Camp King www.campking.org

Erinnerungsort der Zeitgeschichte

Das Gelände Camp King 1933 - 1993

Vorwort:

Als Oberurseler kannte ich den Siedlungshof und den Luisenhof in der Nähe Hohemarkstraße. Gefangene britische und amerikanische Flieger habe ich auf ihrem Weg vom Bahnhof in das Dulag/Luft gesehen. Klassenkameraden wohnten im Bereich des Camp King und 1949/50 arbeitete meine Mutter als Haushälterin beim Kommandanten in der Mountain-Lodge. Mit Detective Stories besserte ich meine Englischkenntnisse auf. Hin und wieder bekam ich „National Geographic“ oder „Saturday Evening Post“ zum Lesen. Unsere Untermieterin war nämlich Bibliothekarin im Camp King und konnte mich mit Lesestoff versorgen

Mit der Geschichte des Geländes und seiner unterschiedlichen Nutzung habe ich mich erst befasst, als im Jahre 2005 Lehrer und Interessenten an der Heimatgeschichte mich als Stadtführer fragten, ob ich nicht auch zu diesem geschichtsträchtigen Ort Informationen anbieten könne.

Ich habe dann das zum Teil verwirrende Thema strukturiert, Material gesammelt, Bilder und Pläne, und bin auf großes Interesse gestoßen. Ich habe den Erinnerungsort der Zeitgeschichte begründet, der 2013 einen Platz im ältesten Gebäude, dem „Haus am Wald“, für ein kleines Archiv bekommen hat. Auch die Sammlung von Franz Gajdosch, eifriger Chronist und Barkeeper im Officers Club, ist wichtiger Bestandteil des Archivs geworden.

Von Anfang an hat sich das Angebot an der Nachfrage orientiert: Öffentliche Führungen und solche für Gruppen, Vorträge mit Power Point Präsentationen, Ausstellungen, Beratung von Interessenten. Die Aufsätze im Jahrbuch des Hochtaunuskreises fanden ein reges Echo. Die Möglichkeit, die Sonderdrucke im Internet (www.campking.org) zu lesen und auszudrucken, gewährleistete eine weite Verbreitung. Nach der Veröffentlichung gab es im Jahr 2014 nach der Nutzerstatistik 13.000 „Visits“, davon 24% aus dem Ausland.

Hier werden nun die Beiträge in einer Broschüre zusammengefasst. Manche könnte heute ergänzt oder ausführlicher dargestellt werden, aber was sich in der Vergangenheit ereignete, bleibt konstant. Nur die Erinnerungen verändern sich im Laufe der Zeit. Wenn niemand mehr aus eigenem Erleben erzählen kann, bleiben gedrucktes Wort und Bild einziges Zeugnis.

Oberursel, im Frühjahr 2020

Manfred Kopp

Inhalt:

Wiedervorzulegen nach dem Kriege. Vom „Haus am Wald“ zum Siedlungshof der NSDAP. 1933 - 1942 (Jahrbuch HTK 2008, S.189 - 200)

Flieger ohne Flügel. Durchgangslager L und Auswertestelle (West), 1939 - 1945. (Jahrbuch HTK 2009, S.254 - 296)

Im Labyrinth der Schuld. US-Army Interrogation Center in Oberursel, 1945 - 1952. (Jahrbuch HTK 2010, S. 232 - 244)

Lesen wie in einem offenen Buch. US Military Intelligence Group, 1946 - 1968. (Jahrbuch KTK 2011, S.81 - 92)

Beweglichkeit ist unsere Stärke. Der Verkehrsführungsstab von US-Army und Nato, 1968 - 1989. (Jahrbuch HTK 2015, S. 207 - 217)

In den Wirrnissen der Zeit - Von der Geländesportschule zum Reichssiedlungshof (1933 - 1945) Festschrift zum 75. Jubiläum des Siedlungsförderungsvereins Hessen, 2011, S. 9 - 18.

Manfred Kopp Wiedervorzulegen nach dem Kriege

Vom „Haus am Wald“ zum Siedlungshof (1933–1942)

Die Vorgeschichte

Als die Universität bei einer Zwangsversteigerung am 5. Mai 1933 das „Haus am Wald“ in Oberursel, Außerhalb der Stadt 7, erwarb, war damit die Keimzel- le für alle folgenden Nutzungen bis heute gelegt. 1921 war das Haus von einem Ober- urseler Bürger nahe am Waldrand und der Gemarkungsgrenze zu Oberstedten im Landhausstil erbaut worden. Im folgenden Die Luftaufnahme aus dem Jahr 1927 zeigt die einsa- 3 Jahr verkaufte er den Besitz mit 8500 m me Lage des „Haus am Wald“ am Weg von der Ho- Gelände an Frau Margarete -Coit hemarkstraße zum Oberstedter Wald. In diesem Ge- aus London. Ein Nebengebäude als Künst- bäude liegt die Keimzelle aller späteren Nutzungen. (Stadtarchiv Oberursel) lerwerkstatt wurde zusätzlich errichtet. Im gleichen Jahr heiratete Frau Coit den Kunst- historiker Dr. Fritz Wichert, der als Direktor derzeitigen Besitzers an Frau Wichert der städtischen Kunstgewerbeschule in zwangsversteigert. Die Universität Frankfurt, Frankfurt, später Städelschule, seine Tätig- die eine Immobilie für eine einzurichtende keit aufgenommen hatte. Geländesportschule vor den Toren Frankfurts Im März 1933 wurde er wegen einer „be- suchte, konnte das gesamte Anwesen für wußt zersetzenden kulturbolschewistischen 16.000,– Reichsmark erwerben. Das Minis- Einstellung“ beurlaubt und später entlassen. terium hatte die Investition befürwortet, weil Das Gesetz über die Wiederherstellung des alle Studenten während der Anfangssemester Berufsbeamtentums bot die Handhabe. Ne- an sportlichen Pflichtveranstaltungen teilzu- ben einer Reihe von Anschuldigungen, z. B. nehmen hatten. Der Preis wurde aus dem dass er „mit einer Jüdin aus reichem Hause“ Sondervermögen des Paul-Ehrlich-Fonds be- verheiratet sei, war es besonders eine Aus- zahlt. Ein gründlicher Umbau schloss sich an, stellung „Vom Abbild zum Sinnbild“ mit Ar- z. B. auch ein Anschluss an die städtische beiten von Picasso, Mondrian, Chagall, Beck- Wasserleitung. mann u. a., die dem nationalsozialistischen Kunstverständnis widersprach und zu dienst- Das Lager der Universität rechtlichen Konsequenzen führte. Wichert verließ mit seiner Frau Frankfurt. Das „Haus Am Anfang stand, unter Mitbenutzung leer- am Wald“ in Oberursel wurde wegen erheb- stehender Fabrikhallen in der Motorenfabrik, licher Schulden für Hypothekenzinsen des ein mehrtägiges Geländesportlager für 260

189 „Hinhaltende Verteidigung“, „Militärische Befehle, SA-Befehle“, „Entfernungsschätzen“ und „Sandkasten“. Kurz vorher hatte sich der Hausverwalter beklagt, dass schon seit sechs Wochen keine Belegung im Haus sei. Er sieht sich ohne Be- schäftigung und teilt der Universitätsverwal- tung mit, dass er sich mit der Instandsetzung des Lagers nützlich gemacht habe. Als dann die SA in Schlitz/Obh. ein Wehrsportlager einrichtet, um die Einschränkung der „neu- tralen Zone“ in Oberursel zu vermeiden Appell im Studentenlager des NS-Studentenbundes im Haus am Wald, 1937 (eine Folge des Versailler Vertrages), ver- schärft sich der Belegungsmangel weiter. Das Studentenwerk übernimmt die Verwaltung Studenten und Studentinnen. Am 4. Okto- und wirbt bei universitären Einrichtungen, ber 1933 konnte die Reihe der politischen bei der NSDAP und ihren Gliederungen um Schulungsvorträge für Studenten eröffnet Veranstaltungen unterschiedlicher Art im werden. Thema war: „Nationalsozialistische „Haus am Wald“. Aus dem „Geländesportla- Betriebszellenorganisation und Arbeitsfront“. ger“ wird ein „Schulungslager“, im Sommer Führungskräfte sollten gefunden und ausge- 1934 sogar ein „Wissenschaftslager“. Die ju- bildet werden, um zu helfen, „aus bisherigen ristische Fachschaft beendet in einem sol- Marxisten Arbeiter zu formen, die aus dem chen dreitägigen Lager das Semester. In der Innersten heraus mit dem deutschen Boden Frankfurter Zeitung vom 12. 7. 1934 er- verbunden sind“. scheint ein ausführlicher Bericht. „Neu ist, Zu einem weiteren Geländesportlager daß wissenschaftliche und politische Schu- (27. 12. 1933 – 3. 1. 1934) wurden die Teil- lung mit soldatischer Grundhaltung verbun- nehmer vom Führer der Dozentenschaft ein- den werden. In völliger Zwanglosigkeit sitzen berufen. Für den Weg nach Oberursel wurde und liegen die Lagerteilnehmer im Wald und entweder der Abmarsch um 8 Uhr von der hören den Ausführungen ihrer Dozenten zu. Endstation der Linie 18 in Praunheim Alle, auch der Professor, haben Drillichanzüge (1½ Stunden Dauer) oder die Fahrt mit der an. Bei solcher äußerlicher Uniformität plat- Linie 24 bis zu Bergers Fabrik empfohlen. zen nichts desto trotz in den Aussprachen die Dienstanzug ist mitzubringen, ebenso Woll- Meinungen sehr heftig aufeinander. Während decke, Essnapf, Essbesteck und Schuhputz- im Hörsaal lediglich vom Katheder aus do- zeug. Drillichzeug für den Geländesport- ziert und die Hörerschaft nur rezeptiv tätig dienst wird zur Verfügung gestellt. Die Kame- wird, spricht in den kleinen Kreisen der Pro- raden der Dozentenschaft sollen bei Eintritt fessor persönlich an. Die Studenten sind ge- in das Lager RM 20,– abliefern. Darinnen zwungen, ihre passiv verharrende Haltung war auch ein Anteil enthalten, der Nichtaka- aufzugeben und sich aktiv an dem Vortrage demikern von SA und SS die Teilnahme er- und der Aussprache zu beteiligen“. Weiter möglichen sollte. heißt es: „Man darf sich nicht der Illusion hin- In der Programmzeit zwischen 6:00 Uhr geben, daß Nationalsozialismus akademisch Wecken und 22:00 Uhr Zapfenstreich ste- vom Katheder herunter gelehrt werden kann. hen z. B. „Taktische Lagen: Exerzieren“, Der junge Student soll den Nationalsozialis-

190 mus fühlen und erleben. Deshalb soll der Stu- Bewegung schafft heute nicht nur den wirt- dent als politischer Soldat ins Lager gehen, schaftlichen, sondern auch den wissenschaft- das niemals Selbstzweck sein darf. Es muß lichen Soldaten und wird mit ihnen auch in stets dazu dienen, die Fachwissenschaft in ih- der Wirtschaft und in der Wissenschaft den rer Ausrichtung auf den Nationalsozialismus nationalsozialistischen Gedanken durchset- an den Studierenden heranzutragen“. zen.“ Ein Überblick über die ungeheure Auf- Der Hauptamtsleiter für die politische Bil- gabe der Reichsplanung schließt sich an. – dung der Frankfurter Studentenschaft leitet Wer solche Berichte in der Presse liest, wird ein viertägiges Lager mit unterschiedlichen feststellen, wie weit man noch von der Aus- Vorträgen über „Rassenseelenkunde“, über führung sorgfältiger, zielgerichteter und reali- die „Abgrenzung von Nationalsozialismus tätsnaher Planungen entfernt war. Im ersten und Faschismus“ oder „Winke nationalsozia- Jahr des Bestehens vom „Lager Haus am listischer Außenpolitik“. Zu einem fünftägi- Wald“ herrschten ideologisch vollständig gen Lagerkurs des Instituts für Genossen- durchgefärbte Reden, eine Flut von Schlag- schaftswesen der Universität Frankfurt kom- worten und die Überzeugung, die Partei und men 28 Teilnehmer aus dem ganzen Reich. der Führer werde schon alles richten. Insgesamt bleibt die wirtschaftliche Lage der Einrichtung kritisch. Erneut schreibt der Die Gausiedlerschule Geschäftsführer des Studentenwerkes an mögliche Gastgruppen aus Gliederungen der In der lokalen Presse und in den Archivalien NSDAP und an Belegschaften privater Unter- gibt es für den Rest des Jahres 1934 und das nehmen. Die dauernde Belegung ist in der ganze Jahr 1935 keine Spuren von Veran- bisherigen, recht planlosen Weise nicht ge- staltungen im „Schulungslager“. Erst 1936, währleistet. Er sieht die Gefahr, dass das La- wieder im Herbst, kündigen sich herausra- ger nicht gehalten werden kann. „Es wäre au- gende Veränderungen an. Im „General-An- ßerordentlich bedauerlich, wenn dieses für zeiger“ vom 30. 10. 1936 wird berichtet, Schulungslager hervorragende Anwesen wie- dass Gauleiter Sprenger mit einigen Herren der verkauft werden müßte.“ Der werbende seines Stabes und den Vertretern der Presse Brief findet kein Echo. Seit Kauf, Umbau und eine Rundfahrt durch die neuen Siedlungen verheißungsvollem Start ist erst ein Jahr ver- im Gaugebiet unternommen hat. Schon vor gangen. Beginn der Fahrt hat der Leiter des Gau- Im Herbst 1934 eröffnet der „Siedlungsbe- heimstättenamtes, Wilhelm Avieny, mitge- auftragte im Stabe des Stellvertreters des teilt, dass in Oberursel die Errichtung einer Führers“, Dr. Ludowici, das erste Schulungs- Gausiedlerschule geplant sei. In Schreiben lager der planungswissenschaftlichen Arbeits- des Universitätskurators an den Regierungs- gemeinschaft. Aufgabe ist die Organisation präsidenten in Wiesbaden und an das Mi- der Vorarbeiten der Reichs- und Landespla- nisterium in Berlin ist ausdrücklich von einer nung an den deutschen Hochschulen. In sei- Kooperation von Universität und Gauheim- ner Begrüßungsansprache sagt Ludovici: stättenamt die Rede mit ausdrücklicher Be- „Die Eröffnung dieses Lagers bedeutet die legungspriorität für die Universität. Die Par- Sammlung und Bildung einer wissenschaftli- teiorganisation jedoch sucht die klare Domi- chen SA für den Neuaufbau des Deutschen nanz über die Interessen der Universität. Sie Reiches. Die Bewegung hat neben dem Sol- trägt die Ansicht vor, das Schulungslager der daten den politischen Soldaten geschaffen Studentenschaft werde seit längerer Zeit und mit ihm die politische Macht erobert. Die doch nur an wenigen Tagen im Jahr benutzt.

191 genannt: „Die Förderung des nationalsozialis- tischen Siedlungswerkes im Gebiet des Gaues Hessen-Nassau der NSDAP unter dem Protek- torat des Gauleiters“. Der Vorstand besteht aus dem Vereinsführer, der alle weiteren Auf- gaben verteilt. Auch wenn in der Folgezeit in Verlautbarungen immer wieder auf die zahl- reichen Mitglieder, z. B. Baugesellschaften, Das Ergebnis des Umbaus (das Tagungshaus links Baugenossenschaften, Siedlungsvereine, hin- steht auf den Grundmauern des „Haus am Wald“) gewiesen wird, bleibt der Verein eine forma- und der Erweiterung (rechts das Bieneninstitut, da- le Größe. Er dient allein dazu, als Träger für hinter Siedlungshäuser für Mitarbeiter, links der Stra- ße das Gästehaus) (privat) die Gausiedlerschule zu fungieren. Im Kon- zept hatte man ihm auch die Trägerschaft für Gemeinschaftsanlagen in Siedlungen zuge- Es eigne sich aber für Schulungszwecke des dacht, also Gemeinschaftshaus, Dorfplatz, Gauheimstättenamtes sehr gut. Das Vor- Dorfbrunnen, Feierplatz, Kindergarten. recht bei der Belegung bleibt pro forma. Die Universität stellt Haus und Gelände Sonst sollten Schulungskurse für Siedler, Ar- unentgeltlich zur Verfügung. Sie stimmt chitekten und andere Verantwortliche im einem Umbau des „Hauses am Wald“ zu – Siedlungswesen abgehalten werden. Der nur die Grundmauern und der Keller bleiben Kurator kann für die Universität zustimmen. bestehen – ebenso der Erweiterung um ein Durch die zu errichtende Schule und die Gästehaus, zwei Mustersiedlungshäuser und beiden Mustersiedlungshäuser werde den ein bienenwissenschaftliches Institut. Archi- Studenten Gelegenheit gegeben, sich mit tekt Fritz Roepe, Frankfurt, wird am 14. 4. wichtigen Siedlungsfragen zu beschäftigen. 1937 mit der Gesamtleitung von Aus- und Das verschleiert die Tatsache, dass mangels Umbau betraut. Am 15. Juni werden die Ar- Belegung die Universität zwar Eigentümerin beiten aufgenommen. Wer eigentlich Träger der Immobilie bleibt, aber von der weiteren der Einrichtung ist, wird aus den vorhande- Entwicklung ausgeschlossen wird. Den uni- nen Archivalien nicht deutlich: Ist es der Lei- versitären Glanz darf sie aber gerne an die ter des Gauheimstättenamtes, Wilhelm Avie- Siedlerschule geben. ny, oder der Vereinsführer des Siedlungsför- Am gleichen Tag, an dem die Errichtung derungsvereins, Wilhelm Avieny. Er war der Gausiedlerschule bekannt gegeben wird, jedenfalls der mächtigste Mann der Wirt- wird auch die Satzung des „gemeinnützigen schaft im Rhein-Main-Gebiet. Er hatte eine Vereins zur Förderung des nationalsozialisti- solche Fülle von Ämtern und Nebenämtern, schen Siedlungswerkes im Rhein-Main-Ge- dass er sie nicht im Kopf behalten konnte. biet (Siedlungsförderungsverein)“ beschlos- Seine Sekretärin hatte sie in einer besonde- sen. Gründer waren der Gauleiter und ren Kartei registriert. Ein Netz von Funktio- Reichsstatthalter Jakob Sprenger, sein Stell- nen, z. B. auch der Aufsichtsratsvorsitz der vertreter, weiter Generaldirektor und Gau- Metallgesellschaft in Frankfurt und bis 1938 heimstättenleiter Wilhelm Avieny, Oberbür- Generaldirektor der Nassauischen Landes- germeister Dr. Krebs, Universitätskurator bank, war Grundlage seines mächtigen Ein- Wisser, der Gauwalter der Deutschen Ar- flussbereichs. beitsfront Willi Becker und zwei weitere Her- Ein halbes Jahr später meldet das „Frank- ren. Als Aufgabe des Vereins wird nur knapp furter Volksblatt“ (10. 2. 1938), dass die

192 Gausiedlerschule im Rohbau fertig gestellt ist. tungen verzögerten sich, vor allem, weil Or- Im April soll sie eröffnet werden. Die Aus- ganisationen und Funktionäre der NSDAP in sichten auf eine künftige erfolgreiche Wirk- einem so wichtigen Bereich wie dem Woh- samkeit werden schon jetzt in leuchtenden nungswesen Einfluss gewinnen wollten. Die Farben geschildert: Da werden die Kleintier- Partei sollte sich als wegweisende Instanz berater des Deutschen Siedlerbundes zu und als notwendiger Problemlöser zeigen, Lehrgängen und praxisorientierten Kursen nicht ein Oberbürgermeister und seine Bau- zusammengezogen. Die Reichskammer der fachleute. Schließlich gewannen das Gau- bildenden Künste wird gemeinsam mit dem heimstättenamt und die Messegesellschaft Gauheimstättenamt Lehrkurse für Architek- die Konkurrenz. Gauleiter Sprenger wurde ten im Siedlungswesen anbieten. Das gesam- als Initiator herausgestellt. Dr. Krebs geriet in te Bauhandwerk im Siedlungsbereich wird den Hintergrund. eine Lehr- und Forschungsstätte haben. Über Schon 1926 hatte Sprenger in der Frank- den Lehrbetrieb hinaus wird sich die Schule furter Stadtverordnetenversammlung erklärt: auch mit der Aufzucht von Siedler-Kleintie- „Es ist an der Zeit, daß man den Versuch ren, mit der Anzucht von Pflanzen und mit macht, zu einer deutschen Bauweise zu kom- Saatgutgewinnung befassen. Im Laufe des men! Nach Massenwohnblocks und der fol- Sommers 1938 übernimmt Dr. Paul Seck, genden May'schen Ära (Ernst May, Baudezer- bisher am Zoologischen Institut der Universi- nent in Frankfurt von 1925 – 30) will der Na- tät, die Leitung und den schrittweisen Auf- tionalsozialismus allen Volksgenossen wieder bau des Wirtschaftsbetriebes. die Heimat im engsten Sinn zurückgeben. Er Die Eröffnung der Schule, die zunächst für ist sich wohl bewußt, welche ewigen, unzer- April 1938 vorgesehen war, wird auf den störbaren Kräfte in ihr schlummern. Wer kei- Mai, dann auf den Sommer und schließlich ne Heimat hat, ist auch nicht bereit, zu ihrer auf den 3. September 1938 gelegt, den Eröff- Verteidigung das Schwert zu ziehen.“ nungstag der 1. Bau- und Siedlungsausstel- Wegen der großen Wohnungsnot nach lung in Frankfurt/Main. Die Parteiprominenz dem Ersten Weltkrieg und in der schweren des Gaues Hessen-Nassau und an der Spitze Wirtschaftskrise hatte Ernst May mit einer ra- Dr. Robert Ley, Reichsorganisationsleiter der tionellen, stark genormten Bauweise große NSDAP, Leiter der Deutschen Arbeitsfront Siedlungen errichtet, etwa 15 000 Wohnun- und Förderer der Heimstättenprojekte, woll- gen, z. B. die Römerstadt in Praunheim. Die ten ihren großen Auftritt haben. Die Ausstel- Nationalsozialisten machten solche preiswer- lung auf dem Messegelände dauerte vom te und sozial orientierte Bauweise lächerlich 3.9.– 9. 10. 1938 und wurde von 270 000 und sprachen vom Baubolschewismus der Interessenten besucht. Systemzeit. Sie seien keine deutschen Wohnstätten Die Bau-Ausstellung in Frankfurt auf gesunder Grundlage, sondern Hütten, die man am besten abreiße. Bereits am 11. 6. 1934 hatte Oberbürger- Wie in ihrem Sinne beispielhafter Woh- meister Dr. Krebs die Frankfurter Bauverwal- nungsbau aussehen sollte, wurde in einer tung beauftragt, das Konzept für eine Bau- „Mustersiedlungsstraße“ auf der Ausstellung ausstellung zu erarbeiten. Zwei Monate spä- gezeigt. Zuerst sah die Planung vor, diese ter lag ein Entwurf zum Thema „Die Straße in Zeppelinheim zu errichten. Die Großstadt im Dritten Reich“ vor. 1935 sollte Heimstätte für Luftschiffer auf dem nahe ge- das Projekt realisiert werden. Die Vorberei- legenen Flughafen war am 1. Januar selbst-

193 zusammengefaßt in dem Wort Gemütlich- keit. Das Heim soll „Heim“ sein, ohne solch Heim keine Kinder! So steckt auch in der Siedlung eine politische Aufgabe, mit allem was dazu gehört, Hausrat eingeschlos- sen.“ Das Areal der Siedlungsstraße sollte mit seiner Bebauung eine Anschauung von der nationalsozialistischen Idee der „Gemein- schaftssiedlung“ geben. Die Straße selbst war nicht schnurgerade, sondern sollte mit einer leichten Biegung Bewegtheit vermitteln. Für Die Zeichnung gibt ein Bild vom Ensemble der Mus- den Stil der Häuser hatte man (idealisierte) tersiedlungsstraße auf der Bau- und Siedlungsausstel- Baugepflogenheiten der rhein-mainischen lung in Frankfurt/Main, Sept./Okt. 1938 (Rhein-Main- Landschaft als Vorbild genommen. Unter- Spiegel) schiede in Größe und Anordnung der Räu- me, Baukosten und -lasten, innere und äuße- ständig geworden. 4000 – 5000 Menschen re Ausstattung sollten der Größe der Familien sollten einmal dort wohnen, aber erst für und ihrer materiellen Lage entgegenkommen 1000 waren Wohnungen gebaut. Die „Mus- und Uniformität vermeiden. Das Haus des tersiedlungsstraße“ sollte zehn unterschied- höher bezahlten Angestellten sollte ohne liche Haustypen, einen Dorfplatz mit Brun- Überheblichkeit neben dem Heim des nied- nen und ein Gemeinschaftshaus umfassen, riger bezahlten Arbeiters oder der einfachen in die Ausstellung einbezogen und zur Be- Mietwohnung stehen. Das alles einende sichtigung angeboten werden. Später sollten Band der dörflichen Siedlung wurde präsen- dann alle Bauten und Anlagen in Zeppelin- tiert in dem beherrschenden Gemeinschafts- heim verbleiben und dort genutzt werden. haus. Dort, wo früher Rathaus, Kirche und Da aber im Verlauf der Planung der Ausbau Marktplatz im Stadtkern standen, sollte nun der Siedlung gestoppt wurde (nach dem der geistig-seelische Inhalt nationalsozialisti- Brand des LZ 129 in New York/Lakehurst scher Gemeinschaft eindeutig im Zentrum 1937 war die Ära der Zeppeline bald zu stehen. Ein zehn Meter hoher Dachreiter mit Ende), wurde das ganze Projekt zunächst Wetterfahne und Glocke setzte einen zusätz- kurzfristig und befristet auf dem Messege- lichen Akzent für die Mittelachse der Sied- lände realisiert. Da gab es dann die Klein- lungsstraße, ebenso der Brunnen davor mit siedlerstelle, das Klein- und Kleinsteigen- der Idealfigur einer Mutter, umringt von vier heim, das aufwändige Einzelhaus für den fröhlichen Kindern. Die Räume im Gemein- leitenden Angestellten oder die Mietwoh- schaftshaus waren vorgesehen für Bürger- nungen für den Arbeiterhaushalt. Die Ge- meister und Ortsgruppenleiter der NSDAP, bäude konnten begangen werden und für Hitlerjugend und BDM und NS-Frauen- waren voll möbliert. Auch in der Innenein- schaft, für den Siedlerberater, einen Ver- richtung sollte nicht das „Modische“ vor- sammlungsraum und einen Schulsaal. Das herrschen, sondern das „Brauchbare“. Ro- Gesamtkonzept von Straße und Gemein- bert Ley sagt bei der Eröffnung: „Zum We- schaftshaus verantwortete der Architekt und sen des deutschen Menschen gehören auch Regierungsbaumeister im Gauheimstätten- die seelischen Ansprüche an die Wohnung, amt Franz Hufnagel.

194 Der Reichssiedlungshof wird proklamiert teilung Deutscher Hausrat im Reichsheimstät- tenamt gute Möbel und zweckmäßiger Haus- Am 3. September 1938 wurde die Ausstel- rat geprüft und ausgestellt werden.“ lung eröffnet. Einen besonderen Akzent setz- Dieses Programm war gewaltig. Es gab je- te Reichsorganisationsleiter Dr. Robert Ley doch bis zur Stunde weder ein durchdachtes mit der „Weihe“ des Gausiedlungshofes in inhaltliches Konzept noch einen realistischen Oberursel/Oberstedten zum „Reichsied- Plan, noch eine rechtliche Grundlage. Es war lungshof“ am gleichen Tag. Im Oberurseler – vom Namen angefangen bis zu den Anord- Bürgerfreund vom 5. 9. heißt es: „Oberursel nungen – eine auf große Bedeutung zielende hatte sich für den hohen Besuch festlich ge- Rhetorik des Robert Ley. Noch am Tag zuvor schmückt. In allen Straßen, die von der Wa- war nur von der Einweihung des Gausied- genkolonne der Ehrengäste berührt wurden, lungshofes die Rede. Mit der Ausdehnung wehten die Fahnen. Besonders festlich sah die des Tätigkeitsfeldes vom Gau auf das ganze Vorstadt (Oberursels) aus, die in ein Meer von Reichsgebiet wollte er vergleichbare Bestre- Flaggen getaucht war. Dr. Ley erklärte in sei- bungen an anderen Orten abblocken. Die ner Rede, man werde in drei Jahren vier Mil- Konkurrenten im Arbeits- und im Landwirt- lionen Wohnungen schaffen. Dafür müsse schaftsministerium oder bei den Hochschu- man aber auch die wirtschaftlichen und wis- len sollten seine Macht als Leiter der Deut- senschaftlichen Grundlagen und Vorausset- schen Arbeitsfront nicht gefährden. Die Zahl zungen schaffen. Aus diesen Gedankengän- der Projekte, die er seit 1933 proklamiert, gen heraus sei auch der neue Siedlungshof aber nicht ausgeführt hatte, war unüberseh- entstanden.“ bar. Goebbels schreibt einige Zeit später In einer „Anordnung“ heißt es (Oberurse- (17. 6. 1941) in sein Tagebuch: „Ley erörtert ler Bürgerfreund vom 7. 9. 1938): täglich neue Sozialprogramme, die wir nach „Der Reichssiedlungshof dient zur Ausbil- dem Krieg verwirklichen wollen, in der Öf- dung aller im Heimstättenwesen tätigen Poli- fentlichkeit. Ich stoppe das ab. Wir dürfen tischen Leiter und Amtswalter. Alle einschlägi- dem Volk jetzt nicht den Mund wässrig ma- gen Vorschläge und Neuerungen sollen in die- chen. Wenig davon reden, vor allem ange- ser Reichsschule für das Siedlungs- und sichts der Unmöglichkeit, heute überhaupt Heimstättenwesen erprobt werden. Auf die Versuche auf dem Gebiet der Tierzucht, der Bodenverbesserung, der Düngung wird aus- drücklich hingewiesen und angeordnet, daß der Hof die Voraussetzungen erforschen und festlegen soll, die den Aufbau eines Auslese- systems ermöglicht. Der Reichssiedlungshof soll zur Beseitigung jener falschen Vorstellun- gen beitragen, als ob der Nationalsozialismus sich aus weltanschaulichen Gründen auf einen Wohnungstyp – Siedlerstelle oder Ge- schoßwohnung – festgelegt habe. Deshalb sollte er neben der Betreuung der Siedler und Zur gleichen Zeit entwarf Regierungsbaurat Hufnagel eine neue Eingangszone mit imposanten Bauten, die ihrer Bedürfnisse auch dafür Sorge tragen, zunächst noch ohne Funktionsbestimmung waren, mustergültige Geschoßwohnungen zu errich- aber der „Hohen Schule des Siedelns“ Raum geben ten. Weiter sollen in Verbindung mit der Ab- sollten. (Stadtarchiv Oberursel)

