Zwischenraum Das Magazin der Katholischen Akademie Schwerte

01 | 2020 Inhalt Editorial

3 22 Unser Zusammenleben beruht auf christlichen Werten. Humanismus: Artist in Residence – Damit eng verbunden sind die Sorge, die Verantwortung und islamische, christliche und Ausstellung 2019 säkulare Perspektiven Text: Stefanie Lieb die Hilfe für Menschen in Not. An diese christlichen Text: Dr. Dr. Florian Baab Kernbegriffe hatte ich erinnert, als ich immer wieder durch

23 ­Zwischenrufe wie »Scheiß Staat!« und durch hämische 6 Auschreibung: ­Bemerkungen ­unterbrochen wurde. Regenwald Artist in Residence- Dr. Walter Lübcke und Weltkirche Stipendium 2020 Interview mit der Hessischen / Niedersächsischen Allgemeinen Text: Michel Focke 16.10.2015 24 10 Die neue Lorenz Kardinal Jaeger Sommerkunstakademie In welcher Welt leben wir eigentlich? Hass Beleidigungen noch von dem Recht auf und Hetze im Netz und auf den Straßen, Meinungsfreiheit gedeckt sieht?! als Ökumeniker startet 2020! Beschimpfungen und Morddrohungen auf Und wir? Da bieten wir akademische Text: Nicole Priesching Text: Stefanie Lieb offener Bühne, Anschläge auf Synagogen Vorträge, Seminare und Konferenzen an, und Attentate auf Politiker … Die Rede ist wohl wissend, dass uns Welten trennen von nicht von Kriegsverbrechen in Syrien oder jenen, die mit unglaublicher Wut im Bauch 16 26 Afghanistan, von Drogenkriegen in Kolum- das gesellschaftliche Klima vergiften. Doch bien oder Mexiko oder der Erinnerung an wie geht man um mit Stimmungen und Theorien der Gerechtigkeit Sakralbauten der vergangen geglaubte demagogische Hass­ Stimmungsmache? Denn in einem emotional Text: Prof. Dr. Michael Bösch Architektenfamilie Böhm tiraden im letzten Jahrhundert ... Es ist aufgeheizten Klima verfangen keine Argu- vielmehr der traurige Befund deutscher mente. Da zeigt sich einmal mehr, wie Alltagswirklichkeit dieser Tage. Der gewalt- wichtig und unverzichtbar eine qualifizierte 19 27 same Tod des Kasseler Regierungspräsi­ und differenzierte Bildungsarbeit ist. Sie Ausstellungen denten Dr. Walter Lübcke, der Anschlag auf macht sensibel für die großen und kleinen, Forschungsprojekt die Synagoge in , die bedrohlichen für die offensichtlichen und die versteckten zu Kirchenumnutzungen und Konzerte Aufmärsche von Neonazis …, all das erzeugt Anzeichen von Antisemitismus, Rassismus, Text: Stefanie Lieb ein Klima der Angst, der Vorsicht und des Menschenfeindlichkeit und anderen Formen Misstrauens. Die Polizei schaut untätig zu, von Ausgrenzung. Sie befähigt Menschen, 28 wenn Demonstranten einen Galgen für die gegen jede Art von Rechtsextremismus und Veranstaltungen Kanzlerin hochhalten. Von wem kann man Antisemitismus einzuschreiten und sich noch Zivilcourage einfordern, wenn die aktiv für Demokratie, Menschenwürde und Januar – Juni 2020 Justiz – wie zuletzt das Berliner Landgericht Solidarität einzusetzen. – selbst wüsteste Beschimpfungen und

1 THEOLOGIE + PHILOSOPHIE

Als Ideengeber und Ausrichter der 8. Werte- Menschen, die ihm begegnet sind, anrühren konferenz (02.12.2019) steht unsere Aka- und herausfordern lassen. Aus dieser Humanismus: demie zusammen mit Bündnispartnern aus Bereitschaft, nicht wegzuschauen und sich Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und weg zu ducken, sondern Verantwortung zu Kultur für ein gemeinsames bürgerschaft­ übernehmen, hat sich über die Jahre ein islamische, christliche und liches Engagement: ein starkes Signal für Flächenbrand gelebter Liebe entwickelt, Zivilcourage und den entschiedenen ein weltweites Netzwerk der »Familie der Willen, dazu beizutragen, dass unser Land Hoffnung«. Durch sie haben zigtausende säkulare Perspektiven auch in Zukunft stark, sicher und lebens- Menschen, gezeichnet vom Leben auf der wert bleibt. Menschlichkeit gewinnt! Auch Straße, von Drogensucht, Kriminalität Rückblick auf eine Kooperationsveranstaltung das gehört zu dem bildungspolitischen und Prostitution, wieder zurück ins Leben Auftrag unserer Akademie, die sich seit gefunden – gewissermaßen die christliche des Zentrums für Islamische Theologie, ihrem Bestehen für Dialog, Verständigung Variante, dafür zu leben und zu arbeiten, und Versöhnung einsetzt. Mit dem Com­ damit unsere Gesellschaft auch in Zukunft des Seminars für Fundamentaltheologie und munio-Preis der Katholischen Akademie menschlich bleibt. Wir sind dabei! ­Religionsphilosophie der WWU Münster Schwerte, der am 8. August 2020 an den deutsch-brasilianischen Franziskaner Frei und der Katholischen Akademie Schwerte Hans Stapel OFM verliehen wird, setzen Text: Florian Baab wir zugleich ein Zeichen für solidarisches Handeln und engagierte Menschlichkeit.

P. Stapel hat, wie er sagt, schlicht »einfach Prälat Dr. Peter Klasvogt angefangen« und sich von der Not der Akademiedirektor Editorial

2 3 Zurück zum Inhalt Gottebenbildlichkeit bei Wolfhart Pannen- der Menschenrechte aus christlichen Wurzeln berg und einem transzendentalen Freiheits- und zum Stand der Menschenrechtsdebatte verständnis in Anlehnung an Hermann im Kontext gegenwärtiger islamisch-theo- Krings. logischer Debatten. Am nächsten Vormittag stellte Florian Am Sonntagvormittag zeigte sich sowohl Baab die Überlegungen Karl Rahners zur in den Rückblenden auf das Seminar wie Möglichkeit einer Rede von einem »Christ- auch in der an eine Gruppenarbeitsphase lichen Humanismus« vor: Humanismus anschließenden Schlussdiskussion, dass sich bedeutet Rahner zufolge immer ein Eintreten zwar manches Verständnisproblem geklärt für ein je eigenes, der Zukunft verpflichtetes hatte, einige Fragen aber offen geblieben Menschenbild; der Glaube an Gott verleiht waren. Insbesondere galt dies, wie deutlich in diesem Kontext dem Humanismus das wurde, für die Frage: Ist eine Letztbegrün- immer notwendige negative Element – der dung der Menschenrechte und der Men- Mouhanad Khorchide und Joachim Kahl

