Böll.Thema 19-1: Tickt Der Osten Wirklich Anders?
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thema Schön bunt? Wie es um die Eliten in Deutschland bestellt ist Frech laut! Ein Konzertbesuch bei Feine Sahne Fischfilet Gut kontrovers! Thomas Oberender und 19–1 Tilman Mayer im Gespräch Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung Tickt der Osten wirklich anders? Mit Acrobat-Reader sehen Sie .thema in Doppelseiten, mit Navigation und optionalem Vollbild 1 Mit Acrobat-Reader sehen Sie .thema in Doppelseiten, mit Navigation und optionalem Vollbild Editorial 1 30 Jahre Einheit nach 40 Jahren Teilung – gehören Sie zu denen, die finden, dass die 40 Jahre DDR doch endlich ins Museum gehören? Verständlich. Aber Geschichte und Biografie lassen sich nicht abschütteln wie Staub von den Schuhen. Erfahrungen und Identitäten bleiben und prägen Generationen, die selbst keine gelernten DDR- Bürgerinnen und -Bürger sind. Wie viel Glut im Rückblick auf die DDR und vor allem auf die Phase ihrer Abwick- lung in den 1990ern noch steckt, zeigt die neue Debatte um den Osten. Aber wer oder was ist eigentlich nach drei Jahrzehnten wiedervereinigtes Deutschland gemeint? Dr. Ellen Ueberschär Vorstand der Die 11 Prozent Männer und vor allem Frauen, die jetzt Heinrich-Böll-Stiftung im alten Westen wohnen? Oder die, die 1991 ihr Leben im Westen aufgaben und in den Osten gezogen sind? Oder sind nur, aber auch nur die gemeint, die vor dem Stichtag 3. Oktober 1990 auf dem Territorium der DDR geboren wurden? Keine leicht zu beantwortende Frage. Gesellschaftliche Prägungen überlagern sich, das kollek- tive Gedächtnis rückt sich die Geschichte jeweils zurecht, und jeder erzählt seine Geschichte ein bisschen anders. Worum es eigentlich geht in diesem neuen Land, das wir seit 30 Jahren bewohnen – das will dieses Heft erkunden. Der «Osten» ist keine soziale und kulturelle Enklave, keine wirtschaftliche Steppe. Der Osten Deutschlands – das sind Menschen, die durch zwei Dikta- turen besonders viel Erfahrung mit einem Leben ohne Rechtsstaat, ohne Meinungsfreiheit und ohne stabile Demokratie haben, die mit dem Problem des Rechtsextre- mismus stärker zu kämpfen haben als andere Bundes- länder. Das sind Menschen – und hier wird es spannend –, die transformationserprobt sind, erfinderisch und vielfältig. Tickt der Osten anders? Anders als was? Schon sind wir im Thema … Ellen Ueberschär 2 Mit Acrobat-Reader sehen Sie .thema in Doppelseiten, mit Navigation und optionalem Vollbild 2 Inhalt 15 Meine Leute, deine Leute Editorial Ist eine Demokratie nur dann Wirtschaft und wirklich gelungen, wenn alle 1 Von Ellen Ueberschär gesellschaftlichen Gruppen Infrastruktur im Parlament vertreten sind? 32 Die Lausitz – letzte Kohle- Von Suzanne Wo wir stehen bastion in Deutschland S. Schüttemeyer Christian Huschga wohnt in Atter- 3 Wer oder was ist dieses wasch, einem Dorf, das dem Ostdeutschland eigentlich? 