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Eine abendfüllende Therapie für den Trickfilm

Was der abendfüllende Animationsfilm zu leisten imstande ist – neue Möglichkeiten der Erzählung am Beispiel von „Waltz with Bashir“ und „Persepolis“

Betreuer: Prof. Frank Gessner Jost Althoff weiterer Gutachter: Konrad Weise Studiengang Hochschule für Film und Matrikel Nummer 4308 Fernsehen „Konrad Wolf“ 2010

Abbildung 1

2 Inhaltsverzeichnis Einleitung ...... 4 These...... 6 Anamnese:...... 6 Therapie...... 7 Diagnose...... 8 Begriffsklärung ...... 8 Was ist eine Autobiografie?...... 8 Der Wirklichkeitsbezug im Film...... 9 Der selbstreflexive Bezug im Film...... 10 Der abendfüllende Trickfilm ...... 13 Filmbesprechung...... 16 Synopsis PERSEPOLIS...... 17 Synopsis WALTZ WITH BASHIR...... 18 Gemeinsamkeiten...... 18 Gemeinsamkeiten auf der narrativen Ebene ...... 19 Gemeinsamkeiten auf der formalästhetischen Ebene...... 24 Gemeinsamkeiten auf der inhaltlichen-thematischen Ebene...... 31 Zusammenfassung ...... 35 Auswertung der inhaltlich-thematischen Gemeinsamkeiten...... 37 Fazit ...... 39 Vorbilder...... 40 Die Invention der autobiografischen Instanz in der visuellen Erzählung ...... 40 Autobiografische Comics...... 41 Autobiografische Animationsfilme...... 43 STARKER VERKEHR...... 43 BARFUSS DURCH HIROSHIMA...... 45 AMERICAN SPLENDOR ...... 46 Animierte Lebenserzählungen im Kurzfilmformat...... 47 DRAWN FROM MEMORY...... 47 HIDDEN /GÖMD ...... 48 RYAN ...... 49 NEVER LIKE THE FIRST TIME!...... 50 SITA SINGS THE BLUES...... 51 Kulturkritische Anmerkungen ...... 52 Autobiografie und Kunst-...... 56 Organisierung der Lebenserfahrung in Form der Selbsterzählung ...... 56 Veränderung der Rahmenbedingungen / Erweiterung der Erzählzone...... 60 Schluss...... 63 Anhang:...... 66 Ein kurzer Einblick in das Genre des autobiografischen Comics...... 66 Literaturliste...... 72 Zeitungen und Magazine ...... 72 Literatur...... 73 Filme ...... 77 Hörbücher ...... 78 Netzquellen ...... 78 Bildverzeichnis ...... 78 Clipliste der beigelegten DVD ...... 80 Eidesstattliche Erklärung...... 81

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Einleitung

Der Gegenstand meiner theoretischen Diplomarbeit ist das Aufkommen der autobiografischen Erzählung im abendfüllenden Animationsfilm. Zu diesem Zwecke möchte ich zwei Filme exemplarisch untersuchen: PERSEPOLIS (2007, Regie und Buch Vincent Paronnaud und Marjane Satrapi) und WALTZ WITH BASHIR (2008, Regie und Buch ). Beide Filme arbeiten mit den formalen Mitteln des Animationsfilmes und fanden in diesem Kontext große Beachtung. So schreibt Florian Schwebel in „Der Animationsfilm für Erwachsene“: „Als Film versucht PERSEPOLIS etwas vollständig Neues und erweitert damit die Grenzen des Animationsfilms.“ (Schwebel, 2010, S.114) Und Andreas Kilb schreibt: “Und wie nach jeder großen Idee in der Geschichte des Films sieht das Kino auch nach „Waltz with Bashir“ anders aus als zuvor.“ (FAZ, 6.11.09) Beide Filme weisen auf der inhaltlichen Ebene, gleichermaßen intensiviert und relativiert durch eine autobiografische Erzählform, einen starken Realitätsbezug auf. Das ist ungewöhnlich für den abendfüllenden Animationsfilm. Ich möchte diese Gemeinsamkeiten und die damit verbundenen Implikationen für die Besprechung der beiden Filme auswerten und über sie hinaus in einen intermedialen historischen Kontext stellen, mit dem Ziel sie einer bestimmten Korpusbildung im Sinne Guido Kirstens zuzuordnen: als eine „spezifische ästhetische Form filmischen Erzählens, die sich von anderen Formen sinnvoll abgrenzen und kritisch diskutieren lässt.“ (Kirsten, 2009, S. 211)1

Folgende Fragen sind in meinen Augen damit verbunden: Ob der abendfüllende Animationsfilm für die autobiographische Erzählung am Anfang einer Entwicklung steht, die seiner Form inhärent ist und bisher nur zuwenig Aufmerksamkeit und Anwendung fand? Nutzen also Marjane Satrapi und Ari Folman mit ihren autobiografischen Erzählungen die spezifischen Stärken der Technik und des Formats, oder werden

1Kirsten spricht von Korpusbildung, wenn Filme unter dem Begriff eines Genres zusammengefasst werden können, oder auch einer spezifischen narrativen Form, in seinem Fall dem »Filmischen Realismus«.

4 diese Filme für den abendfüllenden Trickfilm eher eine Ausnahmeerscheinung bleiben? Kann man dem Journalisten Daniel Kothenschule zustimmen, wenn er schreibt: „Erst im vergangenen Jahr hatte der französische Zeichentrickfilm „Persepolis“, die Autobiographie der Exil-Iranerin Marjane Satrapi, an die selten dokumentarische Möglichkeit des Trickfilms erinnert“, und wenig später hinzufügt: „»Waltz with Bashir« führt den Trickfilm (...) zu seiner eigentlichen Bestimmung, der Darstellung von Surrealität, Traumrealität und Imagination“? (FR, 7.11.08) Fokus wird hierbei der autobiografische Aspekt der beiden Filme sein, die ich (nach Kirsten) im Hinblick auf Gemeinsamkeiten auf drei Ebenen untersuchen werde: auf der narrativen, der inhaltlich-thematischen und auf der formalästhetischen Ebene, immer im Hinblick darauf, die genannten Filme einem „spezifischen Stil mit eigenem künstlerischem und sozialen Anspruch, bestimmten dominanten Themen und Repräsentationsstechniken, die sich vom Mainstream-, Genre-, Kunst-, Dokumentar- und Experimentalfilm unterscheiden“ (Kirsten, 2009, S. 216-217) zuzuordnen. Ich behaupte, dass der Aspekt des autobiografischen Erzählens kombiniert mit Trickfilmtechnik für den abendfüllenden Film ein Spannungsgefüge darstellt, welches sich zwangsläufig bestimmter Thematiken bedient, bestimmte Stilmittel aneignet und bestimmte Erzählweisen bevorzugt.

Die Frage nach der Echtheit und Glaubwürdigkeit von autobiografischem Material, das im Gewand eines Trickfilms daher kommt – Satrapi nennt ihren Film ebenso wie ihre Comicvorlage eine „Autofiction“2, um auf die Begegnung von Faktizität und Fiktion hinzuweisen, Folman dagegen spricht provokativ von „first animated feature-length documentary“ – hat ganz allgemein als Frage nach der Authentizität eines Werkes unterdes in der Kunstgeschichte eine lange Tradition und kommt hier nur im neuen Gewand und besonders plakativ daher. Seit Aufkommen des Films wird versucht, die vermittelten Geschichten nach ihrem Realitätsbezug zu unterteilen. In die Grauzone dieser angenommenen Grenze zwischen

2„Comic-Autobiography“ haben Kritiker Persepolis genannt; gemeinsam mit einigen anderen jungen Autoren habe Marjane Satrapi ein neues literarisches Genre begründet. Sie selbst spricht lieber von „Comic Autofiction“. Weil nicht alles sich wortwörtlich so zugetragen hat, wie sie es im Buch beschreibt. Was an der Wahrheit der Schilderung nichts ändert. (http://www.zeit.de/2004/19/L-Satrapi Zugriff April 2010)

5 Fiktion und dokumentarischem Film stoßen die Filmemacher von den verschiedensten Seiten her vor. Spielerisch und ernsthaft wird die Authentizität des Erzählten und dessen Form hinterfragt. Es ist ohnehin nicht mehr möglich, auf formaler Ebene ein manipuliertes Bildgut, selbst im großen Stil, zu erkennen. Von der REISE ZUM MOND (1902) von Georges Méliès zu AVATAR (2010) von James Cameron war es ein weiter Weg in der Entwicklung der glaubwürdigen Illusion. Es ist daher auch nicht mehr möglich, die Glaubwürdigkeit einer Erzählung am Bildgut festzumachen. Eine daraus resultierende Erosion des Vertrauens in die Aufrichtigkeit der Medienkommunikation ist auszumachen, wenn die Journalistin Thea Dorn schreibt: „In der sogenannten Informationsgesellschaft, bei der es sich in Wahrheit um eine Gesellschaft handelt, in der keiner mehr weiß, welche Information er noch glauben und was er mit all den Informationen, die er sekündlich abrufen kann, anfangen soll, wird Glaubwürdigkeit zum letzten Fetisch.“ (DIE ZEIT, 31.3.2010) Mir scheint es, dass bei dieser Erosion der Glaubwürdigkeit in der Medienwelt die Evolution der Bildbearbeitungsvollmacht eine wesentliche, wenn auch nicht alleinige Rolle spielt. Dass die beiden Filme in diesem Sinne recht merkwürdige Mischformen von „facts & fiction“ sind, erscheint dabei eher folgerichtig als sensationell. Denn wenn man den Bildern nicht mehr glauben kann, ist es die Integrität des Erzählers, die zählt. Ob die Geschichte dann gezeichnet oder täuschend echt wirkt, spielt dabei keine Rolle mehr.

These

Anamnese:

Der abendfüllende Trickfilm ist neurotisch. Sein Selbstbild ist verzerrt. Zu den wirklichkeitsverzerrenden Annahmen gehört vor allem die Idee, dass er einer bestimmten Erwartung entsprechen müsse. Er hat Angst, bei Nichtbestätigung der Erwartung ungeliebt und verstoßen zu werden. Die vermeintliche Erwartung an den Trickfilm ist seit Walt Disney Genrekonventionen erlegen: familienfreundliche, humorvolle Abendunterhaltung in fantastischem Setting mit Happy End. Diese Parameter entsprechen dem Sicherheitsbedürfnis großangelegter, kostspieliger Trickfilme, die den unerhörten Arbeitsaufwand rechtfertigen müssen, und somit auf Massenwirksamkeit ausgelegt wurden.

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Therapie

"Werde, wer du bist, doch erkenn's erst." Pindar (Dritte Phytische Ode)

Die Parameter entsprechen nicht mehr den gegebenen Möglichkeiten, die dem Trickfilm zur Verfügung stehen. Die Wirklichkeitsverzerrung, die mit der Annahme der Notwendigkeit einer familientauglichen Abendunterhaltung einhergeht, bedarf eines „Reframings“. Solche Prozesse der Neuorientierung sind langsam und können nur durch kleine erfolgreiche Schritte zu Erweiterung der Handlungsoptionen führen. Diese kleinen Schritte laufen meist unbeachtet in sicherem Rahmen ab. Im Kurzfilmbereich entwickelt sich der Animationsfilm in Zwiesprache zwischen zeitgemäßer Themenwahl und technischer Umsetzungsmöglichkeit, jedoch unter Ausschluss des Massenmarktes, vielstimmiger denn je. Die technologische Entwicklung der letzten Jahrzehnte ermöglicht es, schon in kleinen Teams abendfüllende Trickfilme zu realisieren. WALTZ WITH BASHIR wurde als abendfüllender Trickfilm von einem Team von ungefähr zehn Animatoren in vier Jahren gestemmt - „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ dagegen benötigte 750 Mitarbeiter in einem Zeitrahmen von drei Jahren.3 Der Kostenaufwand verringert sich, die Zielgruppen müssen dementsprechend ebenfalls nicht die erwähnte Größe eines Massenpublikums annehmen. Bei diesem delikaten Wechselspiel zwischen Zuschauererwartung und Umsetzungsmöglichkeit bedingt sich eine Entwicklung hin zu offeneren Formen der Geschichtenerzählung wechselseitig. Diese Formen können weniger universell, in ihrer Autorschaft offensichtlicher individuell und in der Themenwahl offensiver und experimenteller sein. Im Sinne einer Therapie also: eine Revision der Handlungsoptionen, eine Befreiung selbstangelegter Scheuklappen, eine Verbreiterung der Palette über die gewohnten Lösungsmuster hinaus, ist zu beobachten.

3 Ich möchte jedoch nicht die unbestritten höhere Qualität der Animation des Disney-Klassikers gegen die kleine Produktion aus Israel ausspielen. Es geht mir hierbei um die Möglichkeit, dem Format gerecht zu werden, und das tut der Film WALTZ WITH BASHIR q.e.d.. Die Animation nimmt dabei eine eher untergeordnete Rolle ein.

7 Bei diesem Prozess werden einschränkende Glaubenssätze relativiert, um den jeweiligen vielfältigen Anforderungen, die an die Animation als Filmtechnik gestellt werden, flexibel begegnen zu können. Ein Reifungsprozess ist zu beobachten.

Diagnose

PERSEPOLIS und WALTZ WITH BASHIR eröffnen in diesem Sinne neue Perspektiven. Sie bedienen sich beide der autobiografischen Erzählform und erschließen damit Neuland für den Bereich des abendfüllenden Animationsfilms. Dieses Neuland hat eine Vorgeschichte in angrenzenden und benachbarten Medien.

Begriffsklärung Bevor ich mich WALTZ WITH BASHIR und PERSEPOLIS im Hinblick auf meine Fragestellung widme, einige Worte zur Klärung der Begrifflichkeiten.

Autobiografisches Erzählen und abendfüllender Trickfilm.

Was ist eine Autobiografie?

In den späten 1990ern mietete sich der Künstler Käthe B. am Hackeschen Markt in Berlin eine Ladenwohnung und richtete sich dort für die kommenden Monate für ein Wohnen im Grenzbereich zum öffentlichen Raum ein. Die Performance wurde unter dem Titel „Käthe B at home“ bekannt. Der Künstler hatte alle nicht einsichtigen Räume mit Kameras ausgestattet, damit verbundene Fernseher im Schaufenster platziert und in dem dahinter befindlichen Ladenraum sein Bett aufgestellt. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, was wir herkömmlicherweise von einer Autobiografie erwarten, denn es wird mit Sicherheit nicht das im Gedanken fortgesetzte und gespeicherte Ergebnis dieser Performance sein. Statt der ungefilterten, selbstbezüglichen Materialfülle erwarten wir einen vom Verfasser selbst aufgezeichneten Lebensbericht, der im Hinblick auf von ihm für wichtig befundene Erlebnisse, Ereignisse und Gedanken angefertigt und verdichtet wird. Wir erwarten eine reflektierte und interpretierte „Organisation von

8 Lebenserfahrung“4. Es ist also die „Aufnahme eines Blickwinkels“ auf die Welt, so wie es Godard auch generell für die Tätigkeit des Filmemachens konstatiert5. Die Erzählung ist nur insofern authentisch, wie sie dem Verfasser als wahr erscheint. Dieser bringt als „Unterpfand der Wahrheit“ die Glaubwürdigkeit seiner Person in den Bericht ein. Der Wirklichkeitsbezug der Erzählung wird durch den Wirklichkeitsbezug des Erzählers garantiert6. Gleichzeitig ist der Erzählende per Definition Hauptdarsteller seiner Geschichte. Es macht diese Art der Erzählung aus, dass sie ein Nachdenken über das selbst Erlebte beinhaltet, also einen selbstreflexiven Bezug hat. Der Wirklichkeitsbezug und der selbstreflexive Bezug bilden die Pole eines Spannungsgefüges, in das sich die persönlichen Erlebnisse, Gedanken und Ereignisse einordnen.

Der Wirklichkeitsbezug im Film

„Das ist alles echt, da wurden Zivilisten umgebracht.“ Ari Folman im Interview (film dienst, 23/2008)

Mit dem Anspruch der Wirklichkeitstreue, generell dem Wirklichkeitsbezug, einer filmischen Erzählung ist ein neuralgischer Punkt in den Filmwissenschaften angesprochen, den ich als „Realismusdebatte“ bezeichnen möchte. Ich werde mich hierbei auf Etienne Souriau beziehen, wenn er schreibt:

„Wenn man von realistischen Filmen spricht, will man logischerweise damit ausdrücken, daß diese ein genaues Bild des afilmischen7 Universums geben, besser noch: daß sie ihm auf ehrliche und getreue Weise Ausdruck verleihen. Auch der „Dokumentarfilm“ ist ohne diesen Bezug begrifflich nicht zu fassen: Er ist definiert als eine Wirklichkeit, die dem afilmischen Universum entnommen ist (wohingegen der realistische Film nur global als dessen Ausdruck gelten kann, während er im Detail der schöpferischen Eingebung Raum läßt). (Souriau, 1952, S.140-157

4„Literatur und Organisation von Lebenserfahrung“ (Sloterdijk,1976) 5 Raymond Federmann schreibt hierzu: „An Autobiography is never a complete history of the person who writes it. By necessity (of space, of language, of prudishness, of time) it must be selective. (Federmann, 1992, S.330) 6 Ein gutes Beispiel für einen dementsprechenden Mangel an Wirklichkeitsbezug wäre die animierte Biografie Dieter Bohlens „Dieter, der Film“. 7Souriau unterscheidet afilmische von profilmischer Wirklichkeit in Bezug auf die filmische Erzählung. Erstere wird als „unabhängig von jeder kinematographischen Aktivität“ beschrieben.

9 Da es sich beim Filmemachen nicht bloß um eine Wiedergabe oder Entnahme handelt (wie es wohl am ehesten noch dem oben genannten Beispiel des Käthe B. entspricht), sondern um die „Aufnahme eines Blickwinkels“ (s.o.), also eine Interpretation, stimme ich den weitergehenden Gedanken Guido Kirstens zu, wenn er schreibt: “dass realistische Filme auf einen Effekt hinarbeiten, der darin besteht, dass ihre Diegese8 den historischen Rezipientinnen als der wirklichen sozialen Welt strukturell homolog [...] erscheint.“ (Kirsten, 2009, S.211) Was dem Zuschauer als real erscheint, ist abhängig von zeitlichen und sozialen Zusammenhängen seiner Lebenswelt und dem Rahmen der filmischen Erzählungen, den er damit in Übereinkunft bringen kann. Es handelt sich also in gewisser Weise um einen gemeinsamen Nenner, auf den man sich als Wirklichkeit verständigt und bestätigt sieht.9 In Spannung gehalten wird dieser gemeinsame Nenner durch die Aufnahme des eigenen Standpunktes, die eigene Interpretation der Welt.

Der selbstreflexive Bezug im Film

„Dennoch erhebe ich keinen Anspruch, „die“ Realität zu zeigen. Ich erzähle die Geschichte eines einzigen Menschen - individueller geht es nicht.“ Marjane Satrapi im Interview (Berliner Zeitung, 22.11.07)

Der selbstreflexive Bezug intensiviert und relativiert diesen Wirklichkeitsbezug gleichermaßen. Er beinhaltet das Nachdenken über sich selbst und das eigene Erleben. Die Bandbreite reicht von Augenzeugenberichten und seiner Folgeerscheinung, dem Journalismus, mit seiner Betonung auf der Zeugenschaft, dem „Ich hab’s gesehn“, bis hin zu komplexen Erlebnisberichten „innerer Wirklichkeiten“ sowie Gedankengebäuden, Drogen- und Erweckungserlebnissen oder auch Liebesgefühlen. Es sind diese Darstellungen individueller Erfahrung, die Florian Schwefel in seinem Buch „Der Animationsfilm für Erwachsene“ als „gefundenes Fressen für den Animationsfilm“ bezeichnet (Schwebel, 2010, S. 9-10), verbunden mit der Anmerkung: „Dennoch bleibt die Frage, warum die Möglichkeiten zur neuartigen Darstellung psychologischer Phänomene bislang so wenig genutzt werden.“

8„Diegesis: In a narrative film, the world of the film’s story“ (Bordwell, Thompson, 2004, S. 70-71) 9 „Jede Filmrezeption geschieht in einer spezifischen Situation, und der Zuschauer kann sich nur dadurch auf einen Film einlassen, daß er Sehfähigkeiten anwendet, die durch Begegnung mit anderen Kunstwerken und durch Alltagserfahrung erworben wurden.“ (Thompson, 1998, S.421) „Da das Werk unter ständig wechselnden Umständen fortlebt, wird es im Lauf der Zeit vom Publikum auch jeweils anders wahrgenommen.“ (Thompson, 1998, S.423)

10 Der Hirnforscher Wolf Singer ordnet diese Art „Wissen über die Welt“ dem Erfahrungssystem der Introspektion zu, also der „Sicht auf uns aus der Ersten-Person- Perspektive. Dort erfahren wir, daß wir Wahrnehmen, daß wir Gefühle haben, daß wir entscheiden können“. Die erwähnte Relativierung des Wirklichkeitsbezuges schreibt Singer hierbei dem Organ selbst zu, wenn er fortfährt:

„Weil unser Gehirn ein Produkt eines evolutionären Prozesses ist, muss man annehmen, dass auch das, was wir erfahren können, wissen können und denken können, begrenzt ist. (...) Wir haben also mit Sicherheit Schranken in unserer Kognition. (...) Faszinierend ist trotzdem, dass wir die Welt als kontinuierlich wahrnehmen, wir füllen also die ganzen Lücken aus mit Interpretationen. (...) und nachdem wir in dem Fall letztinstanzlich sind, und niemanden fragen können, folgt zwangsläufig, dass unser Zugriff auf die Welt unseren eigenen kognitiven Beschränkungen unterworfen bleibt.“ (Singer,2003)

Die Deutung der Wahrnehmung ist also Teil des Prozesses, so dass eine ungetönte Wahrnehmung, also auch Darstellung der Welt nur schwer vorstellbar wird.

