ACL 0420 Classics the Damsels of Design 924567.Indd
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CLASSICS Damsels of Design Aufgrund ihres Talents und weil sie „eher auftrat wie Humphrey Bogart als Ingrid Bergmann“ nimmt Harley Earl 1942/43 Helene Rother unter Vertrag Marjorie Ford bringt frische Farbe ins GM-Design: Ihr 1958 Buick Special Convertible „Tampico“ erstrahlt im Alabaster-Farbton mit Akzenten in Flamingo Orange Frau auf der Karriereleiter? Jeanette Krebs, bald Ehefrau des späteren Porsche-Chefdesigners Anatole Lapine, posiert mit Kolleginnen. Im Hintergrund (Mtte) BABES IN Gere Kavanaugh, Ausstatterin der „Female Auto Shows“ Concept Car LeSabre, das sie zuvor Ab den 1950er Jahre werden Farb- höchstselbst durch die staunende Men- ge chauffiert hatte. Dabei ist es gerade und Formgebung von Automobilen endgültig BOYZONE einmal zehn Jahre her, dass die gebür- tige Leipzigerin Helene Anne Rother- zum Motor des Absatzes Ackerknecht über Frankreich und Nord- Kein Objekt der Begierde bietet derart viele Mög- s muss ein unbeschreibliches afrika knapp der Verfolgung durch die Gefühl gewesen sein für He- Nationalsozialisten in die USA entkom- lichkeiten des Designs wie das Automobil. Eine lene Rother. Vielleicht das des men war. Erst nach New York, dann ins schmack und die Vorlieben von Frauen 1930er Jahre im Pariser Exil einen Namen stillen Triumphs, vielleicht Autobauer-Zentrum Detroit. Jetzt die zu Eigen machen. Und wenn sie schon als Designerin von Schmuck sowie als tradierte Männerdomäne – oder? Zumindest bei das der Verwunderung, heute Rückkehr – als umschwärmte Künstle- keine Damen in ihren Designstudios Kinderbuchautorin und -illustratorin ge- Interieur, Details und Farbwahl durften bei GM ab tatsächlich hier zu sein. Von rin, vor allem aber als erste Frau, die anstellen wollen, dann sollten sie sie in macht. Das von ihr gegründete Studio Ehier, hoch oben auf der Empore des vor- seit 1942 maßgeblich die Interieurs vie- den Vorstand berufen. Hier bedarf es Contempora besitzt schnell einen Namen. den 1950er Jahren Damen kreative Hand anlegen – nehm eingedeckten Restaurants, das ler GM-Modelle mitgestaltet. an Frauen, die klug genug sind, die Be- Lange vor ihrem Engagement für den über die brodelnden Messestände des deutung von Farben, Materialien, amerikanischen Automobilgiganten GM weil ein Mann namens Harley Earl es so wollte. Pariser Automobilsalons 1951 hinaus FRAUEN – UND AUTOS? Männern, Trends, Herstellungsmethoden, Holz- ist Helene Rother eine der talentiertesten ragt, hat die distinguierte Designerin denen es bei diesem Gedanken spöt- und Metall-Finish zu erkennen. Das sind Künstlerinnen und Designerinnen ihrer Geboren war die Legende der „Damsels of Design“, den besten Überblick. tisch die Augenbrauen in die Höhe zieht, ureigenen Potenziale!