Geht Ein Rechtsruck Durch Deutschland?
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Hr. Koehler, Geht ein Rechtsruck durchGemeinschaftskunde Deutschland? Welche politische Frage stellen wir uns? Eine Facharbeit von Charlotte Sartorius, Ellen Riechmann und Joelina Wüst 9a Feudenheimgymnasium Mannheim Inhalt 1. Einleitung – was bedeutet „Rechtsruck“? 1.1 Erklärung: „Rechtsruck“ 1.2Findet ein Rechtsruck in Deutschland statt? 2. Chemnitz – ein möglicher Auslöser? 2.1 Mord an Daniel H. 2.2 Aufmärsche von rechts 2.3 linke Gegenbewegung „#wirsindmehr“ 3. Definition „radikal“ 3.1 Gilt die Hip-Hop-Gruppe K.I.Z. als radikal? 3.2 Gilt die Deutsch-Punk-Gruppe Feine Sahne Fischfilet als radikal? 4. Der Verfassungsschutz 4.1 Welche Rolle sollte er spielen? 4.2 Welche Rolle spielt er tatsächlich? 5. Rechtsextremismus im Alltag – Persönliche Erfahrungen 6. Fazit 7. Quellen 1. Einleitung: 1.1 Rechtsruck – Was bedeutet das? Die Definition besagt, dass ein Rechtsruck vorliegt, wenn rechte Parteien einen Zu- wachs an Wählerstimmen und Aufmerksamkeit erhalten und somit eine größere Reich- weite erlangen. Es findet eine politische Entwicklung statt, durch die besagte rechte Par- teien an Einfluss gewinnen. Für so einen Rechtsruck muss, zumindest in einer demokra- tischen Gesellschaft, genügend rechtes Gedankengut unter den Wahlberechtigten vor- liegen. Doch was könnte dieses hervorrufen, wie reagieren die Menschen darauf? Geht überhaupt ein Rechtsruck durchs Land? In der folgenden Facharbeit werden wir auf ver- schiedene Themen eingehen, die in letzter Zeit durch die Medien gegangen sind und uns besonders beschäftigt haben. Um uns einen Eindruck der politischen Situation im Land zu machen, haben wir uns mit Artikeln, Parteiprogrammen und persönlichen Erfah- rungen rund um das Thema Rechtsruck befasst. Allerdings haben wir uns nur mit der Situation in Deutschland befasst, da hier schon genügend Material vorliegt, wir be- schränkten uns auf die Ereignisse, die uns am meisten beeindruckten, mitnahmen oder zum Nachdenken anregten. 1.2 Findet ein Rechtsruck in Deutschland statt? Antworten findet man überall – man muss sie nur auswerten. Fakt ist, Parteien, die of- fensichtlich rechts orientiert denken und handeln gelangen an immer höhere Wahler- gebnisse und ziehen in Bundes- und Landtage ein, wie Abb.1 und Abb.2 zeigen. An Abb1. können wir erkennen, dass mehr als die Hälfte der Sitze im Bundestag von kon- servativen Parteien eingenommen wird. An Abb.2 können wir erkennen, dass die AfD und die FDP die einzigen Parteien sind, die bemerkenswert hohe Stimmgewinne ge- macht haben. Vor allem die AfD (mit der wir uns gleich noch genauer beschäftigen wer- den) befindet sich am rechten Rand der deutschen Politik. Abb.1: Abb.2: Die Sitzverteilung im Deutschen Die Gewinne und Verluste der Parteien im Bundestag. Aktueller Stand (2017) Bundestag im Vergleich von 2017 zu 2013 An sich ist das nichts Schlechtes, natürlich soll dort ein breites Spektrum vertreten sein. Kritisch wird es allerdings, wenn die Aussagen nicht mehr politisch, sondern schon mit Hetze vergleichbar sind. Das Jahr 2016 begann mit einem Skandal um einige wichtige AfD-Politiker: Die damalige Parteivorsitzende Frauke Petry sagt