Dr. Von Brentano (CDU/CSU) . . 65 A
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Deutscher Bundestag 6. Sitzung Bonn, den 6. Dezember 1961 Inhalt: Gedenkworte zum Opfertod des Feldwebels Erich Boldt Präsident D. Dr. Gerstenmater . 53 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Frau Abg. Dr. Rehling und des Vize- präsidenten Dr. Schmid . 53 B Aussprache über die Erklärung der Bundes- regierung Brandt (Berlin) (SPD) 53 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . 65 A Dr. Mende (FDP) 74 B Dr. DolLinger (CDU/CSU) . 85 D Erler (SPD) 91 B Döring (Düsseldorf) (FDP) . 104 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 107 C Dr. Atzenroth (FDP) 114 D Dr. Gradl (CDU/CSU) 118 C Ollenhauer (SPD) 123 B Wahl der Wahlmänner und Wahl der Mit- glieder kraft Wahl des Richterwahlaus- schusses (Drucksachen IV/8, IV/48) . 64 D, 73D, 85B Nächste Sitzung 125 Anlage 127 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1961 53 6. Sitzung Bonn, den 6. Dezember 1961 Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 30. No- Stenographischer Bericht vember 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wahl, Dr. Harm (Hamburg) und Genossen betr. Ratifizierung der Europäischen Übereinkommen über Auslieferung und Rechts- hilfe in Strafsachen — Drucksache IV/18 — beantwortet. Sein Beginn: 9.03 Uhr. Schreiben ist als Drucksache IV/46 verteilt. Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 1. Dezem- ber 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fest- nahme des jugoslawischen Staatsangehörigen Vracari č — Druck sache IV/21 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Druck- Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Die Sitzung sache IV/47 verteilt. ist eröffnet. Meine Damen und Herren, wir kommen zur Ta- Meine Damen und Herren, gestern ist mir die gesordnung. Die Fragestunde ist auf morgen vor- amtliche Meldung des Wehrbeauftragten über ein mittag angesetzt. Ich rufe auf den Punkt 2 der Ereignis zugegangen, das die deutsche Presse schon Tagesordnung: vor einiger Zeit gemeldet hat. Mir scheint der Vor- Aussprache über die Erklärung der Bundes- gang bei der Bundeswehr bedeutend und wichtig regierung. genug, um vor dem Deutschen Bundestag folgendes zu sagen. Am 16. November 1961 explodierte auf Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brandt dein Truppenübungsplatz Putlos in einem Spreng- (Berlin) . loch, in dem sich der 28jährige Feldwebel Erich Boldt von der Panzerpionierkompanie 70 mit zwei ande- Brandt (Berlin) (SPD) : Herr Präsident!- Meine ren Soldaten befand, eine Sprengladung. Um die Damen und Herren! Meine Freunde und ich wün- beiden Soldaten zu schützen, warf sich der Feld- schen der neuen Bundesregierung Erfolg, wo immer webel Boldt — in klarer Erkenntnis der Konsequen- es sich darum handelt, Gefahren vom unserem Volk zen — auf die Ladung. Er verlor das Leben. Durch abzuwenden und das zu tun, was im Interesse der seinen raschen, mannhaften Entschluß, der einer Freiheit und der Gerechtigkeit notwendig ist. vorbildlichen Gesinnung entsprang, hat er seinen Dies ist nicht die Regierung, die wir in dieser Kameraden das Leben gerettet. Zeit für notwendig halten. Aber dies ist die ord- nungsgemäß zustande gekommene Regierung der (Die Abgeordneten erheben sich.) Bundesrepublik Deutschland. Sie ist auch unsere Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag Regierung, und wir sind selbstverständlich bere ft, verneigt sich vor dem Opfertod dieses jungen Sol- ihr die Chance zu geben, um die der Bundeskanz- daten der Bundeswehr. Unsere ehrerbietige Anteil- ler gebeten hat. nahme gehört seiner Frau und seinem Sohne. — Meine Freunde werden es dieser sehr bewußt Meine Damen und Herren, Sie haben sich von Ihren gegen uns gebildeten Regierung allerdings nicht Plätzen erhoben; ich danke Ihnen. leichter machen, als sie es verdient, nicht leichter, Glückwünsche zum Geburtstag spreche ich aus als es dem Interesse unseres Volkes, wie wir es der Frau Abgeordneten Dr. Rehling. sehen, in dieser ernsten Lage entspricht. (Beifall.) Es wäre leicht, das unwürdige Gezerre zur Regie- rungsbildung zu beleuchten. Hier war es wirklich Zum 65. Geburtstag habe ich dem Vizepräsidenten schwer, keine Satire zu schreiben. Aber damit befas- dieses Hauses, unserem Kollegen Professor Carlo sen sich die Kabarettisten in unserem Lande. Schmid, gratuliert. (Beifall.) (Abg. Dr. Mommer: Sehr gut!) Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Es ist bis zu einem gewissen Grade rührend, wie Verlesung in den Stenographischen Bericht aufge- bemüht sich die Regierungserklärung zeigt, das — nommen: wie soll ich es nennen — politische Freistilringen zu erklären. Sie verweist entschuldigend auf die Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 29. Novem- ber 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kühn (Köln), Staaten, in denen es noch mehr Minister gibt als Frau Dr. Rehling und Genossen betr. Unterzeichnung und Rati- bei uns. Das ist ein überraschender Gesichtspunkt, fizierung von Abkommen des Europarates — Drucksache IV/20 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/36 verteilt. meine Damen und Herren, bei dem, wenn man ihn Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem weiter verfolgt, die Sowjetunion mit ihrer Minister- 29. November 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Höfler und Genossen betr. Ratifizierung von Über- inflation zu einem noch unerreichten Vorbild wird. einkommen des Europarates — Drucksache IV/17 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/40 verteilt. (Oh-Rufe bei der CDU/CSU.) 54 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1961 Brandt (Berlin) Dagegen kommen die Vereinigten Staaten mit weni- chen, daß außenpolitische Verhandlungen nicht auf ger Ministern aus. den Marktplatz gehören. In einem Punkt kann es den berühmten Streit, Wir stehen an einem entscheidenden Einschnitt was früher da war, Henne oder Ei, nicht geben. Den unserer Geschichte. Deutschland war 1945 besiegt, Damen der CDU gebührt das unbestreitbare Ver- es wurde 1949 politisch organisiert, und 1962 wird dienst, daß sie eine Ministerin durchgedrückt hatten, sich entscheiden, ob seine Teilung besiegelt wird. noch bevor es dafür ein Ministerium gab. Nach 12 Jahren der Bundesrepublik müssen wir (Lachen bei der SPD.) Wünsche als Illusionen erklären. Die bisherige Wie- dervereinigungspolitik ist gescheitert. Auch die Probleme der Entwicklungshilfe existierten Es gibt heute offensichtlich keinen erkennbaren bereits vor dem 17. September; aber das neue Mini- Preis für die sterium — unter einem Tarnnamen — war für die Wiedervereinigung außer dem der Aufgabe der Freiheit. Koalitionsarithmetik erforderlich, und selten hat der Bundeskanzler — den ich zur Wiederherstellung (Abg. Dr. Heck: Das war schon immer so!) seiner Gesundheit beglückwünschen darf — sich so — Der Streit darum, verehrter Herr Kollege, ob das an sein Wort gehalten wie mit steiner Erklärung, jemals anders war, ist fruchtlos. Die Frage jetzt die Zahl der Minister werde für ihn kein Stein sein, heißt nur, ob wir uns mit dieser Feststellung und an dem man sich stoße. mit einem bedauernsvollen Achselzucken begnügen (Lachen bei der SPD.) wollen. Ich meine, die Wiedervereinigung darf für uns nicht von der Tagesordnung verschwinden, nur Das, was man das „FDP-Papier" 'genannt hat, weil sie im Augenblick und auf unabsehbare Zeit wird vernünftigerweise jetzt Koalitionsverein- aussichtslos ist. barung und nicht mehr Vertrag genannt. Ein Mit- glied des Hauses wollte es, wie ich meine: törichter (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Das tut weise, als eine Art „Geheime Reichssache" betrach- sie auch nicht!) tet wissen. — Dann ist es ja gut, wenn wir uns darin einig (Lachen bei der SPD.) sind. Sie hat für uns zu jeder Zeit mehr zu sein als ein geläufiges Lippenbekenntnis. Ich kann hier nur der Formulierung von Professor Dr. Peters, Köln, zustimmen: „Die innere Schwäche (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der Mitte.) wird offenbar durch formalen Perfektionismus er- - setzt." Die eigene Verantwortung des einzelnen Wir haben jede Entscheidung auf ihre Folgen für Abgeordneten kann durch kein Koalitionsabkommen das deutsche Selbstbestimmungsrecht zu prüfen. beurlaubt werden. Die Idee der Freiheit, die die meisten von uns (Beifall bei der SPD.) über das sonst Trennende hinweg vereint, ist keine defensive Idee. Sie ist offensiv und auf ihre umfas- Was den Koalitionsausschuß angeht, so möchte sende Verwirklichung in der Welt gerichtet. Die ich einen seiner Mitbegründer, Herrn Dr. Krone, an bloße Defensive würde den Westen insgesamt und das erinnern, was er im April dieses Jahres auf dem die Bundesrepublik im besonderen in die sichere Kölner Parteitag der CDU gesagt hat — ich zitiere —: Niederlage führen. Die Forderung der FDP nach einem Koalitions- Die Bundesrepublik ist, so will mir scheinen, im ausschuß ruft Schatten von Weimar wach. Sie ganzen gesehen, gegen den ideologischen Bazillus wirft uns in unserer staatlichen Entwicklung des Kommunismus gefeit. Unsere Sorge um die wieder zurück. Sie widerspricht dem Grund- Sicherheit entspringt nicht der Angst vor weltan- gesetz. schaulicher Zersetzung. Wir brauchen uns vor dem (Hört! Hört! bei der SPD.) Kommunismus als Idee nicht zu fürchten, .und dar- Ich mache mir diese letzte Behauptung nicht zu aus hat die Politik praktische, positive Konsequen- eigen, denn keine Vereinbarung dieser Art, über- zen zu ziehen. haupt keine Vereinbarung kann die dem Kabinett Wir haben uns zu den Menschen in der Zone hin- und den Abgeordneten durch das Grundgesetz zu- zuwenden. Das Herz der Nation schlägt hier, aber gewiesene Verantwortung schmälern. das Gewissen lebt vor allem in der Unterdrückung (Beifall bei der SPD und bei den Regierungs drüben. parteien.)