Das Bernbiet ehemals und heute :

Autor(en): Klopfenstein, Hans

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Historischer Kalender, oder, Der hinkende Bot

Band (Jahr): 270 (1997)

PDF erstellt am: 04.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-656413

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http://www.e-periodica.ch DAS BERNBIET EHEMALS UND HEUTE Frutigen HANS KLOPFENSTEIN

Im Berner Oberland, wo von Kandersteg her Einer zog vom Gasterntal her, ein anderer die Kander und von Adelboden her die Engst- vom Wildstrubel. Das Elsighorn mit seiner ligen sich vereinigen, dort liegt auf 800 Meter Bergkette stand als Teiler dazwischen. Nord- an sanfter Halde das Dorf Frutigen. Es ist das lieh des Elsighorns vereinigten sie sich, nah- Zentrum der weitläufigen Gemeinde Frutigen men weiter unten den Blümlisalpgletscher auf mit ihren ca. 6500 Einwohnern, von denen und mündeten im heutigen Thunerseegebiet in etwa zwei Drittel im Dorf und seiner näheren den riesigen Aaregletscher. Damals mag die Umgebung leben. Zugleich ist das Dorf Gletscherdicke über dem heutigen Talboden Hauptort und Amtssitz des Frutiglandes sowie bei Frutigen gut 500 m betragen haben. auch Standort des Bezirksspitals. Überragt von den Bergen der Niesenkette, den Alpweiden und Bergwäldern und eingebettet in die grünen AT/c/zeAzeir/ic/ze Jage/" Matten, bietet das stattliche Dorf mit seiner markanten Kirche ein trautes, liebliches Bild. Tausende von Jahren später schmolzen die Eismassen ab. Als sich die Gletscherzunge um den Fuss des Niesen zurückzog und beim //; grauer Vbrze/7 heutigen Frutigen nur noch 50 m dick auf dem Talboden lastete, mögen die ersten Menschen Es gab eine Zeit, da stiessen mächtige Glet- den Gletscherrändern nach ins heutige Frutig- scher durch die Täler bis ins Unterland vor. land gekommen sein. Sicher kamen sie als Jäger, und sie zogen sich vor dem Winter in ihre Wohnstätten am rechten Thunerseeufer zurück. Auf dem Jäger- ausguck Zinsmadfluh ob Frutigen hat man eine ihrer Waffen, eine gefunden.

Erste ßewoÄner

Immer stärker schmol- zen die Gletscher ab, krochen in ihre Täler zurück und zupften sich im ewigen Wechsel der Viehschau: Die Schönsten im Ring Jahreszeiten auf ihre (Foto: Burion, Frutigen) heutigen Gebiete und

68 Ausmasse zurück. Ihnen nach stiess der Mensch in die Täler von Kiene, Kander und Engstligen vor. Sengend und ro- dend schaffte er sich Weideplätze für sein Vieh, schliesslich Feld und Wohnung für ganz- jährige Bleibe. Die frühesten Siedlungen entstanden. Erste Wege wurden erstellt. Flüsse, Berge, Weiden und Wohnstät- ten erhielten Namen. Die ältesten Ortsnamen weisen auf eine kelti- sehe Urbevölkerung, die Helvetier, hin. Kandara die Weis- «Gehauen durch Johannes Klopfenstein, Meister schön Färber ...1805» se (Göttin?) nannten sie (Foto A. Klopfenstein) den einen Fluss, Ande- kingila die rasch Gehende, die heutige Unsere A/tnen Engstligen. Die grünen Weidmatten am Tal- hang nannten sie aksetta die fruchtbare Sind es die Alemannen, die ums Jahr 406 Weide, das heutige Achseten. über den römischen Grenzwall brachen und sich im helvetischen Mittelland ansiedelten? Oder sind es die später nachgewanderten Trewtfe //errsc/ta/f sagenhaften Friesen, die von der Nordsee

Als im Jahr 58 v. Chr. die Helvetier bei Bibrakte in Südfrankreich von den Römern Ds FrMf/ge aw ßärg besiegt wurden, kam Helvetien für fast fünf Jahrhunderte unter römische Herrschaft. Auf Ds Statterbüebi (Sennengehilfe), ds der Suche nach Verbindungen über die Alpen- Büschle-Döfi, erzeilt am Füürgrüebi: kämme fanden und eröffneten sie den «Römer- «Im leschte Winter a me ne Aabe wan ig da i weg» von Spiez, über Kandersteg ins Gastern- zur Schüür bin ga hirte, bin ig d'Dili tal und über den Lötschenpass ins Lötschental. ga Höw schütte un aha stosse. Wan ig Bei Bauarbeiten im Gasterntal stiess man 1912 dur ds Tenn hinderi bi für ga ds Höw i auf eine alte Herdplatte. Darunter fand man als d'Barni ds gäh, han ig e tola Arvel wele Weihegabe eine makedonische Goldmünze. näh. Aber da bin ig ungäbig erchlüpft! in däm Am Leimbach in Frutigen fand man bei Grab- Da ischt eppis ganz Linds gsi arbeiten eine römische Pflugschar. Die Alp Höw. Ig has vürha a d'Lüleri zöge — u GoZ/rscAe« römisch «colticia» franz. «cou- due ischt das iis van de chline Bänzenen afa lisse» erhielt ihren Namen von den Römern. (Schafe) gsi, wan afe het wele ga Der Name As// insula, die Insel zwischen z'nachte. zwei Flussarmen, stammt aus dieser Zeit.

69 kamen? Wissenschaftliche Untersuchungen werden. Dies führte zur Errichtung der Felsen- von Frau Dr. H. Bosshart über Kopfmerkmale bürg ob dem Blausee und später zum Bau der und Körperbau der Einheimischen suchten die Teilenburg bei Frutigen. Auf diesen Burgen zweite Variante zu erhärten. Ebenfalls für eine flatterte einst der deutsche Adler. Die Überlie- friesische Besiedlung sprechen die Dialekte in ferung will wissen, dass sich die Frutiger in einigen Tälern des Oberlandes, die sich von einem Kriegszug so tapfer gezeigt hätten, dass den alemannischen Dialekten des Mittellandes ihnen der Kaiser erlaubt habe, fortan sein stark abheben. Haslea soll die Heimatstadt an eigenes Feldzeichen mit dem gekrönten Adler der Nordsee geheissen haben — Hasli heisst zu führen. eine Bäuert bei Frutigen, gleich wie die und Tellenburg sind heute Rui- Landschaft von Meiringen, das Oberhasli. nen. Weitere Burgruinen stehen «Uf Bürg» auf Wesensgleichheit und eine alte Freundschaft einem Grat zwischen zwei Wildbächen ober- verbinden noch heute das Oberhasli und das halb Frutigen, ferner bei Aris die Burgruine Frutigland. «Borris» und ob Reichenbach der Stammsitz der Edlen von Scharnachtal.

Wie Frnft'ge« zn seiner Fa/zne torn Frei/zerre« von Frnf/gen? Die Landschaft Frutigen gehörte im 6. Jahr- hundert mit der heutigen deutsch sprechenden Ob es sie gegeben hat ist ungewiss. Hinge- Schweiz zum Frankenland, später zum König- gen sind bezeugt die Freiherren von Kien, die reich Burgund und vom Jahr 1032 an zum Edlen von Scharnachtal und das Geschlecht deutschen Reich. Streitigkeiten der Herzöge der «von Mülinen». Die Tellenburg verwaltete von Zähringen mit den Bischöfen von Sitten am Ende des 13. Jahrhunderts der Edelknecht und Lausanne führten zu kriegerischen Einfäl- Walter von Ried. Dieser besass auch private len über die Alpenpässe. Der Lötschenpass Grundstücke. Namen seiner Pächter sind uns und die «Alte Gemmi» mussten geschützt bekannt wie: Johann ab Rütinen, Ulrich zum Ofen, Konrad Grizzo, Judenta Blasis, Mauri- tius, Johann Spielmann, Johann in dem Bach und der Schneider Tolfi. Die Gemeinde Fruti- gen (universitas ac com- munitas hominum vallis de Frutingen) wird erst- mais im Jahre 1260 er- wähnt. Eine Abordnung, an deren Spitze Peter von Frutingen stand, be- schwor damals namens der Talgemeinde einen Vertrag mit dem Frei- herrn Heinrich von Kien.