195 Der Wirtschaftsbetrieb

Für die Leitung des Siedlungshofes und alle Mitarbeitenden – gleich ob „Gau“ oder „Reich“ stand die tägliche Arbeit im Vorder- grund. Da mussten Tiere versorgt, Brutappa- rate in Gang gehalten, Eier gewendet, Unter- suchungen durchgeführt und Ställe nach neuesten Erkenntnissen gebaut werden. Die Zahl der Tiere, insbesondere der Hühner Schon 1938 begann man mit 200 Kaninchen die und Kaninchen, nahm zu, einige Schafe und Zucht, die Pflege und die Entwicklung neuer, artge- Schweine wurden gehalten, und aus wehr- rechter Ställe. (privat) wirtschaftlichen Gründen begann man mit Seidenraupenzucht (Nov. 1939). Lehrlinge etwas zu tun. Man soll im Krieg vor allem vom mussten unterwiesen und Pflichtjahrmäd- Krieg und nicht vom Frieden reden.“ chen angeleitet werden. Für die riesige Zahl der Wohnungssuchen- Neben dem erfolgreichen Wirtschaftsbe- den klangen jedoch solche Zukunftsvisionen trieb hielten sich die Lehrveranstaltungen in beruhigend. In der Presse wurden roman- Grenzen. Gleich mit der „Weihe“ fand ein tisch verklärende Berichte veröffentlicht, die Kurs für Kreisheimstättenwalter statt, aber zum Träumen anregten. So heißt es in den dann waren es fachfremde Veranstaltungen, „Taunusblättern“ (Ende September 1938) un- die nur die Unterbringungsgelegenheiten ter der Überschrift „Ein Besuch auf dem und die Vortragsräume nutzten. So wird Reichssiedlungshof“: mehrfach auf die Außenhandelswoche der „Als kürzlich ein ausländischer Professor Gaufachabteilung „Der Deutsche Handel“ den Reichssiedlungshof Oberstedten bei der Deutschen Arbeitsfront hingewiesen. Die Oberursel am Taunus besuchte, nannte er ihn Kreisjägermeister beschäftigten sich nicht nur überrascht ,die interessanteste Universität Eu- mit den Abschussquoten für Hirsche und ropas‘. Wissenschaft und Wirklichkeit, Leben Rehe, sondern berieten auch die Bekämp- und Lehre in dieser innigen Verbindung bei- fung des Wilderer-Unwesens. Die Besichti- einander zu sehen, ja erst in dieser Vereini- gungen waren zahlreich. Da kamen 70 Bür- gung die eigentliche Stoßkraft des neuen Wer- germeister aus dem Kreis Biedenkopf oder kes zu erkennen, hatte ihn zu diesem begeis- Pressevertreter auf Einladung des Reichs- terten Ausruf veranlaßt. Wir anderen, die wir heimstättenamtes. Da kam Regierungs- und nicht minder neugierig und frohgespannt Parteiprominenz, häufig im Zusammenhang nach Oberursel hinausgefahren waren, in des- mit Großereignissen in Frankfurt. Nur in Füh- sen Nähe, zwischen Wiesen und Wald, wun- rungen konnte der Hof besichtigt werden. derschön zu Füßen des Taunus gebreitet, der In der lokalen Überlieferung ist immer große Hof liegt, wußten, wieviel heiliger Ernst wieder davon die Rede, dass in Oberursel in diesem Werk steckte. Für uns bedeutete er auch Fachkräfte und Siedler für den Aufbau keine Sensation, sondern eine Schöpfung, die neuer Siedlungen im eroberten Osten ge- nach Jahren intensivsten Siedlungsschaffens schult worden seien. Dafür gibt es keinerlei aus neuen Forderungen herausgewachsen Belege und etliche Gründe dagegen. Zwei war und die wir nun wie eine reifgewordene seien genannt: Für das Konzept zur „Absied- Frucht mit einer Art Ehrfurcht betrachteten.“ lung, Ansiedlung und Umsiedlung“ in den

196 neu gewonnenen Ostgebieten war der Siedlungsstraße auf dem Messegelände. Reichsführer SS, Heinrich Himmler, zustän- Noch zu Beginn des Jahres 1939 standen dig, der seit 7. Oktober 1939 auch als die Musterhäuser dort. Eine Siedlung, in „Reichskommissar für die Festigung deut- der man die komplette Anordnung hätte schen Volkstums“ fungierte. Ley und Himm- beibehalten können, gab es nicht. Also be- ler, Deutsche Arbeitsfront und SS, waren kei- schloss man die Aufgabe des dargestellten ne Freunde! Zweitens standen ab Oktober Systems. Nach Geländezuschnitt und Ge- 1939 durch das Gefangenenlager keine ländeform wurden die Häuser, zum Teil Schulungs- und Unterbringungsmöglichkei- verändert, wieder aufgebaut. Die Ausrich- ten mehr zur Verfügung. tung auf das Gemeinschaftshaus entfiel. Seit dem Baubeginn für den Gausied- Sein Aufbau zog sich noch bis 1942 hin. Es lungshof im Sommer 1937 spielte das Bie- wurde nur kurzzeitig als Raum für den neninstitut eine besondere Rolle. Der Frank- Schulunterricht in der Zeit der Fliegeran- furter Chirurg Professor Dr. Victor Schmieden griffe genutzt. Es war auch Lagerraum, aber war nicht nur ein begeisterter Imker mit Bie- nie in der Art genutzt, wie es geplant war. nenständen im Odenwald, er hatte enge Das Gemeinschaftshaus war und ist „ein ge- fachliche Kontakte zum Institut für Bienen- strandetes Objekt.“ kunde im Zoologischen Institut der Universi- tät. Außerdem war er Präsident der Polytech- Das Durchgangslager (Luft) nischen Gesellschaft in Frankfurt mit großem Einfluss und finanziellen Möglichkeiten. Die Als Harry Day am 13. Ok- von der Gesellschaft gegründete Frankfurter tober 1939 über dem Hunsrück abgeschos- Sparkasse von 1822 hatte als Firmenzeichen sen wurde und mit leichten Verletzungen in einen Bienenkorb! Im Zuge des Übergangs Gefangenschaft geriet, kam er nach Oberur- von dem Schulungslager der Universität zum sel. Über Nacht hatte das Gästehaus Gitter Gauheimstättenwerk 1937 gelang es ihm vor den Fenstern erhalten, und im Tagungs- und Professor Dr. P. Rietschel vom Zoologi- haus arbeiteten Soldaten der Luftwaffe. Mit- schen Institut, ein Institutsgebäude zu errich- arbeiter und Mitarbeiterinnen des Siedlungs- ten, erweitert um ein Bienenhaus, einen Bie- hofes wurden darüber unterrichtet, dass nengarten und eine halbkreisförmige „Vor- französische und britische Piloten hier gefan- tragsarena“. Hugo Gontarski übernahm die gengehalten würden und wie man sich ihnen Leitung, und seinem Geschick und den gut gegenüber zu verhalten habe. arrangierten Eigentumsverhältnissen ist es zu In seinen Erinnerungen schreibt Harry verdanken, dass das Bieneninstitut alle Wir- Day: „Der Wagen stoppte neben einem Sta- ren zwischen Funktionären, Gremien und cheldraht-Zaun, der ein Haus im bayrischen Zuständigkeiten überstand. 1937 konnte Pe- Stil umschloß, weiß mit steilem Dach und ter Fuchs aus Mammolshain als Bienenmeis- Wetterschutz an beiden Seiten. Ein Englisch ter eingestellt werden. Nach Fertigstellung sprechender Luftwaffen-Offizier begrüßte des Hauses zog er dort mit seiner Familie ein mich mit dem klassischen Spruch der Deut- und übernahm alle anfallenden Arbeiten. schen, den alle neuen Gefangenen hören Damit ist das Bieneninstitut die einzige Ein- mußten: ,For you the war is over‘. Ich wurde richtung, die konsequent von Anfang an in einer Zelle eingeschlossen und allein gelas- ihrer Aufgabe treu geblieben ist. sen …. Gegenüber waren zwei weitere Häu- Eine nächste Erweiterung des Gebäu- ser wo zwei Mädchen spielten und eine Men- deensembles erfolgte mit dem Abbau der ge Katzen, Hunde und Hühner überall. Wenn

197 die Mutter ihre Kinder rief ,Komm her‘, so klang das so Englisch, daß ich erschrak.“ Von diesem Lager und der Auswertestelle (West) der Luftwaffe 1939 –1945, die die Ar- beit des Siedlungshofes an den Rand dräng- te, muss an anderer Stelle berichtet werden.

Die weitgreifenden Pläne

Während des Krieges zielten die Planungen langfristig auf die Zeit danach. Im Erlass des Führers „Zur Vorbereitung des deutschen Während Ilse Piscator im Vordergrund die Schafe des Wohnungsbaues nach dem Kriege“ vom Siedlungshofes melkt, erkennt man im Hintergrund 15. November 1940 heißt es zu Beginn: eine von drei Baracken, die im Frühjahr 1940 für die Gefangenen errichtet wurden. (privat) „Der erfolgreiche Ausgang dieses Krieges wird das Deutsche Reich vor Aufgaben stellen, die es nur durch eine Steigerung seiner Bevölke- rungszahl zu erfüllen vermag. Es ist daher notwendig, daß durch Geburtenzuwachs die Lücken geschlossen werden, die der Krieg dem Volkskörper geschlagen hat. Deshalb muß der neue deutsche Wohnungsbau in der Zukunft den Voraussetzungen für ein gesun- des Leben in kinderreichen Familien entspre- chen. …. Für das erste Nachkriegsjahr ist der Neubau von insgesamt 300 000 Wohnungen vorzubereiten und durchzuführen.“ Der Erlass regelt die Durchführung, die Miethöhe, die Baulandbeschaffung, die Planung von Bau- formen, Gliederung der Wohnungen und ih- rer Größe (z. B. 4-Zimmerwohnung ein- schließlich Wohnküche 74 m2), Normung und Rationalisierung, und am Schluss be- stimmt der Führer den Reichsorganisations- leiter der NSDAP und Leiter der Deutschen Arbeitsfront Dr. Robert Ley zum Reichskom- missar für den sozialen Wohnungsbau. Die- ser hatte also durch seinen Eifer gegen ver- schiedene Konkurrenten den Sieg davon ge- tragen. Jetzt und in den folgenden Jahren blendete er den Krieg, die Zerstörung und die zunehmend drohende Niederlage aus. Wing Commander Harry Day als Gefangener im um- Im Februar 1941 verkündet er als Antwort gewidmeten Gästehaus des Reichssiedlungshofes auf den Führererlass und seine Ernennung: 1939 (Sammlung F. Gajdosch) „Der Kampf kann solange dauern wie er will,

198 wir werden siegen, weil wir einen Adolf Hitler landwirtschaftlicher Musterhof angeschlos- haben, der einmalig ist und wir werden zwei- sen, der als Gausiedlungshof bezeichnet tens siegen, weil wir ein natürliches Gesetz er- wird. Er erhält die Rechtsform einer füllen.“ G.m.b.H. Die Stiftung würde demnach mit Sein Eifer findet auch im Blick auf den ihren Lehr- und Forschungsaufgaben ein zen- Reichssiedlungshof sein Ziel. Es gelingt ihm, trales Reichsinstitut sein, das jedoch wie im von der Deutschen Arbeitsfront/Deutsche Gau Hessen-Nassau auch in anderen Gauen Akademie für Wohnungswesen im Haus- des Reiches „Gausiedlungshöfe“ einrichten haltsplan 1942/43 300 000,– RM für Gelän- und unterhalten könnte. dekauf an den Reichsiedlungshof zu übertra- Als mögliche Stiftungsmitglieder werden gen. Nach dem mehr oder weniger freiwilli- genannt die Deutsche Arbeitsfront, der Sied- gen Verkauf aus Oberstedter Gelände erhält lungsförderungsverein, Universität und Poly- Regierungsbaumeister Hufnagel im Gau- technische Gesellschaft. Die Beteiligung der heimstättenamt den Planungsauftrag. Am Hochschulen in Gießen, Darmstadt und Gei- 26. 5. 1942 unterschreibt er seinen Entwurf. senheim ist wünschenswert. Für die Lehr- Auf einem 30 ha großen Gelände, vom Forst- und Forschungsaufgaben werden vier Abtei- hausweg im Westen, dem Wiesental bei Har- lungen gebildet: derts- und Fischersmühle im Norden, 200 m jenseits des heutigen Eichwäldchenweges im I. Allgemeine Abteilung für siedlungspoliti- Osten und der Hohemarkstraße im Süden sche und wirtschaftswissenschaftliche For- reicht das zu nutzende Gebiet. Da ist funk- schungs- und Lehrtätigkeit. tional zugeordnet und in harmonischer Wei- II. Abteilung für Wohnungsbau und Heimge- se aufeinander abgestimmt, was in den Auf- staltung, Fortbildungslehrgänge für alle gaben für den Reichssiedlungshof schriftlich Bauschaffenden, z. B. Architekten, tech- formuliert wurde. Die Handschrift des Archi- nische Angestellte von Baugesellschaften. tekten ist im Vergleich zur Mustersiedlungs- III. Abteilung für Kleingartenbau mit folgen- straße vier Jahre zuvor wiederzuerkennen. den Instituten: Pflanzenbau, Gemüse- Da sind Weiden und Ställe für die ver- und Fruchtverwertung, Bodenpflege und schiedenen Tierarten platziert, ein Institut für Pflanzenschutz. Veterinärmedizin und ein solches für Garten- IV. Abteilung für Kleintierkunde mit folgenden bau, Eigenheime für Mitarbeitende und Instituten: Zoologisch-biologisches Institut Dienstwohnungen, eine Bauhütte und selbst- für Kleintiere (auch Bienen und Seidenrau- verständlich die Einrichtungen des Bienenin- pen), für Kleintierhaltung und Zucht und stituts. Die ideologische Komponente er- für Krankheitsverhütung und -bekämp- scheint in einem großräumigen Aufmarsch- fung. platz, und aus dem keltischen Heidegraben wird ein altgermanischer Wehrgraben. Dr. Jerschke regt an, möglichst bald mit den Zur gleichen Zeit (April/Mai 1942) arbeitet Vorbereitungen zur Gründung der Stiftung zu Geheimrat Dr. Jerschke, Vizepräsident der beginnen, um die bereits begonnene prakti- Universität a. D. an dem Entwurf für eine sche Arbeit nicht zu gefährden. An einem Stiftung „Reichssiedlungshof“. Nach einer Aktenvermerk zur Sitzung des vorbereiten- Reihe von Beratungen mit etlichen Persön- den Kuratoriums, der im Universitätsarchiv lichkeiten und Dienststellen hält er eine sol- aufbewahrt ist, hängt ein Zettel mit der Notiz che Rechtsform für die am besten geeignete. des zuständigen Sekretärs mit insgesamt Als Anschaungs- und Lehrobjekt wird ein zehn Wiedervorlage-Terminen, vom 25. 4.

199 1942 an. Am 4. Dezember 1943 schreibt er: Quellen- und Literatur-Nachweise: „Zurückzulegen bis nach dem Kriege“. 1943 und 1944 wird in Oberursel wieder Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt/Main gebaut. Auch östlich des Reichssiedlungshofes s. v. „Bau- und Siedlungsausstellung 1938“ und www.frankfurt1933– 45.de werden „Behelfsheime für Luftkriegbetroffe- Stadtarchiv Oberursel ne“ errichtet. In einer Ansprache des Reichs- Sammlung von Pressemeldungen und Archivalien wohnungskommissars Dr. Ley auf der Gaulei- s. v. „Gausiedlungshof, Reichssiedlungshof“ tertagung in München am 23./24. Februar Universitätsarchiv Frankfurt/Main 1944 macht er aus der Not der Ausge- Akte des Kurators, Nr. 13/41 „Haus am Wald“ Drummer, Heike; Zwilling, Jutta bombten einen verheißungsvollen Ausblick: „Wir geben ihnen Raum“ 75 Jahre Nass. Heimstätte „Wir besitzen nach dem Krieg die einmalige Frankfurt/Main, 1996 Chance, den großen Teil unserer Städte nach Harlander, Tilman; Fehl, Gerhard (Hg.) ganz neuen Gesichtspunkten wieder aufzu- „Hitlers sozialer Wohnungsbau, 1940 –1945“ Hamburg, 1986 bauen. Stehen wir nach dem Kriege dann un- Kähler, Gert (Hg.) ter dem Druck einer allzu großen Wohnungs- „Geschichte des Wohnens“, Bd. 4: 1918 –1945“ not, werden wir vielleicht zu einer Reihe von Stuttgart, 1996 Zwangslösungen kommen müssen, nur von Smelser, Roland dem Wunsch beseelt, überhaupt Wohnungen „Robert Ley – Hitlers Mann an der Arbeitsfront“ Paderborn, 1989 zu bauen.“ So werden aus Notquartieren mit „50 Jahre Siedlungsförderungsverein Hessen e. V.“ einer Wohnfläche von 4,10 × 5,10 m für bis 1936 –1986, Jubiläumsschrift zu sechs Personen Ausweichwohnungen für Rhein-Main-Spiegel, Illustrierte Monatsschrift künftige Neubaugebiete – nach dem Kriege. Sonderausgabe zur Dt. Bau- und Siedlungsausstellung „Ich bin mir im klaren, daß die Unterbringung Frankfurt/Main, 6. Jhg., 1938 Alle Informationen zum „Haus am Wald“ und zum der Volksgenossen das Primitivste darstellt, das „Siedlungshof“, die Grundlage für diesen Aufsatz wa- wir deutschen Volksgenossen bieten dürfen.“ ren, sind erschlossen im „Erinnerungsort der Zeitge- In einer Besprechung mit seinen Mitarbei- schichte – Das Gelände Camp King, 1933 – 93“ in tern am 28. Juli 1944, sechs Wochen nach 61440 Oberursel und dort bis auf weiteres einzuse- hen an der Adresse Im Rosengärtchen 37, (Kirchenla- der Landung der Alliierten in der Norman- den). Im Internet unter www.campking.org ist eine die, erklärt Dr. Ley grundsätzlich, dass er an weitere Fassung dieses Beitrages mit ausführlichen dem von ihm beabsichtigten Ausbau des Anmerkungen zu finden. Reichssiedlungshofes zur hohen Schule des Siedlungs- und Wohnungswesens in Verbin- dung mit der Deutschen Akademie für Woh- nungswesen nach dem Kriege festhalte. Nach dem Kriege!

200 Manfred Kopp Flieger ohne Flügel

Durchgangslager (Luft) und Auswertestelle (West) 1939 –1945

Luftkrieg sere Städte angreift, dann werden wir ihre Städte ausradieren!“ – Zwei Tage später gab Nach dem Einfall deutscher Truppen in Polen er London als Ziel frei! am 1. Sept. 1939 und der folgenden Kriegs- In einer Direktive des britischen Bomber- erklärung Englands und Frankreichs an das Command vom 21. 9. 1940 heißt es: „Ziel- Deutsche Reich forderte US-Präsident angriffe sollen jedoch stets in einem dicht be- F. D. Roosevelt die Kriegführenden auf, öf- bauten Wohngebiet mit dem Schwerpunkt fentlich zu erklären, dass sie unbefestigte möglichst großer Materialzerstörung durch- Städte und die Zivilbevölkerung nicht aus geführt werden, die dem Gegner die Wucht der Luft angreifen würden. und die Macht unserer Bomberstreitkräfte Hitler stimmte in seiner Rede vor dem demonstriert.“ Reichstag zu, er werde den Kampf nicht ge- gen Frauen und Kinder führen. „Ich habe Der Krieg erhielt in aller Schärfe eine dritte meiner Luftwaffe den Auftrag gegeben, sich Dimension: Den Luftraum! In den vier Jah- bei dem Angriff auf militärische Kräfte zu be- ren zwischen dem fluchtartigen Verlassen des schränken.“ Kontinents durch die britischen Truppen im England und Frankreich beteuerten feier- Juni 1940 und der Landung der alliierten lich und öffentlich den Vorsatz, den Krieg so Streitkräfte am 6. Juni 1944 in der Norman- zu führen, dass die Zivilbevölkerung und die die gab es auf dem Boden keine Front. Der Kulturdenkmäler geschont würden. Krieg fand im, am und aus dem Himmel Solche wohlklingenden Botschaften waren statt. Die britischen und später auch die US- jedoch schnell vergessen. Als die ersten Piloten starteten auf einem „heimatlichen“ Bomben fielen, wurden nicht nur Industrie- Flugplatz, ausgerüstet für den Luftkampf und anlagen und Flugplätze, sondern auch Kran- den Abwurf von Bomben auf Feindesland. kenhäuser, Schulen und Wohnsiedlungen ge- Dann ging es wieder zurück in die Heimat. troffen. Es begann zwischen den Gegnern Wenn jedoch die Granaten der deutschen das Spiel, das schon Kinder üben: „Wie du Flak oder das MG-Feuer eines Jägers den mir, so ich dir! – Das Unrecht, das ich erfah- „Tommy“ vom Himmel holten, dann kam re, gibt mir das Recht, selbst Unrecht zu der Boden, der gerade noch so weit unten tun!“ Die Eskalation der uneingeschränkten war, ganz nahe. Nach der Hektik vor dem Zerstörung nahm ihren Lauf, selbst wenn Absprung kam die Hilflosigkeit am Fall- z. B. am Anfang offensichtliche Navigations- schirm, kamen das Gefühl der persönlichen fehler vorlagen. Niederlage, die Angst vor dem Unbekann- Als Anfang August 1940 die Luftschlacht ten, die Sorge um die Angehörigen zu Hause über England begann, erklärte Hitler in einer und vor allem um das eigene Leben. Es gab Rede: „Und wenn die britische Luftwaffe un- keine Befehle mehr, was zu tun, was zu un-

254 Blick von der Hohemarkstraße zum Lager, links die „Vernehmungs-Enklave“, Mitte BUNA und rechts die Bara- cken des Durchgangslagers. Stand: Herbst 1942. terlassen ist: Entscheidungen mussten allein schaft auf unbestimmte Dauer eigentlich be- getroffen, die Konsequenzen allein getragen deutet. – Erst in der Einsamkeit der Zelle werden. Der Pilot war Flieger ohne Flügel! habe ich die Wandlung vom Soldaten zum Schließlich kamen Menschen, mitleidsvoll, Gefangenen, zum „Kriegie“, durchlebt. Als freundlich, manchmal auch offen feindselig ich dann im Stammlager Barth (Ostseeküste) und sagten, was eine Redensart war: „For war, schienen mir die Zäune höher als im you the war is over!“ , die Wachtürme bedrohlicher und die Wachsoldaten schwerer bewaffnet. Ich Durchgangslager Luft war so stolz gewesen, mit den Adlern zu flie- gen. Jetzt hatte man mir meine Würde ge- In der Regel war für alle Angehörigen der nommen. Ich war eine Null!“ oder der US-Air Force, die in Die Stammlager für die Gefangenen der Gefangenschaft gerieten, erstes Ziel das Luftwaffe, mehrheitlich der Alliierten, waren Durchgangslager Luft (Dulag) in Oberursel. im Osten des Reichsgebietes errichtet wor- Der Ort der Gefangennahme war gleichgül- den: Barth an der Ostseeküste westlich Stral- tig, ob Reichsgebiet oder Norwegen oder sund, Sagan 60 km östlich Cottbus, heute in Südeuropa, die Zugehörigkeit zur Luftwaffe Polen, und das Lazarett der Luftwaffe in war ausschlaggebend. In einer oft abenteuer- Obermassfeld (Thüringen). Im Durchgangsla- lichen Fahrt mit unterschiedlichen Transport- ger Luft in Oberursel war die zentrale Regis- mitteln ging es unter Bewachung nach Frank- trierung und Vernehmung. Von dort aus wur- furt/Main zum Hauptbahnhof, von dort wei- den die Gefangenen gruppenweise in die ter zum Bahnhof in Oberursel und mit der Stammlager überführt. Diese Eigenständig- Straßenbahnlinie 24 zur Haltestelle „Kupfer- keit und dieses Selbstbewusstsein einer Waf- hammer“. Manchmal blieb auch nur der fengattung war dem Reichsführer SS, Hein- Fußmarsch durch die Feldberg- und Hohe- rich Himmler, stets ein Dorn im Auge. Er ver- markstraße bis zum Ziel. suchte besonders im Blick auf die geregelte Leutnant Harry Crease, Pilot der kanadi- Behandlung und bei Fluchtunternehmen die schen Luftwaffe, beschreibt in seinen Erinne- Gefangenenlager in seinen Machtbereich zu rungen, was ähnlich auch für seine Kamera- überführen. Reichsmarschall und Oberbe- den gilt: „Während meines Aufenthalts im fehlshaber der Luftwaffe, Hermann Göring, Dulag Luft war ich so dankbar, daß ich über- konnte jedoch die Sonderstellung durchhal- haupt noch am Leben war, daß ich nicht da- ten. Auch die musste in der Regel rüber nachgedacht habe, was Gefangen- außen vor bleiben.

255 Weg dorthin von den Wachsoldaten nicht an der Flucht gehindert, sondern beschützt wer- den vor wütenden Frankfurtern, die „diese Mörder“ totschlagen wollten. Von dort wur- den sie per Bahn nach Wetzlar transportiert. Dem Kommandanten Oberstleutnant Becker hatte das Luftgaukommando das leerstehen- de ehemalige Flak-Lager „Klosterwald“ zuge- wiesen. Dort blieb das „Dulag Luft Wetzlar“ bis zum Ende des Krieges. Im Gästehaus der Siedlerschule waren ab Dezember In Oberursel war ab Herbst 1943 allein 1939 die ersten französischen und britischen Gefan- die Auswertestelle (West) mit ihren spezifi- genen untergebracht. schen Aufgaben tätig, auch wenn bis zum Ende der Name „Dulag Luft Oberursel“ ge- Die Zahl der Gefangenen, die wenige Tage, bräuchlich blieb. Der Luftwaffenführungsstab nur in Ausnahmefällen zwei bis drei Wochen, in Berlin hatte für die Aufklärung der gegneri- in Oberursel waren, nahm im Laufe des Krie- schen Strategie, der Funktionsweise von Na- ges deutlich zu. Waren es 1940 rund 800 Ge- vigationshilfen, die Festlegung der Zielorte fangene gewesen, 1942 schon 3000, 1943 u. v. m. diese Stelle eingerichtet. Hier sollten sprunghaft auf 8000 gestiegen und 1944 gar alle Informationen gesammelt, strukturiert 29 000, so haben insgesamt zwischen 1939 und ausgewertet werden, die für die eigene und 1945 mehr als 40 000 Gefangene die Angriffsplanung, für eine wirkungsvolle Ver- Tore des Dulag durchschritten. teidigung und die Einschätzung der gegneri- Bereits im Herbst 1943 musste das Dulag schen Stärke wichtig waren. Das Durch- Luft aus Platzgründen nach Frankfurt/Main in gangslager diente zunächst der Eingliederung den Grüneburgpark am Palmengarten verlegt der Kriegsgefangenen in das bestehende und werden. Für die Ortswahl war gewiss auch auszubauende Lagersystem, gab aber gleich- die Lage in der Innenstadt maßgebend. Die zeitig die Gelegenheit zur gezielten Informa- Verteidiger Frankfurts erhofften sich davon tionsbeschaffung durch Vernehmung. Diese Schonung vor feindlichen Bomben. Die Gen- und die intensive Arbeit der Beute- und fer Konvention aber verbot Gefangenenlager „im Feuer des Kampfgebietes“ (Artikel 9). Es gab keine Schonung, sondern eine Be- schwerde bei der Schutzmacht Schweiz. Die Piloten wurden zwar über das Lager infor- miert, Rücksichtnahme aber wurde nicht be- fohlen. Im März 1944 trafen Bomben das La- ger, zerstörten die meisten Baracken, und als noch ein brennendes Flugzeug mit seiner Bombenladung hineinstürzte, war das Ende für dieses Dulag gekommen. Weil die Gefan- genen in den Lagerbunkern untergekommen Vor dem Tagungshaus der Siedlerschule (heute: Jean- waren, waren nur zwei tote Offiziere zu be- Sauer-Weg 2), in dem die Kommandantur unterge- klagen. Etwa 500 Soldaten marschierten bracht war, die ersten Vernehmer im Gespräch mit nach Heddernheim und mussten auf ihrem Nachbarskindern Anfang 1940.

256 Nachrichtenauswertung (BUNA) erbrachten das Material, das täglich per Kurier nach Ber- lin geliefert wurde.

Vernehmung (Interrogation)

Im Genfer Kriegsrechtsabkommen (Abkom- men über die Behandlung von Kriegsgefan- genen) vom 27. Juli 1929, das auch im Deut- schen Reich wie bei den Alliierten Gültigkeit hatte, wird in Artikel 2 festgelegt, dass Kriegs- Zur Förderung des Gesprächsklimas gehörten Ausflü- gefangene „jederzeit mit Menschlichkeit be- ge von Gefangenen und einigen Wachsoldaten in den handelt und insbesondere gegen Gewalttä- Taunus, wie hier zum Feldberg (bis 1942). tigkeiten, Beleidigungen und öffentliche Neugier geschützt werden.“ Für eine Ver- wer erklärte diese Soldaten zu „disarmed nehmung mit dem Ziel der Informationsbe- enemies“, zu „entwaffneten Feinden“. Sie schaffung setzte der Artikel 5 einen engen waren keine POWs! Rahmen. „Jeder Kriegsgefangene ist ver- Die Vernehmung war weder durch Härte, pflichtet, auf Befragen seinen wahren Na- Misshandlung oder gar Folter zum Erfolg zu men und Dienstgrad oder auch seine Matri- führen. Nur Freundlichkeit, eine zwanglose kelnummer anzugeben … Es darf kein Atmosphäre, Einfühlungsvermögen und ho- Zwang auf die Kriegsgefangenen ausgeübt her Kenntnisstand vorab brachten Informa- werden, um Nachrichten über die Lage ihres tionen zur Aufklärung. Alle deutschen Offi- Heeres oder Landes zu erhalten. Die Kriegs- ziere, die in diesem Bereich arbeiteten, gefangenen, die eine Auskunft hierüber ver- brauchten als Voraussetzung vertiefte Kennt- weigern, dürfen weder bedroht noch belei- nisse des jeweiligen Landes und der Sprache, digt noch Unannehmlichkeiten oder Nach- von Sport, von Unterhaltung, von kulturellen teilen irgendwelcher Art ausgesetzt werden.“ Eigenarten. Sie sollten wissenschaftlich arbei- Entscheidend für die Gültigkeit des Abkom- ten können und über Kombinationsgabe ver- mens war zunächst die Anerkennung als fügen. Sie sollten ein hervorragendes Ge- Kriegsgefangener. So wurde jeder Soldat, der dächtnis haben, Teamgeist und Neugier. Die in Oberursel ankam, auf seine Identität über- Biographien der Vernehmer waren von gro- prüft, fotografiert und mit einer Nummer regi- ßer Vielfalt: Da war der Firmenvertreter, der striert. Blieben Zweifel an seiner „Echtheit“, jahrelang in Südafrika gearbeitet hatte. Da so wurde ihm ein besonderes Verhör durch war der Literaturprofessor aus Heidelberg, die Gestapo angedroht, die direkt neben dem der bei der Leibesvisitation von Gefangenen Lagerzaun am Eichwäldchenweg ihr „shelter“ gerne Passagen aus „Hamlet“ zitierte. Da (Schutzhütte) hatte. Dies kam einer Todesdro- waren Wissenschaftler, die mehrere Jahre in hung gleich. Spione wurden schnell liquidiert. USA oder in Großbritannien studiert oder ge- Als in den letzten Wochen des Krieges arbeitet hatten. Auch ein Mitglied der deut- abertausende von deutschen Soldaten in die schen Gesandtschaft in Brasilien war Interro- Gefangenschaft der Alliierten gerieten, ver- gator. Ein Dozent für englische Geschichte weigerten diese die Anerkennung als „Priso- von der Universität Gießen begrüßte jeweils ner of War“, um die Pflichten der Genfer die Neuangekommenen. Konvention zu umgehen. General Eisenho- Die beiden Kommandanten, Theo-

