Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. | Ausgabe 2/2012 | Verkaufspreis 4,50 EuroEuro

SStörchetörche undund KolkrabenKolkraben inin WildparksWildparks PPraxisraxis ccontraontra BBehördenentscheidehördenentscheid

EExx ssitu-Erhaltungitu-Erhaltung vonvon HirschpopulationenHirschpopulationen EEineine AAufgabeufgabe fürfür WildparksWildparks

SSerie:erie: EEinin vorbildlichesvorbildliches GGehegeehege HHaltungaltung vvonon WildeselnWildeseln - DerDer PersischePersische OOnagernager iinn eeuropäischenuropäischen ZZoosoos DDieie HHaltungaltung vvonon KKaltblutpferdenaltblutpferden iimm TTiergarteniergarten WWormsorms 2 Editorial / Impressum

Editorial Impressum 02/12

Liebe Leserinnen und Leser, Aber auch Erfolge fi nden in unserer ak- Herausgeber: liebe Mitglieder unserer Verbände, tuellen WildTierZeit Beachtung, und dies Deutscher-Wildgehege-Verband e.V. „Alles Glück dieser Erde liegt auf dem jeweils aus zweierlei Gründen: Dank un- Geschäftsstelle im Tierpark Sababurg Rücken der Pferde“. Dieser Leitsatz serer Zucht- und Haltungsbemühungen Sababurg 1 eines jeden Pferdenarren hat auch für entwickeln sich die Bestände von Kolk- 34369 Hofgeismar-Sababurg die Equidenhaltung eine tiefgreifende rabe und Weißstorch auch in freier Wild- Telefon (0 56 71) 76 64 99 - 11 Bedeutung. Pferdeartige sind Step- bahn wieder positiv. Andererseits bele- Telefax (0 56 71) 76 64 99 - 99 penbewohner mit einem ausgeprägten gen die Beispiele, wie gemeinsam auch [email protected] Flucht- und Sozialverhalten. Das stellt erfolgreich gegen widersprüchliche Be- www.wildgehege-verband.de besondere Ansprüche an ihre Haltung. hördeninterventionen vorgegangen wer- Das Leben einer sozialisierten Herde auf den kann. Wie ein Leitfaden zieht sich Bankverbindung entsprechend großzügiger Gehegean- dabei das Thema Populationsmanage- Kasseler Sparkasse lage kann nur durch aktive Pfl ege und ment durch unsere Gehege, denn auch Konto 100 100 127 · BLZ 520 503 53 Bewegungsunterstützung durch den hier besteht im Konsens mit den zustän- Menschen kompensiert werden. Somit digen Behörden enormer Handlungsbe- Der Vorstand erheben vorbildliche Gehege einen be- darf, wie die Ergebnisse zum Wolfsma- Vorsitzender: Eckhard Wiesenthal sonders hohen Anspruch an ihre Haltung nagement der Masterarbeit von Holger Stellvertreter: Dr. Wolfgang Fröhlich von Einhufern, wie wenigstens ansatz- von Elling belegen. Geschäftsführer: Karl Görnhardt weise in unseren beiden Leitartikeln aus Hagenbecks Tierpark mit den Wildeseln Mit Stolz kann der DWV mittlerweile auf Redaktion: oder dem Tiergarten Worms mit seinen die Ergebnisse der Umweltbildungsof- Eckhard Wiesenthal, Karl Görnhardt Kaltblutpferden, deutlich wird. fensive zurückblicken. Das Team um Dr. Gemeinsam ist ihnen aber auch, dass Lars Wohlers, Götz Hendricks, Dr. Wolf- Satz & Layout: zahlreiche Wildequiden und alte Haus- gang Fröhlich und Karl Görnhardt hat mit NEW IMAGINE Werbung GmbH, Kassel pferdrassen immer seltener werden. Sie Erreichen der 3. Ausbildungsstufe, zu Telefon (05 61) 4 50 67 - 40 benötigen tierhalterische Unterstützung, der sich nun schon acht tiergärtnerische Telefax (05 61) 4 50 67 - 44 die konzeptionell nicht nur in der Gehe- Institutionen angemeldet haben, einen Internet http://www.new-imagine.de geplanung sondern in Besonderem auch ersten Meilenstein erreicht. Es gilt umso in personeller Hinsicht höchste Beach- mehr Flagge zu zeigen und diese Qualität Druck tung fi nden muss. noch stärker in der Öffentlichkeit zu be- Color Druck GmbH, Holzminden Zoos, Tier- und Wildparks, als Gen-Re- werben. Wie dies aussehen kann, zeigt Telefon (0 55 31) 93 20 - 0 servate bedrohter Tierarten, werden zu- eindrucksvoll der Wildpark Eekholt, der Internet http://www.color-druck.net künftig auch dieser Aufgabe eine noch in diesem Jahr den B.A.U.M.-Umwelt- höhere Bedeutung beimessen müssen. preis von Umweltminister Peter Altmaier Die mit Namen oder einem Signum ge- Kaum anders kann das Fazit der beiden und Bundespräsident Joachim Gauck kennzeichneten Beiträge geben nicht un- Beiträge von Dr. Peter Dollinger zu den verliehen bekam. Im Namen des Deut- bedingt die Meinung der Redaktion wieder. Cerviden der Welt und Thomas Hennig schen-Wildgehege-Verbandes möchte Für unverlangt eingereichte Manuskripte, zum Wisent lauten. In Zeiten einer im- ich auf diesem Wege allen Eekholtern um Fotos oder sonstige Druckvorlagen wird mer wichtiger werdenden wirtschaftli- Frau Theda Hatlapa und Herrn Wolf-Gun- keine Gewähr übernommen. Die Redakti- chen Betrachtungsweise unserer Unter- thram Frhr. von Schenck die herzlichsten on behält sich vor, Beiträge zu streichen, nehmen sicher keine einfache Aufgabe. Glückwünsche übermitteln. zu kürzen oder zu überarbeiten. Darum wird sich das Seminar des DWV 2013 genau dieser Aufgabe widmen: Allen Autoren herzlichen Dank für Ihre WildTierZeit, die Fachzeitschrift des „Wieviel Tier ist unser Markt wert?“ Kön- Beiträge, allen Inserenten ebenso herz- Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. nen wir auch die unscheinbareren Tier- lichen Dank für Ihre Anzeigen, ohne die erscheint zweimal im Jahr. arten langfristig erhalten? Ansätze gibt wir nicht in der Lage wären, unsere In- es genug, eine effektive Umsetzung ist halte zu publizieren und Ihnen, liebe Le- Die Zeitschrift und alle ihre enthaltenen sicher noch diskussionswürdig. serinnen und Leser, Dank für Ihr Interes- Beiträge und Abbildungen sind urheber- Beiträge zur bestmöglichen Präsentation se und viel Spaß beim Lesen. rechtlich geschützt. Der Vorstand zeich- gerade auch unscheinbarerer Tierarten net sich für den Inhalt verantwortlich. liefern Joke Klein, leidenschaftlicher und Mit allen guten Wünschen zum Jahres- ambitionierter Zoo-Architekturstudent, ende verbleibe ich herzlichst Ihr und Euer Titelbild: Eckhard Wiesenthal und Kai Hammerschmidt der Fa. KaGo Eckhard Wiesenthal "Koniks im Naturschutzgebiet Hammerschmidt GmbH. Ilkerbruch Wolfsburg" Inhaltsverzeichnis 3

Inhaltsverzeichnis Ausblick

In der kommenden Ausgabe unserer Wild- 02 Editorial 36 Sachkundelehrgang TierZeit erwarten Sie wieder eine Vielzahl Distanzimmobilisation interessanter und aufschlußreicher Artikel zu folgenden Themen: 34 Qualifi zierungsoffensive Umweltbildung des DWV auf der Zielgeraden! Das neue Säugetiergutachten: Ergebnisse, Stellungnahmen und Bemerkungen

Marketing: Wieviel Tier ist un- ser Markt wert?

Serie: Ein vorbildliches Gehege - Im Focus kleiner Tiere: Von Ratten, Hamstern & Co

SSerie:erie: EEinin vorbildlichesvorbildliches Gehege...Gehege...

19 Haltung von Wildeseln: 22 Die Haltung von Kaltblut- Der Persische Onager in pferden im Tiergarten europäischen Zoos

24 Kolkrabenhaltung in 26 Storchenhaltung im Wildparks Wildpark Freisen

Tierbörse: In letzer Minute aufgegeben!

3 Europäische Luchse (Lynx lynx) abzugeben. 08 Ex situ-Erhaltung von 16 Quo vadis Wisent? - Hirschpopulationen - Eine Artenschutz oder Unsere Luchsmädels sind 06/2012 Aufgabe für Wildparks Museumshaltung? geboren, gechipt, geimpft und re- gelmäßig entwurmt. Desweiteren sind sie von kleinauf 31 Große Freude im Wildpark 32 Was interessiert Zoo- und an Schaufütterungen gewöhnt. Eekholt: Wildpark Eek- Wildpark-Gäste? holt erhält renommierten Wildpark Schloß Tambach B.A.U.M.-Umweltpreis! Frau Hornung / Frau Seifferth 37 Erhebung zum Populati- Schloßallee 3 onsmanagement und zur 96479 Weitramsdorf 39 Neue Chancen für Wildge- Haltung von Wölfen in Zoos hege: Ruinen als attrak- Telefon (01 72) 8 88 08 78 tiver Lebensraum [email protected] 04 Gebäudetypologie in [email protected] Tiergärten

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 4 Gebäudetypologie in Tiergärten

Das, als Scheune konstruierte Marderhaus im Heimattierpark Olderdissen.

Gebäudetypologie in Tiergärten

Das Erscheinungsbild von Gebäuden in zoologischen Einrichtungen hat sich in dem letzten Jahrzehnt entscheidend, zum Teil einschneidend, verändert. Viele der einfachen Holzbauten, in dunkelbrauner „Grillhüttenmanier“, wurden inzwischen durch an- sprechendere Bauwerke ersetzt. Mit dem Anspruch, das Gebäude als ein betretbares, überdachtes Bauwerk auf eine ange- messene Art und Weise zu inszenieren, entstanden neue Trends. Bei einer genaueren Betrachtung lassen sich verschiedene Gestaltungsmerkmale und Typologien erkennen, die im Folgenden vorgestellt werden sollen. Es gilt anzumerken, dass bei der vorliegenden Betrachtung sowohl die Tierhaltung als auch die Funktionalität der Bauten nicht mit einbezogen werden. Vielmehr geht es darum, einen Einblick in die architektonische Vielfalt unserer Einrichtungen zu gewähren.