Landessiegel von Frutigen

70 F/'ûTMertgM?

Am Ende des 13. Jahrhunderts gehörten Frutigen und die Tel- lenburg der Familie von Wädenswil in . Land und Burgen kamen im Jahr 1302 durch Heirat an den Freiherrn Johann von Turm zu Raron und Gestelen im Wallis. Das unstete Leben des letz- ten Burgherrn Anton von Turm deutet der im Volksmund überlieferte Spruch an: «Antoni zum Türe cha nüt wa frässe u surre!» Die Sust in Kanderbrück. Ihre stolze Jahrzahl 1111 ist leider einst übertüncht worden.

Von Frnrigens Frez/zezV Aüf/er Mwfz

Wegen «grosser und schwärer mich in diser Das alte Landrecht wurde den Frutigern sei- sach tragender schulden» verkaufte im Jahr tens der Stadt Bern bestätigt und verbrieft. 1400 Freiherr Anton von Turm das Frutigland Ferner wählten die Frutiger weiterhin einen samt den Burgen «Fels» und «Tälen» an die Landsvenner, einen Landschreiber, ihre Ge- freie Stadt Bern. Eine ungewöhnliche Erschei- richtssässen und weitere Amtspersonen. Auf nung ist, dass die Frutiger den Kaufpreis von der Teilenburg leiteten nun die Kastellane 6200 Goldgulden, den die Berner dem Anton Berns die Geschicke Frutigens. Oft sassen von Turm bezahlten, selber aus eigenen Mit- ältere, verdiente Offiziere als «Tschachtlane» teln im Lauf von sieben Jahren der Stadt Bern auf dem Schloss, welches recht stattlich aus- zurückerstatteten. Der Frutiger Gläwi Stoller gebaut wurde. Zuweilen waren es junge zu- singt in seinem mittelalterlichen Fasnachtslied künftige Ratsherren, die sich ihre Ecken in der unter anderem: ländlichen Verwaltung abzuschleifen hatten. Der Reformation waren die Frutiger nicht «Noch eines will ich sagen, hold. Verärgert und verängstigt verreisten Dass die Frutigerland die ersten reformierten Prädikanten. Unter In mehr als sieben Jahren Glockengeläute zog ein Priester, den man aus Kein Rind gemetzget hand. Unterwaiden geholt hatte, in Frutigen ein. Doch kurz darauf wurden die Altäre wegge- Dass sie das Geld niederleiten, schafft und der neue Glaube setzte sich durch. Der Obrigkeit es z'gän, An einem heissen Heuertag im Sommer Von wegen der Freiheiten, 1726 verbrannte ein Teil des Dorfes samt der Darum ist diess geschehn.» Kirche. Die Glocken stürzten in den Turm und

71 schmolzen. Die wiederaufgebaute Kirche steht Gefängnis und später als Armenhaus. An in ihrer Gestalt und in ihren Ausmassen noch einem Markttag im Herbst 1885 ging sie in heute. Damals widmete sich der Grossteil der Flammen auf, vermutlich verursacht durch Bevölkerung der Bewirtschaftung und Nut- zwei «tubakende» Insassen. Heute ist die zung des Bodens als Bergbauern und Vieh- Ruine ein beliebter Aussichtspunkt. Züchter. Andere pflegten als Händler und Säu- mer einen lebhaften Handel und Verkehr mit dem Wallis und dem Gebiet des Thunersees. Der grosse Dor/branr/

