechen war in Nach Berichten meiner Frau Antonie wurde Russland immer eine Strafarbeit. Mit der Hei- Attendorn bei dem Bombenangriff schwer be- mat hatten wir Postkartenverbindung. schädigt. Das alte elterliche Haus von Antonie wurde wieder aufgebaut (jetzt Vergessene Mein Schwiegervater kam am 28. März beim Straße 24). Bombenangriff auf Attendorn ums Leben. Während meines Transportes nach Russland Schlagzeilen des Jahres 1947 wurde meine Tochter Brigitte am 6. Juni gebo- 13. Mai, Paris: Frankreich lässt deutsche Kriegsge- ren. Am 16. Juni verstarb mein Vater nach fangene frei. langer Krankheit (Rheuma). Am 14. Juli heira- 20. Juli, Paris: Erstmals wieder Tour de France. tete mein Bruder Engelbert seine Braut Elisa- beth Schellmann. Die Nachricht über diese Geschehnisse erhielt ich erst zur Weihnachts- 1948 zeit auf einer Karte. In diesem Jahr arbeiteten wir in hohen Roh- 1946 bauten, die vor dem Krieg erstellt wurden. Treppen wurden wieder hergerichtet und ein- Antonie wohnte mit allen Familienangehörigen gebaut. in der Breiten Straße, bis das Haus in der Ver- gessenen Straße wieder aufgebaut war. Auszüge aus einem Brief meines Schwagers Schwager Karl spielte den Ersatzvater. Karl: ... Attendorn wurde am 28.03.1945 bom- bardiert, wir erhielten 5 Bomben direkt auf Im Gefangenenlager war die Verpflegung sehr unser Grundstück. Leider nahm eine Bombe dürftig. Wir bekamen Wassersuppen mit etwas Vater mit, die bei dem Haupteingang sofort in Hafer oder Brennessel und sonstigen minder- den Garten der Promenade fiel. Vater hatte 2 wertigen Zutaten mit den regulären 200 Wunden, eine an der Schläfe und eine am Gramm Brot zu essen. Wer seine Arbeit über Hals, er muss wohl sofort tot gewesen sein, 100 % erledigte, erhielt ein paar Gramm Brot denn geblutet haben die Wunden nicht. Ich mehr. selbst kam in dem Augenblick aus Hamm, als Hin und wieder kam ich mit meinem Kamerad Vater herausgetragen wurde, nur Antonie war Ferdinand Noltenhaus aus Neuhaus bei Pa- noch da und weinte bitterlich. Die zweite Bom- derborn in eine Dorfwerkstatt. Es traf sich zu- be fiel wohl 7-10 m ab, auf die Grabenstraße, fällig, dass wir zeitweilig einem alten russi- riss den Dachstuhl und Mauerwerk von der schen Schmied unterstellt wurden. Im Laufe Fabrik herunter, die Dritte schlug vor das elter- der Gespräche erfuhren wir, dass er in Neu- liche Haus, tötete im Haus zwei Kölner und haus bei Paderborn im oder nach dem ersten Mertens Steffen (Fuhrmann). Die vierte fiel Weltkrieg Kriegsgefangener gewesen war. zwischen Gabriels und Funken Haus, tötete Dieser brachte uns ab und zu etwas Brot mit. Gabriels Mathilde und warf das gesamte Fab- Das russische Volk hatte selbst sehr wenig zu rikdach hoch und riss die Mauer ein, zertrüm- essen. merte Funken Haus. Hier müssen wir Gott danken, er erhielt unsere Frauen und Kinder, Schlagzeilen des Jahres 1946 die im Hauskeller saßen, am Leben und ohne 10. Juli, Berlin: Frauen helfen bei der Trümmerbesei- sonstige Einwirkungen davon kamen. Die fünf- tigung. 1. Oktober, Nürnberg: Urteile im Hauptkriegsverbre- te Bombe verwandelte den Funken Garten in cherprozess. ein Trümmerfeld. Auf den Dächern blieb nicht viel an Ziegeln und auch die Fenster wurden insgesamt zerschlagen, nur ein Gussfenster in