„Obwohl die Umrisse des Dreiecks nicht vollständig zu vorhanden sind, fügt unser visuelles Verarbeitungssystem die fehlende Kontur hinzu. Der Schlüssel für die sichere Hinzufügung von Fehlendem liegt darin, daß wir uns Informationen zunutze machen, die der Kontext des fehlenden Elements liefert- wir füllen mit Hilfe kontextueller Informationen die gegebenen Lücken auf. nichts anderes geschieht beim Hören, Tasten, Riechen und Schmecken. Die Schnittechnik des Films nimmt also lediglich Verfahrensweisen unserer Wahrnehmung und des konstruktiven Vermögens unseres Gehirns in Anspruch, die unser Weltverständnis ganz grundsätzlich ausmachen.“ (Welzer, 2002, S.218)

Sicher aber gibt es gewisse Schnittmengen, auf die wir uns im gegebenen kulturellen Kontext verlassen und gegebenenfalls einigen können. Diesem Problem (wenn man es so nennen mag) der interpretationsabhängigen Wirklichkeitswiedergabe steht man als Filmschaffender nicht allein gegenüber. Es gehört zum Handgepäck der Postmoderne:

11 „Privileging the empirical, however, is what historians have to do. One of the historian’s fundamental propositions is that „the past does exist and that, contrary to some notion that the past is only in our minds, it has an existence independent of our knowledge of it.“ What would we be if we stopped trying to distinguish the factual from the purely imaginative? I do not know, but surely we would cease to be historians. Nevertheless, the idea that „fact“ and „fiction“ are clearly distinguishable categories creates another dichotomy redolent of nineteenth-century polarities, one that smells a bit stale to our postmodern noses.“ Robert Sklar zitiert nach Historians & Filmmakers

In diesem Zusammenhang erklärt sich Ari Folmans Gegenfrage bezüglich des 10 Wahrheitsgehalt seines Films: „Is it a documentary, is it fiction? I don`t know it...yet.“ Allgemeiner formulierte Alexandre Alexejeff in seinem Vorwort „In praise of Animated Film“ zu Bendazzis „Cartoons“ sein diesbezügliches Unbehagen gegenüber der Trennung zwischen „Real-“ und „Trickfilm“: „Thus, a still unsolved problem emerged: What is reality? What do we mean by »objective reality«?“ (Bendazzi, 1994, S. XX)

Abbildung 2

Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass ein selbstreflexiver Bezug auch auf das die Geschichte tragende jeweilige Medium an sich genommen werden kann, dass also Filme einen Bezug zu ihren eigenen Entstehungsbedingungen herstellen und thematisieren. Eines der wohl prominentesten Beispiele für den Trickfilmbereich ist Daffy Duck in Chuck

10 www..com/watch?v=ILzu4akcNSw Zugriff April 2010)

12 Jones DUCK AMUCK (1953): vor unseren Augen wird die Trickfilmwelt dekonstruiert, mit ihren Bestandteilen gespielt und wieder aufgebaut, am Ende gibt sich Bugs Bunny als Schöpfer Duffys am Zeichenbrett aus und kommentiert kokett in Richtung Kamera: „Quite a little Stinker, ain`t I?“. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch Osamu Tezukas BROKEN DOWN FILM (1985), der in einer liebevollen Hommage an die Trickfilme der Dreißiger Jahre die Projektions- und Filmfehler als handlungstragend etabliert.

Der abendfüllende Trickfilm

Ich behaupte, im Bereich des abendfüllenden Trickfilms mit der autobiografischen Erzählweise Neuland ausmachen zu können. Es ist daher vonnöten, meinen Ausgangspunkt näher zu umreißen. Nicht nur, dass der Terminus „Trickfilm“ im oben genannten Zusammenhang provoziert, sondern auch, dass mit dem Attribut „abendfüllend“ über weite Strecken der Geschichte des Animationsfilms derartig große Implikationen verbunden waren, dass sie Stil- ja genrebildend wirkten, bedarf einer Klärung. Der Begriff „Trickfilm“ impliziert, dass es sich bei solcherart von Filmen um Täuschungen handelt. Der dagegen gesetzte „Realfilm“ hantiert mit einem problematischen Realismusbegriff , wenn es sich derart vom fotografischen Prozess ableitet, wie in der Gegenüberstellung von A. Platthaus, wenn er in „Von Mann und Maus“ über den mit „Schneewittchen“ von Disney eingeschlagenen Pfad der «Illusion of life» schreibt: „Keine Animationszeichnung kann ein Foto an Realismus übertreffen, wohl aber an Ausdruckskraft und Betonung von Details, die einen höheren Grad an Lebendigkeit suggerieren11“(Platthaus, 2001, S.97). Hier wird in einer weithin gebräuchlichen Weise vereinfacht, wie es Kirsten folgendermaßen vermerkt: “Filme werden dann als realistisch apostrophiert, wenn sie bestimmte Potentiale des Mediums aktualisieren, um Realitätseindrücke zu erzeugen. Entsprechend wird etwa JURASSIC PARK (Steven

11 Platthaus nähert sich hierbei dem Problem der Wirklichkeitswiedergabe im Sinne S. Kracauers. In dessen Hauptwerk „Die Theorie des Films – Die Errettung der äußeren Wirklichkeit“ wird eine dem Medium inhärente Aufgabe von dessen Herkunft abgeleitet. Der Film soll „wie die Fotografie, physische Realität wiedergeben und aufdecken“ (Kracauer, 1985, S. 65). Dementsprechend werden Trickfilme vorerst ausgeklammert. Mit der Maxime, „daß jede Kunstgattung im Einklang mit ihren besonderen Mitteln eine spezifische, nur ihr vorbehaltene Funktion zu erfüllen habe“, wird er in der Besprechung von „Dumbo“ die Aufgabe des „Zeichenfilms“ mit der „Auflösung der konventionellen Realität“ (Kracauer, 1974, S. 59) beschreiben, und Disneys „realistischen Stil“ kritisieren, die er durch die „Wendung zum (...) abendfüllenden Film begünstigt [sieht], der eine Handlung erfordert.“ (Kracauer, 1974, S.59)

13 Spielberg, USA 1994) ein hoher Realismus bescheinigt, weil die Dinosaurier überzeugend (oder lebensecht, was auch immer das in diesem Fall heißen mag) animiert sind.“ (Kirsten, 2009, S. 210) Bleibe ich bei meinem Begriff des filmischen Wirklichkeitsbezuges, nämlich dem Effekt, dem afilmischen Universum auf ehrliche und getreue Weise Ausdruck zu verleihen, erscheint es mir durchaus eine realistischere Art des Tricks, wenn bei WALTZ WITH BASHIR Folmans befreundeter Psychologe bei dessen frühmorgendlichen Besuch eher schlecht animiert als ungelenk ein Glas Milch einfüllt. Würde ein perfekt animierter Dinosaurier ein Glas Milch einfüllen, würde es in meinen Augen den Wirklichkeitsbezug der Geschichte nicht erhöhen. Trick und Täuschung ist jeder Film ab dem Moment der Projektion der kontinuierlich ablaufenden Einzelbilder. Der Leser wird bemerken, dass ich die Begriffe - und Trickfilm gleichermassen benutze. Ich halte sie in der Tat für austauschbar. Im Rahmen dieser Besprechung beziehe ich mich auf die negative Definition der ASIFA ( International Association of Animation Film Artists): „everything which is not a simple representation of live action shot at 24 frames per second“ (Bendazzi, 1994, foreword, XVI), wobei mir die Anzahl der aufgenommenen Bilder als nebensächlich, da variabel, erscheint, solange sie der Wiedergabe in Echtzeit dient. In positiver Hinsicht möchte ich mich an Rolf Giesen halten, wenn er enthusiastisch proklamiert: „Es gibt kein Milieu, das der Trickfilm nicht auszumalen oder noch zu intensivieren vermöchte. Es gibt keine realistische oder utopische Szenerie, keine psychologische Situation, vor der seine Realisierungskünste versagen müssten“. (Giesen, 2001)

Dennoch gehen mit dem Attribut „abendfüllend“ aus Konsumentensicht sehr wohl gewisse Einschränkungen und Erwartungshaltungen einher. Das wird deutlich, wenn Andreas Friedrich im Vorwort zu „Filmgenres [!?] Animationsfilm“ schreibt: „Der durchschnittliche Kinogänger freilich bekommt von diesen ungeahnten Möglichkeiten wenig mit, haben es doch in den vergangenen Jahrzehnten - mit einigen Ausnahmen – fast ausschließlich Disney – Filme und solche, die den Disney-Stil imitieren, auf die große Leinwand geschafft.“ (Friedrich, 2007, S.12) Bestätigung erfährt diese Aussage auch durch Bendazzi: „For a long time, Disney was the only standard: not only did he defeat competition, he also erased it, because in the mind of his viewers, his animation was accepted as the only possible one.“ (Bendazzi, 1994, S.70)

14 Was also sind die Inventionen Disneys, des „einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts“ (Schwebel, 2010, S.20), dieses „Napoleon des Animationsfilms“ (Allan, 1988, S,87), die seine abendfüllenden Filme so erfolg- und folgenreich machten, dass sie in der Lage waren, eine Gattung in ein Genre umzudeuten? Verkürzt gesagt sind es narrative und stilistische Konventionen, die zweierlei Notwendigkeiten geschuldet waren: die Filme auf ein möglichst großes Publikum zuzuschneiden, um den unerhörten Arbeits- und Kostenaufwand abzusichern, den ein eineinhalbstündiger Animationsfilm bedeutete und damit verknüpft Änderungen, die sich aus der damals neuen, längeren Form selbst ergaben. Denn Disney und sein Team waren die ersten Animatoren, die , im Kurzfilmbereich erfolgreich geschult, mit SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS 1937 das Neuland des Feature-Films betraten und sich somit vom Vorfilm zur Hauptattraktion der Abendunterhaltung aufschwangen. In einer Ansprache vor der Society of Motion Picture Engineers äußerte sich Disney 1940: „How very fortunate we are as artists to have a medium whose potential limits are still far off in the future, a medium of entertainment where, theoretically at least, the only limit is the imagination of the artist. As for the past, the only important conclusion that I can draw from it is that the public will pay for quality“ (Maltin, 1980, S.82)

Disneys Begeisterung für sein Medium unterscheidet sich nur in der Berücksichtigung des Publikums von der Definition Giesens. Und doch: Disneys umbuhltes Zielpublikum, für das keine Anstrengung groß genug sein konnte, blieb Zeit seines Lebens die amerikanische Mittelklasse. Die Limitationen seiner Filme auf eine bestimmte Art der Erzählung geschah nicht zähneknirschend, sondern aus tiefer Liebe und Respekt der Gesellschaftsschicht gegenüber, die ihn und generell das Kino groß gemacht hatte.12 Durch die vervielfachte Länge der Filme verschob sich der Fokus. Aus einer vornehmlich gagbasierten Handlung wurde eine Individuationsgeschichte. Der Handlungsträger wurde Held, die Animation musste ihm Glaubhaftigkeit verleihen und die Geschichte dem Publikum Einfühlung statt Kurzweil ermöglichen. Bei Disneys abendfüllenden Filmen handelte es sich in den allermeisten Fällen um geschlossene Narrationen, die eine familienkompatible Heldenreise mit Happy-End in exotischen Settings präsentierten. Ihre

12 Er hielt, wie es Harald Siepermann, ein deutscher Disney-Designer, es formulierte, Leberwurst mit Gurke stets in hohem Ansehen.

15 Grundelemente waren eine allseits bekannte (Märchen-) Erzählung mit komödiantischen Elementen und Musik, angereichert mit visueller Imaginationskraft und einem herzerwärmenden charismatischen Erzählstil. (frei nach Maltin, 1980, S.73) Diese thematischen, narrativen und stilistischen Beschneidungen waren derart richtungsweisend, dass Jeffrey Katzenberg, Produzent bei Disney und später bei Dreamworks, bei einer Podiumsdiskussion in Anwesenheit des Verfassers behaupten konnte, es gebe eigentlich nur drei Zielgruppen für Animationsfilme: „kids“, also Kinderfilme, „family“, also Familienfilme und „dates & mates“, also Filme, die gute Dienstleister sind, um tendenziell angehenden heterosexuellen Liebespaaren über erste Schwierigkeiten in der Gesprächsaufnahme hinwegzuhelfen und dementsprechend als Thema und Anlass zu dienen. Diese Beschränkung und damit implizierte thematische Verarmung mag für den Massenmarkt bedingt zutreffen. Derlei „Weltflucht und Happy End“ (Maltin), „lustige Tiere, lärmende Sidekicks“ (Friedrich, 2007, S.13) oder wie es Disney selber sagte „plausible impossibility“ (Bendazzi, 1994, S. 65) sind jedoch nicht Mittel und Ziel von WALTZ WITH BASHIR und PERSEPOLIS. Im Gegenteil, sie bemühen sich um einen ganz persönlichen Weltzugang ohne dabei darauf zu verzichten, unterhalten zu wollen. Um es einmal überspitzt zu formulieren: wird Hitchcock damit zitiert, dem Zuschauer mit seinen Filmen ein Stück Kuchen vorzusetzen13, will Disney ihm die gesamte Konditorei andienen. Was aber wollen Folman und Satrapi? Und wie wird der Trickfilm wieder, was er ist?

Filmbesprechung

Vergleichende Analyse der beiden Filme in Bezug auf ihren Erzählstil und die dafür verwendeten Mittel

Im folgenden stelle ich die beiden Filme in der Reihenfolge ihres Erscheinens vor und gehe dann auf narrative, stilistische und thematische Besonderheiten im Hinblick auf eine Übereinstimmung ein. Ich beginne mit PERSEPOLIS (Buch und Regie: Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud, FRA, 2007).

13 „Manche Filme sind ein Stück Leben, meine sind ein Stück Kuchen“ sagte Hitchcock zu Truffaut.

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Synopsis PERSEPOLIS

Der Film stellt in Rückblicken Kindheit und Jugend Marjanes dar, einer in Teheran groß gewordenen Exil-Iranerin. Die Klammer bildet eine in Farbe gehaltene Erzählebene, von der aus sich die in Schwarz,

Weiß und Grautönen gehaltenen Abbildung 3 erinnerten Episoden klar abgrenzen. In der farbigen Rahmenhandlung erfahren wir, dass die Protagonistin unschlüssig den Check-In nach Teheran auf einem Pariser Flughafen abbricht, um ihren Erinnerungen nachzugehen. In chronologisch geordneten Episoden, mal anekdotisch, mal tragisch, mal semidokumentarisch-didaktisch, erfahren wir Geschichten aus ihrem Leben und der iranischen Geschichte. Wir erfahren von dem Umsturz des Schah-Regimes, dem Alltagsleben in der darauffolgenden religiös-fundamentalistischen Diktatur und während des ersten Golfkrieges. Vor allem aber von den Konflikten und Erlebnissen eines aufgeweckten Mädchens aus einer gebildeten Familie, die in Opposition zum Regime lebt. Als die Eltern um das Leben ihrer rebellischen Tochter fürchten, die sich den Umständen nicht unterordnen will, beginnt Marjanes erste Zeit im Exil: Sie geht in Österreich vier Jahre an eine Schule. Nach einem geistigen und körperlichen Zusammenbruch, bedingt durch eine enttäuschte Liebe, kehrt sie nach Kriegsende in den Iran zurück, nur um festzustellen, dass sie nun, fremd im eigenen Land, auch mit größter Anstrengung nicht gewillt ist, die mit den politischen Umständen einhergehenden Einschränkungen zu ertragen. Nach einem Todesfall im Bekanntenkreis, ein junger Mann stürzt auf der Flucht vor den Ordnungstruppen vom Dach, als er, wie die anderen Teilnehmer einer illegalen Feier, versucht zu fliehen, wählt Marjane nun eigenständig das Exil und reist nach Frankreich aus. Wenn sie am Schluss des Films in ein Taxi steigt und den Pariser Flughafen unverrichteter Dinge verlässt, können wir dem einzigen Dialog, den Marjane nicht in ihrer Erinnerung führt, wenigstens ansatzweise in seiner

Bedeutungsschwere aus „Liebe und Entfremdung“ (Kothenschulte, FR, 22.11.07) ermessen: „Von woher kommen Sie?“ „ Iran“.

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WALTZ WITH BASHIR ( Buch und Regie Ari Folman, ISR, FRA, DEU, 2008)

Synopsis WALTZ WITH BASHIR

Dieser Film versucht sich den Ereignissen während des Kriegseinsatzes des Protagonisten anzunähern. Ari, der Erzähler und Hauptperson des Films, bemerkt, durch ein nächtliches Gespräch mit einem von Alpträumen geplagten Freund, dass ihm die Abbildung 4 Erinnerung an die gemeinsame Militärzeit während des ersten Libanonkrieges fast gänzlich fehlt. Er kann sich nur ein traumähnliches Bild vergegenwärtigen, mehr ist ihm nicht geblieben. Er versucht seine Rolle bei dem Massaker von Sabra und Shatila herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck befragt er damalige Mitsoldaten, Entscheidungsträger und Augenzeugen. Rahmenhandlung bildet also sein Bemühen um Klarheit und das langsame Zurückkehren seiner Erinnerung. Diese ist genauso, wie die Erzählungen der Befragten episodenhaft und flashbackartig, mal anekdotisch, mal tragisch, mal dokumentarisch in die Handlung eingewoben. Es bildet sich ein dichter werdendes, traumähnliches, fiebriges Erinnerungsmosaik. Die Informations- und Bilddichte schwillt crescendohaft an, bis sie den Blick freigibt auf dokumentarische Aufnahmen des damaligen Massakers, jenen entsetzlichen Eindrücken ähnlich, die Ari so erfolgreich jahrelang verdrängt hatte, und mit deren Vergegenwärtigung der Film endet.