257 dor Rumpel (1939 –1941) und Oberstleutnant sorgte für den Rheinwein und den Cognac, Erich Killinger (1941 –1945) hatten ebenfalls obwohl Alkohol in Gefangenenlagern streng für ihre Aufgaben besondere Eignung: Theo- verboten war. Auf ausgedehnten Spaziergän- dor Rumpel war ausgezeichneter Flieger mit gen, z. B. zum Forellengut, führten Rumpel herausragenden Leistungen im Ersten Welt- und Day Gespräche, die Major Rumpel unter krieg in der Staffel von Hermann Göring, anderem Kenntnis der Einstellungen der bri- dann Kaufmann und Firmenvertreter in Nie- tischen Bevölkerung zum Krieg vermittelten. derländisch-Indien (Indonesien), perfekt in Harry Day bildete mit einer Gruppe ver- englischer, französischer und holländischer antwortungsvoller Offiziere einen „perma- Sprache, ein weltgewandter Gentleman. Erich nent staff“, einen „Leitungs-Stab“ für das La- Killinger hatte ebenfalls im Ersten Weltkrieg als ger. Er sorgte für die Begleitung der Neuan- Flieger gekämpft, war gleich zu Beginn in rus- kommenden, die noch unter dem Schock sische Gefangenschaft geraten und aus Sibi- des Absprungs standen. Der Stab sorgte für rien geflohen. Durch die Mandschurei und die Verpflegung. Er half, persönliche Proble- China, über Japan und durch die USA, me zu lösen. Im Kommen und Gehen des schließlich über Irland und Norwegen kam er Durchgangslagers mit seiner begrenzten Auf- nach 16 Monaten wieder bei seiner Einheit in enthaltszeit bildete er den ruhenden Pol. Der Kiel an. Er war also ein Soldat, der aus eigener deutsche Kommandant gab einen großen Erfahrung alle Schrecken und Herausforde- Entscheidungsspielraum. Da gemäß interna- rungen von Gefangenschaft kannte. Bevor er tionaler Vereinbarung Soldaten auch in Ge- am Beginn des Krieges zum Luftwaffenkom- fangenschaft „aktiv“ bleiben sollen und die mando nach Berlin geholt wurde, war er in Rangordnung weiter gilt, war Harry Day als der Wirtschaft, wo er, sprachbegabt und ver- ranghöchster Offizier der Vorgesetzte des antwortlich tätig, beachtlichen Erfolg hatte. – permanent staff. Das war insoweit eine expo- Beide Kommandanten waren übrigens nie nierte Position, dem Verdacht der Begünsti- Mitglied der NSDAP. gung durch die Deutschen ausgesetzt, als das Die Aufgabe der Vernehmung war schwie- Wohl der Gesamtheit des Lagers über dem rig, aber im Laufe der Monate wurden die oft sehr egoistischen Verhalten der Einzelnen Vorgehensweisen und die Techniken verbes- stehen musste. Die Anschuldigungen trafen sert und vervollkommnet. Der Anfang im De- H. Day sehr hart, auch diejenigen Offiziere, zember 1939 war noch fast familiär. Kom- die ihm später in dieser Funktion folgten. mandant Rumpel begrüßte den ersten briti- Im Ablauf der Registrierung der ankom- schen Gefangenen, Wing Commander Harry menden Gefangenen gehörte ein Fragebo- Day, mit den Worten: „Oberstleutnant Day, gen mit der Überschrift „International Red es tut mir sehr leid, daß wir uns auf diese Art Cross Committee, Geneva, Switzerland – Ar- begegnen, ich als ihr Kommandant, sie als rival Report Form“ und mit dem Zeichen des mein Gefangener. Seien sie versichert, daß Roten Kreuzes zum Ritual. Er wurde dem ich im Rahmen meiner Pflicht, sie in Gefan- Gefangenen vom Empfangsoffizier vorgelegt, genschaft zu halten, das Leben für sie und der den Eindruck eines Mitarbeiters des Ro- ihre Offiziere so vernünftig und so ,normal‘ ten Kreuzes erwecken wollte. Die Angaben wie irgend möglich machen will.“ Zu Weih- seien wichtig, um den Vorgang der Mittei- nachten 1939 waren zwölf Gefangene im La- lung, z. B. an die Angehörigen, ordnungsge- ger, Briten und Franzosen. Sie feierten ge- mäß abwickeln zu können. Die drei ersten meinsam mit einem Festessen, an dem zeit- Fragen entsprachen den Regeln der Genfer weise auch der Kommandant teilnahm. Er Konvention. Alle folgenden 26 Fragen gingen

258 darüber hinaus. Da wurde nicht nur nach den Angehörigen und deren Adresse gefragt, sondern auch nach dem Familienstand, dem Beruf, dem Verdienst und vielen Einzelheiten zur Luftwaffen-Zugehörigkeit und zu den Umständen des Absturzes. Fast alle Gefange- nen erkannten sowohl den Fragebogen wie die Zugehörigkeit zum Roten Kreuz als Fäl- schung und lehnten weitere Antworten über die ersten drei Fragen hinaus ab. Für den auf- nehmenden Sonderführer war dies Anlass zu strengen Ermahnungen oder Drohungen. Der Vorgang war jedoch in erster Linie ein Test zur Persönlichkeit, zur Charakterisierung des Gefangenen. Die Notizen auf der Rück- seite des Fragebogens waren wichtig. Sie nannten nicht nur den Namen des vorge- schlagenen Vernehmers, sondern auch mög- liche Ansatzpunkte für die Befragung. Die Unterbringung erfolgte in der Regel in Einzelzellen, um den Gefangenen in seinem Grübeln und Nachdenken allein, ohne Kon- takt zu Mitgefangenen, zu lassen. Erst nach Skizze einer Zelle (ca. 3 m x 2,10 m) in der jeder Ge- fangene vor und während seiner Vernehmungszeit der Vernehmung konnte er zum Durchgangs- allein eingeschlossen war. lager wechseln. Der Zellenbau wurde „coo- ler“ (Kühler) genannt. Um die Ergebnisse der Befragungen ver- zwanglose Gespräche, die auch wichtige In- gleichbar und auswertbar zu machen, waren formationen bringen konnten. Gelegentliche alle Vernehmer gehalten, sich an folgenden Besuche im Oberurseler Schwimmbad an Punkten zu orientieren: heißen Tagen brachten ebenfalls Kontakt- 1. Zu welcher Staffel oder Einheit gehörte möglichkeiten. Vor allem aber dienten solche der Gefangene und welche Funktion hat- „walks on parole“ – Ausgang auf Ehrenwort – te er dort? dem „Betriebsklima“ im Lager. Sie schufen 2. Ziel und Auftrag des Fluges, Ereignisse eine Atmosphäre gegenseitiger Wertschät- während des Fluges zung, auch wenn die Bedingungen sehr un- 3. Neue Ausrüstung (z. B. für Navigation) terschiedlich waren. Die Zugehörigkeit zur und neue Methoden des Angriffs Luftwaffe, der britischen wie der deutschen, 4. Verluste und Nachschub war ein weiteres Element solcher Wertschät- 5. Training und Verlegungen nach Europa zung. Trotz der stetig wachsenden Zahl der oder Afrika Befrager von 3 im Frühjahr 1940 bis zu 65 6. Moral der Truppe und in der Bevölkerung Ende 1944 wurde die Charakteristik der Ver- nehmungen beibehalten. Besonders in den Jahren 1940 – 42 gaben Insgesamt war für die zu lösenden Aufga- Ausflüge zu Zielen im Taunus wie Feldberg, ben der Auswertestelle die Abteilung „Ver- Sandplacken, Forellengut Gelegenheit für nehmung“ nur mit ca. 20 % beteiligt. Die

259 wesentlichen Daten und Informationen lie- der Inhalt der Taschen der Gefangenen bear- ferte die Beute- und Nachrichtenauswer- beitet: Ladelisten für Bomben, persönliche tung, die von Monat zu Monat erweitert, ver- Tagebücher, Notizen, die sich Piloten bei der vollständigt, ertragreicher wurde. Einsatzbesprechung gemacht hatten, Land- karten mit Einzeichnungen, Essensmarken Beute- und Nachrichtenauswertung (BUNA) für die Kantine, Namen und Adressen von Kameraden, Gruppenfotos, Ausweise und Eine sehr starke Ausweitung, Differenzierung vieles mehr. Es bestand zwar die strikte An- und Spezialisierung erfuhr die Arbeit der weisung, keinerlei Dokumente auf den Ein- BUNA. Zu Beginn des Krieges waren Leis- satz mitzunehmen, aber die Ausführung tungsfähigkeit der Flugzeuge und technische blieb lückenhaft. Ausrüstung auf niedrigem Stand. Auf beiden Eine besondere Kategorie bildeten die Seiten wurde energisch an Verbesserungen Fluchtmittel, die bei der Leibesvisitation ge- gearbeitet. Die Reichweite der Flugzeuge funden und kassiert wurden. So heißt es z. B. war zu verlängern, die Traglasten zu vergrö- im Kriegstagebuch des Abwehroffiziers (A. O.) ßern, die Orientierungshilfen zu verbessern, am 19. 6. 42 (S. 9): Fluchtkarte (auf Seide) – die Zielgenauigkeit zu erhöhen und die Be- unter der Einlegesohle links, 20 Gulden, waffnung zu verstärken. Im Wettlauf der Ent- 1000 frz. Francs – unter der Einlegesohle wicklungstechniker und der Luftstrategen rechts, eine Stahlsäge offen – im Hosenbund war es wichtig, die Fortschritte des Gegners rechts, eine Stahlsäge in Gummi – im Hosen- zu kennen. Aufklärung bekam einen hohen bund links, ein Kompass – im Hosenschlitz, Stellenwert. Die BUNA in Oberursel war Tabletten gegen Übermüdung – im Leibgurt. eine Zentrale solcher Aufklärung. In der Regel waren auch Passbilder des Flie- Alle Informationen zu den einzelnen Staf- gers in Zivil zu finden, die für die Ausweise feln der Royal Air Force, später auch der US- Flüchtender gebraucht wurden. Da die Foto- Airforce in England, wurden bei der Staffel- grafen auf den einzelnen Flughäfen stets bei Geschichte zusammengetragen: Auf wel- ihren „Kunden“ die gleichen Anzüge und Kra- chem Flugplatz war die Einheit stationiert? watten verwendeten, gaben sie den Auswer- Mit welchen Maschinen war sie ausgerüstet? tern Hinweise auf die Staffelzugehörigkeit. Wer war von den Offizieren, wer von den In der „Gelben Kartei“ waren einschlägige Mannschaften bekannt, z. B. durch Aus- Namen und biographische Daten, alphabe- zeichnungen? Welche Ausrüstungen standen tisch geordnet, die aus Zeitungsmeldungen, speziell dieser Staffel zur Verfügung, bzw. Verzeichnissen und zensierten Briefen stamm- wurden erprobt? ten. Auch diese Kartei war Hilfsmittel für die Die Sammlung der Unterlagen sollte mög- Vernehmer, um vertieftes Wissen über den lichst auch in Details breit angelegt sein. Sie Hintergrund der Gefangenen zu präsentieren. sollten eine Hilfe für die Vernehmung sein, Im Foto-Labor wurden nicht nur die Bil- zum einen um den Gefangenen zuordnen zu der entwickelt, die in der Aufnahme- und können, zum andern um bei ihm den Ein- Registrierungsroutine von den Gefangenen druck von großem Wissen zu erwecken. Die angefertigt wurden, sondern auch Filme aus Liste der Staffelzuordnung durch die Kenn- automatischen Kameras, die in abgestürzten zeichen auf dem Rumpf der abgestürzten Maschinen gefunden wurden. Maschinen war schnell entschlüsselt. In einem Kartenraum wurden nach In der „Auswertung Dokumente“ wur- gründlicher Auswertung alle Karten bereit ge- den das Bergungsgut aus den Wracks und halten, die für die Rekonstruktion von Flug-

260 Blick vom Gemeinschaftshaus des Siedlungshofes aus: links die drei Baracken des Durchgangslagers, in der Mitte schräge von vorn nach hinten langgestreckt die BUNA, dahinter die Vernehmungsbaracken, rechts die Kommandantur (früher Bieneninstitut und Tagungshaus). Die Baumreihe im Hintergrund gehört zur Hohe- markstraße. (Stand: 1944) routen des Feindes und seiner Ziele, sowohl der Anlage überhaupt verwertbares Material ausgeführt wie geplant, bedeutend waren. lieferten und wie lange sie funktionierten. Sie waren Hilfsmittel für die Vernehmer, vor Für die laufende Berichterstattung nach allem aber auch für die Planer von Abwehr Berlin, die täglich erfolgte, waren zwei „Lis- und Verteidigung im Führungsstab in Berlin. ten“ wichtig: Zum einen die im Angriffs- Eine vorzügliche Quelle der Aufklärung Raum erarbeitete aktualisierte Karte mit den waren die Funk-Abhör-Stelle und ihre Ar- britischen und amerikanischen Luftoperatio- beitsergebnisse. Im ersten Stock des alten nen, mit Zielen, Flugrouten, Zahl der betei- Gästehauses hatte Major Barth, der zufällig ligten Flugzeuge und Ergebnissen. Zum an- als Begleiter einer Gefangenengruppe im deren das Absturzverzeichnis: Jeder Absturz Frühjahr 1942 in das Dulag Luft kam, seine eines feindlichen Flugzeuges erhielt eine Empfangsgeräte aufgebaut. Er konnte den Nummer und eine Beschreibung mit Flug- Funkverkehr zwischen Bodenstation und flie- zeugtyp, Ort und Besatzung, Tote und Über- genden Maschinen abhören, ebenso wie den lebende (Gefangene). Dieses Verzeichnis war zwischen den Maschinen in der Luft. Rund auch die Grundlage für die Informationen, um die Uhr wurde von den sprachgewand- die der Zentrale des Internationalen Roten ten Mitarbeitern sowohl auf Band aufge- Kreuzes in Genf übermittelt wurden. zeichnet, wie stenografisch festgehalten und Wie eng Vernehmungen und BUNA mit- anschließend ausgewertet, was für die Auf- einander verzahnt waren, zeigt beispielhaft klärung wichtig war. Für die täglichen Berich- der Bericht eines Gefangenen, Oberleutnant te des Kommandanten zum Führungsstab W. A. Purcell, abgeschossen am 20. 7. 1944 nach Berlin waren dies wichtige Beiträge. in Belgien, zunächst geflohen, nach zehn Ta- Für das Lager selbst bestand zunächst die gen verraten und gefangen, schließlich im Absicht, die Schlafräume der Gefangenen Dulag Luft: und einige Gruppenräume mit Abhör-Mikro- „Im Verlauf der Vernehmung fragte mich phonen zu versehen, um aus den Unterhal- der deutsche Offizier, ich möge ihm doch tungen Informationen zu bekommen. Heute mal den Umgang mit dem fishpond (vermut- ist aber nicht mehr zu klären, welche Teile lich einer Navigationshilfe, M. K.) zeigen – Zu dieser Zeit streng geheim! Als ich ablehn-

261 bombardements der britischen Verbände ausführlich diskutieren. – Bei dieser Arbeits- weise waren die täglichen Lagebesprechun- gen der verantwortlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine unverzichtbare Vor- aussetzung. Mit der zunehmenden Zahl die- ser Mitarbeitenden wurde jedoch das Instru- ment so schwerfällig, dass die Irritationen in den einzelnen Arbeitsgebieten im Herbst 1944 deutlich zunahmen.

Die Bauten des Durchgangslagers

Im Herbst 1939 versuchte des Luftgaukom- mando XII in Wiesbaden Gelände südlich des Siedlungshofes zur Hohemarkstraße hin für ein Gefangenenlager zu erwerben. Die Gausiedlerschule, die erst vor wenigen Mo- naten durch Reichsorganisationsleiter Dr. Ro- bert Ley zum Reichssiedlungshof erklärt wor- den war, wollte kein Gelände abgeben, und die Luftwaffe musste mit Enteigung drohen. In einem Kompromiss blieb das Zentrum des Durchgangslagers vor dem Siedlungsbereich. Lage und Funktion der wichtigsten Gebäude, Stand Im Herbst 1939 nahm die Kommandantur Sommer 1944. Das Hauptdurchgangslager war zu im Tagungshaus der Siedlerschule Quartier dieser Zeit bereits in Wetzlar. (Plan 02). Das Gästehaus wurde eingezäunt, die Fenster vergittert, und die ersten französi- te, sagte er: ,Dann will ich’s ihnen zeigen.‘ schen, gefangenen Luftwaffenoffiziere konn- Wir gingen in den Raum nebenan, wo er ten einziehen. Zwölf kleine Zimmer waren einen fishpond aufgebaut hatte, der ord- im Erdgeschoss und Speise- und Aufenthalts- nungsgemäß arbeitete. räume im ersten Stock (Plan 01). Ab 1942 Soweit zu unserem streng geheim! – Er griff war in diesem Gebäude die Funk-Abhörab- dann zu einer Akte, 15 cm dick, beschriftet teilung untergebracht. 626. Staffel und zeigte mir Fotos von Wicken- Die Landesschützenkompagnie, die zur by, wo die Flugzeuge abgestellt waren. – Er Bewachung eingesetzt war, hatte den ständi- wußte mehr über die 626. Staffel als ich!“ gen Aufenthalt im Hotel „Waldlust“. Je nach Solche Situationen waren es, die die Ver- Dienstplan hielten sie sich im Wachhaus nehmer anstrebten: Der Gefangene bekam (Plan 06) auf. den Eindruck, dass die deutschen Offiziere Kommandant Theodor Rumpel übernahm sowieso schon alles wüssten. Dann könne seine Aufgabe am 7. 12. 1939 und betrieb man mit ihnen auch ganz offen reden. energisch den Bau von drei Baracken. Ein Am 24. 2. 1944 konnten zum Beispiel besonders harter Winter und die Knappheit Vernehmer die Arbeitsweise und den Einsatz von Baumaterial verzögerten die Fertigstel- der „Pfadfinder“ für die nächtlichen Flächen- lung bis in das Frühjahr 1940. In der westli-

262 chen Baracke waren 14 Zimmer mit Doppel- wurde „shelter“ (= Bunker) genannt. Von belegung sowie für den SBO (Senior British dort aus beobachteten die Beamten argwöh- Officer). Auch die Waschräume waren dort nisch das Lager. Sie wurden tätig, wenn ver- untergebracht. In der Mittel-Baracke befan- dächtige Personen, die ihre Zugehörigkeit den sich 15 Zimmer für je 15 Gefangene. zur feindlichen Luftwaffe nicht zweifelsfrei Hauptküche, Speise- und Aufenthaltsräume nachweisen konnten, vom Lager überwiesen sowie ein Lagerraum waren in der östlichen wurden. Dann gab es strenge Verhöre unter Baracke (s. Plan Ziff. 03). Das Gelände war Androhung der Todesstrafe und Einschluss im mit einem doppelten Stacheldrahtzaun und Bunker. Im Kriegstagebuch wird ausführlich drei Wachtürmen gesichert. eine Untersuchung im Mai 1943 beschrie- Durch ein Gatter und einen einfachen ben, die dem Verdacht nachgeht, Soldaten Zaun gelangte man auf die Schafweide des aus der Wachkompagnie hätten Postpakete Siedlungshofes, die für Sport, vor allem Fuß- und Päckchen unterschlagen. Die Eintragung ball, der Gefangenen genutzt wurde. Der am 9. Mai durch den Abwehroffizier beginnt Bretterverschlag, der als Stall für die Schafe mit dem erleichterten Satz: „Heute keine diente, war mehrfach Startpunkt für die Gestapo!“ Flucht Einzelner, weil der Zaun leicht zu Für die Versorgung der alliierten Gefange- überwinden war (Plan 07). nen war der regelmäßige Empfang von Rot- 1942 entstand eine erste Erweiterung: Für Kreuz-Paketen lebenswichtig. Neben den die BUNA war südlich der Kommandantur Standard-Lebensmittelpaketen gab es solche ein flaches, lang gestrecktes Gebäude erbaut mit medizinischem Inhalt, mit Zusatzge- worden (Plan 04 – Nordteil). Westlich davon schenken der Angehörigen an konkrete Per- entstand die V. E. Baracke (Vernehmungsen- sonen, mit einem breiten Sortiment für die klave), lang gestreckt mit zwei Seitenflügeln, Neuankömmlinge. Allein das Britische Rote auch „Cooler“ genannt. Mit 103 Einzelzellen Kreuz schickte während der gesamten war dieses die erste Unterkunft für alle Neu- Kriegsdauer auf Wegen über Portugal und angekommenen vor und während der Ver- Schweden 19 663 186 Pakete, nicht gezählt nehmung. Jede der Zellen war ca. 3,10 m die aus dem Commonwealth wie Canada, lang, 2,00 m breit und 3 m hoch. Die beiden Australien etc. Zur Lagerung der Pakete, die Fensterflügel mit Sprossen und Blindglas wa- den Gefangenen in Dulag Luft zugeteilt wa- ren nur mit einem besonderen Schlüssel zu ren, wurde ein besonderes einfaches, aber öffnen. Das Klappfenster darüber konnte für gut gesichertes Gebäude errichtet (Plan 12). Frischluft geöffnet werden, zunächst durch Eingang, Bestandskontrolle und Ausgabe den Gefangenen selbst. Die Möblierung be- wurden durch die Lagerleitung (permanent stand aus einem schmalen Bett mit Stroh- staff) der Gefangenen vorgenommen. sack, einem Tisch und einem Hocker. Wollte Nicht nur die Zahl der Gefangenen nahm der Gefangene einen Wachmann rufen, seit Beginn des Jahres 1943 von Monat zu dann musste er einen Türknopf bedienen, Monat zu, auch die Zahl der Mitarbeiter und worauf draußen am Gang ein roter Signalarm Mitarbeiterinnen, militärisch und zivil, herunterging, der das Zeichen weitergab. wuchs. In einem dritten Bauabschnitt wurde Jede Zelle hatte einen elektrischen Heizkör- der Cooler um 30 Einzelzellen und erforder- per. liche Funktionsräume erweitert. Die BUNA Östlich des Eichwäldchenwegs hatte die erhielt südlich vom bisherigen Gebäude ein Gestapo eine Baracke (Plan 10) mit Büros, ebenso großes neues. Die Offizierskantine einem Verhörraum und einem Gefängnis. Sie befand sich im Bereich der Kommandantur,

263 chischen Leiden vom Kriegsschauplatz ka- men, wurden versorgt. Wenige Wochen spä- ter kam dazu noch das Lazarett für die Ge- fangenen des Dulag Luft mit 70 Betten, zur besseren Bewachung auf wenige Gebäude konzentriert. Der Betrieb musste also drei unterschiedlichen Aufgaben und Patienten- gruppen gerecht werden. Einer der ersten Patienten in der Hohe Mark war Flugoffizier Don Blew, dessen In der Halle von Haus „Feldberg“ in der Klinik konn- Whitley am 11./12. Mai 1940 von der Flak ten bei festlichen Gelegenheiten verwundete Gefan- getroffen und in Brand gesetzt worden war. gene, Sanitäter, Helfer und Mitarbeiter zusammen- Er war der einzige Überlebende dieses ersten kommen. Bomberabsturzes innerhalb Deutschlands. Mit Splittern im Fuß wurde er ins Dulag Luft und zur Hohemarkstraße hin wurden für überführt und zur Hohe Mark gebracht. Fünf Vernehmer, Sicherheitsoffiziere, Zivilange- Wochen nach der Operation wurde er als stellte u. a. sechs Wohnbaracken gebaut. gehfähig eingestuft und zum Stammlager Ende 1944 arbeiteten auf dem Gelände transportiert. ca. 550 Personen, die Gefangenen nicht ein- Verletzungen durch Luftkampf, durch Ab- gerechnet. Die Raumnot war von Beginn an sprung und Landung waren häufig. Es gab groß und blieb es bis zum Schluss. z. B. Brand- und Schusswunden, Splitter im Körper, Beinbrüche und Gelenkverletzun- Lazarett Hohe Mark gen. Bei den Neuankommenden wurden stretcher-cases (= nur auf einer Trage trans- Im Jahre 1904 hatte nahe bei der Hohe Mark portfähig) direkt zur Hohe Mark gefahren Prof. Dr. Adolf Friedländer eine „Privatanstalt und dort versorgt. Gehfähige wurden wie für Nerven- und Gemüthskranke“ eröffnet. ihre gesunden Kameraden in Einzelzellen ge- Nach einer wechselvollen Geschichte war sperrt. An der Tür wurde dann ein auffälliges bei Kriegsbeginn 1939 der Deutsche Ge- Rote-Kreuz-Zeichen angebracht, damit bei meinschafts- Diakonieverband Marburg Trä- dem morgendlichen Rundgang des Arztes ger der Klinik, die als „Kuranstalt Hohe Mark oder Sanitäters die erforderlichen Untersu- für nervöse und seelische Leiden“ Kranke chungen oder Behandlungen eingeleitet aufnahm und ärztliche Hilfe bot. Die Pflege werden konnten. Die erste Frage, die ent- und der Wirtschaftsbetrieb lagen in den Hän- schieden werden musste, war, ob ein Ver- den von Diakonissen. bleib im Dulag zumutbar oder ein stationärer Auf Anordnung der wurde die Aufenthalt in der Klinik erforderlich war. Hohe Mark im August 1939 zum Reservela- Die Entscheidung trafen die Ärzte. Ober- zarett mit 170 Betten umfunktioniert. Auch stabsarzt Dr. Kurt Spangenberg war auch für das Hotel Hohe Mark, die Hotels „Schützen- das Reservelazarett der Wehrmacht zustän- hof“ und „Reichshof“ und die Reichsschu- dig. Speziell für die alliierten Gefangenen lungsburg (Villa Gans) in der Stadt waren war ab Mai 1943 Dr. Ernst W. Ittershagen diesem Lazarett zugeordnet. Vor allem Sol- verantwortlich, ein junger, fließend englisch daten, die nach einem Nervenzusammen- sprechender Orthopäde. Er musste für die bruch, nach einem Schock oder einem psy- Patienten in der Hohe Mark auch die zweite

264 Frage beantworten: Ist der Gefangene auf suche verhindern sollten, nicht irre machen dem Weg der Besserung und Heilung, dann lassen. Auch Gefangene hatten Achtung ver- kommt er mit dem nächsten Transport in ein dient! Stammlager. Muss er noch länger behandelt Am 19. März 1945 kam die Mitteilung, werden, dann ist er in das Luftwaffenlazarett dass in Frankfurt ein Zug bereitgestellt werde, Obermassfeld (Thüringen) zu überführen. um die Verwundeten von Hohe Mark über Dort waren im Blick auf die Behandlungs- 240 km östlich nach Obermassfeld zu brin- möglichkeiten wie auf die Bewachung besse- gen. Ein Gefangener schreibt: „Die Fahrt hät- re Bedingungen. So konnten z. B. in der te für viele von uns den Todeskuß bedeutet. Hohe Mark keine Röntgenaufnahmen ge- Züge waren ein bevorzugtes Ziel der Tiefflie- macht werden. Die Patienten mussten nach ger. Das hätten wir nicht überlebt.“ Ein Sani- Frankfurt gefahren werden. täter, Obergefreiter Walter Schaar aus Bad Den Ärzten standen drei deutsche Sanitä- Homburg, bestellte den Transport ab. Der In- ter und vier britisch/amerikanische Hilfspfle- halt von Rote-Kreuz-Paketen half bei der ger zur Seite. Überredung. Damit hatte er das Leben vieler In einem Prozess nach Kriegsende gegen gerettet! Ein Voraustrupp der US-Army be- Verantwortliche des Dulag Luft trat Flug- freite schon drei Tage vor dem Einmarsch in Commodore Ronald Ivelaw-Chapman als Oberursel die Gefangenen in der Klinik Zeuge auf. Er gab eine ausführliche Beschrei- Hohe Mark. bung des Lazaretts Hohe Mark und war voll des Lobes. Er war dort im Mai 1944 mit einer Flucht ausgekugelten Schulter eingeliefert worden. 60 Tage hatte ihn die Gestapo in Frankreich In den Instruktionen für Offiziere und Mann- brutal verhört und ohne medizinische Ver- schaften, die in Gefangenschaft geraten, war sorgung gelassen. In zwei Operationen konn- festgelegt, dass sie jede Gelegenheit zur te Dr. Ittershagen die Schulter wieder in Ord- Flucht suchen und wahrnehmen sollten. Die nung bringen. Der Gefangene sagte später: Genfer Konvention regelte deshalb, dass „He practised medicine in the highest traditi- nach einer gescheiterten Flucht keine beson- on of his profession!“ Schon in Frankfurt hat- deren Bestrafungen erlaubt waren. Ein oder te Ittershagen Erfahrungen mit dem Einsatz zwei Wochen in Einzelhaft bei Wasser und von Edelstahl-Nadeln bei Mehrfach-Kno- Brot und Wegnahme von Vergünstigungen chenbrüchen sammeln können. Er nutzte war alles. Auch im Dulag Luft gab es Flucht- diese Methode auch für die Behandlung von versuche, die in keinem Fall zu einem Gefangenen. Rang, Abstammung, Nationali- „home-run“ (= Ankunft in der Heimat) führ- tät und Religion bei den Patienten spielte für ten. Durch die begrenzte Aufenthaltsdauer ihn keine Rolle. war in Oberursel kein Tunnelbau zu planen In allen Berichten von Soldaten, die nach und auszuführen. dem Krieg ihre Erlebnisse auch in Hohe Mark Ein Unternehmen gelang jedoch und er- aufgezeichnet haben, werden die Diako- langte in der Geschichte der Fluchtversuche nissen wegen ihrer freundlichen, verständ- als erste „Massenflucht“ im Zweiten Welt- nisvollen, geduldigen Zuwendung für die krieg weithin Beachtung. körperlichen und seelischen Schmerzen Das Team der Lagerleitung, das gefangene der Gefangenen gepriesen. Sie haben sich Offiziere gemäß ihrem Rang bildeten und selbstbewusst von dem herrischen Auftreten das ständig in allen Fragen der Ordnung, der der deutschen Wachsoldaten, die Fluchtver- Nahrungsversorgung, der Unterbringung mit

265 einem Frankfurter Gefängnis sahen sie sich wieder. , der fließend deutsch sprach, hatte es bis an die Schweizer Grenze nach Stühlingen bei Schaffhausen geschafft. Am Tage vor der Fahrt in das Stammlager Barth kam Major Rumpel, um ihnen good- bye zu sagen. Sie fragten nach den Schwie- rigkeiten, die er jetzt wohl haben werde, aber er meinte: „Macht euch darüber keine Gedanken. Ich hätte an eurer Stelle das Glei- che getan. Zu fliehen ist die Aufgabe eines Drei Gefangene, die zu den Tunnelbauern gehörten. Gefangenen!“ – Im Zug fanden sie bei ihrer Roger Bushell (Mitte) wurde 1944 in Sagan nach einer Massenflucht mit 49 Kameraden auf Befehl Marschverpflegung ein Kistchen Champa- Hitlers erschossen. gner mit einem Zettel daran: „Mit Empfeh- lung von Major Rumpel.“ Gegner Rumpels und der Luftwaffe, wie dem deutschen Lagerkommandanten zu- Heinrich Himmler, versuchten, die Führung sammenarbeitete, fasste im Juli 1940 den des Dulag Luft in die Zuständigkeit der SS zu Plan zum Ausbruch durch einen Tunnel. Sie bringen. Rumpel sei ein anglophiler Un- begannen in der westlichen Baracke, öffne- ruhestifter, der eine solche Massenflucht er- ten unter einem Ofen den Fußboden und möglicht habe. 3000 Polizisten und Soldaten legten den Einstieg langsam fallend so, dass hätten in die Suche eingeschaltet werden am Rande der Baracke der Tunnel ganz unter müssen. Hier sei der falsche Mann in einer der Erde lag. Fast 60 m weit gruben sie durch Schlüsselposition! steinigen, festen Boden unter dem Zaun, un- Das Lager blieb dank Görings Intervention ter dem Wachturm hindurch, nutzten den bei der Luftwaffe, aber Rumpel wurde zu Rohrdurchfluss des Dornbachs unter der einer Ausbildungseinheit an die polnische Siedlerstraße (heute Camp King Allee) und Grenze versetzt. erreichten an der Straßenböschung jenseits Danach wurde alle zwei Wochen das La- des Lagers das Freie. Ein Geologe legte die ger auf Ausbruchsversuche hin untersucht, Richtung fest. Die Grabung mit mangelhaf- jedoch ohne besondere Erkenntnisse. Im tem Werkzeug wie leeren Dosen, Esslöffeln, Grunde waren bei der kurzen Aufenthalts- Holzstücken und Bechern war mühsam. Die dauer auch nur spontane Versuche erfolg- Erde musste in den Hosen der Grabenden reich. Ein Beispiel nennt das Kriegstagebuch ins Freie getragen und im Gelände unauffällig vom 26. Juli 1942: verteilt werden. Frost im Winter, Hochwasser „In der Nacht vom 25. auf den 26. 7. 42 ist im Frühjahr und ein Felsbrocken verzögerten der französische Corporal Monhot, Jaques die Fertigstellung. Erst am Pfingstmontag aus Zelle 19 der Vernehmungsbaracke ausge- 1941, zehn Monate nach dem Beginn, konn- brochen. Er hat das Oberlicht geschickt aus- ten 18 Gefangene fliehen. Wegen des Feier- gehängt und sich durch die oberen Eisenstäbe tags war die Wache reduziert. Das Wetter der Zelle hindurchgezwängt. Nur ein Mann war gut, und um 21 Uhr, drei Stunden vor mit schmalem Kopf kann das. An einem Vollmond, konnte der erste Gefangene den Oberarm oder einer Schulter muß er sich auf- Tunnel öffnen und hinaus kriechen. Alle geschrammt haben, denn am Rand des obe- Flüchtlinge wurden aber wieder gefasst. In ren Fensterrahmens hing ein kleiner Hautfet-