Das Haus im Wild- und Tierpark ist in tionen waren häufi g die einzigen Bauten den Betrachter ansprechendes Bauwerk erster Linie Witterungsschutz, Stallung für Wildtiere, da zusätzliche Behausungen das Gesamtbild weitreichend aufwerten. oder Kontrollstelle von Einzeltieren bzw. nicht nötig waren. Auch heute noch steht Es ist Aufgabe der Planer und des Bau- Tiergruppen. Betrieblich notwendige oftmals, gerade in forstwirtschaftlich ge- herrn ein Konzept zu fi nden, das den Be- Einrichtungen wie Futterküchen, Fuhr- führten Parks, die Zweckmäßigkeit der sucher beeindruckt. Ein individueller und parks, Verwaltungsräume und Sanitäran- Bauten im Vordergrund. Dabei kann ein für zugleich einheitlicher Stil sollte sich wie lagen vervollständigen die Infrastruktur. Weiterführend kann das Angebot durch temporäre Ausstellungsräume, Besu- cherpavillons, Beobachtungshütten und Parkschulen ergänzt werden. Im Rahmen der Leitbilder vieler Parks spielt in erster Linie die Gliederung des Geländes und der Freigehege eine ent- scheidende Rolle. Die Notwendigkeit von Gebäuden wird erkannt, ihre Gestaltung jedoch weitestgehend vernachlässigt. Diese Einstellung fi ndet ihren Ursprung in der Geschichte der Parks. Hier wird deut- lich, dass sich in der Haltung von einhei- mischen Wildtieren lediglich auf den Bau notwendiger Bauten, zur Lagerung von Heu und als Futtertraufe beschränkt wur- de. Sogenannte Wildscheueren, wie sie im Tierpark Sababurg bezeichnet wurden, waren als einfacher Fachwerkbau ausge- führt. Diese zweckgebundenen Konstruk- Das Bärenhaus im Wildpark Weilburg, mit traditionell orientierter Fachwerkfassade, jedoch mit Flachdach. Gebäudetypologien in Tiergärten 5 ein roter Faden durch die Anlagen ziehen und somit zur Etablierung eines Alleinstel- lungsmerkmals beitragen. Betrachtet man die bautypologischen Möglichkeiten einer Gebäudeformierung, so lassen sich drei Tendenzen feststellen: Traditionell, inte- griert und architektonisch-modern. Das in die Region eingegliederte Bauwerk bringt durch seine Fassadengestaltung und seine ortstypische Bauweise eine tra- ditionelle Verbundenheit mit der Region zum Ausdruck. Das integrierte Bauwerk hingegen fügt sich behutsam in das Land- schaftsbild ein, während der moderne Bau aufzufallen versucht. Insbesondere Das Steinzeithaus im Tiergarten Straubing: Konsequente Umsetzung geschichtlicher Bauweisen bei integrierten Bauten handelt es sich Eingangsgebäuden der Wildparks Lüne- besichtigen. Mit der Unterstützung hi- heute um eine Vorgehensweise vieler zoo- burger Heide oder Mölln zu fi nden sind, storischer Pläne und originaler Gebinde logischer Gärten, da die Natur, ganz dem gliedern sich harmonisch in die regio- konnte der Hof aufgebaut werden. Ne- Leitbild einiger Parks entsprechend, in nalen Kulturlandschaften ein. Ein traditi- bengebäude wie Stallungen für Haustier- den Vordergrund und das Gebäude in den onell anmutender Fachwerkbau der glei- rassen sowie Scheunen und Schuppen Hintergrund rückt. chermaßen den Lebensraum des Tieres ergänzen das Ensemble. Als Teil einer repräsentiert, befi ndet sich, seit 2003, Kulturlandschaft vor 7.000 Jahren kann im Heimattierpark Olderdissen. In einer das Steinzeithaus im Tiergarten Strau- nachgebauten Scheune des 19. Jahr- bing verstanden werden. Das Haus misst hunderts werden auf 150m² Grundfl äche 36m x 6m und besitzt ein einfaches, mit Steinmarder, Baummarder und Frettchen Schilf bedecktes Satteldach. Als „alter- gezeigt. Dabei steht den Tieren selbst der tümliche“ Materialen wurden Haselnuss- eigentliche Dachstuhl des Baus zur Verfü- stangen, Lehm, Stroh und Sand verwen- gung. Eine ebenfalls als Scheune erbaute det. Alternativ zur heimischen Baukunst Unterbringung für Steinmarder befi ndet können auch traditionelle Stile anderer Der Bauernhof im Tierpark Nordhorn. sich im Otterzentrum Hankensbüttel. Eine Regionen als Ergänzung zur jeweilig ge- Als bevorzugtes Material aller Typologien weitere Tierunterkunft im Fachwerkstil zeigten Tierart verwendet werden. Bei wird Holz verwendet. Holz als Baustoff wurde, im Jahr 2009, mit dem Bau des Bä- der 3.400m² großen und im Jahr 2009 schafft Gestaltungsspielraum, ist vielsei- renhauses im Tierpark Weilburg errichtet. eröffneten Tigeranlage des Wildparks tig und spiegelt eine gewisse Naturver- Der eigentliche Zweckbau wirkt jedoch Lüneburger Heide entschied man sich für bundenheit der Institutionen wider. Ge- im natürlichen Landschaftsbild eher wie eine Besucherhütte im Blockhüttenstil; in rade bei neueren Bauten fi nden jedoch ein Fremdkörper, der im Laufe der Jahre Anlehnung an die sibirische Heimat der auch Materialien wie Beton und Glas von der Natur noch zurückerobert wer- Großkatzen. Verwendung. den muss. Auch das Storchenhaus im Wildpark Frankenhof besteht aus einem Integrierte Gebäude Traditionelle Gebäude gemauerten Fachwerkbau. Tiere in Abbil- dern unserer Kulturlandschaften zu prä- Bei integrierten Bauten besteht häufi g der Die Verbundenheit zur Region sowie der sentieren, ist ein Trend, der sich selbst in Anspruch, das Gebäude möglichst voll- heimischen Flora und Fauna unterstrei- den Zoologischen Gärten durchzusetzen ständig in der bestehenden Umgebung chen viele Parks durch das Errichten regi- weiß, wie die Erlebniswelten in Hannover aufgehen/verschwinden zu lassen. Da onal-traditioneller Bauwerke. eindrucksvoll beweisen. letzteres oftmals nicht einfach und ohne Typische Fachwerkkonstruktionen mit großen Kostenaufwand zu bewerkstelli- einfachen Satteldächern, wie sie bei den Die Kulturlandschaften ermöglichen, das gen ist, gilt es, eine möglichst natürliche Tier in einer durch den Menschen ge- Verkleidung des Baukörpers zu verwen- prägten Landschaft zu präsentieren. Die den. Als Materialien eignen sich Spritz- Wechselwirkungen, die durch den Ein- betonelemente, Findlinge, Lehmanstriche fl uss der Menschen in die Natur entste- oder Totholzstämme. Das Gebäude als hen, können in den Wild- und Tierparks solches kann als einfacher Zweckbau konzeptionell und thematisch ausgear- kostengünstig ausgeführt werden. Die beitet werden. Auf dem Erweiterungs- Formsprache des Baus kann sich dabei gelände des Tierparks in Nordhorn kann zurücknehmen. So lässt sich bereits eine der Besucher seit dem Jahr 2000 einen unkomplizierte, weniger komplexe Form vollständigen, historischen Bauernhof konsequent integrieren. Die Blockhütte bietet Einblicke in das Gehege der Sibierischen Tiger, im Wildpark Lüneburger Heide.

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 6 Gebäudetypologie in Tiergärten

Ein Beispiel für integrierte Bauten zeigt das Informationshaus im Tiergarten Worms. Das Gebäude ist das Herzstück des im Jahr 2005 erbauten Komplexes für Europäische Wölfe, Rot- und Polarfüchse sowie Ratten und Hamster. Die Idee sah vor, ein Erdhaus zu konstruieren, welches von der Natur weitestgehend verdeckt wird. Das Gebäude wurde in Holzbau- weise errichtet und durch vertikale Holz- stämme sowie Kunstfelsen verkleidet. Das eigentliche Flachdach wurde intensiv begrünt. Das Innere des Gebäudes ist durch Wurzelteller sowie Totholzstäm- me verkleidet und einem Grubenschacht

Ein gelungenes Beispiel für den integrierten Bau: Das Bärenhaus im Natur- und Umweltpark Güstrow.

kommt das Bestreben, über vor Ort ge- sich an seiner „Unnatürlichkeit“ zu stö- wonnene Erkenntnisse zur Umweltbildung ren. Den witterungsbedingten Alterungs- beitragen zu können. Letzter Punkt wird prozessen von Holzfassaden gilt es, falls gerade durch eine möglichst naturnahe nicht erwünscht, durch chemischen oder Tierhaltung symbolisiert. Ein gelungenes konstruktiven Holzschutz im Vorfeld ent- Beispiel für eine naturnah anmutende und gegenzuwirken, da die Veränderungen die integrierte Tierunterkunft steht ebenfalls Ästhetik des Baus bedeutend beeinfl us- im Natur- und Umweltpark in Güstrow. sen können. Hier entschied man sich, im Jahr 2006, Vollständig in die Landschaft integriert: Das Erdhaus im Tiergarten Worms. beim Bau des Bärenhauses für eine natur- Ein neueres, integratives Bauwerk ohne nahe Verkleidung. Ein Lehmputz umhüllt Tiere kann man im Wildpark Bad Mergent- nachempfunden. Eine indirekte Beleuch- den eigentlichen Zweckbau. Vereinzelte heim fi nden. Der, im Jahr 2011, als Okto- tung, integriert zwischen Kunstfelsen, Totholzstämme sowie Findlinge dekorie- gon konstruierte Bau aus 40-50cm dicken sorgt für dezentes Licht. Die Decke wur- ren die naturnahe Fassade. Hochkantige, Rundholzstämmen beinhaltet eine große de mit Holzlamellen verkleidet. Sowohl rechteckige Fenster ermöglichen den nö- Feuerstelle und bietet Platz für bis zu 100 die Hamster- und Rattenbauten als auch tigen Tageslichteinfall. Eine intensive Be- Personen. Wird das Gebäude geschickt in die 2.400m² große Wolfsanlage lassen grünung des Flachdaches erweckt den der Topographie der Parklandschaft inte- Anschein als gehöre das Gebäude zu dem griert, sorgt ein gezielt gepfl anzter Vege- dahinter liegenden Hang. tationsgürtel für das „Verschwinden“ des Baukörpers. Zu sehen ist dies unter an- In seiner Art und Weise völlig anders, aber derem bei den Stallungen der Braunbären durchaus integrativ, wirkt das Bärenhaus im Wildpark Knüll. Im Laufe der Jahre im Heimattierpark Olderdissen. Der na- verschwand der einfache Zweckbau, zu- türliche Alterungsprozess des Holzes mindest im Sommer, nahezu vollständig lässt das Gebäude keineswegs wie eine hinter wuchernder Vegetation. Durch die Tierbehausung, sondern vielmehr wie geschickte Nutzung des vorhandenen einen Monolith erscheinen. Der Betrach- Grünbestandes ist ein kostengünstiges ter akzeptiert das Gebäude als Teil der Bauen möglich und eine zusätzliche Ver- Einfriedung von der Stegseite aus, ohne kleidung überfl üssig.

Heimelich ist der Stollen im Erdhaus,aus dem man direkt zu den Wölfen ins Gehege schaut

sich durch Glasscheiben einsehen. Dem Leitsatz des Deutschen Wildgehegever- bandes folgend, erfüllen die heutigen zoologischen Einrichtungen ihre Aufgabe im Tier-, Arten- und Naturschutz. Hinzu Das zweckmäßige Bärenhaus im Wildpark Knüll, Vier Jahre später ist von dem einfachen kurz nach der Fertigstellung im Jahr 2007. Bau nicht mehr viel zu sehen. Gebäudetypologien in Tiergärten 7

ten Bauten ab und kontrastiert auf einem den Giebel des Satteldachs, sorgen für Sichtbetonsockel den umgebenden rusti- reichlich Lichteinfall. kalen Pfl asterboden. Im Inneren befi nden Die zoologischen Einrichtungen sehen sich unter anderem ein Schulzimmer aus sich in naher Zukunft mit zahlreichen alten Eichenholz sowie eine kleine Küche und und neuen Problemen konfrontiert, die ein Sanitäreinrichtungen. Innen- Außenbezü- aktives Handeln erfordern werden. Um den ge werden durch anthrazitfarbene Metall- zahlreichen gesetzlichen Ansprüchen und fenster gewährleistet. den daraus resultierenden neuen Richtli- nien, sowie den neuen wissenschaftlichen Als Beispiel für eine architektonisch-mo- Erkenntnissen in der Tierhaltung gerecht Die Zooschule im Tiergarten Worms. Ein einfacher Container, der gestalterisch zu überzeugen weiß. derne Tierbehausung ist das, im Jahr 2011 zu werden, wird eine fortlaufende Ver- eröffnete, Affenhaus im Tierpark Sababurg besserung der Tierunterkünfte von Nöten Moderne Gebäude zu nennen. Das Gebäude wird durch ein sein. Auch die Anforderungen an die Ar- fl aches Satteldach geprägt. Die Pfetten beitsplatzgestaltung des Personals sowie Moderne Bauten wirken oftmals bereits unterhalb der mit Titanzink verkleideten die Bedürfnisse der durch zahlreiche Al- durch ihre Formsprache sowie die Wahl Attika gliedern die Kubatur. Zwei Lichtkup- ternativangebote verwöhnten Besucher an Materialien. Sie transportieren die Bot- peln mit Kunststoffverglasungen sorgen für müssen erfüllt werden. Als Bildungsstätte schaft, vor etwas Neuem zu stehen und die nötige Belichtung und Belüftung. Ein für Natur- und Artenschutz tragen die Ein- spielen gleichermaßen mit dem Kontrast hellgrüner Anstrich, der auffällt, aber im richtungen eine große Verantwortung, die zwischen Alt und Neu. Dabei wird in Wild- Landschaftsbild als nicht störend empfun- zukünftig nicht zuletzt durch eine „grüne und Tierparks häufi g eine schlichte Archi- den wird, prägt die Fassade. Der sichere Architektur“ symbolisiert werden könnte. tektur bevorzugt. Sowohl Satteldächer als Austritt der Affen zu ihrer Außenanlage Das Thema energieeffi zientes Bauen wird auch Pult- und Flachdächer sind festzu- wurde durch einen auskragenden Gebäu- die bauphysikalischen Anforderungen an stellen. Als geläufi ge Materialien haben deteil gewährleistet. Die vorgelagerte Platt- den einst „einfachen Zoobau“ noch stär- sich neben Holz vor allem Sichtbeton und form wird von den Kattas für ausgiebige ker beeinfl ussen. großzügige Verglasungen bewährt. Als Sonnenbäder genutzt. Ein Beobachtungs- Beispiel für einen einfachen, modernen punkt aus Holzstützen, Pfetten und Kopf- Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass Längsbau kann die Tiergartenschule in bändern ermöglicht Einblicke in das Innere das Gebäude als wichtiger Bestandteil Worms genannt werden. Bei dem Neubau des Hauses durch Glas. Hierbei kann sich, der internen Infrastruktur akzeptiert und handelt es sich um eine einfache Contai- bei vertikal eingebauten Glasscheiben, die darüber hinaus maßgeblich an den Er- ner- Flachdachkonstruktion dessen Aus- Spiegelung als ein Problem herausstellen haltungs- und Ausbaumaßnahmen der richtung durch eine horizontale Holzver- und den Einblick in das Haus erschweren. Parks beteiligt sein wird. Dem Vorbild von kleidung unterstützt wird. Das im vorderen einheitlichen, didaktischen Leitfäden und Bereich untergebrachte Klassenzimmer Moderne Standards können gerade im modernen Marketingstrukturen folgend, wird durch die Anbringung zahlreicher Bereich des energieeffi zienten Bauens sollte sich auch das Konzept der Bau- Glastüren transparent gehalten und er- erreicht werden. Als Ergänzung zum neu- werke in seiner Einheitlichkeit treu blei- möglicht somit den Dialog zwischen en Wildpark-Eingang der Alten Fasanerie ben. Dabei liegt es bei den Verantwort- Innen und Außen. Als Fensterfarbe ein in Hanau entstand mit dem Hessischen lichen und einer ausgiebigen Planung, warmes Anthrazit gewählt. Oftmals sind Forstmuseum ein Museumsbau, der nicht den richtigen Entwurf zu erarbeiten. es schulische Einrichtungen oder Veran- nur das edukative Angebot des Wildparks staltungsräume die in moderner Architek- ergänzt, sondern gleichermaßen die An- Die aufgeführten Beispiele spiegeln drei tur entstehen. Im Tierpark Lange Erlen, in forderungen an ein Niedrigenergiehaus unterschiedliche Entwurfsansätze wi- der Schweiz, entstand der Erlen Pavillon erfüllt. Photovoltaikanlagen, Sonnenkol- der und zeigen die Vielfalt an architek- als Antagonist zur traditionellen Umge- lektoren, Regenwasserzisternen und eine tonischen Möglichkeiten auf. Dabei gilt bung. Ein aus sägerohem Douglasienholz Holzhackschnitzelheizung versorgen den es festzustellen, dass es nicht nur eine errichteter eingeschossiger Neubau. Er Bau samt seiner 270m² Ausstellungsfl ä- korrekte Lösung gibt. Vielmehr scheinen hebt sich bewusst von den benachbar- che. Großfl ächige Verglasungen, bis in die unterschiedlichen Gebäudetypen unsere Parks noch attraktiver und fa- cettenreicher werden zu lassen und der Vereinheitlichung der Zootierhaltung entgegenzuwirken. Viele der genannten Beispiele könnten als Anreiz dienen und dazu motivieren, einen ersten Schritt in eine neue Richtung zu wagen.