Gemeinsamkeiten

Neben der bemerkenswerten Personalunion von Regie, Drehbuch und Protagonist, ist beiden Filmen zuallererst gemein, dass mit Schilderung ihrer Handlung längst nicht der Eindruck wiedergegeben werden kann, den sie, jeder für sich genommen, hinterlassen. Es ist eine Wucht und Lust erzählerischer Vollmacht, die jenseits der (Un-)Originalität ihres Erzählkonzeptes ihre Kraft findet und entfaltet. So fand ich in einem Lehrbuch über Gedächtnisleistungen folgende Einleitung für ein Fallbeispiel von 1993: „In Spielfilmen

18 findet sich immer mal wieder das Thema eines Menschen »ohne Gedächtnis«: Ein Unfall, Hirnschaden, danach ist »nichts mehr da« an Erinnerungen - oder es kommt eine bruchstückhafte, manchmal bedrohlich wirkende, traumartige Mischung aus »dem Unterbewusstsein« herauf, deren Einordnung in den jetzigen Lebenslauf nicht gelingen will.“ (Karnath&Thier, 2006, S. 460) Und trotzdem WALTZ WITH BASHIR mit diesem Text ebenso beschrieben sein könnte, „vermittelt“ [das] „indes nichts von der Wucht und auch der geheimnisvollen Atmosphäre des Films. Es handelt sich dabei nämlich um alles andere als einen Thesenfilm, er ist ein polyphoner Trip.“ (Ulrich Kriest, Film-Dienst, 23/2008, S.22,) und auch Verena Lueken schreibt in der FAZ: „Eine autobiographische Spurensuche also, ein etwas ausgeleierter Ansatz im Dokumentarfilm, aber was Ari hier macht, ist so ungewöhnlich, dass man sich scheut, seinen Film diesem Genre überhaupt zuzuordnen. Was man im Dokumentarfilm darf, ist eine müßige Frage, solange es der Wahrheitsfindung dient, und hier hat man den Eindruck, dass die surreale Kriegserfahrung eines sehr jungen Soldaten eine ästhetische Form gefunden hat, die ihr entspricht, grell und laut, voller bizarrer Bilder, schockhafter Übergänge, verwirrender Begegnungen.“ (FAZ, 16.5.2008) und gedanklich anschließend schreibt Daniel Kothenschulte für die Frankfurter Rundschau über PERSEPOLIS: „Das Wort Zeichentrick macht es uns einfach, diesen Film in eine Schublade zu stecken, auch wenn es eine sehr ehrenvolle ist. So müssen wir nicht entscheiden, ob „Persepolis“ vielleicht auch der Dokumentarfilm des Jahres wäre, ich wüßte jedenfalls keinen besseren. Aber auch die Spielfilm-Regisseure wären stolz, einen derart persönlichen Ausdruck für ihre Stoffe gefunden zu haben. Es ist ein Film aus einem Guss und aus einem Herzen.“ (FR, 22.11.07).

Gemeinsamkeiten auf der narrativen Ebene

Die Filme bedienen sich einer Rahmenhandlung. Diese spielt in einer nicht genauer präzisierten ruhigen Gegenwart, von der aus eine erzählende Person sich seiner bewegten Vergangenheit zuwendet. Man erwartet nichts weiter von dieser Gegenwart, als das sie uns den Erzähler (in beiden Fällen sind die Regisseure Namenspaten, um die Übereinstimmung von Leben

Abbildung 5 19 und Werk zu unterstreichen) in seiner heutigen Verfassung vorstellt. Begibt sich Ari in WALTZ WITH BASHIR noch auf eine Recherchesuche der vergrabenen Erinnerung entgegen, sitzt Marjane lediglich rauchend und resümierend am Flughafen. Nichts läge ferner, als einen weiterführenden Handlungsstrang auf dieser Ebene der Erzählung zu erwarten. Kein Autounfall, keine Flugzeugverspätung und keine sich anbahnende Liebesgeschichte wird uns hier begegnen. Eine ereignisarme diegetische Gegenwart lädt ein, dem Erzähler auf seinem Pfad der Erinnerung zu folgen.

In beiden Filmen werden zu diesem Zwecke voice-over und Texteinblendungen genutzt, um Orientierung zu ermöglichen. Diese Erinnerungen nun werden auf unterschiedliche Weise etabliert. Als Gemeinsames kann gelten, dass die Übergänge äußerst bewusst und originell gefertigt sind.

Und sie entsprechen den Stärken, die der Abbildung 6 Animationsfilm in seiner Vollmacht über die Bildgestaltung anbietet. So geht bei WALTZ WITH BASHIR die innerfilmische Gegenwart des Öfteren langsam, innerhalb eines Schwenks, in die erinnerte Erzählung über. Die ersten persönlichen Erinnerungsbilder Aris werden beispielsweise durch eine Leuchtrakete, wie Ari sie im Libanonkrieg einsetzte, in der diegetischen Gegenwart eingeleitet. Die damit erstmals etablierte, fiebrig gelbe Lichtstimmung wird von nun an mit ihren langen Schattenwürfen Aris erzählte Erinnerungen dominieren. Fast zeitgleich setzt die Erzählerstimme in der ersten Person im Off ein.

Ähnlich bei PERSEPOLIS, wenn sich Marjane ihren Erinnerungen hingibt: In einer Szene überlappen sich die Erzählebenen. Die kolorierte, ältere Marjane schaut rauchend sich selbst (schwarz-weiß) in jungen Jahren zu, wie

Abbildung 7 sie in der darauffolgenden Szene eine Verwandte auf dem weit in der Vergangenheit liegenden Flughafen von Teheran begrüßt. Gleichzeitig setzt die Erzählerin in der ersten Person aus dem Off ein, kurz darauf zeigt nun eine Texttafel „Teheran 1978“. (Clip 1)

20 Solcherlei bildliche Durchwirkung der Zeit- und Erzählebenen wird sich durch die jeweiligen Erzählungen ziehen. Wenn Ari versucht, die Dynamik und innere Gesetzmäßigkeit der Gedächtnissleistung zu verstehen, so wie es ihm ein befreundeter Psychologe anhand eines Beispiels für kryptomnestische14 Erinnerungen vorstellt, schwebt hinter ihm, durch das Fenster zu sehen, immer noch der gerade in der Erzählung erwähnte Ballon. Imagination und innerfilmische Realität vermischen sich. (Clip 2) Die fließenden Übergänge zwischen den erzählten Episoden sind ohne Einsatz von Trickfilmtechniken nicht zu realisieren und bedienen sich einer Stärke des Mediums. Ebenso bei der Nutzung schier unmöglicher Kamerafahrten: Ari besucht seinen Freund Carmi, um ihn nach gemeinsamen Erlebnissen während des Libanonkrieges zu befragen. Ein langer Kameraflug lässt uns von einer halbnahen Einstellung der Protagonisten abheben, um über dem Flachland Hollands die Wolkendecke zu durchbrechen und schließlich über eine Vogelperspektive des Kommandoboots, das Carmi damals zu seinem Einsatzort brachte, bei einer halbnahen Einstellung des damaligen Carmi zu enden. Währenddessen erklingt Carmis Erzählerstimme aus dem Off.

Innerhalb einer einzigen Einstellung sehen wir Abbildung 8 nacheinander arrangiert a) Ari und Carmi in einer Unterhaltung, b) den kleinen Sohn Carmis, wie er Soldat im Schnee spielt, c) die winterliche Landschaft Hollands aus der Vogelperspektive, d) das Kommandoboot, e) eine lange Reihe von menschlichen Silhouetten, wie sie an Bord des Schiffes feiern, und schließlich f) den sich übergebenden jungen Carmi an der Reling. (Clip 3) Es geschieht dem Zuschauer das, was Balasz als

14„ Erinnerungen an Ereignisse, die überhaupt nicht stattgefunden haben.“ (Welzer, 2002, S. 31)

21 Traumästhetik beschreibt: „Im Traum verwandelt sich der Raum nicht in einen anderen, sondern er hat überhaupt keinen eindeutigen Charakter. Er ist gar nicht Raum. Gerade durch die reale Kontinuität des Panoramierens, dadurch, daß wir ihn durchschreiten, stellen wir seine Irrealität fest. Hier ist nicht die Montage phantastisch, sonder die Sache selbst. Nur die wandernde Kamera kann uns dieses Traumgefühl wiedergeben: irgendwo und doch zugleich anderswo zu sein.“ (Balasz,2001, S. 63)15

Abbildung 9 Carmis mit diesem Schwenk einsetzende Erzählung relativiert sich auf Nachfrage Aris auch noch - so wird aus dem „Love-Boat“ mit wild feiernder Mannschaft ein Kommandoboot, das wiederum in dem darauffolgenden minutiös erinnerten Traum, den Carmi während des Transport hatte, zerstört wird, während er, von einer übergroßen Frau getragen, davonschwimmt. Weitere Erinnerungen folgen: unter Maschinengewehrsalven landet seine Einheit am Strand, die Bilder der dortigen Erlebnisse werden immer wieder durch die Gesprächssituation im ruhigen Holland abgelöst. So gehen die Erzählebenen sehr bewusst und gleichzeitig fließend ineinander über und überlagern sich organisch. Ebenso bei PERSEPOLIS, wenn der Vater Marjanes von der Schule geprägtes Ge- schichtsbild berichtigen will: die Szenerie des Wohnzimmers verdunkelt sich, die sich zugewandten Profile Marjanes und ihres

15 Auch bei PERSEPOLIS wird dieser Effekt genutzt, wenn Marjane orientierungslos unter Einfluss von Antidepressiva durch den Raum schwebt)

22 Vaters gleiten bildseitwärts auseinander und hinter ihnen erscheint ein sich öffnender Vorhang, dahinter dann stilisierte Puppen des Schahs, seiner Untertanen usw., die nun des Vaters Sicht der iranischen Geschichte vorspielen, begleitet durch dessen Stimme. Gleichsam reagieren die stabpuppenartig agierenden Figuren, wenn Marjane abfällige Bemerkungen aus dem Off macht, beleidigt- die Durchwirkung der Erzählebenen nimmt wahnwitzige Züge an. (Clip 4)

Als Gemeinsamkeit wäre hierbei neben den fließenden Übergängen und mehrfachen Überlagerungen die episodische Art des Erzählens zu verzeichnen. Beide Filme reihen anhand ihrer recht linear-chronologischen Erzählung, die in die Rahmenhandlung eingebettet ist, verschiedene Episoden aneinander, die dem jeweiligen Handlungsablauf dienlich sind, jedoch auch kleine Geschichten darstellen, die für sich stehen könnten16. Dementsprechend ergibt sich auch schwerlich eine klassische Dramaturgie im Sinne des abendfüllenden Trickfilms nach amerikanischem Muster. Während PERSEPOLIS immerhin wieder zurück in seine Rahmenhandlung findet17, also in der Gegenwart endet, lässt uns WALTZ WITH BASHIR mit der Vergegenwärtigung der grauenhaften Bilder des Massakers allein. Keine Rahmenhandlung wird mehr aufgenommen, nur die schwarze Leinwand und die einsetzende Musik fangen uns geringfügig auf. Als Schema dargestellt ähnelt diese Art der Dramaturgie wohl am ehesten einer Trompete18: Höhepunkt und Abschluss des Films fallen zusammen. Zwar schließt sich hiermit der Kreis, und der anfänglich aufgestellte Grundkonflikt, das Fehlen der Erinnerungen, wird gelöst, jedoch nicht so, wie es die „geschlossene Form“ einer Filmerzählung charakterisiert: “Ist das Ende so, dass der Zuschauer alle Konflikte im Film gelöst findet, ist dieser tendenziell auch mit der Welt versöhnt.“ (Hickethier, 1996, S.120). Hier treffen sich die beiden Erzählungen nun erneut. Der filmische Abschluss ist nicht der thematische Abschluss. Weder wir, noch die Protagonisten sind am Ende mit der Welt versöhnt, und so dürfen wir weder ein „Happy-“, noch wirkliches „End“ erleben.

16Ausnahmen der jeweilig sich linear der Gegenwart zu bewegenden Erinnerungsepisoden, sind die „Erzählvignetten“(Florian Schwebel), die jeweils weitere Vergangenheitsebenen eröffnen. Bei WALTZ WITH BASHIR sticht besonders die Erzählung seines Vaters heraus, die vom Zweiten Weltkrieg handelt. Sie ist zur Kennzeichnung farblich, komplementär zur übrigen Erzählung, in kalten Blautönen gehalten. Bei PERSEPOLIS sind es vor allem die Erzählungen, die die frühere Entwicklung des Iran betreffen. Hier ändert sich nicht die Farbe, sondern die Form, wie in dem oben genannten Beispiel der Erzählung von Marjanes Vater, ebenso bei den Erlebnissen Onkel Anuschs. (Clip 5) 17Die Struktur PERSEPOLIS ist eine klassische Drei-Akt-Struktur nach aristotelischem [Aristoteles, Poetik, Reclam] Vorbild, die „Erinnerungsinseln“, wenn Marjane auf dem Flughafen zu sehen ist, markieren die jeweiligen Abschnitte. Das Ende des dritten Aktes stellt ihr Entschluss dar, ihr Leben selbstbewusst zu gestalten, auch wenn ihr das Opfer abverlangt. Die Rahmenhandlung zeigt die Konsequenzen. 18Ein ähnlich trompetenhaft gestalteter Film wäre beispielsweise Antonionis ZABRISKIE POINT (1970)

23 Zusammenfassend möchte ich sagen: beide Filme kennen die durch die autobiografische Disposition angelegte „subjektive Erzählposition“ (Hickethier, 1996, S.125), die ein Selbstporträt des jeweils Reflektierenden enthält. Dieser erzählerischen Instanz ordnet sich die gesamte Erzählung unter, in etwa so, wie Robert Walser schreibt:„Wie vielstimmig ich bin! Ein ganzes Orchester!“ Die gleichzeitige Anwesenheit der erzählenden Person, einmal als Erlebende und einmal als Erinnernde, gibt der Geschichte eine Richtschnur, die der Narration ungewöhnlich viele Freiheiten eröffnet. Es werden Wiederholungen19 und Überschneidungen20 genutzt, subjektive Wackelkamera sowie unmögliche Kamerafahrten und Zeitlupen werden uns innerhalb persönlich erlebter Geschichten dargeboten. (Clip 6) Je nach Bedarf der Erzählung ändert sich der Erzählduktus, so dass gerade diese Verschiedenartigkeit und Vielzahl als Charakteristikum gelten darf um „im Sinne einer Freiheit der Autoren alles möglich zu machen, um die Ideen und Geschichten eines Filmautors zur Wirkung kommen zu lassen“ (Hickethier, 1996, S.150). Diese stilbildende Abhängigkeit von der zu vermittelnden Stimmung der erzählenden Instanz findet seine Entsprechung nicht nur in der Art des Erzählrhythmus, sondern ebenfalls in der Bild- und Tongestaltung.

Gemeinsamkeiten auf der formalästhetischen Ebene

Der „souveräne Umgang mit der objektivierenden Darstellung höchst subjektiver Gemütszustände“21 (Schwebel, 2010, S.115) ist ebenfalls eine Gemeinsamkeit, die den inhärenten Möglichkeiten des Mediums entgegen kommt, in den jeweiligen Filmen jedoch mit unterschiedlichem Effekt genutzt wird. Ist die Grundstimmung von PERSEPOLIS eher eine liebe- und humorvolle Reminiszenz an die Kinder- und Jugendjahre, betont WALTZ WITH BASHIR vor allem das surreale,

Abbildung 10 19die wiederkehrende Deckerinnerung bei WALTZ WITH BASHIR 20Beipielweise der eroberte Strandabschnitt bei WALTZ WITH BASHIR , die Kriegserzählung des Vaters bei PERSEPOLIS 21 Florian Schwebel bezieht sich hierbei auf Béla Balasz, der in seinem Buch „Der Geist des Films“ von der „Objektivation innerer Vorstellungen“ spricht, wenn die Motive an sich schon Bedeutungsbilder sind, „Bilder unserer Phantasie, unserer inneren Vorstellung“ (Balasz, 2001, S.95)

24 unwirkliche der eigenen Erinnerung an die Kriegszeit. Nachdem Marjane ihren Geliebten beim Fremdgehen erwischt, wird die überzogen idealisiert gezeigte Liebesgeschichte erneut als Remix präsentiert. Der vordem engelsgleiche Liebhaber, mit dem Marjane jeden Atem-, jeden Jointzug teilte (er zieht, sie bläst den Rauch aus), mit dem sie von Wolke zu Wolke hüpfte, mutiert zur eigenen Karikatur, einem sabbernden, unselbstständigen, egozentrischen Ekel. Nichts schwebt mehr, alles ist (und also war) banal. Die Blindheit des Hormonrausches wird reflektiert und persifliert.

Abbildung 11

Bei Folman wäre das immer wieder kehrende surrealistische Deckerinnerungsbild zu nennen, das Ari als einziges vom Krieg geblieben ist: drei nackte, junge, bewaffnete Männer entsteigen im Lichte der Leuchtraketen dem dunklen Meer. Ebenso das erwähnte, surreale Bild der rettenden übergroßen Frauengestalt, die Aris Freund Carmi, einem Kleinkind gleich, liebevoll von Deck seines Schiffes hebt und mit ihm davonschwimmt, während sein Boot mitsamt den Kameraden durch einen Bomberangriff untergeht. Auch jenseits solcherlei surrealer Bilder wird das gesamte Arsenal subjektiver Eindrucksvermittlung aufgeboten. (Clip 7) Wenn Ari von seinem ersten Fronturlaub erzählt, sind die Passanten um ihn herum nur als geisterhafte Bewegungsschlieren zu sehen, als wären sie mit Langzeitbelichtung aufgenommen. Ari läuft, mit Unterschneidungen, in dieser gesamten Szene vor einer mitfahrenden Kamera. Hierzu schreibt Balasz: „Wenn die Kamera längere Zeit mit einer Gestalt mitgeht, so wird aus den vorbeiziehenden Bildern eine subjektive Montage jener Eindrücke, die der Betreffende hat. (...) Wie wenn der Dichter die Geschichte in Ichform erzählen läßt. Die wirkliche Umgebung im realen Raum wird zur Montage dadurch, daß jemand an ihr vorbeizieht. Nicht die Bilder an dem Zuschauer, wie sonst, sondern der Zuschauer zieht an den Bildern vorbei.“ (Balasz, 2001, S. 62)

25 Nur was von Interesse für den Heimkehrer ist, wird sichtbar gemacht: Jungens beim Kriegsspiel, attraktive Frauen, Liebespaare. Sein Fremdsein in der Geschäftigkeit des Alltags jenseits des gleichzeitig stattfindenden Kriegsgeschehens findet seine bildliche Entsprechung. Ohne Schnitt nun läuft Ari direkt in den Innenraum einer Disko, in der Art, wie es Balasz in „Umgebung verwandelt sich“ verzeichnet: „Groß und bedeutsam vor dem [Kamera-]Apparat muss er dann stehen, damit die Umgebung gleichsam als unwesentlich von ihm verdunsten und einer anderen Platz machen kann.“ (Balasz, 2001, S.57) (Clip 8)

Abbildung 12

Interessanterweise finden ähnliche Gemütszustände in beiden Filmen auch ähnliche Bildlösungen: wenn Marjane nach der langen Lebensmittelknappheit im Iran von den Konsummöglichkeiten im ruhigen Wien schwärmt, entspricht das ziemlich genau dem Filmbild, das Ari für die Konsumversprechen findet, denen er sich im Flughafen von ausgesetzt sieht. Hinter den Protagonisten wirbeln die Markenlogos und Werbebilder umher,

Abbildung 14 die ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchen und somit keinen Platz für irgendeine andere Bildinformation lassen. (Clip 9)

Abbildung 13

26 Diese Beispiele entsprechen der „inneren Montage“ nach Hickethier: es kommt zu „Disproportionen in Größenverhältnissen, perspektivischen Darstellungen etc.“ Ein „ins Irreale verschobener Raum“ entsteht. (Hickethier, 1996, S.153) und findet seinen Wirklichkeitsbezug allein durch die Entsprechung in der Gefühlswelt der Autoren.

Andersherum ist es auch möglich, dass sich sämtliche Bildinformationen einem bestimmten Stil und Rhythmus andienen, wie es nach Bordwell und Thompson den Stärken der Technik entgegenkommt, wenn sie schreiben: „Animation (...) may control mise-en-scene to a degree impossible with performers shot in real time” (Bordwell, Thompson, 2004, S.176). So ist in den Lebenserzählungen von Marjanes Onkel Anusch nicht nur er selber, sondern die gesamte Szenerie, jede Pflanze, jede Wolke, jedes Haus ins oriental-ornamentale stilisiert, voller Bedeutungsschwere einer erhabenen Seelenlandschaft gleichend. Demselben Effekt sind seine Bewegungen sowie Posen unterworfen. (Clip 10)

Abbildung 15

Wenn dagegen Frenkel, der wohl ledernackigste Freund Aris in WALTZ WITH BASHIR, von den gemeinsamen Kriegserlebnissen erzählt, wird der Libanonkrieg als Rockmusical vorgestellt: Im Zeitraffer wird Nacht zu Tag, hinter einem Luftgitarre spielenden

27 Maschinengewehrschützen finden Kämpfe statt, die in ihrer überhöhten Geschwindigkeit nicht einer gewissen Komik entbehren, danach manifestieren sich ballspielende Soldaten, als würden sie in die Szenerie „gezappt“. Wir sehen stark beschleunigt, verdichtet und überspitzt dargestellt, wie der Strandabschnitt erobert wird und „Kriegsalltag“ einkehrt. Unter heißer Mittagssonne ist jeder Schuss ein Treffer, was auch immer man trifft, ob Haus, Auto, unschuldiger Passant oder eben Kriegsgegner. Man sieht in rhythmischen Schnitt Gefechte: Panzer, Bomber und Drive-by-Shootings zu lauter Rockmusik. (Clip 11)

Abbildung 16

Dieser omnipräsente Gestaltungswille der Filmemacher führt jenseits einer Auf- dringlichkeit zu glaubwürdiger Vermittlung subjektiver Seinszustände. Oder wie Hickethier es für die Erzählung dokumentarisch- fiktionaler Mischformen festhält: dazu, „eine besondere Form der Weltvermittlung, eine individuelle Sicht und ästhetische Handschrift“ (Hickethier, 1996, S.189) abzubilden. Das kann auch, wie im Fall von WALTZ WITH BASHIR, mit dokumentarischem Effekt daherkommen, wenn die Interviewpartner mit und ohne Ari als „talking heads“ vor statischer Kamera und mit eingeblendeter Texttafel präsentiert werden, oder Handkamera-Ästhetik erzeugt wird, um Kriegszenen realistischer zu gestalten.

