Vorwort Des Übersetzers
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Vorwort des Übersetzers Der Verfasser des Buches, an dessen Übersetzung ich mich gewagt habe, hat sein Werk seiner Ehefrau gewidmet. Er wird wohl seine guten Gründe dafür gehabt haben. Wer sein Buch gelesen hat, wird bemerkt haben, mit welcher Sensibilität Jean Pierre Darracq, "El Tio Pepe", nicht nur die Corrida, sondern das Leben überhaupt sieht. Es blieb ihm nicht verborgen, welch einschneidende Rolle die Corrida im Leben eines eingefleischten Aficionados spielt. Ihm ist klar, daß auch die Familien dieser Leute in ganz besonderem Maße, im Guten wie im Schlechten von der Passion des Familienvaters betroffen sind. Wenn dies von einem Franzosen, dessen räumliche Nähe zum Kernland der Aficion noch relativ gegeben ist, so wichtig gesehen wird, um wieviel mehr trifft es dann auf die "Exoten" der Aficion, wie wir Oberschwaben es sind, zu. Unsere Freunde und Bekannten, unsere Eltern, besonders aber unsere Ehefrauen und Kinder haben mit uns und unserer Leidenschaft ihr Kreuz zu tragen. Wohin sollte ein Urlaub auch gehen, wenn nicht..... Mit dieser Übersetzung, die mich persönlich einige Schritte vorangebracht hat, möchte ich deswegen meinen unentwegten Aficionadofreunden Josef und Charly danken, meinen Kindern Thomas und Samuel, ganz besonders aber meiner Ehefrau Mary, ohne deren Toleranz ich meine Aficion nicht leben könnte. Ihr widme ich diese Texte. Bad Waldsee, im März 1994 Der Übersetzer 0 Erste Unterhaltung Die AFICION - Tio Pepe, was ist das eigentlich, Aficion? - Es ist zunächst ein spanisches Wort, das man nicht ins französische (oder deutsche) übersetzen und daher auch nicht durch ein anderes ersetzen kann. Im buchstäblichen Sinn ist es die Zuneigung, der Geschmack für irgendetwas. Man kann Aficion empfinden für die Oper, das Forellenangeln, die Schnepfenjagd, den Pferdesport, das Bridge oder aber für die Corrida de Toros. Und über eben diese Aficion " a los toros" wollen wir uns, wie es Ihr Wunsch ist, unterhalten. Erlauben Sie mir die Anmerkung, daß diese Neigung, wenn sie sich denn auf die "Fiesta Brava" bezieht, deutlich stärker aus- bildet, als in anderen Bereichen. Sie wird im Handumdrehen und für immer zur Leidenschaft und beinhaltet das Kennenlernen einer hochschwierigen Domäne, die sich uns vordergründig als unbegreifliches Durcheinander präsentiert, wann immer wir unsere erste Corrida erleben. Ich will Sie nicht ent- mutigen, aber gehen Sie davon aus, daß man Jahre des Studiums und der Beobachtung benötigt, um ein vollendeter Aficionado zu werden. Der Aficio- nado ist derjenige, der die Aficion sein eigen nennt. - Ist also der Aficionado derjenige, der über die Materie der Toros alles weiß? - Nein, wenn es um Stiere (toros) geht, weiß niemand alles. Er weiß allerdings viel davon. Der Aficionado ist aber vor allen Dingen ein Mensch, der von jeder Corrida, die er besucht, bewußt oder nicht, ein Ereignis erwartet, das ihm "etwas bringt". Für den einen wird es die Hoffnung auf einige Serien von "pases" sein, die er in seinem Gedächtnis bewahrt; für den anderen das Schauspiel des Kampfes, das der Stier seinen Gegnern liefert, die Offenbarung seiner Tapferkeit eben; für einen dritten vielleicht der Nachweis der Professionalität eines Toreros.... kurz, jeder je nach Temperament erwartet, erhofft etwas. Dieses Etwas ist in der Wirklichkeit nicht vorhersehbar, da sich die Hauptbeteiligten eines Stierkampfes nicht ergänzen oder stützen, sondern im Wettbewerb miteinander sind - immer dann, wenn der Stier tapfer, der Torero guten Willens (inspiriert) und seine technischen Fähigkeiten einwandfrei sind. Oder gar, wenn alles zum Schlechten läuft, der Stier feige, der Torero ein Opfer seiner Zweifel wird, der Verlust des Vertrauens in seine Fähigkeiten ihn zu Irrtümern verleitet - Vorboten eines Debakels und dies vor einem wütenden Publikum.... - Wovon einem der Geschmack an der Sache ein für alle Mal vergehen könnte? - Aber nein, lassen Sie sich eines Besseren belehren. Für einen echten Aficionado existiert eine wirklich schlechte Corrida kaum. Sie wissen nicht, wie erregend eine Corrida sein kann, in der alles querläuft, Stiere und Männer. Wieviel kann man daraus lernen, unter der Voraussetzung wohlgemerkt, daß man seinen klaren Blick bewahrt und seine Stimme nicht mit denen der Gröhler vermischt. Es gibt sie wohl, die intelligenten Aficionados! - Kann ich daraus schließen, daß der gute Aficionado den Glauben eines Kohlenbrenners besitzt? - Oder fast. Übrigens, Jean Cau stellte das fest. Dank ihm gibt es die bemerkenswerte Aussage: "Den Stierkampf lieben heißt, jeden Nachmittag um 1 17.00 Uhr an das Christkind glauben, um sich mit ihm zu treffen." Ist es Ihnen noch nie passiert, daß Ihre Liebste Sie versetzt hat? War dies das Ende der Liebe? - Tio, ich hatte Sie seriöser eingeschätzt! Erklären