Mensch kann sein Wesen nicht im Sinne schenwürde auf theistischer Basis im Vorteil, Hu m ani sm u s : i la c he , h ri tlic und äkular e P r spe ktiv n einer »absoluten Wahrheit« selbst ergrün- weil sie, anders als ein säkulares Verständ- den, das bleibt Gott vorbehalten. nis, auf einen absoluten Grund verweisen Das Wort »Humanismus« gehört zu den Mit Fragen dieser Art befasste sich vom Theologen reden ja immer wieder einmal kann? Oder ist womöglich eine nicht-theis- eher uneindeutigen und daher nicht un- 28. bis zum 30.06.2019 das interreligiöse über den Atheismus, aber nur selten mit tische Haltung, die den anderen Menschen umstrittenen Begriffen unserer Zeit: Seminar »Humanismus in Islam und Christen- bekennenden Atheisten – als ein insbeson- als Menschen (und ohne Verweis auf Gott Humanisten in einem allgemeinen Sinne – tum«, eine Kooperationsveranstaltung des dere auch für die Studierenden besonderes als Stifter von »Würde«) für unbedingt also Menschenfreunde, die die Würde und Münsteraner Zentrums für Islamische Highlight erwies sich daher der Gastvortrag wertvoll erachtet, in diesem Punkt dem die Rechte ihrer Mitmenschen achten – Theologie und des Seminars für Fundamen- des bekennenden protestantischen »Ex-Theo- Theismus moralisch überlegen? – Nun sind sind wir ja hoffentlich alle, unabhängig von taltheologie und Religionsphilosophie logen« und säkularen Humanisten Joachim offene Fragen nichts Schlechtes, sondern unserer religiösen Orientierung oder Welt- sowie der Katholischen Akademie Schwerte Kahl. Kahl wählte das Vorwort von Bertrand immer auch ein Hinweis darauf, dass man anschauung. Sieht man sich jedoch genauer unter der wissenschaftlichen Leitung von Russells Autobiographie als Grundlage für noch einen gemeinsamen Denkweg vor sich an, wer in den Diskursen der vergangenen Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, Prof. Dr. Dr. seinen Vortrag, ein knappes Lebenszeugnis hat. Schon deshalb wird die Kooperation Jahrzehnte und bis in die Gegenwart den Bernhard Nitsche und Dr. Dr. Florian Baab. eines überzeugten Atheisten, der, so Kahl, zwischen dem Zentrum für Islamische Humanismus in Anspruch genommen hat, Knapp 20 Studierende der islamischen und das Beste aus der reinen Diesseitigkeit des Theologie, dem Seminar für Fundamental- wird die Lage deutlich komplizierter: Es der katholischen Theologie debattierten Lebens gemacht habe. Von ihm lasse sich theologie und Religionsphilosophie in gibt den Humanismus als Bildungsideal drei Tage lang über die Potentiale und Grenzen eine Haltung der existenziellen Aufrichtig- Münster sowie dem von Dr. Ulrich Dickmann eines konservativen Bürgertums (Humanis­ des Humanismus in den interreligiösen und keit lernen: Man müsse das Glück des geleiteten Fachbereich Theologie und Philo- tisches Gymnasium), den Humanismus als säkularen Diskursen der Gegenwart. Als Gast- Lebensgenusses auskosten und die damit sophie der Katholischen Akademie Schwerte erst nachträglich so bezeichnete geistige referent war zudem der evangelische Theologe einhergehende Melancholie angesichts des eine Fortsetzung finden. Für dieses Mal danken Strömung des ausgehenden Mittelalters und säkulare Humanist Dr. Dr. Joachim Kahl »klaffenden Abgrundes« des eigenen Todes wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ( ) ( ) Hu m ani sm u s : i la c he , h ri tlic und äkular e P r spe ktiv n Renaissance-Humanismus , es gibt marxis­ Marburg eingeladen. aushalten lernen. Von den Studierenden tern der Akademie für die großartige Beglei- tische, existentialistische und libertäre Nach einer ersten vormittäglichen und auch von den Dozenten wurden diese tung und alle Unterstützung – wir freuen Formen des Humanismus; der »Humanisti- Einführung in die komplexe Geschichte des eher theologiefremden Ausführungen uns auf ein Wiedersehen im Sommer 2020 sche Verband Deutschlands« und andere Humanismusbegriffes durch Florian Baab interessiert aufgenommen und bis in den in Schwerte! säkular-humanistische Vereinigungen stellten Mouhanad Khorchide und Bernhard frühen Nachmittag hinein rege diskutiert definieren sich selbst als Weltanschauungs- Nitsche in zwei Nachmittagseinheiten ein und kritisch hinterfragt. gemeinschaften für Menschen ohne Religion; monotheistisches Humanismusverständnis Die letzte Einheit des Samstags war dem auch religiöse Menschen bezeichnen sich zur Debatte: Mouhanad Khorchide plädier- Thema »Humanismus und Praxis« gewidmet. als Humanisten. Wem also »gehört« der te dafür, in Gott aufgrund der unbedingten Hier kamen nun die Themen Menschen- Humanismus? Und: Könnte es möglich sein, Liebe zum Menschen als seinem Stellvertre- rechte, Menschwürde und die Frage nach den Begriff auch für den inter- und trans­ ter (Kalif) den »absoluten Humanisten« zu dem Wesen des Inhumanen zur Sprache. religiösen Diskurs der Gegenwart nutzbar sehen; Bernhard Nitsche flankierte diesen Hierzu referierten Bernhard Nitsche und zu machen? Vorschlag durch einige Überlegungen zur Mouhanad Khorchide zur Frage der Genese

4 5 Zurück zum Inhalt Kirche + Gesellschaft Regenwald und Weltkirche Mitglieder der Campus-Weggemeinschaft e. V. unter Leitung von Dr. Peter Klasvogt in Brasilien Text: Michel Focke Rege nwald und We ltkirc he

Unter der Leitung von Akademiedirektor dass der christliche Glaube am besten im Dr. Peter Klasvogt besuchten neun Mitglieder Dienst am Nächsten gelebt wird. Auf der Campus-Weggemeinschaft e. V. Brasilien diese Weise ergänzen sich die verschiedenen ­ auf ihrer mehrwöchigen Reise im August. Charismen zu einem großen Ganzen im Erste Station war die Millionenstadt Forta- Geiste des Evangeliums. und Pastor Hans Stapel setzte diese sich auf denen ehemals drogenabhängige Männer leza, Hauptstadt des Bundestaates Ceará: Daneben erhielt die Gruppe hier aller- zusammen aus Seminaristen des Priester­ oder Frauen zurück ins Leben finden können. Hier war die Gruppe im Condomínio Espi- dings auch erste Einblicke in die sozialen Prob- seminars und jungen Erwachse- In familiärer Gemeinschaft, die von Nächs- ritual Uirapuru (CEU) zu Gast. Inmitten der leme, welche die große Ungleichheit und nen, die einen Beruf in der Kirche ergreifen tenliebe und Respekt geprägt ist, können Millionenstadt ist hier seit dem Jahr 2000 die Armut in einem Land wie Brasilien mit möchten. Direkt im Sockel der berühmten die »Recuperanten« hier neuen Mut und neue ein weltweit einmaliges Projekt beheimatet, sich bringen. Verschiedene Projekte betreuen Cristo Redentor-Statue weithin über Rio Kraft für ein Leben ohne Drogen sammeln. das deutlich macht, in welch vielfältiger hier Waisenkinder, Obdachlose und Opfer de Janeiro sichtbar, durfte die Gruppe eine Der Glaube und das Leben nach den Worten Form Kirche für die Menschen da sein kann: von Kriminalität, Drogen und Gewalt. Messe feiern und im Anschluss den einma­ des Evangeliums geben hierbei den nötigen Auf dem Gelände einer ehemaligen Farm Gerade die persönlichen Geschichten und ligen Ausblick über die Stadt am Atlantik Halt und die Orientierung. Ursprünglich in haben sich hier 23 christliche Gemeinschaf- Schicksale, die der Gruppe von den Bewoh- genießen. Und auch in Rio de Janeiro traf Guaratinguetá gegründet, finden sich die »Höfe ten zusammengefunden, um ein sichtbares nern des CEU in teils sehr intensiven Gesprä- die Gruppe beim Besuch zweier Ordens­ der Hoffnung« heute auf der ganzen Welt. Zeichen der Gegenwart Gottes zu setzen. chen erzählt wurden, werden wohl noch gemeinschaften wieder auf Menschen, die Unter Leitung von Pastor Christian Heim, Die Gemeinschaften bilden in ihrer Ver- lange nachwirken. sich mit beeindruckender Hingabe den Leiter der Fazenda Guaratinguetá, lernten schiedenheit die Vielfalt des Glaubens ab: Nächste Station der Reise war Rio de Armen in den großen Favelas der Stadt die beiden Gruppen aus dem Erzbistum die So ist im CEU die kontemplative Ordens­ Janeiro. Hier vereinte sich die Gruppe mit widmen. vielfältige Arbeit auf den Fazendas näher gemeinschaft genauso beheimatet wie die einer zweiten Gruppe des Erzbistums Pader- Die nächsten Tage der Reise waren die kennen. Ein Gespräch mit Antonio, dem Gemeinschaft, die jedes Jahr ein christliches born, mit der sie auch den Rest der Reise Gruppen auf der Fazenda da Esperança im ersten Recuperanten der Fazenda, brachte die Jugendfestival mit mehreren Hunderttau- verbringen würde. Unter Leitung von Pastor brasilianischen Bergland von Guaratinguetá Anfänge der Fazendas in den 1970er Jahren send Jugendlichen veranstaltet. Eines haben Stefan Kendzorra (Leiter Diözesanstelle zu Gast. Die Fazendas da Esperança (zu an einer einfachen Straßenecke näher. sie jedoch alle gemeinsam: Die Überzeugung, Berufungspastoral im Erzbistum Paderborn) Deutsch »Höfe der Hoffnung«) sind Höfe, Umso beeindruckender waren danach die

6 7 Zurück zum Inhalt Rege nwald und We ltkirc he

Besichtigungen der verschiedenen Einrich- den Gruppen aus Paderborn viel Zeit und waren Thema der Gespräche. Im Hafen von tungen, die daraus entstanden sind. Neben berichtete auf sehr eindrückliche Weise Santarém konnte die Gruppe das Kranken- dem Leben in familiären Gemeinschaften davon, was es bedeutet, das Evangelium haus-Schiff »Papa Francisco« besichtigen, und der regelmäßigen Auseinandersetzung ganz konkret jeden Tag aufs Neue zu leben. das den Menschen in den abgelegenen mit der Botschaft des Evangeliums gehört Dass diese konkrete Umsetzung des Evan- Regionen am Amazonas zugute kommen auch die Arbeit in den Einrichtungen der geliums das Gesicht der Welt und die soll und im August getauft wurde. Auf Fazendas zum Konzept der Fazenda de Espe- Biografien vieler Menschen nachdrücklich verschiedenen Gemeindefesten im Bistum

