Hochland der Baukunst Peter Zumthor und andere schreiben die Bündner Bautradition fort. Vier Beispiele aus der Surselva und dem Unterengadin VONMARCO GUETG Benedetg eingeweiht. Die schlichte Poe- nada Gestalt. Er baute neue Ställe im Eine Sprache hat keinen An-sie des tropfenförmigen Holzbaus in der Dorf, eine Mehrzweckhalle, eine Metzge- fang. Sie fliesst. Aber es gibtgrünen Wiese lockt seither Architektur- rei, eine Sägerei, eine Ziegenalp und re- linguistisch wirksame Ereig-touristen aus aller Welt in den abgelege- novierte Häuser. Über die Jahre entstan- nisse. Die Eroberung Rätiensnen Weiler in der oberen Surselva. den 33 Wohnhäuser (davon 17 Umbau- durch Drusus und Tiberius 15 ten), 16 neue Ställe sowie 8 öffentliche v. Chr. zum Beispiel ist so ein Ereignis.DAS DREIGESTIRNRömische Schutzbau- Gebäude (3 davon Sanierungen), alles Damals trugen römische Soldaten ihrten, Atelier und Kapelle S. Benedetg mar- schlichte und traditionelle Strickbauten, Vulgärlatein in die Dörfer, es vermischtekieren den Beginn von Zumthors Welt- dieCaminadaweiterentwickelthat. sich mit der rätischen Sprache ... 15 v.ruhm. Dass ihm Graubünden als Humus Denn Tradition bedeutet für Caminada Chr. gilt als so etwas wie der Beginn desfürseinearchitektonischen Visionen «nicht nur Reflexion auf das Vergange- Rätoromanischen. diente, verwundert weiter nicht. Zum- ne», wie er es einmal in einem Interview Die Präsenz der Römer hat in Grau-thor arbeitete früher für die Bündner erklärt hat, sondern auch «Konzentrati- bünden weitere Spuren hinterlassen -Denkmalpflege, bereiste viele Gemein- an auf das Gegenüber, auf das, was die eindrücklichsten im «Welschdörfli»den, hat sie inventarisiert und deren bleibt». Daher »müssten eigentlich neue in Chur, wo eine ausgedehnte römischeStrukturen studiert - unter anderem je-Traditionen möglich sein». Seinen bisher Siedlung freigelegt worden ist. Die drei-ne von Vrin, zuhinterst im Val ,letzten Tupfer setzte er 2002 mit der Sti- teilige Anlage ist seit 1986 mit einer Hül-jenem Ort, an dem Jahre später ein an-va dils morts ins Dorfbild: Das mit weis- le aus Holzlamellen geschützt, die sichderer seine Handschrift sichtbar ma- ser Kaseinfarbe lasierte Holz rückt diese wie ein Schleier über die Bauzeugnissechen wird: Gion A. Caminada. Totenstube in die Nähe eines Sakralbaus. und Wandmalereien legt. Die asymmet- Gion A. Caminada, Architekt, Profes- Wer in Graubünden auf architekto- rische Konstruktion widerspiegelt diesor an der ETH und wie Zumthor gelern- nische Erkundungsreise geht, muss sich uneinheitlichen Grundrisse der Sied-ter Schreiner, hat seine Heimatgemein- einschränken. Zu vielfältig ist das Ange- lung. Die drei Hallen im Inneren sindde zum Labor gemacht. Dort wurde in bot. Und er macht drei Erfahrungen. Ers- durch eine Passerelle verbunden. Ver-den Jahren 1994 bis 2000 verwirklicht,tens: Einige der inzwischen etablierten dunkelte Oberlichter versorgen sie mitwas für das Bauen in den Bergen Modell- Bündner Architekten - etwa Beart & De- mildem Tageslicht. Wer in diesem mitcharakter erhalten hat. Um neue Impul- palzes, Hagmann & Jüngling, Conradi Erinnerung aufgefüllten Raum steht,se zu geben und die Dorfsubstanz zu Clavuot - haben erste Erfahrungen im hört die Stadt, spürt den Sonnenstand,schützen, legten die Vriner Wiesen zu- Atelier Zumthor gesammelt. Zweitens: fühlt den Wind. sammen, teilten Ställe neu zu und nutz- EinigeJungarchitektenliebäugelten Die Römischen Schutzbauten sindten Gebäude um. Die Idee hinter dem einst mit der Stadt, haben sich dann eine frühe Arbeit des Architekten Peter«Vriner Modell»: Die Bauern sollten mit aber doch fürs Wirken in der Region ent- Zumthor. Sie entstanden im gleichenihrem Hab und Gut weiterhin im Dorf Jahr wie sein Atelier in Haldenstein, das schieden. Drittens: Wer zeitgenössische bleiben können und möglichst viel amBündner Architektur sehen will, muss zu einem Leitbau der neuen Bündner Ar-Ort selbst produzieren. chitektur und des zeitgenössischen Holz- sich oft an Orte fernab der Touristenströ- baus geworden ist. Drei Jahre später wur- Der sozialen und ökonomischen In- me begeben - zum Beispiel auf die Alp de in Zumthors Caplutta Sogntention des Konzeptes gab Gion A. Cami- Puzzetta am Lulunanierpass.