- 43 - der Fabrik wurde gerettet. Der Wiederaufbau raden und mich. Ich ahnte schon Schreckli- ist furchtbar schwer, es gibt nichts. Ich schicke ches. Wir konnten es gar nicht glauben, als der voraus wir haben alle satt und nochmals satt Dolmetscher uns sagte, wir könnten zurück in zu essen hier, sonst wäre Deine Brigitte nicht die Heimat. Wir kamen in ein Entlassungsla- so rund und gut da. Aber wir haben sehr viel ger. Dort erhielten wir bessere Kleidung und Arbeit, die Fabrik läuft wieder flotter wie je, es fuhren mit einem Sammeltransport Richtung ist gut so. ...Die Bombentrichter sind ver- Deutschland. In Frankfurt an der Oder kamen schwunden, die Fabrik wurde zuerst leer ge- zu unserem Erstaunen deutsche Zivilisten an räumt, die Dächer mit Schwarzblechen be- den Zug und baten um Brot. Was wir übrig deckt, das ist jetzt unsere größte Sorge wegen hatten gaben wir ab. In der Nacht vom 30. April dem Durchrosten. Mutter und Antonie zogen auf den 1. Mai überfuhren wir die west-ost- nach Kemmerichs, Breite Straße, wir wohnten deutsche Grenze in das Heimkehrerlager monatelang auch dort. Dann wurde meine Friedland. Von dort fuhren wir in unsere Hei- Wohnung in der Fabrik, früher Büro, aufgebaut matorte. und neue Wände gezogen, ist auch jetzt noch In Attendorn empfing mich meine ganze Ver- unsere Notwohnung. ... Die Fabrik wurde, bis wandtschaft. An der Haustür meine Frau Anto- aufs Dach, fertig. Es ist nun so weit, das elter- nie und meine vierjährige Tochter Brigitte. Sie liche Haus, hierhin wollen wir bald ziehen. ... hielt eine Blume in der Hand und sagte: "Herz- Habe den gesamten Lehm aus dem Haus lich Willkommen, lieber Papa". Da kamen mit geworfen und viele neue Balken eingesetzt, die ersten Tränen. Sie blieb den ganzen Abend das Haus wird nun wieder gut. ... Die Länder an meiner Seite. In der Zeit danach war es so, auf dem Sacke bewirtschafte ich wieder. Ha- als wären wir immer zusammen gewesen. ben 8 Hühner, 1 Ziege, 1 Schwein unterge- Im September fing ich bei Muhr und Bender bracht im früheren Vergolderaum usw. Ver- an. Ich erhielt genug Lohn, um meine Familie dienstmöglichkeiten sind gut, nur all zu viele zu ernähren. Antonie erwartete unser zweites wollen noch nicht arbeiten und machen Kind. Meine immer währende Verehrung der schwarze Geschäfte , und ich glaube gerne, in Mutter Gottes hat mich erhalten. Dass mir die den Städten geht der Hunger um. Du siehst heilige Maria geholfen hat, deute ich daraus, nun, lieber Willi, wir haben uns erholt und wer- dass ich am Muttergottestag, dem 1. Mai, zu- den wieder hoch kommen und sind gesund, rück in die Heimat kam. auch Antonie und Brigitte. Arbeit haben wir genug, ich denke so viel an Dich, wenn nur der Schlagzeilen des Jahres 1949 Willi mal käme. Du könntest mithelfen. ...Also 18. Januar, Bonn: Verfassungsrechtliche Gleichstel- halt Dich für uns am Leben, behalte den Mut, lung der Frau. es wird noch bestimmt gut werden, keine Sor- 28. Februar, Köln: Erster Nachkriegskarneval. ge um uns, Antonie oder Brigitte oder Milste- 23. Mai: Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch- land tritt in Kraft. CDU-Bundesregierung unter Bun- nau, es geht uns gut. Mit Gott weiter! Es grüßt deskanzler Adenauer. Dich Karl

Schlagzeilen des Jahres 1948 19. Mai, USA: Polaroid entwickelt erste Sofortbildka- 1950 mera. 28. Juni, Japan: Erdbeben fordert 5000 Todesopfer. Ich arbeite mit Josef Balz aus Rölleken zu- sammen bei der Firma Muhr & Bender. Er war auch in Gefangenschaft, und wir hatten uns 1949 viel zu erzählen. Am 1. Februar wurde meine Tochter Edeltraud In diesem Jahr arbeiteten wir in Fabriken und geboren. Obwohl sie nicht essen wollte, war säuberten Straßen. Im Lager waren 600 Ge- sie doch ein gesundes Kind. Ich hatte viel fangene. Anfang April kam der Lagerführer mit Freude an ihr, da ich die ersten 4 Lebensjahre Dolmetscher und suchten zwei jüngere Kame- meiner Tochter Brigitte nicht erlebt hatte.