266 zen. Uniformrock und Hemd waren noch in der Zelle. Corporal Monhot ist also nur mit einer Hose bekleidet geflohen. Er ist am 19. 10. 1911 in Cherbourg geboren und am 19. 6. 1942 in Kreta gefangen genommen worden. Telefonisch wurden benachrichtigt: (– Es folgen, angefangen bei der Polizei, Ober- ursel, bis zur Wasserpolizei, Mainz, 19 Dienststellen) 27. 7. 1942: der franz. Kriegs- gefangene Monhot ist in Weilbach bei Edders- heim, Strecke Frankfurt/M. – Wiesbaden, wie- der ergriffen worden. Er befindet sich im Ge- wahrsam der Bürgermeisterei. Fdw. Lampe Drohend hat der Fotograf das MG auf dem Wach- turm in den Vordergrund gesetzt. Im Mittelgrund das holt ihn morgen früh ab.“ BUNA-Gebäude, rechts die Kommandantur, heute Jean-Sauer-Weg 2. Keine der folgenden Fluchten führte über die Grenze. aufgebrachte Mob auf die Gefangenen, jagte Wut sie durch die Straßen und prügelte mit Be- senstielen, Stöcken, Eisenstangen und Zaun- Je mehr sich in Deutschland die nächtlichen latten auf sie ein. Die deutschen Soldaten Flächenbombardements häuften, Wohnge- machten keinen Versuch, dem grausamen biete in Trümmer fielen und Frauen und Kin- Treiben Einhalt zu gebieten. Die leblosen Kör- der getötet wurden, desto mehr wuchsen die per wurden anschließend auf einen Heu- Ohnmachtsgefühle, die Angst und die Wut wagen geworfen und sollten zum Friedhof ge- auf die „Luftterroristen“, die Wehrlose ver- schafft werden. Als wegen eines erneuten An- nichteten. Wenn dann Piloten abstürzten griffs die Mörder von ihren Opfern abließen, und gefangen genommen wurden, dann konnten zwei der Mißhandelten, die sich tot wurden sie häufig Ziel wütender Attacken gestellt hatten, die Gelegenheit zur Flucht aus der Bevölkerung. Etwa 350 gefangene nutzen. Sie rannten um ihr Leben. Am Rhein Angehörige der britischen und amerikani- wurden sie festgenommen und anschließend schen Luftwaffe erreichten nicht lebend das nach Oberursel gebracht. Ihre sechs gelynch- Gefangenenlager. ten Kameraden wurden in Rüsselsheim ver- Ein bekannter Vorfall ereignete sich am scharrt.“ 26. August 1944 in Rüsselsheim. Im Bericht Sowohl die Vernehmer, wie die Wach- heißt es: „Ein Gefangenentransport traf per mannschaften, wie die militärischen und zi- Bahn am Stadtrand ein. Die 8 Gefangenen, vilen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der die zwei Tage zuvor in der Nähe von Hanno- BUNA hatten täglich mit den Besatzungsmit- ver abgeschossen worden waren, sollten in gliedern solcher Flugzeuge zu tun, die weni- das Lager bei Oberursel überführt werden. Da ge Tage vorher die Spreng- und Brandbom- die Gleise in Rüsselsheim zerstört waren, ben mit ihrer zerstörerischen Kraft auf deut- mußten die Amerikaner zu Fuß durch die sche Städte abgeworfen hatten. Da war es Stadt gehen, um einen anderen Zug zu bestei- schon manchmal schwierig, überhebliches, gen. Sie wurden von drei Luftwaffensoldaten provozierendes Verhalten, freche Bemerkun- bewacht. In der Innenstadt stürzte sich der gen und Aufsässigkeit von Gefangenen gelas-

267 sen hinzunehmen. Es gab jedoch zu keiner fügig, sondern in einer ernsten, brutalen, be- Zeit Misshandlungen. Ein Report des US- rechnenden Art. Die fünf Angeklagten Kriegsministeriums sagte im November arbeiteten in Dulag Luft zu den Zeiten, in 1945: „Die Behandlung der Gefangenen im denen das System angewandt wurde. Jeder Verhör war (im Dulag Luft) stets korrekt, so- vernünftige Mensch muß zu dem Urteil kom- weit physische Gewalt beteiligt war.“ Den- men, daß jeder der Angeklagten an den Miß- noch fand vom 26. 11.– 3. 12. 1945 in handlungen kriminell beteiligt war“. Unbe- vor einem britischen Kriegsgericht wiesen blieb auch die Behauptung, eine der „Dulag Luft Prozeß“ statt. solch riesige Menge von Informationen wäre Angeklagt waren Oberstleutnant Erich Kil- an den Luftwaffen-Führungsstab in Berlin linger (Kommandant der Auswertestelle und übermittelt worden, wie sie niemals durch Konzeption), Major Heinz Junge (Leitender einfaches Fragestellen hätte gewonnen wer- Vernehmungsoffizier), Major Otto Böhringer den können. „Entweder war der britische Si- (Leiter der Verwaltung), Leutnant Heinrich cherheitsstandard miserabel, oder die Ver- Eberhardt (Aufnahme der Gefangenen und nehmer in Dulag Luft waren so geschickt in Verbindung zu den Stammlagern), Leutnant ihrem Job. Meinen Sie ernsthaft, daß alle In- Gustav Bauer-Schlichtegroll (Vernehmer). formationen bei freundlicher Behandlung Ihnen wurde vorgeworfen: hätten beschafft werden können?“ Otto Böhringer und Gustav Bauer-Schlich- 1. Überhitzung von Zellen durch die elektri- tegroll wurden freigesprochen. Heinrich sche Heizung auf ca. 50 °C um Gefange- Eberhard wurde zu drei Jahren, Heinz Junge ne zum Reden zu bringen: Geplante und Erich Killinger zu fünf Jahren Gefängnis Überdimensionierung der Heizung zu verurteilt. Alle wurden vorzeitig aus dem Ge- Mißhandlungen. fängnis in Werl entlassen. 2. Drohung mit Überstellung zur Gestapo Bei sorgfältigem Studium der vorliegenden bei lückenhafter Identifikation. Unterlagen, der Dokumente und Berichte, ist 3. Mehrfach Verweigerung einer medizini- heute deutlich, dass hier die Sieger klar für schen Versorgung ihre „armen, heimgekehrten, leidgeprüften 4. Verlängerte Einzelhaft Gefangenen“ Stellung bezogen haben. Es 5. Schläge in einigen Fällen. gibt ja nicht die klare, eindeutige Aussage von Zeitzeugen, die den wahren Sachverhalt Die Anklagepunkte 2 und 4 wurden nach ei- nüchtern widerspiegelt. Da geht der Wunsch ner ersten Prüfung fallengelassen. Die Be- in die Erzählungen ein, als Held dazustehen, weisführung war gründlich, aber aus heutiger das Schreckbild der Gefangenschaft zu ban- Sicht unverhältnismäßig. Es blieb der Vor- nen, dem Hass endlich freien Lauf zu lassen, wurf, dass zwischen dem 16. und 19. Mai den eigenen Ruhm zu verkünden, die ent- 1943 bei sechs Gefangenen eine „Hitze-Be- behrungsreiche Zeit zu verklären. Interessant handlung“ praktiziert wurde und in einem ist in unserem Zusammenhang die Behaup- Fall im September 1944. Keiner der Vorfälle tung von Gefangenen, sie seien ebenfalls war dokumentiert worden. Der „Senior Bri- durch Hitze gefoltert worden, obwohl dies tish Officer“ hatte als zuständige Instanz kei- nachweislich falsch war. Die Fehlerinnerun- ne Beschwerde erhalten. Ziel soll die Erpres- gen, mit denen im individuellen Gedächtnis sung von Informationen gewesen sein. Der ein persönlich gestaltetes Bild konstruiert Ankläger formuliert: „Die Genfer Konvention und weitergegeben wird, sind in diesem Du- wurde in Dulag Luft missachtet, nicht gering- lag-Luft-Prozess klar erkennbar.

268 Neue Herren im Lager

Am 20. März 1945 fuhren Killinger, Offiziere und Gefangene ab nach Buchenbühl bei Nürnberg. Eine kleinere Gruppe von Verneh- mern, Mitarbeitern und Gefangenen nahm den Weg mit ihrer zerstörerischen Kraft Rich- tung Weimar. Brigadegeneral George McDonald schrieb am 11. April 1945 an seinen Freund General Hodges. „Unsere Gruppe erreichte Dulag Luft am Nachmittag des 30. März. Bei der Ankunft fanden wir von der benachbarten Zivilbevöl- kerung viele in den Gebäuden, die ganz mit dem Plündern der Einrichtung beschäftigt wa- ren. Eine Überprüfung aller Gebäude zeigte, daß die Deutschen bei der Räumung sehr gründlich gearbeitet hatten. Alle Akten, Doku- mente, Karteikarten und andere wichtige Un- terlagen waren verschwunden. Die Fußböden waren bedeckt mit nicht mehr zu verwenden- den Formblättern unterschiedlicher Art und Luftaufnahme Dulag vom 13. März 1945, unten quer einigen offiziellen Papieren, die alle mehr als die Hohemarkstraße, durch die Bildmitte die Siedler- straße, heute Camp-King-Allee zwei, drei Jahre alt waren.“ Wenige Tage später lagen gefangene deut- sche Soldaten zu hunderten auf den Wiesen Junge, Otto Böhringer, Heinrich Eberhardt, Gustav vor dem Lager und hofften auf baldige Ent- Bauer-Schlichtegroll (The Dulag Luft Trial). London, 1952 (War Crimes Trials Series. 9.). lassung. Kein Dach über dem Kopf, keine Elberskirch, Ludwig: Beutepapierauswertung und Ge- sättigende Mahlzeit, keine Liegestatt, keine fangenenvernehmung der deutschen Luftwaffe im Wasserversorgung – verlorener Krieg! Weltkrieg 1939/45 durch „Dulag Luft, Oberursel. Der Krieg war vorbei! War er vorbei? Aus: Mitt. d. Vereins f. Geschichte u. Heimatkunde, 34/1994, S. 109 –135. Gilbert, Adrian: POW. Allied Prisoners in Europe, Benutzte Quellen und Literatur in Auswahl 1939–1945. London, 2006. Lang, Jochen von: Krieg der Bomber. Dokumentation Kriegstagebuch des Abwehroffiziers Kriegsgefangene einer deutschen Katastrophe. Frankfurt/Berlin, 1988. im Dulag – Luft, Oberursel (2. Mai 1942 –13. Mai Rollings, Charles: Dulag Luft. In: „After the Battle“, 1943) Original im Bundesarchiv, RL 23/97. Nr. 106, 1999, S. 1– 27. „The Evaluation of Captured Documents“ and „Notes Smith, Sydney: Wings Day, the man who led the on Interrogation of Oberleutnant Bohner on 6. 5. 45“ RAF‘s epic battle in German captivity. London, 1968. Originale in National Archives, United Kingdom, Ref. Alle Informationen zum Dulag Luft und zur Auswerte- AIR 40/2318. stelle, die Grundlage für diesen Aufsatz waren, sind Gajdosch, Franz: Dulag Luft 1939 –1945. PC-ge- erschlossen und einzusehen im „Erinnerungsort der schriebenes Script, Oberursel 1988 – 2005. Zeitgeschichte – Das Gelände Camp King, 1933 – Clutton-Brock, Oliver: Footprints on the Sands of 93“, Im Rosengärtchen 37, Oberursel (Kirchenladen) Time. RAF Bomber Command Prisoners of War in auch die Bildvorlagen. Im Internet unter www.camp- 1939 – 45. London, 2003. king.org ist der Inhalt der Materialsammlung, in Find- Cuddon, Eric (Hrsg.): Trial of Erich Killinger, Heinz büchern geordnet, zu erschließen.

269 Manfred Kopp Im Labyrinth der Schuld

US Army Interrogation Center in Oberursel, 1945–1952

Besatzung Bad Homburg waren die Verwundeten entgegen eines Befehls nicht mit einem Ei- 30. März 1945. Karfreitag. Die Amerikaner senbahntransport nach Thüringen verlegt kommen nach Oberursel: Panzer mit rasseln- worden, nicht dem Beschuss durch Tiefflie- den Ketten, Soldaten mit kugelförmigen Hel- ger oder Bombardierung ausgesetzt worden, men, mit Gewehren, behängt mit Ausrüs- sondern auf der Hohe Mark geblieben. Nun tungsgegenständen, Jeeps, Military Police, waren sie also frei! Proklamationen, Beschlagnahmungen. Für gefangene deutsche Soldaten wird auf Unter den Einwohnern kursieren die Ge- den Wiesen vor dem verlassenen Durch- rüchte. Ausgangsverbot. Wer nach 19 Uhr gangslager der Luftwaffe an der Hohemark- auf der Straße angetroffen wird, wird er- straße ein provisorisches Lager eingerichtet. schossen. Was soll nun werden? Sie sind östlich von Oberursel im Bereich Zeitzeugen berichten sehr unterschiedlich Wetterau/Vogelsberg in Gefangenschaft gera- von den Erstbegegnungen mit „Amis“: Da ten. Einer von ihnen schreibt in sein Notiz- gibt’s Chewing Gum geschenkt und Hershey- buch: „Sonntag, 8. April 1945. Auf vier großen Chocolate, da werden Wege gesperrt, Fahr- Wiesen vegetieren Tausende von Gefangenen. räder requiriert und Souvenirs getauscht. Die Bis zu 15 000 sollen wir gewesen sein. Viermal Sieger werden nun Besatzer. habe ich schon hier übernachtet. Die zweite Kurz vorher waren schon die alliierten Ge- Nacht war am schlimmsten: Regen!! Mit drei fangenen im Lazarett Hohe Mark befreit Mann in zwei Mänteln kann man ganz schön worden. Dank des energischen Einsatzes frieren. Seit gestern früh scheint die Sonne. eines deutschen Sanitätsunteroffiziers aus Verpflegungsausgabe 8 – 9 Uhr, 16 –17 Uhr. Päckchen mit je 100 g Kekse. 1 Dose Käse bzw. ham and eggs oder meat, 1 Riegel Scho- kolade, 4 Zigaretten, Kaugummi, Kaffee. Büch- sen entweder mit meat and beans oder mit meat and spaghetti. Der Weitertransport er- folgt mit Trucks in ein Lager zwischen Alzey und Bad Kreuznach. Die Zustände dort sind einfach schrecklich. Grund ist lediglich die Überfüllung des Lagers. Bis zu 40 000 Mann waren schon auf engem Raum zusammenge- pfercht. Behandlung wie eine Viehherde. Kein Ein Foto von der Gefangenenbefreiung im Lazarett Platz zum Lagern.“ Hohemark, erschienen in der Zeitschrift „LIFE“, Bedingt durch das rasche Vordringen der Vol. 18, Nr. 16 vom 16. April 1945 alliierten Truppen nach Osten und Süden

232 gab es im Operationsgebiet mehr als zwei Millionen Gefangene und damit nicht zu be- wältigende Probleme der Unterbringung, der Verpflegung und der sanitären Einrichtungen. Die Bedingungen für Kriegsgefangene, die in der Genfer Konvention von 1929 festgelegt waren, konnten unmöglich eingehalten wer- den. So erklärte der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower, kurzerhand die Soldaten zu „disarmed enemy forces“ (in Gewahrsam be- findliche entwaffnete feindliche Truppen). Zügige Entlassungen reduzierten dann die Abtransport von deutschen Gefangenen aus dem pro- Zahl der Gefangenen. visorischen Lager in Oberursel (Sequenz des Films „Welche Farbe hat der Krieg?“ Spiegel TV, 2001, Kapi- tel 11, 55:33) Ein Camp wird eingerichtet

Eine wichtige Grundlage für das Entscheiden In räumlicher Nähe zum Verwaltungsge- und Handeln von Militärverwaltung und Mi- bäude des IG – Farbenkonzerns in Frankfurt litärregierung bot die „Direktive des General- am Grüneburgpark, in dem das neue und stabes der Streitkräfte der USA“ (JCS = Joint zentrale Hauptquartier der US Streitkräfte in Chiefs of Staff 1067) vom April 1945. Darin West Europa eingerichtet wird, entsteht in wurde als ein Hauptziel genannt: „Es muß Oberursel ab 1. August 1945 ein Interroga- den Deutschen klargemacht werden, daß tion Center. Die mobilen Aufklärungseinhei- Deutschlands rücksichtslose Kriegführung ten 1, 2, 3 und 4 sowie das 6824th Detailed und der fanatische Widerstand der Nazis die Interrogation Center Military Intelligence Ser- deutsche Wirtschaft zerstört und Chaos und vice (DICMIS) werden nach dem Ende der Leiden unvermeidlich gemacht haben, und Kampfhandlungen in Oberursel stationiert daß sie nicht der Verantwortung für das ent- und bilden eine neue Einheit, das United gehen können, was sie selbst auf sich geladen States Forces European Theater Military In- haben. telligence Center = USFET MISC. Zuständig Deutschland wird nicht besetzt zum Zwe- für das Lager wird im Stab des Hauptquar- cke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter tiers der Chef der militärischen Aufklärung Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrü- und des Nachrichtendienstes (G 2), Brigade- ckung, sondern die Besetzung Deutschlands, general Edwin L. Sibert (1897–1977). Nach um gewisse alliierte Absichten zu verwirk- ihm wird das Camp zunächst auch benannt: lichen. Das Hauptziel der Alliierten ist es, Camp Sibert. Deutschland daran zu hindern, je wieder eine Das Gelände wird erheblich erweitert um Bedrohung des Weltfriedens zu werden. Wich- Häuser und Wege des Siedlungshofes im tige Schritte zur Erreichung dieses Zieles sind nördlichen Bereich, um die Wiesen im Sü- die Ausschaltung des Nazismus und des Milita- den bis zur Hohemarkstraße und das Gelän- rismus in jeder Form, die sofortige Verhaftung de bis zum Eichwäldchen- und Ahornweg. der Kriegsverbrecher zum Zwecke der Bestra- Alles wird gründlich eingezäunt, erhält fung, die industrielle Abrüstung und Entmilita- einen ständig bewachten Eingang mit Wach- risierung Deutschlands …“ haus und Schranke an der Hauptstraße. Das

233 deckt worden, wo es zur Vernichtung lagerte. Das waren ca. 11 Millionen Mitgliedskarten der NSDAP, Parteikorrespondenz, Personal- unterlagen von SS- und SA-Angehörigen u. a. Es wurde zunächst zur ersten Sichtung nach Oberursel gebracht und lagerte in Gebäuden der Firmen Motorrad-Bücker in der Hohe- markstraße und Faudi-Feinbau, Im Diezen. Später wurde dann der ganz Bestand nach Berlin gebracht und dort allein von der Be- satzungsmacht weiter benutzt. Seit 1994 ist Eingang und Sicht auf Camp Sibert, Weihnachtskarte 1945, gezeichnet von dem deutschen Kriegsgefange- er als BDC (Berlin Document Center) Teil des nen Barkovsky Bundesarchivs. Als General Sibert im Herbst 1946 eine andere Aufgabe in den USA übernahm, er- bisher nur teilweise genutzte Gemein- hielt das Camp einen neuen und endgültigen schaftshaus des Siedlungshofes wird aus- Namen: Camp King. Colonel Charles B. King gebaut und zum Sitz des Kommandanten war wenige Tage nach der Landung der Alli- bestimmt. Dies wird vom August 1945 bis ierten in der Normandie im Abschnitt Oma- zum August 1947 Colonel William R. Philp. ha Beach auf dem Weg zur Befragung gefan- Zu seinem Dienstbereich gehören auch gener deutscher Soldaten unter Beschuss ge- verschiedene „Safehouses“ (besonders ge- raten. Dabei fand er den Tod. Er war als sicherte große, allein stehende Gebäude). Offizier in der Feindaufklärung vor allem für Das Gemeinschaftshaus, das 1938 auf dem seine Lagebeurteilungen sehr geschätzt. Post- Frankfurter Messegelände als Muster-Rat- hum erhielt er die Auszeichnung der „Legion haus an der Muster-Siedlerstraße gestanden of Merrit“, der Ehrenlegion. Auf dem Solda- hatte und der Stolz der nationalsozialisti- tenfriedhof in Colleville sur Mer liegt er be- schen Funktionäre und des Reichsorganisa- graben. An diesem Friedhof, auf dem fast tionsleiters Dr. Ley gewesen war, war 1940 10 000 amerikanische Soldaten ihr Grab ge- in Oberursel aufgebaut worden. Jetzt wurde funden haben, fand im Sommer 2009 die es zur „Mountain Lodge“. Gedenkfeier zum 65. Jahrestag der Landung Aufgabe von USFET MISC war die sorgfäl- in der Normandie statt, in Anwesenheit von tige Befragung von Gefangenen, vor allem US-Präsident Obama, Prince Charles und solchen, die in der Aufklärung und im Nach- Präsident Sarkozy. richtendienst tätig gewesen waren. Dazu kam die Auswertung von Fotoaufnahmen Automatic Arrest und von Dokumenten der Nationalsozialisti- schen Partei. Die Verwaltung des Counter In- Im Sommer 1945 war zwar das provisorische telligence Corps (CIC) und die Überwachung Gefangenenlager aufgelöst worden. Der Ge- und Ausbildung von Fachkräften für die un- heimdienst hatte in den unterschiedlichen terschiedlichen Aufgaben gehörten ebenso Gebäuden, den Siedlungshäusern, Villen dazu. Die Dokumentenauswertung bekam und Wohnhäusern in der weiteren Umge- ein besonderes Gewicht, als auf Lastwagen bung seine Arbeit aufgenommen. Da gab es das Material der NSDAP aus München ein- aber auch noch die Baracken des Durch- traf. Dort war es in einer Papiermühle ent- gangslagers Luft. Sie wurden für den „Auto-

234 matic Arrest“ benötigt. Im Sinne der oben genannten Ziele von JCS 1067 mussten „Na- ziverbrecher“ gefunden, gefangen, verhört, beurteilt, evtl. auch verurteilt werden. Wer war ein Nazi? Was waren seine Merkmale? Wann war er schuldig? Bereits lange vor Kriegsende hatten Be- auftragte des War Department in den USA begonnen, Listen mit Namen von Partei- funktionären, Verwaltungsbeamten, leiten- den Mitarbeitern verschiedener Behörden Mit 130 Ein-Personen-Zellen in einem Barackentrakt und Organisationen anzulegen. Nach einem waren von der deutschen Luftwaffe in der Auswerte- stelle West Oberursel Unterkünfte für alliierte Flieger Sieg über Deutschland sollten die Verant- gebaut worden, die verhört werden sollten. Sie wur- wortlichen zur Rechenschaft gezogen wer- den in erbärmlichem Zustand und kärglich eingerich- den. Von Frühjahr 1945 bis Mitte 1948 war tet zur Unterbringung von Gefangenen im „Automatic es das „Central Registry of War Crimes and Arrest“ genutzt. 1951 brannte der ganze Komplex ab. Security Suspects“ (CROWCASS – Zentral- verzeichnis von flüchtigen Personen, die verdächtigt werden, Kriegsverbrechen be- plündert und danach nicht mehr für eine gangen zu haben). Die Personen sollten Nutzung hergerichtet worden. möglichst genau beschrieben werden, um Mobiliar war nur noch in Resten vorhan- eine anschließende Entnazifizierung zu er- den, die Betriebseinrichtungen und -anlagen möglichen. Die Aufgabe war gewaltig, gut stark reparaturbedürftig. gedacht und geplant, aber in der Wirrnis der Die amerikanischen, teils auch deutschen Tage und Wochen nach der Kapitulation Wächter, Aufseher und Befrager waren über- kaum umzusetzen. wiegend feindlich gesinnt, noch ganz erfüllt Vieles wurde improvisiert, qualifiziertes von dem, was sie an Schrecklichem gehört, Personal war kaum vorhanden, dazu kam ein gesehen und erlebt hatten, Tod und Verder- erheblicher Mangel an Zivilangestellten, ben. Die Gefangenen sollten Vergeltung in Übersetzern, Kenntnis von Land und Leuten. aller Härte spüren. In zahlreichen Biogra- Die Soldaten waren zum Kriegsdienst einge- phien und Berichten Betroffener erscheinen zogen und zum Kampf ausgebildet worden, Tage und Wochen im Camp Sibert/Camp nicht zur Überprüfung von gefangenen Geg- King als Zeiten des Schreckens und der Er- nern. Unter den vier Besatzungsmächten gab niedrigung. es ganz unterschiedliche Auffassungen über So lesen wir bei Hjalmar Schacht die Art der Behandlung und die Zuständig- („76 Jahre meines Lebens“, 1953, S. 565), keiten. Selbst in verschiedenen Dienststellen einst Reichsbankpräsident und zuletzt in und Lagern der US-Streitkräfte differierten Geiselhaft der SS: „Zunächst wurde ich die Vorgehensweisen. offenbar als Vorgeschmack für Nürnberg (das Unter der Vielzahl von Lagern in der US- Militärtribunal) drei Wochen in ein Lager bei Zone, z. B. Freising, Augsburg, Ludwigsburg, Oberursel gebracht (Sept./Okt. 1945), Mannheim, war das Camp in Oberursel, das welches allgemein als ,Cage‘ (Käfig) bezeich- einstige Dulag Luft, berüchtigt. Die Baracken net wurde. Mit Recht. Die Zellen waren in waren nach dem Abzug der deutschen Sol- der Tat Käfige. Die Pritschen waren Holz- daten und Offiziere von den Anwohnern ge- bretter, auf denen eine Wolldecke lag. Essen

235 zweifeltem Gesicht.“ – Dabei handelt es sich wohl um Generalfeldmarschall Albert Kessel- ring, der dann auch in das Untersuchungsge- fängnis in Nürnberg überführt wurde, als Zeuge in den Verhandlungen gegen Her- mann Göring. Dr. Paul Schmidt, Chefdolmetscher für Eng- lisch im Außenministerium: „Hier herrschte ein strenges Regime. Jeder kam in Einzelhaft (Zellen im Cooler). Nur zweimal am Tag gab es etwas zu essen. Waschen durfte man sich nur unter Aufsicht eines meist ungeduldigen Pos- tens. Das ,let's go‘ der Posten, untermischt mit ,damned Nazi‘ und anderen freundlichen Titu- lierungen bildeten den Morgengruß. Das Fens- ter der Zelle war von normaler Größe, aber mit schweren Eisenstangen vergittert.“ Auch von körperlichen Misshandlungen wird berichtet. Dr. August Bender, SS-Arzt mit nicht bekannter Funktion im Konzentra- tionslager Buchenwald, sagt in einer eides- Colonel Charles B. King (1906 –1944), nach dem das Camp im September 1946 seinen endgültigen Na- stattlichen Erklärung: „In dem langen Bara- men erhielt ckenkorridor standen zahlreiche Amerikaner und bildeten eine Gasse. Durch diese mußte ich bis ans Ende der Baracke hindurch laufen, wurde uns vormittags und nachmittags um während man mit Gurten, Besen, Stöcken, vier Uhr gereicht, wobei die Nachmittags- Eimern und dergleichen aufs heftigste auf mahlzeit meist aus halbgar gekochten Erbsen mich einschlug“. bestand, die unverdaulich waren. Ein Spa- Flugkapitän Hanna Reitsch kam als Gefan- ziergang im Freien wurde täglich für zehn Mi- gene zunächst in das Barackenlager und nuten bewilligt. Es war die scheußlichste Un- schreibt („Höhen und Tiefen“, S. 43): „Tag terkunft, die ich je in meinen Gefängnissen um Tag verging, ohne daß ich vernommen gehabt habe.“ oder jemandem vorgeführt wurde. Das Albert Speer, ebenfalls auf dem Transport Schrecklichste während dieser Zeit waren die von Kransberg nach Nürnberg, erinnert sich: gellenden Schreie, die sich oftmals am Tage „Am Abend wurde ich in das berüchtigte Ver- aus verschiedenen Ecken der Baracke, mal nehmungslager Oberursel bei Frankfurt einge- nah, mal fern, wiederholten. Wer mochten liefert, vom aufsichtsführenden Sergeanten die armen Gequälten sein?“ Kurz darauf wur- mit dummen, höhnenden Witzen bedacht, de sie dann in das Haus Alaska überführt. mit einer dünnen Wassersuppe abgespeist. In Viele Gefangene litten jedoch mehr an der der Nacht hörte ich die derben Rufe der ame- Ungewissheit über die konkreten Vorwürfe rikanischen Wachmannschaften, ängstliche zu ihrer Vergangenheit, über ihre nächste Antworten und Schreie. Am Morgen wurde Zukunft, über das Befinden ihrer Angehöri- ein deutscher General unter Bewachung an gen, als an den körperlichen Entbehrungen mir vorbeigeführt, mit zermürbtem und ver- und Misshandlungen.

