Hochtechnologien Und Staatssicherheit
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Reinhard Buthmann Hochtechnologien und Staatssicherheit Die strukturelle Verankerung des MfS in Wissenschaft und Forschung der DDR Bitte zitieren Sie diese Online-Publikation wie folgt: Reinhard Buthmann: Hochtechnologien und Staatssicherheit. Die strukturelle Verankerung des MfS in Wissenschaft und Forschung der DDR (Reihe B: Analysen und Berichte Nr 1/2000). Hg. BStU. Berlin 2000. http://www.nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0292-97839421304628 Mehr Informationen zur Nutzung von URNs erhalten Sie unter http://www.persistent-identifier.de/ einem Portal der Deutschen Nationalbibliothek. Reihe B: Analysen und Berichte Nr. 1/2000 Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Abteilung Bildung und Forschung 10106 Berlin E-Mail: [email protected] Die Meinungen, die in dieser Schriftenreihe geäußert werden, geben ausschließlich die Auffassungen der Autoren wieder. Abdruck und publizistische Nutzung sind nur mit Angabe des Verfassers und der Quelle sowie unter Beachtung des Urheberrechtsgesetzes gestattet. Schutzgebühr für diese Lieferung: 5,00 € 2., durchges. Auflage Berlin 2000 ISBN 978-3-942130-46-2 urn:nbn:de:0292-97839421304628 Inhalt Einleitung 3 1 Die strukturelle Verankerung des MfS in Wissenschaft und Forschung 7 1.1 Die Staatssicherheit in der Volkswirtschaft: die Hauptabteilung XVIII 7 1.2 Die Abteilungen 5 und 8 der Hauptabteilung XVIII 10 1.2.1 Die Abteilung 5: Entwicklung, Aufgaben, Verantwortungsbereiche 11 1.2.2 Die Abteilung 8: Entwicklung, Aufgaben, Verantwortungsbereiche 60 2 Die Grundlagen des Sicherungsauftrages 92 2.1 Rechtliche und methodische Grundlagen 92 2.1.1 Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz 93 2.1.2 Permanente Kontrolle: wer ist wer im Staate? 112 2.1.3 Sicherheitsüberprüfungen als Mittel zur Personalselektion 114 2.2 Praxis der »Verortung« 119 2.2.1 Inoffizielle Mitarbeiter 120 2.2.2 Das System der Sicherheitsbeauftragten: aus der Arbeit der Inspektionen 131 2.3 Das Primat der Kooperation 152 2.3.1 Kooperation zwischen den Abteilungen 5 und 8 154 2.3.2 Kooperation mit anderen Diensteinheiten des MfS und dem KfS der UdSSR 157 2.3.3 Kooperation mit der SED und staatlichen Institutionen 173 2.3.4 Konfliktpotential 180 3 Die Realisation des Sicherungsauftrages 186 3.1 Akzeptanz und Kompetenz des MfS 187 3.2 Wissenschaft und Technik in der Zwangsjacke von Sicherungskonzeptionen 195 3.2.1 Zwischen Megabit- und Anti-SDI-Wahn: Mikroelektronik im Visier des MfS 202 3.2.2 Die 25-prozentige Zuckerrübe: Biotechnologien im Visier des MfS 219 3.2.3 »Multispektakelkamera« und »Falke«: die DDR im Kosmos 221 3.2.4 Kernforschung im Windschatten Moskaus 232 3.3 Spezifische Sicherungsaufgaben des MfS 238 3.3.1 Sicherung der MfS-Auftragsforschung 239 3.3.2 Sicherung der Landesverteidigung (LVO) 242 3.3.3 Funktion der Abteilungen I 249 3.3.4 Sicherung der Mobilmachung (MOB-Arbeit) 252 3.3.5 Aufklärung 254 3.3.6 Befehl 1/85 256 4 »Störfreimachung« und illegaler Technologietransfer 259 4.1 »Störfreimachung« 259 4.2 Illegaler immaterieller Technologietransfer 264 4.3 Illegaler materieller Technologietransfer 276 5 Schlußbemerkungen 