Verfasser: Joke Leon Klein Architekurstudent Berlin

Fast auf Wasserspiegelhöhe ein faszinierende Die Kletterwelt für Affen im Tierpark Sababurg, Blick auf die Affeninsel im Tierpark Sababurg als Beispiel für einen modernen Bau.

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 8 Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen - Eine Aufgabe für Wildparks

Damwild vor der historischen Tiergartenmauer in Weilburg , Foto: P. Dollinger

Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen Eine Aufgabe für Wildparks

Die Familie der Cerviden ist ein beliebter mehr gewachsen. So anerkennen WIL- SON & REEDER (2005) waren es noch Tummelplatz für Taxonomen. Früher wur- SON & REEDER (2005) bei Reh und Elch 259), andererseits viele Unterarten auf der den auch die Moschustiere mit ursprüng- je zwei Arten, bei den Spießhirschen sind Strecke geblieben sind. lich einer, heute aber sieben Arten zu den es jetzt anstelle der traditionellen vier Ar- Hirschen gezählt. Diese gelten jetzt als ten je nach Autor deren neun oder zehn. Auf Stufe Unterart wird die Sache noch eigene Familie, werden aber sowohl beim schwieriger. So ist z.B. die Systematik Welt-Naturschutzbund IUCN als auch der großen, nördlichen Festlandsikas al- beim Europäischen Zoo- und Aquarien- les andere als klar: Der Dybowskihirsch verband EAZA von den für Hirsche zu- (C. n. hortulorum) wurde 1864 auf der ständigen Spezialistengruppen betreut. Grundlage eines Hirschs beschrieben, der Die übrigen 19 Gattungen wurden traditio- 1860 in Peking im Park des großen Som- nellerweise (z.B. HALTENORTH, 1970) auf merplastes des Kaisers von China gehal- sechs Unterfamilien verteilt. Bei WILSON ten worden war. Mantchuricus, ebenfalls & REEDER (2005) sind davon noch drei 1864 beschrieben, geht auf ein Exemplar übrig geblieben, weil Trughirsche, Elche, aus der Hafenstadt Jingkou zurück, des- Hinterindische Unterart des Schweinshirsches Rentiere und Rehe zur Unterfamilie Ca- (Axis porcinus annamiticus), Bild: P. Dollinger sen Herkunft unklar ist. Unter dem Namen preolinae zusammengefasst wurden. Die dybovskii wurden schließlich die Hirsche Muntjaks werden nun zu den Echthirschen Von den elf Arten der Gattung Muntiacus aus der russischen Ussuri-Region be- (Cervinae) gezählt und die Wasserrehe bil- sind vier seit dem 18./19. Jahrhundert schrieben, die phänotypisch identisch mit den für sich eine eigene Unterfamilie (Hy- bekannt, fünf wurden seit 1990 beschrie- hortulorum sind. Die Annahme liegt nahe, dropotinae). Im Gegenzug zur Reduktion ben, allerdings ist der Artstatus bei vieren der Unterfamilien ist die Zahl der Arten davon umstritten. Im neuen Handbook of durch Neuentdeckungen, hauptsächlich the Mammals of the the World von WI- aber Aufspaltungen, von 30 auf 51 oder ILSON & MITTERMEIER (2011) wurden einzelne Arten wieder zusammengelegt, andere dafür aufgesplittet, was in einer Gesamt-Artenzahl von 53 resultierte. Über die neue Huftiertaxonomie von GROVES & GRUBB (2011) soll hier nur soviel ge- sagt werden, dass sie nicht von einem biologischen Artbegriff ausgeht, sondern Vietnamsika (Cervus nippon pseudaxis), Bild: P. Dollinger ein stammesgeschichtliches Konzept sti- dass es sich nicht um drei verschiedene, puliert, das darin resultiert, dass über 450 sondern nur um eine Unterart handelt, da Huftierarten anerkannt werden (bei WIL- diese Hirsche 2n = 68 Chromosomen ha- Axishirsche (Axis axis), Bild: K. Rudloff Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen - Eine Aufgabe für Wildparks 9

dort wieder etliche Herden, hauptsächlich Von neun Arten, drei Spießhirschen (Maz- in eingezäunten Reservaten aber auch im ama americana, M. nana, M. temama) und Freiland am Jangtze-Fluss (HOFMANN, sechs Muntjaks (Muntacus feae, M. gong- 2006, LINDSAY, 2012). Auf der Roten Li- shanensis, M. montanus, M. puhoatensis, ste wird die Art aber immer noch als „EX- M. putaoensis, M. rooseveltorum) weiß TINCT IN THE WILD“ geführt. Eine weitere man schlicht zu wenig, um sie einstufen zu Art, der Bawean-Hirsch (Axis kuhlii) gilt bei können („DATA DEFICIENT“). Nur ein Drittel einem Bestand von 250-300 Individuen als aller Arten gilt als nicht gefährdet („LEAST „CRITICALLY ENDANGERED“, d.h. unmit- CONCERN“), aber auch diese weisen zum Vietnamsika (Cervus nippon pseudaxis), Bild: P. Dollinger telbar vom Aussterben bedroht. Teil gefährdete Unterarten auf. ben, wie der Rothirsch, und nicht 2n = 64- 66, wie die Japansikas, wird zudem spe- kuliert, dass sie ihren Ursprung in einer Bastardierung mit dem Rothirsch haben könnten (GEIST, 1998). Vom Rothirsch wurde allein für Europa eine Vielzahl von Unterarten beschrieben. VON RAES- FELDT vertrat allerdings schon 1970 die Ansicht, dies sei nicht gerechtfertigt, son- dern man könne bestenfalls von einem maraloiden Typ im Osten und einem hip- pelaphiden Typ im Westen sprechen, die Bucharahirsch (Cervus elaphus bactrianus), Bild: K. Rudloff Altai-Marale (Cervus elaphus sibiricus), Bild: K. Rudloff aber geografi sch nicht streng getrennt Als stark gefährdet („ENDANGERED“) Historisches zur Hirschhaltung seien und von denen es Mischpopulati- werden sieben Arten eingestuft: Der onen gebe. Calamian-Hirsch (Axis calamianensis) Die Haltung von Hirschen in mensch- und der Prinz-Alfred-Hirsch (Rusa alfredi) licher Obhut hat eine lange Tradition. Man kann also über die Systematik der von den Philippinen, der Schweinshirsch Zweifellos wurden Hirsche schon in man- Hirsche treffl ich streiten. Tatsache ist je- (Axis porcinus) mit zwei und der Leier- chen frühgeschichtlichen und antiken denfalls, dass die Anzahl der unterschied- hirsch (Rucervus eldii) mit drei Unterar- Tiergärten gehalten. Da sich diese aber lichen Formen, ob man ihnen nun Art- oder ten in Vorder- und Hinterindien, der Rie- überwiegend in Weltgegenden befanden, Unterartstatus zuerkennt, sehr hoch ist. senmuntjak (Muntiacus vuquangensis) wo die Cerviden eine untergeordnete aus Vietnam, Laos und Kambodscha, der Rolle in der heimischen Fauna spielten, Mesopotamische Damhirsch (Dama me- dürfte auch die Hirschhaltung von sekun- sopotamica), von dem im Iran noch letzte därer Bedeutung gewesen sein. Dies än- Bestände mit weniger als 250 Individuen derte sich im Mittelalter und vor allem ab überlebt haben, und schließlich der Süd- Beginn der Neuzeit, als in Mitteleuropa andenhirsch oder Huemul (Hippocame- zahlreiche Tierhaltungen, überwiegend lus bisulcus) aus dem Süden Chiles und für heimisches Wild, entstanden. Dabei Argentiniens. handelte es sich einerseits um großfl ä- chige fürstliche Wildgehege, anderer- Gefährdet („VULNERABLE“) sind 16 Ar- seits um kleinere städtische Anlagen. Atlas- oder Berberhirsch (Cervus elaphus barbarus), Bild: K. Rudloff ten, nämlich aus Südamerika der Sumpf- Gefährdung hirsch (Blastocerous dichtomus), der Nor- dandenhirsch (Hippocamelus antisensis), Die Rote Liste der IUCN geht von 54 Arten beide Pudu-Arten (Pudu mephistophiles, aus wovon eine, der Schomburgk-Hirsch P. puda) sowie fünf Spießhirsch-Arten (Rucervus schomburgki) 1932 in freier (Mazama bororo, M. bricenii, M. chunyi, Wildbahn und 1938 in menschlicher Obhut M. pandora, M. rufi na), und aus Asien ausgestorben ist. Eine weitere, der Milu das Wasserreh (Hydropotes inermis), der oder Davidshirsch (Elaphurus davidianus) Weißlippenhirsch (Przewalskium albiro- wurde im Jahr 1900 während des Boxe- stris), der Barasingha (Rucervus duvau- raufstandes in seinem Ursprungsland Chi- celii) und drei Arten Pferdehirsche (Rusa na ausgerottet. In europäischen Zoos und marianna, R. timorensis, R. unicolor). Zwergwapiti (Cervus elaphus nannodes), Bild: K. Rudloff Wildparks hatten aber einige Tiere über- Potenziell gefährdet („NEAR THREATE- Manche der fürstlichen Wildgehege exi- lebt, die systematisch gezüchtet wurden NED“) sind der südostasiatische Schopf- stieren noch heute, oder ihr ursprüng- und sich gut vermehrten. 1956 wurden die hirsch (Elaphodus cephalophus) und der liches Gelände diente im 20. Jahrhundert ersten Milus nach China zurückgesandt Pampashirsch (Ozotoceros bezoarticus) zur Einrichtung neuer Tier- oder Wild- (HECK & WENDT, 1970) und heute gibt es aus Agentinien und Uruguay. parks. Einige Beispiele dazu:

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KAISER MAXIMILIAN II. erwarb 1569 die Steiermark seine heutige Gestalt und ließ „Katterburg“ auf dem Gelände des heu- aus der italienischen Heimat seiner Mutter tigen Schönbrunn und ließ dort einen Tier- „Thamhürschen“ kommen, womit er der garten einrichten, der vorab der Haltung Begründer des ältesten „Thuergarttens“ von Wild und Gefl ügel sowie der Fisch- Österreichs wurde. 1678/79 legte Her- zucht diente. Um 1660 „sollen anietzo in zog JOHANN-FRIEDRICH VON BRAUN- SCHWEIG-CALENBERG in Kirchrode bei Hannover einen Tiergarten für die Hofjagd an und ließ 120 Stück Damwild aussetzen zu dem später noch Rot-, Schwarz- und Miluhirsch (Elaphurus davidianus), Foto: P. Dollinger Rehwild kam. Der Tiergarten Groß-Gerau dem heute noch Rot- und Damhirsche ist ein ehemaliges Jagdgatter der Darm- sowie Wildschweine gehalten werden. städter Herzöge, dessen Umfassungs- Der zweite Besitzer von mauer hauptsächlich mit Material aus in Kärnten, PETER RITTER VON BOHR, der Ruine des 1689 während des Pfälzi- ließ 1830 einen Tierpark anlegen. Hiezu schen Erbfolgekrieges zerstörten Dorn- ließ er die nahegelegene alte Burg Rosegg Dybowskihirsch (Cervus nippon hortulorum), Foto: P. Dollinger berger Schlosses gebaut wurde. Der für abtragen und aus den Steinen die Tier- die 700 Damhirsche darinnen lauffen.“ seine weißen Rothirsche bekannte „Alte parkmauer errichten, welche heute noch (ASH & DITTRICH, Hrsg., 2002). Der über Thiergarten“ beim Jagdschloss Moritz- den Tierpark begrenzt. Im Zuge der Um- 130 ha große „Thiergarten“ Sababurg burg wurde vom sächsischen Kurfürsten gestaltung seines 75 ha großen Schlos- wurde ursprünglich 1571 vom damaligen JOHANN GEORG IV. 1693/94 errichtet. sparks richtete Fürst WILHELM MALTE I. Landgrafen, WILHELM IV. VON HESSEN- zu Putbus (auf Rügen) ein Wildgehege von KASSEL am Fuße seines Jagdschlosses 8 ha für Rot- und Damwild ein. Unter dem Sababurg eingerichtet, wobei hier zeit- Fürsten GÜNTHER FRIEDRICH CARL II. weilig nicht nur die üblichen Hirsche, son- VON SCHWARZBURG-SONDERSHAU- dern auch Rentiere und Elche gehalten SEN entstand in der zweiten Hälfte des wurden. In Weilburg wurden bereits 1590 19. Jahrhunderts beim Jagdhaus „Zum zur Versorgung des Hofes mit frischem Possen“ beim thüringischen Sondershau- Wildbret in einem Gatter Damhirsche ge- sen ein Wildgehege. Erst 1893 setzte Frei- halten, die Graf ALBRECHT II. VON NAS- herr VON DONNER in einem 600 ha groß- SAU-WEILBURG UND SAARBRÜCKEN- en Gatter beim Jagdschloss St. Meinolf OTTWEILER aus Holland eingeführt hatte. Weißlippenhirsch (Przewalskium albirostris), Foto: P. Dollinger im Arnsberger Wald zum ersten Mal in Graf JOHANN ERNST VON NASSAU- Der Fürstliche Tiergarten von Schloss Deutschland Sikawild ein. WEILBURG ließ 1685-1688 einen herr- Braunfels wurde schon im Jahre 1704 schaftlichen Jagdpark auf dem Gelände von Graf MORITZ SOLMS-BRAUNFELS des heutigen Tiergartens anlegen. Auf als Hofjagdrevier angelegt. Mit dem 107 dem Areal des Wildparks Donsbach in Dil- ha großen Wildpark „Alte Fasanerie“ in Hanau/Klein-Auheim ersetzte der damals residierende Kurfürst KARL FRIEDRICH VON OSTEIN 1746 die frühere „Unteren Fasanerie“, die heute ein Naturschutzge- biet ist. Zur Vermeidung von Konfl ikten mit der bäuerlichen Bevölkerung ließ Fürst ANTON ALOYS VON HOHENZOLLERN- Mesopotamische Damhirsche (Dama mesopotamica), SIGMARINGEN im Jahr 1790 beim Jagd- Foto: T. Kauffels schloss Josefslust eine Fläche von rund 14 km² als Wildpark einzäunen, die später Was dem Landadel recht war, sollte den Formosasika (Cervus nippon taiouanus), Foto: P. Dollinger auf 720 ha verkleinert wurde. Ab 1806 ließ Stadtbürgern billig sein. Da in den Städ- lenburg wurde schon um 1640 durch die König FRIEDRICH I. VON WÜRTTEM- ten große Freifl ächen fehlten, wurden die NASSAU-DILLENBURGER Grafen Wild BERG den Favoritepark bei Ludwigsburg Stadtgräben zu Hirschgehegen umfunk- gehalten. Am Schloss Raesfeld legte um in einen Tiergarten umwandeln. Ab 1811 tioniert. In Augsburg setzte der Rat der 1650 ALEXANDER II. VON VELEN einen wurden dort nebst den üblichen Cerviden Stadt schon 1410 zur Ergötzung der Bür- Tiergarten im Renaissance-Stil an, der Axishirsche gehalten, die über England ger sechs Hirsche im Stadtgraben aus, zugleich Landschaftspark und mit Rot- aus Bengalen eingeführt worden waren. der sich vom Roten Tor bis zum heutigen und Damwild besetztes Jagdgatter war. Rund um das 1564 erbaute Jagdschloß Königsplatz hinzog. Ab etwa 1400 hielt JOHANN MAXIMILIAN REICHSGRAF ZU Duttenstein bei Dischingen ließen im die Stadt Frankfurt Hirsche in einem Gra- HERBERSTEIN gab zwischen 1648 und Jahre 1817 die Fürsten VON TAXIS 506 ben, der sich vom Katharinenkloster zum 1667 dem in der Hektar für einen Wildpark einzäunen, in Weißfrauenkloster erstreckte und dessen Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen - Eine Aufgabe für Wildparks 11

lässe erlegt wurde. Der „Hirschengraben“ Hirsche im Zoo der Stadt Bern diente von 1757 bis 1877 der Haltung von Hirschen und anderen Ab 1844 entstanden im deutschspra- Tieren, die im Zuge der Elimination der chigen Raum bürgerliche Zoologische Stadtbefestigung in den Tierpark Enge- Gärten, die sich als Orte der Erholung, halde übersiedelt wurden (SÄGESSER & der Bildung und der Wissenschaft sahen. ROBIN, 1987). In einer Veröffentlichung Vielfach verfolgten sie auch das Ziel, aus eines Straßburger Schriftstellers wurden den Kolonien stammende exotische Tiere 1623 als Besonderheit die in 1613/1914 zu „acclimatisiren“, um sie der landwirt- trockengelegten Stadtgraben der Stadt schaftlichen oder jagdlichen Nutzung Barasinghas (Rucervus duvaucelii), Foto: P. Dollinger Luzern gehaltenen „Damhirtzen“ hervor zugänglich zu machen. Dies führt dazu, Insassen alljährlich für ein vom Rat der gehoben – offenbar schon damals eine dass sich das Spektrum der gehaltenen Stadt für die städtischen Beamten ver- touristische Attraktion. Nach Aufschüt- Hirscharten erheblich vergrößerte. anstaltetes großes Hirschessen herhalten tung der Stadtgräben wurden die Tiere mussten. In Nürnberg weist heute noch in ein neues Areal umgesiedelt, auf dem das seit dem 13. Jahrhundert bestehende heute noch Rot- und Damwild gehalten Tiergärtnertor auf ein Wildgehege hin, das wird. Auch im „Hirschengraben“ der Stadt sich im 12m tiefen und bis 20m breiten Zürich sowie in zwei Stadtgräben der Stadtgraben befand. In Dresden wurden Stadt St. Gallen wurden früher Hirsche Hirsche ab Mitte des 15. Jahrhunderts gehalten, die sich bei der lokalen Bevöl-

Prinz-Alfred-Hirsch (Rusa alfredi), Foto: P. Dollinger

ALFRED BREHM (1883) beschreibt in seinem „Thierleben“ 16 Hirscharten, da- runter sechs aus Süd- und Südostasien, drei aus Nord- und zwei aus Südamerika, die er wohl aus dem Zoo gekannt haben Burma-Leierhirsche (Rucervus eldii thamin), Foto: P. Dollinger Timorhirschkuh (Rusa timorensis) mit Kalb, Foto: K. Rudloff muss. Der Berliner Zoo verfügte nämlich im Schlossgraben gehalten. Über die kerung großer Beliebtheit erfreuten. Der gegen Ende des 19. Jahrhunderts über Hirschhaltung im Stadtgraben Regens- Graben der Artilleriefestung Munot der 12 Hirschhäuser mit 22 Außenanlagen, in burgs um die Mitte des 15. Jahrhunderts Stadt Schaffhausen dient seit 1905 bis denen eine umfangreiche Hirschkollektion berichtet CARL THEODOR GEMEINER heute zur Haltung eines Rudels Dam- gepfl egt wurde, darunter Zuchtgruppen (1821). Auch in Wien befand sich die älte- hirsche. Der Bock trägt den Namen des seltener Arten, wie dem Milu. Zu Beginn ste Wildtierhaltung in einem Stadtgraben. jeweiligen Stadtpräsidenten und bleibt des 20. Jahrhunderts wurde die Kollektion Sie war 1452 von Bürgermeister OSWALD solange beim Rudel, wie dieser im Amt unter Direktor Geheimrat LUDWIG HECK REICHOLF für König LADISLAUS PO- ist. (VAN DE WEETERING, 2010). weiter ausgebaut. In sechs festen Häusern STUMUS errichtet worden und diente vor In den fürstlichen Wildparks und in den mit 60 Außengehegen wurden zeitweise allem Hirschen als Aufenthalt. Sie bestand Stadtgräben wurden überwiegend Rot- bis zu 40 Formen gezeigt, darunter Ra- allerdings nur zehn Jahre. Dann wurden und Damwild, vereinzelt weißes Rotwild, ritäten, wie der letzte Schomburgkhirsch die Tiere abgeschossen und eingesalzen. Rehe und andere Arten gehalten. Die in einem europäischen Zoo, Sumpf- und (FIEDLER, W., 1966; KUNZE, G., 2000). Hirschhaltung diente der Fleischversor- In Basel hielt die Obrigkeit seit dem 15. gung, sowie einer Art von jagdlicher Be- Jahrhundert im knapp neun Meter breiten lustigung, die – namentlich in den Stadt- Stadtgraben Rotwild, das für festliche An- gräben – mit heutigen waidmännischen Grundsätzen nicht zu vereinbaren wäre. Die städtischen Haltungen waren zudem Ziel von Sonntagsspaziergängen der Bür- ger, bis sie im 19. Jahrhundert in dieser Funktion von Zoologischen Gärten und Städtischen Tierparks abgelöst wurde. Andere Motive waren selten, aber immer- Wasserreh (Hydropotes inermis), Foto: Zoo Berlin hin war Landgraf Wilhelm IV. von Hes- Pampashirsch oder, ab den 1930er Jah- sen-Kassel naturwissenschaftlich interes- ren, eine Zuchtgruppe Südandenhirsche siert, was in Sababurg zur Anschaffung (RAETHEL, 1998). Während des Zweiten von Elchen und Rentieren führte. Weltkriegs fi el die ganze Hirschsammlung Sumatra-Pferdehirsche (Rusa unicolor equina), Foto: P. Dollinger

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 12 Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen - Eine Aufgabe für Wildparks

große Frankfurter Zoo deren zwei sowie sorgen, und die bis in die jüngste Zeit ein Moschustiere und der Tierpark Rheine mit Anwachsen der Schalenwildbestände be- damals nur 6 ha Fläche immerhin zwei, günstigten, werden Hirsche bei uns nicht nämlich Milu (und zuvor Altai-Maral) sowie als gefährdet wahrgenommen. Dasselbe Axishirsch. trifft für Nordamerika zu. Anders sieht es aber im Rest der Welt aus: In Asien sind In den 1970er Jahren setzte jedoch allge- 16 Arten wegen Wilderei oder Lebens- mein eine Wende ein: Um den wachsen- raumzerstörung potenziell gefährdet oder den Kostendruck zu mindern, dem Pu- in einer höheren Gefährdungskategorie Schopfhirschkitz (Elaphodus cephalophus), Foto: Rose von Selasinski, Zoo Heidelberg blikumsgeschmack entgegenzukommen eingestuft, in Südamerika sind es elf (MC und Tierschutzanforderungen zu erfüllen, SHEA & GONZÁLEZ, 2012). Hinzu kom- bis auf ein Rentier und ein Stück Damwild wurden die Tierbestände der meisten men gefährdete Unterarten, etwa des den Bombardierungen zum Opfer (KLÖS, Zoos reduziert, wobei es die Cerviden, Rothirschs in Südwestasien, in Nordafrika 1969). Auch andere Zoos mussten nach und in China, oder des Sikahirschs, von dem Krieg praktisch bei Null anfangen. dem zwei ausgestorben sind und zwei nur Eine wichtige Quelle der Tierbeschaffung in Menschenobhut überlebt haben, mög- war damals die zoologischen Sammlung, licherweise auch des Weißwedelhirschs in die HERBRAND, 11. HERZOG VON BE- Mittelamerika. DFORD um die Jahrhundertwende auf seinem Gut Woburn Abbey aufgebaut Zoos, Tier- und Wildparks wären gefor- hatte und die nebst Rot- und Damwild dert, in Ausführung der Welt-Zoo-Na- u.a. Barasingha, Axis, Schweinshirsch, turschutzstrategie sich für die Erhaltung Timorhirsch, Muntjak, Milu, Chinesisches der gefährdeten Hirscharten einzuset- Roter Muntjak (Muntiacus muntjac muntjac), Foto: P. Dollinger Wasserreh und Wapiti umfasste. zen. Dies ist gegenwärtig aber nur sehr deren Schauwert als gering eingestuft begrenzt der Fall. Zwar stuft der Vorsit- 1957 war der Hirschbestand des Berliner wurde, besonders hart traf. HIRSCH & zende der Hirsch-TAG (Taxon Advisory Zoos wieder auf acht Arten angestiegen, WIESNER (1986) schreiben zur Situation Group) der EAZA die Verfügbarkeit von 1961 waren es bereits 18 Arten (KLÖS, in Hellabrunn: „Um den Tierpark wieder 1969), 1970 deren 21. Die Konkurrenz im für eine größere Zahl von Besuchern at- Osten der Stadt schlief nicht und hatte traktiver zu gestalten, wurde der Bestand 1975 18 Arten vorzuweisen, Klassenbe- auf typische Vertreter dieser artenreichen ster war aber zweifellos der Tierpark Hel- Familie reduziert. So werden derzeit ne- labrunn in München, der zwischen 1950 ben Axis-, Dam- und Rothirsch die be- und 1970 etwa 25 verschiedene Hirschar- drohten Davids-, Barasingha- und rein- blütigen Mesopotamischen Damhirsche gehalten. Natürlich darf auch der Elch als größte Art dieser Familie nicht fehlen.“ Heute sind von der ganzen Herrlichkeit in Wald-Karibu (Rangifer tarandus caribou), Foto: P. Dollinger München und in den Langen Erlen je vier „Planstellen“ für Hirsche in europäischen Arten übrig geblieben, im Zoo Basel zwei, Zoos an sich nicht als problematisch ein, im Kölner Zoo und im Tiergarten Schön- weil die meisten Zoos noch eine oder gar brunn je eine. Frankfurt und Rheine wur- mehrere Arten hielten und die Zoos, die den zu hirschfreien Zonen. Wären nicht bei ISIS (International Species Inventory noch die beiden Berliner Tiergärten, wür- System) mitmachen, einen gesamten Be- Chinesischer Muntjak (Muntiacus reevesi), Foto: P. Dollinger de es in den Zoos im deutschsprachigen stand von 3.875 Tieren gemeldet hätten. ten und -unterarten hielt (HIRSCH & Raum bezüglich Hirsch-Diversität böse Das Problem sieht er darin, dass überwie- WIESNER, 1986). Selbst ein fl ächenmäßig aussehen und dies, obwohl die Zoos hier gend Hirscharten gehalten werden, die im kleiner Innenstadtzoo wie Basel brachte eine Erziehungsaufgabe hätten, zumal Freiland nicht gefährdet sind und deren es zeitweilig auf sieben Arten und dies, das Publikum mehrheitlich immer noch Bestände in menschlicher Obhut nicht obwohl der nur drei Kilometer weit ent- Damhirsche als Rehlein tituliert oder gemanagt werden (WERNER, 2012). fernte Tierpark Lange Erlen über eine im- glaubt, das Reh sei die Frau vom Hirsch. posante Kollektion von 12 Hirschformen Eine Analyse der weltweiten ISIS Daten verfügte (VÖLLM & MEIER, 1996). Köln Das Problem von 16 südostasiatischen Hirscharten, zeigte um 1980 sechs Arten, darunter den die „DATA DEFICIENT“ oder in einer hö- mittlerweile aus Europa ganz verschwun- Weil seit der zweiten Hälfte des 19. Jahr- heren Gefährdungsstufe sind, hat erge- denen Schwarzwedelhirsch. Der Tiergar- hunderts in den meisten europäischen ben, dass sieben Arten überhaupt nicht ten Schönbrunn in Wien konnte fünf Ar- Ländern Gesetzgebungen bestehen, die gehalten werden und dass bei fünf Arten ten vorweisen, der noch kleinere, 11 ha für eine nachhaltige Ausübung der Jagd der gemeldete Weltbestand unter 100 Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen - Eine Aufgabe für Wildparks 13