28 Die gesamte Erzählung ergibt sich der jeweils benötigten Stimmungsvermittlung. Dies führt zu intensiver Koexistenz der Bild- und Tonebene, eine tradierte Stärke des Mediums. Wenn Marjane medikamentöse Abhilfe ihrer Depression Abbildung 17 versprochen wird, beginnt eine hoffnungsvoll gestimmte Melodie einzusetzen, nur um gleich darauf einem Plattenspieler gleich, dem der Stecker gezogen wird, abzustürzen, die Nebenwirkungen der Tabletten verdeutlichend, die Marjane in einem grabsteinartigen Sessel orientierungslos herum-

dämmern lassen. Nach einem Selbstmordversuch und wiedererlangtem Lebensmut, setzt „Eye of the Tiger“ ein, die „Rocky“-Titelmelodie durch Marjane krächzend und quiekend augenzwinkernd neu Abbildung 18 interpretiert: immer im Augenkontakt mit dem Publikum singend, wird uns, einem Musical gleich, Schnitt um Schnitt in weniger als einer Minute erzählt, wie sich Marjane aufrafft, epiliert, zu einer „zeitgemäßen, jungen Frau“ (Satrapi, 2006, S.124) stylt, den Aufnahmetest an der Universität besteht, die Familie ihr dabei Rückhalt bietet und sie Leiterin eines Aerobic- Kurses wird. (Clip 12) Auch bei WALTZ WITH BASHIR spielen zeitgeistige Scores eine große Rolle, Ton- und Bildebene durchwirken sich dabei videoclipartig. Darüber hinaus wird die surreale Stimmung des Films auf der Tonebene vor allem durch die immer wiederkehrende, hypnotisch anmutende Filmmusik hervorgerufen, die ihren ersten Einsatz mit Erscheinen der Erinnerungsbilder Aris hat, und fortan, wie das Schlaglicht der Leuchtraketen den Film begleitet. Es ist einzig dem Animationsfilm gegeben, punktgenau die Gestaltungsebenen zu durchwirken und zu formen, und es zeugt von Folmans Bewusstsein derartiger Möglichkeiten, wenn er sagt: “In the artistic aspect I would say, it gave me as a filmmaker

29 complete freedom to do whatever I like, whatever I imagine suddenly can be done, it’s not 22 a matter of budget.“ Schließen möchte ich, was die formal - ästhetischen Gemeinsamkeiten angeht, jedoch mit einer Betonung der Unterschiede: die von Ari Folman apostrophierte Gestaltungsfreiheit findet sich zwar sehr wohl in Erzählungs- und Bildaufbau seines Films wieder, nicht aber im souveränen Umgang mit der Zeichnung selber, “er wagt sich kaum in die höheren Regionen der nichtsymbolischen Abstraktion” (McLoud, 2001, S. 62) und bleibt einem Realismus der Wiedergabe verhaftet. Nicht so Marjane

Abbildung 19

Satrapi und Vincent Paronnaud. Diese gefeierten Grafiker stoßen weit in den abstrakten Raum vor. Sei es im Rahmen der Erzählung, so können die ehemaligen Schulfreunde kurz als Vögelein im Geäst auftauchen, bevor sich die Kamera, nach gesprochenem Off-Text in die Waldlichtung zu den neuen Freunden am Lagerfeuer senkt, oder sei es in der Bewegung, wenn sich die Sittenwächterinnen schwarzen Schlangen gleich durch das Bild und um Marjane winden. Vor allem aber in der Bildgestaltung selber: “Der schwarz-weiße Film spielt zum großen Teil in einer dunklen Welt und bricht damit eines der größten Tabus bei der Gestaltung von abendfüllenden Trickfilmen. Bei Hinrichtungen, Schlachten und Depressionen ist die Leinwand tatsächlich dunkel, bis auf die Blitze von Detonationen oder die sich mühsam gegen das schwarz behauptende Marij.” (Schwebel,2010, S.115) Hier zeigt sich der souveräne Umgang mit der Bildfläche in beeindruckender Weise. Dass die beiden Filme in der symbolischen Stilisierung (nach McLoud also das „cartoonhafte“, Mcloud, 2001, S.45) so unterschiedlich ausfallen, hat inhaltliche Gründe: Während Ari Folman in der Bildgestaltung einen Realismus gelten lässt, der die Nachprüfbarkeit der historischen Fakten zulässt, ist Marjane Satrapi vor allem um Vereinfachung und

22 (http://www.youtube.com/watch?v=fU7Q3_n-UWM Zugriff: April 2010). Ebenso im Making of der DVD von WALTZ WITH BASHIR: „Ein Filmemacher hat nirgendwo mehr Freiheit, als bei Zeichentrickfilmen. Du kannst einfach alles machen, was Dir einfällt.“

30 Verallgemeinerung bemüht, denn “durch den Aspekt des Abstrakten in der Zeichnung kann sich jeder damit identifizieren.“23 (Clip 13) Die Gründe für das so unterschiedliche Bemühen um eine Möglichkeit der Identifikation finden sich unter anderem in den Thematiken, derer sich die Filme annehmen.

Abbildung 20

Gemeinsamkeiten auf der inhaltlichen-thematischen Ebene

WALTZ WITH BASHIR ist ein Kriegsfilm, in dem Sinne, dass es ein Film über einen Mann ist, der in einem Krieg gekämpft hat. „Er zeigt die banale Seite des Krieges, den Alltag ohne Helden, Ruhm ohne Orden”, so Ari Folman. (film-dienst 23/2008, S.23.) Die Botschaft seine Films sei vermittelt, wenn in dem Zuschauer der Wunsch entstehe, nicht dabei gewesen zu sein.24 Ari Folman generalisiert das, indem er sagt: „Jeder Krieg ist beschissen und unnütz, ich hoffe, das kapieren die jungen Leute nach meinem Film.” (film- dienst 23/2008, S.23) Er bezeichnet seinen Film als komplett unpolitisch und sehr persönlich. „Er ist ein Antikriegsfilm, aber vor allem ist er ein sehr persönlicher Film über Erinnerungen und Unterdrückung [im Sinne von Verdrängung].” (taz, 6.11.08) Er verifiziert seine persönlichen Erinnerungen, indem er ihnen Interviews und

23 satrapi im making of, dvd-beilage, PERSEPOLIS 24 (interview, http://www.youtube.com/watch?v=fU7Q3_n-UWM Zugriff: April 2010).

31 Erlebnisberichte verbunden mit nachprüfbaren Fakten zur Seite stellt. Schlussendlich greift er auf Dokumentarfilmaufnahmen damaliger Nachrichtensendungen zurück.

Bei PERSEPOLIS liegt der Schwerpunkt gänzlich auf der emotionellen Vermittlung, die geschilderten politischen Umstände bezeichnet sie als „Hintergrundmelodie” (FR, 22.11.07). Satrapi zielt auf die Universalität ihrer Kindheitsereignisse, sie möchte vermitteln, das medial verzerrte Bild ihrer Landsleute korrigieren, ohne zu beschönigen.

„Der Film ist vor allem ein menschlicher Film, der vom Menschlichen handelt. Und deshalb kann sich jeder damit identifizieren. Deshalb sagen die Leute, wenn sie diesen Film sehen nicht: “Schon wieder ein Film über eine Iranerin.“ Nein, es wird zu ihrer eigenen Geschichte. Und das ist das Wundervolle daran. Wenn sich ein Amerikaner darin wiederfinden kann, wenn sich ein Deutscher darin wiederfindet, ein Franzose, ein Engländer, ein Chinese... Das heißt doch, daß alles gut ist. Das bedeutet, daß wir einander verstehen können. Das heißt, daß es diese Trennung zwischen dem Osten und dem Westen, dem Orient und dem Okzident, den Muslimen und den Christen nicht gibt. Das heißt, daß diese Trennlinie zwischen den Idioten und den anderen verläuft. Und das heißt auch, daß es Hoffnung für die Zukunft gibt.“25

Während wir uns auf Ari Folmans Erzählung nur insofern einlassen sollen, um abgestoßen werden zu können, also um eines bleibenden negativen Eindruckes Willen, begründet sich der größere Identifikationsmoment bei PERSEPOLIS mit einem bleibenden positiven Eindruck dem Schicksal der heimatlosen Protagonistin gegenüber. Gemeinsam ist hierbei aber der “Transfer des Privaten in ein universelles Zeitbild” (Kothenschule, FR, 22.11.07). Die Filme können in diesem Sinne als unpolitisch gelten, als dass sie sich einer eindeutigen Stellungnahme geradezu verweigern, dass eine Handlungsaufforderung gerade in ihrer Uneindeutigkeit besteht. So wie Konrad Wolf in seinem autobiografischen Kriegsfilm ICH WAR NEUNZEHN (1969) feststellen muss, “dass es »die Deutschen« nicht gibt” (Klappentext), stellen Folman und Satrapi das allzu Menschliche, das sich einem “them or us” entzieht und auf Verständigung baut, in den Vordergrund. Ein dementsprechendes Medienecho las sich für WALTZ WITH BASHIR folgendermaßen: “Der Film wirkt um so realer, weil es ihm sowohl an journalistischer Ausgewogenheit fehlt als auch am heiligen

25 (Satrapi im Interview, Extras der DVD, Persepolis)

32 Zorn politischer Aktivisten und engagierter Intellektueller” (Vogt , Freitag, 7.11.08). Ein Film, ”der nicht in simpler Form anklagt oder emotionalisiert, sondern in intelligenter Weise reflektiert, einer, der nicht verharmlost, sondern irritiert und verstört.” (Penning, MAZ, 6.Nov.08) Und auch PERSEPOLIS fand in ähnlicher Weise Erwähnung: “Menschen, deren Gesichter hinter Worthülsen wie »Schurkenstaat« zu verschwinden drohen, werden hier sichtbar”. Die Autoren leisten “eine politische und historische Aufklärungsarbeit, die nichts Belehrendes hat.” (Elstermann, ND, 22.11.07) “Marjane Satrapi wirft zwar ihr privates Schicksal in die Waagschale, aber das Porträt, das sie von ihren Landsleuten zeichnet, ist eine Liebeserklärung”. Satrapi selbst wird in diesem Artikel folgendermaßen zitiert: “Auf Menschen, über die man etwas weiß, wirft man nicht so leicht Bomben ab.” (Platthaus, FAZ, 22.11. 2007)26

Die erwähnte Personalunion von Autor, Regisseur und Hauptdarsteller findet seine Form in den beiden Animationsfilmen durch ein gezeichnetes Pendant, ein Porträt. Beide Hauptfiguren werden mit unterschiedlicher Gewichtung in drei Stadien porträtiert: als Kind, Jugendliche und als Erwachsene. Während bei WALTZ WITH BASHIR Aris Erinnerungsarbeit im Erwachsenenalter den Schwerpunkt bildet, ist es bei PERSEPOLIS die Kindheit Marjanes. Diese fiktionalen visuellen Äquivalente der erzählenden Instanz, als Erlebende(r) und Erinnernde(r) unterliegen einer künstlerischen Durchformung bezogen auf die jeweilige Wirkung, die sie herausstellen wollen. Ist bei Marjane vor allem eine Identifikation vonnöten (s.o.), steht uns Ari als Persönlichkeit gegenüber und ist dementsprechend weniger abstrahiert.

Abbildung 21

26 In einem Interview mit Natasha Raiss wird Marjane Satrapi folgendermaßen zitiert: „„Persepolis“ soll daran erinnern, dass die Iraner wie alle anderen Menschen sind: sie haben Eltern, sie erleben Liebe, sie haben Träume und sie haben Geschichten zu erzählen. Ich sehe ihn ganz klar als humanistischen Film.“ (Berliner Zeitung, 22.11.07)

33 Der Verfasser mutet den Filmschaffenden eine Verweis auf das Bewusstsein um die Zweckmäßigkeit der zugelegten Identität zu, wenn Aris für den Film erschaffenes Pendant wie zufällig in das Objektiv der nicht vorhandenen Kamera schaut, oder Marjane in voller Ich-Perspektive in den Spiegel, als sie auf dem Flughafen beginnt sich ihrer Herkunft und unsicheren Identität zu öffnen. Solche für den Realfilm aufgrund der Kameraposition unmöglichen Perspektiven und für den Animationsfilm unmöglichen Zufällig-keiten thematisieren augenzwinkernd das Wissen um die bildnerische Vollmacht in der Animationswelt. Mit dieser schon mehrmals erwähnten Gestaltungsfreiheit wird die eigene Biografie als Rohstoff genutzt, die Zuverlässigkeit des erinnerten Materials steht indes zur Disposition. Das Erinnern und Erzählen der eigenen Geschichte wird selbst zum Thema in der filmischen Reflektion. So etwa in der schon erwähnten Liebesgeschichte bei PERSEPOLIS, ebenso, wenn Onkel Anusch die kleine Marjane bittet die Familiengeschichte zu bewahren: „Selbst, wenn es nicht leicht für Dich ist, selbst, wenn Du nicht alles verstehst” und wenn der Vater sie bei der Abreise nach Österreich sie auffordert: ”Vergiss niemals, wer Du bist und woher Du kommst.” Bei Folman zieht sich die Unzulänglichkeit der eigenen Erinnerung als handlungstragendes Thema durch den gesamten Film. Der Inhalt dieses Bemühens um den Erhalt der eigenen Geschichte ist das subjektive Erleben geschichtlich verortbarer Ereignisse. Den historischen Tatsachen wird die eigene Sicht auf die Ereignisse anheimgestellt.

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Zusammenfassung

Im Folgenden möchte ich aufzeigen, inwiefern die Filme bereits Erprobtes verwenden oder übertragen, und inwiefern sich hier etwas Neues, Eigenständiges manifestiert, das vielleicht “das Zeug dazu hat”, sich als eigenständiges Genre in der Filmlandschaft zu etablieren. Vorher, der Übersicht halber, die Ergebnisse der Analyse in Tabellenform:

Personalunion von Erzähler ereignisarme, episodenhafte Überlappen und Erzählvignetten narrative diegetische Erinnerungen und Protagonist, mit Gemein- Gegenwart bilden linear- Vermischen Nutzung der spezifischen samkeiten als Rahmen- chronologischen der Off-Stimme Erzählformen handlung Erzählstrang Erzählebenen in der ersten Person Vielfalt formal - filmischer objektive Darstellung Bild- und ästhetische Clipästhetik Stilmittel, den subjektiver Gefühlszustände Tonkonvergenzen Gemeinsamkeiten Episoden entsprechend Selbstporträt als Thematisierung Realitätsbezug, fiktionales und Reflektion humanistische visuelles des Erinnerns Botschaft, inhaltlich- subjektive Darstellung Äquivalent der und Erzählens Zurückhaltung thematische historischer Ereignisse erzählenden als Tätigkeit in der Gemeinsamkeiten Instanz, als Parteinahme Erlebender und Erinnernder

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Beide Erzählungen kennen den Effekt der “Strukturähnlichkeit der konstruierten diegetischen Welt mit der sozialen Welt der Zuschauer” (Kirsten, 2009, S.220). Die Autoren stellen ihre fiktionalisierten visuellen Äquivalente als Alltagsmenschen in einer alltäglichen Welt vor. Dieses unspezifische »Hier und Jetzt« bezieht sich auf die jeweilige Rahmenhandlung. Von hier aus, sei es Flughafencafé (PERSEPOLIS), sei es eine Strandbar (WALTZ WITH BASHIR), beginnt die Reise der Protagonisten in eine spezifische Vergangenheit. Hierbei fallen drei Gemeinsamkeiten ins Auge: die Vermittlung außerordentlicher geschichtlicher Ereignisse von einem persönlichen Standpunkt aus, ein hohes Maß an Reflexion und Durchgestaltung gegenüber der Vermittlung persönlicher Erinnerungen und die Erschaffung eines visuellen Pendants des Autors, ein zweckmäßiges Selbstporträt, als Handlungsträger und Vermittler subjektiver Gefühlswelten. Während ich die erste Gemeinsamkeit thematisch nenne, möchte ich die folgenden beiden lieber als “metathematisch” bezeichnen, denn sie thematisieren gleichsam, wie eine Geschichte erzählt werden kann, reflektieren und relativieren quasi ihre eigene Werkzeughaftigkeit als Erzählmittel. Hier durchdringen sich die narrative, die thematische und die formal- ästhetische Ebene. Kirsten schreibt hierzu: “Die Ebenen sind nicht unabhängig voneinander, sondern irreduzibel ineinander verschränkt zu denken: Ohne den Einsatz filmischer Mittel gäbe es keine Erzählung, ohne Erzählung keine referenziell-explizite Bedeutungsdimension. Umgekehrt ist die inhaltlich- thematische Ebene [...] oft die ausschlaggebende [...] und die Überlegungen zur narrativen Umsetzung können die Wahl der filmischen Mittel determinieren. “ (Kirsten, 2009, S.217)

In der Folge beziehe ich mich in der Auswertung vor allem auf die drei herausragenden inhaltlich-thematischen Gemeinsamkeiten, die sich durch die autobiografische Erzählung ergeben und meines Erachtens die weiteren Gemeinsamkeiten bedingen.

36 Auswertung der inhaltlich-thematischen Gemeinsamkeiten

“Wer noch nicht “Tom Sawyers Abenteuer” gelesen hat, kennt mich nicht. Aber das macht nichts. Das Buch hat Herr Mark Twain gemacht, und der spricht die Wahrheit - meistens wenigstens. Manches ist geflunkert, das meiste aber stimmt. Das nur nebenbei.” Mark Twain, Huckleberry Finns Abenteuer

Die erste Gemeinsamkeit der beiden Filme, die Vermittlung historischer Ereignisse in subjektiver Form, ist ein klassisches27 Thema autobiografischen Erzählens, wie es in der Literatur Anwendung findet. Ich denke an Stefan Zweig (Die Welt von Gestern), Sebastian Haffner (Geschichte eines Deutschen), Ernst Jünger (In Stahlgewittern) oder Louis Ferdinand Céline (Reise ans Ende der Nacht) um einige prominente Beispiele zu nennen, ebenso Goya (Desastres de la Guerra) für die Grafik. Diese Beispiele sind willkürlich und weisen nur auf eine lange Tradition autobiografischen Erzählens hin, wie ich sie bis zu Augustinus’ Confessiones (397 n. Chr.) zurückverfolgen kann. Die zweite Übereinstimmung, der bewusste Umgang mit Erinnerungsstrukturen und der Versuch, ihnen ein entsprechendes Abbild zu verleihen, ist mit seinen assoziativen, ineinander wirkenden Strukturen schon früh in Kinofilmen thematisiert worden, prominente Beispiele wären CITIZEN KANE (1941) von Orson Welles oder WILDE ERDBEEREN (1957) von Ingmar Bergmann28. Folman nennt als dramaturgische Vorbilder explizit CATCH 22 (1979) von Mike Nichols und “SCHLACHTHOF 529 (1972) von George Roy Hill, Satrapi verweist auf (1990) von Martin Scorsese als Vorbild für ihr “elliptisches Erzählen30”. Keiner dieser Bezüge verweist auf die Tradition des abendfüllenden Trickfilms. Vielmehr werden diese Inhalte in die Form hineingetragen. Sehr wohl aber kommen diese Inhalte der Form in ihrer Anlage entgegen: “In seiner Beschreibung der Wirklichkeit entspricht der Animationsfilm von der Anlage her dem inneren Monolog in der Literatur. Wie in den beeindruckendsten Passagen von Schnitzler und Joyce bricht in

27 Goethe stellt hierbei den Biographen dem Historiker gegenüber: „Die Biographie sollte sich einen großen Vorrang vor der Geschichte erwerben, indem sie das Individuum lebendig darstellt und zugleich das Jahrhundert, wie auch dieses lebendig auf jenes einwirkt. (...) Die Geschichte, selbst die beste, hat immer etwas Leichenhaftes, den Geruch der Totengruft. (...) Soll aber und muß Geschichte sein, so kann der Biograph sich um sie ein großes Verdienst erwerben, daß er ihr das Lebendige, das sich ihren Augen entzieht, aufbewahren und mitteilen mag.“ (Goethe, 1976, S.898-899) 28 selbstverständlich finden sich auch vorhergehende literarische Vorbilder, Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ und James Joyces „Ulysses“ aber auch die autobiographisch- romanhaften „Wendekreis“ Bücher Henry Millers 29 www.youtube.com/watch?v=lLzu4aKcNSw Zugriff April 2010) 30 als weitere Einflüsse werden der deutsche Expressionismus, insbesondere DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920) für die Bildgestaltung und generell der italienische Neo-Realismus genannt (Interview, SZ, 21.11.07)

37 vielen der besten Animationsszenen das Unheimliche und die absurde Komik unter den Alltagsgedanken hervor: wenn sich Bart in einer Folge der SIMPSONS in der visualisierten Mathematik-Textaufgabe verrennt, oder wenn Marij in PERSEPOLIS in ihrer tiefsten Depression von Karl Marx und dem lieben Gott gecoacht wird.” (Schwebel, 2010, S.14)

Abbildung 22 Hierbei wird deutlich, wie die Gattung sich den Genrekonventionen entledigt und die ihr eigenen Ausdrucksmöglichkeiten optimal neuen Themen andient. Das assoziative einer inneren Erzählung kommt dem Trickfilm mit seinem Hang zur Metamorphose entgegen. Gleichzeitig nivelliert die Form die Verschiedenartigkeit der Erzählstile, die einer solchen Erzählung mit der Thematisierung verschiedenster Gefühlszustände innewohnt. „Eine Zeichnung kann alles umsetzen und trotzdem sehr schlüssig sein.“ (Satrapi im „Making of“ der DVD) Intuitiv fühlt der Zuschauer, dass der gezeichneten Lebenserzählung eine Wahrhaftigkeit innewohnt, gerade wegen ihrer Vielgestaltigkeit, die nicht in einen eklektischen Manierismus à la Tarantino umschlägt.