nwald und We ltkirc he Rege nwald rança. So werden in Guaratinguetá unter positiv verändern kann, zeigen die Fazendas, Óbidos wurde der Besuch aus Deutschland anderem Recycling-Möbel und Produkte die weltweit entstanden sind, deutlich. herzlich empfangen, konnte mit den aus Aloe Vera hergestellt. Die Gruppen waren sich in diesem Sinne Einheimischen ins Gespräch kommen und In Erinnerung werden allerdings wohl einig, dass in Pater Hans Stapel ein wirklich sich ein Bild davon machen, wie der Glaube weniger die Besichtigungen der »handfes- würdiger Preisträger für den Communio- in brasilianischen Gemeinden gelebt wird. ten« Einrichtungen bleiben, als vielmehr die Preis 2020 gefunden wurde. Was von der Reise bleibt, sind viele beeindruckenden Gespräche vor Ort: Die Ein ganz anderes Brasilien durften die Eindrücke und persönliche Gespräche, die Der COMMUNIO-Preis wird alle zwei Jahre von der Gesellschaft zur Förderung der Katholischen Menschen auf der Fazenda zeigten durch ihre Gruppen im nächsten Abschnitt der Reise in den jungen Erwachsenen wohl noch ­Akademie Schwerte e.V. sowie der Campus-Weg­ ganz eigenen Biografien, die oft von Schwie- kennen lernen: Im Amazonasgebiet waren lange nachwirken werden. gemeinschaft e.V. gestiftet und besteht aus einer rigkeiten und Rückschlägen geprägt waren, sie zu Gast bei Bernhard Johannes Bahlmann Glasskulptur der Künstlerin Susanne Precht. Er würdigt Persönlichkeiten, Institutionen oder Ge- dass es im Leben vor allem darauf ankommt, OFM, Bischof des Bistums Óbidos. Der meinschaften, die sich in herausragender Weise um seine persönliche Berufung zu finden und gebürtige Deutsche war maßgeblich an der Dialog, Verständigung und Versöhnung zum Auf- dass diese Berufung selbst in schwierigsten Amazonas-Synode beteiligt und konnte aus bau einer menschenwürdigen und lebenswerten Gesellschaft bemühen. Die beiden Vereine und die Lebensphasen Kraft spenden kann. erster Hand über die Situation der Kirche Katholische Akademie Schwerte möchten mit dem Beim Besuch der Fazenda bot sich den im Amazonas-Gebiet und die Themen der Preis eine Bühne bieten, die dieses Engagement in jungen Erwachsenen zudem die Möglich- Synode berichten. Auch der Schutz der besonderer Weise in den Mittelpunkt stellt und zur Videos der Reise finden Sie im Internet unter: Nachahmung aufruft. Der COMMUNIO-Preis 2020 keit, den Preisträger des Communio-Preises indigenen Bevölkerung sowie der einmaligen www.erzbistum-paderborn.de/aktuelles/ wird am 08.08.2020 in der Katholischen Akademie 2020 persönlich zu begegnen: Pater Hans Natur im Amazonas-Gebiet, das durch erleben-dass-religiositaet-nicht-bloss-tradition-ist/ Schwerte an Pater Hans Stapel OFM verliehen. Stapel OFM nahm sich im Gespräch mit Rodungen mehr und mehr bedroht ist,

8 9 Zurück zum Inhalt GESCHICHTE + POLITIK

Prof. Dr. Joachim Schmiedl (Vallendar) Prof. Dr. Jörg Seiler (Erfurt) charakterisierte Lorenz Kardinal Jaeger führte aus, dass Jaeger zu besonderen die ökumenische Haltung Jaegers näher in Gelegenheiten und regelmäßigen Anlässen seinem Vortrag »Offene Türen – Konvertiten­ einen Hirtenbrief schrieb. Neben den seelsorge – Una fides. Spannungsfelder für als Ökumeniker Fastenhirtenbriefen sind eine Besonderheit Jaegers Ökumenearbeit in den 1950er Jahren«. in der lehramtlichen Verkündigung Jaegers Dabei wurde deutlich, dass der Ökumeniker die Schreiben an den Klerus, die er mit Jaeger die progressive Una-Sancta-Bewegung Tagung der Kommission für Kirchliche großer Regelmäßigkeit zu jedem Neujahr möglichst ausschließen wollte, während er Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn verfasste. Sie zeigen ihn als Bischof, der von hingegen zum Beispiel Sympathien für den seinen Priestern hohen Einsatz erwartete, Winfriedsbund hegte. Dieser kümmerte sich Text: Nicole Priesching aber auch ihre Nöte und Sorgen registrierte. vor allem um die Konvertitenseelsorge. Eine Wichtige Schwerpunkte blieben ihm die Anlaufstelle für Konversionswillige war in Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist, zudem die »Offene Tür«, aus worunter er vor allem den Liberalismus, welcher sich später die Telefonseelsorge Individualismus und Kollektivismus fasste. entwickelte. Insgesamt zeigen die Initiativen

Nicht nur den Priestern, sondern allen Jaegers zur »una fides« seine Bemühungen L or e nz K ardinal Ja ege r al s Öku me nik Gläubigen empfahl er ein heiligmäßiges um eine rechtgläubige Ökumene. Zur zweiten Fachtagung des Forschungs- meldete. Nach Burkard sei dies auf eine Leben. So stark Jaeger vom konziliaren Am Donnerstagabend konnte im Rahmen projekts »Lorenz Kardinal Jaeger (1892 – Scheu Jaegers zurückzuführen, dass seine Aufbruch, besonders im Hinblick auf die einer Buchpräsentation der erste Band des 1975)« versammelten sich vom 29. bis zum Positionen autoritativ gewertet würden. Ökumene, ergriffen war, wird doch auch Forschungsprojekts »Lorenz Kardinal Jaeger 31. August 2019 über 40 Historiker/-innen Er wies auf die Bedeutsamkeit von Seiten- deutlich, wie ab 1968 eine Ernüchterung (1892 –1975)« präsentiert werden. Es handelt sowie Theologinnen und Theologen aus gesprächen hin. Der Anteil Jaegers an der Platz griff. sich dabei um den Tagungsband zur ersten ganz Deutschland in der Katholischen Aka- Entstehung des »Arbeitskreises« 1946 sei Fachtagung »Lorenz Jaeger als Theologe«. demie Schwerte. Prof. Dr. Nicole Priesching als Endpunkt einer langen und komplizier- (Paderborn) leitete die Fachtagung »Jaeger ten Entwicklung zu beschreiben, wobei als Ökumeniker« in ihrer Funktion als die treibende Kraft wohl Dompropst Paul Vorsitzende der Kommission für Kirchliche Simon gewesen sei. Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn. Im Anschluss daran wies Prof. Dr. Volker Es war die zweite von insgesamt fünf Fach- Leppin (Tübingen) auf die Asymmetrie in den ­tagungen, die im Jahresabstand stattfinden. Anfangsjahren des Ökumenischen Arbeits- Prof. Dr. Dominik Burkard (Würzburg) kreises hin: Wilhelm Stählin hatte als evan- eröffnete die Reihe der Vorträge mit der gelischer Bischof kaum direkten Kontakt Frage, welche Rolle Jaeger im sogenannten mit Jaeger, sondern eher mit Paul Simon und »Jaeger-Stählin-Kreis« zwischen 1946 und nach dessen Tod mit Josef Höfer. Dieser 1958 einnahm. Dabei führte er drei Beobach- aber verlor im Zusammenhang seines tungen aus: Die Bezeichnung »Jaeger-Stählin- gescheiterten Versuchs, eine evangelische Kreis« taucht erstens so nicht in den Quellen Stellungnahme zum Assumptio-Dogma an auf. Hier ist die Rede von »Arbeitsgemein- den Papst zu vermitteln, das Vertrauen der schaft«, »Theologenkommission« oder evangelischen Partner, so dass dann doch schlicht »Arbeitskreis«. Zweitens: Jaeger trat mehr und mehr Jaeger selbst in den Vorder- in der theologischen Sachdiskussion nicht grund rückte. Aus der Zusammenarbeit auf. Drittens: Die prägenden Gestalten erwuchs ein vertrauensvolles Miteinander, waren stattdessen Paul Simon, Josef Höfer in dessen Verlauf es auch möglich wurde, und Hermann Volk. Daraus ergibt sich die diplomatische Vermittlungen zwischen EKD Frage, warum sich Jaeger fast nie zu Wort und DBK vorzunehmen.