236 Von herausragendem Interesse

Neben den zahlreichen Lagern für die gefan- genen Soldaten und dem „Automatic Arrest“ gab es zunächst zwei für „prisoners of high level interest“: Eines im luxemburgischen Bad Mondorf, dort im Kur-Hotel, genannt „Ashcan“ (Aschenkasten, auch: sterbliche Überreste), ein anderes im Schloss Kransberg bei Usingen, genannt „Dustbin“ (Mülleimer). Prominente deutsche Wehrmachtsangehö- rige, Regierungsmitglieder und Parteifunk- tionäre waren dort im Gewahrsam der US Army. Im Vordergrund standen Verhöre und Befragungen, um das Ausmaß der Schuld festzustellen und Punkte für eine An- klage zu sammeln. Auch der Wert als Zeuge zur Be- oder Entlastung von Angeklagten in den vorgesehenen Kriegsverbrecherprozes- sen sollte überprüft werden. Ziel war also eine Beurteilung im rechtlichen Sinn. Das Kriegs- und das Außenministerium in Washington hatten sich aber auch entschlos- Auf dem Weg zum Verhör deutscher Gefangener sen, historische Kommissionen nach Europa wurde Colonel King am 22. Juni 1944 erschossen. Er zu schicken, deren Aufgabe es sein sollte, von liegt begraben auf dem Soldatenfriedhof in Colleville sur Mer. gefangenen deutschen Generälen und natio- nalsozialistischen Führern und Politikern In- formationen zu gewinnen, die zur histori- schen Auswertung der Ära des Nationalsozia- und Dolmetscher wurden zugeordnet. Befra- lismus nützlich sein konnten. Ziel war also gungen und Verhöre wurden zeit- und the- eine Ursachenforschung in historischem Sinn. menbezogen durchgeführt. Oft wurden auch Mit der Leitung der Kommission wurde Dr. von einzelnen Gefangenen schriftliche Aus- George N. Shuster, Präsident des Hunter- arbeitungen zu eng begrenzten Themen ein- College in New York beauftragt. Nach ihm gefordert. Es galt, unter erheblichem Zeit- wurde sie auch als Shuster-Kommission be- druck gründliche Kenntnisse zu gewinnen zeichnet. Zu den Mitgliedern gehörten über das, was sich „auf der anderen Seite des Oron J. Hale, Professor für Geschichte an der Hügels“ zugetragen hatte. Universität von Virginia, Frank Graham, Pro- Einige Beispiele können den Personen- fessor für Volkswirtschaft in Princeton, Ken- kreis und einzelne Themen aufzeigen: neth W. Hechler, Militärhistoriker und Poli- General Walter Warlimont: Die Intervention tikwissenschaftler, und Harold C. Deutsch, in Spanien, Aug.-Dez.1936 (7 S.) Professor für Geschichte an der Universität ders.: Hitlers nichtöffentliche Rede zum Ein- von Minnesota. marsch in Polen (22.8.39) (10 S.) Im Juni 1945 reisten die Kommissionsmit- Generaloberst H. Guderian: Der Rußland- glieder nach Bad Mondorf. Protokollführer Feldzug im Winter 1941 und Hitlers Kom-

237 Heim“, Hohemarkstraße 166. Im April 1945 hatte die US-Army das prächtige Gebäude beschlagnahmt und es als „Haus Alaska“ dem Camp Sibert/King zugeordnet. Nur etwa 600 m Luftlinie lagen zwischen der großzügig angelegten Villa mit Park und den Baracken mit den Zellen für die Gefangenen im „Auto- matic Arrest“. Ca. 50 Personen konnten im „Haus Alaska“ untergebracht werden. Aus verschiedenen publizierten Erinne- Das Frankfurter Lehrerinnen-Heim, erbaut 1903, rungen erfahren wir über das Leben der In- Hohemarkstraße 166, wurde im April 1945 von den ternierten, die manchmal nur kurze Zeit, Amerikanern beschlagnahmt. Es erhielt die Bezeich- nung „Haus Alaska“ und diente zunächst der Inter- manchmal mehrere Monate im Haus waren. nierung von Gefangenen mit „hervorragender Bedeu- Professor Percy E. Schramm, Historiker an tung.“ der Universität Göttingen und Verfasser des Kriegstagebuchs der Wehrmacht, hielt kennt- nisreiche Vorträge. Für die umfangreiche mentare zu den Grundsätzen militäri- Bibliothek wurde ein Ausleihdienst einge- scher Führung (8 S.) richtet. Hermann Röchling, 76jähriger Un- Generalleutnant A. Heusinger: Kritische Ein- ternehmer aus dem Saarland, stellte sein schätzung von Hitlers Person und seiner Modell einer neuen Walzstraße vor. Der militärischen Qualifikation, insbes. am bekannte nationalsozialistische Schriftsteller Beispiel der Ostfront (7 S.) Hanns Johst las aus seinem gerade fertig Dr. Karl Hettlage: Umgang mit Finanzproble- gestellten Schauspiel „Thomas Paine“. Lutz men in der Nazi-Partei (7 S.) Schwerin von Krosigk, der seit 1932 Reichs- finanzminister war und zuletzt für 23 Tage Kurz darauf, Ende Juli 1945, wurde das Lager Außenminister der Regierung Dönitz, teilte in Mondorf aufgelöst. In einem Rundschrei- sein Zimmer mit dem herzkranken Feldmar- ben, das E. Sibert verfasst und General Eisen- schall Maximilian Freiherr von Weichs, seit hower unterzeichnet hatte, wurde dies allen 1943 Befehlshaber der Heeresgruppe F. Sie betroffenen Dienststellen mitgeteilt. Gleich- kamen gut miteinander aus, was bis zu gro- zeitig wurde darüber informiert, dass ab tesken Szenen führte: Weichs, der gerne 9. August 1945 in Oberursel bei Frankfurt das handarbeitete, stopfte die Strümpfe von USFET MISC (s. o.) die rechtlich und histo- Krosigk. Der erzählte dafür unterhaltsame risch orientierten Befragungen weiterführt. Geschichten. Die beigefügte Liste der zu verlegenden Ge- Prinz Philipp von Hessen versuchte mehr- fangenen enthält 36 Namen. Termine und mals, zu seinen Kindern im Schloss Kronberg Zugang zu den Gefangenen koordinierte die Kontakt aufzunehmen. Der Leibarzt Hitlers, Stabsstelle im Frankfurter Hauptquartier. Die Professor Hanskarl von Hasselbach, arran- oben genannten Ausarbeitungen von Gefan- gierte einen festlichen Neujahrsabend zu genen und viele weitere entstanden in Ober- Beginn des Jahres 1946, bei dem er auch ursel. eigene Gedichte vortrug. Flugkapitän Hanna Ort des neuen Prominenten-Lagers war Reitsch sang Duette mit dem amerikanischen das 1903 gebaute Frankfurter Lehrerinnen- Journalisten und Mitarbeiter beim Kurzwel- Erholungsheim, heute „Agnes-Geering- lensender des Deutschen Reiches für die

238 Sendungen nach USA, Douglas Chandler. Dieser wurde später in den USA zu lebens- langer Haft verurteilt, aber Jahre danach von Präsident John F. Kennedy begnadigt. Profes- sor Dr. Hugo Blaschke, Zahnarzt der NS Pro- minenz, z. B. von Adolf Hitler, Eva Braun und Martin Bormann, kümmerte sich nun um die Zähne der Internierten. Im Keller ar- beitete er an einem Gipsmodell des Gebisses von Hitler, das dann als Beweismittel zur Identifizierung der Leiche des Führers nach Berlin gebracht wurde. Fritz Thyssen, seit 1926 Leiter des Thys- sen-Konzerns, der nach dem Bruch mit der Hitler-Regierung von 1940 an in mehreren Konzentrationslagern war, kam aus der Gei- selhaft der SS nach Mondorf und dann in das Haus Alaska in Oberursel. Konsequent trieb er morgens Gymnastik. Sein Äußeres mit Strohhut und gelben Schuhen war in dieser Umgebung nicht zu übersehen. Das einstige Oberkommando des Heeres war vertreten durch General Adolf Heusinger, Dieses private Foto zeigt Flugkapitän Hanna Reitsch, 1944 als unzuverlässig aller Ämter enthoben, die nach längerem Aufenthalt in „Alaska“ privat in Oberst Bogislaw von Bonin, mutiger Befreier Oberursel, Altkönigstraße, untergebracht wird. Sie wird schließlich 1951 ohne Formalitäten „entlassen“. der Geiselhäftlinge aus den Händen der SS- Bewacher in Südtirol, und im Januar 1945 wegen Ungehorsams von Hitler entlassen, so- sie beteiligt. Bonin war Beauftragter Adenau- wie Generalleutnant Gerd von Schwerin, zu- ers für militärische Planungen. Heusinger letzt Kommandeur einer Panzerdivision im wurde 1957 erster Generalinspekteur der Westen. In langen Gesprächen versuchten sie Bundeswehr. Im Haus Alaska waren erste die verwirrenden Vorgänge in der Wehrmacht Versuche eines zukünftigen Konzepts erörtert und den Einfluss Hitlers zu durchleuchten worden. und zu beurteilen. Sie dachten auch nach Die unterschiedlichen Beschäftigungen über eine neu zu konstituierende westliche wurden immer wieder unterbrochen durch Streitmacht mit deutscher Beteiligung, aufge- die Befragungen durch Mitglieder der Shus- stellt zur Abwehr eines denkbaren Angriffs aus ter-Kommission, aber auch durch die Verhöre dem sowjetischen Machtbereich. Sie waren im Zusammenhang mit der Vorbereitung des es auch, die in der Folgezeit zusammen mit Internationalen Militärtribunals in Nürnberg anderen erste Überlegungen für eine deut- und die der folgenden zwölf Nachfolgepro- sche „Bundeswehr“ anstellten. An der von zesse unter amerikanischer Leitung, Recht- Konrad Adenauer 1950 arrangierten, nicht-öf- sprechung und Urteilsfindung. Hier nahm Dr. fentlichen Konferenz im Kloster Himmerod/ Robert Kempner eine wichtige Rolle ein. Eifel zur Grundlegung einer Wiederbewaff- Manchen Gefangenen kannte er noch aus der nung der Bundesrepublik Deutschland waren Zeit, in der er als junger Beamter im preußi-

239 Frankfurt, dem Camp Sibert zugeordnet ist, lagen annähernd 150 000 Daten von Ver- dächtigen vor. Nicht im Haus Alaska, aber in dem für ihn und seine Familie geräumten Verwalterhaus des „Luisenhofes“, heute Teil des Bienen- instituts Im Rosengärtchen, schrieb Dr. Eugen Kogon ab September 1945 sein bekanntes und immer wieder neu aufgelegtes Buch „Der SS-Staat“ über die Vorgänge im Kon- zentrationslager Buchenwald1. Im Frühjahr 1946 ging die Kommissionsar- beit zu Ende. Das Haus wurde Quartier für andere Internierte, insbesondere aus dem kommunistischen, sowjetischen Einflussbe- reich. Erst 1955 ging das Gebäude wieder in die Verfügungsgewalt der Eigentümer über. An dieser Stelle ist eine Korrektur an der herkömmlichen Überlieferung anzubringen. Eugen Kogon (1903–1987) In der Literatur, in der Presse und ebenso in Fernseh-Dokumentationen wird immer wie- schen Innenministerium gearbeitet hatte. Der der behauptet, auch der Stellvertreter des Schwerpunkt seiner Prozess-Vorbereitungen Führers, Generalfeldmarschall Hermann lag in Nürnberg, aber in seinen Lebenserinne- Göring, sei einige Zeit in Oberursel als Ge- rungen erzählt er, dass er im Speisesaal von fangener gewesen. Das ist erwiesenermaßen Haus Alaska die letzte Sitzung der (ehemali- falsch! Seine Aufenthaltsorte waren Augs- gen) Reichsregierung geleitet hat. Daran hatte burg, Wiesbaden (nur eine Woche) und das auch ein alter Bekannter Kempners, Staatsmi- Lager „Ashcan“ in Mondorf. Von dort wurde nister Otto Meissner, teilgenommen, Chef der er direkt mit dem Flugzeug nach Nürnberg Präsidialkanzlei schon unter Reichspräsident gebracht. Hermann Göring in Oberursel ist Friedrich Ebert, dann unter Hindenburg und eine Legende. schließlich unter dem Führer Adolf Hitler. Wie im nahen Barackenbereich des La- Militärische Operationen, Strategie gers, so zeigten sich auch im „Haus Alaska“ und Taktik die erheblichen Schwierigkeiten, die ausge- arbeiteten theoretischen Pläne des „War War die Shuster-Kommission auf Initiative von Crimes Program“ in die Praxis umzusetzen. Ministerien entstanden und hatte sie dorthin In einem Memorandum für den stellvertre- ihre Arbeitsergebnisse zurückzumelden, so tenden Militärgouverneur, General Lucius verfolgte die US-Armee eigene Interessen. Sie D. Clay, vom 7. September 1945 wird ein- wollte Mitglieder des deutschen Generalsta- drücklich darauf hingewiesen, dass acht ver- bes befragen, mündlich und durch schriftliche schiedene US-Dienststellen zwischen Paris, Berichte. Waren es zunächst die von der Wiesbaden und Frankfurt an dessen Ausfüh- Wehrmacht gegen die US-Armee angewand- rung arbeiten. Elf gravierende Punkte umfasst ten Strategien und Taktiken zwischen Sommer die Mängelliste. Allein im Hauptquartier in 1944 und dem Kriegsende 1945, die rekon-

240 struiert werden sollten, um die Abläufe in ih- rer Wechselwirkung auszuwerten, so waren es später die Operationen an der Ostfront, im Blick auf die wachsende Gegnerschaft zur sowjetischen Streitmacht. Die eingesetzte Kommission erhielt die Bezeichnung „Operational History (German) Section“ und bekam das Haus „Florida“, frü- her Siedlerschule, dann Kommandantur des Dulag, heute „Kinderhaus“ im Jean Sauer- weg 2, als Dienstgebäude. Ab Spätherbst Eine Arbeitsgruppe deutscher gefangener Offiziere, 1945 begann die Suche nach geeigneten aufgenommen am 23. Februar 1946 im Haus „Flori- und zur Kooperation bereitwilligen Offizie- da“, Oberursel. Ganz rechts Generalmajor Freiherr ren, ebenso die Aufzeichnung der verschie- von Gersdorff im Gespräch mit Leutnant J. F. Scoggin denen Operationen. Die Beteiligten erhiel- von der „Operation History Section“ ten gute amerikanische Verpflegung, waren passabel untergebracht und bekamen ein bedürftiges Gefangenenlager. 328 Offiziere Taschengeld. waren beteiligt. Sie wurden aus zehn ver- Rasch wurde das Gebäude für die wach- schiedenen Gefangenenlagern zusammen- sende Zahl der dort arbeitenden Offiziere zu geholt. Bis Ende 1948 lagen mehr als 1000 klein, Erweiterungsmöglichkeiten gab es nicht, Manuskripte vor. Das waren ca. 34 000 be- aber es waren insbesondere die zunehmen- schriebene Seiten. Die Koordination der Aus- den Verärgerungen und Konflikte zwischen wertung und der Abschluss der Arbeiten lagen den auf dem gleichen Gelände untergebrach- auf deutscher Seite in den Händen von Gene- ten, aber so unterschiedlich behandelten raloberst Franz Halder, der dafür im Novem- Wehrmachtsangehörigen. Internierte Offiziere ber 1961 von US-Präsident John F. Kennedy und Mannschaften in den Baracken hatten mit der Freiheitsmedaille ausgezeichnet wur- miserable Bedingungen hinzunehmen, sahen de. „General Halder hat einen fortdauernden aber täglich auf dem gleichen Gelände Wehr- Beitrag zum taktischen und strategischen Den- machtsoffiziere in Uniform, die gut gekleidet, ken in der Armee der Vereinigten Staaten ernährt und entlohnt wurden. Diese wurden geleistet.“ Die Arbeit, die 16 Jahre zuvor in als „Verräter“ und „Kollaborateure“ mit den Oberursel konzipiert, erprobt und ausgewer- Siegern beschimpft. Auch eine ganze Reihe tet wurde, war damit offiziell anerkannt. amerikanischer Soldaten machte ihrem Ärger Auch in diesem Falle hatte die Kombina- laut darüber Luft, dass hier mit Militärs, die tion der beiden Quellen – sichergestellte Do- noch vor wenigen Monaten Feinde in einem kumente auf der einen und persönliche harten Kampf gewesen waren, einträchtig zu- Erlebnisse und Erkenntnisse von Wissensträ- sammen gearbeitet werden sollte. Die Stim- gern auf der anderen Seite – zu wichtigen Er- mung war so aufgeladen, dass Kommandant gebnissen geführt. Wo waren Feindschaft W. Philp auf eine Verlegung der „Operational und Hass geblieben? Schon im Durchgangs- Section“ drängte. lager Luft während des Krieges hatte es gele- Im Mai 1946 war dann eine Lösung gefun- gentlich zwischen alliierten – gefangenen – den. Alle mitarbeitenden deutschen und und deutschen Fliegern eine fachlich begrün- amerikanischen Offiziere zogen nach Allen- dete, begeistert praktizierte „Kollegialität“ dorf um in ein geräumtes, aber sehr reparatur- gegeben, die das Freund-Feind-Denken

241 überlagerte. Solche Brücken zwischen Geg- und die Militärs. Von Wissenschaftlern muss nern gab es auch unter den Militärs bei nun noch gesprochen werden. „Operational History“. Welche Vorgehens- Die Absichten, die mit den Unternehmen weise war damals und dort erfolgreich, wel- „Overcast“ (Bewölkung) ab 1945 und „Paper- che gegnerische Reaktion hatte welche Wir- clip“ (Büroklammer) ab 1946 verbunden wa- kung? Kriegführen als Beruf – hier wie dort! ren, formuliert treffend Generalmajor Hugh Ein nicht alltägliches Beispiel bietet Fritz Knerr (stellvertretender Befehlshaber der US- Berendsen, bis 1945 Oberst im Generalstab. Air-Force in Europa) folgendermaßen: Von 1936 – 38 besuchte er als Offizier der „Wenn wir nicht die Gelegenheit nutzen, Reichswehr die Kriegsakademie in Berlin. von dem technologischen und medizinischen Gleichzeitig studierte dort Albert C. Wede- Apparat Besitz zu ergreifen und die Köpfe auf- meyer aus den USA. Der sollte dort so viel spüren, die ihn entwickelt haben, und beide wie möglich über militärische Taktik und zusammen an die Arbeit bringen, dann werden Technik lernen, aber auch versuchen, Kennt- wir etliche Jahre hinter den bereits erforschten nisse über den Nazismus, den Charakter sei- und entwickelten Ergebnissen zurückbleiben. – ner Führer und seiner Ziele zu erlangen. Un- Wir müssen deutsche Wissenschaftler bei un- ter den Studierenden war es Fritz Berendsen, seren Forschungen verwerten und sie gleich- der zwei Jahre lang neben ihm saß und ihm zeitig den Sowjets entziehen.“ geduldig half, die sprachlichen Hürden zu So folgen den kämpfenden Soldaten an nehmen. Nach Kriegsende 1945 stellte We- der Front Suchtrupps, die wissenschaftlich in- demeyer, inzwischen General der US-Armee teressante Objekte (z. B. Raketentriebwerke) in Südostasien, den Kontakt wieder her und aufspüren und zusammen mit den relevan- veranlasste, dass Berendsen mit Familie in ten schriftlichen Unterlagen sicherstellen, – ein Haus auf dem Camp-King-Gelände zie- wenn möglich einschließlich der Wissen- hen konnte und dort versorgt wurde. Be- schaftler, die an den entsprechenden Projek- rendsen schrieb dort zwei Studien, eine über ten gearbeitet haben. Die russischen, franzö- die Funktionsweise des deutschen General- sischen und englischen Besatzungsmächte stabes und eine zweite über einen denk- verhalten sich in gleicher Weise. baren russischen Angriff auf Westeuropa und Abgesehen von den fehlenden äußeren dessen Abwehr. Ende 1948 verließ er Ober- Voraussetzungen in den besetzten Gebieten ursel und arbeitete in einer Unternehmens- war ein sinnvoller Einsatz nur in den USA leitung. Elf Jahre lang war er Mitglied des selbst möglich. Mit „Overcast“ kamen die deutschen Bundestages, sowie mehrere Jah- ersten Gefangenen dorthin. Solange sie unter re lang Brigadegeneral in der Bundeswehr. militärischer Bewachung standen, waren die Arbeitsmöglichkeiten gegeben. Unsicherheit herrschte jedoch über die Dauer des Aufent- Das Unternehmen „Büroklammer“ halts und den Umfang der Einbindung in sol- che Projekte von Militär und Aufklärung, die Die unterschiedlichen Schwerpunkte unter als „top secret“ eingestuft waren. Zunächst den Aufgaben des US-Geheimdienstes von war entschieden, dass die Gefangenen nach USFET MISC als Teil der Streitkräfte sind nur sechs Monaten wieder entlassen werden soll- schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu ten. Danach hätten sie aber von konkurrie- bringen. Es waren ganz verschiedene Interes- renden Mächten angeworben werden kön- sengruppen, die ihre Pläne umsetzen woll- nen oder gar eine Wiederaufrüstung in ten. Da waren die Juristen, die Historiker Deutschland betreiben können. Damit wä-

242 ren sie ein Sicherheitsrisiko für die USA ge- das Camp King in Oberursel. General Sibert worden. Das sollte aber keinesfalls sein! und Kommandant Philp und ihre Nachfolger Zum 31. 7. 1946 kehrten planmäßig alle waren Pragmatiker. Sie hielten die Politiker deutschen Gefangenen in ihre Heimat zu- für wirklichkeitsfremd und inkompetent. Ein rück. Für die Wissenschaftler musste also Beispiel soll hier vorgestellt werden, das eng eine Lösung gefunden werden, die keiner mit Camp King verbunden ist: Ausnahmeregelung von den geltenden Be- Professor Dr. med. Walter P. Schreiber stimmungen über den Aufenthalt bedurfte. (*1893 in Berlin) Darüber kam es zwischen den Beamten des 1937 Leiter des Hygieneinstituts Außenministeriums und den Verantwortli- 1943 Generalarzt im Oberkommando der chen in der Armee zu einer heftigen Ausein- Wehrmacht (biologische Kriegführung) andersetzung. Einen Weg zeigte erst das Un- und Professor an der Militärärztlichen ternehmen „Paperclip“. Akademie, Fachgebiet: Seuchenbe- Die entsprechende Direktive unterzeichne- kämpfung te US-Präsident H. Truman im September 1945 Russische Gefangenschaft, Zeuge der 1946. Sie legte fest, dass eine Einreiseerlaub- Anklage im internationalen Kriegsver- nis, später sogar eine Einwanderung in die brecher-Prozess in Nürnberg USA möglich sein sollte, wenn wissenschaftli- 1948 aus der UDSSR nach Dresden entlas- che Qualifikation und konkretes Interesse der sen, Flucht in den US-Sektor/Berlin, USA gegeben waren. Nur ehemalige Mitglie- dann mit Familie ins Camp King ge- der der NSDAP oder aktive Unterstützer des bracht Nationalsozialismus oder des Militarismus 1949 Anstellungsvertrag als Arzt für das ge- sollten den Boden der USA nicht betreten samte Camp King als Doc Fischer dürfen. Dies aber war eine Hürde, an der das 1951 Einreise in die USA, Institut für Luft- ganze Unternehmen zu scheitern drohte. Ge- fahrt-Medizin in Texas, Enthüllungen rade die hochqualifizierten, leistungsstarken der entschärften Informationen über Forscher waren Mitglied der NSDAP,auch der seine Nazivergangenheit in der „New SS gewesen. Sie hatten es hingenommen, dass York Times“ durch einen Journalisten, tausende Zwangsarbeiter zu Tode kamen. Ein der ihn zufällig wiedererkannte Mann, wie der wohl bekannteste „Paperclip- 1952 nach öffentlicher Empörung Ausreise per“, Wernher von Braun, hätte danach nie- zu seiner Tochter nach Argentinien mals einreisen dürfen. Um diese Hürde zu umgehen, sorgten die Im Votum des Kommandanten von Camp verantwortlichen Militärs dafür, dass die ein- King zur Einreise in die USA heißt es u. a.: zureichenden Personalunterlagen durch an- Der Betreffende ist hochintelligent, ein ge- geheftete Notizen (deshalb Paperclip) so „fri- nauer Beobachter, engagiert, sehr gewissen- siert“ wurden, dass die Genehmigung zur haft. Er hat feste Wertvorstellungen, die auch Übersiedlung ohne Einwände erteilt werden unter 3½jähriger kommunistischer Indoktri- konnte. Belastendes Material wurde entfernt, nation nicht gelitten haben. Seine medizini- biografische Angaben verändert, manchmal sche Qualifikation ist außerordentlich. auch Namen ausgetauscht. Vorhandenes Christopher Simpson schreibt in seinem Wissen musste durch erklärtes Nichtwissen Buch „Bumerang“ (S. 95) zusammenfassend: ausgelöscht werden. „Das staubige weitläufige Vernehmungszen- Eine der Stellen, an denen das Unterneh- trum im Camp King in der Nähe von Oberursel men „Paperclip“ aktiv gefördert wurde, war war offenbar das erfolgreichste Rekrutierungs-

243 löst. Die 513th Military Intelligence Group zog auf und übernahm die Aufklärung und Spionage Richtung Osten. Ein Offizier aus dem Camp meinte im Gespräch: „I don’t care, if he is a Nazi, as long as he is not a communist!“ (Von mir aus kann er ruhig Nazi gewesen sein, Hauptsache, er ist kein Kom- munist!) Ein neuer, der kalte Krieg hatte begonnen.

Anmerkung

1 Es gilt noch heute als Standardwerk über das Sys- tem der deutschen Konzentrationslager, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und allein in deutsch- sprachiger Ausgabe mehr als 500 000 Mal ver- So stellt sich das Gelände von Camp King 1952 dar. kauft. Eugen Kogon begleitete später den Weg der Nach einem Brand sind der Cooler und vier weitere neuen jungen Bundesrepublik als kritischer Beob- Baracken abgetragen worden. In Kürze werden neue achter, setzte sich für die europäische Bewegung Gebäude für Verwaltung, Befragung, Lager, Freizeit- ein und engagierte sich in der hessischen Landes- und Dienstleistungseinrichtungen, auch Wohnungen politik. Der bekannte Publizist, Soziologe und Poli- errichtet werden. tikwissenschaftler lebte in Königstein, wo er 1987 starb. Seit 2002 verleiht die Stadt Königstein den Eugen-Kogon-Preis für gelebte Demokratie. zentrum für ehemalige Nazis, die sich den Amerikanern anschließen wollten. Es ist ein Benutzte Quellen und Literatur in Auswahl gutes Beispiel für die sich verwischenden Frei, Norbert: Hitlers Eliten nach 1945, München, Grenzen zwischen Jägern und Gejagten.“ 20042 Schwerin von Krosigk, Lutz: Persönliche Erinnerun- Ein neuer Auftrag gen, Selbstverlag, 1975. Hechler, Kenneth: On the Enemy Side of the Hill, Typoscript, 1949 Hatten sich schon in der jüngsten Vergangen- Hale, Oron J.: Report on Historical Interrogations, heit Veränderungen in der Aufgabenstellung Typoscript, 1945 2 abgezeichnet, so wurden sie im Juni 1950 mit Hanna Reitsch: Höhen und Tiefen, München, 1978 dem Einmarsch kommunistischer Truppen Kempner, Robert: Das Dritte Reich im Kreuzverhör, München, 2005 über die Demarkationslinie nach Südkorea Burdick, Charles: Vom Schwert zur Feder, aus: Mili- offenbar. Die USA und insbesondere die mili- tärgesch. Mitteilungen 2/1971 tärische Führung suchten eine stabile Verteidi- Simpson, Christopher: Der amerikanische Bumerang gungsgemeinschaft in West-Europa zu schaf- – Im Sold der USA, Wien, 1988 fen unter dem Einschluss der Bundesrepublik Überschär, Gerd: Der Nationalsozialismus vor Ge- richt, Frankfurt/M. 1999 Deutschland. Der Blick ging nun nicht mehr Gajdosch, Franz; Stern, Walter: US – Camp King, un- zurück zu den Gräueln nationalsozialistischer veröffentl. Mskr. 2005 Vergangenheit. Fast alle vorher Verurteilten in Alle Informationen und Materialien zu diesem Auf- Landsberg, Werl oder anderen Gefängnissen satz sind in Findbüchern erschlossen und einzusehen im „Erinnerungsort der Zeitgeschichte – Das Gelände wurden begnadigt. Camp King, 1933–1993“, Im Rosengärtchen 37, Der Geheimdienst im Camp King wurde Oberursel (Kirchenladen). Auch im Internet unter umstrukturiert. USFET MISC wurde aufge- www.campking.org ist die Recherche möglich.

244 ManfredKopp LesenwieineinemoffenenBuch

USMilitaryIntelligenceGroup,1946–1968

IneinemMemorandumbeschriebOberst DonaldGalloway,leitenderMitarbeiterim US-Geheimdienst,dasvorrangigeZieleiner ArbeitwieimCampKingfolgendermaßen: „WirmüssensobaldwiemöglicheinBildvon denEinheitenderRotenArmeebekommen, ihrerBewaffnung,ihrerKampfmoral,ihrer Versorgungs-undNachschub-Lager.Siemuß inkürzesterZeitdurchschaubarsein,solesbar wieeinoffenesBuch!DafürsindalleMittel recht!“ WenigeWochennachKriegsendewurde Eingangstorzu„CampKing“vonderHohemarkstraße aus,„7707EuropeanCommandIntelligenceCenter“, esoffensichtlich:DieAllianzzwischenden ca.1949 WestmächtenUSAundGroßbritannienund derSowjetunionimOstenwarzerbrochen. WeilPräsidentFranklinD. Rooseveltbiszu einesGegnersausdemOsten,fürdenAuf- seinemTodam12.April1945jedegeheim- baueineswirksamenNachrichtendienstes dienstlicheTätigkeitimBereichder„Waffen- undeineeffektiveSpionage-Abwehraufder brüder“abgelehnthatte,jasogarvoneinem Tagesordnung.SchonderchinesischeGene- weiterführendenBündnisderSiegermächte ralSunzi(ca.500 v. Chr.)hatinseiner„Kunst träumte,musstendieUSAmitSchrecken desKrieges“festgestellt: „Wasdenweisen feststellen,dasssieüberdenneuenGegner HerrscherunddengutenGeneralbefähigtzu - kauminformiertwaren.SowirdGalloways zuschlagenundzusiegenundDingezuerrei - Zielformulierungverständlich. chen,dieaußerhalbderFähigkeitengewöhn - WinstonChurchillwarschonlangemiss - licherMännerliegen,ist Vorherwissen .Die trauischgewesen.InseinerRedeimMärz PlänedesFeindessinddurchSpioneundnur 1946inFulton(Missouri)prägteerdenBe - durchsiezuermitteln.“ griffvom„IronCurtain“: „VonStettinander DieMilitaryIntelligenceGroupderUS- OstseebishinunternachTriestanderAdria ArmyhatinOberurselüber22Jahremit hatsicheineisernerVorhangherabgesenkt, variierendenAufgabenundunterschied - querüberdenKontinent.“ Hofftenkurznach lichenBezeichnungeneinebedeutendeAr - KriegsendedieUS-Soldatenaufeine beitgeleistet. „DasZentruminOberurselhat schnelleRückkehrindieHeimatnacheiner eineneinzigartigenPlatzinderGeschichte überschaubarenBesatzungszeitinGermany, derUSIntelligence“ ,sagtArnoldSilver,drei sowarenjetztVorbereitungenfüreinebe - JahrelangimCampKingalsVerhöroffizier waffneteVerteidigung,fürAbschreckung tätig.

81 ten.DieDeutschenwarenebennochimmer Feinde,vorallemwennsiezurWehrmacht, zurSSoderzumSicherheitsdienstgehört hatten.SchließlichgelangesBokerdoch, ReinhardGehlenundweitere„Ehemalige“ nachFortHunt,Alexandria,inderNähe Washingtonszuholen.Dortschriebendie DeutschenBerichte,AuswertungenundBe - urteilungenaufvorgegebeneFragen.ImJuli 1945notiertBoker: „Eswarunsgelungen, dieSchlüsselpersoneninGeneralGehlens Stabzusammenzuführenundalleseinewich - Das„BlueHouse“,heuteweiß,einesvonvierGebäu - tigenDokumente.Unswurdebaldklar,daß denanderHohemarkstraße,diefürdieOperation wiraufeineGoldminegestoßenwaren.“ „Rusty“(OrganisationGehlen)beschlagnahmtwur - WährenddessensindHerbertWesselund den.Foto:ManfredKopp,September2008 HermannBaunmitandereninOberursel unterfalschemNamenstationiert.Baun, 1897inOdessageboren,Russischund IndiesemBeitragsollenvorallemsolche Deutschsprechend,aberohneEnglisch- Quellenbenutztwerden,dienach2000ver- Kenntnisse,bietetan,seinfrüheresAgenten- öffentlichtbzw.zugänglichgemachtworden netzinRusslandzuaktivieren.DerPlanwird sind. nichtakzeptiert.EristFiktion,ohneBezug zurRealitätdesJahres1945. WiederimDienst GehlenunddieübrigenMitarbeiterkom- menimJuni1946ausdenUSAzurück.Un- AlssichindenletztenTagendesKriegesdie erkanntwerdensieschnellstensvonLe OffizierederWehrmachtsgruppe„Fremde HavrenachOberurselgebracht,denndie HeereOst“trennten,hattensiedieKisten Sowjetsversuchen,alleMitarbeitervon mitKopienallerwichtigenDokumentever - „FremdeHeereOst“zufinden,zufangen grabenundVerabredungenfüreinabge - undvoreinGerichtzustellen.InOberursel stimmtesHandelninderZeit„danach“ge - werdeninNachbarschaftvonCampSibert troffen.IhrPlanginginentscheidenden (abSeptember1946CampKing)vierHäuser PunkteninErfüllung. beschlagnahmtundals„SafeHouses“abge - BeiderSuchenachverwertbarenInforma - schirmt.Esentstehtdie„BlueHouseEnclo - tionenüberdieUdSSR,ihremilitärische, sure“anderHohemarkstraße,unterhalbdes wirtschaftliche,politischeLage,auchin Lehrerinnen-Heimsoder„HouseAlaska“. jüngsterVergangenheit,botendiewieder ZweiAbteilungenwerdeneingerichtet: ausgegrabenenDokumentederdeutschen DieInformationsabteilungunterHermann AufklärungeinewichtigeGrundlage.Sie BaunsollAgentengewinnen,instruierenund wurdenzurAuswertungindieUSAtranspor - insbesondereinderOstzonezumEinsatz tiert.HauptmannJohnBokerjr.,Ausbilder bringen.FürsiewirddasabgelegeneOpel- fürAgentenimUSIntelligenceService,fand JagdhausimTaunus(Weihersgrund,Aubach - nurschwerUnterstützungfürseinenPlan, tal)am24. August1946beschlagnahmt.Eine dieDokumentevondenjenigenPersonen zweite,dieAuswertungsabteilung,stehtun - auswertenzulassen,diesiemitverfassthat - terGehlensLeitung.Siearbeitetineinem

82 GebäudeaufdemGeländederMotorenfab - rik,dieinsgesamtdenMotor-Poolbeher - bergt. DerzügigeAufbauwirdentscheidendge - fördertvonBrigadegeneralEdwinL. Sibert, ChefderMilitaryIntelligence(G-2)inWest- EuropamitSitzimUS-Hauptquartierin Frankfurt/Main.EbensowirktColonelWil - liamR. Philpmit,KommandantvonCamp KingbisSeptember1947.BeideOffiziere warenPragmatiker,denenvieleWegerecht IneinemlanggestrecktenGebäudeinderMotoren - waren,wennesgalt,„WissenüberdenGeg - fabrik,hierrechts,warenArbeitsräumeundDoku - ner“zugewinnen.Berührungsängstemitfrü - mentensammlungderOperation„Rusty“(Organisa - herenFeindenhattensienicht.ImErgebnis tion)untergebracht.Foto:JohnDolibois,Winter lagihreRechtfertigung. 1945 Beide,SibertundPhilp,wolltenaberauch nichtfrühzeitigdiezuerwartendenWider - ständeausderArmeeunddenMinisterienin Frankfurt/MainzwischenVertreternderArmy Washingtonherausfordern.Fürdiesegalt undder„Organisation“bliebohnekonkretes eineausderehemaligendeutschenWehr- Ergebnis.ReinhardGehlentrugseinen machtneuformierteGruppealsernsthafte schriftlichformuliertenTextzueinemzu- BedrohungderamerikanischenInteressen künftigendeutschenNachrichtendienstvor. imbesetztenDeutschland.Sogabeszukei- VondenVereinigtenStaatenfinanziellunter- nerZeiteineKooperationzwischendenGe- stützt,sollteervoneinerdemokratischge- heimdienstenderUSAundderOrganisation wähltendeutschenRegierungübernommen Gehlen.ReinhardGehlenstandaufderListe werden.Siberterklärte,dasserdavonaus- dervomUS-GeheimdienstgesuchtenOffi- gehe,dassdiedeutscheOrganisationinte- zierederWehrmacht.Col.Philpsorgtedafür, gralerBestandteildesUS-Geheimdienstes dassseinNamedortgestrichenwurde. seinsollte.Diedochsehrunterschiedlichen BeieinerRazziainBambergwerdenvon Positionenkonntenjedochnichterörtert denBesatzungstruppen25 Personenverhaf - werden,weilSibertzueinemanderenTer - tet,diealleeineBescheinigungvorlegen,die mingehenmussteundzweiTagespäterin siealsAgenteninamerikanischemAuftrag dieUSAzurückreiste.JedeSeitehatteihre ausweist.SiehabenauchArbeitsanweisun - Absichtenvorgetragen,undjederhattege - gen,AdressenundTelefonnummernbeisich. glaubt,deranderehabeihnverstandenund EinigeUnterlagentragendenVermerk„Burn stimmezu.Gehlensprachindenfolgenden afterreading!“DaswarzuRechtdemUS- Jahrenimmerwiedervoneinem„Gentle - GeheimdiensteineBeschwerdebeiderZen - men’sAgreement“,dasnieschriftlichfixiert tralewert.DieNamenundAdressenwaren wurde.Sibertaberwusstedavonnichts. inOberurselnichtbekannt.Außerdemzeigt IndererstenJahreshälfte1947wareine dieserVorfall,wiesichdeutscheMännerals EntscheidungüberdieBeendigungderOpe - „Agenten“anwerbenließen,umanbegehrte ration„Rusty“,wiedasUnternehmenim WarenausdenArmeebeständenzukom - Dienstverkehrgenanntwurde,fällig.Lau - men. fendeKosteninHöhevon2500000,– US- EinGesprächam30.August1946in Dollarohneeineerkennbareundertragrei -