38 Fazit „Allen Künsten gemeinsam ist jedoch das ausgeprägte Bewusstsein für die Bedeutung des authentischen Ausdrucks.“ (Juul, 2006, S.70) Hilfe hierbei kann das autobiografische Erzählen sein, so wie es Art Spiegelman beschreibt: „Ich bringe mich ständig selbst als Figur in meine Comics ein, weil ich nicht weiß, wie ich auf der Erzählebene weiterkommen kann, ohne auf meine eigenen Geschichten zurückzugreifen.“ (Art Spiegelman_Comiczeichner, 41:42) Und es ist dieses Zurückgreifen auf die eigene Geschichte verbunden mit einem Bemühen um Authentizität im abendfüllenden Trickfilm, welches Anerkennung findet, wenn Florian Schwebel über PERSEPOLIS äußert: „Eine annähernd ähnlich große Überraschung stellt der souveräne Umgang mit der objektivierenden Darstellung höchst subjektiver Gemütszustände dar. (...) Die Welt ist gleichzeitig Spiel- und Bastelmaterial (eine Stärke der Animation) und eine erdrückende Übermacht.“ (Schwebel, 2010, S.115-116) oder Andreas Kilb über WALTZ WITH BASHIR schreibt: „Er ist ein Trickfilm, der das Gift der Wahrheit getrunken hat. Alles, was man sieht, ist erfunden, gezeichnet, koloriert, aber nichts ist fiktiv. Jedes Bild eine Zeugenaussage und zugleich ein Erzeugnis der Imagination.“(Kilb, FAZ,6.11.08) und Martina Korben sinngemäß hinzufügt „Diese Methode ermöglicht etwas Unglaubliches - eine Dokumentation der menschlichen Seele.“ (Korben, SZ, 6.11.08)

Für die Thematisierung der Erschaffung der ersten Person als fiktionalisiertes visuelles Äquivalent des Erzählers sehe ich vor allem Vorbilder im Bereich des Comics. In diesem Medium wurde das autobiografische Erzählen mit Robert Crumb (Fritz the Cat) in den späten Sechzigern und darüber hinaus für das Bildungsbürgertum mit Art Spiegelmann (Maus) in den Achtzigern zur Selbstverständlichkeit. Sie wurden sich selbst in der erzählten Geschichte das, was Mastroianni für Fellini in dem Film ACHTEINHALB (1963) verkörperte. Diese Zeichner sind quasi Fellini und Mastroianni in Personalunion und thematisieren darüber hinaus noch in der Geschichte ihr Design. Auch im Bereich des Animationsfilms kann ich Vorbilder für die Thematisierung der autobiografischen Erzählung jenseits des Massenmarktes abendfüllender Unterhaltung ausmachen. Diese Spuren aufzuzeigen, die schlussendlich die Erzähloptionen des Feature Films für den Trickfilm bereichern, wird Thema des folgenden Kapitels sein.

39 Vorbilder

Beiden Filmen war bei Erscheinen großer Erfolg beschieden. Sie wurden von den Kritikern gefeiert31, von Festivals geehrt und erhielten jeweils Oscar - Nominierungen32. Vieles, was diese Filme so bemerkenswert macht hat eine Vorgeschichte, ohne die sie nicht denkbar wären. Diese “Vorgänge im Dunklen” spielten sich jenseits der Wahrnehmung eines Großteils des Massenpublikums ab, und die Filme wurden daher als Überraschungen wahrgenommen. Instrumentalisiere ich diese Vorgänge als Vorbereitung und stelle ihre Zeitlichkeit räumlich dar, so ergibt sich mir das Bild eines Eisbergs; an dessen Spitze nun die beiden Filme, weithin sichtbar, stehen. Lorenz Engell spricht in diesem Zusammenhang von “struktureller Überdeterminierung”: “Die scheinbare Neuerung ist lediglich Folge oder Ausdruck von Vorgängen, die sich längst schon abgespielt haben33.” (Engell, 1992, S.223) In der Tat, dass die Filme, die im Abstand von nur einem Jahr herauskamen, beide die autobiografische Erzählform wählen, ist kein Zufall, sondern eine Aufforderung zur Spurensuche. Ich möchte im folgenden Kapitel zeigen ,dass Ari Folman und Marjane Satrapi deshalb mit solcher Bravour und Selbstverständlichkeit diese Erzählform nutzen konnten, weil sie auf erschlossenem Terrain hantierten.

Die Invention der autobiografischen Instanz in der visuellen Erzählung

“The world of animation in particular, has held an ongoing dialogue with contemporary schools of painting and graphics.” (Bendazzi, 1994, Foreword, S.XVII)

Die beiden Filme erzählen Geschichten, die als autobiografisch erscheinen. Diese Einheit von Autor und Erzähler jedoch ist künstlich erschaffen, sie ist eine Behauptung. In dieser Behauptung wiederum entfaltet sich eine künstlerische Freiheit, die eine besondere Intimität der Begegnung zulässt. Wir lassen uns auf die Selbstkonstruktion des Autors als Subjekt seiner Erzählung ein. Eine autobiografische Erzählweise in einem Bildmedium, benötigt ein verbildlichtes Pendant für diese Art der Begegnung. Dieses Pendant haben

31 meine enthusiastischsten Zitate kommen allesamt aus den zeitgenössischen Feuilletons 32 WALTZ WITH BASHIR allerdings in der Kategorie „bester fremdsprachiger Film“ 33 so wird beispielsweise die auffällige Wahl des jeweils selben Milieus der einander in schneller Folge abwechselnden Filme von Pixar und Dreamworks durch die fortgeschrittene technologische Entwicklung erklärt: Insektenwelt, Unterwasserwelt etc. waren vor allem software- also technisch bedingte Wahlen.

40 sich Ari Folman und Marjane Satrapi für ihre Filme zugelegt. Ich möchte hier von einer Konstruktion eines fiktionalisierten, visuellen (in unseren Fällen: grafischen) Äquivalents sprechen. Die Tradition, auf die sie sich dabei berufen findet sich in einem dem Animationsfilm benachbarten Medium: dem Comic.

Autobiografische Comics

Bei der Vorstellung seines Films in der Akademie der Künste berief sich Ari Folman bei der Nennung seiner Inspirationen in Gegenwart des Verfassers auf eben jenen Comicautoren, der auch Marjane Satrapi zur Publikation ihres Comics “Persepolis” inspiriert und verholfen hat: David B. Im Verlag L´Association veröffentlichte sie ihre autobiografischen Erzählungen in zwei Bänden. Dieser französische Verlag entstand 1990 “um der vorherrschenden Form des Comics” ein “eigenes Konzept entgegenzusetzen” (Engelmann, 2009, S.197). Eines ihrer Gründungsmitglieder ist David B. ”Ich will mich töten... Die Gründung von L´Associacion rettet mich” wird er später in seinem Hauptwerk »L`Ascension du haut mal« schreiben. Mit diesem Buch „hat er die französische Comic- Szene ebenso revolutioniert wie das Genre der Comic- Autobiografie.“ (Engelmann, 2009, S.195) David B., der Name selbst ist ein Pseudonym, um Distanz der allzu persönlichen Geschichte gegenüber zu wahren, beschreibt sein Aufwachsen im Schatten der Epilepsie seines Bruders und deren Auswirkungen auf das Familienleben. Er ermutigt Marjane Satrapi, ihre Geschichte als Comic herauszubringen, 2001

Abbildung 23 erscheint der erste Band in

41 Frankreich. Die gewählte Form war dem Medium damals schon so wenig fremd, dass Christian Gasser im Nachwort der Neuauflage von Persepolis schreiben kann: „Die Comic-Autobiographie selber drohte indes bedeutungslos zu werden, weil sie allzu oft zur Bühne für die nabelbeschaulichen Alltagsbelanglosigkeiten berufspubertärer Männer verkam. Seit einiger Zeit erlebt sie jedoch eine Renaissance: Mehr und mehr Autoren stellen ihr Schicksal in größere Zusammenhänge. (...) Mit ihrer subjektiven Verarbeitung gesellschaftlich relevanter und zeitgeschichtlich brisanter Themen sorgten diese Autoren

[David B., Sacco, Satrapi, Peeters, Thompson] für Aufsehen Abbildung 24 weit über die Comic-Szene hinaus- und für überraschende Verkaufserfolge.“ (Satrapi, 2005, S.160)

Diese Entwicklungen im Bereich der vielfach übersehenen „Neunten Kunst“34 lief nicht ohne Wechselwirkungen mit benachbarten Medien ab. Ich werde mich hier auf die Ergebnisse beschränken, die direkt Einfluss auf den abendfüllenden Animationsfilm ausübten.

34 Seit der Veröffentlichung von „Pour un neuvième art: La bande dessinée“ (1971) von Francis Lacassin ein stehender Begriff

42

Autobiografische Animationsfilme

Lange vor WALTZ WITH BASHIR und PERSEPOLIS wurde die autobiografische Erzählform im Animationsfilm genutzt. Hierbei stand nur anfangs der Comic Pate:

STARKER VERKEHR

STARKER VERKEHR (1973) war Ralph Bakshis zweiter abendfüllender Trickfilm. Befeuert von der erfolgreichen Verfilmung von R.Crumbs FRITZ THE CAT35 und verbittert von dessen Distanzierung seiner Interpretation gegenüber36, versuchte sich Bakshi an einer eigenständigen Version eines Animationsfilms für Erwachsene mit subkultureller Konnotation. Für heutige Augen ist der Film in seiner verstörenden Mischung aus Sex und Gewalt, in Abbildung 25 zusammenhangslosen Episoden aneinandergereiht, unbekömmlich und gibt ein beredtes Beispiel dafür, was Florian Schwebel Bakshis „notorische überdrehte Unfröhlichkeit mit ihren halb formulierten Abgründen“ (Schwebel, 2010, S.61) nennt. Für ihn stellt STARKER VERKEHR „eine hochinteressante Sackgasse“ (Schwebel, 2010, S.83) dar.

35 Florian Schwebel spricht von einem der „unbekanntesten Kassenhits der Filmgeschichte“ (Schwebel, 2010, S.80) Der Film kostete 850.000 und spielte weltweit gut 100 Millionen ein (Schwebel, 2010, S.82) 36 diese Ambivalenz zwischen Dankbarkeit, Respekt, Frust und Zorn spiegelt sich gut in einem Interview wieder, das Brian Heater mit Bakshi führte:

Was your own transition slow into more adult works or did you get to do what you wanted to do, right out of the gate when you did your own stuff?

Fritz freed me. Crumb’s Fritz the Cat, which is brilliant—though I dislike Crumb—because it was fun, it was satirical, it was delightfully drawn. It made so much money that I jumped into Traffic with both feet, which no one had ever done in animation—I did Heavy Traffic and Coonskin. I had the muscle from Fritz the Cat. In that respect, if I didn’t have a hit, would I be able to do Traffic? No way. If Fritz bombed, there’d be no Heavy Traffic.

http://thedailycrosshatch.com/2008/06/30/interview-ralph-bakshi-pt-2/

43 Michael Corleone, ein angehender Animator, wird in seinem trostlosen Alltag im heruntergekommenen New York der Siebziger gezeigt, wie er orientierungs- und perspektivlos in sein Erwachsenenleben hineinstolpert. Dem Publikum wird eine Identifikationsfigur vorenthalten, denn auch Michael, den wir den Film über begleiten, ist in seinem Schwanken zwischen Großmannssucht und unreifer Sexualität zusehends weniger sympathisch.

Interessant aber sind Bakshis Versuche einen zeitgemäßen Ausdruck für sein Lebensgefühl zu finden. Er übernahm quasi den Aufruf aus der Subkultur, Autorschaft im eigenen Werk zu übernehmen und auf alltägliches Erleben zurückzugreifen. Dafür glich er die Handlung möglichst seiner eigenen Lebenswelt an. Auch Bakshi hatte sein Studio in New York und lebte dort seit früher Kindheit. Für viele Szenen nutzte er Realfilmaufnahmen von New Yorker Straßen. Der karikierte und typisierte Cartoon–Cast des Films rekrutiert sich direkt aus der lokalen Einwohnerschaft, vor allem der Armenviertel. Der gezeichnete Michael Corleone trägt überdies unverkennbar Ralph Bakshis Züge. In diesem Film schon sind als Stilmittel ein voice over eines inneren Monologes und der Einsatz verschiedener, sich ergänzender Erzählebenen zu verzeichnen: Realfilmaufnahmen eines in der diegetischen Gegenwart flipperspielenden Michael gehen über in eine Erzählebene mit dem erwähnten Cartoon-Michael, der wiederum manches Mal selbst Geschichten erzählt. Diese wiederum sind in skizzenhafter Art in einem leicht von der sonstigen Cartoon-Ebene unterscheidbaren Stil wiedergegeben. Die Realfilmaufnahmen bilden hierbei die Rahmenhandlung, auf die der Film in Abständen immer wieder zurückkommt, nichts geschieht hier, bis auf das Flipperspiel. Schlussendlich wird die episodenhafte Cartoonhandlung in die Realität und einem Ende zugeführt, das einen Neuanfang, ein neues Spiel mit dem Glück mit sich bringen soll. Die Verwendung einer ereignisarmen Rahmenhandlung finden wir ganz ähnlich bei den besprochenen Filmen vor. Erwähnung verdient noch der Versuch positive Einfühlung in das kaputte Leben von Michaels Mutter zu ermöglichen. Diese Szene nähert sich der subjektiven Realität der betrunkenen Dame auf ihrer sentimentalen Reise an. Es werden vor schwarzer Fläche Fotografien gezeigt, die darauf hinweisen, dass sie einer Einwandererfamilie aus Russland

44 entstammt (so wie es auch bei Bakshis eigener Familie der Fall ist)37.Dieser Wechsel der Erzählmittel, die gesamte Stimmung schlägt um und lässt sich auf das Schicksal der entwurzelten Mutter ein, ist eine Vorahnung, mit welch breiter Ausdruckspalette Satrapi und Folman hantieren werden.

BARFUSS DURCH HIROSHIMA

Eine Umsetzung des japanischen Comic-Klassikers (siehe Anhang) BARFUSS DURCH HIROSHIMA realisierte das japanische Anime Studio Madhouse von 1983 bis 1986 in zwei Teilen. Die autobiografische Geschichte eines Überlebenden sollte als Kinderfilm das Grauen des Krieges vermitteln und die Szenen kurz nach dem Bombenabwurf sind in der Tat auch für Erwachsene schwer zu verkraften. Kenji Nakazawa entwarf das Drehbuch gemäß seiner Comicvorlage. Der Film Abbildung 26 fand seine Entsprechung in dem im Westen 1986 veröffentlichten WENN DER WIND WEHT, der ebenfalls ein Film über das Grauen des Atomkrieges nach einer Comicvorlage (von Raymond Briggs38) ist, die Handlung allerdings ist im damaligen England der Gegenwart angesiedelt.39

37 S.45 Die „liebenswerte“ Hauptfigur im amerikanischen Animationsfilm, Diplomarbeit von Stephan Sacher 38 Der ebenfalls das Drehbuch für die filmische Umsetzung seiner Geschichte entwarf 39 1988 wurde in Japan dann DIE LETZTEN GLÜHWÜRMCHEN veröffentlicht, der das Grauen eines langsamen Sterbens, wie es in WENN DER WIND WEHT gezeigt wurde, auf japanische Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg übertrug, gemäß einem teilweise autobiografischen Roman „Das Grab der Leuchtkäfer“ von Akiyuki Nosaka, dessen Schwester im Zweiten Weltkrieg verhungerte. Dieser vom Studio Ghibli realisierte Film wurde zum „modernen Klassiker“. (Schwebel, 2010, S.110)

45 AMERICAN SPLENDOR

Abbildung 27

Ein weiterer autobiographischer Comic fand als Realverfilmung mit rudimentären Animationsfilmeinlagen besondere Aufmerksamkeit: AMERICAN SPLENDOR nahm den Impuls des gleichnamigen Comics auf und erzählt die Alltagserlebnisse des Harvey Pekar, so wie er sie seit 1976 von verschiedensten Comiczeichnern (darunter auch Crumb und Sacco) umsetzen lässt.

Ari Folman weist seinen Film als der „erste animierte Dokumentarfilm in Spielfilmlänge“ aus.40 Wahr ist, dass es der erste abendfüllende Animationsfilm mit teilweise dokumentarischen Inhalten ist41. Dass es in diesem Sinne schon seit geraumer Zeit nun animierte Dokumentarfilme gibt fällt dabei meist unter den Tisch. Die Presse feierte die Form als solche als sensationell42. Folman selbst hatte schon Erfahrung mit dieser Mischform gemacht. “It was always my intention to make an . Since I had already made many documentaries [b]efore[,] it was a real excitement going for an animated one. I made an experiment in my documentary TV series THE MATERIAL THAT LOVE IS MADE OF. Each episode opened with a three-minute animated scene introducing scientists talking about the “science of LOVE”. It was basic Flash animation, but it worked so well that I knew a feature length animated documentary would eventually work.“ Interview im offiziellen Presskit von WALTZ WITH BASHIR

40www.waltz-with-bashir.pandorafilm.de, Zugriff, August 2010 41 Wobei auch Richard Linklaters „Waking Life“ (2001) für diesen Titel in Frage kommt. 42 Florian Schwebel schreibt hierzu mit unüberhörbarer Gereiztheit: „In einem unangemessenen Kotau vor für den Zeichentrickfilm sehr fremden Qualitätsvorstellungen wurde WALTZ WITH BASHIR, in dem kein Bild auf existierendem Foto- oder Filmmaterial beruht, und in dem zum Teil professionelle Schauspieler die dramaturgische verfremdeten Aussagen von Zeitzeugen sprechen, als „erster gezeichneter Dokumentarfilm“ beworben. Schwebel, 2010, S.100

46 Abbildung 28

In diesen humorvollen Vorfilmen tritt Ari als animierter Nachrichtensprecher auf, ebenso werden Interviewpartner zeichnerisch porträtiert. Testlauf also nicht nur für eine generelle Mischung aus Dokumentation und Animation, sondern schon für jene Spielart, die Ari Folman für seinen Film dienlich wurde.

Animierte Lebenserzählungen im Kurzfilmformat

Filme, die als Zwitter dokumentarische Aufnahmen mit Animationen verbinden sind mittlerweile Legion. Dass die Verbindung so eng wird, dass die Animation über lange Strecken als alleiniger Handlungsträger fungiert, ist schon eher selten. Ich möchte im Rahmen meiner Arbeit auf nur vier Kurzfilme hinweisen, die mir in der Art und Weise Lebenszeugnisse im Animationsfilm zu erzählen als richtungsweisend erscheinen.