- 44 - 1952

In diesem Jahr waren wir zum ersten Mal mit Alma und Willi Stuff in Urlaub. Die Fahrt ging nach Ägidienberg-Rondorf im Siebengebirge. Wir mussten 7,50 DM für Vollpension pro Per- son zahlen. Die Pension hatte einen der ersten Fernseher. Willi war ganz begeistert. Der Betrieb kaufte einen Pkw. Die erste ge- meinsame Fahrt ging nach Altenhundem zum Katholikentag.

Schlagzeilen des Jahres 1952 27. März, München: Attentat auf Bundeskanzler Adenauer. 25. Dezember, Berlin: Polizist an Berliner Grenze erschossen.

1953

Meiner Mutter geht es nicht besonders gut. Sie wohnt bei Else und Engelbert in Milstenau. Auf Bitten meines Schwagers Karl Heuel, sei- Mein Schwager Heinrich und Antonie sorgen ne Patent-Sicherheitsnadel-Maschine in Ord- dafür, dass sie eine kleine Rente erhält. nung zu bringen, machte ich sie nach Feier- Karl und ich fahren zur Hannover-Messe. Es abend fertig. Nach einigen Wochen baute ich ist alles sehr eindrucksvoll. Karl Heuel reißt diese Maschine nach. Zwei Monate lief die 2. "Funken"-Viegener ab, da es völlig zerbombt Maschine. Es war wohl die komplizierteste war. Es wird ein neues Lager mit Büro und 2 Arbeit in meinem Leben. Karl bat mich, ganz Wohnungen gebaut. bei ihm zu arbeiten. Daher kündigte ich bei Deutschland hat nicht genug Arbeitskräfte. Aus Muhr und Bender im Laufe des nächsten Jah- dem nahen Ausland werden Gastarbeiter ge- res. In Milstenau wurde Ingrid, das dritte Kind, holt. Sie erhalten den gleichen Lohn und sozia- geboren. Ich wurde Taufpate. le Absicherungen wie die deutschen Arbeiter.

Schlagzeilen des Jahres 1953 Schlagzeilen des Jahres 1950 1. Februar: Sturmflut an der Nordsee. 1. Januar: Demonstration gegen Benzinpreiserhö- 2. Juni, London: Krönung der englischen Königin hung (0,60 DM/l , ca. 50 % mehr als bisher). Elisabeth II. . 22. November, Stuttgart: Sieg beim ersten Fußball- länderspiel nach dem Krieg.

1954 1951 Dieses Jahr gelingt es mir endlich, den Vogel Bis Ende April 1951 habe ich bei der Firma beim Ennester Schützenfest von der Stange zu Muhr und Bender gearbeitet. Durch Verbesse- holen. Es regnete, und Antonie war mit an der rungsvorschläge erhielt ich hin und wieder Vogelrute. Ein schöner Hofstaat begleitete uns Prämien. beim Zug durchs Dorf, und nach den vielen Am 1. Mai 1951 fing ich bei der Firma Josef grauen Alltagen hatten wir viel Spaß, bis wir Heuel (Inhaber Karl Heuel) an zu arbeiten. Es Dienstagmorgen um 3.00 Uhr in die Betten wurde eine Spritzmaschine von Battenfeld in fielen. gekauft. Alle Artikel liefen gut, besonders die Produkte der beiden Nadelma- schinen. Schlagzeilen des Jahres 1954 Bei Alfons König machte ich Lehrgänge für die 21. Januar, USA: Erstes Atom-U-Boot läuft vom Meisterprüfung, die ich dann am 23. November Stapel. vor der Handwerkskammer in Arnsberg be- 20. Juni, Madrid: Hans-Günther Winkler wird auf stand. "Wunderstute" Halla Weltmeister im Springreiten.

Schlagzeile des Jahres 1951 18. April, Paris: Beginn1952 der europäischen Einigung.

- 45 - 1956-1960

Am 20.02.1958 starb meine Schwie- germutter nach 5 1/2 Jahren schwe- rer Krankheit. Antonie und meine Schwägerin Änne pflegten sie, halfen daneben Karl in der Fabrik, machten den Haushalt, erzogen die Kinder usw...