10 11 Zurück zum Inhalt Den Freitag eröffnete Dr. Michael Hardt Im Anschluss daran ging der Liturgiewissen- (Paderborn) und würdigte die Förderung der schaftler Prof. Dr. Stefan Kopp (Paderborn) ökumenischen Forschung und die Mit- auf den Gründungsprozess der beiden arbeit im Netzwerk der Ökumene als eine einzigen ökumenischen Kirchenzentren im der bedeutenden geschichtlichen Leistungen Erzbistum Paderborn ein (Meschede-Nord des zweiten Paderborner Erzbischofs Lorenz und Hagen-Helfe). Angesichts der dünnen Jaeger. In der Fuldaer Bischofskonferenz Quellenlage lasse sich nur am Beispiel von brachte Jaeger eine Reihe von ökumeni- Hagen-Helfe Jaegers Rolle deutlich heraus- schen Initiativen auf den Weg, zuletzt mit arbeiten. Hier stellte sich heraus, dass sich der Gründung des Johann-Adam-Möhler-­ Jaeger im Vorfeld Sorgen um die Nivellie- Instituts in Paderborn in der alleinigen Träger- rung ökumenischer Grenzen machte. Die schaft des Erzbistums Paderborn. Das Initiativen für beide ökumenische Kirchen- Institut sollte die Erträge der Konfessions- zentren kamen auch nicht »von Oben«, Joachim Schmiedl bei seinem Vortrag Johannes Oeldemann mit dem Thema kunde und Kontroverstheologie der ver- sondern aus den Gemeinden. Diese Impulse »Verkündigung und Lehramt Lorenz Jaegers »Lorenz Kardinal Jaeger und die Paderborner Beziehungen gangenen Jahrzehnte sammeln und bündeln dürften auf die Intensivierung ökumeni- im Spiegel seiner Hirtenschreiben« zu den Kirchen des christlichen Ostens« und Mitarbeiter für den Dienst in der scher Beziehungen in den 1960er Jahren Diaspora theologisch zurüsten. In der zurückzuführen sein. Die Kirchenleitungen

Konsequenz der ökumenischen Initiativen (kath. und ev.) stimmten 1969 /1970 zwar L or e nz K ardinal Ja ege r al s Öku me nik von Lorenz Jaeger liegt auch seine Initiative grundsätzlich zu, hegten aber in beiden als die Suche nach den Gemeinsamkeiten Dr. Saretta Marotta (Leuven) rekonstruierte zur Gründung des Einheitssekretariats in Fällen auch jeweils Bedenken, die sich bis zwischen den Konfessionen, aufgrund Jaegers Rolle für die Anfangszeit von zwei Rom und seine Mitarbeit in den Gremien in die bauliche Gestaltung auswirkten. deren verbleibende Differenzen hinsichtlich parallelen ökumenischen Wegen, die in des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Der Vortrag von Prof. Dr. Lucia Scherz- ihres kirchentrennenden Charakter befragt die Gründung des Einheitssekretariates Vorbereitung des Ökumenismusdekretes. berg (Saarbrücken) konzentrierte sich auf werden müssen, war Lorenz Kardinal Jaeger mündeten, und zwar der Weg von Johannes Nach PD Dr. Burkhard Neumann (Pader­ die Themen »Situation in der evangelischen kein ökumenischer Theologe, sondern ein Willebrands als Sekretär der Katholischen born) schreibt Erzbischof Lorenz Jaeger der Kirche und Theologie«, »Interkommunion« Kontroverstheologe alten Stils, der aller- Konferenz für die ökumenischen Fragen Theologie zwar immer eine besondere und »Anerkennung der Ämter« und Lorenz dings das »protestantische Prinzip« für ein und der Weg des Jesuiten als Verantwortung für die Überwindung der Jaegers entsprechende Beurteilungen und Korrektiv für die katholische Kirche halten Fürsprecher der Ökumene innerhalb des Kirchenspaltung zu, aber diese spiegelt sich Entscheidungen in den Jahren 1966 bis konnte. römischen Heiligen Offiziums. Jaeger stand faktisch erst ab 1956, im Zusammenhang 1973. Vor allem in Berichten zur ökumeni- Dr. Thomas Pogoda (Magdeburg) zeigte seit Anfang 1951 mit beiden Männern in mit der Errichtung des Johann-Adam-Möhler- schen Lage, die Jaeger für verschiedene auf, dass Lorenz Jaeger und sein Verbindung, als Willebrands beim Erzbischof

L or e nz K ardinal Ja ege r al s Öku me nik Instituts, im Lehrangebot der Philosophisch- Gremien verfasste, äußerte er sich recht Eduard Stakemeier sowohl in der Zeit vor, um Unterstützung für die Entstehung der Theologischen Akademie Paderborn wider. offen. So betrachtete er angesichts der während und nach dem Konzil mit dem Katholischen Konferenz nachsuchte und Vor allem aufgrund der personellen Aus- Explosion des evangelikalen Protests gegen Thema Einheit der Kirche – anfänglich in Bea Beichtvater von Pius XII. und Konsultor stattung findet sich in den Jahren nach dem die Theologie Rudolf Bultmanns und seiner der Diktion »Wiedervereinigung im Glauben« des Heiligen Offiziums war. Jaeger nahm Zweiten Vatikanischen Konzil ein unge- Schüler im Jahr 1966 die evangelische später dann »Ökumenismus« – befasst waren. das Angebot an, Mitglied eines internatio- wöhnlich reiches Angebot an Lehrveran- Kirche als gespalten, die weder durch die Stakemeier fungierte dabei als wichtiger nalen Komitees von Bischofs-Garanten für staltungen zu ökumenischen Fragestel­ kirchliche Leitung noch durch die Theologie Zuarbeiter für den Paderborner Erzbischof. die Katholische Konferenz zu werden und lungen an der Theologischen Fakultät repräsentativ sprechen könne. Seine Hal- Zunächst standen das Werben für und das riet Willebrands, sich in Rom an Bea zu Paderborn. Wie die Berufung Paul-Werner tung zur Interkommunion war eindeutig Erklären des bevorstehenden Konzils sowie wenden, damit dieser ihm für die Zustim- Scheeles zum Leiter des Johann-Adam- ablehnend. Die Angst vor einer »Unterwan- die Erarbeitung qualifizierter Eingaben im mung des Heiligen Offiziums zum neuen Möhler-Instituts deutlich macht, scheint derung« durch die evangelische Theologie Zentrum. Mit ihrer Beteiligung am Einheits- Gremium helfe. Auf diese Weise drängte Jaeger aber im Blick auf die Bedeutung der und die scharfe Abgrenzung im Amtsver- sekretariat fanden sie einen Rahmen, in Jaeger Bea in die Rolle des Spezialisten und Theologie für die Ökumene mehr am ständnis führten 1973 zur vehementen dem sie an den dort stattfindenden Arbei- Ratgebers für die deutsche Una-Sancta-­ Institut und seiner Arbeit interessiert Ablehnung des sogenannten »Ämtermemo- ten und auch den Erneuerungsprozessen im Arbeit. gewesen zu sein als an dem Lehrangebot randums« theologischer Universitätsinsti­ Verständnis von Ekklesiologie und Ökumene­ Am Samstagvormittag lenkte Prof. Dr. seiner Theologischen Fakultät. tute. Definiert man ökumenische Theologie partizipierten. Thomas Brechenmacher (Potsdam) den Blick

12 13 Zurück zum Inhalt lich bis heute gilt, und das die Bischofs­ Publikationshinweis konferenzen zu präzisieren haben. Zu den neuralgischen Punkten zählen die Sicherung Die Ergebnisse der ersten Fachtagung »Lorenz Jaeger als Theologe« liegen inzwischen als der Pflicht zur katholischen Kindererzie- Buch vor. Der Band wurde am ersten Abend hung und die Möglichkeit einer Dispens der ­Ökumene-Tagung von den beiden Heraus­ von der katholischen Eheschließungsform. geberinnen Dr. Gisela Fleckenstein und Prof. Dr. Nicole Priesching vorgestellt. Sie Kardinal Jaeger begleitete für die Deutsche dankten bei dieser ­Gelegenheit dem Erzbistum Bischofskonferenz sowohl das Werden der Paderborn, namentlich Erzbischof Hans-Josef gesamtkirchlichen Gesetzgebung wie auch Becker und Generalvikar Alfons Hardt für die großzügige Förderung der Publikation und deren partikulare Ausgestaltung. Die Akten des gesamten Forschungsprojektes. Msgr. Dr. lassen deutlich sein persönliches Engage- Michael Bredeck, Leiter der Zentralabteilung ment erkennen, das Ausloten der Möglich- Entwicklung im Generalvikariat, dankte für das Erzbistum den Autorinnen und Autoren sowie keiten durch Einbeziehung von Kirchen- den Herausgeberinnen.­ rechtlern sowie die Suche des ökumenischen Die bewegte Biographie des Paderborner Gesprächs. Erzbischofs Lorenz Kardinal Jaeger (1892 –1975) In der abschließenden Diskussion wurde wird unter Verwendung seines neu erschlos- Präsentation der Publikation der ersten Fachtagung »Lorenz Jaeger als Theologe« senen Nachlasses in einem interdisziplinären deutlich, dass die Motivation Jaegers für Forschungsprojekt anhand von Themenschwer- punkten erarbeitet. sein ökumenisches Engagement noch stärker L or e nz K ardinal Ja ege r al s Öku me nik herausgearbeitet werden müsste. Hierbei Für Lorenz Jaeger gehörte die Theologie grund- auf die Bedeutung Jaegers für den jüdisch- der vereinbarten Aufgabenteilung innerhalb sind besonders die politischen Kontexte zu legend zur Ausübung seines Lehr- und Hirtenam- tes. Er erlebte die theologischen Veränderungen christ­lichen Dialog. Der Erzbischof wusste der Bischofskonferenz zwischen Paderborn berücksichtigen. Jaeger war kein Theoreti- von der Modernismuskrise des Kaiserreichs bis um die eminente politische Bedeutung des und Wien bzw. später zwischen Paderborn ker der Ökumene, er handelte als konserva- zum des Zweiten Vatikanischen Dialogs mit den Juden, nicht zuletzt auf- und Regensburg, auf verschiedenste Weise tiver Pragmatiker. Ein möglicher Perspektiv- Konzils und der Würzburger Synode. Wie Jaeger als Student, Pfarrvikar, Lehrer im Schuldienst, grund seiner eigenen Erfahrungen mit der im Dialog mit den Kirchen des christlichen wechsel erfolgte durch seine Mitarbeit am Bischof und Kardinal mit den theologischen Judenverfolgung während der Jahre des Ostens engagiert hat. Hervorzuheben ist dabei Einheitssekretariat. Bedeutsam erscheinen Strömungen seiner Zeit umging, sie rezipierte Weltkriegs. Aus den Dokumenten seines insbesondere sein Engagement für ortho­ auch begriffsgeschichtliche Beobachtungen. und zum Teil selbst beeinflusste, zeigen die Bei- träge im ersten Band des Forschungsprojektes. Nachlasses lässt sich zeigen, wie Jaeger diese doxe Stipendiaten in der ersten Hälfte der So taucht der Begriff »Ökumene« wohl Erfahrungen verarbeitete und auch in den 1960er-Jahre. Darüber hinaus pflegte er per- erst mit dem Zweiten Vatikanum in Jaegers Kategorien von »Mitschuld« und »Schwei- sönliche Beziehungen zu führenden Hierar- Wirken auf. gen« der Kirche zu bewerten wusste. Er chen der katholischen Ostkirchen. Er schätzte Die Tagungsbeiträge werden in einem