DRAWN FROM MEMORY DRAWN FROM MEMORY (1995) ist meiner Kenntnis nach die erste veritable animierte Autobiografie. Paul Fierlinger in Personalunion von Drehbuch, Animation, Regie und Erzählerstimme, beschreibt in sechzig Minuten sein Leben angefangen mit seiner

Abbildung 29

47 Kindheit als Diplomatensohn bis ins Erwachsenenalter als selbstständiger Künstler hinein. Der Film endet mit der Ausreise Fierlingers. Auch er, wie Satrapi ein Wanderer zwischen zwei Welten, der sich schlußendlich entscheiden muss, in seinem Fall zwischen der Tschechoslowakei und den USA in Zeiten des Kalten Krieges. Hierbei kommen die beschriebenen Erzählmittel mit ähnlichem Ziel zum Einsatz: voice over, ein gezeichnetes Selbstporträt als visualisiertes Selbstkonstrukt, Thematisierung der Brüchigkeit der eigenen Erinnerungsfähigkeit. Ein subjektives Erleben wird in Episoden erzählt, historischen Daten anheim- und gegenüber gestellt.

HIDDEN /GÖMD HIDDEN/GÖMD (2002) von Hanna Heilborn, David Aronowitsch und Mats Johansson ist nach eigener Angabe der erste CGI-animierte Dokumentarfilm. Grundlage des Fünfminüters ist ein Interview mit Giancarlo, einem illegalen Flüchtlingskind, das zusammen mit seiner Abbildung 30 Familie versteckt in Schweden lebt. Die Umsetzung der Bildebene geht kongenial auf die traurige Stimme Giancarlos ein, wenn er von seinem Leben erzählt. Eine Homevideo-Ästhetik wird imitiert, die virtuelle Kamera stellt sich auf beliebige Objekte scharf, wackelt, der kleine Bruder steht im Weg etc., als Handlungsträger aber werden hochstilisierte in Blautönen gehaltene dreidimensionale Cartoons gezeigt. Meistenfalls bleibt die Kamera bei dem Interview in der ereignislosen, diegetischen Gegenwart, zweimal erscheinen der Erzählung dienliche Dokumentarfilmbilder aus Peru und der schwedischen Schule in gelblichen Farbtönen, in denen das fiktionalisierte Pendant des minderjährigen Erzählers auch als handelnde Person auftritt. Der Film ist in sich schlüssig gestaltet, erlaubt eine unmittelbare Anteilnahme dem traurigen Schicksal Giancarlos gegenüber und tritt einem gleichzeitig nicht zu nahe.

48 RYAN In ähnlicher Weise verfährt RYAN (2004) von Chris Landreth. Hierbei wird in dreizehn Minuten ein eindringliches Porträt von Ryan Larkin und dem Autor gleichermaßen gezeichnet.43

Meistenteils anhand Abbildung 31 aufgenommener Interviewsequenzen erzählt Chris aus dem Off und als visualisiertes Pendant die Geschichte eines künstlerischen Ausnahmetalents und dessen Absturz in die Obdachlosigkeit. Hierbei erfährt die gesamte Handlungsebene eine Überarbeitung und Interpretation, die Chris Landreth „Psychorealismus“ nennt: “Getting inside people’s heads, and showing in a visual, metaphorical way the thought processes, the emotional processes, the spiritual processes going on in people, in a way that accentuates the realism of the story, and in this case a documentary where you know that what you’re hearing is not scripted, it’s not staged. You know, building the imagery around that, which is detailed and allegorical” 44 Die Kameraarbeit ist wie im vorangegangenen Beispiel meist einer Dokumentarfilmästhetik entliehen, mit dem Ziel, einen Authentizitätseffekt, der bereits durch das vorliegende Interviewmaterial gegeben ist, zu verstärken. Gleichsam gehen Erzählebenen hierbei fließend ineinander über, aus der diegetischen, ereignisarmen Gegenwart der Interviewsituation werden Reisen in die Vergangenheit unternommen, Interviewpartner geben über Ryan Larkin Auskunft, indem sie Geistern aus der Vergangenheit gleich im Interviewraum erscheinen, Höhepunkt des Films ist aber die Begegnung der beiden Protagonisten als (sprichwörtlich) vom Leben Gezeichnete. Die

43 In einem Interview fand ich überraschenderweise die Bemerkung, dass das nicht von Anfang an Teil des Konzeptes war: „Sure, I mean as I say, it’s an animated documentary. When I started this thing three years ago, I really was very open as to what this would be, and the only stuff I was starting with was a friend of mine who had a sound recording piece of equipment, you know a couple of lavaliere mics, and a nice DV video and audio recorder (...) We got about twenty hours of footage, and there was one particular piece of footage which you hear at the end where the subject of alcohol comes up, and when that came piece of footage came ‘round, the story went in a different direction than I was really thinking it would go. it was originally going to be all about Ryan, and you’d see Ryan beginning to end, but then there I was talking about alcoholism, and in a sense I was bringing myself, and my own baggage to the interview. I realized at that point that this would be a two-way thing, not just a one-way thing looking at Ryan, it would be a two-way thing involving Ryan and the filmmaker. So at that point it evolved into being a more subjective kind of story, and one that was involving my own history. So at that point it was a matter of developing a script and a storyboard that would have all these themes and would make the story work. www.animationtrip.com/item.php?id=55, Zugriff August 2010 44 www.animationtrip.com/item.php?id=55 Zugriff August 2010

49 Objektivierung einer subjektiven Wahrnehmung wird in diesem Film vor allem auf das aussagekräftige Erscheinungsbild der Protagonisten bezogen.

NEVER LIKE THE FIRST TIME!

Einen gegensätzlichen Weg geht NEVER LIKE THE FIRST TIME! (2006) von Jonas Odell. Sind die Hauptcharaktere von „Ryan“ veritable, wieder erkennbare, wenn auch interpretierte Porträts, könnten

Abbildung 32 die vier Protagonisten dieses Films anhand ihrer filmischen Pendants nicht wiedererkannt werden. Vier Episoden, vier Erzähler, die in Originalstimmen aus dem Off die Geschichte ihres ersten Geschlechtsverkehrs erzählen. In den jeweiligen Episoden wird mit der gesamten Gestaltung auf die zu vermittelnde Stimmung, teilweise liebevoll ironisierend, teilweise illustrativ-kommentierend eingegangen. Dadurch eröffnet sich ein zweckdienliches Kaleidoskop unterschiedlichster Animationstechniken, die in ihrer Vielgestaltigkeit versuchen, sich der inneren Wahrheit der Erzählungen anzunähern. Hierbei kommt die Interpretationsabhängigkeit der erzählten Erinnerung besonders beeindruckend zur Geltung.

Es zeigt sich, dass Marjane Satrapi und Ari Folman nicht neu erfinden. Die Form hat Vorläufer im Animationsfilm und beruft sich auf eine starke Tradition im Bereich der graphischen Erzählung. Hierbei aber verbinden sie sehr bewusst die erprobten Stärken des Animationsfilms mit den Eigenschaften der autobiografischen Erzählung und es gelingt ihnen eine Breitenwirkung durch die Verwendung „kultureller Schlüsselszenarien“ (Illouz,

50 2009, S.290), also einer Kombination hochindividueller Geschichten und geschichtlichen Ereignissen, die als identifikationsstiftend gelten können.

SITA SINGS THE BLUES

In ähnlicher Weise verfährt ein erstmals im Netz veröffentlichter animierter Feature Film, “directed, written, produced, designed and animated by Nina Paley”45 :

Abbildung 33

SITA SINGS THE BLUES (2008). Als Schlüsselszenarium gilt hierbei die indische Göttersage „Ramayana“. Die Erzählung göttlichen Liebeskummers wird hierbei parallel mit Nina Paleys persönlicher Trennungsgeschichte erzählt. Eine persönliche und eine universelle Liebesgeschichte also. Kombiniert. Florian Schwebel äußert sich hierzu enthusiastisch: „In solchen Werken mit ihrer Verschmelzung der Kulturen, ihrer Gegenüberstellung von Allgemeinem und Persönlichem, ihrer Reibung an kulturellen Traditionen, Filmtraditionen und Avantgarde, und mit dem Mut zur Offenheit, liegt die Zukunft des Animationsfilms, wenn nicht des Films. Mit neuen Technologien sind dabei alle Richtungen weite Spielräume erforschbar.“ (Schwebel, 2010, S. 77)

45 www.sitasingstheblues.com

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Kulturkritische Anmerkungen

„Eigentum am Lebenslauf, das ist unser wichtigstes Eigentum, das wir besitzen. Das ist wichtiger als das Haus.“ Alexander Kluge

"Daß jedes Ding eine bestimmte, einmalige Gestalt hat, ist eine Konstruktion des Denkens oder eine Erfahrung des Tastgefühls.“ Bela Balázs

Ich habe versucht aufzuzeigen, wie die Form der autobiografischen Erzählung seine ersten Gehversuche im Bereich des Animationsfilm machte, und auf welche Tradition sie sich dabei im Bereich der Comics bezieht. Dass dabei ein Großteil diesbezüglicher kultureller Entwicklung, gleichsam gesellschaftliche Realität spiegelnd und beeinflussend, ausgeblendet bleibt, verdient zumindest der Erwähnung. Mit Hilfe des von Luhmann vorgeschlagenen Modells der strukturellen Unterdeterminierung46 möchte ich darauf eingehen, dass der von mir verfolgte Gedanke, mit WALTZ WITH BASHIR und PERSEPOLIS manifestiere sich eine neue, spezifische Art der Erzählung für den abendfüllenden Animationsfilm, sich generell in eine Breite Hinwendung zur autobiografischen Erzählung einbettet. Dieses Modell für Innovation geht komplementär zum Modell der Überdeterminierung, das aufzeigen kann, wie Neuerungen „sozusagen von den Verhältnissen erzwungen“ werden (Engell,1992, S.223), davon aus, dass ein Kontext Möglichkeiten schafft. (ebda.) Der Kontext, von dem ich hierbei ausgehen möchte, ist die Erschütterung des Selbstverständnisses in der Moderne. Das Selbst ist nicht mehr selbstverständlich, es ist geformt und weiterhin formbar. Eine Möglichkeit, dieser Erschütterung entgegen zu treten, ist es, Sinn in der Selbstverbesserung, ja Selbstverwirklichung zu suchen. Das nun evoziert eine Selbsterzählung, die sich über die Wunden der Vergangenheit definiert, verbunden mit der Aussicht und dem erklärten Willen, sich Selbst zu ändern, zu heilen. Statt einer

46 „Dieser Sachverhalt der Unterdetermination wird von Luhmann abgesetzt gegen ein Konzept der Überdetermination historischer und sozialer Phänomene. Überdeterminiert sind Phänomene, wenn sie als einzig mögliche Lösung vorgegebener struktureller Ausgangslagen begriffen werden. Die These von der Unterdetermination setzt demgegenüber auf die Kontingenz dieser als Problemlösungen begriffenen historischen Sachverhalte. Sie verweist auf das systemtheoretische Verständnis historisch-sozialer Strukturen, wonach Strukturen nicht Operationen determinieren, sondern Strukturen Möglichkeiten der Bestimmung und Selektion von Operationen bereithalten. Strukturen generieren Variationsspielräume für mögliche Anschlussoperationen (S.154-155, Rainer Schützeichel, Sinn als Grundbegriff bei Niklas Luhmann, Campus-Verlag, 2003, Frankfurt/Main)

52 Lebenserzählung „vom Tellerwäscher zum Millionär“, wie sie im Neunzehnten Jahrhundert noch üblich war, setzt eine Erzählung ein, die als Ausgangspunkt und Ziel die Wunden der Vergangenheit und das Bemühen um deren Heilung präsentiert. Diesen Trend nennt die Soziologin Eva Illouz in ihrem Buch „Die Errettung der modernen Seele“ das „neue Genre der therapeutischen Autobiografie“. (Illouz, 2009, S.305)

„Die Erzählung der Selbsthilfe und Selbstverwirklichung ist eine Erzählung der Erinnerung und der Erinnerung an Leid, doch bewirkt die Erinnerungsarbeit zugleich eine Erlösung von diesem Leid. Im Kern dieser Erzählung steht die Annahme, daß man Erinnerungsarbeit an vergangenem Leid leistet, um sich von ihm zu befreien. Im Laufe der 1990er Jahre entwickelten sich derartige autobiografische Bekenntnisse zu einem gängigen, laut Frank Furedi „gar zu einem der ausgeprägtesten Genres der 1990er Jahre.“(Illouz, 2009, S.307)

Das Aufkommen dieses Genres macht Illouz vor allem an Talkshows, mit ihrem öffentlichen Bekenntnischarakter, und Prominenten-Biografien fest. Denkwürdiges Zentrum dieses Genres ist das Selbst, das zur Disposition steht, und zwar in der Art, dass man es verlieren kann, dass man es verwirklichen will, verbessern oder retten. Diesem Selbstzweifel liegt ein grundlegendes Unbehagen der Moderne zugrunde. Das wird deutlich, wenn man den Ausführungen des Philosophen Sloterdijks über das „zersetzte Ich“ folgt: „Das Individuum, das sich nicht in seine Eigenschaften gehen läßt, sondern sich selbst einklammert und beobachtet, findet heraus, daß es kein massives Ding ist, sondern Hohlraum. Damit wird die Analyse existentiell scharf. (...) Unter allen Gestalten liegt das Leere- das nimmt die Formen, die Fiktionen zurück. Mein Charaktertheater, mein Weltbild, mein Engagement- das Leere verschluckt solche Gebilde wie nichts. Alle Versuche, vom Sozialen her ein stabiles Selbst zu aufzubauen, führen in eine entweder inauthentische oder lächerliche Position; im übrigen ist die Postmoderne ein Unternehmen, diese Lächerlichkeiten zu rehabilitieren.“ (Sloterdijk, 2000, S.20-21)

Diese Rehabilitation ist charakterisiert über den Versuch einer neuen Selbstdefinition. Und in diese Bewegung hin zur Selbstvergewisserung der eigenen Geschichte sehe ich

53 autobiografische Erzählung sowohl die im Comic als auch im Animationsfilm mit ihren ganz speziellen Ausprägungen eingebettet.

„Individualismus entsteht, wenn Menschen ihre Selbstbeschreibungen selbst verfassen, also wenn sie anfangen, die Autorenrechte an ihren eigenen Geschichten und Meinungen zu reklamieren. Das kann man vom 18. Jahrhundert an mit Händen greifen- seither sind bürgerliche Individuen potentiell und aktuell Romanhelden und Verfasser ihrer Autobiographien. Im 20. Jahrhundert kommt zum Roman-Individualismus der Design- Individualismus. jetzt fordern wir auch die Rechte an unserem

Erscheinungsbild.“ (Sloterdijk, 2000, S.12)

Der Möglichkeit, individuelle Erzählungen im Animationsfilm umzusetzen, kommt der erwähnte Anstieg der Rechnerleistung zugute. Hierbei kann das Erscheinungsbild der Erzählung durch die neuen Umsetzungsmöglichkeiten mit bisher unerreichter Intensität durchwirkt und gestaltet werden. Eine Reflektion, eine Selbstvergewisserung und Selbstgestaltung der eigenen Geschichte, sowie die Veräußerung innerer Bilder, wie es die besprochenen Filme versuchen, ist eine Möglichkeit auf diesen Kontext der zivilisatorischen Verunsicherung mit zeitgemäßen Mitteln zu antworten.

Hierbei kommt die therapeutische Lebenserzählung zum Einsatz: „Sie ermöglicht es, die kulturellen Schemata und Werte des moralischen Individualismus und der Selbstverbesserung zu mobilisieren.“ (Illouz, 2009, S.309) und „macht einen für die eigene Zukunft verantwortlich, nicht aber für die eigene Vergangenheit. Sie begünstigt ein Selbst, das passiv ist- insofern es sich durch die von anderen zugefügten Wunden definiert-, das sich jedoch aufgefordert sieht, überaus aktiv zu werden, insofern es gehalten ist, sich zu verändern. Es ist in höchstem Maße für seine Selbsttransformation verantwortlich, wird jedoch für seine Defizite nicht moralisch verantwortlich gemacht. Dieses Modell einer gespaltenen Verantwortung stellt meiner Meinung nach eine neue Form des Selbstseins dar.“ (Illouz, 2009, S.311) Tom Robbins formulierte diese Tendenz zur Instrumentalisierung der eigenen Biografie im Schlusssatz seines Buches „Buntspecht“ treffend: „Es ist niemals zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben.“

54 Bemerkenswert hierbei ist ein neues Verhältnis zur gelebten Vergangenheit. Sie ist, wie erwähnt (s. der Wirklichkeitsbezug) keine feste Größe mehr. Die Gewichtung verschiebt sich auf die gegenwärtige Situation, mit der Möglichkeit, seine eigene Einstellung gegenüber der persönlichen Vergangenheit zu modifizieren. Dieses Verhältnis definiert sich durch ein neues Verständnis in die Zweckmäßigkeit der Erinnerungsarbeit. „Bezeichnend für das menschliche Gedächtnis ist seine Prozesshaftigkeit: Seine Aufgabe besteht nicht darin, Geschichte (im Sinne eines endgültigen Vergangenen) zu produzieren, sondern in der Gewährleistung von Stabilität und Flexibilität zugleich. (Klippel, 2004, S.243) Ari Folman bezieht sich auf dieses Verständnis von Erinnerungsarbeit, wenn er erzählt:

„Die vier Jahre Arbeit an dem Film haben einiges in mir aufgewühlt, was ich ganz tief versteckt hatte. Ich bin zwischendurch in eine Depression verfallen, dann war ich wieder ganz euphorisiert, dieses Leiden in Animation zu verpacken und neue Wege zu gehen. Wenn ich mir das Resultat anschaue, mit den Zeichnungen, dann sage ich mir: He, das bist du. Diese ganze schizophrene Situation ist vorbei.“ (Interview mit Margret Köhler. film-dienst, 23/2008)

Dass Folman dabei die Form des abendfüllenden Animationsfilms im Sinne einer Katharsis nutzt ist für mich ohne Beispiel in der Geschichte des Mediums. Auch Satrapi macht unmissverständlich klar, dass mit PERSEPOLIS eine höchst persönliche Geschichte erzählt wird.