83 cheGegenleistungwarenzuviel.HoherPer - OrganisationGehlen,spätestenszumSom - sonalstand,mangelhafteSicherheitsvorkeh - mer1948. rungen,Berichte,dienur„Low-Level“-Infor - WichtigisteinArgument,dasinderharten mationenenthielten,d. h.solche,dieaufder AuseinandersetzungumFinanzen,Stand - taktischenOberflächebleibenundnichtin orte,Personalpolitikoftübersehenwird:Für diestrategischeTiefeeindringen.DieVerbin - dieEntscheidungsgremienvonSSU(Strategic dungsoffizierederArmybeschwertensich, ServicesUnit),dannCIG(CentralIntelli - dasssienurwenigmitAufklärungzutunhät - genceGroup,ab1945)dannCIA(CentralIn - ten,vielmehrHilfskräftederdeutschenOr - telligenceAgency,ab1947)istdiegrundsätz - ganisationseien:Wohn-undArbeitsräume licheEinbindungindieNation–hierindie beschaffen,Benzingutscheinebesorgen,sich VereinigtenStaatenvonAmerika–keinesfalls umVerpflegungundZigarettenkümmern, zubeschneidenoderzuirritieren.DieDeut - AusweiseundBescheinigungenausstellen schenmögenverlässlicheVerbündetesein, lassenu. v. a.DerUSMilitaryIntelligence sindabernieAmerikaner,dieihremLand, ServiceunternahmnichteinmaldenVersuch derDemokratie,seinerFreiheitimInnersten einerSteuerung. verbundensind.DieZielsetzungunddie AufeinerKonferenzam19. Dezember AuswertungsindnationalePflichten. 1946inWashingtonbeschließendieneun DasHinauszögerneinerklarenEntschei - VertreterderbeteiligtenDienststellen,dass dungunterAusnutzungvonKonkurrenzzwi- zuBeginndesJahres1947Dr.SamuelBos- schenUSArmyundRegierungsstellenin sardeinGutachtenerstellenundeineEnt- WashingtonbeigleichzeitigerVorbereitung scheidungdurchdiezuständigenMinisterien einesselbständigenNachrichtendienstesim unddenzentralenGeheimdienstvorbereiten bundesdeutschenInteresseundAuftraghatte soll.MiteinemTelegrammvom31. Januar Erfolg.Alsam6. Dezember1947dieOrga- 1947kündigtBossardseineAnkunftinOber- nisationGehlenvonOberurselnachPullach urselan.ErbefragtdieleitendenMitarbeiter beiMünchenumzog,wardiesmehralsein derOrganisationGehlen.ErbittetdieCoun- Ortswechsel.EinZeichenfürdenAuszugaus terIntelligenceGroupumeineinhaltliche derPatenschaftderBesatzungsmachtwar, BewertungderNachrichtenunddieKosten dassinOberurselinCampKingundden ihrerBeschaffung.AuchdieAuswertung,die „SafeHouses“dieSicherheitderDeutschen bishernichtdenUSAzurVerfügunggestellt wiederAmerikanerhinterdemgleichen wird,sollüberprüftwerden. Stacheldrahtgewährleistetwurde.InPullach Einigkeitbestehtdarin,dassdasbisherige wurdeneinigeOffiziereundSoldatenfür „FairPlay“zwischenDeutschenundAmeri - einenWachdienstabgestellt,aberbald kanernimBereichderNachrichtendienste warendieGehlen-Leutefürihreeigene erhaltenbleibensoll.Ebensostehtaußer Sicherheitverantwortlich. Frage,dassWestdeutschlandvonrussischem Mitden2002freigegebenenDokumenten EinflussundkommunistischerDurchdrin - ausdem„NationalSecurityArchive“,diefür gungfreigehaltenwird. dieOperation„Rusty“2005vonKevin VerschiedeneMöglichkeitenwerdenvor - C.Ruffnerzusammengestelltundherausgege - gestellt,sodieAufteilungderOrganisationin benwurden,liegteineFüllevonDetailszum mehrereAbteilungen,vondeneneinigein LebenundArbeitenderwachsendenOrgani - denUSAselbsteingerichtetwerdensollen. sationGehlenvor.ImGegensatzzumanchen KlareVorgabevonBossardist:Einstellungder deutschenDarstellungenkommthierjedoch finanziellenundideellenTrägerschaftder dieamerikanischeSichtzumTragen.

84 EinBeispielkannGustavHilgersein.Er wurde1886inMoskaugeboren,hattein DarmstadtanderTHstudiertundschließlich ab1923imDienstderwiedererrichteten deutschenBotschaftinMoskaugestanden.Er wirktemitbeimAbschlussdesdeutsch-sow - jetischenNichtangriffspakteszwischenHitler undStalinimAugust1939.Erwarbefreun - detmitdemBotschafterderUSAinMoskau, GeorgeF.Kennan.Russlandnennterseine ColonelWilliamR. Philp,hieraufderSiedlerstraße Heimat,DeutschlandseinVaterland.Mitden imCamp,warvonJuli1945bisSeptember1947 KämpfernfüreinRusslandohneStalinstand KommandantvonCampKingunddenumliegenden er1944/45inengemKontakt.Ausamerika - „SafeHouses“.Foto:JohnDolibois,Winter1945 nischerGefangenschaftinFortHuntkamer wieGehlenimJuni1946nachOberursel. UntereinemDecknamenwurdeerimOpel- QuellenvonhohemWert Jagdhauseinquartiert.DieRussenwarenihm aufderSpur.InderOstzonehattensieseine Das7707 th ECIC(EuropeanCommandIntel- FamilieunterHausarrestgestellt,umihnun- ligenceCenter)bis1953,die513 th Military terDruckzusetzen.IneinerNacht-und- IntelligenceGroupbis1968inOberursel, Nebel-AktionentführtenHermannBaunund hattendieAufgabe,„sourcesofhighlevelin- einTruppUS-SoldatendieFamilieinden terest“zubefragen(„QuellenvonhohemIn- Westen.Am18. Oktober1947trafensiein teresse“–fürdieUSA).DieswarenzumBei- Oberurselein.–DassHilgerbeidieserGe- spielPersonen,dieschonvordemEndedes legenheitunterBaunsBetteinenKoffermit KriegesdenKampfgegendasRegimeStalins 100000,– US-Dollarfand,dieeigentlichfür aufnehmenwollten.ImHerbst1944begann denAufbaudesAgentennetzesbestimmt AndrejA. VlassoweinerussischeBefreiungs- waren,isteineEpisodeamRande. armeezurekrutieren.ZueinemKampf,ge - meinsammitderdeutschenWehrmacht, kamesnicht.OffiziereseinerArmeeaberge - rietenindieGefangenschaftderAmerikaner undwurdeninOberurselgründlichzuAuf - bauundStrategiederRotenArmeebefragt. EbenfallsaufderFluchtvorStalinwarenPoli - tiker,Wirtschaftler,Wissenschaftlerund Künstler,diesichinEmigrantengruppender Ukrainer,derBalten,derUngarn,derTsche - chensammelten.Jeder,dersichunterden SchutzderUSArmybegab,konntedamit rechnen,dassseineBereitschaft,befragtzu werden,seinWissenundseineBegabung, GustavHilger(Bildmitte)alsDolmetscherzwischen vergoltenwurdendurchHilfeverschiedener W. Molotow,AußenministerderUdSSR(links)und ArtzumLebensunterhaltjetztundinnächs - AdolfHitlerinBerlin,1940. terZukunft. (Quelle:www.nexusboard.net)

85 wirdKultusministervon1994bis1996.Vla - dimirKrajina,SprecherderEmigrantenim HausAlaska,wirktalsführenderBotaniker anderUniversitätvonVancouver.Beidiesen FamiliensinddieMonateinOberurseleine unvergesslichePhaseinderBiographie. InfastallenEmigranten-Gruppengabes Personen,dieherauszufindenundzuidenti - fizierenofteinekaumlösbareAufgabedar - stellte.Dawarendiejenigen,diealsAgenten derUdSSRverdecktdenWegindenWesten gingen,umeinengeheimdienstlichenAuf - DasOpel-JagdhausimTaunus,Weihergrund,Gemar - tragauszuführen.Dawarenaberauch kungAnspach,warZentralederInformationsabtei - die„fabricators“,diedemUS-Geheimdienst lungder„OperationRusty“undistheuteRuine.Foto: Nachrichtenanboten,vonausgedehnten ManfredKopp,Mai2010 AgentennetzenzurInformationsbeschaffung berichteten,dienurinihrerPhantasieexis - DurchdieFreundschaftzuKennankam tierten.DanngabesnochdieDoppelagen - HilgeralsBeraterimUS-Außenministerium tenundsogarTripleagenten,diemitInforma- erneutindieUSA.Alsbekanntwurde,dass tionen,wahren,halbwahrenunderfunde- er1943/44inItalienverantwortlichbeider nen,Handeltrieben.Werderschwierigen DeportationvonJudeninVernichtungslager TätigkeitderMilitaryIntelligenceGroupin mitgewirkthatte,kamernachDeutschland OberurselüberdieJahrenachgeht,derwird zurück.1953–1956arbeiteteeralsBot- manchmalaneinVersteckspielerinnert. schaftsratfürOstfragenimAußenministe- VoneinerhöchsterfolgreichenBefragung riumderBundesrepublik.Eine„sourceof berichtetArnoldSilver:1947wirdeinÜber- highlevelinterest“. läuferausBudapestindasCampKingge- AlsimFebruar1948dieimAufbaube- bracht.Ersagt,erhabeimKontroll-Zentrum findlichedemokratischeRegierunginPrag dessowjetischenGeheimdienstesinBuda - vonMoskau-hörigenKommunistengewalt - pestgearbeitetunddorteine„Operation“ samentferntwurde,kamenetwa50füh - vorbereitet.MitHilfevonSchiffenderDo - rendePolitikermitihrenFamiliennach nau-Flottesollte,alsHandelsunternehmen OberurselindasHausAlaska(heuteAgnes- getarnt,einAgentennetzinWesteuropaauf - Geering-Heim).Auchsiewaren„Quellen“, gebautundbetriebenwerden.DieAussagen aberübereineBefragunghinaussollteder könnenverifiziertwerden.DasVorhaben WelteinZeichenderFreiheitvorgezeigtwer - wirdverhindert. den.NachwenigenMonatenkonntenalle KloppUstinov,VatervonSirPeterUstinov, weiterreisen,indieUSA,nachKanada,aber wardienstlichfürdenbritischenGeheim - auchinandereeuropäischeLänder.Nach dienst1947inOberursel.Ersagtebeiseiner 1990gehenetlichevonihnenindie CSSR RückkehrnachLondon: „DiewestlicheWelt zurück,umerneutbeimAufbaueinerdemo - hatniemalszuvorsolcheinekonzentrierte kratischenRegierungmitzuwirken.JanDrá- undprofessionelleVernehmungzurAufklä - bek,KlassenkameradvonVáclavHavel, rungundzurSpionageabwehrgehabt,wiein übernimmtAufgabenimAußenministerium. Oberursel.DieseeinzigartigeFähigkeitwird PavelTigrid,Schriftsteller,zuletztinParis, aberverkümmern,denndieBürokratienimmt

86 zu,unddieGewissenhaftigkeitnimmtab.“ AuchinderPrognosebehieltUstinovRecht. SchriftlicheDokumenteausdieserZeit sindrar.ZeugenhabenihreErfahrungenund ErlebnissemitinsGrabgenommen.Secret!, Geheim!wirddasmeistebleiben.

HeimkehrerausSibirien

DiedeutschenGefangenen,dienachJahren derZwangsarbeitundEntbehrungenausSibi - rienzurückkamen,brachtenoftdurchdie OrteunddieArtderArbeitnebenihrenper - sönlichenErlebnissenInformationenmit,die dasBildderUdSSRindenUS-Nachrichten - dienstenerweiterten.„FieldUnits“,zumBei - spielimDurchgangslagerFriedland,prüften „DurchWachsamkeitWissen“–Ehrenzeichender th denBedeutungsgehaltderAussagen,führten 513 MilitaryIntelligenceGroup,1953–1968im dieBefragungoftamHeimatortdesRückkeh- CampKing,RüstungundKönigskrone rersfort.FürMisstrauischewiesensiesichals Mitarbeiterdes„HistoricalResearchInstitute“ inWiesbadenaus.InderOperation„Hermes“ traulichen(confidential)undgeheimen hattedieOrganisationGehlenentscheiden- (secret)Unterlagen.DerGedankeist,so denAnteilanderNutzungdiesesReservoirs. vielInformationwiemöglichüberden DiegewonnenenInformationenwurdenim Ort,dieArtunddenProduktionsumfang CampKinggesammeltundausgewertet. derjeweiligenFabrikzubekommen,in BriefevonJoanEisenmann(22)anihreEl- denendieGefangenenalsSklavenarbeiter ternindenUSAgebeneineninteressanten beschäftigtwaren.Überhauptalles,was EinblickindasLebeneinerUS-Zivilangestell - denUSAineinemKrieggegenRussland tenindenJahren1951/52.Nachwenigen vonNutzenseinkönnte!“ WochenimFrankfurterHeadquarterwech - seltsienachOberurselinsCampKing.Ihr EinenEindruckvonunsinnigenVorgängenin neuerChefsagtgleichzurBegrüßung:„ IC derArmeegibtderBriefvom26. Dezember (d. i.IntelligenceCenter) bedeutet:,I’mcon - 1951: fused ‘(Ichguck’danichtdurch!)“ „AlsichnochbeimZollgearbeitethabe, HiereinBeispielindeutscherÜberset - mussteichmitvielenPapierenarbeiten,die zung: denStempel,Confidential‘,,Restricted‘ „DieArbeitbestehthauptsächlichim oder,Secret‘trugen.OftwarderInhalt Übersetzen(Deutsch–Englisch)undinder nichtdasPapierwert,aufdemergeschrie - ZusammenfassungderBefragungsergeb - benwar.JedenAbendhabenwirallesdas nissedeutscherKriegsgefangener(aus ineinemStahl-Safeeingeschlossen. Russland).Dasbedeutet,dassichfür Jetzt(imCampKing)arbeiteichmit,Con - ,strenggeheimes‘Material(topsecret)zu - fidential‘-oder,Secret‘-Papieren,indenen gelassenwerdenmuss.Bisherarbeiteich diePläneundderAufbauvonKraftwerken nurmiteingeschränkten(restricted),ver - dargestelltsind,auchvonMunitionsfabri -

87 DerZweckheiligtdieMittel!

AlsEnde1948KardinalMindszentyinU ngarn verhaftetundineinemSchauprozesswegen Landesverratsverurteiltwurde,fielamerika - nischenBeobachternderFilmberichteauf, dassMindszentysichzuTatenbekannte,die eroffensichtlichnichtbegangenhatte.War seineZurechnungsfähigkeitdurchDrogen, Pharmaka,Hypnose,Gehirnwäschemanipu - liertworden?DieCIAwaralarmiert!Hatten dieRussenWegegefunden,durchgezielte BeeinflussungdiewillentlicheKontrolledes menschlichenGeistesauszuschalten?Gabes eineWahrheitsdroge? MitSchwerpunktindenUSAstartetedas „UnternehmenArtischocke“,indasvon 1953–1963rund25 MillionenDollarinves - tiertwurden.185Forscheran44Universitä- tenund12Klinikenwarenbeteiligt.Berichte vonVersuchenmitHäftlingeninKonzentra- tionslagernwurdenaufverwertbareErgeb- nissehinüberprüft.Berichteüberoffensicht- lichmanipulierteAussagengefangenerame- ProfessorDr.KurtBlome,1943–1945LeiterdesInsti- rikanischerPilotenimKoreakriegtriebendie tutsfürbiologischeKriegsführungbeiPosen,1946als Anstrengungenweiteran. GefangenerimCampKing,1952dortangestellter Arzt.SammlungFranzGajdosch NurwenigeVersuchefandenaußerhalb desUS-Territoriumsstatt.Einsolches„Erpro- bungsfeld“botensowjetrussischeAgenten, ken–Papiere,diemeinerMeinungnachin dieimCampKinguntergebrachtwarenund vielenFällenals,topsecret‘ausgezeichnet einemscharfenVerhörunterzogenwerden werdenmüssten.Dielegenwirabendsin sollten.IhrAuftragundihreIdentitätsollten einenMetallschrank,denmanmühelos einwandfreifestgestelltwerden.Dokumen - miteinemDosenöffneraufmachenkann. tiertsindVersucheimJuni/August1952.Prof. DannhängenwireinSchlossdavor,dasso RichardWendt,PsychologeanderUniversity schwerist,dassderSchrankfastumfällt. vonRochester,kaminein„SafeHouse“bei DasistSicherheitbeiderArmee! (That’s Oberursel.AlsZielwarformuliertworden: armysecurity!)“ „DieEntwicklungvonMethoden,mitdenen sichInformationenvonGefangenengewin - HierseinocheinmaleinSeufzervonArnold nenlassen,unabhängigvonderenBereit - Silverzitiert: „AlsderMenschgeschaffen schaftzurKooperation,aberohnedieAn - wurdeodersichentwickelthat,hatjemand wendungphysischerGewalt.“ währenddesHerstellungsprozessesverges - Am14. Juni1952,alsoimgleichenZeit - sen,dermenschlichenDummheitGrenzenzu raum,kommtFrankOlsonhinzu.EristCIA- setzen.“ OffizierundMitarbeiterderAbteilung„Spe -

88 cialOperations“inder USArmy.UnterderLast dessen,wasererlebthat, sagter–gegendieVor - schriftstrengsterGeheim - haltung–einemengen Vertrauten: „Daswar hart!SiebringenLeute zumSprechen!Siema - chenGehirnwäschemit ihnen.Siesetzenalle möglichenDrogenein… UndsienehmenNazis, Gefangene,Russen–und esinteressiertsienichtim mindesten,obdiedale - LuftbildvonCampKing,ca.1952 bendigrauskommenoder nicht.“ Selbstwennder Personenkreistatsächlichüberschaubarwar klärtenHelferausdemCampKing: „DieBe- undderZeitraumderVersuchenurwenige seitigungvonLeichenistkeinProblem!“ Joan Wochendauerte,sobleibtesdocheingrau- EisenmannschreibtimBriefvom7.Juli samesVorgehen.ImdarauffolgendenJahr 1952anihreEltern: „AmSonntagmorgen willFrankOlsonseinenJobaufgeben.Er binichwiederfrühinFrankfurtangekom- stirbtnacheinemSprungoderwirdgestoßen men,geraderechtzeitig,ummirimOberur- auseinemFensterim13.StockeinesHotels selerSchwimmbadeinenschönenSonnen- inNewYork. brandzuholen.Soum10Uhrhabensie EgmontKochzitierteinenleitendenMitar- einentotenMannausdemWassergezogen. beiterderCIA: „DerLeuchtturm,nachdem Erhattedaanscheinendschondieganze wirunserenKurshalten,istnichtderEiddes Nachtdringelegen.ObDeutscheroderAme - Hippokrates,sondernderSiegderFreiheit!“ rikaner,weißmannicht.“ AmfolgendenTag, AndenVersuchenistauchderArztaus dem8.Juli,standim„TaunusAnzeiger“als demCampKingbeteiligt.InNachfolgezu offizielleVersion,deramerikanischeSoldat Dr.WalterSchreiber(sieheJahrbuch2010, seieinbekannterSportlergewesen,der S. 243)istdiesjetztProfessorDr.KurtBlome. wohlamSamstagnochspätinsBadgekom - Eristinsbesonderedadurchbekanntgewor - menunderhitztinsWassergesprungensei. den,dasservon1943aninderNähevon DabeihabeereinenHerzschlagerlitten.Es PosenalsLeiterderKrebsforschungarbei - warenexaktdieTage,indenenPharmaka tete,verbundenmitderEntwicklungeines anMenschengetestetwurden.Obdaein SchutzesgegenbiologischeWaffenimKrieg. Zusammenhangbestand? ZumerstenMalwarerimCampKingimOk - EineReiheunterschiedlicherGründeführ - tober1945, verhaftetinVorbereitungderAn - tenzumAbbruchderVersucheimCamp klageimNürnbergerÄrzteprozess.Nunwar King,gleichimAugust1952.Unteranderem erwiederimCamp,diesmal„imDienst“. stelltemanfest,dassaußerzweijungenRus - InderVorbereitungderMenschen-Ver - senzuwenige„Kandidaten“vorhandenwa - suche,dieTodesfällenichtausschlossen,er - ren.WasinderGeschichtevonCampKing

89 nureinekurze,wennauchgrausameEpi - unseraufrichtigerWunsch,daßesIhnenbei sodewar,wurdeindenUSAnochbisindie unsgefällt,undichkannIhnenversichern, 60erJahreweitergeführt.Diehysterische daßunsereMitarbeiterallestunwerden,um FurchtvorRussenundChinesennahmunter esIhnensoangenehmwiemöglichzuma - denHardlinerninderCIAnochlangekein chen.“ Ende. DieAktezumFeindobjekt„CampKing“in Oberurselfülltbeidem„Bundesbeauftragten FlüchtlingeimErholungsheim fürdieUnterlagendesStaatssicherheitsdiens - tes“fünfOrdner.AlleAuswertungen,Be - VondenrundvierMillionenMenschen,die richte,Pläne,Bilder,AngabenzumVerfahren zwischen1949und1990dieDDRinRich - sinddortgesammelt.AufAnfragehatder„Er - tungderBundesrepublikverließen,passier - innerungsortderZeitgeschichte“inOberur - ten1,35Millionendas1953gegründete seleineAuswahlvon560 Kopienerhalten. NotaufnahmelagerMarienfeldeinBerlin. Ineinerumfangreichen„Auswertungzur DieFlüchtlingeoderÜbersiedlerhatten DienststellenakteüberdiezentraleDienst - nichtnurihrGepäckdabei,sondernoftauch stelledesUS-Geheimdienstes“derStasivom KenntnisseundFähigkeiten,diefürdieBe - Februar1967heißteseinleitend: „Diege - satzungsmächteinteressantundwissenswert steigerteAggressivitätdesUSAImperialismus waren.Gleichzeitigmusstensieaberauch unddessenschmutzigerKrieginVietnam dafürsorgen,dassdieeigeneAbwehrdie richtensichimgleichenMaßegegendieEnt- AgentendesMinisteriumsfürStaatssicherheit spannungunddenFriedeninEuropa.…Eine enttarnenundzurückweisenkonnte.Im derbedeutendsten,vomUmfangundder Notaufnahmeverfahrenfanddieerstevon VielseitigkeitderAngriffegegendieDDRund insgesamtzwölfBefragungsstationeninden anderesozialistischeLänder,einedergefähr- SichtungsstellenderAlliiertenstatt.ImBlick lichstenzentralenDienststellendesUS-Ge- warendannAngestellteundFunktionärevon heimdienstesinEuropa,befindetsichim ParteiundStaatsapparat,AngehörigederIn- ,CampKing‘,637 Oberursel/Taunus.Indie- telligenz,aberauchAngestellteundArbeiter semObjektbefindetsichdasKommandoder auswichtigenProduktionsbetriebenundder 513thMilitaryIntelligenceGroup(militäri - DeutschenReichsbahn.Ließendieersten scheAufklärung)“. KontaktemehrundweitreichendeInfor - WährendindenAktenderStasivomUS- mationenerwarten,dannerhieltendiebe - Imperialismusgesprochenwird,warntdie treffendenPersoneneine„Einverständnis - 513 th MilitaryIntelligenceGroupeindringlich erklärung“zurUnterschrift. „Hiermiterkläre vordendrohendenGefahrenausdenkom - ichmichbereit,meineAussagenfreiwilligund munistischbeherrschtenLändern.Esgilt ungezwungeninOberurselbeiFrankfurt/ wachsamzusein!DasSymboldieserUS-Ein - Mainzuwiederholenundzuerweitern.Pro heit,dasihr1968inAnerkennungihrerver - TagmeinesAufenthaltesinOberurselerhalte dienstvollenArbeitverliehenwurde,zeigt ich10,– DM(West).“ InOberurselangekom - diesesSelbstverständnisklar:Dermitdreiza - men,erhieltendie„Gäste“einenWillkom - ckigerKronegeschmückteRitterhelmweist mensbriefvom„Erholungsheim,Hohemark- aufCampKingundseineWehrhaftigkeithin. straße66“,indemesimerstenAbschnitt DasoffeneVisierstehtfürgeschützteBeob - heißt: „ImNamenderamerikanischenStreit - achtung.DerLorbeerkranzsymbolisiertEhre kräfteundderenMitgliedermöchteichSie undAnerkennungfürdasGeleistete.Die aufsherzlichstewillkommenheißen.Esist Umschriftlautetübersetzt:„DurchWach -

90 samkeitWissen“.AlsimJahre1968dieEin - heitvonOberurselnachMünchenverlegt undkurzdaraufaufgelöstwurde,hattenseit ihrerGründung1953nachgroberSchätzung 7000–9000MenschendieStation„Camp King“passiert. AndieserStellewird–wieoftdavorund danach–deutlich,wiedasVorherwissen,das LesenwieineinemoffenenBuch,derVertei - digungvordemFeinddient.Gleichzeitiglei - tendieNachrichten-undGeheimdienste ihreExistenzberechtigungvonderGrößeder DasHomm-Haus,Hohemarkstraße2.DiePostkarte GefahrkriegerischerAuseinandersetzungen indenStasi-Unterlagenzeigt,woGünterGuillaume inOberursel1956wohnte,hierausderSammlung ab.SieberufensichaufdieAngstvordem BerndOchs Gegner,diesieselbstkräftigfördern. UnterdenverschiedenenAufgabenwar nachderInformationsgewinnungauchdie derUSArmyinMitteleuropa.Indenfolgen - WeiterführungvonbestehendenKontakten den25 JahrenändertensichAufgaben,Zu - indieDDRvonBedeutung.DieErkenntnisse ständigkeitenundVerkehrsregulierungen. solltenstetsaktualisiertwerden.Auchfeind- LangeherrschtengeradeindiesemSektor licheAgentengalteszuenttarnen.Dafür, RechtederBesatzungszeit.ImKaltenKrieg dassdiesinvielenFällennichtgelang,steht sollteeinrascherZugriffaufWegeundTrans- dasBeispielvonGünterGuillaume. portmittelgesichertsein.WeilaberkeinGe- ErkamalsVerlagskaufmannundFlüchtling heimdienstmehrtätigwar,konntedasTor mitseinerFrau1956nachOberursel.Er häufigergeöffnet,dieKontaktezurStadtund wurdebefragt,erhieltAufenthaltsgenehmi- derBevölkerunggefestigtunddiePresselau- gungundPassundzogdannineineWoh- fendinformiertwerden.ÄltereEinwohner nungimHomm-HausamAnfangderHohe- erinnernsichhäufignochan„Tagederoffe- markstraße.BeieinemimAufbaubefindli - nenTür“,angegrillteSteaksundWürstchen, chenortsansässigenVerlaggegenüberinder anLimonadeundSofteis.AuchdieDemons - EppsteinerStraßefandereineAnstellung. trationenvordemTorunddemZaunvon WeitereStationwarderUmzugnachFrank - CampKingzurZeitderStationierungvon furt,dieEröffnungeinesCafésamDomund Mittelstrecken-RaketeninEuropaundauf derEintrittindieSPD1957.DieLaufbahn demBodenderBundesrepublikgehörenin endetedannimKanzleramt vonWill yBrandt. dieseZeit. 1973wurdeerenttarnt,unddieswardann DieErinnerungenverblassen,aberdie AnlassfürdenRücktrittdesBundeskanzlers. SammlungvonDokumenten,Büchern,Bil - IndenStasi-UnterlagenisteinePostkarte dern,PlänenundFilmenkannhelfen,jun - vomHomm-HausamKreisel.Jetztkönnen genMenscheneinbedeutsamesKapitelder wirvermuten,warum! Zeitgeschichtenäherzubringen.Sieregt auchGroßelternan,ihrenEnkelnzuerzäh - DasLagerwirdzumWohngebiet len,wassiedamalsganzpersönlicherlebt haben. AndieStelleder513 th MilitaryIntelligence EinVeteran,deralsPilot1944imDurch - Grouptrat1968derVerkehrsführungsstab gangslagerLuftalsGefangenerverhört

91 BenutzteQuellenundLiteraturinAuswahl

Critchfield,James:AuftragPullach–DieOrganisation Gehlen,1948–1956,Hamburg,2005,S. 15–59 Eichner,Klausu.Schramm,Gotthold(Hrsg.):Angriff undAbwehr–DiedeutschenGeheimdienstenach 1945,Berlin,2007 Feinstein,Tamara(Hrsg.):„TheCIAandNaziWarCri - minals“,NationalSecurityArchive,ElectronicBriefing BookNr. 146,Februar2005[www.gwn.edu/~nsar - chive/NSAEBB146] Eisenmann,Joan:Lettershome.[http://members.bell - atlantic.net/~mirdavis/joan_eisenmann_let - ters_to_parents_1951_1952_edited_illustra - ted_v5. pdf] Musterhaus„Rheingau“,1939vomMessegeländein Gajdosch,Franz:US-CampKing,unveröffentlichtes Frankfurthierherumgesetzt,warvon1945–1993 Manuskript,2005 UnterkunftfürOffiziere,Internierte,„Gäste“,Flücht - Koch,Egmont:DieCIA-Lüge–FolternimNamender linge,heutesaniertundmodernerweitert(Heinrich- Demokratie,Berlin,2008 Kappus-WegNr. 14).Foto:ManfredKopp,Mai2010. Silver,Arnold:MemoriesofOberursel–Questions, Questions,Questions.[www.cia.gov/library/center- for-the-study-of-intelligence/kent-csi/vol37no4/pdf] wurde,schreibtamSchlusseinesBriefes AlleInformationenundMaterialienzudiesemAuf- 40 Jahrespäter: „ImGeländevonCampKing satzsindinFindbüchernerschlossenundeinzusehen im„ErinnerungsortderZeitgeschichte–DasGelände kannmanauchheutenochdenGeisternder CampKing,1933–1993“,ImRosengärtchen37, Vergangenheitbegegnen.“ 61440Oberursel(Kirchenladen).ImInternetunter SiemahnenunszumFrieden! www.campking.orgistdieRecherchemöglich.