L or e nz K ardinal Ja ege r al s Öku me nik unterstützte Initiativen des christlich-jüdi- die ostkirchenkundliche Forschungsarbeit Sammelband publiziert. Die nächste Tagung schen Dialogs, in Deutschland vor allem die-­­ von P. Kilian Kirchhoff OFM und Dr. Johannes des Projektes wird vom 27. bis 29. August jenigen des »Freiburger Kreises« um Gertrud Madey. In seinen Stellungnahmen vor, wäh- 2020 zum Thema »Jaeger als Kirchenpolitiker« Luckner. Die Konzilsdeklaration »Nostra rend und nach dem Zweiten Vatikanischen stattfinden. Aetate« trug er nicht nur inhaltlich voll mit, Konzil verwies er immer wieder auf die sondern half sie in kritischen Situationen­ Bedeutung des ökumenischen Dialogs mit auch öffentlich zu unterstützen. Hingegen der Orthodoxie. Das alles zeugt von seiner konnte er in der deutschen Bischofskonfe- hohen Sensibilität in ökumenischen Fragen. renz in den frühen 1970er Jahren das Anliegen Schließlich führte der Kirchenrechtler ( ) Nicole Priesching / Gisela Fleckenstein (Hg.) nicht durchbringen, eine eigene »Juden­ Prof. Dr. Rüdiger Althaus Paderborn aus, Lorenz Jaeger als Theologe erklärung« zu verabschieden. Desgleichen dass die neue Sichtweise des Zweiten Vati- Eine Publikation der Kommission scheiterte in der Frühphase der Würzburger kanischen Konzils auf die nichtkatholischen für Kirchliche Zeitgeschichte Synode ein von Jaeger unterstützter Antrag, Christen eine Neubewertung konfessions- im Erzbistum Paderborn ein eigenes Dokument zum Verhältnis der verschiedener Ehen verlangt habe. Ein vom Verlag Ferdinand Schöningh 1. Aufl. 2019,VIII +356 Seiten, Kirche zu den Juden zu verabschieden. Konzil dem Papst vorgelegtes Votum fand 4 s/w Abb., Leinen mit Schutzumschlag Im Anschluss daran zeigte Dr. Johannes Eingang in das Motuproprio Matrimonia ISBN: 978-3-506-70148-0 Oeldemann (Paderborn), dass sich Jaeger, trotz Mixta von 1970, dessen Rahmenrecht inhalt- € 79

14 15 Zurück zum Inhalt THEOLOGIE + PHILOSOPHIE

Unsere philosophischen Seminarreihen, die sind. In der Neuzeit entwickelte sich die Theorien der Gerechtigkeit oft über mehrere Jahre reichen, beschäf­ radikale Frage nach der Konstitution und tigen sich sowohl mit bestimmten Epochen Legitimation staatlicher Gewalt, mit der so der Philosophiegeschichte als auch mit gewichtige Probleme wie Strafgerechtig- Philosophische Reihe betritt 2020 den Boden thematischen Schwerpunkten wie der keit, Eigentumsrecht, Gewaltenteilung und der neueren politischen Philosophie Freiheit oder – in unserer derzeitigen Reihe Menschenrechtsorientierung verbunden – der Gerechtigkeit. Obwohl diese Themen sind. Dabei war die Orientierung an der Text: Michael Bösch alle Seminare einer Reihe wie ein roter Freiheit des Individuums der die neuzeitli- Faden durchziehen, ist es dennoch möglich, che Staatsphilosophie prägende Grundge- nur an einzelnen Wochenendseminaren danke, der zur Ausbildung einer langen teilzunehmen, denn diese haben jeweils liberalen Tradition bis in das philosophi- einen eigenständigen, abgeschlossenen sche Denken der Gegenwart hinein führte. Schwerpunkt. Jede Veranstaltung besteht Daneben trat seit dem 19. Jahrhundert aus einer offenen Mischung aus fachkundi- verstärkt die Frage nach einer sozial-öko­ gem Referat, Textlektüre und intensiven nomischen Gerechtigkeit, die durch die gemeinsamen Gesprächen. Eine Gelegen- Probleme der Industrialisierung und heit zum philosophischen Gedankenaus- Proletarisierung drängend geworden war.

tausch zu bieten, ist ein besonderes Auch die Sorge um eine völkerrechtliche The ori e n d r G c h ti g k it Anliegen der Seminare. Gerade bei einem Ordnung der internationalen Konflikte gegenwärtig so sehr in der Öffentlichkeit spielte seit der Katastrophe des Dreißig­ diskutierten Thema wie dem der Gerechtig- jährigen Krieges eine immer größere Rolle. keit ist dies von besonderer Bedeutung. Mit den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts Gerechtigkeit gilt als wichtigstes und den gegen diese gerichteten Versuchen, Kriterium der Politischen Ethik. Seit John globale politische Institutionen zu etab­ Rawls 1971 sein grundlegendes Werk lieren, verstärkte sich nochmals die Bedeu- Theory of Justice veröffentlichte, hat sich in tung dieser Fragen. Durch die zunehmende der politischen Philosophie eine lebendige Vernetzung unserer Welt weiten sich all und vielfältige Diskussion über Theorien diese Themen aus zur Problematik einer der Gerechtigkeit entfaltet. Die Problemdi- globalen Gerechtigkeit. mensionen erstrecken sich von Fragen der Im ersten Jahr unserer Seminarreihe Rechtsstaatlichkeit und Strafgerechtigkeit wurde die historische Dimension der Gerech- bis zu Verteilungsfragen der Sozialen Gerech- tigkeitsthematik ausgelotet. Wir beschäf- tigkeit, von der Legitimation staatlicher tigten uns mit den antiken Vorstellungen Gewalt bis zur Diskussion globaler Gerech- bei Platon und Aristoteles sowie mit den tigkeit, von Geschlechtergerechtigkeit bis neuzeitlichen Philosophen Hobbes, Locke, zur Inklusion von Menschen mit Behin­ Rousseau, Hume, Smith, Kant und Marx. derungen. So vielfältig sich der Gerechtig- Mit der ersten Veranstaltung im Jahr 2020 keitsbegriff in all diesen Dimensionen betreten wir in unserer Reihe den Boden erweist, so kontrovers zeigen sich auch die der neueren politischen Philosophie, indem unterschiedlichen Theorieansätze. wir zunächst das Werk von John Rawls Die Thematisierung der Gerechtigkeit vorstellen, mit dessen Theory of Justice in hat in der Philosophie eine sehr lange den 70er Jahren die Diskussion um die Geschichte. Schon in der Antike finden sich Gerechtigkeit neu begann. Fast alle seitdem bedeutsame Analysen (vor allem bei Aristo- veröffentlichten Gedanken beziehen sich teles), die auch heute noch beachtenswert kritisch auf Rawls, wobei sie teils dessen