55 Autobiografie und Kunst- Organisierung der Lebenserfahrung in Form der Selbsterzählung

„[WWB] erinnert uns daran, dass filmische Wahrheit im Kino von Kunst nicht zu trennen ist.“ (Daniel Kothenschulte, FR, 7.11.08) Abbildung 34

Dieses von Grund auf veränderte Selbstverständnis schlägt sich selbstverständlich in der Kunstwelt nieder. Der Verunsicherung des Individuums in der Moderne spiegelt sich in der Erschütterung der Rolle des Künstlers. Gottfried Boehm schreibt hierzu: "Als Resumè läßt sich festhalten: wie immer das Verständnis von Kunst und Theorie vor der Moderne ausgesehen hat, unter modernen Vorzeichen werden die Reflexion und die produktive Verwandlung des Bildes notwendige Bestandteile der bildnerischen Arbeit selbst. Die Werke bekunden ihren veränderten Status. Wie ein Verlust an Selbstverständlichkeit bzw. Tradition oft, so zeigt sich auch der jetzt eingetretene folgenreich und schmerzlich:" (Boehm, 1994, S. 326-327) Dieser folgenreiche Verlust nun lässt aber auch neue Spielarten der Begegnung zu, in dem Sinne, wie ich versuchte anzudeuten, wenn ich von einer „besonderen Intimität der Begegnung“ spreche (s. die Invention der autobiografischen Instanz in der grafischen Erzählung) : „so daß sich die einfache Einheit der dargestellten Realität sowohl wie des Betrachters dieser Realität auflöst. Diese Auflösung kann jedoch nicht nur als Verlust gewertet werden, im selben Atemzug hat man sie nämlich auch als eine Freilegung von Möglichkeiten des Umgangs mit uns selbst und der Welt zu verstehen. Solche Möglichkeiten können zur Entdeckung neuer Darstellungsformen führen, in denen dieser Umgang dargestellt und zum

56 Ausdruck gebracht werden kann. Diesem Zusammengehen von Gewinn und Verlust soll mit der Formel von der »Selbstreflexion der Malerei» Rechnung getragen werden. (Boehm, 1994, S. 426)

Dem Verlust der tradierten Schemata als selbstverständlichste Art der Trickfilmunterhaltung steht demgemäß, analog der Verbreiterung der Verhaltenspalette durch eine Therapie, der Versuch neue Inhalte durch den Animationsfilm darzustellen gegenüber. Solch eine Art der neuen Darstellungsform meine ich anhand meiner Untersuchung für den abendfüllenden Trickfilm ausmachen zu können. Hierbei schließen die Filmemacher zu den Entwicklungen in anderen Gattungen auf. Satrapis Verweis, PERSEPOLIS als eine „Autofiction“ zu bezeichnen, bezieht sich auf eine literarische Entwicklung in der sich „in dem Werk zwei grundsätzlich verschiedene ‚écritures‘ mischen: eine brüchige, die Fragmentarität und Unabgeschlossenheit der Identitätsbildung herausstellende und auf der Unsicherheit der Erinnerung beruhende ‚écriture autobiographique‘ und eine sich durch geordnetes, chronologisches Erzählen und narrative Distanz auszeichnende ‚écriture romanesque‘.“47

Raymond Federmann, ein Vertreter dieser postmodernen Literatur beschreibt dies folgendermaßen: „Self-reflexive autobiographical fiction always speaks the truth about its own fraudulence, or rather denounces the lie of reality in order to assert the truth of fiction. And suddenly we are back to the liar´s paradox: All writers are liars, I am a writer. But it is this paradox which enables the fiction writer to transform the experiences of life into fiction and make theses appear credible so that the reader eventually can say: „I may be suspicious of your life, but I trust your stories.“ (Federmann, 1992, S.340)

Der Transformation der eigenen Biographie in eine Erzählung geht eine Objektivierung des geschichtsträchtigen Materials voraus. Dieses wird instrumentalisiert und aufbereitet,

47 www.autofiction.org/index.php?post/2009/08/26/Literaturwissenschaftliche-Sektion-am-7- Frankoromanistentag Zugriff Februar 2010

57 so dass eine intime Begegnung zwischen Autor und Leser erst möglich wird. In diesem Sinne kann man Tom Waits glauben, wenn er singt: „I tell you all my secrets, but I lie about my past.“ Hierbei ist das Bewusstsein um die latente Vielstimmigkeit der Vergangenheit und ihrer Interpretationsabhängigkeit gegenwärtig. Ebenso die Komplizenschaft in der Erschaffung einer glaubwürdigen Selbstvergewisserung der eigenen Geschichte. In dem Bemühen hierbei „ehrlich und getreu“ der Erinnerung nachzugehen wird eine Begegnung zwischen Autor und Leser oder eben Zuschauer auf Augenhöhe möglich, in der

„die dezentrierte, in Auflösung begriffene Subjektivität des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu sich selbst kommt, nicht als scheinhafte Identität, sondern als authentische Nicht-Identität, die sich in der Heterogenität ihrer selbst vergewissert. Das Kino bietet einen privilegierten Ort für diese Momente, in denen Fantasie und Wahrnehmung sich verbünden und aus dem Material

der Vergangenheit schöpfen.“ (Klippel, 2004, S.256)

Das Kino, ebenfalls ein Kind des 19. Jahrhunderts48 , ist seit seiner Entstehung schon ein Podium der modernen Selbsterzählung und Seinsvergegenwärtigung. Dass dieser Ansatz für den Animationsfilm übernommen wurde, würdigt der Journalist Ulrich Kriest ausdrücklich: „Waltz with Bashir“ ist so nicht nur auf allen Ebenen absolut auf der Höhe der philosophisch- ästhetischen Mediendiskurse, sondern dazu flott und mit Mut auch zu surrealen Effekten und Blindstellen erzählt.“ (Kriest, Film Dienst 23/ 2008, S. 23)

Und so löst sich in meinen Augen die fruchtlose Diskussion über die Einordnung dieser Filme, ob sie nun dokumentarischer oder fiktionaler Natur sind im Rahmen dieser Erörterung auf: „What is interesting in the relationship between fiction and autobiography is the mechanism by which a writer transforms elements of his life into stories. What is fascinating is the process which makes it possible for a writer to have a biography – real or imagined.“ (Federmann, 1992, S.337)

48 Engell, 1992, Kapitel 1: Die Fortsetzung des 19. Jahrhunderts mit anderen Mitteln

58 Es geht also schlussendlich nicht um die Tatsächlichkeit der dargestellten Ereignisse, sondern um die Zielsetzung und Übertragbarkeit der Geschichte.49 Federmann spricht hierbei ausdrücklich von der eigenen Geschichte, über die man solcherlei Deutungshoheit hat. Die Grenze der autobiografischen Erzählung besteht darin, dass sie die Perspektive des Anderen nicht zu Wort kommen lassen kann.

Hier nun möchte ich meine Gedanken bezüglich des Gebrauchs der dokumentarischen Aufnahmen am Ende von WALTZ WITH BASHIR anfügen. Es ist dem Film als Schwachpunkt ausgelegt worden, dass der zeichnerisch so durchgestalteten Interpretation des Libanonkrieges aus Sicht eines einfachen israelischen Soldaten Dokumentarfilmaufnahmen als Verifizierung des Leidens der palästinensischen Zivilbevölkerung hintangestellt wurden. Als wenn hier die Mittel des Animationsfilms einer größeren Glaubhaftigkeit Platz machen und schweigen müssten50. Dem ist meines Erachtens nicht so. Es gibt die Unmittelbarkeit des Eindrucks, das ist zweifellos der Fall- und Abbildung 35 Ari weiß ihn zu nutzen. Aber hinter dieser Tatsache, die einen Diskurs über die Glaubhaftigkeit des Bildgutes anstrebt51, vermeine ich noch einen tiefer liegenden Beweggrund zu sehen. Ich habe versucht anhand meiner Arbeit aufzuzeigen, dass die Vermittlung eines subjektiven Standpunktes mit den Mitteln des Animationsfilm das erste Ziel der beiden Filme ist. Wenn die subjektive Interpretation hier zum Stillstand kommt, dann deshalb, weil hier der „Wechsel zwischen verschiedenen Welten“(Hickethier, 1996, S.191) signalisiert werden soll. Hickethier schreibt über „Das Beil von Wandsbeck“ „die

49 ähnlich bei Goethe: „Es sind lauter Resultate meines Lebens... Ich dächte, es steckten darin einige Symbole des Menschenlebens. Ich nannte das Buch Wahrheit und Dichtung, weil es sich durch höhere Tendenzen aus der Region einer niedern Realität erhebt.“ (Goethe am 30. März 1831 im Gespräch mit Johann Peter Eckermann) 50 So ist der Film in Gegenwart des Verfassers diskutiert worden und auch Florian Schwebel schreibt hierzu: „Zumindest in der amerikanischen Kritik ist diese abschliessende Volte als Armutszeugnis ausgelegt worden.“ S.117 51 Florian Schwebel schreibt ganz richtig:“ WALTZ WITH BASHIR ist ein Film aus einer Zeit, in der das fotografische Bild nicht mehr als Abbild der Realität gelten kann, und in der die große Erzählung der Fernsehnachrichten keine Orientierung mehr bietet. (...) Die Zeit der Tagesschau ist vorbei.“ (Schwebel, 2010, S.117) Hierzu mehr im folgenden Kapitel: Veränderung der Rahmenbedingungen/ Erweiterung der Erzählzone

59 dokumentarische Form bleibt den Opfern vorbehalten, die Fiktion wird dem Henker und seiner Umgebung zugedacht.“ Folman maßt sich ebenfalls nicht an, den Opfern eine Interpretationsebene angedeihen zu lassen. So schreibt auch der Journalist Andreas Kilb: „Am Ende ist der Film in Sabra und Schatila angekommen. Da hört die Animation auf, und die Fernsehbilder vom September 1982 sprechen den Epilog der Geschichte. Ari Folmans Größe als Regisseur zeigt sich auch darin, dass er die Grenze respektiert, die die Phantasie der Lebenden von der Realität der Toten trennt.“ (Kilb, FAZ, 6.11.08) Dieser Stellungnahme schließe ich mich vorbehaltlos an.

Veränderung der Rahmenbedingungen / Erweiterung der Erzählzone

„Der global vernetzte Zuschauer hat den Sinn für die Realität verloren.“ Thea Dorn, DIE ZEIT, 31.3.2010

"Das Bild und seine Materialität sind aus dem Kino verschwunden. Zumindest scheint die Entwicklung beständig in diese Richtung zu gehen. So geht die stetige Beschleunigung also scheinbar mit einem zweiten Charakteristikum möglicher medialer Zukunft einher: Dem Verlust des Materials. " Sebastian Höglinger

Der abendfüllende Animationsfilm ist konservativ, und das mit gutem Grund. Eine Änderung des Althergebrachten ist nur dann ratsam, wenn die damit einhergehenden Verunsicherungen lohnenswert erscheinen. Sich auf neue Erzählweisen einzulassen erfordert eine hohe Risikobereitschaft. Als Disney sich 1933 in die Vorbereitungen für den ersten animierten Feature Film begab, geschah es aus der inneren Notwendigkeit heraus, sich eine Erzählweise zu erschließen, die über die bis dato üblichen kurzen Witzgeschichten hinausging. Er suchte ein Publikum, das seiner Bereitschaft und Willen zum modernen Gesamtkunstwerk entsprach. Bis heute ist das von ihm erschlossene Schema wirksam. Das weltweit führende Studio Pixar beruft sich eindeutig auf diese erzählerische Tradition des Animationsfilms. Der ihn umgebende Kontext aber, das Kino selbst, ist in Bewegung. Das “Filmemachen“ verändert sich, ebenso das Filme rezipieren.

60 Als Siegrfried Kracauer 1960 sein Standardwerk „Die Theorie des Films“ veröffentlicht, definiert er die Essenz des Films als photographische Wiedergabe des Realen. Der wahre Ausdruck des Kinos besteht demnach in der Analogie der äußeren Wirklichkeit. Schon damals musste der Zeichentrickfilm ausgeklammert werden, um seine Theorien zu entfalten52. Ein halbes Jahrhundert später können seine Thesen der filmischen Realität nicht mehr standhalten. Das verstoßene Kind (manche Theoretiker sehen es mit Verweis auf E. Reynaud als nicht anerkannten Vater an) hat sich mit Macht einen bevorzugten Platz im Reigen der bewegten Bilder erobert. Keine moderne Filmtheorie kann die Omnipräsenz der synthetischen Bilder ignorieren. Aus Benjamins „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ ist das „Kunstwerk im Zeitalter seiner maschinell- informationalen Produktion – symbolisiert durch die elektronische Simulation eines vollständig programmierten und entmaterialisierten Bildes“ geworden (Alliez, 1999, S.15)53. Ja, mit voranschreitender technischer Entwicklung erscheint der Begriff „Film“ selbst in Frage gestellt, da er bald ohne das ihm Namen gebende Trägermaterial wird auskommen müssen54. Bill Viola kündigte den „Tod der Kamera“ und das Ende der damit verbundenen „Vorherrschaft des Lichts“ an. Diese Wirklichkeit, das Ende der Kameraarbeit als ausschließliche Bedingung der Filmproduktion, ist schlussendlich auch beim abendfüllenden Spielfilm angekommen. Die Essenz des Kinos, um beim Kracauerschen Denkansatz zu bleiben, hat sich verändert: sie ist von der Wiedergabe, der Analogie, zur Erschaffung einer Wirklichkeit, einer Synthese, geworden. Hierzu schreibt Raymond Bellour: „Hier stoßen wir also auf das, dessen Spur man zunächst schnell, aber zielstrebig verfolgen kann; sie geht aus vom Auftauchen der Modi mechanischer Reproduktion - Photo, Kino,

52 „Es erscheint mir nur als fair, den Leser von vornherein darauf aufmerksam zu machen, daß dieses Buch nicht all das enthält, was er darin suchen mag. Er vernachlässigt die Zeichentrickfilme (...). Es beruht auf der Annahme, daß der Film im wesentlichen eine Erweiterung der Fotografie ist und daher mit diesem Medium eine ausgesprochene Affinität zur sichtbaren Welt um uns her gemeinsam hat. Filme sind sich selber treu, wenn sie physische Realität wiedergeben und enthüllen.(...) Ich nehme also an, daß Filme dem Medium in dem Maße entsprechen, in dem sie die Welt vor unseren Augen durchdringen. (Kracauer, 1985, S.9-11)

53 Admittedly, Kracauer did not envision computer-generated imagery. But it is possible to imagine computer- generated feature films of the striking verisimilitude of the stampede scene in Jurassic Park. (...) Here, Kracauer might say that these computer- generated facsimiles are not literally photographic films and, therefore, not relevant to his theory. But he calls his book a „theory of film“, and it seems fair to expect the theory to encompass any technical expansion of the practice that viewers and filmmakers are willing to regard as a continuation of the same practice by other means (...). And certainly viewers and filmmakers are willing to count the stampede scenes in Jurassic Park as film. On the other hand, if Kracauer maintains that his theory only pertains, by stipulation, to the photographic technology of his own era, then we might respond that then it is on its way to obsolescence, and irrelevant as a theory of film. (Caroll, 1997, S.121)

54Diese neue Kunst, man müßte am Ende einen Namen für sie erfinden –oder sie weiterhin, warum auch nicht, Kinematographie nennen. (Bellour, 1999, S.117)

61 Video- und führt hin zum synthetischen Bild, das sich von ihr ablöst, wobei es ein zwiespältiges Verhältnis zu dem behält, was an diesen noch zum Bereich der Repräsentation gehört. Das heißt nicht, daß wir nichts mehr mit dem zu tun haben, was vom Ursprung der Perspektive bis zur Erfindung der Photographie den Eindruck von Analogie genährt und modifiziert hat. Aber dieser ist inzwischen von einer Spiralbewegung ergriffen worden, welche man bis ins Extreme, die ihr heute eine so starke Kraft des Schwindels verleihen, nachzuzeichnen versuchen kann: wachsende Differenzierungen stehen einer virtuellen In- Differenzierung gegenüber.“ (Bellour, 1999, S.84) Mit der Allmacht der bildschaffenden Virtualität, „nur“ durch Rechnerkapazitäten und Vorstellungskraft limitiert, geht aber auch eine gewisse Ratlosigkeit einher- die Filmproduktion bedient sich der neuen Möglichkeiten vornehmlich, um das Kino des Spektakels in den Hyperrealen Raum hinein zu erweitern. Der Rummelplatz der Illusionen geht in eine weitere Runde.55 Schon bei MATRIX 2 (2003) ließ mich die Inflation der rechnergenerierten Explosionen kalt. Wenn bei herkömmlicher Kinopyrotechnik noch eine gewisse Be- und Verwunderung ob der imposanten Materialschlachten zu verzeichnen war, ist der Aufwand des Bildgeschehens als Rechenaufwand einer gewissen Erfahrungstiefe, einer Entsprechung beraubt. Einmal entwickelt, ist er für Dinosaurier, Verkehrsschilder und untergehende Ozeandampfer im Ungefähren derselbe - das Bild hat sich von der Wiedergabe, und sei es der Theaterrealität, entkoppelt56. Geht damit eine Sehnsucht nach „Echtheit“ einher?57 Entwickelt sich neben dem hyperrealen Theater des Spektakels eine Gegenbewegung, hin zu authentischen Erzählungen, die, wenn schon ihrer Umsetzungsentsprechung in der Wirklichkeit beraubt, diese Entsprechung auf der inhaltlichen Ebene suchen? Bei einer Gebietserweiterung der klassischen Erzählformen des Animationsfilms kommt mir das Aufkommen der autobiografischen Erzählung in diesem Zusammenhang folgerichtig vor. Eine Generation von Zuschauern, die der Form neue

55 Eric Alliez und Elisabeth von Samsonow sprechen bei der Verwendung der neuen Möglichkeiten in herkömmlichen Kontext von „einer gegenwärtigen kinematographischen Verwendung virtueller Bilder, die so angelegt ist, daß sie deren synästhetischen Potenzen auf der Suche nach einem neuen Hyperrealismus des Massenspektakels vollkommen mißachtet bzw. zerstört“ . (Alliez, 1999, S.9) 56Bellour verweist auf die Gefahr des digitalen „Tauchbades“ der Indifferenz, „ in welchem alle Bilder enden würden.“ (Bellour, 1999, S. 99) 57 Am 20.8.2010 titelt die SZ über den Überraschungserfolg von „Expendables“: „Sieg des Handgemachten“ und schreibt über ein Publikum, das diesen Erfolg mit 35 Millionen Dollar am ersten Wochenende möglich machte: „Genau diese Klientel bedient nun auch Stallone, wenn er in jedem Interview von seiner Ermüdung angesichts moderner Computereffekte spricht, von den realen Schädelbrüchen und Schulterverrenkungen berichtet, die seine handgemachten Stunts erforderten, sich als zwar leicht schrumpelige, aber ehrliche Haut präsentiert.“ (SZ, 20.8.2010)

62 Inhalte zutraut, bedingt hierbei eine Entwicklung in gegenseitiger Wechselwirkung mit einer Industrie, in der eine Bearbeitung des Bildmaterials am Rechner zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Schluss

„In the beginning in our little studio we just wanted to do something that was true, honest, moving. But bit by bit it moved out. We were doing something that was like an underground piece but now it's come out above ground and that process is very interesting.“ Vincent Paronnaud58

Im Rahmen des abendfüllenden Trickfilms, haben Folman und Satrapi Neuland erschlossen. Gleichsam ist ein Großteil der Entwicklung „geborgt“ und recht wenig verwurzelt. Der ungleich höhere Umsetzungsaufwand beim Feature Film gegenüber dem Comic oder der Literatur beispielsweise steht der unmittelbaren spontanen Umsetzung einer persönlichen Geschichte diametral gegenüber und kann bestenfalls als Qualitätsfilter wirksam sein. Denn solcherlei Filme benötigen eine „vollständige Autorschaft“, wie sie bei Bazin beschrieben wird: als Autoren des Drehbuches, der Inszenierung und in der Entfaltung einer eigenen Weltsicht. (Bazin, 1991, S. 148) Damit diese intime Innensicht für ein breites Publikum attraktiv wird, müssen überpersönliche, gesellschaftlich relevante oder zeitgeschichtlich brisante Themen mit dem persönlichen Erleben koinzidieren. „Nur weil man aufrichtig ist, ist man noch lange nicht interessant.“ äußerte sich Lewis Trondheim, ein namhafter Autor der autobiografischen Comicerzählung, in diesem Zusammenhang. Autobiographisches Erzählen stellt besondere Anforderungen an den Autor: außerordentliche Erlebnisse, oder außerordentliche Sensibilität „ordentlichen“ Ereignissen gegenüber, eine besondere Redlichkeit, erzählerisches Talent. Der Animationsfilm hält die erzählerischen Mittel bereit und ist prädestiniert eine persönliche Weltsicht zu vermitteln. Das Erinnerungsbildern eigene, den Alltag überlagernde, „unabgegrenzt Fließende“, die Aufhebung der Trennung zwischen „innen und außen, früher oder später, Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit“( Kippel, 2004, S.245) ist seiner Form inhärent und eignet sich besonders, Erzählungen solcherart umzusetzen. Ob sich aber

58 (vincent paronnaud im interview http://twitchfilm.net/interviews/2007/12/persepolisinterview-with- vincent-paronnaud.php Zugriff März 2010

63 ein Publikum findet, das sich auf derlei Unterhaltung einlassen wird? Die besprochenen Filme waren bei Kritikern zwar umjubelt, aber beim Publikum in Deutschland kein Kassenhit. PERSEPOLIS hatte 199.447 Besuchern59, WALTZ WITH BASHIR ungefähr 100 000 Besucher.60 In Frankreich bescherte der Festivalstart in Cannes beiden Filmen größere Aufmerksamkeit. PERSEPOLIS, im Land der „bandes dessinées“ schon als Comic ungemein erfolgreich, erzielte hierbei mit 1,1 Mio. Zuschauern im Vergleich zu WALTZ WITH BASHIR mit ca. 430.000 Zuschauern60 ebenfalls ungefähr die doppelte Besucherzahl. Ari Folman ist zuversichtlich: “Ich glaube auch im Übrigen, dass Animation für Erwachsene eine großartige, wichtige und erfolgsträchtige Entwicklung des Kinos ist – ich verstehe eigentlich nicht, warum es so lange gedauert hat, bis solche Filme gemacht wurden.“ (Interview mit Susan Vahabadzeh, SZ,6.11.08,) Auch aus Frankreich hört man solche Töne, gleich drei Graphic Novels sollen verfilmt werden: “Marjan Satrapis Erfolg mit „Persepolis“ scheint für Comic-Zeichner aus dem Bereich der Graphic Novel - dem Pendant zum Arthouse-Kino – ein Tür geöffnet zu haben.“ (film-dienst 14/2010) und auch hierbei sind die Autoren an der Umsetzung beteiligt. Aus Deutschland wird die Koproduktion eines Animationsfilms für das „Arthouse- Publikum“ gemeldet, mit dem Hinweis darauf, sich neue Zielgruppen erschließen zu wollen: „Animation ist nicht mehr ganz so teuer wie früher, daher ist es nun auch für unabhängige Produzenten möglich, in diesem Bereich einen erfolgreichen Film zu produzieren“ (Baumgartner, Chef von PandoraFilmproduktion, zitiert in Blickpunkt:Film 4/10, S.38) Hierbei bestätigt sich eine Entwicklung, die derlei persönlichem Erzählen entgegen kommt. Es ist die eingangs genannte „Evolution der Bildbearbeitungsvollmacht“. Hierzu schreibt Friedrich: „Dem Computereinsatz bei Blockbustern steht im Übrigen auch die Tatsache gegenüber, dass die digitale Technik am finanziell anderen Ende der filmischen Nahrungskette ebenfalls ganz neue Möglichkeiten eröffnet.“ (Friedrich, 2007, S.20)

59 Quelle: Marketing&Distribution PROKINO, (Stand: Juli 2010)

60 gemäß der IMDB, Stand: 2008

64 Ebenso bei Schwebel „Im Laufe der 1990er Jahre vervielfachte sich die Rechnerleistung von Computern allmählich in einem Ausmaß, dass im Animationsbereich zum ersten Mal seit Begründung der Form ähnlich detaillierte Zeichnungen von deutlich weniger Facharbeitern hergestellt werden konnten. Gleichzeitig wurde der ambitionierte Kunstfilm mit kleinem Budget von mittelgroßen Arthouse-Produktionen abgelöst.“ (Schwebel, 2010, S.113) Im Sinne einer Therapie formuliert: der Trickfilm geht auf Distanz einer ihm übergeholfenen Erwartungshaltung gegenüber, besinnt sich auf die ihm gegebenen Mittel und beginnt mit der abendfüllenden Erzählung im Bereich des Erwachsenenkinos sich neue Handlungsoptionen zu erschliessen, zu experimentieren.