92 Manfred Kopp

Beweglichkeit ist unsere Stärke

Der Verkehrsführungsstab der US-Army, 1968-1989

Im Zuge einer Neuordnung des US-Secret Mit Befehl 254 vom 2. Dezember 1968 Service mit dem Ziel der Aufklärung in den wurde nach einigen Zwischenschritten die Staaten des Warschauer Paktes verließ im langfristige Stationierung von USATRANS- Oktober 1968 die 513th Military Intelligence COMEUR (= US-Army Transportation Com- Service Group den Standort Camp King in mand in Europe) im Camp King, Oberursel, Oberursel. 15 Jahre lang hatte die Zentrale angeordnet. Dies bedeutete aber nicht nur ei- des Geheimdienstes der US-Army hier In- nen Ortswechsel. Es war eine Schlüsselposi- formanten verhört, Material gesammelt und tion im Rahmen einer neuen Militärstrategie. die Ergebnisse ausgewertet. Die Erkenntnisse ÅVZZLULPUPUKPLZ[YH[LNPZJOLU\UK[HR[PZJOLU Planungen für mögliche Kampfeinsätze am „Eisernen Vorhang“ und dahinter. Als in Oberursel bekannt wurde, dass statt des Geheimdienstes nun das Transportkom- mando hier stationiert werde, gab es lautstark vorgetragene Bedenken aus der Bevölkerung. Man fürchtete eine Ansammlung von Fahr- zeugen, auch Panzern, im Gelände des Lagers und auf den Zufahrtsstraßen, Verkehrslärm Aus der Sicht der USA galt es sowohl während als und Abgase. Sowohl beim US-Hauptquartier auch nach dem Krieg immer erst den Atlantik zu wie bei der Hessischen Landesregierung in überwinden. Dies signalisieren das blaue Band im lin- Wiesbaden wurden die Bedenken vorge- ken, wie der Dreizack des Meeresgottes Neptun im tragen. Dann aber wurde bald klar, dass es rechten Abzeichen für das Transportkommando. Das hier nicht um einen zentralen Standort für Motto „Freedom Through Mobility“ weist auf die neue Militärfahrzeuge ging, sondern um den zen- Strategie hin tralen Standort für die Verkehrsführung der US-Army in Westeuropa. Die neue Strategie Bisher arbeitete der Stab von Frankreich aus. Da aber im Februar 1966 Staatspräsident Nach dem Korea-Krieg 1954 galt unter US- Charles de Gaulle erklärt hatte, dass Frank- Präsident Dwight D. Eisenhower das Kon- reich die volle Ausübung seiner Souveränität zept der „massiven Vergeltung“: Jeder An- anstrebe und die Stationierung fremder Trup- griff auf die USA und ihre Bündnispartner pen auf seinem Boden untersage, mussten in der NATO sollte umgehend mit allen zur alle Einheiten der US-Army das Land ver- Verfügung stehenden Mitteln, Nuklearwaf- lassen. Die Mitgliedschaft Frankreichs in der fen eingeschlossen, erwidert werden. Erst in NATO ruhte seit 1966 und wurde erst 2009 den Jahren nach 1960 wurde aufgrund der wieder aufgenommen. Aufrüstung und Modernisierung der Waf-

207 fentechnik in den Staaten des Warschauer schen 16.000 und 22.000 Soldaten, die mit Paktes die Strategie der „Flexible Response“, ;YHUZWVY[Å\NaL\NLU^PL*É/LYJ\SLZ¸ KLY ÅL_PISLU ,Y^PKLY\UN LU[^PJRLS[ 0T 1H - oder C-5 „Galaxy“ in Stunden von den USA nuar 1968 erklärten die Führungsgremien der zu Flugplätzen wie Rhein-Main-Air-Base oder NATO diese Strategie zum handlungsleiten- 9HTZ[LPUILP2HPZLYZSH\[LYUNLÅVNLU^\YKLU den Konzept für das Bündnis. Sie galt bis zum 1979, bei einem Wintermanöver, waren 134 Ende des Kalten Krieges 1990. „Sollte eine Flüge erforderlich. Per Schiff wurden 1.555 Aggression eintreten, ist das militärische Ziel, Radfahrzeuge, 580 Panzer und 500 Container die Integrität und die Sicherheit des NATO- mit Ausrüstung herangeschafft und in Antwer- Gebietes zu bewahren oder wiederherzustel- pen und Amsterdam ausgeladen. Das Haupt- len.“ Dieses Ziel sollte mit konventionellen kontingent an Material, Fahrzeugen, Waffen Truppen erreicht werden. Erst bei deutlicher und Ausstattung war langfristig in Depots auf Unterlegenheit der eigenen Truppen sollte dem Gebiet der BRD eingelagert. Deshalb der Einsatz von taktischen Nuklearwaffen er- mussten die ankommenden Soldaten nach wogen werden. der Einweisung und dem Einsatzbefehl sofort Die erneute Bedeutung konventioneller vom Flughafen zum Depot gebracht werden, Verteidigung gab dem mit moderner Technik dort die Ausrüstung überprüfen, die Vorräte ausgerüsteten und leistungsfähigen Transport- in Empfang nehmen, die Fahrzeuge in Be- wesen eine herausragende Rolle. Im Stra- wegung setzen und in die Bereitstellungsräu- tegie-Konzept heißt es dazu: „Die Boden-, me des Manövergebietes fahren, alles genau See- und Luftstreitkräfte der Allianz sollen in nach Plan! KLY3HNLZLPUa\ZJOULSSLYÅL_PISLY\UK^PYR - samer Reaktion gegen die verschiedenen For- men eines begrenzten Angriffs. Um die not- wendige Flexibilität sicherzustellen und den Erfordernissen einer direkten Verteidigung zu genügen, benötigen diese Streitkräfte ausrei- chende Mobilität, Feuerkraft, Kommunikati- on, Logistik und die Fähigkeit zu weiträumi- gen Verteidigungs- und Angriffsoperationen.“ Bereits 1967 war von den USA, Großbri- tannien und der Bundesrepublik beschlossen worden, die Stärke der ständig stationierten Truppen in Westeuropa zu verringern. Der Hauptgrund war die Reduzierung der laufen- KLU 2VZ[LU)LPKLUQpOYSPJOZ[H[[ÄUKLUKLU Manövern sollten jedoch – einen möglichen Ernstfall im Blick – in kürzester Zeit wieder Truppen über den Atlantik zurückgebracht werden. Deshalb trugen die Übungen bis zum Ende 1993 die Bezeichnung REFOR- GER, Return of Forces to Germany, Rückfüh- rung von Streitkräften nach Deutschland. Eine Kolonne M113 Panzerfahrzeuge auf der BAB vor Bei den 25 REFORGER-Manövern zwi- dem Frankfurter Kreuz, REFORGER 1985 (Quelle: schen 1969 und 1993 waren es jeweils zwi- Wikipedia Commons „Reforger“)

208 Ziel der Manöver für die beteiligten Ar- Wie die Manöverleitung bei der Auswertung mee-Einheiten war die Überprüfung der ge- registrierte, ist dies auch gelungen! planten Abläufe, die Einsatzbereitschaft der Soldaten, sowohl der herangeführten wie der Alles muss laufen wie geschmiert! hier stationierten, aber auch das Zusammen- wirken mit den NATO-Bündnispartnern, ins- Als „US-Transcomeur“ wurden 1968 das Ver- besondere der Bundeswehr. Für die Gegner kehrsmanagement der USA und der NATO in im Osten, die Staaten des Warschauer Paktes, das Camp King nach Oberursel verlegt. Im sollte es eine Demonstration von Macht, Stär- Mai 1975 wurde die Einheit in „4 th Transpor- ke und Geschlossenheit im Handeln sein. tation Brigade“ umbenannt. Ab Februar 1981 Nach zwei Wochen war die Übung zu trug der Stab die Bezeichnung „4 th Transporta- Ende. Es folgte das Aufräumen, Säubern, Re- tion Command“. Der Eindruck entsteht, hier parieren und Einlagern des Materials. Die habe an kritischer Stelle Unsicherheit über Soldaten aus den USA begannen nach ei- Struktur und Organisation geherrscht. Der nigen Tagen Erholung und Sightseeing den Grundsatz blieb aber in all den 25 Jahren 9 JRÅ\N - Y KLU =LYRLOYZM OY\UNZZ[HIPT gleich: Die Führung und die Kontrolle sind Camp King waren die alljährlichen REFOR- zentral, die aufgabenorientierte Ausführung GER-Manöver eine besondere Herausforde- dezentral angeordnet. rung. Der reibungslose Ablauf in den unter- Veränderungen waren jedoch erforder- schiedlichen Abschnitten war entscheidend lich, weil Waffentechnik und Munition wei- für das Gelingen der Übung und die überzeu- terentwickelt und weil Ladetechnik und Fahr- gende Umsetzung der Strategie von „Flexible zeugeigenschaften verbessert wurden, weil Response“. Korrekturen im Ablaufprogramm nach der Aus lokaler Sicht ist bemerkenswert, dass Auswertung der Manöver vorzunehmen wa- bei dem Manöver 1980 angenommen wur- ren und besonders aufgrund der rasant fort- de, die Verkehrskommandozentrale im Camp schreitenden Digitalisierung bei der Ortung King sei durch einen gegnerischen Angriff und Bewegungskontrolle der Transportmittel. zerstört worden. Umgehend wurden 73 Re- Die Zahl der Mitarbeitenden auf dem ZLY]PZ[LUH\Z0UKPHUHLPUNLÅVNLU:PLZVSS[LU Camp-King-Gelände lag zwischen 300 und die Funktionstüchtigkeit wieder herstellen. 550 Personen, wobei der Anteil der lang-

Bei der Parade zu Ehren Col. King sind am 13. August 1986 vor dem Gedenkstein Vertreter aller nachgeordneten Einheiten angetreten (Quelle: Slg. Franz Gajdosch)

209 fristig beschäftigten Fachleute zu- und der bahnen, die in der Öffentlichkeit oft mit Ver- der dienstleistenden Soldaten abnahm. Im ärgerung wahrgenommen wurden, auch mit gesamten Transportbereich waren dem Kom- der Bundesbahn und der Binnenschifffahrt, mando bis zu 5.000 Soldaten zugeordnet. gab es einige kleine Einheiten und Einsatzfel- Das Jahresbudget lag bei rund 40 Millionen US- der, die vom Führungsstab hohe Flexibilität Dollar (1982). Die Zahl der beförderten Per- und genaue Abstimmung erforderten. sonen betrug zwischen 650.000 und 940.000 Da war die 570th Military Police Platoon pro Jahr, der Güter bis zu 900.000 Tonnen. (Railway Guard) mit 60 Mann, stationiert im Die dem 4th Transcom nachgeordneten Camp King, Bahnpolizei zur Überwachung Einheiten waren von unterschiedlicher Größe und Sicherung von Bahntransporten, aber und mit sehr verschiedenen Aufgaben betraut. auch mitverantwortlich für den Wachdienst Bei der Parade zur „Memorial Ceremony“ zu am Gate. Ehren des Namensgebers, Colonel Charles B. Da war das 97 th Quartermaster Battalion, King († 1944), im August 1986 waren auf dem zuständig für die Treibstoffvorräte und die Gelände unterhalb der Mountain-Lodge an- Verteilung auf die Tankstellen. Für die Be- getreten die Abordnungen der 37th Transpor- förderung von eiliger Fracht und sensiblem tation Group, 27 th , 28 th , 39 th , 53 th , 106 th Trans- Material, von „very important persons“ (VIP) port Battalion, 6966th Civil Support Center. und vertraulichen Dokumenten und Befehlen Die Standorte der Einheiten lagen im mittle- wurden die 18 Helikopter der 205th Aviation ren Bereich der Bundesrepublik, z.B. in Rüs- Company benötigt. Stationiert waren sie auf selsheim, Mannheim, Kaiserslautern, Pirma- sens, Rhein-Main, Idar-Oberstein und Fürth. Transportmittel waren für alle diese Truppen 2YHM[MHOYaL\NLKHY\U[LYH\JO;PLÅHKLYM Y Schwertransporte, Tanklaster, Tiefkühltrans- porter, Spezialfahrzeuge für den Transport von Munition und dann die Sattelschlepper (1969: 1.200 Zugmaschinen und 2.700 Auf- lieger). In das System waren eingegliedert die 9 TTPs, die „Trailer Transfer Points“, in denen Güter zwischengelagert, verteilt und umge- leitet werden konnten. Über seinen Einsatz (1982) schreibt rückblickend ein Soldat: „Die Transporta- tion Group ist das größte Transportunterneh- men der freien Welt. Ihr Auftrag ist es, den regelmäßigen Fernverkehr für Militärgüter sicherzustellen, vom 20g-Brief bis zum 60 t- M1-Panzer. Um diesen Auftrag zu erfüllen, fahren die Transporter einzeln oder in Kolon- nen durch Deutschland, Holland, Belgien, Luxemburg und gelegentlich auch Dänemark und Großbritannien.“ Bürgermeister Karlheinz Pfaff „tauft“ beim Volksfest Neben den umfassenden „eigentlichen“ 1974 einen Transporthubschrauber „Chinook“ auf den Transportaufgaben auf Fernstraßen und Auto- Namen der Stadt Oberursel (Foto: K.H. Arbogast)

210 dem Flugfeld in Mainz-Finthen. Einer trug so- hörte auch die zuverlässige Kooperation mit gar das Wappen und den Namen der Stadt der US-Luftwaffe, der US-Navy, mit den ver- Oberursel. wandten Armee-Einheiten der Bündnispart- Das 3rd ATMCT (= Air Terminal Move- ner, mit staatlichen und zivilen Leistungsan- ment Control Team) trat nur im Rahmen der bietern (Deutsche Bahn, Speditionen). REFORGER-Übungen in Aktion. Dann bezo- An Innovationen im Bereich von Soft- wie gen entsprechend geschulte Soldaten auf den Hardware war das Militär sehr interessiert. Flughäfen Rhein-Main, Ramstein, manchmal Von dort kamen Zielvorgaben. Dort waren H\JO)Y ZZLS7VZP[PVU:PLLTWÄUNLUKPL(U - zahlungskräftige Auftraggeber. Das Anwen- kommenden, überprüften deren persönliche dungsgebiet hatte hohe Priorität. Das Ver- Begleitdokumente auf Vollständigkeit, korrekte kehrsmanagement im Camp King Oberursel Schreibweise (z.B. der deutschen Ortsnamen) gehörte dazu. und gaben die Ziele und Wegbeschreibungen Im Dezember 1989 wurde im Zuge der an. Busse standen in ausreichender Zahl bereit. politischen Umorientierung die 4th Transcom Ebenfalls im Zusammenhang mit den nach Kaiserslautern verlegt und einer ande- Übungen für einen denkbaren Ernstfall stand ren Einheit angegliedert. Bei dieser Gelegen- der NEO-Plan (= Noncombatant Evacuation heit sagte der neue Commander, General- Operation, d.i. Zivilisten in Sicherheit brin- leutnant William S. Flynn: „If you’re wearing gen). Schon bei ihrer Einreise wurden alle it, driving it, reading it or eating it, you get US-Bürger, die nicht Soldat waren, besonders it from the Fourth“, d.h. „Was immer du am die Familienangehörigen, auf diesen Plan Leib trägst, womit du fährst, was immer du hingewiesen. In jedem Haushalt sollte ein liest oder auch ißt, du hast es von der Vierten. Gepäckstück griffbereit sein, in dem Decke, ,ZNPI[RLPUL,PUOLP[KPLTLOY,PUÅ\H\MKPL Pass, wichtige persönliche Dokumente und amerikanischen Soldaten in Europa hatte, als eine eiserne Ration verwahrt wurden. 1979 die Vierte!“ (d.i. 4 th Transcom). überprüften vom Stab in Oberursel beauftrag- te Soldaten alle US-Haushalte im Gebiet zwi- schen Fulda und Frankfurt, ob die Anordnung befolgt wurde. Sie unterrichteten auch über regelgerechtes Verhalten im Ernstfall. Am Schluss dieses Überblicks muss die zentrale Steuerungseinheit für die Transport- kapazitäten und die Bewegungsabläufe ge- nannt werden: Die 1st Transportation Move- ment Control Agency (TMCA) im Camp King, Oberursel. Aus der DPU, der Data Proces- sing Unit, der Datenverarbeitung mit „pump Mit erheblichem Kostenaufwand wurde die Moun- cards“, Lochkarten, war im Zuge der Digita- tain-Lodge 1988/89 umgebaut, um für Büros und lisierung ein hochmodernes Logistik-System Computer-Arbeitsräume genutzt zu werden (Foto: Slg. geworden: Kommunikation, Dokumentation Franz Gajdosch) und Prozesssteuerung. Der Auftrag für das Verkehrsmanagement, das integrierte Trans- Bald zeichnete sich ab, dass für das Camp portsystem für die US-Streitkräfte in Europa King auf Dauer keine Verwendung mehr zu zu führen und zu verwalten, konnte von Jahr ÄUKLU^HY+PLALP[KLY2VUMLYLUaLU)LYH - zu Jahr präziser ausgeführt werden. Dazu ge- tungen und Festlichkeiten in der Mountain-

211 Bei dem Freundschaftsfest 1988 sind Fahrzeuge zu besichtigen und zu bestaunen: Hier eine Zugmaschine mit LPULTHUOpUNLUKLU;PLÅHKLY\UKLPULT7HUaLY

3VKNL ^HY]VYILP+LYÉ6MÄJLYZ*S\I¸TP[ Ein Grund für die Neuordnung und die seinem Angebot war schon vorher umgezo- Umorganisation nach 1990, die nicht nur für gen. Das Erdgeschoss wurde umgebaut zur das Camp King in Oberursel, sondern für viele Nutzung für eine Abteilung der 22 nd Signal andere US-Standorte in Westeuropa galt, war Brigade. Drei weitere Abteilungen wurden die Verlagerung des Einsatzgebietes für Trup- in den Häusern 1041 (Verwaltungsgebäude), pen in den Nahen Osten und auf den Balkan. 995 (Hessenland) und 990 (Maintal) unterge- Am 16. Juni 1991 begann mit der Operation bracht. Haus Rheingau (1028) gegenüber der „Wüstensturm“ der Luftangriff auf Ziele im Mountain-Lodge war zeitweise Gästehaus Irak. Dessen Truppen sollten wieder aus Ku- des Ambassador Arms Hotel in Frankfurt. wait vertrieben werden. Die Resolution 678 Die 22 nd Signal Brigade hatte als Zentrale des UN-Sicherheitsrates gab ein Signal, und für das Fernmeldewesen der US-Army nicht der Zweite Golfkrieg begann. Im gleichen nur für den laufenden Nachrichtenverkehr, Monat versuchten Einheiten der Jugoslawi- die Telekommunikation im militärischen Da- schen Armee die Loslösung Sloweniens aus tennetzwerk zu sorgen. Auch die Ausbildung dem Verbund „Jugoslawien“ zu verhindern. von Fachkräften gehörte zu den Aufgaben, Die Balkankriege begannen. die Beratung bei der Anschaffung neuer An- Im Camp King, am Gate an der Hohe- lagen an anderen Standorten und das, was in THYRZ[YHL LU[ÄLS KLY>HJOKPLUZ[HI4pYa der Fachsprache „support“ heißt, die Fehler- 1990. Die Unterhaltung der Gebäude und suche und Fehlerbehebung im System. In den KPL7ÅLNLKLZ.LSpUKLZ^\YKLUH\Z2VZ[LU - nachgeordneten Standorten waren insgesamt gründen eingeschränkt, und nach drei Jahren mehr als 1.000 Mann im Einsatz. kam dann der endgültige Abschied der US-

212 Army von Oberursel. Die 22 nd Signal Brigade grillten saftigen Steaks schwärmen manche zog nach Darmstadt und Kaiserslautern, wie Oberurseler noch heute. In Erinnerung blieb schon zuvor die 4 th Transcom. Ein „Farewell auch die Vorführung der Fallschirmspringer :HS\[L¸SLP[L[LKLUVMÄaPLSSLU;LPSLPU(T mit gelungener punktgenauer Landung 1987. Juli 1993, morgens um 8:30 Uhr, wurde die Bei dem Volksfest 1974 „taufte“ Bürgermeis- US-Fahne vom Mast genommen und einge- ter Karlheinz Pfaff einen großen Hubschrau- rollt. Von nun an suchte die Bundesvermö- ber auf den Namen der Stadt. Es war das erste gensverwaltung für 16 Hektar bebauten Ge- Mal, dass eine deutsche Stadt Namensgebe- ländes einen neuen Eigentümer. rin für einen US-Transporter wurde. Nach Terroranschlägen auf US-Einrichtun- Feste und Proteste gen in Heidelberg und Ramstein wurden zeit- weise die Sicherheitsvorkehrungen im Camp Als der Geheimdienst der US-Army das erhöht. Mit dem Argument, man wolle dem Camp 1968 verließ und das Transportation Stadtgebiet näher kommen, wurde dann das Command einzog, veränderte sich auch das Fest auf die KHD-Wiese (heute: Rolls Royce) Verhältnis zwischen der Bevölkerung und verlegt, aber der Besuch war deutlich rückläu- der Stadtverwaltung Oberursels auf der ei- ÄN]VYHSSLT]VU:LP[LUKLYHTLYPRHUPZJOLU ULU\UKKLU6MÄaPLYLUKLU:VSKH[LU\UK Soldaten. Es fehlte die original-amerikanische ihren Familien auf der anderen Seite. Der Atmosphäre. Stacheldrahtzaun wurde – im Bilde gespro- Ein Höhepunkt der öffentlich bedeutsa- chen – etwas niedriger und das Tor etwas men Veranstaltungen in den Jahren des „4 th ^LP[LY+PLYLNPVUHSL7YLZZLRVUU[LOp\ÄNLY Transportation Comand“ war die Feier zum über die Aufgaben und den Betrieb berich- 40. Jahrestag der Namensgebung. Am 19. ten. Der regelmäßige Kommandantenwech- September 1946 hatte General McNarney sel vollzog sich in Anwesenheit der Vertreter angeordnet, dass das Camp in Oberursel zu von Stadt und Kreis. In Arbeitsgesprächen Ehren des Oberst Charles B. King dessen Na- wurden gemeinsame Fragen der Zusammen- arbeit erörtert. Überwiegend waren die Kon- takte aber auf gesellschaftliche Ereignisse hin orientiert. Da wurden Einladungen zu den Festen wie Thanksgiving oder Neujahr ausgespro- chen. Beim Fastnachtszug fuhren Fahrzeuge aus dem Camp mit, und beim Sturm der Gar- den auf das Rathaus am Fastnachtssamstag gehörten auch US-Soldaten zu den „Erobe- rern“. Beim Brunnenfest waren Bands, Or- chester und Chöre zu hören. Einmal im Jahr Im Verlauf der Gedenkfeier besucht auch General- war das Gelände von Camp King offen für ein leutnant Collin Powell Camp King und trägt sich am Volksfest oder für „Freundschaftstage“. Ange- 18.8.1986 in das Gästebuch ein. Ein Jahr später wurde bote zur Besichtigung von Fahrzeugen oder er Nationaler Sicherheitsberater bei Präsident R. Rea- technischen Einrichtungen, für Kinderspiel gan. Von 2001 bis 2004 war er US-Außenminister und und Sportwettkämpfe lockten die Besucher, bezeichnete später seine Begründung zum Irak-Krieg rund 8.000 waren es 1979. Von den großen ]VYKLT>LS[ZPJOLYOLP[ZYH[HSZÉ:JOHUKÅLJR¸ZLPULY Eisportionen, den Hamburgern und den ge- Karriere (Quelle: Slg. Franz Gajdosch)

213 Zunächst in der Mountain-Lodge, später im Haus „Bergstraße“ (981) wurde die Geschichte des Geländes seit 1933 dargestellt und von Franz Gajdosch (links im dunklen Anzug) den Besuchern und Gästen erläutert men tragen solle. King war 38 Jahre alt, in rigen nahmen teil. Die Liste der Ehrengäste der Militärakademie von West-Point ausge- ^HYSHUN+LY7YVQLJ[6MÄJLY*HW[HPU9VNLY IPSKL[\UKLPUILNHI[LY(\MRSpY\UNZVMÄaPLY Moore, hatte genug Dokumente und Ma- als er am 22. Juni 1944, zwei Wochen nach terial gesammelt, um eine Ausstellung zur der Landung in der Normandie, bei einem Geschichte des Lagergeländes und seiner Gefecht erschossen wurde. Colonel Robert Nutzung seit 1933 zu gestalten. Diese Aus- H. Pratt, 1985 bis 1988 Kommandant im Z[LSS\UNZLJOZNYVÅpJOPNL;HMLSUTP[-V[VZ Camp King, wollte dem Lager zu einem his- und Texten, war dann das Werk von Franz torischen Hintergrund verhelfen. Er entwarf Gajdosch. Gajdosch war seit Sommer 1946 Form, Ausführung und Text für einen Ge- im Lager für kurze Zeit Gefangener, dann über denkstein an Charles King, der heute noch ]PLSL1HOYL)HYRLLWLYPT6MÄaPLYZJS\IPUKLY an zentraler Stelle im Gelände des früheren Mountain-Lodge. Er hatte mit Leidenschaft Camps steht. Menschen befragt, die von der Vergangenheit Am 13. August 1986 wurde der Stein bei im Siedlungshof und im Durchgangslager einer Gedenkfeier enthüllt. Nach der Einfüh- der Luftwaffe erzählen konnten, und er hatte rung durch Colonel Robert B. Pratt sprach aufgeschrieben, was er erfuhr, auch über die Bürgermeister Rudolf Harders. Er begrüßte im Arbeit der verschiedenen US-Einheiten, die Namen der Stadt Oberursel und aller Einwoh- im Camp stationiert waren. Bis 1990 dien- ner des Hochtaunuskreises die Angehörigen te seine Ausstellung als Anschauungsmate- von Oberst King und „die lieben amerikani- rial für Gäste und interessierte Besucher. Am schen Freunde“. Der stellvertretende Kom- 27. März 1990 übergab dann Kommandant mandeur der US-Armee in Europa, General- Colonel Dale E. Finke die Ausstellung an das leutnant Thomas D. Ayers, hielt die Laudatio. Vortaunusmuseum in Oberursel. Die private Die Witwe Kings und seine Familienangehö- Sammlung von Franz Gajdosch ist im Archiv

214 des „Erinnerungsortes der Zeitgeschichte“ zu- zum Protest aufgerufen und zu einer Unter- gänglich. schriftensammlung. Dem Vorwurf, sowohl )LPKLUVMÄaPLSSLU(USpZZLU^\YKLU Stadtverwaltung als auch der Lagerkomman- in der Regel die Partnerschaft, die Freund- dant blieben untätig, folgte die Ankündigung, schaft, der Wille zu gegenseitigem Verstehen nun seien das US-Hauptquartier in Heidel- in den Ansprachen beschworen. Das gehör- berg und das Umweltministerium in Wiesba- te einfach dazu. Doch die Zeit der Bewun- den die nächsten Beschwerdeinstanzen. derung für die „Amis“, für ihre Filme, ihre Die Auseinandersetzung um den ungari- Musik, ihren „way of life“ war lange vorbei. schen Hirtenhund aus dem Ahornweg, der Die Menschen in der Stadt hatten ihre all- mit seinem nächtlichen Bellen den Schlaf des täglichen Sorgen und Freuden. Die Soldaten Kommandanten störte, schaffte es sogar auf waren nicht zum Vergnügen in dieser Stadt. die Titelseite der Bildzeitung (3. Febr. 1983). Sie hatten ihren Wehrdienst zu leisten und Verfügungen des städtischen Ordnungsamtes den täglichen Anordnungen zu folgen. Die und der Widerspruch des Hundebesitzers be- Vorstellungen von dem, was im deutsch- schäftigten die Gerichte. amerikanischen Miteinander gelebt werden Eine andere Dimension hatten die De- könne, gingen sowohl bei den Verantwort- monstrationen im Zuge der Ostermarschbe- lichen in der Stadt als auch bei den zustän- KPNLU6MÄaPLYLU^LP[LYHSZKPLZPUKLY[pN - lichen Arbeit schließlich umgesetzt werden konnte. Am Beginn der 80er Jahre nahm deutsch- landweit die kritische Haltung gegenüber „den Amerikanern“ zu, und das waren in Oberursel die „Amis“ im Camp King. Zu- nächst waren da Beschwerden aus der Nach- barschaft. 1945 lag das Camp noch außerhalb des Stadtgebietes zwischen Äckern und Wie- sen. 1980 war es umgeben von der Siedlung „Im Rosengärtchen“, vom Wohngebiet „Eich- wäldchen“ und von der dichten Bebauung an Eschbachweg und Dornbachstraße. Da waren Beschwerden wegen Lärm- ILSpZ[PN\UN! lILYÅPLNLUKL /\IZJOYH\ILY brummende Generatoren für die Notfallver- sorgung der Dienststelle, laute Musik aus Verstärkern und immer wieder das Fanfaren- signal zum Wecken und zum Zapfenstreich. Einige Familien im Rosengärtchen erhoben lauten Protest: „Wir sitzen bei jedem Trompe- tensignal morgens aufrecht im Bett! Unseren Kindern geht es nicht besser. Jeder hat seinen Schlaf nach einem anstrengenden Arbeitstag verdient! Das werden wir nicht mehr tolerie- Der bellende Hirtenhund kommt am 03.02.1983 auf ren!“ Die Anwohner im Rosengärtchen waren die Titelseite der BILD-Zeitung

215 wegung und der Friedensinitiativen. Im April Das Gate mit dem Wachhäuschen und 1983 zog eine Gruppe aus Fulda, Marburg der Schranke an der Hohemarkstraße ist ver- und Gießen zur Abschlusskundgebung des ZJO^\UKLU(UZLPULY:[LSSLILÄUKL[ZPJO Ostermarsches auf dem Paulsplatz in Frankfurt heute die Einfahrt zum Parkplatz des EDEKA- auch über Oberursel und das Camp King. Ört- Lebensmittelmarktes. liche und regionale Friedensinitiativen schlos- sen sich am Tor zum Lager dem Protest an. Ein neues Wohngebiet und viele Erinnerun- Klar war die Ansage, dass sich die Demons- gen tration nicht gegen die amerikanische Bevöl- kerung richtet. „Wir demonstrieren gegen Die meisten Gebäude auf dem Gelände des diese Einrichtung, weil sie unser Leben nicht Camps wurden nach der Eigentumsübertra- sicherer macht, sondern eine permanente Be- gung auf die Stadtentwicklungsgesellschaft drohung darstellt.“ Dann bildeten die etwa (SEWO) abgeräumt. Nur die Häuser der Gau- 2.500 Teilnehmenden eine Menschenkette um siedlerschule und das Gemeinschaftshaus, den Zaun. Lieder von Bob Dylan begleiteten die unter Denkmalschutz stehen, sind noch die Aktion, auch „Blowing in the Wind“ und ein sichtbares Zeugnis. Auch der Gedenkstein besonders „We shall overcome“. Im folgenden an den Namensgeber Charles B. King gehört Jahr „verminten“ Demonstranten die Einfahrt zum Denkmal. zum Lager mit Schnur und Blechbüchsen. Auf Der 10 x 22 m große „Holzschnitt“ ne- Transparenten war zu lesen: „Gegen den Auf- ben dem Kinderhaus zeigt charakteristische rüstungswahnsinn in Ost und West“, „Frieden Bilder und Szenen aus der Geschichte von – Es gibt keine andere Wahl!“, „Abrüstung mit Camp King. Zuerst in den Parkettboden der Sicherheit – JA!“ Später gab es auch Demons- Basketballhalle der US-Army gestemmt, hat trationsgänge der Oberurseler Friedensinitiati- der Künstler den Abdruck hier in Feinbeton ve (bis 1987), beginnend am Kriegerdenkmal reproduziert. Das Werk von Thomas Kilpper in der Adenauer Allee, durch die Vorstadt und will Neugier wecken, die Zeichen und Bil- die Hohemarkstraße zum Camp King. der aus der Geschichte des Geländes zu entschlüsseln. „Don’t look back!“ heißt das Thema, aber gerade das Gegenteil ist beab- sichtigt. „Blicke zurück! Erinnere dich! – aber dann: Blicke nach vorn!“ Im ältesten Gebäude des ganzen Gebie- tes, dem früheren „Haus am Wald“, dem heu- tigen Kinderhaus der Stadt Oberursel, ist im Untergeschoss das „Archiv der Zeitgeschich- te“ untergebracht. Für eine Spurensuche ist dies der wichtigste Zugang. Bücher, Bilder, Pläne, Dokumente stehen Interessenten zur Verfügung. Sie sind durch Findbücher er- schlossen, die auch im Internet eingesehen werden können. Oberurseler Bürger am 21.4.1986 auf einem Frie- Zwischen dem Kriegsbeginn 1939 und densmarsch vom Kriegerdenkmal in der Allee durch dem Abzug des Transportkommandos 1990 die Vorstadt zum Eingang von Camp King. (Foto: FR, waren nach meiner Schätzung rund 65.000 Kampfmüller) Menschen für Tage, für Wochen, für einige