Individuen liegt (DUCKWORTH, 2012). Eine Aufgabe für Wildparks? Mitgliedzoos vorbehalten. Unter der Nicht besser sieht es aus, wenn wir die langjährigen Leitung von Klaus Rudloff Mitgliedzoos des VDZ betrachten: Von Während die Haltung von Cerviden in den vom Tierpark Berlin hat sich aber beim den insgesamt 17 nicht gefährdeten Art Zoos an Bedeutung verliert, bildet sie nach Vietnamsika- und beim Meso-EEP werden hier neun nicht gehalten, von den wie vor das Rückgrat der Wildparks. Beim eine liberale Praxis entwickelt, die 36 Arten, die „DATA DEFICIENT“ oder Publikum sind die Hirsche beliebt, zumal in auch Nichtmitgliedern die Teilnahme gefährdet sind, kommen aber deren 24 den meisten Wildparks das Füttern erlaubt ermöglicht, wobei diese natürlich die nicht vor. Zu den 12 gehaltenen gefähr- ist und es oft Kontaktgehege gibt, dies im EEP-Regeln befolgen müssen. deten Arten kommen allerdings noch vier Gegensatz zu den Zoos. Die Frage liegt • Für Bucharahirsch, Barasingha, Lei- daher nahe, ob sich nicht die Wildparks erhirsch, Prinz-Alfredhirsch, Waldren vermehrt der Haltung von gefährdeten und Südpudu gibt es Europäische Hirscharten widmen könnten. Natürlich bzw. Internationale Zuchtbücher. Wer kommt es heute kaum noch in Frage, dass diese Arten halten will, sollte sich ein Wildpark Hirsche aus überseeischen daran beteiligen. Ursprungsländern einführt – den Zeiten, wo Guillermo Staudt relativ einfach Sumpf- hirsche oder Südpudus aus Argentinien nach Hellenthal bringen konnte, haben EU-, Veterinär- und Artenschutzrecht leider ein Weißwedelhirsche (Odocoileus virginianus) und Wildtruten (Meleagris gallopavo), Foto: P. Dollinger Ende gesetzt. Ansonsten wäre das aber schon denkbar, denn die Haltung eines gefährdete Unterarten von Sika- oder Bucharahirschs ist nicht komplizierter, als Rothirsch dazu. Besonders beunruhi- die eines europäischen Rothirschs, ein gend ist aber die Tatsache, dass manche Waldrentier hat keine höheren Nahrungs- der gefährdeten Hirschformen in nur sehr ansprüche als ein gewöhnliches Hausren, Südpudu (Pudu puda), Foto: Zoo Wuppertal wenigen VDZ-Zoos gehalten werden: Bei die Unterhaltskosten für ein Moschustier • Wer sich über Zuchtprogramme und Barasingha, Sumatra-Pferdehirsch, Ber- sind nicht höher als die für ein Reh, und Zuchtbücher für Hirsche informie- berhirsch, Wasserreh ist es je einer (bei ein überzähliger Vietnam-Sika ist genau so ren will, kontaktiert am besten den Barasingha und Wasserreh waren es frü- essbar wie die üblicherweise gehaltenen stellvertretenden Vorsitzenden der her mal je 10); bei Schweinshirsch und Feld-Wald-und-Wiesen-Sikas. EAZA-Cerviden-TAG, Christian Kern Weißlippenhirsch je zwei; bei Schopf- vom Tierpark Berlin. hirsch, Bucharahirsch, Timorhirsch und • Die genetische Basis der Hirschpopu- Leierhirsch je drei und beim Finnischen lationen gefährdeter Arten in europä- Waldren vier. Etwas besser sieht es aus ischen Tiergärten ist meist sehr schmal. für den Mesopotamischen Damhirsch, Es empfi ehlt sich daher, die Ausgangs- den Milu- und den Prinz-Alfred-Hirsch, tiere für eine Zucht, wenn immer mit je sechs, und für den Vietnam-Sika, möglich, aus verschiedenen Haltungen mit acht Haltungen in VDZ-Zoos und zu beziehen, damit man nicht gleich mit weiteren in DWV- oder DTG-Parks. Aber Halbgeschwistern anfängt. gerade beim Milu ist ein Rückwärtstrend • Manche der asiatischen und süda- zu beobachten: 1970 waren es noch Sumpfhirschkuh (Blastocerus dichotomus), Foto: P. Dollinger merikanischen Arten sind nicht oder 14 Haltungen in VDZ-Zoos, acht haben Einige Punkte gilt es zu beachten: nur bedingt winterhart und benötigen seitdem aufgegeben, weil es mittlerweile einen trockenen, zug- und eventuell wieder über 2.000 Tiere in China gebe. • Während gut gemästete Rothirsch- frostfreien Stall. Zum Vergleich: Allein in Deutschland be- Unterarthybriden oder kapitale • Jungtiere kleinerer Arten wie z.B. Was- trägt die jährliche Rotwildstrecke etwa Damschaufl er das Herz eines jeden serreh, Pudu oder Schopfhirsch, pas- 60.000 Stück... Jägers höher schlagen lassen, ver- sen ins Beuteschema des Fuchses. fügen manche der gefährdeten Arten Eine fuchssichere Unterbringungs- über eher mickrige Geweihe. Eine möglichkeit sollte vorhanden sein. Kombination aus Tierpräsentation und • Nichteinheimische Rothirschunterarten attraktiver Gehegebeschriftung ist da- sollten tunlichst unter Bedingungen her fast unabdingbar, um das Interes- gehalten werden, die ein Entkommen se des Publikums zu wecken. in die Wildbahn auch dann ausschlie- • Für Vietnamsika und Mesopota- ßen, wenn der Gehegezaun durch mischen Damhirsch gibt es Europä- umstürzende Bäume oder Tierbefreier ische Erhaltungszuchtprogramme beschädigt worden ist, d.h. der Wild- (EEP). Die Teilnahme an solchen park sollte einen Außenzaun oder eine Pampashirsch (Ozotoceros bezoarticus), Foto: P. Dollinger Programmen ist in vielen Fällen EAZA- Umfassungsmauer haben.

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 14 Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen - Eine Aufgabe für Wildparks

Insgesamt gibt es in Europäischen Zoos Grizzlybären, und Kanadische Wölfe, Karibu oder Amerikanischer Elch durch- 20 gefährdete Hirscharten oder - unterar- Otter oder Luchse halten, wären Weiß- aus sinnvolle Ergänzungen des Tierbe- ten und bei manchen Arten gibt es mehr oder Schwarzwedelhirsch, Zwergwapiti, standes. Auch die vergleichende Haltung Tiere, als die gegenwärtigen Haltungen mehrerer Sika- oder Rotwildunterarten aufnehmen können. Wer sich engagie- als Beispiele für die innerartliche Biodi- ren will, fi ndet also sicher eine Möglich- versität wäre eine Bereicherung für die keit, die für seinen Park angemessen ist Zoopädagogik und könnte eine Option (siehe Tabelle unten). sein, etwas gegen den Artenverlust bei den Cerviden in europäischen Zoos zu Im Weiteren sind einige nicht gefährdete unternehmen. Tierarten, die aus edukativen Gründen interessant sein können, aus europä- Verfasser: Peter Dollinger, ischen Zoos weitgehend verschwunden. Geschäftsführer VDZ und Für Parks, die Bisons, Schwarz- oder zooschweiz Mittelamerikanischer Roter Spießhirsch (Mazama temama), Foto: P. Dollinger

Rote Art/Unterart CITES Haltungen in Europa Anmerkungen Liste Sibirisches Moschustier 5: Berlin (Zoo), Leipzig VU ll Moschus m. moschiferus Decín, Pilsen, Agrate Conturbia Südpudu 28: u.a. Berlin (Zoo), Dortmund, Halle, Köln, Wup- VU l Koord.: a.stadler@ zoo-wuppertal.de Pudu puda pertal Finnisches Waldrentier (VU) - 22: u.a. Berlin (Zoo), Magdeburg, , Bern Koord.: leif.blomqvist @nordensark.se Rangifer tarandus fennicus Baweanhirsch CR l 2: Posen, Edinburgh Axis kuhlii Vorderind. Schweinshirsch 14: u.a. Berlin (Tierpark), Dresden, EN - EAZA: Monitoring-Zuchtbuch Axis porcinus porcinus Wildpark Altenfelden Bucharahirsch 10: u.a. Berlin (Tierpark), Köln, (VU) ll Koord.: [email protected] Cervus elaphus bactrianus Mülhausen im Elsass Atlashirsch (VU) lll (TN) 1: Berlin (Tierpark). Zuchtprogramm in den USA Cervus elaphus barbarus 30: u.a. Berlin (Tierpark), Görlitz, Hamburg, Karls- Vietnamsika EEP, offi ziell vakant, EW - ruhe, Kronberg, Münster, Neunkirchen, Osnabrück, Cervus nippon pseudaxis Kontakt: k.rudloff@ tierpark-berlin.de Wildpark Hanau, Wildpark Lich Formosasika EW - 9: u.a. Wildpark Altenfelden, Wildpark Donsburg Cervus nippon taiouanus 27: u.a. Chemnitz, Karlsruhe, Kronberg, München, Mesopotam. Damhirsch EEP, offi ziell vakant, EN l Stuttgart, Wildpark Springe, Tierpark Lange Erlen, Dama mesopotamica Kontakt: k.rudloff@ tierpark-berlin.de Tierpark Ostrittrum, Tierpark Suhl Ca. 60: u.a. Berlin (Tierpark), Berlin (Zoo), Dresden, Milu, Davidshirsch EW - Duisburg, Wuppertal, Herberstein, Wildpark Ro- Elaphurus davidianus segg, Wildpark Enghagen Weißlippenhirsch 10: u.a. Berlin (Tierpark), Wuppertal, Beekse Ber- VU - EAZA: Monitoring-Zuchtbuch Przewalskium albirostris gen, Usti nad Labem Barasingha VU l 19: u.a. Berlin (Zoo), Wildpark Altenfelden Europäisches Zuchtbuch Rucervus duvaucelii Siam-Leierhirsch EN l Nur eine in Frankreich: Obterre Internationales Zuchtbuch Rucervus eldii siamensis Burma-Leierhirsch EN l 10: u.a. Berlin (Tierpark), Leipzig, Zürich, Arnheim Internationales Zuchtbuch Rucervus eldii thamin Prinz-Alfred-Hirsch 28: u.a. Berlin (Zoo), Chemnitz, Kronberg, Landau, Internationales Zuchtbuch. EN - Rusa alfredi Münster, Nürnberg Koord.: [email protected] Timorhirsch 7: u.a. Berlin (Tierpark), Neunkirchen, VU Rusa timorensis Tierpark Bad Pyrmont, Pilsen Sumatra-Pferdehirsch VU - 2: Berlin (Tierpark), Wildpark Altenfelden Rusa unicolor equina Ostchines. Schopfhirsch NT - 6: u.a. Berlin (Tierpark), Heidelberg, Magdeburg Elaphodus c. michianus Chinesisches Wasserreh 17: u.a. Berlin (Zoo), diverse Parks unter anderem VU - Hydropotes i. inermis in Frankreich und England Ex situ-Erhaltung von Hirschpopulationen - Eine Aufgabe für Wildparks 15

Literatur:

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Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 16 Quo vadis Wisent? - Artenschutz oder Museumshaltung?