“ Generation. allesamt starke, innovative Charaktere. Doch was Rother, eine Fotos und Zeitzeugen lässt Helene Rother bereits seinerzeit Die Ex-Frau eines gesuchten Trotzkis- 1941 glücklich in New York gelandet, nach elegante Erscheinung von intel- die Gesichtszüge wie aus tiefgezogenem ten, die mit ihrer damals siebenjährigen zeichnet sie für Marvel Comics den Cha- lief wirklich hinter den pastellbunten Kulissen...? lektueller Brillianz, lässt ihre Augen Blech erstarren. Sie haut Ihnen Sätze Tochter erst aus Deutschland, dann nach rakter Jupiter Jones, 1942 bewirbt sie schweifen. Hinüber zum Stand von Ge- um die Ohren, die so klingen: „Automo- Frankreich und von Nordafrika aus in sich auf eine in der New York Times aus- TEXT Knut Simon – FOTOS Archiv neral Motors und zum dort umringten bilbauer sollten sich viel mehr den Ge- die USA flieht, hat sich bereits Ende der geschriebene Stelle als Designerin bei 32 AMERICAN CLASSICS — 4/2020 4/2020 — AMERICAN CLASSICS 33 Damsels of Design CLASSICS GM in Detroit. Weil sie, wie ihre Tochter Ina sagt, Sandra Longyear entwirft „für gewöhnlich eher auftrat wie Humphrey Bogart innovative Komfort- als wie Ingrid Bergmann“, kriegt sie den Job und Details wie die wird die erste Frau im GM-Auto-Design. Und schließ- Picknick-Box zwischen lich sogar enge Freundin des patriarchalischen den Vordersitzen Harley Earl, der als Vice President of Styling bei GM inklusive farblich die Puppen tanzen lässt – im Wortsinn. abgestimmter Earl, im Jahr 1927 bei GM als Boss der von ihm Thermoskanne. Ihr begründeten Abteilung Colour and Trim angetreten eigenes Design-Studio und mittlerweile ein Halbgott im Business-Anzug, wird 40 Jahre lang hat den gleichen Riecher für Trends wie Rother. erfolgreich sein Schon früh propagiert er Design (und dessen regel- mäßige Wechsel) als fabelhaften Motor für Kaufan- reiz und Konsum. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die zivile Autoproduktion in den USA zunächst noch etwas rumpelig wieder an den Start geht (Vorkriegs- modelle, zeitweise mit äußerst miserabler Ferti- gungsqualität), macht Harley Earl den entscheiden- den Schritt: 1946 lässt er zunächst die Cadillac Series 61 und 62 von der Plattform bis hin zur Ka- rosserie erneuern, die erstmals kleine Heckfl ossen- Bürzel aufweisen. Damit beginnt das magische Jahrzehnt, in dem der überwiegend rustikale Ge- brauchsgegenstand Automobil zum chromstrotzen- den, von Heckfl ossen- und Jet-Ornamentik überla- dendem Komfort-Giganten wächst. Zum Must-Ha- ve einer erstarkenden Käuferschicht, in der Frauen Margaret Elizabeth Sauer im zunehmend Kaufentscheidungen treffen. Besonders von ihr kindgerecht kreierten beim Familienauto, das zur repräsentativen Exten- Oldsmobile Ninety Eight Holiday sion of Home in den Driveways wird. „Mona Lisa“. 1963 wechselt sie von GM zum Avanti-Team von HELENE ROTHERS VERDIENST ist es, als Frau Star-Designer Raymond Loewy im GM-Interior-Styling den Muff und die Simplizität der GM-Vorkriegsmodelle in Richtung Eleganz und Einmaligkeit verändert zu haben. Die Interieurs von Buick, Chevrolet, Cadillac, Oldsmobile und Pontiac werden zu begehrten Eyecatchern. Und Rother erhält dafür mit 600 Dollar im Monat das seinerzeit Dreifache des üblichen Tarifs – eines männlichen Kollegen! Das wird genauso geheim gehalten wie ihre Anstellung selbst: GM-intern traut man dem Frieden nicht, sondern befürchtet Image-Schäden. Eine Frau an solch hoher Position in einer Männer- Domäne! Und was, wenn das schief ginge, die Frau versagte? Dann stünde man blamiert da, als nur kurzfristig ach so progressiver Arbeitgeber... Anyway, back to the cars: Rother bestimmt nicht Jeanette Linders Textil-Designs