in einem Interview mit der Zeitung Mannheimer Morgen: "Er (der Grenzpolizist) muss den illegalen Grenzübertritt verhindern, notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Ge- setz." Dieser Satz wird zurecht kritisiert, er ist menschenverachtend und rechtfertigt Ge- walt und Mord. Trotzdem gibt es Gegenstimmen, die glauben, dass die Reporter genau diese Aussage provozierten (ein anwesender Fotograf behauptete dies) und der Zei- tungsartikel somit nicht aussagekräftig ist. Was sich Jedoch nicht leugnen lässt: Die Berliner AfD-Chefin Beatrix von Storch antwor- tete auf der Internet-Plattform Facebook in einer diesbezüglichen Diskussion auf die Frage "Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffen- gewalt verhindern?" mit einem einfachen „Ja“. Abb.3: Beatrix von Storch beantwortet eine Frage bezüglich des Grenzschutzes auf Facebook Verständlicherweise hagelt es hier ebenfalls Kritik. Die Politikerin verletzt öffentlich die Würde des Menschen. Kurz darauf rudert sie Jedoch zurück; sie spricht sich gegen Ge- walt aus und stellt zudem noch klar, dass sie den Tweet nur „aus Versehen“ hochgela- den habe. Doch statt Verständnis erntet sie nur Spott, da sie, selbst wenn es sich bei dem Posten nur um ein Versehen handeln sollte, den Tod asylsuchender Frauen und Kinder in Betracht zieht, ihn sogar unterstützt. Egal welche Erklärung hätte folgen sollen, Kritikern ihrer Politik hätte sie es damit noch längst nicht recht gemacht. Aus meiner Sicht ist schon alleine dadurch, dass Parteien, die sich solche Aussagen erlauben, neu im Bundestag vertreten sind, klar dass ein Rechtsruck durch Deutschland geht. Stimmen, die schreien, dass es sich dabei nur um linke Hetze handelt, hin oder her, vielleicht sogar gerade deswegen. Doch was unternehmen wir, die Bevölkerung, für bzw. gegen einen solchen Rechts- ruck? 2. Chemnitz 2018 – Ein möglicher Auslöser? 2.1 Der Mord an Daniel H. Der Mord am 35-Jährigen Daniel H. sorgt für Aufregung im ganzen Land: im Nu breiten sich Geschichten über den Tathergang, Motive der Täter und sogar Verschwörungsthe- orien darüber, ob die Tat von der Regierung geplant hätte sein können im ganzen Land aus. Doch nun zu den Fakten: Der Deutsch-Kubaner ist in der Nacht auf den 26. August 2018 in der ostdeutschen Stadt Chemnitz in Begleitung einiger Freunde in einen Streit mit drei Asylanten geraten, der für Daniel H. tödlich endet. Er erliegt seinen Verletzun- gen, die einer der Männer ihm mit einem Messer zugefügt hatte. Dieser landet in Unter- suchungshaft. Der Auslöser für den Streit ist bisher offiziell noch unklar, Spekulationen dagegen gibt es genügend. Sie reichen von Drogendeals über den Schutz einer belästigten Frau bis zum puren Blutdurst der Angreifer. Nach Aussagen einer Freundin von Daniel H. gegenüber dem Magazin Cicero habe es sich bei Daniel um einen Linksorientierten gehandelt, der Rassismus verabscheute und diesem in der Vergangenheit selbst schon zum Opfer gefallen war. Ein Streit um die Heimatländer aller Beteiligten wird somit ausgeschlossen. Daniel H. hinterlässt ein Kind, Familie, Freunde und Kollegen. Doch nicht nur diese trauern: In Chemnitz hinterließen etliche bestürzte Einwohner Blumen und Kerzen am Ort des