Foto: Thomas Henning

Quo vadis Wisent? - Artenschutz oder Museumshaltung?

Der Wisent (Bison bonasus) ist das größte Tier Europas. Es ist ein klassisches Tier unserer Wildgehege. Gerne zeigen wir unseren Besuchern diese urigen Tiere. Bei unseren Führungen zeigen wir Wisente als DAS Beispiel einer gelungenen Erhaltungszucht. Wir stellen unsere Leistung im Artenschutz dar. Schließlich haben wir gezüchtet und unseren Nachwuchs in Wiederansiedlungs- projekte abgegeben. Ohne uns gäbe es keine Wisente mehr, schon gar nicht frei lebend... Ein toller Erfolg?

Bisher tatsächlich! Steht doch der Wisent Die heutige Wisentpopulation geht zurück alle zwölf Gründer als Grundlage hat, tre- mit aktuell ca. 4.500 Tieren zahlenmäßig auf nur zwölf Gründertiere. Das waren elf ten in der LB-Linie nur sieben der zwölf zurzeit viel besser da, als in den Jahr- (4,7) Wisente der Unterart Bison bonasus Gründertiere auf. Ca 2/3 der lebenden Wi- zehnten vor dem ersten Weltkrieg, der bonasus (Flachlandwisent), die ihren Ur- sente gehören der LC-Linie an. schließlich fast zu seiner Ausrottung ge- sprung im Urwald von Bialowieza hatten Die geringe Anzahl an Gründertieren stellt führt hat. Das ist aber leider nur eine Seite und ein Bulle der Unterart Bison bonasus einen klassischen Flaschenhals dar, den der Medaille. Auf der anderen Seite stehen caucasicus (Bergwisent), der aus dem die Tierart durchlaufen musste. Das be- eine genetisch äußerst labile Wisentpo- Kaukasus stammte und später bei Hagen- deutet nichts anderes, als dass schon pulation und ein bei näherem Betrachten beck lebte. Mit nur einem Bullen konnte zu Beginn der Erhaltungszucht die we- nicht gut funktionierendes Wisentbe- die Unterart Bergwisent natürlich nicht er- nigen Gründertiere nicht das gesamte standsmanagement. Die Rezepte mit de- halten werden. Durch die Beteiligung die- genetische Potential des Wisents „mitge- nen wir den Wisent bis heute erhalten ha- ses Bullen KAUKASUS an der Erhaltungs- bracht“ haben. Es hat eine sog. unselek- ben, werden nicht die Rezepte der Zukunft zucht sind allerdings genetische Anteile tive Vernichtung stattgefunden, die zu ei- sein, mit denen wir genetisch stabile, ge- der Unterart Bergwisent gerettet worden. ner geringen genetischen Variabilität führt. sunde und anpassungsfähige Wisentbe- Während der Erhaltungszucht ist es also Anhand von Untersuchungen verschie- stände entwickeln. Wenn wir nicht schnell zu einer Unterart-Hybridisierung gekom- dener Komponenten wie Proteine, Blut- damit aufhören, Widerristhöhe, Hornaus- men (Bison b. b. x Bison b. c.). Deshalb gruppen und Antigene konnte diese sehr lage, aktuelle Verfügbarkeit, kurze Trans- sprechen wir heute von zwei Linien in der geringe genetische Variabilität nachge- portwege, niedrige Preise und sonstige Wisenthaltung. Alle Wisente, die gene- wiesen werden. So liegt z. B. die Hete- völlig irrelevante Punkte als Zuchtkriterien tische Anteile des Kaukasusbullen haben rozygotie (Mischerbigkeit, also das Vor- anzuwenden, wird der Wisent zum Muse- und insofern Nachfahren von ihm sind, handensein unterschiedlicher Allele für umstier verkommen und wir müssen bei gehören der Flachland-Kaukasus-Linie ein bestimmtes Gen) in der LB-Linie unter unseren Führungen ein neues Beispiel für (LC-Linie) an. 4%, in der LC-Linie unter 5%. gute Arterhaltung aus dem Hut zaubern. In der Folge führt der geringe Ausgangs- Damit es nicht so weit kommt, gilt es et- Alle Wisente, die nicht mit KAUKASUS bestand dazu, dass die innerartige Ver- was zu ändern. Die folgende Bestandsauf- verwandt sind, gehören der Flachland-Bi- wandtschaft immer größer wird. Man nahme der aktuellen Situation ist erschre- alowieza-Linie (LB-Linie) an. Die Wisente spricht in diesem Zusammenhang von In- ckend, sollte aufrütteln und dazu führen, der LB-Linie sind reine Vertreter der Un- zucht, deren Grad über den sog. Inzucht- einige Dinge zukünftig anders zu machen. terart Bison b. b. Während die LC-Linie koeffi zienten ausgedrückt wird. Quo vadis Wisent? - Artenschutz oder Museumshaltung? 17

Der Inzuchtkoeffi zient in der Gesamtpo- machen uns vor, wie gut das funktionie- organisiert sind. Inzwischen hat sich auch pulation der Wisente betrug in den 80er ren kann. Unsere Wisent-Erhaltungszucht der IUCN des Wisents angenommen. Mit Jahren 20%. In den 90er Jahren war er in muss man leider im Wesentlichen als zu- einer sog. Specialist Group hat er 2004 der LC-Linie schon auf 26% und bei der fällig bezeichnen. Anders ist es nicht zu einen „Conservation Action Plan“ für den LB-Linie schon auf 44% angestiegen. erklären, dass z. B. von ursprünglich fünf Wisent veröffentlicht. Was uns Züchter Grundsätzlich mögliche Folgen hoher In- Vaterlinien nur noch drei existieren. Da- betrifft, wird darin im Wesentlichen die zucht sind die Verringerung der individu- bei ist die Vaterlinie vom Gründer „PLE- weitere Erforschung der Wisentgenetik ellen Fitness, die Reduzierung des Adap- BEJER“ mit über 90% aller Bullen stark und anschließend eine daran orientierte tionspotentials einer Population und die überrepräsentiert. Die Vaterlinien von Zucht gefordert. Verringerung des Fortpfl anzungspotentials. „KAUKASUS“ und „BEGRÜNDER“ teilen sich die übrigen knapp 10% und drohen Zur Umsetzung dieser Ziele wurde im In der LC-Linie gibt es eine deutliche Kor- zu verschwinden, wenn wir nichts ändern. Dezember 2008 ein Europa weites Pro- relation zwischen Jungtiersterblichkeit In der LB-Linie ist nur noch das Y-Chro- jekt ins Leben gerufen. Das EBCC (Eu- und Inzucht, die es bei der LB-Linie nicht mosom von „PLEBEJER“ vorhanden. In ropean Bison Conservation Center). gibt. Das ist zunächst erstaunlich, da die den Mutterlinien verhält es sich ähnlich. Über ganz Europa wurde ein Netz von Inzucht in der LB-Linie höher ist als in der Gründerin „Planta“ ist stark überrepräsen- „EBCC-Büros“ gespannt. Die Zentrale LC-Linie. Zu erklären ist das möglicher- tiert während z. B. „Placida“ unterreprä- (EBAC) hat ihren Sitz in Warschau. Ziel weise mit sog. „bad genes“ (schädlichen sentiert ist und ihre Linie z. B. in keinem ist die bessere Kommunikation zwischen Genen), die in einem oder mehreren der Wiederansiedlungsprojekt vorkommt. Züchter, Zuchtbuch und Wissenschaft, Gründertiere steckten, die ausschließlich Unterstützung und Beratung von Züch- in der LC-Linie vertreten sind. Unsere Vorgänger haben mit großem tern, Koordination von Tierbewegungen Erfolg den bisherigen Erhalt der Art Bi- und Zuchtempfehlungen. In Deutschland Eine weitere Auswirkung der Inzucht in- son bonasus gesichert. Nun ist es an gibt es vier EBCC-Regionalzentren: nerhalb der LC-Linie ist verändertes Kno- der Zeit, eine andere Qualität in die Er- chenwachstum. Insbesondere Kühe wer- haltungszucht zu bringen. Der löbliche Regionalzentrum Mitte (NRW, Saarland, den mit höherer Inzucht kleiner. Es wird Versuch der EAZA (Europ. Zoovereini- Rheinland-Pfalz, Hessen) vermutet, dass die Inzucht zu einer An- gung) im Jahre 1996 ein EEP (European Wald und Holz NRW näherung des Skeletts der LC-Wisente an Endangered Species Programm) für den Wisentgehege Hardehausen die kleinere Unterart Bison b. c. darstellt. Wisent aufzulegen, hat leider nicht zum Waldinformationszentrum Hammerhof Wie wir sehen, hat der Wisent aufgrund gewünschten Erfolg geführt. Der Wisent Rainer Glunz seiner Flaschenhals-Geschichte schwer- ist kein klassisches Zootier. Nur knapp ein Telefon: (0 56 42) 94 97 50 wiegende Probleme zu erwarten, die es zu Drittel der Wisente in Menschenhand sind [email protected] bewältigen gilt. Dafür bedarf es einer ko- im EEP organisiert. Das sind leider viel zu ordinierten Zucht unter Berücksichtigung wenige Tiere. Wir können es uns nicht lei- Regionalzentrum Ost (Brandenburg, genetischer Aspekte. Viele Erhaltungs- sten, auf alle anderen Wisente zu verzich- Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen) zuchtprogramme (z. B. Przewalskipferd) ten, nur weil die Halter nicht in der EAZA Landesforst Mecklenburg-Vorpommern Wisentreservat Damerower Werder Fred Zentner Telefon: (01 73) 3 01 02 19 [email protected] www.nossentinerheide.wald-mv.de

Regionalzentrum Süd (Bayern, Baden- Württemberg) Wisentprojekt Donaumoos Dr. Johannes Riedel Telefon: (0 84 31) 5 74 70 [email protected] www.wisentprojekt-donaumoos.de

Regionalzentrum Nord (Niedersachsen, Schleswig Holstein, Hamburg, Bremen) Nds. Landesforsten Wisentgehege Springe Thomas Hennig Telefon: (0 50 41) 58 28 [email protected] www.wisentgehege-springe.de

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 18 Quo vadis Wisent? - Artenschutz oder Museumshaltung?

Für die nächsten drei Jahre haben wir zu setzen. Wir wünschen uns sehr, dass • Nowak Z., Bukowczyk I., Charon K.M., vor, eine Deutschland weite Erfassung im Sinne der Wisent-Arterhaltung alle Olech W. (2004): Genetic polymor- der Wisentgenetik durchzuführen. Ziel ist, Betriebe bereit sind, in diesem Projekt phism in the European bison popula- „unsere“ Wisente genetisch kennen zu mitzuarbeiten. Wir hätten damit die Mög- tion. - Proceedings of the Conference lernen, um später die oben beschriebene lichkeit, weiterem Verlust an genetischer „European Bison Conservation”, 30 zufällige Zucht durch ein koordiniertes Variabilität und steigender Inzucht entge- September - 2 October 2004, Bialowie- Programm zu ersetzen. Im ganzen EBCC- gen zu wirken und damit dem Wisent eine za, Poland, p 97.Olech, W. (1998): The Programm werden keine Kosten für die bessere Überlebenschance zu bieten. inbreeding of European bison (Bison Wisenthalter entstehen. Für die Analyse bonasus L.) population and its infl u- der Wisente in Deutschland steht ein ho- EBCC ist im Sinne des IUCN Conservation ence on viability. - 49th EAAP meeting, her fünfstelliger Eurobetrag aus verschie- Action Plan und wird inhaltlich unterstützt Warsaw, August 24-27. Olech, W. denen Förderungen zur Verfügung. Die vom Bundesamt für Naturschutz (BfN). (2004): Separation of European bison Entnahme der Proben wird tierschonend Das Internationale Zuchtbuch (EBPB) ist lines in captive breeding. - Procee- ohne Narkose mit Biopsiepfeilen erledigt. Mitglied im EBCC. dings of the Conference „European Ein kompetenter Dienstleister wird vom Bison Conservation”, 30 September – EBCC dafür beauftragt. Die Auswertung Diese Bestandsaufnahme stützt sich auf 2 October 2004, Bialowieza, Poland, der Proben wird von der Uni Warschau Veröffentlichungen der IUCN, der EBFS, vorgenommen. des Zuchtbuches. Internet-Links:

Alle im Zuchtbuch registrierten Wisent- Quellen: • http://www.bfn.de/0311_wisent.html haltungen sollten schon von dem zustän- • http://ebac.sggw.pl digen EBCC-Regionalbüro kontaktiert • EBAC (2007): Database – European • http://www.bison-ebcc.eu worden sein. Wer als Wisenthalter noch bison in captivity - http://ebac.sggw.pl keinen Kontakt zu „seinem“ Regional- • IUCN (2004): SSC Bison Specialist Verfasser: Thomas Hennig zentrum hatte, wird gebeten sich mit dem Group – Europe Conservation Action Wisentgehege Springe jeweiligen Ansprechpartner in Verbindung Plan zum Wisent (Pucek et al. 2004) EBCC-Regionalzentrum Nord Serie: Ein vorbildliches Gehege - Haltung von Wildeseln - Der Persische Onager in europäischen Zoos 19

Onagerhengst mit Stute, Foto: Götz Berlik

Serie: Ein vorbildliches Gehege - Haltung von Wildeseln Der Persische Onager in europäischen Zoos

Der Onager ist in seiner Heimat Iran vom Aussterben bedroht. Die Bestände in der Wildbahn beschränken sich auf maximal 500 Tiere. Europäische Zoos bemühen sich im Rahmen eines Erhaltungszuchtprogramms (EEP) um die Erhaltung dieser seltenen Tierart. Doch auch in Europa sinken die Bestandszahlen. Zurzeit sind noch 83 (28,55) Onager im Zuchtprogramm erfasst. Viele zoologische Einrichtungen geben die Onagerhaltung auf und zeigen "publikumswirksamere" Tiere, so dass dringend neue Halter gesucht werden. Im Folgenden sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie auch kleinere Tierparks oder Wildparks Onager mit relativ geringem fi nanziellen und baulichen Aufwand tiergerecht halten können und wie diese interessante und anspruchslose Tierart für Besucher attraktiv präsentiert werden kann.