292 Anhang Verzeichnis der Organigramme 293 Verzeichnis der Tabellen 294 Personenregister 296 Sachwortregister 299 Abkürzungsverzeichnis 304 Angaben zum Autor 311 3 Einleitung Vierzig Jahre DDR, das war nicht nur eine Periode wirtschaftlichen und ökologischen Nie- dergangs, hochsubventionierter sozialer Sicherheit und permanenter Unterdrückung Anders- denkender, es war auch die Zeit ungeteilter Fortschrittsgläubigkeit. Wissenschaft und Technik hatten im Rahmen der »wissenschaftlich-technischen Revolution« eine zentrale Position in- nerhalb des Gesellschaftsgefüges und Selbstverständnisses des DDR-Regimes inne, wenn- gleich mit temporär unterschiedlicher Gewichtung.1 Zahlreiche Plenen des ZK der SED, Par- teitage, Ministerratsbeschlüsse, Reformen und Programme markierten allerdings einen Weg, der alles andere als erfolgreich war. Dennoch hat es eine Reihe von beachtlichen Einzel- und Spitzenleistungen gegeben. Ob die Forschungsergebnisse des Ardennekollektivs oder des Biologen und Verhaltensforschers Prof. Günter Tembrock – die wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen des Sozialismus bedingten diese Spitzenleistungen nicht. Als Singulari- täten charakterisieren sie die Defizite der ideologisch verfaßten, zentralistisch dominierten und von übergeordneten Interessen abhängigen Forschung und Entwicklung deutlicher, als dies die vielen Niederlagen vermögen. Es ist paradox: Die den »objektiven Entwicklungsge- setzen« sich verpflichtet fühlende Wissenschaftspolitik des »realen Sozialismus« vermochte es nicht, sich von der Welle jenes Innovationszyklus tragen zu lassen, der einen breiten Höhepunkt in den führenden Industriestaaten dieser Zeit entfaltete. Die moderne Geschichte Kondratjewscher »langer Wellen« in der Weltkonjunktur besitzt – als ein Novum – eine loka- le Rezession erheblichen Ausmaßes: die Innovationsanomalie des Sozialismus. Im Ringen der DDR um wissenschaftlich-technische Höchstleistungen fallen einige Phasen verstärkter Anstrengungen auf: Mitte der fünfziger Jahre Ulbrichts Kampf um die »technische Intelligenz«, von 1969 bis 1972 die Akademiereform und die Zuwendung zur elektronischen Datenverarbeitung sowie in den achtziger Jahren der als technologische Schlacht apostrophierte Versuch, Anschluß an den Weltspitzenstand in der Mikroelektronik zu erreichen. Diesen »Höhepunkten« lassen sich mühelos Tiefpunkte zuordnen: Ende der fünfziger Jahre eine in der Wissenschaftsgeschichte einmalige Massenflucht von Wissen- schaftlern, in den siebziger Jahren eine Lethargie auf breitester Ebene und Ende der achtziger Jahre das »Aus« in der Mikroelektronik. Die »technologische Schlacht« galt der SED nicht als »Ermessensfrage«, sondern als »Überlebensfrage« und als »fester Bestandteil des gesam- 1 Zum Stellenwert der Wissenschaft in der DDR vgl. Forschung und Entwicklung in der DDR. Daten aus der Wissenschaftsstatistik 1971 bis 1989. Hg. SV-Gemeinnützige Gesellschaft für Wissenschaftsstatistik m. b. H. im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Essen 1990. 