Entscheidungsgründe
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Verfahrensgang: Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der paschtunischen Volksgruppe und - 2 - dem sunnitischen Glauben an, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am 31.03.2016 gab der Beschwerdeführer an, aus Laghman zu stammen und am 03.05.1999 geboren zu sein. Er sei ledig, hätte zehn Jahre lang die Schule besucht und spreche Paschtu. Als Fluchtgrund nannte er, dass in seinem Dorf die Taliban an der Macht seien. Es gäbe ständig Kämpfe. Sie hätten sich schon in der Region verbreitet. Er sei aus Angst vor dem Krieg geflüchtet. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers wurde am 19.05.2016 eine Volljährigkeitsbeurteilung durchgeführt. Diese ergab ein fiktives Geburtsdatum des Beschwerdeführers am XXXX . Zum Zeitpunkt der Antragstellung wurde von einem Mindestalter von 18,60 ausgegangen. Mit Stellungnahme vom 07.06.2016 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zum Altersgutachten vom 19.05.2016. Nach Zulassung des Verfahrens gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.10.2017 an, aus Laghman zu stammen und keine Tazkira mehr zu haben, da ihm diese von der bulgarischen Polizei abgenommen worden sei. Er sei Paschtune, Sunnit und hätte zehn Jahre lang die Schule besucht. Er hätte noch nie gearbeitet. Befragt zum Fluchtgrund gab er an, dass die Taliban in seinem Heimatdorf namens XXXX sehr mächtig seien. Sie seien in die Schule des Beschwerdeführers gekommen und hätten alle Jugendlichen aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Zudem hätten sie die Schule in Brand gesetzt. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer eines Abends entführt. Sie hätten versucht, ihn und andere Jugendliche zum Jihad zu überzeugen. Sie hätten sie gefoltert und überzeugen wollen, Selbstmordattentate für die Taliban auszuführen. Sein Cousin väterlicherseits sei auch dort gewesen, nunmehr sei dieser auch in Österreich. Die Dorfältesten hätten die Taliban überzeugt, die Jugendlichen kurz freizulassen bzw. sie zu ihren Familien zu bringen, damit sie sich verabschieden könnten. Der Beschwerdeführer sei mit dem Motorrad nach Hause gebracht worden. Die Taliban hätten vor der Tür gewartet und das Haus bewacht. Der Beschwerdeführer sei aber durch den Hinterausgang des Hauses geflohen und hätte sich bis nach Kandahar durchgeschlagen, wonach er über Pakistan nach Österreich gelangt sei. Mit Bescheid des BFA vom 02.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten - 3 - (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (II.) in Bezug auf Afghanistan abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.) sowie festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (V.). Es wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt (VI.). Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die im Wesentlichen mit der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet wurde. Der Beschwerdeführer wiederholte sein bisheriges Vorbringen und führte zudem aus, dass ihm eine Rückkehr aufgrund der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan nicht zumutbar sei. Die Lage im Herkunftsstaat sei nach wie vor höchst unsicher, eine innerstaatliche Fluchtalternative liege nicht vor. Zudem liege in Österreich ein aufrechtes Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner Tante und seinem Onkel sowie Cousin vor. Er verfüge auch über ein beachtenswertes Privatleben. Überdies würden die Bescheidausführungen des BFA § 60 AVG verletzen. Zudem wurde auf § 11 AsylG (innerstaatliche Fluchtalternative) verwiesen und ausgeführt, dass mit der Neufassung der RL 2004/83/EG (Statusrichtlinie), nunmehr RL 2011/95/EU (Neufassung), die Bestimmung zum internationalen Schutz überarbeitet worden sei. In allen Fällen folge kumulativ das Tatbestandsmerkmal, dass der Antragsteller sicher und legal in Landesteile reisen könne, dort aufgenommen werde und vernünftigerweise erwarten könne, dass er sich dort niederlasse. Die Status-RL spreche von "Vernünftigkeit", die österreichische Rechtslage hingegen von "Zumutbarkeit". Der Maßstab der Vernünftigkeit erschöpfe sich nicht in der sicheren und legalen Erreichbarkeit des Landesteils, dieser Aspekt sei in der Statusrichtlinie (alt) noch nicht explizit enthalten gewesen. Es wurde weiter ausgeführt zur Zumutbarkeitsprüfung unter Hinweis auf höchstgerichtliche Entscheidungen. Hingewiesen wurde auch darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht als Gericht iSd Art. 267 AEUV jedenfalls vorlageberechtigt sei und daher angeregt werde, dem Gerichtshof der Europäischen Union näher definierte Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Ein etwaiges Unterbleiben eines Vorabentscheidungsersuchens sei zu begründen. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.12.2020 zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner Rechtsvertreterin neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde ordnungsgemäß zu dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen, ein Vertreter des Bundesamtes nahm entschuldigt nicht an der - 4 - Verhandlung teil. Hierbei bestätigte der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens. Erstmals brachte er vor, dass sein Bruder in Afghanistan im April 2018 von den Taliban umgebracht worden sei. Zudem legte er eine Teilnahmebestätigung an Volleyballkursen vor. Mit Schreiben des BVwG vom 21.12.2020 wurde dem Beschwerdeführer das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan (Stand: 16.12.2020) mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Mit Schreiben vom 30.12.2020 übermittelte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme. Der Beschwerdeführer bekräftigte darin erneut sein Fluchtvorbringen und gab an, dass sich sein älterer Bruder, der ihm bei der Flucht geholfen hätte, nach der Ausreise des Beschwerdeführers längere Zeit verstecken habe können, dann jedoch von den Taliban ermordet worden sei. Nach dem Mord sei die Familie des Beschwerdeführers nach Pakistan geflohen. Die Taliban würden den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in ganz Afghanistan finden können. Ihm drohe Verfolgung, da er sich den Taliban widersetzt hätte. Er würde bei einer Rückkehr keine familiäre Unterstützung erhalten und hätte keine Berufserfahrung. Die aktuellen Länderberichte würden auch darauf schließen lassen, dass eine zweite Corona-Welle in Afghanistan begonnen hätte und keine ausreichenden Testkapazitäten zur Verfügung stehen würden. Der Zugang zur medizinischen Versorgung sei noch geringer, als vor der Pandemie. Zudem führe die Pandemie dem LIB zufolge zu einer wirtschaftlichen Rezession, die insbesondere Tagelöhner betreffe und es immer schwieriger mache, zu überleben. Es gebe einen massiven negativen Effekt auf die Ernährungssicherheit. Rückkehrer seien in diesem Zusammenhang besonders vulnerabel. Zudem liege ein aufrechtes Privatleben des Beschwerdeführers vor. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen: Zur Person: Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, Paschtune, Sunnit, aus der Provinz Laghman (Dorf XXXX ) stammend, spricht Paschtu als Muttersprache, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sein Geburtsdatum wird mit XXXX festgestellt. - 5 - Er ist ledig und hat keine Kinder. Er hat keine gesundheitlichen Einschränkungen und ging in Afghanistan zehn Jahre lang zur Schule. Der Beschwerdeführer hat sein Leben bis zu seiner Ausreise im gemeinsamen Familienverband mit seiner Familie in Laghman verbracht. Er verfügt über keine Berufserfahrung. Er hat mehrere Geschwister, die mit seinen Eltern in Laghman zusammenlebten. Nunmehr lebt seine Familie in Pakistan. Er hält regelmäßig telefonischen Kontakt zu ihnen. Es kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass ihn seine Familie bei einer Rückkehr finanziell unterstützen würde bzw. könnte. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder