Historie 1

Klaus Müller

verlag regionalkultur Grußworte Historie 3 Schlaglichter OB Sebastian Schrempp 5 OV Gerhard Bauer 6 Es müssen ja nicht immer die „großen Geschichten“ sein 34 Von „knitze Weierer“ und „verkappte Pfälzer“ 34 Historie Spezielle Tabak-Mist-Note 34 Dorfbrunnen 35 Andrea (Andi) Deris Einleitung 8 35 Horst Maria Merz Dann mal los! 8 35 Von den Toten zu den Lebendigen „Wir werden badisch“ 8 36 Badisch oder pfälzisch oder gar bayrisch Viele mischten mit 9 36 Lettenlöcher Von vielen etwas 9 36 Den Nazis ein Schnippchen geschlagen Wie alles begann 9 37 Schutz vor dem „Erzfeind“ und Geburtsstunde Der Rhein – mal wieder der Rhein! 10 des Fermasees Dörflein wechsel dich 12 37 Sträfferclub Und alles wurde zu Asche 12 39 Vom Wooglätschä zum Geißbock Ab in eine neue Zeit! 12 39 Vom Weirer Damm auf den Feinkostteller Intermezzo mit lokaler Krone 12 40 Von der Milchzentrale zum Eiscafé Und weiter geht’s durch die Geschichte 13 41 „Der Schuppen“ Revolution! 13 42 Na dann, Prost! – beim Brandlöschen Eine Anmerkung zwischen den Epochen 13 42 Empanadas und närrische Frauen Endlich Frieden, wenn auch nur für begrenzte Dauer 14 43 Zusammen geht ’s besser Und wieder Krieg! 15 44 Heimatbriefe Weimarer Republik 16 44 Her mit den Kreuzern Unterm Hakenkreuz 18 45 Adventszeit Und wieder Krieg!! 18 46 Erinnerungen 19 Nachkriegszeit 20 Rhein Trümmer, Aufbau, Wirtschaftswunder – 20 und noch mehr Erinnerungen Erlebnis Altrhein 47 22 Die Rückkehr des Schneiders Das Wasser kommt! 49 23 Aus Drei wird Eins Jagd auf Plagegeister 51 Schnellreise durch über 40 Jahre Ortsteil NBW 24 Achtung! Staustufen-Gefahr! 52 25 Fährmann setz’ über! 53 Bürgermeister von 1900 bis 1974 Die geschmuggelte Kuh 54 Einwohnerentwicklung und Gemarkungsflächen 25 Nationalsozialismus

Nazi!? 26 Leben und Alltag unterm Hakenkreuz 28 Beispiel Bürgermeister 29 Beispiel Gemeinderat 29 Beispiel Gemeindebedienstete 29 Beispiel Zwangssterilisation 30 Beispiel Alltag 31 Beispiel Judenverfolgung 32 Beispiel Wahlen 32 Personen – Ereignisse – Einrichtungen Schule Emil Wachter 74 Rheinwald-Grundschule im Wandel der Zeit 55 Ortsbüttel: Der „Schremppe Karl“ 76 Schon gewusst 55 Pamina-Museum: Kleinod für Geschichte und Geschichtchen 77 Willkommen in Neuburgweier? – Erinnerungen Vereine aus dem Leben einer ungarisch-deutschen Familie 79 Ungeahnte Bevölkerungsexplosion 81 57 Frauengemeinschaft Neuburgweier Haben Sie etwas zu verzollen? 82 Liederkranz 58 Dem Volk auf’s Maul geschaut – 59 Harmonika Spielring Ausdrücke und Redensarten in Neuburgweier 84 Kleintierzuchtverein 59 Unsere Heimat/Gedicht von Gertrud Schindele 85 Musikverein 60 Marinesingers 63 64 SC Neuburgweier Kirchen Weierer Geißböck 64 Rot-weiß gestreift: Die St. Ursula Kirche 86 Ein Wunder, dass sie überhaupt noch steht: Die St. Ursula Kapelle 88 Historische Wirtschaften in Neuburgweier

Einleitung 67 Drei Lilien 67 Adler 69 Hirsch 70 Gemeindereform Karpfen 71 91 Schiff 72 Fusionsprämien als Zuckerbrot Zündende Idee 73 Fusion/Schlagzeilen 94 Hochzeit des Jahrhunderts/Gedicht von Gertrud Schindele anlässlich der Gemeindefussion (1975 / Auszüge) 95 Historie

Wie die Zeit vergeht! Im Ernst. Auf eine 800-jährige Schließlich ist sie in der Region und darüber hinaus Geschichte kann inzwischen Neuburgweier zurückbli- als bekennende Badnerin bekannt. Die Glückwünsche cken – ausgehend von der ersten urkundlichen Erwäh- richtete Gerline Hämmerle als Festrednerin an die ver- nung des Dorfs „Nuenburc et Wilre“ im Jahr 1219. Dass sammelte Zuhörerschaft, die zusammenkam, um „Neu- solche Urkunden nicht allein für den Beginn von etwas burgweier – 300 Jahre in Baden“ zu feiern. Die Feier da- Neuem stehen, darf getrost angenommen werden. tiert aus dem Jahr 2007. Möglicherweise, was durchaus denkbar wäre, lebten dort schon vor dem besagtem Jahr Menschen. 1219 ist „Wir werden badisch“ ein Fixpunkt – ein Ankerpunkt für einen verbrieften, tat- 300 Jahre zurückgerechnet finden wir uns im Jahr sächlich nachvollziehbaren Anfang. Neuenburc steht für 1707. Am 24. August desselben Jahres war es soweit: Neuburg und Wilre für ein Anhängsel, für eine sehr klei- Neuburgweier wurde Teil der Markgrafschaft Baden- ne Siedlungsform, die einige wenige Häuser umfasst. Baden – genau, eben die Markgrafschaft, an deren Später wird daraus Neuburgweier. Spitze unter anderem der Türkenlouis, Markgraf Lud- 1219 regierte Friedrich II. als römisch-deutscher wig Wilhelm, stand. Der Kampfgefährte von Prinz König. Ein Jahr später wurde er Kaiser des römisch- Eugen, bekanntlich der Retter von Wien im Kampf deutschen Reiches. Kreuzzüge waren noch an der Ta- gegen die Türken, erlebte allerdings nicht Neuburg- gesordnung. Und langsam begann die Dämmerung weiers territoriale Ansiedlung an die Markgrafschaft des Mittelalters. Die Historiker sprechen vom Spätmit- Baden-Baden. Wenige Monate zuvor verstarb er im telalter. Von war weit und breit noch nichts Alter von 52 Jahren. Ob sich der Türkenlouis über das zu sehen. Immerhin gab’s schon Knielingen, Bulach, neue Dorf gefreut, ob er es überhaupt bewusst regis- Beiertheim, Durlach oder genauso Ettlingen. triert hätte, darf bezweifelt werden. Viel war es nicht, Und in dieser Zeit nahm die Geschichte von Neu- was da von der Pfalz hinüber ins Badische wechselte. burgweier ihren Anfang. Begeben wir uns auf eine Zeit- In einem damals erstellten Verzeichnis (1707, vor dem reise, auf der die Geschichte nicht allein chronologisch Wechsel) heißt es: „In diesem Dörflein, darinnen ein ihren Lauf nehmen soll. Nein, lassen sie uns auch ein baufällig Kirchel, befinden sich 14 kurpfälzische, leib- wenig in der Geschichte hin- und herspringen, was sich eigene Hausgesäß in schlechten mehrteils mit Stroh im Nachhinein, im Wissen, was geschehen ist, trefflich gedeckten Häusern und Hütten.“ Was da beschrieben machen lässt. wurde, ist schlichtweg ein Zeugnis der wechselvollen Geschichte am Rhein, eine Geschichte von Erbfolge- Dann mal los! kriegen, von Einfällen, von Verwüstungen, Leid und Dass Gerlinde Hämmerle, lange Jahre Regierungsprä- Elend. Knüppeldick traf es dabei immer wieder Neu- sidentin, die Neuburgweierer zu ihrer Zugehörigkeit burgweier – nicht zuletzt im Dreißigjährigen Krieg. zu Baden beglückte, mag nicht wirklich überraschen. Das Dörflein lag dummerweise an der Schnittstelle

8 Schlaglichter

Oftmals sind es die „kleinen Geschichten“, Begebenhei- Ist das nicht toll! Selbst Pfälzer Schwenkbraten habe ten am Rande, der Alltag, eben alles, was sich zumeist in ich bei den „Weierern“ entdeckt. Eins freilich fällt be- keinem Geschichtsbuch findet, die ein Dorf, deren Be- sonders auf: Es gibt in Weier kein „Elvetritschen“, aber wohner beschreiben, ja vielleicht sogar in Ansätzen cha- umso mehr viel Gemeinsames mit den Pfälzern. Wer rakterisieren. Um solche Geschichten – eben um solche es nicht wissen sollte? Ein Elwetritschen ist ein ganz Schlaglichter – geht es nun, verstanden als kleines Lese- besonderes Tier – oder so etwas Ähnliches. Es soll eine buch über Neuburgweier und über die Neuburgweierer. Kreuzung aus Huhn, Ente, Gans, Kobold und Elfe sein. Es wird aber auch um Lebenswirklichkeiten gehen, um Noch nie gesehen? Dann mal Augen auf. Wer ihn oder Perspektiven und Ereignisse, die sich am Ende auf das es zuerst sieht, bitte sofort melden und am besten als Leben im Dorf auswirkten und vielleicht noch auswir- Beweis einfangen … von K R ken. Chronologie soll dabei keine Rolle spielen, zumal sich der „normale Alltag“ ja auch querbeet Platz und ***** Raum verschafft. Spezielle Tabak-Mist-Note Von „knitze Weierer“ und „verkappte Pfälzer“ Die Böden im Tiefgestade um Neuburgweier sind sehr Für mich als „Reingschmeckter“ war es im Bürgermeis- schwer, sodass sie für Tabakanbau vermutlich nicht be- terwahlkampf 1987 schon interessant und auch wichtig, sonders geeignet waren – es sei denn für bestimmte Sor- die Mentalität der Bewohner der einzelnen Ortsteile ten, für die schwerer, lehmhaltiger Boden geeignet ist. Es kennenzulernen. Die „Weierer“ fielen mir besonders sind mir einige Landwirte in Neuburgweier bekannt, die durch ihre Offenheit, mit der sie mir begegneten, auf. größere Tabakäcker bepflanzten: Adolf Schindele, Fami- Über die ganzen Jahre hat mich diese Frage bewegt. Ich lie Richard Schindele und Familie Salomon Wachter und habe lange und viel darüber nachgedacht. Wie begrün- Maier Eigen’s. Nach der Tabakernte – so meine Erinnerung det dieser Menschenschlag seine Bodenständigkeit und – waren immer einige Frauen vom Ort in den Anwesen seine Weltoffenheit – mit zuweilen derbem Humor: als dieser Familien. Sie fädelten die Tabakblätter auf lange Allzweckwaffe gegen die Härten des Daseins? Woher Schnüre ein. Anschließend wurden die Gebinde in die kommt die Toleranz im Umgang mit angemaßten Au- Schuppen und Scheunen zum Trocknen gehängt. toritäten? Prägt die Nähe zu Frankreich auch das „Savoir Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist bekannt, Vivre“ („verstehen zu leben“)? dass jeder Landwirt in Neuburgweier seinen Eigen- Spätestens ab jetzt wurde mir klar: Neuburgweier hat bedarf an Tabak selbst anpflanzen durfte – zirka 80 (geschichtlich) Pfälzer Wurzeln. Ob es typische Pfälzer bis 100 Pflanzen. An fast allen Äckern sah man dann sind? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Aber kleine, etwa zehn Quadratmeter große Rechtecke, die was sind typische Pfälzer? Der Pfälzer hat Freude am mit Tabak bepflanzt waren. Für die Zubereitung dieses Feiern, er ist gesellig und geht offen auf Menschen zu. speziellen (Neuburgweierer) Tabaks kursierten im Ort

34 die abenteuerlichsten Rezepte und Methoden, ange- pan eine gefragte Band. Im Jahr 1993 verließ er „Pink fangen von im Misthaufen vergrabenen Tabakblättern Cream 69“ und stieg 1994 bei „“ ein. Mit bis zu mit Tabakblättern gefüllten Matratzen. Letztere „Helloween“ gelang ihm der weltweite Durchbruch. dienten wahrscheinlich eher als Verstecke vor Kontrol- Mit dem Album „My God-Given-Right“, veröffentlicht len der Zöllner. von P S   im Jahr 2015, landete „Helloween“ auf Platz 8 der deutschen Charts. ***** Bis heute tourt mit „Helloween“ nicht nur durch ganz Europa, sondern ist auch äußert erfolgreich Dorfbrunnen in Südamerika, Japan und Asien unterwegs. Vor dem Bau der Leitungs- und Wasserversorgung war  S S   der Ort überwiegend von den vorhandenen Dorfbrun- nen abhängig. Insgesamt gab es acht dieser Wasserver- ***** sorger. Die meisten dieser alten Dorfbrunnen standen über einem ca. zwei Meter breiten Schacht, der bis zum Horst Maria Merz Grundwasser reichte. An jedem dieser Brunnen war Geboren wurde Horst Maria Merz 1958 in Frankfurt am auch ein etwa zwei bis vier Meter langer Steintrog. Er Main. Seine Kindheit verbrachte er in Neuburgweier. diente als Trinktrog für die Kühe und Pferde und auch als Nach dem Schulmusikstudium an der Musikhochschu- Schwenkwanne für große Wäsche der Hausfrauen. le Karlsruhe und dem darauffolgenden Engagement als von P S   Leiter der Schauspielmusik am Badischen Staatstheater führte ihn sein Weg 1997 nach Berlin. Als Pianist und ***** Schauspieler der „Berlin Comedian Harmonists“ trat er über 800 Mal in dem Theaterstück „Veronika, der Lenz Andreas (Andi) Deris ist da“ an der „Komödie am Kurfürstendamm“ in Berlin Andi Deris ist Sänger und Komponist in der deutschen auf. Es folgten zahlreiche Tourneen in die wichtigsten Melodic-Speed-Metal-Band „Helloween“. Daneben hat Konzertsälen Europas (unter anderem Paris, Zürich, Lu- Andi Deris drei Soloalben unter seinem Namen veröf- zern, Rom, Madrid). Weitere Gastspiele führten ihn nach fentlicht. Armenien, Australien, Mexiko, Thailand und in die USA. Geboren 1964 in Karlsruhe, verbrachte Andi Deris sei- Mittlerweile hat sich Horst Merz auch als Chansonnier ne Kinder- und Jugendzeit in Neuburgweier. Er besuchte einen Namen gemacht: Sei es auf deutschen Klein- den Neuburgweierer Kindergarten und die Rheinwald- kunstbühnen mit seinem Soloprogramm „Weil ich un- grundschule. Schon auf dem Walahfrid-Strabo-Gym- musikalisch bin“ oder mit klassisch modernen Werken nasium Rheinstetten, das er nach seiner Grundschulzeit unter anderem bei den Salzburger Festspielen. Auch als in Neuburgweier absolvierte, verkündete er seinen Mit- langjähriger Pianist von Walter Plathe (ZDF–Landarzt) schülern „…ich werde einmal Rockstar!“. und im Theaterstück „Glorious“, bei dem er an der Sei- Und er hielt Wort: Nachdem er in verschiedenen te von Johanna von Koczian die männliche Hauptrolle kleineren Bands gesungen hatte, konnte Andi Deris spielte, wusste er sein Publikum zu überzeugen. Seit mit „“, 1987 von ihm, Alfred Koffler und 2014 tritt er mit den „Berlin Comedian Harmonists“ im- Kosta Zafiriou gegründet, erste Erfolge feiern. „Pink mer wieder bei André Rieu auf dessen Welttournee auf. Cream 69“ wurde vor allem in Mitteleuropa und Ja- Bü 

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