Einführung Im Winter bilden sie ein dickes Winterfell, welches den Tieren ein leicht struppiges Zu den Asiatischen Eseln zählen zwei Aussehen verleiht. rezente Arten: Der Kiang (Equus kiang) Onager leben in Herden mit mehreren sowie die 4 Unterarten des eigentlichen Stuten, ihren Jungtieren und einem adul- Asiatischen Halbesels (Equus hemionus). ten, dominanten Hengst. Der Hengst ist Dies sind der Dschiggetai oder mongo- stark territorial und verteidigt sein Revier lischer Kulan (E.h. hemionus), welcher in gegen Eindringlinge. Bis zu einem Alter der Mongolei und Nordchina vorkommt, von ca. 2 Jahren werden Junghengste in der Khur (E.h.khur) in Indien, der Turkme- der Gruppe geduldet, später - bei eintre- nische Kulan (E.h.kulan) in Turkmenistan ten der Geschlechtsreife - werden sie vom und Kasachstan sowie der Onager (E.h. Hengst aus dem Revier vertrieben und onager), welcher im Iran vorkommt. schließen sich zu Junggesellengruppen (Bachelor groups) zusammen, bis sie sich Artbeschreibung einer eigenen Herde anschließen.

Der Onager erreicht eine Schulterhö- Stuten sind saisonal polyöstrisch. Die he von 1,20m-1,40m bei einem Gewicht Hauptpaarungszeit liegt zwischen Mai von ca. 220-290kg. Sein Fell ist beige- und Juli. Nach einer Tragzeit von ca. 1 Jahr sandfarben (falbe) mit weißen Übergän- kommt in der Regel ein Fohlen zur Welt. gen an Maul, Brust, Beinen und Flanke. Zwillingsgeburten sind extrem selten und Charakteristisch ist ein deutlich abge- haben schlechte Überlebenschancen. setzter brauner Aalstrich, welcher bis zum Die Lebenserwartung liegt in mensch- Schwanzansatz reicht. licher Obhut bei 25-30 Jahren. Onagerfohlen, Foto: Götz Berlik

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 20 Serie: Ein vorbildliches Gehege - Haltung von Wildeseln - Der Persische Onager in europäischen Zoos

Vorkommen im Iran tion um den Tierfänger Arnulf Johannes dies ohne Probleme. Bei älteren Tieren nach Deutschland gebracht. Auf die da- oder aber bei ungleichen Kräfteverhält- Der Lebensraum des Onagers beschränkt mals im Iran gefangenen Tiere geht die nissen innerhalb der Gruppe, kann es zu sich auf aride Salzwüsten im Inneren des heutige Onagerpopulation in europä- ernsten Rangkämpfen kommen, die nicht Landes mit sehr karger Vegetation. Heute ischen Zoos zurück. selten tödlich enden. leben dort noch etwa 500 Tiere, aufgeteilt in zwei Populationen in der Bahram-e Goor Protected Area sowie den Touran National- park. Des Weiteren werden in der Provinz Yazd zurzeit 3,8 Onager im "Yazd Onager Sanctuary" gehalten. Das Sanctuary steht unter der Aufsicht des Department of Envi- ronment (DOE) und setzt sich zunehmend mit der Situation des Onagers und seiner Zucht im Iran auseinander. Seit einigen Jahren besteht zwischen den Verantwort- lichen im Iran und Dr. Stephan Hering-Ha- genbeck (EEP-Koordinator) regelmäßiger Kontakt. Im September diesen Jahres gab es bereits das zweite Treffen im Tierpark Hagenbeck Hamburg mit iranischen Ver- antwortlichen NGO’s, Wissenschaftlern und Mitarbeitern des Department of Envi- Onager im Iran, Foto: Dr. S. Hering-Hagenbeck ronment (DOE). Neben beratenden Tätig- Seit 2003 wird das Europäische Arterhal- Wichtig ist, dass sich Onagergehege nicht keiten unterstützt das EEP außerdem in tungsprogramm (EEP) sowie das Euro- in der Nähe anderer Equiden befi nden. situ Studien zur Verbreitung des Onagers päische Zuchtbuch vom Tierpark Hagen- Auch Reitwege sollten nicht unmittelbar in im Iran und zur Genetik der Tiere. beck in Hamburg geführt. Daten für das der Nähe des Geheges vorbeiführen, da Internationale Zuchtbuch werden im Tier- dies zu stetiger Beunruhigung der Tiere park Friedrichsfelde Berlin gesammelt. führt. Onagerhengste dulden keinerlei Aktuell gibt es im EEP 83 (28,55) Onager, "Rivalen" bei ihrer Herde, somit wird jeder welche sich auf 14 Institutionen verteilen. Eindringling bis zum Tode bekämpft. Aufgrund unterschiedlicher Gründe ge- ben bis Ende des nächsten Jahres zwei Die Größe einer Onageranlage sollte min- die Haltung der Tiere auf, somit bleiben destens 300m²/adultem Tier betragen. nur noch 12 Institutionen, von denen 9 Mindestens eine Seite des Geheges muss regelmäßig züchten. In den übrigen Tier- von der Besucherseite abgewandt sein. parks stehen Hengstgruppen bzw. in ei- Des Weiteren darf das Gehege keine spit- Hagenbeck’sche Onager Expedition 1954 in Persien Foto: Hagenbeck ner Einrichtung nur ein einzelner Hengst. zen Winkel aufweisen, in denen sich die Für ein fundiertes Management dieser Art Tiere festlaufen können. Als Abgrenzung Von der IUCN wurde der Onager 2008 in werden dringend neue Halter gesucht, eignet sich Maschendraht oder mit Ab- die Kategorie „Endangered“ (stark gefähr- damit Nachzuchten rechtzeitig abgege- standshaltern versehende Spanndrähte. det) eingestuft. In seiner Heimat spielen ben werden können und Gruppenzusam- Die Maschenweite muss immer < 5cm vor allem Überweidung, Konkurrenz mit menstellungen fl exibler umsetzbar sind. sein, damit sich die Tiere nicht verletzen landwirtschaftlich gehaltenen Tieren um können (Hängenbleiben mit Hufen, Kopf Wasserquellen und Habitatsverlust durch Haltung von Onagern hindurch stecken u.ä.) oder so beschaffen Siedlungen und wirtschaftliche Erschlie- sein, dass ein Hängenbleiben vermieden ßung eine Rolle, welche die Populations- Onager sind soziale Tiere. Sie sollten nicht wird. Die Abgrenzung sollte mindestens größe weiter abnehmen lässt. Auch die einzeln gehalten werden. Zu empfehlen ist 1,60m-2,00m hoch sein. Alternativ kön- Verluste durch den Straßenverkehr stei- es, eine Zuchtgruppe aus mehrere Stuten nen Trocken- oder Wassergräben als Ab- gen. Des Weiteren ist der Onager durch zusammen mit einem adulten Hengst zu grenzung dienen. Auch hier ist darauf zu Wilderei bedroht, die trotz verschärfter halten. Männliche Jungtiere können bis achten, dass die Tiere auf der Gehege- Kontrollen immer weiter zunimmt. Zu sei- zu einem Alter von etwa 2 Jahren in der seite problemlos wieder aus dem Graben nen natürlichen Feinden zählt der Wolf, Gruppe verbleiben. herauskommen und sich nicht festlaufen der aber für die Entwicklung der Populati- können. Sehr wichtig für die Hufgesund- on eine untergeordnete Rolle spielt. In den letzten Jahren wurde im EEP heit der Tiere ist der Boden der Anlage. Der Onager in Europa mehrfach versucht sogenannte Jungge- Dieser sollte möglichst hart und trocken Die ersten Onager wurden 1954 durch sellengruppen aufzubauen. Bei jüngeren beschaffen und nicht rutschig sein. Zu eine von Hagenbeck entsandte Expedi- Hengsten einer Altersgruppe funktioniert feuchte Anlagen können zu massiven Serie: Ein vorbildliches Gehege - Haltung von Wildeseln - Der Persische Onager in europäischen Zoos 21

Hufproblemen führen. Bewährt haben Besucherkommunikation – sich reine Sandanlagen oder trockenes Anregungen und Beispiele Weideland mit einigen geschützten Lie- geplätzen. Auf der Anlage sollten aus- Der Onager ist für die meisten Zoobesu- reichend Schattenplätze vorhanden sein cher eine weitgehend unbekannte Tier- (Bäume, Büsche, Unterstand o.ä.). art. Sie wirken auf den ersten Blick wenig Onager benötigen nicht zwingend einen attraktiv. Erst durch Zusatzinformationen beheizten Stall. In der Regel reicht ein nach zur Herkunft der Tiere und der Situation vorne offener, windgeschützter Unterstand im Freiland werden sie für den Besucher mit rutschfestem Boden, unter dem alle interessant und heben sich von anderen Tiere zeitgleich Platz fi nden, in dem ge- Tieren ab. Im Tierpark Hagenbeck wird füttert werden kann sowie eine ganzjährig auf den Gehegeschildern neben allge- frostfreie Tränke vorhanden ist. Pro Tier ist meinen Angaben über die Geschichte der eine Stallfl äche von 8m² zu veranschla- Tiere sowie über Artenschutz (EEP) infor- gen. Für eine Stute mit Fohlen werden miert. Besonders historische Fotos und mindestens 12m² gefordert. Die kürzeste Erläuterungen zu Expeditionen in den Stallseite darf nicht schmaler als 2m sein. Iran werden meist aufmerksam studiert. Wenn die Tiere in Einzelboxen gehalten Für Kinder sind Fakten zur Geschwindig- werden, so sollte auf jeden Fall Sichtkon- keit („über kurze Strecken bis 70 kmh“) takt zwischen den Tieren bestehen. oder die Kraft der Tiere (Hinweis auf eine Belagerungswaffe der alten Römer mit Wichtiger als das Vorhandensein eines dem Namen „Onager“) spannend. Stalls ist die Möglichkeit, einzelne Tiere separieren zu können, z.B. eine Stute mit Onagerhaltung in Wildparks? Fohlen, Einzeltiere zur Durchführung von Behandlungen, einen aggressiven Hengst. Wenn sich nicht weitere Institutionen Gehegeschilder im Tierpark Hagenbeck Dieses "Ausweichgehege" sollte eine Flä- bereit erklären, Onager zu halten, ist die che von ca. 150m² /Tier aufweisen. Erhaltung einer stabilen Zoopopulation Bereitschaft, mit dem EEP-Koordinator In den letzten Jahren sind immer mehr unmöglich. Im Rahmen der EAZA (Euro- bezüglich Zucht- und Transportempfeh- Institutionen dazu übergegangen, Onager pean Association of Zoos and Aquaria), lungen zu kooperieren. mehr und mehr "extensiv" zu halten. Ist denen die EEPs unterliegen, ist es mög- eine ausreichend große Fläche vorhanden lich, Tiere auch an nicht-EAZA-Mitglieder Wir würden uns freuen, aus Ihren Kreisen (Brachland, trockenes Weideland, rekul- abzugeben, wenn diese sich bereit er- neue Halter für diese interessante und tivierte Industriefl ächen etc.), kann sich klären, sich am Zuchtprogramm zu be- sehr agile Tierart zu gewinnen und somit das Management darauf beschränken, teiligen. Die Tiere bleiben somit Teil des uns zu unterstützen einen Beitrag zum die Tiere einmal täglich zu kontrollieren, EEPs, werden im Zuchtbuch erfasst und Erhalt dieser stark bedrohten Tierart zu d.h. Zaunkontrollen durchzuführen, evtl. bleiben dem Genpool der Gesamtpopu- leisten. Als Kontaktpersonen stehen wir Behandlungen durchzuführen und im lation erhalten. Ihnen gerne zur Verfügung: Winter zuzufüttern. Etwa ab einer Weide- fl äche von 5000m² pro Tier muss (in der Die Teilnahme am Zuchtprogramm Verfasser: Weidesaison) keine Zufütterung erfolgen. umfasst die Meldung aller Bestands- Dr. rer. nat. Stephan Hering-Hagenbeck Das Futter für Onager darf nicht zu ener- änderungen (Todesfälle, Geburten, Dr. med. vet. Adriane Prahl giereich sein. In der Wildbahn ernähren Transporte) einmal pro Jahr sowie die Tierpark Hagenbeck sie sich überwiegend von nährstoffarmen Gräsern mit hohem Rohfaseranteil sowie von Sträuchern und Büschen. Blätter und IHR LIEFERANT FÜR RENTIERFLECHTE Rinde werden gerne angenommen. Der Hauptanteil der Nahrung sollte im Som- mer frisches Gras und im Winter Heu guter Qualität sein. Zusätzlich sollten Äste Unser Angebot für Sie: und Zweige (z.B. Weide, Pappel, Birke) 1 x Palette Rentierfl echte á 40 Eurokartons (60x40x22) angeboten werden, von denen sehr gerne 12,- Euro/Karton = 480,- Euro/Palette die Rinde gefressen wird, sowie Saftfutter zzgl. der gesetzlichen Mautgebühr von 3,- Euro/Palette wie Möhren, Äpfel oder Rüben. Im Win- ter kann zusätzlich bei Bedarf Kraftfutter (Pellets) zugefüttert werden. Den Tieren Gloël Import-Export · Im Hauen 251 · 25421 Pinneberg Telefon (0 41 01) 7 56 38 · Telefax (0 41 01) 7 20 02 muss immer frisches Wasser zur Verfü- eMail [email protected] · Internet www.gloel-import-export.de gung stehen.