Schlagzeilen der Jahre 1956-1960 15. Februar 1956: Kältewelle in Europa 9. September 1956: Elvis Presley bricht alle Rekorde 1. Oktober 1956, Hamburg: Die "Tagesschau" geht 1954 Ennester Schützenkönig auf Sendung. 1. April 1957: Wehrpflichtige rücken zur Bundeswehr ein. 23. Juni 1957: Dortmund verteidigt Meistertitel. 11. Februar 1958, Lourdes: Anlässlich der Feierlich- keiten zur 100. Wiederkehr des Tages der Mariener- scheinung rechnet man mit 60.000 Pilgern. 1955 28. Oktober 1958, Rom: Johannes XXIII. zum 266. Papst gewählt. Am 25. Januar 1955 starb meine Mutter im 1. Juli 1959, Berlin: Lübke wird zum Bundespräsiden- Alter von 73 Jahren nach einem arbeitsreichen ten gewählt. 12. September 1959: Erster Flugkörper landet auf Leben an Herzversagen. Mutter sah ihren Tod dem Mond. voraus. Kurz vor ihrem Tod sagte sie uns, wir 30. September 1959, Nürnberg: Arbeitslosigkeit sollten trotzdem Schützenfest feiern. Das taten unter 1%. wir jedoch nicht. 8. November 1960, Washington: Kennedy zum 35. Präsidenten der USA gewählt.

1961 Ostdeutschland ist unter russischer Besatzung und daher kommunistisch. Armut, keine Frei- heit, nur Zwang. Da im Laufe der Jahre Tau- sende in den Westen flohen, begann man am 13.08.1961 mit dem Bau der Mauer. Diese wurde mit Wachtürmen und im "Niemands- land" mit Minen versehen. Tausende von Grenzposten wachten mit scharfer Munition. Viele Grenzgänger fielen ihnen zum Opfer.

Schlagzeilen des Jahres 1961 2. April: Weltbevölkerung erreicht 3 Milliarden. 12. April: Erster Mensch im All. 13. August: Die Mauer teilt Berlin und Deutschland.

1962/1963 Der Mann meiner Schwester Cilly verstarb am 26. Juli 1962.

Schlagzeilen der Jahre 1962/1963 17. Februar 1962: Sturmflut an der Nordsee. 22. Januar 1963, Paris: Deutsch-französischer Freundschaftsvertrag unterzeichnet. 22. November 1963, Dallas: Mord an Kennedy scho- ckiert die Welt.

Schlagzeilen des Jahres 1955 9. Mai, Paris: Bundesrepublik wird NATO-Mitglied 23. Dezember, München: "Sissi" erobert die Herzen

- 46 - 1964/1965 Kaiserschiessen in Ennest. Sonntags bei brül- Schlagzeilen des Jahres 1966 22. April, USA. Erstes künstliches Herz verpflanzt. lender Hitze. Schlechte Beteiligung. Nach 30. Juli, London: "Wembley-Tor" entscheidet Fuß- mehreren Schüssen wurde ich Kaiser. Abends ballweltmeisterschaft für England. feierten wir einen sehr schönen Kaiserball. Sonntagmorgen spielte die Musikkapelle in der Vergessenen Straße. Wir bauten Stühle und Tische auf, die ganze Nachbarschaft, Ver- Gedanken zum Schluss meiner Aufzeich- wandte, Freunde und Bekannte waren zuge- nungen: gen. In der Schulzeit unterrichtete unser Lehrer Herr Weber zwanzig Schülerinnen und Schüler in Musik. Wir mussten sonn- tags nach dem Hochamt Noten lernen und schreiben. Außerdem wurden kleine Volkslieder geprobt, das inte- ressierte uns mehr. Es waren Lieder wie "Im schönsten Wiesengrunde", "Jung Siegfried war ein stolzer Mann" usw. Ich musste auch öfters vorsingen, unter anderem auch: "Üb immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab und wei- che keinen Fingerbreit von Gottes Wege ab. Dann ist die Sichel und der Pflug in deiner Hand so leicht, dann singest du beim Wasserkrug, als ward dir Wein gereicht."