Am Nachmittag des 3. August 1827 schlu- Der Übergang gen Flammen aus dem Dach des Hauses von Ratsherr Schneider in der Mitte des Dorfes. Die Truppen der Landschaft Frutigen Die klingeldürren Schindeldächer der Häuser kämpften 1798 bei Neuenegg tapfer gegen den ringsum fingen Feuer, und in kurzer Zeit Einmarsch der Franzosen. Unter dem Donner brannte es im ganzen Dorf. Die Feuerwehr der Kanonen halfen sie die «Rothosen» war überfordert. Die Nachbargemeinden sand- zurückschlagen - da brachte ein Reiter die ten Spritzen und Helfer - ja sogar die Feuer- böse Kunde: «Bärn ischt über.» Im Grauholz wehr von Beatenberg-Merligen verlud ihre hatte der Feind gesiegt. Enttäuscht kehrten die Spritze auf ein Schiff und eilte nach Frutigen. Frutiger heim — ihre Fahne wies ein Loch von Gegen Abend stellte man fest, dass die einer Kanonenkugel auf. Wie in allen Städten Kirche, das Pfarrhaus, ein halbes Dutzend und Hauptorten erschienen die Franzosen auch Häuser und die neu gedeckte Holzbrücke über in Frutigen. Doch 1815 verschwanden sie wie- die Engstligen noch standen, dass aber 82 der. Aber der Ruf nach mehr politischen Rech- Häuser und 48 Scheunen in Schutt und Asche ten des Bürgers hallte im Volk weiter. Das lagen. Patriziat dankte ab. Der letzte Kastellan der Über 600 Obdachlose fanden Zuflucht in «gnädigen Herren» musste das Schloss räu- eigenen Weidhütten oder bei Leuten in der men. Die Tellenburg diente nun als Amtssitz, Umgebung. Die Berner Regierung sandte den ehemaligen angesehe- nen Tschachtlan Johann Ludwig Wurstemberger, 10 Jahre nach seinem Wegzug, als Kommissär nach Frutigen, um die Hilfe und den Wieder- aufbau zu leiten. Seiner weitsichtigen Planung verdankt das heutige Dorf die breit angeleg- ten Hauptstrassen. Zim- merleute aus dem Tirol richteten die Firsten auf. Feierabends und sonntags sangen sie in froher Runde ihre Lie- der, die hier noch heute im Volksmund weiter Die Teilenburg um 1790, nach einem Stich, gez. von O. Weber leben.

72 D/

Als 1831 das Bernervolk die neue Verfas- sung annahm, stimmte Frutigen dagegen. In der Gemeinde bekämpften sich Konservative (Schwarze) und Liberale (Weisse) noch jähre- lang. Auch heute noch nimmt Frutigens Bevölkerung regen Anteil am politischen Leben. Der Trend, kantonale und eidgenössi- sehe Vorlagen abzulehnen, aber blieb.

FVwri'gfMc/!

In der Zeit von 1780 bis um 1850 weideten an den Berghalden der langen Niesenkette bis zu 8500 Schafe, deren Wolle im Dorf zum lan- desweit bekannten «Frutigtuch» als Halblein, festem «Präss» und weicheren Tüchern verar- beitet wurde. Im Haus zur «Färb» wurde beim Meister Etwas Einzigartiges in der Bauernmalerei ist Schönfärber die Wolle hell oder dunkel die halboffene Tulpenknospe, «ds Frutigtülpi». indigoblau, andere schwarz oder mischelgrau (Foto W. Zeller, Zürich) eingefärbt. In der «Walchi» wurden die starren Tücher geklopft, gewalkt und auf diese Weise «Walchi». Auch der Ortsname «Schwerzi» verfeinert. Doch dann kamen fremde, farbige- deutet noch auf den Ort hin, wo schwarze re, leichtere, billigere Stoffe auf. Als Zeugen Tuchfarbe hergestellt wurde. stehen heute noch die Häuser «Färb» und