Verbrechens, wie auf Abb.4 zu sehen. Beim friedlichen Mitgefühl soll es nicht lange bleiben, wie sich bald herausstellt. Abb.4: Mitmenschen betrauern Daniel H. 2.2 Aufmärsche von Rechts Die Ereignisse der folgenden Tage ziehen die europaweite Aufmerksamkeit auf sich: Was als Trauermarsch für den Erstochenen beginnt artet in eine Zusammenkunft Rechtsradikaler aus, die Jagd auf andere Menschen machen und den Hitlergruß zeigen, wie man auf Abb.5 erkennen kann. Abb.5: Twitterpost zu einem Mann, der den Hitlergruß zeigt Unter dem Vorwand, den Verstorbenen zu ehren, organisierten rechte Gruppierungen (unter anderem ProChemnitz) am gleichen Tag gemeinsam mit der AfD Trauermärsche, gespickt mit rechtspopulistischen Reden. So kam es, dass auch Vertreter der politischen Mitte, die ihre Trauer, ihre Wut und ihren Protest zum Ausdruck bringen wollten, in rechte Märsche gelangten und teilweise un- bewusst mit der rechten Szene in Verbindung gebracht wurden, so die Theorie von Mi- chael Bewerung, Leiter des ZDF-Studios Sachsen. Der Tag, der primär in Erinnerung bleibt, ist der Tag des Chemnitzer Stadtfestes, der 26. August. Nicht nur Konservative, Patrioten und Neonazis sind auf der Straße, auch der durchschnittliche Chemnitzer feiert das Anlass gebende StadtJubiläum. Doch das Fest wird unterbrochen: Nicht nur aus Respekt vor dem Toten, auch, da rech- te Gruppierungen die lokale Neonaziszene mobilisieren. Auf Facebook verkündet Kao- ticChemnitz, eine offen rechte Hooligan-Gruppe: „Lasst uns zusammen zeigen, wer in der Stadt das Sagen hat! Ehre Treue Leidenschaft für Verein und HEIMATSTADT“. KaoticChemnitz löschte den Beitrag später wieder, doch zahlreiche Screenshots sind im Umlauf, einer davon Abb.6. Abb.6: Screenshot eines Facebookposts von KaoticChemnitz, der zu einer Demonstration aufruft, allerdings gelöscht wird Die spontanen Demonstrationen, die unter dem Decknamen „Trauermarsch“ stattfinden, bringen die Polizei dazu, die Aktion aus Sicherheitsgründen abzubrechen. Zu spät, wie sich herausstellt: Ein Mob zieht bereits durch die Straßen, brüllt rassistische Parolen und macht Jagd auf Menschen, die „nicht Deutsch aussehen“. Abb.7: Rechte schwingen deutsche Fahnen und zünden Rauchbomben Die Polizei ist überfordert, die Menschen sind entsetzt. Von einem Trauermarsch kann man auch schon lange nicht mehr sprechen, was man an Abb.7 sieht. Der Name „Daniel“ gerät in Vergessenheit, selbst förmliche Begriffe wie „Täter“ und „Op- fer“ werden durch „Deutscher“ und „Ausländer“ ersetzt. Wenn es Jemals Trauer war, die die Anwesenden zum Handel bewegt hat, Jetzt ist es blinde Wut, die die Meute Vorwärts treibt. Auf einmal ist Daniel H. einer von ihnen, obwohl er sich zu Lebzeiten oft gegen Rassis- mus ausgesprochen hatte. Sein grausames Ende, dessen Grund noch immer unklar ist, wird zum Symbol für Hass und Gewalt gemacht, an ihn als Person erinnert sich kaum einer von ihnen. Dass er eigentlich auch kein „richtiger“ Deutscher und dafür sogar häu- fig mit Nazis aneinandergeraten war, ist plötzlich auch egal. Sie können seinen Tod für ihre Zwecke nutzen, wehren kann er sich Ja auch nicht mehr. Trotzdem bringen sie etwas Respekt auf und organisieren einen Trauermarsch für – wie hieß er noch gleich?