16 17 Zurück zum Inhalt KUNST + KULTUR Vertragstheorie verändert weiterführen Nussbaum formuliert dies ausdrücklich oder aber überwinden wollen. In den als eine an der Menschenwürde und den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Menschenrechten orientierte Position, wurde dies häufig als Kontroverse zwischen wobei sie beides durch eine Liste grund­ Forschungsprojekt liberalen und kommunitaristischen Ansät- legender Fähigkeiten zu erläutern versucht. zen geführt. Diesem Gegensatz gehen auch Bemerkenswert ist auch ihr Engagement die drei ersten Veranstaltungen nach, für die Geschlechtergerechtigkeit (Women zu Kirchenumnutzungen indem neben Rawls zunächst die ebenfalls and Human Development, 2000) sowie in Text: Stefanie Lieb liberale Theorie von Ronald Dworkin vor­- ihrer Schrift Frontiers of Justice, 2006, die gestellt wird, um anschließend die kommu- Berücksichtigung von Menschen mit nitaristische Position in Michael Walzers Behinderung. Sie hat sich ebenfalls als Spheres of Justice (1983) zu besprechen. Emotionstheoretikerin einen Namen Während Dworkin von einer grundlegen- gemacht und lässt dies in neueren Veröf- Studienleiterin Prof. Dr. Stefanie Lieb, den Gleichheit der Menschen ausgeht, die fentlichung in ihre politische Philosophie die eine Dozentur für Kunstgeschichte­ er auch im Hinblick auf die Bürgerrechte einfließen( Political Emotions, 2013). an der Universität zu Köln innehat, thematisiert (Taking Rights Seriously, 1977), ist mit dem Forschungsprojekt analyisiert Walzer plurale Sphären der »Kunst- und architek­turhistorische Gerechtigkeit, in der die gerechte Vertei- Prozesse der Sakralraumtransforma­ lung unterschiedlich bestimmt wird im tion im Raum Aachen und Leipzig« Sinne einer komplexen Gleichheit. Sehr an der von der Deutschen Forschungs- beachtet worden ist auch Walzers Werk gemeinschaft (DFG) geförderten über gerechte und ungerechte Kriege (Just neuen Forschergruppe »Sakralraum- und Unjust Wars, 1977). Termine transformation – ­Funktion und In der zweiten Hälfte des Jahres wollen Nutzung religiöser Orte in Deutsch- wir den Fähigkeitenansatz (Capabilities THEORIEN DER GERECHTIGKEIT (8) land« beteiligt. Approach) des Ökonomen und Philosophen John Rawls (1921 – 2002) Amartya Sen und der Philosophin Martha 8. – 9. Februar 2020 Nussbaum besprechen. Sie fühlen sich (9) The ori e n d r G c h ti g k it beide der liberalen Tradition eng verbunden, THEORIEN DER GERECHTIGKEIT wenden sich jedoch ab von einer vertrags- Ronald Dworkin (1931 – 2013) theoretischen Orientierung an gerechten 25. – 26. April 2020 Institutionen, um nach der Förderung des guten, menschenwürdigen Lebens aller THEORIEN DER GERECHTIGKEIT (10) Menschen zu fragen. Sen hat sich dabei als Michael Walzer (*1935) Ökonom sehr um eine Neubestimmung 27. – 28. Juni 2020 der Begriffe »Lebensstandard« und »Wohl­ ergehen« bemüht. Er hat wesentlich mit THEORIEN DER GERECHTIGKEIT (11) dazu beigetragen, dass auch in der globalen Amartya Sen (*1933) und Diskussion die Bestimmung von Armut Martha Nussbaum (*1947) und Entwicklung neu betrachtet wird. Es 19. – 20. September 2020 geht nicht um eine gleiche Verteilung von Gütern oder Ressourcen, sondern um eine THEORIEN DER GERECHTIGKEIT (12) die individuellen Differenzen und Bedürf- 07. – 08. November 2020 nisse beachtende Beförderung grundle­ gender Befähigungen zum guten Leben.

18 19 Zurück zum Inhalt überstürzt durchgeführten Transformatio- prozess vorweisen können. Darunter fallen nen kritischer bewertet und führen vieler- Kirchengebäude beider Konfessionen sowie orts zu Initiativen der Erhaltung und der auch neuere Sakralraumkonzepte wie Ermöglichung sinnvoller Transformationen beispielsweise interreligiöse Kapellen und von Sakralarchitektur. Andachtsräume oder Räume der Stille. Ein Der Raum Aachen eignet sich besonders Schwerpunkt der Auswahl liegt auf Sakral- für die geplante Untersuchung, da diese bauten der Nachkriegszeit (ab 1945), da Region eine hohe Dichte an architektonisch statistisch gesehen besonders diese moder- bedeutenden Sakralbauten und eine lange nen Gebäude zuerst für eine Profanierung christlich geprägte Tradition aufweist, und Umnutzung ins Auge gefasst werden. bereits früh einsetzende Transformations- Die ausgewählten Bauten und ihre prozesse für Kirchenbauten erfuhr (bedingt architektonische Entwicklungsgeschichte u. a. durch den Braunkohle-Tagebau seit den werden zunächst beschrieben und nach­ 1970er Jahren), sowie schließlich mit einer folgend anhand erarbeiteter empirischer seit den 1960er Jahren durch den Zuzug Erhebungen ausgewertet, um den jeweili- von Gastarbeitern und Migranten entste- gen Transformationsprozess des Sakral- henden islamischen und jüdischen Sakral- raums in möglichst vielen Facetten darstel- For s c h un gsp ro je kt zu K irc he nu m nutzun ge n raumtradition das Nebeneinander von len zu können. Dabei sind besonders Kirche, Moschee und Synagoge präsentiert. Fragestellungen nach den Bedingungen der Der Raum Leipzig ist aufgrund der Entstehungsgeschichte des Sakralraums, ideologischen Unterdrückung der christli- der architektonischen Umsetzung, der chen Religion und Kirche in der Zeit des künstlerischen Gestaltung und Ausstattung, DDR-Regimes vollständig anders konnotiert: der symbolischen Sprachkraft, der städte- Zwar entstanden auch hier in der Nach- baulichen Wirkung, den denkmalpflegeri- Zum Kolumbarium umgenutzte Kirche St. Kamillus in Mönchengladbach kriegszeit neue Kirchenbauten, u. a. unter- schen Konditionen, sowie der späteren stützt durch die westdeutsche Kirche, Nutzung bzw. Umnutzung und der Rezep­ jedoch wurden etliche bedeutende Gebäu- tionsgeschichte relevant. Federführend wird die Forschergruppe, linären Kriterienkatalog münden sollen. de, wie z. B. die Leipziger Universitätskirche Mithilfe der Auswertung von Bauakten, die sich mit den zunehmenden Prozessen Für das Gesamtprojekt werden für die bewusst und symbolträchtig zerstört, bzw. einer dokumentierenden Inventarisation von Kirchenumnutzungen befasst, von der ersten drei Jahre zunächst 1,7 Mio. Euro als nach den Kriegszerstörungen nicht wieder und aufgrund von Interviews mit den jewei- Liturgiewissenschaft an der Katholisch- Fördergeld bereitgestellt. aufgebaut. Die Situation nach der Wende ligen Interessengruppen wie den Bauherren,

For s c h un gsp ro je kt zu K irc he nu m nutzun ge n Theologischen Fakultät der Universität Bonn, Im Teilprojekt von Prof. Dr. Stefanie Lieb, 1990 stellt sich im Leipziger Raum jedoch Architekten, Denkmalpflegern, Kirchenvor- vertreten durch Prof. Dr. Albert Gerhards, das mit rund 280.000 € für die ersten drei ähnlich wie im Raum Aachen dar: Während ständen, Gemeinden und den neuen Nutzern geleitet. Weitere vier Universitäten sind bei Jahre gefördert wird und eine Doktoranden- in der Stadt selbst u. a. aufgrund des Zuzugs soll erarbeitet werden, wie Entscheidungs- den insgesamt sieben Teilprojekten aus den sowie eine Wissenschaftliche Mitarbeiter- von »westdeutschen Christen« das Interesse prozesse für die Sakralraumtransformation Bereichen Liturgiewissenschaft, Praktische Stelle umfasst, geht es um die kunsthisto­ an neuen und alternativen Sakralraumkon­ ­ abgelaufen sind und welche Chancen und Theologie, Kunstgeschichte, Architektur, rische Aufarbeitung von Prozessen der zepten vorhanden ist, kämpft man in der Herausforderungen sich für den aktuellen Immobilienwirtschaft, Religionswissenschaft Sakralraumtransformation, die im Raum ländlichen Region um den Erhalt von Kirchen- Umgang mit Sakralräumen daraus ergeben. und Pastoraltheologie beteiligt: Universität Aachen und im Raum Leipzig im Zeitraum gebäuden durch Stilllegung, Verkauf und Das Projekt wird offiziell im Frühjahr zu Köln, Universität Leipzig, Universität von 1990 bis heute stattgefunden haben. Umnutzung. In den Fokus der Untersu- 2020 an den Start gehen. Das Teilprojekt von Regensburg und die Bergische Universität Diese Zeitspanne wurde gewählt, da ab chung sollen mithilfe einer Kartierung und Prof. Lieb wird an der Universität zu Köln Wuppertal. 1990 eine erste große Welle von Abrissen, nachfolgenden Selektion besonders und an der Katholischen Akademie Schwerte Die Forschergruppe plant ein sechsjähri- Profanierungen und Umnutzungen von Sakralbauten und -räume in den Regionen angesiedelt sein. ges Projekt, bei dem bereits stattgefundene, Kirchen in Nordrhein-Westfalen losbrach Aachen und Leipzig gerückt werden, die aktuell laufende und in Planung befindliche und in Ostdeutschland nach der Wende erstens eine kultur- und architekturhistori- Prozesse von Sakralraumtransformationen diese Thematik erstmalig in den Fokus geriet. sche Bedeutung und Qualität und zweitens untersucht werden und in einen interdiszip­ Inzwischen werden die damals teilweise einen aussagekräftigen Transformations-

20 21 Zurück zum Inhalt Kunst + Kultur Erinnerungsraum Stipendium 2020 Artist in Residence-Stipendiatin 2019 Claudia Marr Ausschreibung des Kunstförderpreises der und ihre Installation »Josephsburgstraße« in der Akademie Katholischen Akademie Schwerte Text: Stefanie Lieb