Als Ergebnis kann festgehalten werden: der Animationsfilm öffnet sich, begünstigt durch die Möglichkeit einer ökonomischeren Produktionsweise, neuen Ausdrucksmöglichkeiten und neuen Inhalten. Die Doktrin familienfreundlicher Unterhaltung erfährt eine Relativierung. Neue Zielgruppen werden angestrebt. Der Animationsfilm für Erwachsene wird selbst erwachsen. FRITZ THE CAT (1972) wurde noch in Abgrenzung zum Familienfilm beworben: „We´re not rated X for nothin´,baby!“ stand unübersehbar groß auf den Plakaten. Aus der pubertär-provokativen Thematisierung von „Sex, Crime & Violence“ wird eine Ausdrucksform, die sich der eigenen inhärenten Möglichkeiten bewusst ist und sich ihrer entsprechend der Themenwahl bedient : Bakshis Traum einer Entwicklung der Gattung weg von den disneyschen Genrekonventionen ist für Folman und Satrapi bereits Realität.

65 Anhang: Ein kurzer Einblick in das Genre des autobiografischen Comics

Abbildung 36

Die Geschichte der Einsetzung des fiktionalisierten Selbst als Porträt im Comic ist so alt, wie das Medium selbst. Dass aber von Comic-Autobiographie als Genre die Rede ist, liegt nicht so lange zurück: wie oben bereits angedeutet, kann als Gründer der modernen autobiographischen Bilderzählung Robert Crumb gelten.„Vor allem Robert Crumb, der die erste Ausgabe des im Keller eines Freundes gedruckten und noch am Vormittag

66 eigenhändig zusammengeklammerten ZAP Comix am 25. Februar 1968 während eines Straßenfests im Haight-Ashbury-Viertel aus einem Kinderwagen heraus verkaufte, stieß mit seinen oftmals autobiographisch inspirierten Erzählungen auf bislang unbekanntes Terrain vor und erweiterte das erzählerische Repertoire damit enorm.“(Knigge, S. 27) Er beruft sich in seiner unmittelbaren Erzählweise auf literarische Vorbilder: Keruoac, Burroughs, Salinger61. Einem Showmaster ähnlich, richtet sich Crumbs gezeichnetes Pendant immer wieder direkt an das Publikum, spielt mit den verschiedenen Identitätsdarstellungen und nutzt diesen Erzählansatz für schmerzhaft intime Reisen in die Vergangenheit und Bekenntnisse jeglicher Art. Crumb schöpft vor allem aus eigener Erfahrung und Selbstreflexion als Thema an sich. So vielgestaltig sich die Inhalte geben, so gleich bleibt sich die Form: Robert Crumb favorisiert die Kurzgeschichte.

Kenji Nakazawa dagegen nutzte das Medium, um seinen epischen Erlebnisbericht in didaktisch eindringlicher Form seinem Zielpublikum näher zu bringen. Er beschreibt in „Barfuss durch Hiroshima“ seine Kindheit in Japan, die unauflösbar mit dem Atombombenabwurf auf Hiroshima verbunden ist, und verbindet so historische Tatsachen mit intensivem Erleben. Nakazawa durchsetzt seine Kindheitserinnerungen mit zahlreichen Untererzählungen (s.Abbildung 38), die uns den Alltag in Japan während des Zweiten Weltkriegs näherbringen, und seinen autobiographischen Bericht eher wie ein Sittengemälde dieser Zeit erscheinen lassen. Während er sich bei seinem ersten Versuch den Atombombenabwurf und dessen Folgen zu Abbildung 37 verarbeiten, “Ore wa Mita“ (in etwa: „Ich hab’s gesehen“), noch eng an seine eigenen Erlebnisse hält, lässt er in „Barfuss durch Hiroshima“ eine Zeit, mit ihren Hoffnungen und Katastrophen wieder auferstehen.

61Schikowski, 2009, S,92)

67 Abbildung 38

In der deutschen Übersetzung füllt der Erlebnisbericht mit seinen tausendzweihundert Seiten vier Bände. Im Original erschien die Geschichte 1972 bis `73 wöchentlich in „Shonen Jump“,einer Zeitung, „die sich an Jungen im Teenageralter und jünger richtete.“(Nakazawa, 2004, S.296)„Comics sind für alle Menschen leicht zugänglich, deswegen können sie das Grauen besonders gut vermitteln“, wird er dazu später sagen.62 Noritaka Yamaji,sein damaliger Redakteur, ergänzt: „In seine Zeichnungen hat Keji

62 http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/Comics-Joe-Sacco-Marjane-Satrapi;art18281,3010002

68 Nakazawa sein Herzblut, seine Lebensweise und seine Weltsicht gelegt.“ (Nakazawa, 2004, S.296) „Barfuß durch Hiroshima“ begründete in Japan das Genre des pasonaru komikku, des auf einer persönlichen Geschichte beruhenden Comics.63 Einen ähnlichen Ansatz wählte Art Spiegelman mit „Maus“ (Erstveröffentlichungen 1980- 1991), wenn er die Lebensgeschichte seines Vaters erzählt, der als Jude den Holocaust im KZ von Ausschwitz überlebte. Hier kommt jedoch die Erzählerposition der „zweiten Generation“ zum tragen. Art Spiegelmann reflektiert nicht nur den Erinnerungsprozess seines Vaters, indem er ein episodisches Erzählen einführt, das, wie später bei Folman und Satrapi, zwischen diegetischer Gegenwart und erinnerter Erzählung wechselt, sondern er thematisiert vor allem auch seine Begegnung mit dem Erzähler dieser Vergangenheit, seinem Vater, in vielerlei Facetten. „Maus handelt von einem Vater und einem Sohn, die versuchen, einander zu verstehen. In meinen Augen steht das mehr im Mittelpunkt, als der Holocaust.“ und „Ich habe eigentlich nicht viel Fantasie, ich lande immer wieder bei meiner eigenen Geschichte.“ wird er zu seinem bahnbrechenden Erfolg64 später nüchtern vermerken. (Art Spiegelman, Comiczeichner) Die dadurch ermöglichte Neuauflage seiner (stark autobiografisch gefärbten) gesammelten Werke, »Breakdowns«, nennt Spiegelman „Porträt des Künstlers als junger %@§*“ in Anlehnung an Joyces „Porträt des Künstlers als junger Mann“, um auf die Fortsetzung einer literarischen Tradition mit anderen Mitteln hinzuweisen. Mit Spiegelmans Erfolg wird aus einer Selbstverständlichkeit im amerikanischen Comic-Underground ein als Genre wahrgenommenes Kulturphänomen. Bei der Neuauflage des im Westen übergangenen Werks Nakazawas resümiert der Mittlerweile als Säulenheiliger des Autorencomics exponierte Spiegelman im Vorwort: „Eigenartigerweise haben explizit autobiographische Comics bis zur Entstehung des Undergroundcomics in den späten Sechzigern als „Genre“ kaum eine Rolle gespielt. Noch seltener aber sind Werke, die sich gezielt mit den Schnittpunkten von persönlicher Vergangenheit und Weltgeschichte auseinandersetzen. Vielleicht musste der Comic erst als ernst zu nehmende Lektüre für Erwachsene anerkannt werden, damit das Medium die Autobiographie für sich erobern konnte.“ (Nakazawa, 2004, S.7) Für das Bemühen um diese Anerkennung einer anspruchsvollen Leserschaft hat sich ganz besonders Will Eisner verdient gemacht, der die

63 http://de.wikipedia.org/wiki/Barfu%C3%9F_durch_Hiroshima 64 Spiegelmann gewann unter anderem den Pulitzer Preis in der Kategorie »Special«, erhielt die Guggenheim fellowship und den National Book Critics Cicle Award und stellte seine Arbeiten in vielen Ausstellungen zur Schau, darunter das Museum for Modern Art in New York

69 heute gemeinhin übliche Bezeichnung „graphic novel“ mit seinem 1978 erschienen „A contract with god“ prägte. „Der individuelle, von persönlichen Lebenserfahrungen geprägte Comic als eine die menschliche Wahrnehmung und Identität reflektierende „grafische Literatur“ hat die Zeichner zum ersten Mal in der Geschichte der Gattung von ihrer Rolle als Illustratoren emanzipiert, die massenhaft reproduzierte Illusionen und bewährte Konstellationen in ständig neuen Variationen perpetuieren, und den Comic-Künstler in die Position des auteur versetzt. Noch nie zuvor hat sich der Comic aufregender, ernsthafter, gewagter,

überraschender und vielseitiger präsentiert als heute.“ (Knigge , 2004, S.397)

So steht am Ende dieses kurzen Überblickes über die Tradition der Selbstauskunft in autobiografisch-grafisch-sequentieller Kunst dem Comiczeichner eine breit erschlossene Ausdruckspalette zur Verfügung, dessen Extreme wohl und David B. bilden. Während David B. die eigene Geschichte in einer virtuosen Kombination aus schmerzhafter Ehrlichkeit und fantastisch-metaphorischer Bildflut aufbereitet, in der die Grenze zwischen Traum, Trauma, Erinnerung und Fantasie aufgehoben ist, setzt Joe Sacco das persönliche Erleben vor allem als Garant für eine Wahrhaftigkeit ein. Der gelernte Journalist schreibt und zeichnet seine autobiografischen Augenzeugenberichte aus Krisengebieten, sein 1996 mit dem American Book Award ausgezeichnetes Werk „Palästina“ gilt als Pionierarbeit des „Comic-Journalismus“.65 "In a world where PhotoShop has outed the photograph to be a liar," soll Spiegelman diesbezüglich gesagt haben, "one can now allow artists to return to their original function—as reporters."66

65 Auch dieses Subgenre hat sich seither divers weiterentwickelt. Bemerkenswert hierbei ist in meinem Zusammenhang die Trilogie „Der Fotograf“ von Guibert und Lemercier, die mit den Fotografien und Aufzeichnungen des Reporters Lefèvre seine Reise durch Afghanistan während des sowjetisch-afghanischen Krieges 1986 nachzeichnen, wobei sie beständig zwischen gezeichneten und fotografierten Material wechseln. Hierzu eine kleine Anmerkung: im Gegensatz zu allen anderen Spielarten dieses Genres arbeiten solche Autoren deduktiv- während Satrapi und Folman versuchen, von der an ihnen geschehenen Geschichte durch Reflexion und Erinnerungsarbeit einen Sinn abzuleiten, es zu sublimieren, wird hierbei oft mit den Vorhaben, der Mainstream-Presse etwas entgegenzusetzen, gearbeitet. Joe Sacco unternahm tiefgreifende Recherche, bevor er seine Reise in den Nahen Osten antrat. “I really wanted to do something to tell the other side. It was really in my mind to get the palestinians point of view.“ (Zitat Joe Sacco,„Comics ziehen in den Krieg“ ein Dokumentarfilm von Mark Daniels) 66 http://jrichardstevens.com/articles/swa-mausculture.pdf Zugriff: August 2010

70

Abbildung 39

71 Literaturliste

Zeitungen und Magazine

Abkürzungen: FAZ= Frankfurter Allgemeine Zeitung FR= Frankfurter Rundschau MAZ= Märkische Allgemeine Zeitung ND= Neues Deutschland SZ= Süddeutsche Zeitung

Blickpunkt:Film 4/10 FAZ, Verena Lueken, 16.5.08 FAZ, Andreas Platthaus, ,“Gottesstaat girl“, 22.11.07 FAZ, Andreas Kilb, 6.11.08 film-dienst, Ulrich Kriest, 23/2008, S.22-23 film-dienst, Interview mit Margret Köhler, 23/2008 FR, Daniel Kothenschule, 7.11.08 FR, Daniel Kothenschule, 22.11.07 Freitag, Tilman Vogt, 7.11.08 MAZ, Lars Penning, 6.11.08, „Die Erinnerungen wiederfinden“ ND, Knut Elstermann, 22.11.07 SZ, Interview, 21.11.07 SZ, Interview mit Susan Vahabadzeh, 6.11.08 SZ, Tobias Kniebe, 20.8.10, S.11, Sieg des Handgemachten taz,6.11.08 DIE ZEIT, Thea Dorn, 31.3.2010, S. 9, Der große Unernst

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Literatur

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73

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76

Twain, 1974: Twain, Mark, Huckleberry Finns Abenteuer, Berlin, Verlag Neues Leben 1974

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Welzer, 2002: Welzer, Harald, Das kommunikative Gedächtnis, eine Theorie der Erinnerung, München, C.H.Beck oHG 2002

Filme

Art Spiegelman, Comiczeichner (Frankreich, 2009, 43 min) von Clara Kuperberg,

Comics ziehen in den Krieg (Italien, 2008, 64 min) von Mark Daniels

Dieter, der Film (Deutschland, 2006, 84 min) von Toby Genkel, Michael Schaack

Drawn from memory (USA, 1998, 55 min) the animated Biography written, directed, animated and narrated by Paul Fierlinger, 1998 Acme Filmworks

Hidden /Gömd (Sweden, 2002, 5 min) von Hanna Heilborn, David Aronowitsch und Mats Johansson

Never Like the First Time!/ Aldrig som första gangen! (Sweden, 2006, 15 min) von Jonas Odell

Persepolis (Frankreich 2007, 95 min), von Vincent Paronnaud und Marjane Satrapi

Ryan (USA, 2004, 14 min) von Chris Landreth, 2004, Mational Film Board of Canada

Waltz with Bashir (Israel, Frankreichs, Deutschland, 2008, 87 min) von Ari Folman

77 Hörbücher

Singer, 2003: Singer, Wolf, Die Verlässlichkeit unserer Sinnessysteme, Bindungsprobleme, Kapitel 3: Eine kurze Geschichte der Hirnforschung, Köln, c+p supposè 2003

Netzquellen www.youtube.com/watch?v=fU7Q3_n-UWM Zugriff: April 2010 www.youtube.com/watch?v=fU7Q3_n-UWM Zugriff: April 2010) www.youtube.com/watch?v=lLzu4aKcNSw Zugriff April 2010 www.tagesspiegel.de/kultur/comics/Comics-Joe-Sacco-Marjane-Satrapi;art18281,3010002 www.autofiction.org/index.php?post/2009/08/26/Literaturwissenschaftliche-Sektion-am-7- Frankoromanistentag Zugriff Februar 2010 www.twitchfilm.net/interviews/2007/12/persepolisinterview-with-vincent-paronnaud.php Zugriff März 2010

Bildverzeichnis Abbildung 1...Collage, Jost Althoff, screenshots von „Persepolis“ und „the material that love is made of“ Abbildung 2...... E O Plauen, „Vater und Sohn“ Abbildung 3...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 4...... screenshot, „Waltz with Bashir“ Abbildung 5...... screenshot, „Waltz with Bashir“ Abbildung 6...... screenshot, „Waltz with Bashir“ Abbildung 7...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 8...... screenshot, „Waltz with Bashir“ Abbildung 9...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 10...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 11...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 12...... screenshot, „Waltz with Bashir“ Abbildung 13 ...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 14...... screenshot, „Waltz with Bashir“ Abbildung 15...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 16...... screenshot, „Waltz with Bashir“

78 Abbildung 17...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 18...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 19...... Scott McLoud, Comics richtig lesen, anbei ein screenshot von „Waltz with Bashir“ Abbildung 20...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 21...... screenshot, „Waltz with Bashir“,, „Persepolis“ und Fotos der Regisseure Abbildung 22...... screenshot, „Persepolis“ Abbildung 23...... screenshot, David B, Babel Abbildung 24...... screenshot, Satrapi, Persepolis Abbildung 25...... screenshot, Starker Verkehr Abbildung 26...... screenshot, Barfuss durch Hiroshima Abbildung 27...... screenshot, American Splendor Abbildung 28...... screenshot, „the material that love is made of“ Abbildung 29...... screenshot, „Drawn from memory“ Abbildung 30...... screenshot, „Hidden“ Abbildung 31...... screenshot, „Ryan“ Abbildung 32 ...... screenshot, „Never like the first time!“ Abbildung 33...... screenshot, „Sita sings the Blues“ Abbildung 34...... screenshot, William Kentridge, Invisible Mending Abbildung 35...... screenshot, „Waltz with Bashir“ Abbildung 36...... Robert Crumb, Sketchbook Abbildung 37...... Kenji Nakazawa, Cover „I saw it“ Abbildung 38...... Kenji Nakazawa, „Barfuss durch Hiroshima“ Abbildung 39...... Joe Sacco, „Wars end“

Alle screenshots von Jost Althoff

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Clipliste der beigelegten DVD

(alle Clips als Quicktime-Filme mit Foto-Jpeg Kompression)

PSP = Persepolis WWB = Waltz with Bashir

Clip 1: WWB: 7:13 - 7:41, PSP: 2:40 - 3:29 Clip 2: WWB: 9.28 - 10:06 Clip 3: WWB: 14:08 - 15:25 Clip 4: PSP: 5:47 – 7:00 Clip 5: WWB: 47:47 – 48:00, WWB: 30:54 – 31 : 01, WWB: 45:12 – 45:20, PSP: 8:10 – 8:23, PSP: 16:53 - 17:11 Clip 6: WWB: 54:10 – 54:19, WWB: 27:51 – 28:00, WWB: 39:51 – 39:59, PSP: 18:31 – 18:55, PSP: 32:40 – 32:53, WWB: 52:27 – 52:40, WWB: 40:47 – 40:55 Clip 7: PSP: 53:39 – 54:31, PSP: 55:35 – 56:36, WWB: 7:59 – 8:15, WWB: 17:33 – 17:57 Clip 8: WWB: 44:33 – 44:58, WWB: 45:30 – 45:43 Clip 9: PSP: 43:29 – 43:35, WWB: 52:43 – 52:53 Clip 10: PSP: 15:50 – 16:43 Clip 11: WWB: 35:43 – 36:33 Clip 12: PSP: 1:06:57 – 1:07:51, PSP: 1:09:38 – 1:10:38 Clip 13: PSP: 51:33 – 51:48, PSP: 27:19 – 27:39, PSP: 8:06 – 8:15, WWB: 27:28 – 27:40, PSP: 1:03:19 – 1:03:30, PSP: 24:37 – 24:42, WWB: 1:06:51 – 1:07:22

Waltz with Bashir mp4 Persepolis mp4

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Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich diese Arbeit selbstständig und nur unter Zuhilfenahme der ausgewiesenen Quellen angefertigt habe.

Potsdam, den 1.9.2010

81

Mein besonderer Dank gilt Jenny Alten, für Geduld und Geradlinigkeit in der konstruktiven Auseinandersetzung.

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