Medienbeobachtung ARGUS der Presse AG Argus Ref.: 58711061 Medienanalyse Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Ausschnitt Seite: 1/5 Informationsmanagement Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 Bericht Seite: 113/127 Sprachdienstleistungen www.argus.ch Der minimalistische Ziegenstall mitmit der Jugendherberge illustriert. Die-sischen Bauten, die während unseres seiner rostroten Alu-Hülle von Marleneser Neubau lehnt sich frei von KitschStudiums in Graubünden entstanden Guj an und Conrad Pally gilt als Vorzeige-und Anbiederung an die Engadiner Bau-sind, versprachen ein ideales Umfeld für objekt für Bauen in den Alpen. Ihr Bürokultur. Wirldich am Herzen aber liegengute neue Architektur.» war in den letzten Jahren ausgeprägtMarisaFeuersteinUmbauten.«Dort Inzwischen spielen sie selbst auf die- stark in der Surselva tätig, mit Neu- undkann ich die regionale Bautradition amser Klaviatur - und ihre regionalen Prezi- Umbauten oder ortsplanerischen Inter-besten fortschreiben», sagt sie. Wie, de-osen strahlen aus. Das Ilanzer Duo wird ventionen. Dieser Fokus auf das Nahemonstriert sie am Umbau «Albergo» imschweizweit zu Wettbewerben und ins hat eine tiefere Bedeutung. Marlene Gu-Scuoler Seitental S-charl. Ausland zu Vorträgen eingeladen. Dort jans Credo - sie hat ihre Sporen auch im Alp Puzzetta und «Albergo»: zweikönnen sie seit 2014 ein weiteres High- Büro Zumthor abverdient: «Es gibt ge-Marksteine an der Peripherie des Kan-light präsentieren: Das historische Tura- nug Architekten, die sich mit den Zen-tons. Etwas zentrumsnaher ist das viel-lihuas in Valendas, das sie für die Stif- tren bebssen. Verloren geht dabei dasfach ausgezeichnete Cinema sil Plaz intung Ferien im Baudenkmal des Schwei- Regionale.» Glion/ von Capaul & Blumenthalzer Heimatschutzes mit Sachverstand (auch Gordian Blumenthal hat seineund Feinsinn renoviert haben. Gleich ne- DIESES BEKENNTNISzur Arbeit am OrtSporen bei Zumthor abverdient). Beidebenan steht übrigens das neue Gasthaus hat auch Marisa Feuerstein zur MaximeArchitekten stammen aus dem Val Lum-Am Brunnen (Renovation: Gion A. Cami- erhoben. Der ausgetrocknete Arbeits-nezia. Das war prägend. «Wir haben dasnada). Wer nach einem Beispiel sucht, markt zwang die stadtaffine ETH-Archi-traditionelle Dorf, das aus pragmati-wie in einer peripheren Region ein Dorf tektin 1993 zur Mitarbeit im väterlichenschen Bedürfnissen und der handwerldi-nachhaltig entwickelt werden kann: Va- Büro in Scuol - und sie blieb. Seit 1999chen Tradition entstanden ist, mit sei-lendas liefert es. führt sie ihr eigenes Ateliers. «Ich binnen räumlichen und architektonischen(*)Zitate in den Bildlegenden: «Bauen in hier zu Hause und finde es spannend,Qualitäten erlebt», sagt Ramun Capaul.Graubünden» (Edition Hochparterre). Das im mir vertrauten, traditionellen Um-Dass sie nach ihrem Studium in ZürichBuch gibt einen Überblick über die zeitge- feld zu bauen.» Was das heisst, hat Mari-in Ilanz ein Büro eröffnet haben, hat mitnössische Architektur in Graubünden. sa Feuerstein 2007 zusammen mit dreiGraubündens Baukultur der letzten Jah- weiteren Engadiner Architekten in Scuolre zu tun. Ramun Capaul: «Die zeitgenös-