Sie mir doch bitte, was es bedeutet, wenn man von einer "Aficion francaise" oder der "Aficion espag- nole" spricht! - Warum sollte ich Ihnen etwas erklären, das Sie schon wissen? Dieser zusammenfassende Begriff meint tatsächlich die Gruppe der Aficionados in einem Land, an einem Ort oder ähnlichem. - Wird man als Aficionado geboren? - Nein, man entwickelt sich dazu, und dies ist wohl der Grund, warum ein echter Aficionado niemals von seiner "glücklichen Krankheit" geheilt wird. Mit 92 Jahren setzte sich der älteste französische Aficionado, Albert Chantala, in Paris ans Steuer seines Wagens und fuhr alleine um vier Uhr morgens ab. Er hielt in Tours an, um sich ein reichliches Frühstück zu genehmigen, dann fuhr er auf einen Schwung nach St.Jean de Luz, das er am späten Nach- mittag erreichte. Am anderen Tag ging es weiter nach Madrid oder Bilbao. Noch mit 98 Jahren nahm er an der Feria von Nimes teil. Gerade als man seinen hundertsten Geburtstag feiern wollte, starb er.... - Schade, und wer ist nunmehr der Doyen der französischen Aficionados? - Mit Gewißheit kann ich das nicht sagen, aber es handelt sich wohl um den Herzog von Lévis-Mirepoix von der Académie francaise. Ich besitze eine mit einer Widmung versehene Fotografie, die ihn zeigt, wie er mit einem Kuhkalb Stierkampf betreibt.(toreiert) Das sind schon wieder einige Jahre her und er war damals 83 Jahre alt. Wie Sie merken, hält die Aficion jung! - Ich verneige mich respektvoll und versichere dem Herrn Akademiker meine aufrichtige Bewunderung. Aber ansonsten wäre es mir jetzt lieber, wenn Sie mir über die Aficion im allgemeinen erzählen würden. - Das will ich wohl, aber es wird seine Zeit dauern. Und trotzdem kann ich Ihnen keine komplette Antwort geben. Ich glaube, daß es privilegierte Orte auf dieser Welt gibt, wo Aficion praktisch Bestandteil der Luft ist, die man atmet. Man trifft sie dort möglicherweise in vielen Lebensbereichen einfach deswegen, weil immer die unvergessliche Gegenwart der wilden Stiere auf dem Land fester Bestandteil des Lebens ist. Dies trifft zu in Niederan- dalusien, in Kastilien, Navarra und Salamanca, woanders in der Camargue oder in verschiedenen Regionen in Mexiko und Südamerika. Diese Vertrau- theit mit der "permanenten Anwesenheit" wilder Stiere ist wohl Ursache für die Entwicklung verschiedener Formen der Tauromachie (des Stierkampfs), so der "Course Provencal", den Stierspielen auf den Hochebenen der Anden und natürlich für die "Corrida de Toros" in Spanien. Sicher ist die Durch- dringung in der jeweiligen Bevölkerung unterschiedlich, aber nirgendwo auf dieser Welt ist das Zusammenleben mit dem Stier so natürlich ausgeprägt wie in Andalusien. Schließlich kommt dort, wo die Stiere leben, die Aficion fast von alleine. - Wie erklären Sie sich das? - Ganz einfach, weil die Kenntnis der Geheimnisse der Stiere, die wir uns in der Fremde durch jahrelange Beobachtung mühsam aneignen müssen, bei den dortigen Menschen durch eine bestimmte Art von Intuition ersetzt ist. Wo ist denn der junge Andalusier, der nicht wüßte, wie eine Capa oder Muleta 2 zu handhaben ist? Stellen Sie sich vor, wie eine Corrida abläuft, die in Sevilla, Jerez oder Puerto de Santa Maria stattfindet, wenn Stiere und Toreros aus eben dieser Gegend stammen, wenn das Publikum nicht aus deutschen, holländischen, englischen oder aus Paris kommenden Touristen, wie in Marbella oder Benidorm zusammengesetzt ist, sondern lediglich aus Bewohnern der dortigen Region besteht! - Das glaube ich Ihnen! Es wird drunter und drüber gehen. - Aber nein! Das Publikum dort ist eher wohlwollend als blutrünstig. Es versteht die Dinge gut, weil es schon vieles gesehen hat. Es braucht vieles, es zu begeistern und noch mehr, es in Wut zu versetzen. Und es besitzt eine konkurrenzlose Waffe: einen Humor, der Major Thompson erblassen ließe. Es beherrscht auch die zermürbende Lektion des verachtenden oder mißbilligen Schweigens, demgegenüber viele Toreros, gerade die Nichtandalusier, das Wutgebrüll der Menge vorziehen. Läßt es sich aber in Begeisterung gehen, geschieht dies, um die Tapferkeit eines Stiers zu würdigen, weil man ihn hier liebt und respektiert oder aber um einem großen Torero zu huldigen, der eben die Wirklichkeit deswegen verzaubert hat, weil es ihm durch seine gute Arbeit mit dem Stier gelang, die tiefschlummernden Träume und Wünsche dieser Leute wahr zu machen. Diese Aficion dort ist nicht nur einmalig, sie verdient Respekt, Bewunderung und auch zu einem gewissen Teil Neid. Sich dort zu integrieren, sich dort für einige Stunden oder Tage heimisch zu machen, bedeutet für Leute wie uns ein Glück ohnegleichen. Es ist die Mühe wert, dafür zu arbeiten, auf anderes zu verzichten, um sich dieses Glück möglich zu machen. Um noch mehr dann, wenn die Stiere tapfer sind, und die Toreros ihren guten Tag haben. In diesem Fall hat man das