Schlagzeilen der Jahre 1964/1965 In den nächsten Jahren ließ mich der Inhalt 5. Oktober 1964, Berlin: Größte Tunnelflucht nach Mauerbau. dieses Liedes nicht los. Die Worte "weiche 10. Oktober 1964, Tokio: Mit letztem gemeinsamen keinen Fingerbreit von Gottes Wege ab" sitzen Auftritt bei Olympia endet gesamtdeutsche Sportpoli- heute noch fest in meiner Erinnerung. Wenn tik. die Menschen das vorgenannte Lied beherzi- 18. März 1965: Erster Spaziergang im All. gen würden, wäre der lang ersehnte Frieden in aller Welt gesichert. Diesen langen, geraden 1966 Weg versuchten mir schon mal Steine zu ver- sperren. Doch es gelang mir durch meine Fes- Am 4. Januar feierten wir im Hotel Vaut Silber- tigkeit in Glaube, Hoffnung und Liebe, den hochzeit. Pastor Klinkhammer hielt die Messe, Weg wieder frei zu machen. Auf dieses Erbgut dies war eine seiner ersten Amtshandlungen in meiner Eltern bin ich stolz und glaube fest, Attendorn. Er war erst einige Tage zuvor nach dass ich dieses höchste Gut meinen Nach- Attendorn gekommen. kommen übertragen habe. Mein größter Wunsch ist, dass auch weitere Generationen Silberhochzeit 1966 danach handeln.

Hiermit schließen wir den Abdruck der Lebenserinnerungen von Herrn Wilhelm Drüeke ab. Mit seiner Frau Antonie konnte er auch noch die Feste der Goldenen und der Dia- mantenen Hochzeit feiern!

- 47 - Der Störtenberg von Ludwig Korte

Blickt man vom Attendorner Nieders- ge. Einen Anteil an dieser Fauna be- ten Tor aus, dem ehemaligen Stört- wahrt das Attendorner Südsauerland- winklertor, in östliche Richtung, so fällt museum auf. der Blick zunächst auf das "Randge- birge", Attendorns "Böhmer-Wald" so- Im Frühjahr 1899 nahmen die "Bigge- zusagen. Hier liegt in schlichter Verpa- taler Kalkwerke" den Abbau des Kalk- ckung Attendorns begeisternder Na- steins auf. Was wir heute als ehemali- turschatz, die 1907 erschlossene gen Steinbruch sehen, ist also das Er- Tropfsteinhöhle. gebnis von sieben Jahren Arbeit, bis zur Entdeckung der Höhle um den 20. Im Frühjahr 1985 wurden weitere, Juli 1907. bislang unberührte Höhlen- teile entdeckt. Bei der Schilderung des Formen- reichtums versagen schnell die Superlative auch der Höhlenforscher.

Der Sporn des Stürzenbergs besteht aus recht reinem Massenkalk, der bankartig und steil stehend den Hügel aufteilt: Von der Tal-Landstraße ausgehend steht hinter einer Schicht aus Tonschiefer und Sandstein mit Kalklinsen (New- berrien-Schicht) ein harter Kalkstein, dessen Klippen bis etwa 1900 den öst- Das bis 1900 von aufragenden Kalkfel- lichen Horizont der Attendorner be- sen beherrschte steile Gelände wurde grenzten, Relikt der Vorderseite eines seit Jahrhunderten "Störtenberg" ge- devonischen Atolls, also aus der Zeit nannt, begrifflich identisch mit "Stür- vor mehr als vierhundert Millionen Jah- zenberg", dem jetzigen Namen. ren. Hier tritt der Rand des alten Riffs, Es gibt zu dieser Bezeichnung gleich welches die Attendorn-Elsper Doppel- mehrere Ursachen zu erwägen, denn mulde umschließt, an die Oberfläche. der Begriff kann zum einen das Her- Auch Riffkern und Riffrückseite sind stellen von keramischen Waren be- noch Teile des Stürzenbergs. treffen, denn als "Stürzen" bezeichnet man unten spitz zulaufende Becher, Die untermeerische Vergangenheit die erst geleert werden mussten, um unserer engeren Umgebung wird in sie mit dem oberen Rand aufzustellen. diesem Gestein eindrucksvoll doku- "gestürzt" also. mentiert, wie sich besonders während Es gab einst ein Gut zwischen dem des Baues der Umgehungsstraße Stadttor und dem Stürzenberg, den durch das Biggetal zeigte. Vor allem Störtewinkelshof; dass hier auch Ke- Stromatoporen und Korallen, typische ramik gebacken wurde, ist recht un- Riffbewohner, kamen um 1985 zu Ta- wahrscheinlich, denn der hier anste-