4 ten Systems des Wirtschaftskrieges«, als das »Ringen des jeweiligen Systems, sich die Errun- genschaften von Wissenschaft und Technik rascher und vollständiger anzueignen«.2 Dennoch: die Schlagworte in der DDR-Wissenschaftshistoriographie wie Wissenschaft- lerflucht, Akademiereform, Interkosmos, 1-Megabitchip, Knebelung der Geisteswissenschaf- ten und – neueren Datums – die Nischenleistungen bedürfen alle ihrer Prüfung auf signifikante MfS-Inkorporationen. Auf diese Weise könnten neue Einsichten zu Fragen der Merkmale sozialistischer Wissenschaftspolitik à la DDR gewonnen werden, die auch die besten Ansätze und Vorhaben in Forschung und Technologie nicht zur Wirkung kommen ließ. Bürokratisches Verwaltungshandeln, Zentralismus und Ausdifferenzierungsprozesse sind nicht die alleinigen Gründe für diese Misere. Es spricht sehr viel dafür, daß das Innovati- onsdilemma wesentlich durch die faktische Unmündigkeit der Wissenschaftler und Wissen- schaftsmanager begründet ist. Und spätestens hier stellt sich die systematische Frage nach dem spezifischen Anteil des MfS als »Schild und Schwert« der Parteinomenklatura. Die Staatssicherheit hatte von Anfang an ein Augenmerk auf die Einrichtungen der Wissenschaft, Technik und Technologie. Mehr und mehr griff sie – insbesondere kraft ihrer personen- zentrierten »politisch-operativen« Arbeitsweise und -aufgabe – in originäre Belange dieser Branche ein. Stellenweise war sie integraler Bestandteil, ja, mutatis mutandis, Motor des Wissenschaftsbetriebs. Freilich gab es auch zahlreiche »weiße Flecken«, wo sie nicht, nicht mehr oder nur geringen Einfluß nahm. Die Diensteinheiten des MfS, die für die Sicherung der Einrichtungen und Organisationen von Wissenschaft und Technik verantwortlich waren, wurden im Laufe der DDR-Geschichte ausgebaut und spezialisiert. Deren Entwicklungs- geschichte ist ein signifikantes Spiegelbild der Wertschätzung, die die Partei einzelnen Wis- senschaftsrichtungen temporär zuwies. Im Falle der Priorität der Mikroelektronik im letzten Jahrzehnt der DDR wird dies am Beispiel der expansiven Entwicklung der Abteilung 8 der Hauptabteilung XVIII überaus deutlich. Die Entscheidung für den methodischen Zusammenschluß zweier MfS-Diensteinheiten unter einer Überschrift hatte inhaltliche und pragmatische Gründe. Zum einen wiesen die Tätigkeitsprofile der Abteilungen 5 und 8 der Hauptabteilung XVIII aufgrund der Schwer- punkte in Forschung und Technologie erhebliche Parallelen auf. Zum anderen konnte durch den Zusammenschluß die lückenhafte Überlieferungslage teilweise kompensiert werden. Daß andererseits Wissenschaftsbereiche wie die der Landwirtschaft, Architektur, industriellen Chemie3 oder des Hoch- und Fachschulwesens4 ausgeblendet bleiben, weil sie von anderen 2 JHS vom 15.2.1989: »Leiterinformation zu den Forschungsergebnissen ›zur sicherheitspolitischen Durch- dringung der breiten Anwendung der Schlüsseltechnologien, insbesondere Mikroelektronik, Rechentechnik und CAD/CAM. Zu damit verbundenen Anforderungen an die Einleitung und Realisierung leistungs- und effektivitätsfördernder Maßnahmen bei der Gewährleistung der Einheit von Feindbekämpfung, vorbeu- gender Schadensabwendung und Unterstützung (untersucht am Beispiel der Elektronisierung)‹«; BStU, ZA, SdM 639, Bl. 1–36. 3 Gilles, Franz-Otto; Hertle, Hans-Hermann: Überwiegend Negativ. Das Ministerium für Staatssicherheit in der Volkswirtschaft dargestellt