nur die Materialwahl der dicken Teppiche und des sollten zum Maßstab für die hochwertigen Leders, sondern entwirft gleich das Chevrolet-Interieurs vieler komplette Innenleben des 1947er Cadillacs, inklu- Jahre werden. Hier posiert sie sive Armaturenbrett mit Kombiinstrument, Radio- Eleganz und gefühlte mit farblich abgestimmter platzierung, Uhreinfassung und Zierrat im Art- Auskleidung und Koff ersets Déco-Stil. Zwei Ausstattungsvarianten stehen zur Einmaligkeit ersetzen Muff neben ihrem 1958er-Showcar, Wahl und verkaufen sich vom Start weg blendend. dem Impala Cabriolet Earl kann sich freuen, aber nicht lange, denn schon und Simplizität. Die Interieurs „Martinique“ 1947 entschwindet ihm Rother zum Hersteller Nash, der fortan seine Autos außen von Battista Pininfa- von Buick, Chevrolet, Cadillac, rina und innen von einer weiteren, mittlerweile berühmten Marke schneidern lässt: von Madame Oldsmobile und Pontiac werden Hélene Rother of Paris. zu Eyecatchern Ruth Glennie ist ein Universaltalent: Sie entwirft für ihr Showcar Corvette „Fancy FRAU ROTHER-ACKERKNECHT aus Leipzig ist Free“ nicht nur Farbkonzept und saisonal jetzt wer, residiert im 16. Stock des Detroiter Fisher austauschbare Bezüge, sondern auch Buildings von Star-Architekt Albert Kahn und wird pneumatisch betätigte Sicherheitsgurte 34 AMERICAN CLASSICS — 4/2020 4/2020 — AMERICAN CLASSICS 35 Damsels of Design CLASSICS bis zu ihrem Tod 1999 ebenso rastlos Harley Earl dort als Vice President of der damals eine Professur an der Uni- designen, wie sie privat Autos in Total- Design fungiert. Dennoch haben sicher- versity of Michigan innehat und das Statt Benzin Chanel im Blut, schäden verwandelt und Tickets für lich nicht wenige der „Damsels“ den New Technical Center inklusive Floating zeigen die Damsels of Design, dessen Ursache, zu schnelles Fahren, Eindruck, den MaryEllen Green offen Staircase und Design Dome für GM ent- sammelt. ausspricht: „Ich hatte das Gefühl, als wirft. Ironischerweise ist es Loring, die was sie können. Die „Feminine Es ist Harley Earl, der auch nach Ro- eine Art ‚Alibi-Funktion‘ eingestellt den eitlen Wunsch von Earl-Nachfolger thers Demission den Weg der weiblichen worden zu sein. Zusätzlich hat mir wohl Bill Mitchell nach einem besonders re- Auto Shows“ im GM-Design Dome Kreativität nicht verlässt. 1950 stellt er mein automobiler Hintergrund gehol- präsentativen, unverwechselbar gestal- werden zur Demonstration MaryEllen Green und bis 1957 weitere fen“, so die Tochter eines findigen Aus- teten Schreibtisch entwirft. Ob Mitchell, Damen im GM-Design an, sämtlich In- tin- und Renault-Importeurs, die seit der maßgeblich das Ende der Damsels- feinsinniger und intelligenter dustriedesign-Absolventinnen des so Kindheitstagen alles bewundert, was Ära bei GM beschleunigt, je davon er- renommierten wie kostspieligen Pratt- sich drehende Räder besitzt. fahren hat, steht in den Sternen. Als Features Institutes in New York. Aber zunächst nimmt die Frauen- Loring klar wird, dass ihre Möglichkei- 1951 kehrt Rother für das erwähnte Power bei GM Fahrt auf: Earl fordert ten bei GM begrenzt sind, verlässt sie Gastspiel in Sachen LeSabre-Concept Green auf, für offizielle Pressefotos ne- den Konzern. Car zu GM zurück,