Wenn ein Instrument einen Ton spielt oder Fast alles in unserer Welt ist heute nur noch ein Mensch diesen Ton singt, dann erklingt auf Schwarz oder Weiß, auf Laut oder Leise nicht nur dieser einzelne Ton, sondern es ausgerichtet, die vielen Zwischentöne und schwingen die sogenannten Obertöne mit. Klangfarben erkennen wir häufig nicht, da Es sind also diese Zwischentöne, die den es an Muße und an Aufnahmebereitschaft eigentlichen Klang und ein sinnlich erfahr- fehlt. 2020 widmen wir deshalb in der Aka- bares Musikerlebnis erst ermöglichen. demie diesem Klangkosmos der Zwischen- »Der Klang macht die Musik« – das lässt töne mehr Raum und Zeit! sich auch auf unser kulturelles und soziales Die einzureichenden Projektideen sollten Umfeld übertragen: Wie wir miteinander sich mit diesem Jahresthema »ZwischenTon­- umgehen, wie wir uns für die eigenen und Art« künstlerisch auseinandersetzen und Die diesjährige Artist in Residence-Stipen- In ihrem Stipendienprojekt für die Akademie für fremde Klänge öffnen, hängt viel von Konzepte und Entwürfe in Form von Zeich- diatin Claudia Marr aus München arbeitet zum Thema »LichtEinFall« hatte Claudia der Fähigkeit des Stillwerdens und des nungen, Malerei, Skulptur, Installation, mit den Relikten und Biografien von Marr das Wohnzimmer einer verlassenen Zuhörens ab – etwas, dass in unserem Fotografie, Film oder Performance beisteuern. Menschen, die ihre Wohnungen endgültig Wohnung in der Münchner Josephsburg­ heutigen Zeitalter des Lärms nur schwer zu Ein kurzer erklärender Text zum künstleri- verlassen mussten. Aus dem Hinterlassenen straße aus Papierwänden maßstabsgetreu erlangen ist. Und wenn etwas klingt oder schen Konzept wird erwartet. – der Entsorgung freigegeben – schafft nachgebaut. Die Texte aus den gefundenen zum Klingen gebracht wird, dann muss das sie neue atmosphärische Rauminstallatio- Briefen und Tagebüchern der ehemaligen nicht nur auf das auditive Erlebnis beschränkt Bewerbungsfrist: 31. Januar 2020 nen, die als Erinnerungsräume verstanden Bewohnerin waren hierbei als Wasserzeichen sein, der gesamte sinnliche und geistige Weitere Informationen: Prof. Dr. Stefanie Lieb werden können. Die Arbeiten der Künst­ in zufälliger Anordnung über die gesamte Wahrnehmungsapparat des Menschen bietet Katholische Akademie Schwerte lerin wollen menschliche Porträts zeichnen Fläche der Wände angebracht und wurden Sensoren für unterschiedliche Klangwelten Bergerhofweg 24 und den Betrachter in das Universum einer durch den natürlichen Lichteinfall je nach und kann in diese eintauchen, sich wie ein 58239 Schwerte [email protected] ihm sonst fremden Person einladen. Tageszeit sichtbar oder entzogen sich den Instrument davon erfüllen lassen und sie www.akademie-schwerte.de Claudia Marr wurde 2018 mit ihrer Aus- Blicken des Betrachters. Dieser »Erinne- entsprechend weitergeben. Als Grundvoraus- www.facebook.com/artistinresidenceKAS stellung »Epilog« in der Erlöserkirche in rungsraum« präsentierte sich als begehbare setzung muss jedoch die Bereitschaft zur München überregional bekannt. Dort zeigte Installation in der Halle der Akademie. Aufmerksamkeit und zum Perspektiven- sie mannshohe Säulen, die aus klein gemah- wechsel vorhanden sein, um den Facetten- lenen Gegenständen aus dem Besitz verstor- reichtum der Zwischentöne erfahren zu bener oder kranker Menschen gegossen können. wurden.

22 23 Zurück zum Inhalt KUNST + KULTUR Künstler/-innen der Sommerkunstakademie Die neue

Die Kunstworkshops finden in Experimentelles Drucken Sommerkunstakademie vier Bereichen statt: Andreas Otto (Arnsberg) – Experimentelles Drucken geb. 1966 Kunst- und Designstudium – Pleinair-Malerei startet 2020! in Dortmund – Bildhauerei: Stein arbeitet als Grafikdesigner Text: Stefanie Lieb – Objektkunst: Kunstbuch und Marketingexperte in Arnsberg Für jeden Bereich steht ein/-e professio­ nelle/-r Künstler/-in zur Verfügung, die / der in die Grundlagen der Kunstgattung einführt und den jeweiligen Prozess der Workshop-Teilnehmer/-innen begleitet. Pleinair-Malerei Für die Teilnehmenden ist es möglich, Matvey Slavin (Kopenhagen) sich vier Tage lang auf eine Kunstgattung geb. 1987 in St. Petersburg und einen Workshop zu konzentrieren, es Kunststudium in Hamburg lebt und arbeitet als ist aber genauso gut möglich, während der freischaffender Künstler in vier Tage die vier unterschiedlichen Work- Berlin und Kopenhagen shops zu durchlaufen. Als Abschluss ist am Donnerstagabend eine Vernissage-Party mit Ausstellung der Werke aller Teilnehmer/-innen vorgesehen, die dann für zwei Wochen in der Akademie gezeigt werden kann. Bildhauerei Stephanie Schröter (Arnsberg) Teilnahmebedingungen geb. 1968 Mindestalter: 18 Jahre Kunst- und Designstudium Offenheit für Kunstexperimente, in Siegen und Hagen keine Vorkenntnisse notwendig seit 2012 mit eigenem Bildhauerei-Atelier­ Teilnahmebeitrag in Arnsberg EZ 557 € Der Sommer ist die Zeit zum Runterkom- genheit dazu! Vier Tage lang kann man im ohne ÜN: 431 € men, Tapetenwechsel und zur Wiederent- Tagungshaus der Akademie und in traum- deckung der eigenen Kreativität! In der hafter grüner Umgebung mit professionel- Für weitere Informationen Katholischen Akademie Schwerte bietet len Künstlerinnen und Künstlern leben, Prof. Dr. Stefanie Lieb sich mit der Sommerkunstakademie vom arbeiten und die kreativ-spirituelle Atmo- Tel. 02304-477-151 Objektkunst 20. bis 23. Juli 2020 und einem Angebot sphäre des Ortes genießen. [email protected] Birgit Feike (Dortmund) unterschiedlicher Kunstworkshops Gele- geb. 1962 gelernte Goldschmiedin Kunststudium an der Ruhrakademie Schwerte seit 2015 eigenes Atelier in Dortmund

24 25 Zurück zum Inhalt PUBLIKATIONEN Ausstellungen und Konzerte Sakralbauten der Architektenfamilie Böhm

Ausstellungen Konzerte

Fotografiert von Hartmut Junker Gottfried Böhms der 1960er Jahre bis hin 17. November 2019 – 02. Februar 2020 Schwerter Sommerkonzerte Mit Texten von zur Kölner Zentralmoschee von Paul Böhm, Transzendenz im Augenschein 38 in Zusammenarbeit mit der Stefanie Lieb die vor zwei Jahren fertiggestellt wurde. »Die fernen Hügel sind grün« ­Konzert­gesellschaft Schwerte e. V. 480 Seiten, Hartmut Junker hat mit seinen heraus- Clara Oppel 440 Farb-Abbildungen ragenden Fotografien die im Buch vorgestell- Klanginstallationen 2.August 2020, Sonntag, 17 Uhr 110,00 € ten fast 100 Kirchen nicht nur fachkundig Summertime – Jazz mit dem Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2019 dokumentiert, sondern auch die jeweilige 16. Februar – 03. Mai 2020 Angelika Görs-Trio ISBN 978-3-7954-3347-5 Raumatmosphäre des Sakralbaus eingefan- Transzendenz im Augenschein 39 Angelika Görs (voice), Rolf Marx (guitar) gen, so dass bereits das erste Durchblättern Die Kirchenbauten der Familie Böhm Ingo Senst (bass), Köln des Buches zu einem Augenschmaus der Jubiläumsausstellung zu Ehren des Großer Saal Formen und Farben wird. Neben dem Fest- 100. Geburtstags von Gottfried Böhm der Katholischen Akademie Schwerte Der Architektenberuf wird in vielen halten der Kirchengebäude in der Außen- Fotografien von Hartmut Junker Eintritt: 20 € (VVK 17 €); Familien durch mehrere Generationen und Innenansicht gelingt es Hartmut Junker Schüler, ­Studierende: 8 € weitergegeben. Aber dass sich eine Archi- auch Ausstattungsdetails wie Kirchenfen­ tektenfamilie über drei Generationen ster, Altäre oder Taufbecken fotografisch zu hinweg besonders der Bauaufgabe Kirche berücksichtigen und angemessen in Szene gewidmet hat, ist eher selten anzutreffen. zu setzen. Die international bekannte Architekten­ Für die begleitenden Texte war die dynastie Böhm hat sich auf diesem Gebiet Kunsthistorikerin Stefanie Lieb zuständig. des modernen Kirchenbaus im 20. und Ihrem Konzept einer übergeordneten chro- 21. Jahrhundert mit rund 100 in Deutsch- nologischen Gliederung nach den drei land errichteten fast ausschließlich katholi- Architektengenerationen Böhm, der thema- schen Sakralgebäuden sowie einem riesigen tische Unterkapitel untergeordnet sind, Konvolut an Zeichnungen und Entwürfen wie z. B. »Liturgische Bewegung: der neue ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet und Gemeinderaum« oder »Beton als sakrales damit die Theorie und Praxis des modernen Material«, wurden die insgesamt 96 Sakral- Kirchenbaus von den Anfängen bis heute bauten zugeordnet. Zu jedem einzelnen entscheidend geprägt. Bau findet sich dann nochmals ein eigener Der vorliegende opulente Bildband, der kurzer Text, der auf die Baugeschichte sowie im Vorfeld des 100. Geburtstags von Baugestalt eingeht. Auch die aktuelle Thema- Gottfried Böhm 2020 erscheint, widmet tik der »Kirchenumnutzung«, vor der auch sich diesen großartigen Sakralbauten der Böhm-Kirchen nicht gefeit sind, wird in Böhms durch drei Generationen, angefan- einem Schlusskapitel angesprochen. Abge- gen von den expressionistischen Kirchen rundet wird der umfangreiche Band durch Dominikus Böhms aus den 1920er Jahren ein Literaturverzeichnis, Glossar und Orts- über die brutalistischen Betonkirchen sowie Bauten-Register. Angelika Görs-Trio, Köln