Zû«<7/?o/z/«dwsfne Z/gere In Frutigen errichtete Landseckelmeister Etwa 80 Liter Käsmilch erwellen. In 1 Friedrich Schneider 1850 die erste Zündholz- Liter Wasser l'A Esslöffel Essigessenz fabrik. Schon nach 15 Jahren werkten in 11 auflösen. Wenn die Käsmilch zu wallen Betrieben über 300 Arbeitskräfte. Im Jahr beginnt, so stösst man das Käskessi vom 1875 waren es 20 Betriebe in Frutigen, Kan- Feuer weg, und dann mischt man das derbrück und . Bergbauernfami- Essigwasser unter die Käsmilch. Die lien stellten in Heimarbeit die ovalen Holz- Käsmilch scheidet sich. Die Zigerflocken spanschachteln her; bis spät in die Nacht steigen auf. Mit einer Lochkelle den wurde «trücklet». Weil die Zündmasse Phos- Ziger in ein Kästuch schöpfen und phor und Salpeter enthielt, erkrankten in den abtropfen lassen. Wenn die Milch nicht Fabriken die Tunker und Füllerinnen an Phos- recht scheidet, das Kessi wieder über das phornekrose, welche das Gewebe an Nase, Feuer stossen - beobachten - wegziehen. Lippen und Kinn absterben liess. Endlich wurde eine phosphorfreie Zündmasse ent- Zuviel Essig der Ziger wird zähe. wickelt! Auch die überall entzündbaren Zuviel Hitze der Ziger wird zähe. Schwefelhölzchen wurden allmählich durch die heutigen Sicherheitszündhölzchen ersetzt.

73 Sc/n'e/erfa/e/n n/?<7 Ko/î/e weisen sie eine Mächtigkeit bis 5 m auf. Dort wurden sie ausgebeutet. Der Rohschiefer fuhr Durch die Niesenkette, auf der westlichen auf Drahtseilbahnen an die Talstrasse und von Seite des Engstligentals vom Gsür schräg dort zur weiteren Verarbeitung in die Schiefer- abfallend bis nach Reichenbach, ziehen sich tafelfabrik nach Frutigen. Die Schieferstollen zwei Schieferschichten. An einigen Stellen führen, ähnlich wie in den Kohlebergwerken,

Vor 750 /o/?re«

Einen grossen Teil des Zigers, den man Statterbüblein (Gehilfe): «Woscht Spys herstellte, salzte man ziemlich stark und (Magerkäse), oder a d'Sunna ga lige?» räucherte ihn etwa 3 Wochen lang. So «Eppa Spys», antwortet das Statterli. Der schrumpfte er und trocknete. Er blieb Senn fragt zum zweitenmal, schon lauter: dadurch haltbar bis in den Winter hinein. «Woscht Spys oder a d'Sunna ga lige?» Diesen Ziger nannte man Nachscheid. Man Schon zaghaft das Büblein: «Spysi.» Da ass ihn zu Hafermus oder Kartoffeln. Den herrscht der Gythund den Kleinen an: «Ig Bergkäse mussten viele Leute zum grössten frage, ob Du Spys wellischt, oder a d'Sunna Teil verkaufen, um etwas Geld zu bekom- ga lige?» Das Büblein schliesslich weinend: men. So blieben ihnen fast nur die «Nach- «A d'Sunna ga lige.» schiideni». Der geizige Mann zum Tagwanner beim Das Brot war damals sehr teuer. Es sah so Zvieri, nachdem dieser mageren Mutsch aus wie heute die Walliser Roggenbrote. Ein gegessen hatte und nun vom würzigen, alten Küher erzählte, dass sie bei der Alp-Auf- Bergkäse abhauen wollte: «Hau dig net! Lah fahrt ein Brot mitgenommen hätten. An ne lieber sii.» einigen Sonn-Tagen habe er etwas davon Man ass morgens etwa um halb sieben «gschläcket» und den Rest bei der Alp- Uhr z'Nüechtere, dann um 10 Uhr als Abfahrt noch in die Vorweide zurückgenom- Hauptmahlzeit z'Morge, später nach dem men. Käsen kurz etwas z'Zaabe und nach dem Man sparte mit dem Brot, weil es teuer Melken noch z'Nacht. war. Den Kindern gab man an, viel Brot zu Wenn man einen Ziger herstellte, so gab essen sei ungesund. Aus dieser Zeit stammt man ins Suufgebsli heisse Käsmilch, goss der Spruch: Vollmilch dazu und legte einige Brocken «Der Ziger ischt mi Schwiger! frischen Ziger in die Milch. Das War für Der lind Chees schleäht mig nider, viele Bergler der beste Schmaus: die Ziger- der trochche hilft mer em uff, milch. der Brötel git en grossa Buuch!» «Die erste Hütte mir gottwilch, Ein alter Mann sagte, er habe in seinem wo ich bekomm ne Zigermilch!» Leben nie etwas Unnützes gekauft «wan Als ich in den Sommern 1927-1935 Stat- esmal es Pfund Zucker». Ein anderer klagte: terbub war, kam hin und wieder ein Napf «Di junge Lüüt, si huse nüüt! Wärche tete si mit dicker Nidel auf den Tisch. Manchmal nug, aber si huse nüüt. Oh, we du wüsstischt röstete dann mein Grossvater ob der Feuers- wie-n-ig albe gwärchet u ghuset ha -! U glut eine brave Brotschnitte, zerteilte sie in pätscha Chrüschbrii gfrässe.» Bröcklein, gab diese in die Nidel und wir Manche armen Leute assen am Sonntag hatten «Nidla u beiits (gebähtes) Brot!» Das nur zweimal. Der geizige Senn fragte sein mundete herrlich.