Medienbeobachtung ARGUS der Presse AG Argus Ref.: 58711061 Medienanalyse Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Ausschnitt Seite: 2/5 Informationsmanagement Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 Bericht Seite: 114/127 Sprachdienstleistungen www.argus.ch '4e

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Peter Zumthors erster offenthcher Bau um Kanton Graubun- den: Die 1986 erstellten Römischen Schutzbauten im Churer «Welschdörfli». BILDER: RALPH FEINER

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Wohnhaus «Albergo», Val S-charl, Scuol (2010) Cinema sil Plaz, Gion/Ilanz (2010) Marisa Feuerstein Capaul & Blumenthal Das Val S-charl führt bei Scuol an den Rand des Nationalparks. In Ilanz steht das Haus Vieli. Es wurde in den 1980er-Jahren von Hier hat Marisa Feuerstein einen alten, an ein Wohnhaus angebau- Rudolf Olgiati (1910-1995) renoviert. Den Anbau hat das Büro Ca- ten Heustall in ein Ferienhaus verwandelt. Haus und Stall entspre- paul & Blumenthal nun aus- und eine Bar und einen Bühnenraum chen dem ortsgängigen Haustyp. An der Grundstruktur des Ge- hineingebaut. Dabei beschränkten sie sich aufs Nötigste. «Das ei- bäudes hat sie nichts verändert. Mit den grosszügigen Fenstern an gentliche Kino bauten sie als schönen Fremdling: Massige Stampf- der Südseite wurde ein Bezug zur Aussenwelt hergestellt. Von der lehmwände, Lehmdecke und -boden bilden den archaischen Seite jedoch, dort, wo Wanderer das Gebäude wahrnehmen kön- Raum, in dem das bewegte Licht die Besucher an fiktive Orte ent- nen, blieben die Fenster klein. Kaum jemand merkt, dass dieses führt. Das aus Nordafrika stammende Schafleder der Sessel über- Gebäude ausgebaut worden ist ... rascht die Besucher mit einem ungewohnten Geruch.»

Medienbeobachtung ARGUS der Presse AG Argus Ref.: 58711061 Medienanalyse Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Ausschnitt Seite: 4/5 Informationsmanagement Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 Bericht Seite: 116/127 Sprachdienstleistungen www.argus.ch Mehrfamilienhaus Resgia, Ftan (2010) Urs Padrun Regionale Wirtschaftsförderung der anderen Art: Weil es im Unter- engadin kaum mehr bezahlbare Wohnungen gibt, wurde in Ftan eine Baugenossenschaft gegründet. Ihr Ziel: günstigen Wohnraum für Einheimische schaffen. Den Wettbewerb gewann Urs Padrun aus Guarda. Sein Entwurf verfremdet regionale Elemente. «Der Sichtbeton nimmt Bezug zur Schwere des Engadinerhauses. Dazu passen die Holzfenster und die Brüstungen aus heimischer Fichte. Und die subtile Verschiebung der Fensteröffnungen im Holz- rahmen erinnert entfernt an Trichterfenster alter Häuser.»

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