- 48 - hende Kalklehm eignet sich nicht dazu hatte. Eine Höherlegung wurde erst - ein solches Produkt tendiert mehr durch den Bau eines Bahndammes zum gebrannten Kalk hin. angeregt; man füllte das Gelände hin- Ein solideres Werk, das als "Stürze" ter dem Bahndamm auf. bekannt und genannt war, ist der ei- Zu Kaspars Zeit war der Zugang zu serne Rohling, der den Breitschmieden dem Wiesengelände unter der Burg als Grundlage für Bleche und Pfannen nur möglich durch die Sommerfurt diente. Da auch in Attendorn Pfannen beim (späteren) Schnellenberger Hos- geschmiedet wurden, waren die eiser- pital. Erst im August 1609 erleichterte nen "Stürzen" oder "Stürze" natürlich eine neue Brücke den Übergang. Der auch hier bekannt, doch dürfte bei uns Fürstenberger hatte umfangreiche der Bezug zum Stürzenberg fehlen, Wiesen- und Flußarbeiten durchführen auch wenn die Niederste Straße die lassen, um ein kompaktes Nutzgelän- Störtwinkelstraße und das Niederste de zu erreichen. Zu diesem Zweck Tor das Störtwinkler Tor genannt wur- wurde sogar der Bigge ein neues Bett den. Durch mehrmaliges abwechseln- direkt am Fuße des Burgberges gege- des Erhitzen und Ausbreiten unter dem ben und auch der Lauf des hier in die Hammer wurden die "Stürzen" zu Bigge strebenden Mühlengrabens ge- Pfannenscheiben und Blechplatten, ändert. So konnte man nun auf besse- also zu Halbfertigzeug, verarbeitet. 1 rem Wege an die Gärten gelangen, den Hopfenhof unter dem Stürzenberg, Ein weiterer Namen gebender Hinter- wo 1605 zum ersten Mal Hopfen ge- grund könnte die Sturzjagd gewesen erntet wird. Im August 1608 wird am sein, eine recht radikale Erntemeth- Stürzenberg Flachs gerupft und Rog- ode, bei der wie bei einer Treibjagd gen "geheuft"2. das Wild, durch Hecken und Zäune gelenkt, von Treibern über steile Fels- Ganz in der Nähe stand auch die Woll- kanten zum Absturz getrieben wurde. stampfe unter dem Berge, angetrieben Dieses ist eine seit der Steinzeit be- vom Mühlengrabengefälle. Der Frei- kannte und ausgeübte Art der Jagd, herr hätte die Stampfe gern ausge- grausam aber effektvoll, die oft auch tauscht gegen die Papiermühle, erbaut über den Bedarf hinaus ging. zwischen Merklinghausen und We- schede, die ihm am 22.12.1606 das Bliebe noch eine weitere, und hier die erste Papier - "5 Ries" - liefert.3 einfachste Erklärung des Namens, nämlich nach dem steil abstürzenden Die Straße von Attendorn bis Heggen Profil des Hügels. war auf der Landkarte des Sauerlan- Der Stürzenberg war bei Kaspar von des im 19. Jahrhundert violett hervor- Fürstenberg (1546 bis 1618) ein Objekt gehoben als besonders sehenswerte regen Interesses. Zur Abrundung sei- Wegstrecke, nicht zuletzt wegen der nes Umlandes kaufte er immer wieder hochragenden Felszacken am Stür- Garten- und Wiesenstücke auf, die ihm zenberg und in Biggen. meistens von Attendornern angeboten wurden. Man muss sich vor Augen Um 1802 zeichnete eine Besucherin halten, dass das Gelände vom Bigge- Attendorns das Städtchen vom Stür- fluß an leicht anstieg bis zum Rande zenberg aus, die romantische Stadtan- des Berges, und soweit immer wieder sicht erschien im Buche "Westfalia bei Hochwasser unter Nässe zu leiden 2 16.08.1608 lt. Tagebuch des Kaspar von 1 N. Scheele, Die Schmiedezunft in Olpe, HSO Fürstenberg in der Bearbeitung von Alfred 1, S. 15 ff, S. 26 Anmerkung 5 Bruns, 2. Aufl. Münster 1985, Band 2, S. 406 3 Tagebücher aaO, Band 2 S. 343