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Die Wappen der zwanzig Kantone Zürich Luzern und sechs 1351 1332 Halbkantone

Schwyz Obwalden 1291 1291

Glarus Freiburg Solothurn 1352 1352 1481 1481

Basel-Stadt Basel-Landschaft Schaffhausen Appenzell AR Appenzell IR 1501 1501 1501 1513 1513

St. Gallen Aargau Thurgau 1803 1803 1803 LE1EETE ET

Waadt Neuenburg 1803 1815 den Flözen entlang bis 200 m in den Berg hin- ein. Heute wird nur noch für Cheminées, Tischplatten und Jasstafeln etwas Schiefer gewonnen. Während des Krieges 1939-1945 wurde hoch oben an der Schlafegg und am Elsighorn Kohle gefördert. Zur gleichen Zeit und bis in die fünfziger Jahre florierten im Dorf die Uhrstein-Bohrereien, Perçage und Gran- dissage.

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Frutigen liegt an der internationalen Linie Bern—Lötschberg-Simplon (BLS). Kander- steg, Spiez und die Städte Thun, Bern und Brig sind leicht erreichbar. Zurzeit wird am Sondierstollen für einen künftigen Basistunnel Frutigen-Gampel im Rahmen der geplanten NEAT gebaut. Der grösste Teil des Autoverkehrs, der sich früher an den Wochenenden durch das Dorf quälte, huscht heute auf der Umfahrungsstras- se taleinwärts. Eine leistungsfähige Buslinie führt durch das Engstligental über Achseten in Maria Lauber, Frutigens Heimatdichterin und den bekannten Fremdenort Adelboden. Ehrenbürgerin, in der Frutig-Sonntagstracht mit dem Frutigen wird als Ferienort mit Hotels, Fe- goffrierten Vorplätz rienwohnungen, Sportzentrum, Hallenbad, Wanderwegen und seinem Skigebiet Eisigen- Aus den üblichen Gewerben und Geschäf- Metschalp immer bekannter und beliebter. ten stechen die auf den Bau von prächtigen Auch an echten Frutig-Andenken zum Mitneh- Chalets spezialisierten Zimmereien heraus. men fehlt es nicht, denn die einstige Fertigkeit Sogar in Amerika durften sie Heimweh- in der Herstellung von Holzspanschächtelchen Schweizern die vertrauten heimatlichen Häu- für die Zündhölzer ist nicht ganz erloschen. ser aufrichten! Heute werden in einer Werkstatt mit ange- Firmen der Hydrotechnik, Hydraulik, Auf- schlossener Boutique Holzspanschachteln in bereitungs- und Umwelttechnik, Elektronik, verschiedenen Grössen fabriziert. In Heimar- Heiztechnik, der Fabrikation von Sicherheits- beit werden sie stilgerecht kunstvoll bemalt, schlossern u.a. bieten Arbeit und Verdienst. und sie dienen dann als Zierde in einer Woh- Dennoch fahren Einwohner, die seit langen nung sowie als Behältnis für Kostbarkeiten. Jahren auswärts in Wimmis, Spiez, Thun, Ferner stellt ein Bergbauer in der stillen Zeit Bern Arbeit fanden, weiterhin an ihre dortigen aus verschieden naturfarbenen Hölzern exakt Plätze. Umgekehrt leben in Frutigen viele gefügte «Grübelnüsse» her. Da heisst es grü- Zugewanderte. beln, um so eine Nuss zu zerlegen - und noch Diverse Klubs für Fussball, Volleyball, Ten- mehr, um sie wieder zusammenzusetzen! nis, Schwimmen, Schwingen, Bergsteigen, Auch diese handwerklich sauberen Stücke Skifahren und Schach sowie der Turnverein, sind ein Schmuck in jedem Haus. die schmucke Jugendmusik und weitere bieten