216 Jahre im Lager. Sie waren gefangen oder in- Elkins, Walter (Webmaster): www.usarmyger- terniert, waren Informanten oder „Quellen“, many.com, unverzichtbar mit einer reichen waren Vernehmer oder Auswerter. Sie waren Sammlung von Dokumenten, Bildern und Dienstleistende in der deutschen Luftwaffe Beiträgen ehemaliger Armeeangehöriger und oder in der US-Army, waren Experten oder Zi- Zeitungen. vilangestellte. Oberursel war für sie alle eine Station auf Zeit in ihrem Lebenslauf. Gajdosch, Franz: „US-Army Camp King“ – Manche sind in den vergangenen Jah- unveröffentlichtes Manuskript, 2005, und ren noch einmal zurückgekommen und ha- eine breit angelegte Sammlung von Zeitungs- ben Erinnerungen aufgefrischt. Einige haben ausschnitten und Fotos. aufgeschrieben, was sie erlebt haben. Die Zeit der Generation, die noch aus eigener Alle Informationen und Materialien zu die- Anschauung berichten konnte, geht jetzt zu sem Aufsatz sind in Findbüchern erschlos- Ende. Es sind die Söhne und Töchter, auch die sen und einzusehen im „Erinnerungsort der Enkel, die fragen, warum der Vater oder der Zeitgeschichte – Das Gelände Camp King, Großvater in Oberursel war und was er dort 1933-1993“, Kinderhaus der Stadt Oberur- eigentlich gemacht hat. sel, Jean-Sauer-Weg 2. Meine Aufsätze zum Aus der erlebten Geschichte wird nun Camp King, veröffentlicht in den Jahrbü- endgültig Geschichtsschreibung. Im Vergleich chern des Hochtaunuskreises 2008, 2009, zu früheren Jahrhunderten ist dieser Abschnitt 2010 und 2011 sind nachzulesen unter der Zeitgeschichte aber reich dokumentiert: www.campking.org. Bilder und Berichte, Bücher und Dokumente, Filme und Nachlässe in Archiven. Das Inter- Ebenfalls im Jahrbuch Hochtaunuskreis 2005 net macht immer mehr Material zugänglich. erschien der Beitrag „‘Don’t look back‘? Neu- Das alles dient der Vergegenwärtigung. Mit baugebiet Camp King: Ein geschichtsreiches diesem fünften Beitrag zum „Erinnerungs- Areal wird zum modernen Wohnumfeld“ von ort der Zeitgeschichte – Das Gelände Camp Christiane Figna-Giapoulis King“ im Jahrbuch des Hochtaunuskreises schließe ich die Aufarbeitung vorhandenen Materials ab. Ich kann aus der gewonnenen Erfahrung und den Gesprächen mit vielen Zeitzeugen und jungen Menschen sagen, dass Sören Kierkegaard recht hat: „Man kann das Leben nur rückwärts verstehen …“ und das Wort geht weiter: „… aber leben muss man es vorwärts.“

)LU\[a[L8\LSSLU\UK3P[LYH[\YPU(\Z^HOS! „Flexible Response“ in Wikipedia und daraus Link zu „NATO Strategy Documents 1949- 1969“, S. 358 ff. Das Archiv zum „Erinnerungsort der Zeitgeschichte“ Böhm, Walter: REFORGER – Die Fahrzeuge im Untergeschoss des Kinderhauses, 1921 das „Haus der US-Army während der Manöver 1986- am Wald“, mit dem diese Geschichte begann (Foto: 1993, Erlangen, 2008. Manfred Kopp)

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In den Wirrnissen der Zeit- Von der Geändesportschule zum Reichssiedlungshof (1933 – 1945) Von Manfred Kopp

Erstveröffentlichung in - Festschrift 2011 -

Infografik: Indre Kas In den Wirrnissen der Zeit — Von der Geländesportschule zum Reichssiedlungshof (1933-1945) den Wirrnissen der Zeit an wissenschaftlicher Arbeit Von Manfred Kopp für die Kleintierhaltung und -zucht und an verantwor- Ein Wort zuvor tungsvollem Dienst für Menschen und Tiere geleistet wurde. Ein Jubiläum geht in der Regel von einem Datum aus. Nach dem Ende des Krieges 1945 konnte der Verein Es gibt Anlass zum Rückblick auf die Anfänge, zum unter freiheitlich-demokratischen Voraussetzungen kritischen Betrachten des Weges durch die Zeit, zum neu beginnen, obwohl die Handlungsfähigkeit durch Erinnern an Menschen die räumliche Nähe zur US-Army im Camp King erheb- und ihr Engagement für lich eingeschränkt war. ein gemeinsames Ziel, schließlich auch zu einem Wege aus der Wohnungsnot Ausblick in die Zukunft. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg herrschte Das Gründungsdatum drängender Wohnungsmangel. Die Weimarer Verfas- für den Siedlungsförde- sung von 1919 konnte zwar in Artikel 155 ein Signal rungsverein liegt in den geben, aber die Ausführung von Planung und Bau lag Jahren nationalsozialisti- vorwiegend bei Genossenschaften und Siedlungswer- scher Herrschaft. 1936 ken. „Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird vermittelte die Olympia- von Staatswegen in einer Weise überwacht, die Miss- de in Berlin der Welt ein brauch verhütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deut- Bild deutschen Friedens- schen eine gesunde Wohnung und allen deutschen und Aufbauwillens. Das Streben nach Macht und Al- Familien, besonders den Kinderreichen, eine ihren Be- leinherrschaft der NSDAP jedoch, und die rücksichtslo- dürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschafts- se Durchsetzung der diktatorischen Ziele gingen unge- heimstätte zu sichern." brochen weiter. In Frankfurt hatte Oberbürgermeister Ludwig Land- 1936 wurde der Verein als ein Instrument der Par- mann 1925 den Architekten und Stadtplaner Ernst teipolitik in Siedlungsfragen gegründet. 1937 wurde May als Leiter des Hochbau- und Siedlungsamtes be- die Gausiedlerschule geplant und gebaut. 1938 wurde rufen. Dieser legte das Programm „Neues Frankfurt" die Schule eröffnet und der „Reichsiedlungshof der vor und realisierte in nur fünf Jahren rund 15.000 NSDAP" proklamiert. 1939 wurde der Ausbau fortge- Wohnungen. Siedlungen wie Römerstadt und in setzt, aber am 1. September begann der Krieg. Ein 75-jähriges Jubiläum muss die Zwänge der Dik- tatur zur Kenntnis nehmen, um zu würdigen, was in 9 Praunheim sind noch heute Beispiel seines Wirkens. Bei der Reichswohnungszählung 1927 wurde für das gesamte Reich ein Fehlbedarf von 450.000 Wohnun- gen festgestellt. In Frankfurt gab es 27.000 Woh- nungssuchende (Drummer, S. 29) Vertreter rechtskon- servativer Parteien im Stadtparlament signalisierten schon früh ihre Gegenposition. Zwar sollten auch wei- terhin und noch in viel größerem Umfang Wohnungen Das Schulungslager der Frankfurter Universität im Jahre gebaut werden, aber sie sollten Zeichen eines neuen 1937. Es wurde im gleichen Jahr zum Tagungshaus der Geistes sein. Im Stadtparlament forderte Jakob Spren- Gausiedlerschule umgebaut ger, der spätere Gauleiter für Hessen-Nassau, eine der Frankfurter Universität erworben worden. Sie be- „deutsche Bauweise". 1933 führt er aus: „Nach Mas- nötigte für den „Geländesport" als Pflichtübung der senwohnblocks und der folgenden May'schen Ära will Anfangssemester eine Immobilie, naturnah und von der Nationalsozialismus allen Volksgenossen wieder der Großstadt leicht erreichbar. Das Ausbildungskon- die Heimat im engsten Sinne zurückgeben. Er ist sich zept wurde aber bald geändert. Das Haus war zwei wohl bewusst, welche ewigen, unzerstörbaren Kräfte Jahre später nicht mehr ausreichend belegt, und das in ihr schlummern. Wer keine Heimat hat, ist auch Kuratorium dachte an Verkauf. Bei einer Besichti- nicht bereit, zu ihrer Verteidigung das Schwert zu gungsfahrt von Gauleiter Jakob Sprenger und anderen ziehen."(Ff. 1938, S. 204) Reichsorganisationsleiter Funktionären der NSDAP zu verschiedenen Siedlungs- Dr. Robert Ley zum gleichen Thema: „Zum Wesen des projekten im Rhein-Main-Gebiet, kamen sie auch nach deutschen Menschen gehören auch die seelischen An- Oberursel. Der Kurator der Universität schilderte die sprüche an die Wohnung, zusammengefasst in dem Schwierigkeiten bei der Gebäudenutzung des „Schu- Wort Gemütlichkeit, das Heim soll ,Heim' sein, ohne lungslagers". Kurz nach der Rückkehr verkündete solch Heim keine Kinder." (Ff.1938, S. 203) Und in der Sprenger, dass im Schulungslager nun eine Gausiedler- Parteipolemik klingt es: „Wenn wir einmal den Staat schule entstehen werde. Die ursprüngliche Villa sollte übernehmen, werden wir diese Hütten rücksichtslos bis auf das Kellergeschoss abgetragen und als Ta- abbrennen, weil sie keine deutsche Wohnstätte mit gungshaus neu errichtet werden, daneben ein Gäste- gesunder Grundlage und solider Bauweise sind." haus mit Unterkunft für 60 Personen, zwei oder drei (Drummer, S. 39) Mustersiedlerstellen und ein Haus für das Institut für Die Schulung Bienenkunde, das die Universität seit 1927 einrichten Keimzelle für die unterschiedlichen Nutzungen des Ge- wollte. Im Frühjahr 1937 wurde Architekt Fritz Roepe ländes war das „Haus am Wald". Die Villa mit Neben- mit der Planung und der Bauleitung beauftragt. gebäude und 8.500 m2 Grund war bei einer Zwangs- versteigerung im Sommer 1933 für 16.000,— RM von

10 schen Ausrichtung der Volksgenossen beilegte, wird besonders von Robert Ley immer wieder herausgestellt. 1933 sagte er vor Funktionären der Deutschen Arbeits- front (DAF): „Während der alte Staat ein Nachtwächter- staat war, ist unser Staat ein Erziehungsstaat, ein Päd- agoge, ein väterlicher Freund. Er lässt Menschen nicht los von der Wiege bis zum Grabe. ... Und so fangen wir schon beim Kinde von drei Jahren an; sobald es anfängt zu denken, bekommt es schon ein Fähnchen zu tragen. Alsdann folgt die Schule, die Hitlerjugend, die SA, der Wehrdienst. Wir lassen den Menschen nicht los, und wenn dann alles vorbei ist, kommt die Arbeitsfront und nimmt die Menschen immer wieder auf und lässt sie nicht los bis zum Grabe, mögen sie sich Gausiedlerschule: Gästehaus (links) und Tagungshaus (rechts), 1938 auch dagegen wehren." (Smelser, 5.105) Die Vereinsgründung Am gleichen Tag, an dem die Einrichtung einer Gau- siedlerschule durch das Gauheimstättenwerk der NSDAP bekanntgegeben wurde (30. Oktober 1936), veranlasste Gauleiter Sprenger die Gründung eines unselbständigen Siedlungsförderungsvereins (Grün- dungsbeschluss und Satzung: UAF, Kurator, BI. 65-67). An der Gründungsversammlung nehmen teil: Der Gauleiter und sein Stellvertreter, der Gauamtsleiter, der Frankfurter Oberbürgermeister und ein Stadtrat, der Gauwirtschaftsberater, der Gauwalter der Deutschen Arbeitsfront und der Universitätskurator. Als Zweck und Wirkungskreis des Vereins wird der Das Tagungshaus der Gausiedlerschule, 1938 Name „Förderung ... etc." wiederholt, mit dem Zu- satz: „unter dem Protektorat des Gauleiters des Gaues Die Universität behielt sich die Priorität bei der Bele- Hessen-Nassau". gung der Schule für eigene Lehrveranstaltungen vor. Die Mitgliedschaft muss schriftlich beantragt wer- Dafür stellt sie Gelände und Immobilie der Gausiedler- den, natürliche Personen haben die rein arische Ab- schule kostenfrei zur Verfügung. Die Bedeutung, die die NSDAP der Erziehung, der Schulung, der ideologi-

11 stammung nachzuweisen, juristische Personen die ari- Wehrwirtschaftsführer und seit 1942 Rüstungsob- sche Abkunft der Inhaber. mann für den Wehrkreis XII. Nun also seit 1936 war er Der §6 „Vorstand des Vereins" zeigt deutlich die auch Vereinsführer des Siedlungsförderungsvereins. Abhängigkeit des Vereins von den Funktionären der Die Leitung der Gausiedlerschule und des -hofes lag NSDAP, voran dem Gauleiter. „Der Vorstand des Ver- bei ihm. eins besteht aus dem Vereinsführer. Derselbe ist der Ein Beispiel für diese gewaltsame Einflussnahme der Vertreter im Sinne des Gesetzes. Der erste Vereinsfüh- Partei auf das Wirtschafts- und Vereinsleben, bietet rer wird durch die Gründungsmitglieder bestellt; die auch die bereits seit 120 Jahren bestehende Polytech- späteren werden durch den Gauleiter des Gaues Hes- nische Gesellschaft in Frankfurt. Nur sechs Wochen vor sen-Nassau der NSDAP bestellt und abberufen." Worte der Neugründung „Siedlungsförderungsverein" war wie „Wahl", „Wahlperiode", „Aufgaben des Vereins", der Polytechnischen Gesellschaft eine ähnliche Sat- kommen nicht vor. Die Gemeinnützigkeit wird zung aufgezwungen worden (16. Sept. 1936). „Der konstatiert, nicht kontrolliert. Gauleiter setzte den Polytechnikern die Pistole auf die Das Schatzamt der Deutschen Arbeitsfront bewilligt Brust. Indem er die sofortige Beratung ... und Einbe- 50.000,— RM Baukostenzuschuss (für die Siedlerschule, rufung einer Mitgliederversammlung zur Verabschie- MK) unter der Bedingung, dass das Vereinsvermögen dung der neuen Satzung verlangte. Die Ausschussmit- bei einer Auflösung insgesamt der Deutschen Arbeits- glieder akzeptierten die Statuten bei zwei Stimment- front zufällt. haltungen ohne weitere Aussprache, da durch die Er- Als Vereinsführer wird Wilhelm Avieny (1898-1983) klärungen des Herrn Gauleiters klargestellt war, dass er bestimmt. Er war gelernter Bankkaufmann und will- die Satzung in der vorliegenden Form verabschiedet zu fähriges Werkzeug des Gauleiters in allen Wirtschafts- sehen wünsche und von dieser Tatsache seine fernere fragen. Er war sein vertrauter Ratgeber, knüpfte aber Förderung der Polytechnischen Gesellschaft abhängig auch durch seine eindrucksvolle „Sammlung" von sei." (Bauer, S. 122). Schlüsselpositionen ein Netz, das ihn zum einfluss- reichsten Wirtschaftsfunktionär im Rhein-Main-Gebiet Der Wirtschaftsbetrieb machte. Der Schule wurden zwei wissenschaftliche Einrichtun- In der Auflistung seiner zahlreichen Führungspositi- gen zugeordnet, die neben der Grundlagenforschung onen anlässlich des Spruchkammerverfahrens im Au- auch die praktische Anwendung und Umsetzung ein- gust 1949 stehen: Gauamtsleiter, Leiter des Rhein- übten. Sie waren initiiert vom Zoologischen Institut der Mainischen-Siedlungswerkes, des Gauheimstättenam- Frankfurter Universität, das auch die fachlich qualifi- tes, Generaldirektor der Nassauischen Landesbank, zierte Betriebsführung gewährleistete. Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Metallgesell- Da war zum einen das „Forschungsinstitut für das Studium der Biene mit einer bienenwirtschaftlichen schaft, Vizepräsident der Industrie- und Handelskam- Versuchsstation und Musterimkerei." Die Wissen- mer Frankfurt, im Aufsichtsrat der LURGI GmbH und der Main-Kraftwerke. Er war Gauwirtschaftsberater, Gaujägermeister und slowakischer Konsul, seit 1939

12 Drei Mitarbeiterinnen in der Kleintierzucht, 1939 schaftler waren Dr. Peter Rietschel und Hugo Gontarski vom Zoologischen Institut. Für die Finanzierung des Institutsbaus und des Betriebes sorgte die Polytechni- sche Gesellschaft. Mit dem Bienenmeister Peter Fuchs aus Mammolshain wurde schließlich die Arbeit nach Fertigstellung des Gebäudes von Frankfurt nach Ober- ursel verlagert. Die eigentliche Arbeit wurde im Früh- Dr. Paul Seck, Zoologe und Leiter des Wirtschaftsbetriebes, 1939 jahr 1939 aufgenommen. Zum anderen war es die Abteilung Kleintierzucht und Seuchenbekämpfung am Zoologischen Institut cherzustellen. So wird Seck „Verwalter der Gesamtan- der Universität, die von Frankfurt in den Siedlungshof lage" genannt, aber auch „Leiter des Wirtschaftsbe- nach Oberursel verlagert wurde. Dort hatte sie ein triebes". Für die Universität ist er mit Zustimmung des weiträumiges Gelände für Kaninchenställe, Bruthäuser Ministeriums „Volontärassistent". Sein Gehalt zahlt und Weideflächen. Leiter dieser Abteilung wurde Dr. das Gauheimstättenwerk. (UAF, Zool. Inst.) 1939 Paul Seck (1905—?) aus Höchst am Main, der sechs kommt ein zweiter Zoologe dazu, Walter Schumacher. Jahre lang eine Pelztierfarm betrieben hatte. Dann hat- Beide Einrichtungen waren geprägt durch Wissen- te er Zoologie, Botanik und Geologie studiert und wur- schaft und Praxis in gleicher Weise. Daran hatte auch de schließlich im Sommer 1937 promoviert. Im Februar der Siedlungsförderungsverein seinen Anteil. Letztlich 1938 zog er nach Oberursel zur Gausiedlerschule. Die aber wird die Universität als traditionelle Bildungsein- Unklarheit seiner Aufgabenbezeichnung und seines richtung zum Aushängeschild für solide wissenschaft- Anstellungsverhältnisses ist wohl so beabsichtigt, um liche Forschung. An Macht und Einfluss soll sie keinen den Einfluss der NSDAP gegenüber der Universität si- Anteil haben. Am 14.05.1946 schreibt der ehemalige

13 Universitätskurator Wisser an seinen Nachfolger Klin- gelhöfer, dass 1944 „der Herr Avieny durch einen rechtswidrigen Gewaltakt das Institut der Verwaltung der Uni entzogen hat." (UAF, Zool. Inst. BI. 194) Die Partei hatte gesiegt!

Die Siedlerstraße Ursprünglich waren es die Stadt Frankfurt und ihr Oberbürgermeister Dr. Krebs, die den Wohn- und Heimstättenbau durch eine Ausstellung fördern woll- ten. Im August 1934 lag der Entwurf zum Thema „Die Großstadt im Dritten Reich" vor. 1935 sollte dann die Ausstellung realisiert werden. Die Vorbereitungen ver- Skizze der Siedlungsstraße auf der Bauausstellung, zögerten sich aber, als die Partei in einem so wichtigen Frankfurt am Main 1938 Bereich wie dem Wohnungswesen Einfluss gewinnen wollte. Die NSDAP sollte sich als wegweisende Instanz Wie im nationalsozialistischen Sinne beispielhafter und einziger Problemlöser darstellen, nicht der Ober- Wohnungsbau aussehen sollte, wurde in einer „Mus- bürgermeister. Das Gauheimstättenamt und die Mes- tersiedlerstraße" gezeigt. Zuerst sollte die Straße mit segesellschaft gewannen die Konkurrenz. Gauleiter allen Häusern in der Siedlung für Luftschiffer in Zeppe- Sprenger wurde als Initiator gerühmt. linheim errichtet und dort besichtigt werden. Dann wurde aber die gesamte Entwicklung der Siedlung dort gestoppt. Es blieb das Freigelände auf der Messe für die Dauer der Ausstellung. Dort waren dann zehn unterschiedliche Haustypen zu sehen, ein Dorfplatz mit Brunnen und ein Gemeinschaftshaus mit Glocken- turm. Die Straße sollte mit einer leichten Biegung Be- wegtheit vermitteln. Für den Stil der Häuser hatte man (idealisierte) Baugepflogenheiten der rhein-mainischen Landschaft als Vorbild genommen. Unterschiede in Größe und Anordnung der Räume, Baukosten und — lasten, innere und äußere Ausstattung sollten der Grö- ße der Familien und ihrer materiellen Lage entgegen- kommen und Uniformität vermeiden. Das Haus des Siedlungsstraße auf dem Messegelände in Frankfurt am Main, 1938 höher bezahlten Angestellten sollte ohne Überheblich- keit neben dem Heim des niedriger bezahlten Arbei-

14 ters oder der einfachen Mietwohnung stehen. Das al- ordnung erforderlich. So ist das Gemeinschaftshaus les einende Band der dörflichen Siedlung wurde prä- nicht mehr im Blickpunkt der Straße. sentiert in dem alles beherrschenden Gemeinschafts- Der Reichssiedlungshof haus. Dort, wo früher Rathaus, Kirche und Gasthaus standen, sollte nun der geistig-seelische Inhalt natio- Noch am Tag vor der Eröffnung der Bau- und Sied- nalsozialistischer Gemeinschaft eindeutiger Mittel- lungsausstellung in Frankfurt wurde eingeladen zur punkt sein. Auf dem Brunnen davor stand eine Mutter, Eröffnung der Gausiedlerschule in Oberursel. Als dann umringt von vier fröhlichen Kindern. Die Räume im Reichsorganisationsleiter Dr. Robert Ley dort am Red- Gemeinschaftshaus waren vorgesehen für Bürgermeis- nerpult stand, proklamierte er den „Reichssiedlungs- ter und Ortsgruppenleiter der NSDAP, für Hitlerjugend hof" und „weihte" ihn als eine wegweisende und grundlegende Institution für das gesamte Siedlungs- und BDM und NS-Frauenschaft, für den Siedlerberater, wesen im Deutschen Reich. Damit setzte er im Konkur- einen Versammlungssraum und einen Schulsaal. Das renzkampf zum Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, Gesamtkonzept der Siedlerstraße verantwortete der seit Oktober 1939 „Reichskommissar für die Festigung Regierungsbaumeister im Gauheimstättenamt Franz deutschen Volkstums", und zum ebenfalls zuständi- Hufnagel. gen Arbeitsminister Franz Seldte, einen unübersehba- Diese Anlage war das herausragende Ereignis der ren Akzent. Bau- und Siedlungsausstellung vom 3. September bis 9. Oktober 1938. Der Siedlungsförderungsverein wirk- In einer „Anordnung" der Partei heißt es: „Der te mit und im Laufe des Jahres 1939 wurden die Häu- Reichssiedlungshof dient zur Ausbildung aller im Heim- ser von der Frankfurter Messe nach Oberursel umge- stättenwesen tätigen Politischen Leiter und Amtswal- baut. Das Gelände machte Veränderungen in der An- ter. Alle einschlägigen Vorschläge und Neuerungen sollen in dieser Reichsschule (!) für das Siedlungs- und Heimstättenwesen erprobt werden. Auf die Versuche auf dem Gebiet der Tierzucht, der Bodenverbesserung, der Düngung wird ausdrücklich hingewiesen und an- geordnet, dass der Hof die Voraussetzungen erfor- schen und festlegen soll, die den Aufbau eines Ausle- sesystems ermöglicht." (Oberurseler Bürgerfreund, 7. 9. 1938) Sowohl im Zusammenhang mit der Gausiedlerschule wie dann vor allem mit dem Reichssiedlungshof sind viele Ideen geäußert, Wünsche formuliert, Entwürfe angefertigt worden, die nicht aufeinander abgestimmt Eingangsbereich des Reichssiedlungshofes mit Tagungs- haus (links), Gästehaus, Mustersiedlerstellen, Bieneninstitut und realisierbar waren. Was angefangen wurde, wur- (rechts), Sommer 1939 de als bereits so gut wie vollendet dargestellt und in

15 Rede und Schrift gepriesen. Die Wirklichkeit war er- fangennahme von Angehörigen feindlicher Luftwaf- nüchternd. fen und für die Sicherstellung des Luftwaffen-Beutege- rätes" die Aufgaben des Lagers (Geck, S. 30). Es kam als Dulag (Durchgangslager) Luft und Auswertestelle West unter den Oberbefehl der Luftwaffe. Nach Oberstleutnant Peterpaul Donat übernahm Ende 1939 Major Theodor Rumpel seinen Dienst als Verneh- mungsoffizier und Lagerkommandant. Mit drei Bara- cken vor dem Grenzweg auf den Wiesen bis zur Hohe- markstraße hin begann der Ausbau, der sich bis 1944 auf 15 Lagergebäude ausweitete. Fast 40 000 Luftwaf- fenangehörige der Alliierten wurden dort bis Kriegsen- de gesammelt, registriert, verhört und anschließend in Stammlager überführt. Nach dem Krieg? Die Zahl der Projekte, die Ley seit 1933 proklamiert, Anzeige mit der suche nach Pflichtjahrmädchen im aber nicht ausgeführt hatte, war unübersehbar. Auch „Taunus-Anzeiger, 1941“ der Reichssiedlungshof gehörte dazu. Joseph Goeb- bels schreibt in sein Tagebuch (17.06.1941): „Ley er- örtert täglich neue Sozialprogramme, die wir nach Das Gefangenenlager dem Krieg verwirklichen wollen, in der Öffentlichkeit. Am 14. September 1939, zwei Wochen nach Beginn Ich stoppe das ab. Wir dürfen dem Volk jetzt nicht den des Weltkrieges durch den deutschen Überfall auf Po- Mund wässrig machen. Wenig davon reden, vor allem len, wurde in einem Organisationsbefehl des Ober- angesichts der Unmöglichkeit, heute überhaupt etwas kommandos des Heeres angeordnet: „Ist für die ge- zu tun. Man soll im Krieg vor allem vom Krieg und samte Westfront eine Sammelstelle für kriegsgefange- nicht vom Frieden reden." (Smelser, S. 278) Regie- ne Offiziere in Ober-Ursel einzurichten". (Geck, S. 37) rungsbaurat Franz Hufnagel hatte den Plan für einen Kommandant dieses ersten Gefangenenlagers auf weiträumigen Ausbau der Gesamtanlage in allen Ein- dem Gelände des Siedlungshofes wurde der Vereins- zelheiten ausgearbeitet und im Juni 1942 vorgelegt. führer des Siedlungswerkes, der Major der Reserve Wenige Monate später ist der Vormarsch der Wehr- Wilhelm Avieny. Das Gästehaus wurde mit Stachel- macht in der Sowjetunion zum Stillstand gekommen. draht eingezäunt und erste Unterkunft für die Gefan- Der Reichsleiter der NSDAP, Martin Bormann, schreibt genen. Bereits nach knapp zwei Monaten aber, am in einem Aktenvermerk nach einer Besprechung bei 14.11.1939, veränderten die „Richtlinien für die Ge- Hitler: „Der Führer betonte weiter, das Jahr 1943 wer-

1 6 de uns vor die denkbar schwierigsten Aufgaben stellen sichtigten Ausbau des Reichssiedlungshofes zur hohen und deshalb sei die Durchführung irgendwelcher Sozi- Schule des Siedlungs- und Wohnungswesens in Ver- alpläne, wie sie z. B. Dr. Ley vorgeschlagen habe, völlig bindung mit der Deutschen Akademie für Wohnungs- unmöglich. ... Der Führer wünscht, dass zunächst ich wesen nach dem Kriege festhalte." mit Herrn Dr. Ley einmal spreche, damit er seine Pla- Nach dem Kriege? nungen zunächst zurückziehe. Sie seien jetzt gänzlich gleichgültig, denn wenn wir diesen Krieg verlieren würden, wäre die deutsche Nation ohnehin erledigt." Quellen (Smelser, S. 278 f.) Universitätsarchiv Frankfurt, [Akten des Kurators 13/41] und Der Ausbau des Reichssiedlungshofes war erlo- [Zoologisches Institut, Abt. 50/1889] schen. Ein inhaltlich durchdachtes Konzept von fachli- Pressespiegel: 39 Meldungen und Berichte in der lokalen Presse zum Thema, 1933-1944 cher Seite hatte es nie gegeben, auch keine rechtliche „Rhein-Main-Spiegel", Sonderausgabe: „Rhein-Mainisches-Sied- Grundlage. Die Zoologen Dr. Seck und Dr. Schumacher lungswerk, zur Deutschen Bau- und Siedlungsausstellung, waren schon 1941 eingezogen worden. Der Gärtner, Frankfurt/Main, September 1938 Herr Maulwurf, war bei Stalingrad schwer verwundet worden. Die Menschen auf dem Hof hatten Sorgen Literatur und Mühe um die Erhaltung des Tierbestandes. Der Bauer, Thomas: „In guter Gesellschaft — Die Geschichte der Po- Vereinsführer des Siedlungsförderungsvereins Avieny lytechnischen Gesellschaft in Frankfurt am Main.", Ffm. Ver- hatte sich mit seiner Familie im „Haus Maintal" an der lag Waldemar Kramer, 2010 (bes. S. 113-138) Siedlerstraße vor den Luftangriffen auf Frankfurt in Si- Drummer, Heike; Zwilling, Jutta: „Wir geben ihnen Raum", cherheit gebracht. Frankfurt/M., 1997, (bes. S. 63-68) Frankfurter Rundschau zu W. Avieny (Spruchkammer) am 10.8. 1944 werden östlich des Siedlungshofes „Behelfs- und 22.9.1949 heime für Luftkriegsbetroffene" errichtet. In einer An- Geck, Stefan: „Dulag Luft/ Auswertestelle West — Vernehmungs- sprache des Reichswohnungskommissars Dr. Ley auf lager der Luftwaffe für westalliierte der Gauleitertagung in München (Februar 1944) ent- Kriegsgefangene im 2. Weltkrieg", Frankfurt/M., Verlag Lang, wirft er immer noch ein hoffnungsvolles Bild: „Wir be- 2008 (bes. S. 27-55) sitzen nach dem Krieg die einmalige Chance, den gro- Kopp, Manfred: „Wiedervorzulegen nach dem Kriege — Vom ßen Teil unserer Städte nach ganz neuen Gesichts- Haus am Wald zum Siedlungshof, 1933-1942," in: Jahrbuch des Hochtaunuskreises 2008, Frankfurt/M. 2007 (bes. punkten wieder aufzubauen." Sechs Wochen nach der S. 189-200), pdf. Datei unter www.campking.org) Landung der Alliierten in der Normandie steht in einer Maaß, Ilse: „Erinnerungen an den Reichssiedlungshof, 11/1938— Besprechung Leys mit seinen Mitarbeitern der Reichs- 8/1941", Typoscript, Niederhöchstadt, 1999. siedlungshof unter Punkt 3 auf der Tagesordnung. Ein Ohne Verf.: „Frankfurt 1983 — Deutsche Bau- und Siedlungsaus- Bericht von Gauleiter Sprenger und Parteigenosse Avi- stellung, 3. Sept.-9. Oktober (Quelle? ca. 1983, Sammlung eny liegt vor. Die Stiftungsgründung soll erst nach dem Franz Gajdosch. Kriege erfolgen. Ein Beirat wird gebildet. „Herr Dr. Ley erklärte grundsätzlich, dass er an dem von ihm beab- 17 Siedlungsförderungsverein Hessen e.V. (Hrsg.): 1936-1986 — Ju- biläumsschrift zum 50jährigen Bestehen des Vereins, o.O. und Jahr (1987). Smelser, Robert: „Robert Ley — Hitlers Mann an der Arbeits- front", Paderborn, 1989 Wikipedia s. v. „Ernst May" (Zugriff am 10.02.2011) Zibell, Stephanie: „Jakob Sprenger". Hess. Hist. Kommission, Darmstadt, 1999 (Alle Materialien sind zu finden im „Erinnerungsort der Zeitge- schichte — Das Gelände Camp King, 1933-1993" Im Rosen- gärtchen 37, 61440 Oberursel, Findbücher über www.campking.org) Abbildungsnachweis 50 Jahre Siedlungsförderungsverein Hessen e.V.: S. 13 rechts Maaß, privat: 5. 13 links Postkarte Gauheimstättenamt: 5. 11 unten, 5. 14 links Privat: Seite 9 und 15 Rhein-Main-Spiegel, Sept. 1938: S. 11 oben, 5. 14 rechts Sammlung B. Ochs: 5. 10

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Mit freundlicher Empfehlung von Manfred Kopp [email protected]