16 Neue Zonen – Ost vs. West? Tagebau weichen soll. Er kämpft «Den Osten» gibt es gar nicht – Regionales Wahlverhalten gegen Braunkohleabbau. Wolfgang aber Erfolgsgeschichten und die Wahl der AfD. Rupieper ist Vorsitzender des in den neuen Bundesländern. Von Sebastian Bukow Vereins Pro Lausitzer Braun- Von Claudia Müller kohle. Auch er gibt nicht auf. 18 «Wir müssen anknüpfen an ’89» Von Carla Baum 6 Zahlen und Fakten Maike Schaefer ist grüne Spitzen- Ein empirisch genauer Blick kandidatin in Bremen, Christin 37 Chance für unsere Demokratie zeigt: Nicht Ost und West, Melcher Landesvorsitzende Die Auseinandersetzungen in der sondern die Region macht den in Sachsen. Was verbindet sie, Lausitz sind nicht nur wichtig Unterschied. was trennt sie? für unsere Energiepolitik. Von Sebastian Bukow Interview: Von Annalena Baerbock und Fabian Voß Susanne Sporrer 38 «Die Region braucht ein neues Leitbild» Großes Interview Menschen Ralph Sterck ist Geschäftsführer 8 «Der Aufbruch der Ostdeut- 19 Was machst du hier? der Zukunftsagentur Rheinisches schen hat nie das ganze Viele Leute ziehen weg aus dem Revier. Ein Gespräch über Struktur- Land erreicht» Osten. Andere aber bleiben – wandel und Stolz. Thomas Oberender und Tilman Mayer oder ziehen hin. Sieben Porträts. Interview: Carla Baum im Streitgespräch: Wurde den Von Paul Wrusch Ostdeutschen ihre Biografie und Johannes Ernst 39 Flöze, Gruben, Schächte genommen, oder ist die Wieder- Die Geschichte der Braunkohle vereinigung eine Erfolgs- in Deutschland. geschichte? Bildung und Kultur Von Carla Baum Interview: 26 Lust auf Zukunft machen Alem Grabovac Politische Bildung in struk- turschwachen Regionen muss den Wohnen Menschen das Gefühl geben, 40 Blühende Städte Politik und Teilhabe dass die Politik ihnen zuhört Die Abwanderung in Ostdeutsch- 12 Weiß, männlich, bürgerlich und sie unterstützt. land ist gestoppt, die Binnen- und westdeutsch Von Ellen Ueberschär wanderung aber geht weiter. Arbeiterkinder, Frauen und Von Uwe Rada Menschen mit Migrationshinter- 28 Wie Wacken ohne Schlamm grund sind in den deutschen Die Band Feine Sahne Fischfilet 42 «Ja, wir haben eine neue Eliten unterrepräsentiert. kommt aus Mecklenburg-Vorpommern Baukonjunktur» Ostdeutsche auch. und will da auch nicht weg. Raoul Schmidt-Lamontain ist Von Michael Hartmann Ein Konzertbesuch in Brandenburg Baubürgermeister von Dresden – an der Havel. und seine Stadt wächst. 14 «Die nächsten Jahrzehnte Von Annabelle Seubert Interview: Uwe Rada schlauer gestalten» Michael Kellner, Grünen- 30 Stopp! Erkläre! Bundesgeschäftsführer, Schubladen, Vorurteile, Einsor- Das letzte Wort über die Herausforderungen tierungen: Auf ein Glas Wodka 44 Im Osten was Neues der Landtagswahlen 2019. und Prosecco mit Annett Gröschner Von einem, der aus dem Westen Interview: (Ost) und Johanna Freiburg (West) auszog, um woanders er selbst Sophie Herwig von der Performance-Gruppe zu werden. She She Pop. Ostkreuz / Von Martin Reichert Interview: Annette Maennel Fotografie: Ina Schoenenburg 3 Mit Acrobat-Reader sehen Sie .thema in Doppelseiten, mit Navigation und optionalem Vollbild Wo wir stehen 3 Wer oder was ist dieses Ostdeutschland eigentlich? Ostkreuz / Die Bundestagsabgeordnete Claudia Müller sieht vor allem Erfolgsgeschichten, die sich fortschreiben Fotografie: Ina Schoenenburg lassen. Wenn es einen Willen zur Gestaltung gibt. 4 Mit Acrobat-Reader sehen Sie .thema in Doppelseiten, mit Navigation und optionalem Vollbild 4 Wo wir stehen «Gut ausgebildete Fachkräfte lassen sich dort nieder, wo sie und ihre Familien eine Zukunft haben.» kulturell, wirtschaftlich und auch sozialgesellschaft- lich sehr von Sachsen und Thüringen. Dann ist da der Stadtstaat Berlin, der sowohl Ost als auch West ist. Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben einige der schönsten Natur- und Seenland- schaften und sind für viele Menschen der Inbegriff von Weite und sauberer Luft. Die Radwanderwege, entlang derer es Gutshäuser und Schlösser zu entdecken gilt, sind ein Traum. Zusammen mit dem Wandereldorado Sachsen-Anhalt, dem Bundesland mit den meis- ten Unesco-Kulturdenkmälern, ist der Norden Ost- deutschlands Natur- und Urlaubsparadies für ganz Deutschland. Die Lebensqualität hier ist hoch. Kultur und Mentalität sind durch die Hanse geprägt, und es ist eine große Nähe zu Skandinavien und Schleswig- Holstein spürbar. Die großen Dichter und Denker von Weimar und das Erbe der Dresdner Residenz sind Zeugnisse deutscher Kultur. Die Freistaaten Thüringen und Sachsen haben ihre philosophischen Wurzeln in der Aufklärung und der Weimarer Republik. Beide Bundesländer hatten in der Vergangenheit stets eine starke politische und kulturelle Bedeutung, einge- schlossen Leipzigs Vorreiterrolle in der Friedlichen Revolution von 1989. Doch natürlich wird auch diese Kategorisierung in Nord und Süd der Vielfalt der ostdeutschen Land- und Zivilgesellschaften nicht gerecht. So weist auch die wirtschaftliche Entwicklung in den ostdeutschen Regionen viele Unterschiede und Eigenheiten auf. Im Norden gab es – bedingt durch Gutsherr- schaft, fruchtbare Böden in der Börde und im Havel- land, die vielen Seen und die Küste – immer schon viel Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei, die zu Text: Claudia Müller allen Zeiten wichtig war, um die Bevölkerung zu ver- Der Begriff «Ostdeutschland» steht für mich für die sorgen. Produzierendes und verarbeitendes Gewerbe, gelungene Friedliche Revolution, ein in der deutschen Chemiestandorte und Bergbau entstanden eher in den Geschichte einmaliger Vorgang. Gleichzeitig für einen südlichen Regionen Ostdeutschlands. Die wirtschaft- international hoch geachteten Prozess, der durch die liche Transformation der schnellen Wirtschafts- und Mehrheit der Ostdeutschen selbstbestimmt und enga- Währungsunion mit allen ihren Risiken traf daher die giert erreicht wurde. 29 Jahre nach dieser Friedlichen Wirtschaftsbetriebe im Süden besonders hart, aber Revolution redet niemand mehr von einer Teilung ebenso die Landwirtschaft im Norden. Deutschlands, aber auch nicht von einer abgeschlos- Teile Sachsens und Thüringens haben sich gut senen Vereinigung. Der Begriff Ostdeutschland, erholt und wirtschaftlich beachtlich entwickelt. Leip- für einige steht er heute mehr für Frustration als für zig und Jena sind heute boomende Regionen und Euphorie. vergleichbar mit prosperierenden Gebieten im Nord- Doch mit der Begrifflichkeit fängt es schon an: westen Deutschlands. Sobald sich aber in den neuen Ostkreuz Ostkreuz / / Es gibt nicht das eine Ostdeutschland. Die Menschen Bundesländern negative Dinge ereignen, wie etwa dort sind Thüringerinnen, Sachsen, Uckermärker- in Chemnitz oder Köthen, muss «Ostdeutschland an innen oder Mecklenburger. Schon aus historischen sich» als Erklärungsmuster herhalten. Das mag helfen, Gründen unterscheiden sich