26 27 Zurück zum Inhalt 27.02. – 28.02.2020 20.03. – 21.03.2020 23.04. – 25.04.2020 Veranstaltungen Curriculum Management 10 Grundfragen der Theologie UN Peacekeeping: Why did they serve? Juni 2. Modul Über den Atheismus in der Religionskritik Geschichte + Politik 05.06.2020 Kirche + Gesellschaft Theologie + Philosophie Januar – Juni 2020 25.04.2020 Fridas Sommer 29.02. – 01.03.2020 20.03.– 21.03.2020 Lektürekurs Hebräisch Kunst + Kultur Der Alte Orient Beethovens Klangwelten Theologie + Philosophie 05.06. – 06.06.2020 Das westliche Mittelmeer Kunst + Kultur »Auf den Schultern der Riesen« im 4. bis 2. Jahrtausend v.Chr. 25.04. – 26.04.2020 – Fragmente und historische Versatzstücke Geschichte + Politik Architektur und Vision (5) Januar 05.02. – 08.02.2020 März Herzog & de Meuron in der mittelalterlichen Kunst Fortbildung Schulpa storal 2019/20 (4) 27.03.2020 Kunst + Kultur Geschichte + Politik 06.03.2020 17.11.2019. – 02.02.2020 Krisensituationen in der Schule Schülerkunstworkshop Theologie + Philosophie Girl 25.04. – 26.04.2020 10.06.2020 Transzendenz im Augenschein 38 »Figur und Raum« Kunst + Kultur Theorien der Gerechtigkeit II Arbeitskreis Teilhard de Chardin »Die fernen Hügel sind grün« – Kunst + Kultur 07.02. – 09.02.2020 Ronald Dworkin (1931 – 2013) Bernhard Rensch: »Biophilosophie« Clara Oppel Was ist Theologie? Mit Immanuel Kant 07.03. – 08.03.2020 Theologie + Philosophie Theologie + Philosophie Kunst + Kultur und Origenes zum Selbstverständnis Spiritualität im Kontext von April 19.06. – 20.06.2020 der Wissenschaft von Gott Menschen mit Behinderung 17.01. – 18.01.2020 Mai GRUNDFRAGEN DER THEOLOGIE (2.1) Theologie + Philosophie Theologie + Philosophie 03.04.2020 Architektinnen: Capernaum – Stadt der Hoffnung Von Gott reden 07.05. – 08.05.2020 Vom Bauhaus bis heute (2) 08.02.2020 12.03. – 13.03.2020 Kunst + Kultur Theologie + Philosophie Kunst + Kultur Curriculum Management 10 Curriculum Management 10 Lektürekurs Hebräisch 20.06.2020 3. Modul 03.04. – 04.04.2020 4. Modul 18.01. – 19.01.2020 Theologie + Philosophie Lektürekurs Hebräisch Kirche + Gesellschaft Sklaven, Unfreie und Verdingkinder Kirche + Gesellschaft Kommunikationstraining 08.02. – 09.02.2020 Geschichte + Politik Theologie + Philosophie Theologie + Philosophie Theorien der Gerechtigkeit II 14.03.2020 07.05. – 10.05.2020 Fortbildung Schulpa storal 2019 20 (5) 20.06. – 21.06.2020 John Rawls (1921 – 2002) Lektürekurs Hebräisch 04.04. – 09.04.2020 / 23.01. – 24.01.2020 Demokratie in Gefahr! Theologie + Philosophie Theologie + Philosophie London, Oxford, Bath und Stonehenge Schule als pastoraler Ort Curriculum Management 10 Geschichte + Politik Theologie + Philosophie Geschichte + Politik 1. Modul 12.02. – 16.02.2020 14.03. – 15.03.2020 08.05.2020 23.06. – 28.06.2020 Kirche + Gesellschaft Jetzt wird's bunt: Farblehre und Lettering Künstler der Moderne 04.04. – 13.04.2020 verstehen (5) Zwischen Spree und Oderstrand Kunst + Kultur Geistliche Exerzitien im Heiligen Land Styx 27.01. – 29.01.2020 Pablo Picasso Kirche + Gesellschaft Kunst + Kultur Studienreise ins Brandenburgische Aneignung und Umsetzung des 13.02.2020 Kunst + Kultur Geschichte + Politik 08.05. – 09.05.2020 ­Zukunftsbildes (Aufbaumodul) »Nur eine Frau« 06.04. – 09.04.2020 Bibeltheologische Tage 25.06. – 28.06.2020 Sie werden lachen – die Psalmen Kunst + Kultur 16.03.2020 »Wein, der des Menschen Herz erfreut!« Theologie + Philosophie 13. Juristentag im Erzbistum Paderborn Psalmen passen zur Passion (Ps 104, 15) Buchmalerei & Vergoldung 14.02. – 15.02.2020 Privileg oder Dienst? Theologie + Philosophie Geschichte + Politik Kunst + Kultur 31.01.2020 Heiliger Ernst und Göttliches Spiel Kirche + Gesellschaft 27.06. – 28.06.2020 Woman at War – Gegen den Strom Geschichte + Politik 21.04. – 24.04.2020 09.05.2020 Theorien der Gerechtigkeit II Kunst + Kultur 18.03.2020 Auf den Spuren von Jan van Eyck Lektürekurs Hebräisch 16.02. – 03.05.2020 Arbeitskreis Teilhard de Chardin Geschichte + Politik Theologie + Philosophie Michael Walzer (*1935) Transzendenz im Augenschein 39 Teilhard: »Der Mensch im Kosmos« Theologie + Philosophie Februar Die Kirchenbauten der Familie Böhm Theologie + Philosophie 22.04.2020 20.05. – 23.05.2020 Arbeitskreis Teilhard de Chardin 30.06. – 01.07.2020 Kunst + Kultur Christliche Identität in der Krise: 04.02. – 06.02.2020 20.03.2020 Psychologie, der Mensch im Kompass Gläubige und Kirche im aktuellen Film Seelsorgende Pflege und pflegende Seelsorge 4. Internationales Kolloquium des ­ 26.02. – 01.03.2020 Schülerkunstworkshop seiner Gefühle Kunst + Kultur Theologie + Philosophie »Theologisch-philosophischen Kalligraphie Kurs »Rho« »Figur und Raum« Theologie + Philosophie ­Forschungsnetzwerks Levinas« Kunst + Kultur Kunst + Kultur Theologie + Philosophie

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Zurück zum Inhalt Zurück zum Inhalt Herausgeber Katholische Akademie Schwerte, Akademie des Erzbistums Paderborn, Prälat Dr. Peter Klasvogt

Redaktion Dr. Ulrich Dickmann

Redaktionsanschrift Katholische Akademie Schwerte Redaktion Zwischenraum, Bergerhofweg 24, 58239 Schwerte

Konzept / Gestaltung / Bildredaktion labor b, Dortmund

Fotos © Ulrich Dickmann © Gisela Fleckenstein © Michel Focke © Hartmut Junker © Stefanie Lieb © Rolf Marx © Andreas Otto © Georg Pahlke © Stephanie Schröter

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe Gesellschaft zur Förderung der Katholischen Akademie Schwerte e. V. Dr. Dr. Florian Baab Postfach 1429, 58209 Schwerte Akad. Rat a. Z. am Seminar für Fundamentaltheologie und Religionsphilosophie, Universität Münster Konto der Fördergesellschaft Bank für Kirche und Caritas e. G. Paderborn Prof. Dr. Michael Bösch IBAN: DE61 4726 0307 0017 1109 00 Professor für Philosophie an der Katholischen BIC: GENODEM1BKC Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Paderborn

Michel Focke 2. Vorsitzender des Vorstands der Campus Weggemeinschaft e.V.

Prof. Dr. Stefanie Lieb Studienleiterin Kunst und Kultur

Prof. Dr. Nicole Priesching Lehrstuhl für Kirchengeschichte und Religionsgeschichte, Institut für Katholische Theologie, Fakultät für Kulturwissenschaften, Universität Paderborn; Vorsitzende der Kommission für Kirchliche Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn

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