- 49 - Picta"4, wo der Standpunkt der Zeich- Über den Stürzenberg dürfte eine der nerin Julia von Wendt-Papenhausen beiden Wegstrecken des Pilgerweges allerdings mit der Unterschrift zuge- nach Santiago de Compostela auf At- wiesen wird: "Bild von der Anhöhe ei- tendorn zu verlaufen sein - die andere nes Hügels mit rauhen Gesteinsforma- verlief unter dem Mooskamp auf die tionen auf das im Tal gelegene Atten- Biggebrücke zu und in die Stadt. dorn. Mit Schnellenberger Hospital, Hospital, Hospitalkirche, Franziskaner- In der Zeit der Bomberflüge im 2. Welt- Kirche und Pfarrkirche", und im Text krieg diente der Stürzenberg den At- "von der Burg Schnellenberg aus ge- tendornern als Schutz bei Flieger- sehen". Der Standpunkt ist aber ein- alarm. Der Bombengefährdung aus- deutig der Stürzenberg; das zeigen der weichend nahm die Fa. Imbert - Gene- Biggelauf, der Straßenverlauf auf die ratorenbau im nahen Gelände die Pro- Zeichnerin zu und auch die Ansicht duktion von Holzvergasern für Kraft- des Schnellenberger Hospitals. Ferner fahrzeuge auf, wo vorher der große würde an der Burg kein Felsen aufra- Ringofen der Biggetaler Kalkwerke und gen, der sich auf der rechten Seite der das dazu gehörende Brennmeister- Zeichnenden breit macht, und der dazu haus gestanden hatten. Die Imbert- noch, gut erfasst, das Kalkgefüge des Verwaltung befand sich im Alten Rat- Gesteins zeigt. Man sieht auch, dass haus am Attendorner Marktplatz. es sich hier um zwei Felsentürme han- delt. In unserer Zeit hat das Brauchtum ei- nen hohen Stellenwert, und so ziehen

Stürzenberg - Kalksteinabbau 1907. Aus: FORCK, Attendorn und Umgebung

auch die österlichen Feuerbräuche 4 Westfalia Picta, Erfassung westfälischer immer wieder aktive und passive Teil- Ortsansichten vor 1900. Bielefeld 1987, Band nehmer an, zu Osterkreuz und Fackel- 1 Hochsauerlandkreis/Kreis Olpe, S. 101f

- 50 - schwenken am Osterabend auf dem Literatur: Stürzenberg. So grüßt dann der Stür- Brunabend-Pickert-Boos, ATTENDORN - Schnellenberg, Waldenburg und Ewig. A- zenberg feurig in die österliche Nacht. schendorff, Münster 1958, S. 18; 38; 55; 311; 368 Im Herbst des Jahres 2004 tauchen Die Tagebücher Kaspars von Fürstenberg, Teil Pläne auf, unter dem Stürzenberge auf I und II, bearbeitet von Alfred Bruns, Aschen- dem ehemaligen Industriegelände eine dorff, Münster 1985 Karst und Höhle 1991/92 - Beiträge zur Karst- Mehrzweckhalle aufzustellen. Man und Höhlenforschung in der Attendorn-Elsper spricht schon jetzt von einem "Event Doppelmulde, S. 25-71 Center". Auch hier sollte man heimat- Ahrweiler, Rainer, Die Entdeckung der Atten- lich denken und sagen, denn um vieles dorner Tropfsteinhöhle und die Anfänge des besser würden eine "Störtenberghalle" Schauhöhlenbetriebes, in: DER ANTIBERG, Heft 42, Hemer, März 1990, S. 2-11 oder ein "Stürzenbergbau" hierher Geologisches Landesamt NRW, geologische passen. Karte 1:25000, geologische Karte Blatt 4813 Attendorn und Erläuterungen zur geologischen Karte 4813.

Zur Titelabbildung: Stromatoporen, eine Ordnung ausgestorbener, koloniebildender Organismen, die vermutlich zu den Schwämmen gehörten. Sie bildeten ein kalkiges Skelett aus und waren meist unregelmäßig geformt. Als bedeutende Riffbildner waren sie maßgeblich am Aufbau devonischer Riffe beteiligt. ( Koch, Lutz u.a.: Vom Ordovizium bis zum Devon - Die fossile Welt des Ebbe-Gebirges, Hagen 1990)

Stromatoporen, von Korallen Zwillings-Stromatoporen durchwachsen Fundort: Attendorn-Stürzenberg

Fotos: Ludwig Korte

- 51 - BB