75 Herzlich willkommen in Frutigen!

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76 vorab der Jugend reichliche Gelegenheiten, ihre Freizeit zu gestalten und Anschluss zu finden. Neben dem 1995 eingeweihten Schul- Zentrum auf dem Wydi ist zusätzlich eine Vor gut 100 Jahren kochte man oft die dünne Schotte nach dem grosse Turnhalle geplant. grünliche, Eine seit 1896 bestehende Wasserversor- Zigern noch weiter, oft bis tief in die gungs-Genossenschaft versieht das Dorf und Nacht hinein, bis die Schotte verdampft die Umgebung günstig und ohne Wasseruhren war und nur noch ein klebriger süsser mit dem unentbehrlichen, köstlichen Nass. Brei zurückblieb. Diesen Brei brachte Zugleich speist sie das weitverzweigte man in eine Sammelstelle (in Frutigen in Hydrantennetz für den Feuerschutz. Ausgerü- Ratsherre Schneiders Laden) und bekam stet mit topmodernen Geräten und Fahrzeu- dort etwas Geld oder Zucker zurück. gen, ist via telefonische Ringschaltung der Pikettzug der Feuerwehr rasch zur Stelle. Seit jeher ist das zentral gelegene Dorf ein märkte wurde beschränkt. Dafür findet jeweils weithin bekannter Marktplatz. Die früher im Oktober der «Grosse Frutigmärit» mit über berühmten Zuchtviehmärkte sind durch 200 Verkaufsständen als wahres Volksfest Schlachtviehmärkte ersetzt. Bis über 400 statt. Tiere werden jeweils aufgeführt, gewogen, Mit den Einheimischen, den Zugezogenen, eingeschätzt und in einem Steigerungsverfah- den Feriengästen, Saisonarbeitern und Asy- ren dem Höchstbietenden, meist einem Ein- lanten wohnt im Dorf ein recht gemischtes, käufer von Grossmästereien oder Metzgereien lebhaftes Völklein. Doch rings um das Dorf, zugeschlagen. Der Handel mit Zuchtvieh wird zum Teil weit abgelegen auf den Bäuerten heute zum grossen Teil durch Viehhändler im Engstligtal, wohnen seit alters die heimat- oder von Bauer zu Bauer direkt abgewickelt. verwurzelten Bergbauern. Sie sind wie die Doch mit berechtigtem Stolz führen die Vieh- Dauben am Fass und halten das Ganze zusam- Züchter im Herbst ihre schönsten Tiere zur Be- men. urteilung, Punktierung und Schau in die weite Markthalle auf dem Marktplatz. Einst waren es die für Milch und Fleisch qualitativ hoch- stehenden «Frutigfal- ben». Diese Rasse ging auf im meist rotge- scheckten Simmentaler oder Schweizer Fleck- vieh, welches heute durch eingekreuzte Red Holsteiner zu hoher Milchleistung forciert wird. Die Viehzucht hat in Frutigen einen weit im Land herum beach- teten hohen Stand! Die Anzahl der früher häufigen Waren- Das Bergkirchlein von Achseten im Engstligental, erbaut 1938

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