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 22 Serie: Ein vorbildliches Gehege – Die Haltung von Kaltblutpferden im Tiergarten Worms

Süddeutsches und Pfalz-Ardenner Kaltblut

Serie: Ein vorbildliches Gehege – Die Haltung von Kaltblutpferden im Tiergarten Worms

Der 1972 eröffnete Tiergarten Worms beherbergt auf einer Fläche von knapp 9 Hektar circa 590 Tiere in 90 Arten. Mit über 200.000 Besuchern pro Jahr ist der Tiergarten eine der meistbesuchten Einrichtungen der Nibelungenstadt Worms. Neben der Haltung von Vertretern aus dem eurasischen, afrikanischen und südamerikanischen Raum, ist die Haltung von bedrohten Haus- und Nutztierrasen ein Schwerpunkt in der Arbeit des Tiergartens. Mit der Einweihung eines Bauernhauses im Jahre 1994 entstand das Revier „Wormser Bauernhof“, welches sich bewusst auf Haus- und Nutztiere fokussiert und zum Erhalt bedrohter Rassen beitragen möchte.

So tummeln sich dort Bunte Bentheimer gefahren. Freya soll in den kommenden Schweine, Glanrinder, Westfälische Totle- Jahren zudem die Zuchtstute werden. ger, Walachenschafe, Thüringer Waldzie- gen und jeweils ein Gespann Pfalz-Arden- Von Anbeginn der Haltung wurden die ner- und Süddeutscher Kaltblüter. Tiere für Kutschfahrten genutzt. Dazu stehen ein Planwagen für die Wochenen- Die Haltung von Kaltblutpferden im Tier- den und Bewegungsfahrten, sowie eine garten Worms begann 1997 mit der Eröff- Hochzeitskutsche für besondere Anlässe nung eines neu gebauten Pferdestalls auf Planwagen dem Bauernhofgelände. Es wurden 1,2 Zweifelsfall auch als Leerfahrten durch- Pfalz-Ardenner gekauft, von denen heu- geführt werden. Zudem können sowohl te noch der Wallach „Artus“ im Bestand der Planwagen, als auch die Hochzeits- ist. Im Jahr 2006 wurde ein Gespann der kutsche für private Rundfahrten gebucht Rasse Süddeutsches-Kaltblut erworben, werden. In den Übergangszeiten und im „Victor“ und „Zora“, welche beide schon Winter werden keine Kutsch- und Bewe- Kutscherfahrung besaßen. 2009 kam die gungsfahrten durchgeführt. Dafür gibt es Pfalz-Ardenner Stute „Freya“ dazu. Sie ist dann kleinere Rundgänge mit den Tieren mit ihren fünf Jahren das jüngste Pferd im Hochzeitskutsche Bestand und wurde ebenfalls schon ein- zur Verfügung. Die vier Pferde sind unter- einander verträglich und können in allen Kombinationen eingespannt werden. In den Sommermonaten werden wöchent- lich bis zu zwei Bewegungsfahrten mit dem Planwagen durchgeführt. Dazu kom- men sonntags reguläre, kostenpfl ichtige Kutschfahrten für die Besucher, welche im Kraft und Temperament Kutschfahrt mit Ferienkindern Serie: Ein vorbildliches Gehege – Die Haltung von Kaltblutpferden im Tiergarten Worms 23

Pfalz-Ardenner Wallach Artus durch den Tiergarten und Bewegungsein- Paddockplatten ausgelegt und die drei heiten an der Longe auf der Außenanlage. Ausgänge mit Windfängen in Form von Außerhalb des Tiergartengeländes steht Gummivorhängen ausgestattet. Dadurch den Tieren noch eine Grünlandfl äche von entfällt der spürbare Stress unter den Tie- einem guten Hektar zur Verfügung. Diese ren, in welcher Reihenfolge sie in und aus Koppel wird in der Vegetationsperiode den Boxen geführt werden. Das tägliche zur Zufütterung mitgenutzt, aber auch um Ausmisten von vier Einzelboxen ist einer den Tieren eine zusätzliche Auslaufmög- schnelleren Reinigung des Gesamtbe- lichkeit zu geben. reichs gewichen. Das Verhalten der vier Tiere untereinander ist nun wesentlich entspannter, als vor dem Umbau. Im Ok- tober diesen Jahres wurde vor dem Stall eine befestigte Platte errichtet, welche in den folgenden Monaten mit einer Dach- konstruktion versehen werden soll. Dann wird ein befestigter Futterplatz vorhanden sein, auf dem die Tiere trocken stehen und an der frischen Luft gefüttert wer- Abwechslung und Bewegung: „Spaziergang“ durch den Tiergarten den können. Bislang musste die Raufe auf der gut 1.200m² großen Außenanla- Daraus ergibt sich für die Tiere ein ver- ge ständig den Standort wechseln, damit hältnismäßig hoher Zeit- und Personalauf- sich die Standfl äche von den Folgen der wand. Für die Bewegungsfahrten werden hohen Trittbelastung der Tiere regenerie- beispielsweise immer zwei ausgebildete ren konnte. Das oberfl ächliche Boden- Mitarbeiter eingesetzt, gleiches gilt für substrat auf der Außenanlage sind grobe „Spaziergänge“ im Gelände oder das Ver- Hackschnitzel. Darunter ist eine Schicht bringen auf die Außenkoppel. mit Sand eingezogen unter welcher sich Der Tiergarten ist bemüht die Haltungs- noch eine Vielzahl an Dränagegräben ver- bedingungen der vier Pferde kontinuier- birgt. Da die Hackschnitzel jedoch alle 2-3 lich zu verbessern ohne die Arbeitsan- Jahre erneuert werden müssen, ist dies forderungen an die Tierpfl eger zu sehr für den Tiergarten Worms noch nicht die zu intensivieren. Im Jahr 2011 wurde endgültige Lösung einer idealen, aber be- die klassische Boxenhaltung aufgege- zahlbaren Außenanlage für Kaltblutpferde. ben und in eine Haltung mit Freilaufstall und freiem Zugang zur Außenanlage Verfasser: Jan Bauer, umgewandelt. Der Innenstall wurde mit Tiergartenleiter Tiergarten Worms

Pferdestall mit befestigtem Futterplatz Bauernhof Impression

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 24 Kolkrabenhaltung in Wildparks

Kein seltener Gast mehr: Der Kolkrabe.

Kolkrabenhaltung in Wildparks

Im Jahr 2002 verkaufte der Wildpark Schwarze Berge einen Kolkraben an einen Wildpark in den Landkreis Vulkaneifel. Der Verkäufer erhielt einen Herkunftsnachweis aus dem hervorging, dass das Tier in unserem Park nachgezogen wurde.

Acht Jahre später, im Oktober 2010 er- Dies war allerdings nicht ausreichend, da hörde wäre auch in Ordnung gewesen. hielt der Wildpark Schwarze Berge Post Ausnahmen von diesem Verbot nur, d. h. Um in dieser Sache eine weitere Absiche- von der Kreisverwaltung Vulkaneifel mit ausschließlich im Rahmen des § 2 Abs. 2 rung zu haben und um die Rechtmäßig- dem Betreff „Vollzug der Bundeswild- bis 5 BWildSchV zulässig sind. Das Nie- keit der Haltung von Kolkraben in Zoos, schutzverordnung (BWildSchV) vom dersächsische Naturschutzgesetz für die Tier- und Wildparks prüfen zu lassen, 25.10.1985 (BGBl. I S. 2040), geän- Beurteilung des hier genannten Sachver- haben wir im November 2010 den Deut- dert durch Verordnung vom 16.02.2005 haltes sei nicht einschlägig. schen-Wildgehege-Verband e.V. zu Rate (BGBl. I S. 258) hier: gezogen. Wir schilderten den Fall und Nachweis des rechtmäßigen Besitzes Wir wurden daher um Nachweis gebeten, überließen dem Deutsche-Wildgehege- eines Kolkraben (Corvus corax). In dem dass eine Ausnahme nach § 2 Abs. 2 bis Verband sämtlichen Schriftverkehr. Schreiben ging es darum, das es gemäß 4 BWildSchV vorliegt. Eine Übersendung § 3 Abs. 1 BWildSchV grundsätzlich ver- einer entsprechenden Ausnahmegeneh- Der Deutsche-Wildgehege-Verband hat boten ist, Tiere der in Anlage 1 genann- migung gemäß § 2 Abs. 5 BWildSchV der daraufhin Kontakt mit dem Umweltmi- ten Arten (hierzu gehört u. a. auch der für den Vollzug der Bundeswildschutzver- nisterium in Niedersachsen, Herrn Mini- Kolkrabe Corvus corax) ordnung für uns zuständigen Landesbe- sterialdirektor Hoffmann aufgenommen

1. in Besitz zu nehmen, zu erwerben, die tatsächliche Gewalt über sie auszu- üben, sie zu be- oder verarbeiten oder sonst wie zu verwenden, 2. abzugeben, anzubieten, zu veräußern oder sonst in Verkehr zu bringen.

Ausnahmen von diesem Verbot sind nur im Rahmen des § 2 Abs. 2 bis 5 BWild- SchV zulässig. Es stand nun die Frage im Raum, aufgrund welcher Rechtsgrundlage wir im Jahr 2002 einen Kolkraben an einen anderen Tierpark abgegeben haben.

Wir beantworteten dieses Schreiben mit Zusendung unserer Zoogenehmigung. Die Zucht von Kolkraben gilt immer noch als Herausforderung. Kolkrabenhaltung in Wildparks 25 und die Angelegenheit diskutiert. Dabei ten, dass dies nicht der Fall war. Die Ge- In Besitz zu nehmen, zu erwerben, stellte sich heraus, dass missverständ- nehmigung eines Tiergeheges könne die die tatsächliche Gewalt über sie aus- liche Rechtsgrundlagen vorliegen, die zu erforderliche Ausnahmegenehmigung lei- zuüben, zu be- oder verarbeiten oder einer Diskrepanz zwischen BWildSchV der nicht ersetzen. sonst zu verwenden, abzugeben, an- und BNatG (Umsetzung der Zoorichtli- zubieten, zu veräußern oder sonst in nie) führen. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Verkehr zu bringen sowie zu befördern. Kolkrabenbestandes in der freien Natur in Deutschland, die in den vergangenen Diese Ausnahme umfasst nur die uns in Jahrzehnten rasant positiv verlaufen ist einer gültigen Zoogenehmigung bein- mit der Folge, dass in Teilen Niedersach- halteten Tierarten und der festgesetzten sens sogar Ausnahmegenehmigungen Höchstbesatzzahl. Diese Erlaubnis wurde zum Abschuss erteilt werden, kann die rückwirkend zum Zeitpunkt der ersten Prüfung der Frage ob sich alte Kolkra- Zoogenehmigung gültig. ben rechtmäßig im Besitz eines Gehe- gebetreibers befi nden, als Bagatellfall Rechtsgrundlagen sind: §2 Abs. 5 Satz 2 betrachtet werden. In Fällen, in denen bei Nr. 1 und 3 BWildSchV in Verbindung mit solchen Vögeln aufgrund der langen Zeit- § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BWildSchV und der abläufe der Nachweis des rechtmäßigen Anlage 1 zur BWildSchV. Besitzes im streng rechtlichen Sinn nicht (mehr) geführt werden kann, wird den Nach Zusendung der Ausnahmegenehmi- Erfolgreiches Kolkrabenpaar im Wildpark Schwarze Berge zuständigen Behörden in Niedersachsen gung an die Vulkaneifel hat uns bis heute Herr Hoffmann sei sich allerdings sicher, empfohlen, die Haltung der Tiere mit der kein weiterer Schriftverkehr erreicht. dass die überalterte BWildSchV in Bezug Aufl age, dass sie ohne Einverständnis auf den genannten Passus zur Kolkra- der zuständigen Behörde nicht weiterge- Unverständlicher Weise sind die Kolk- benhaltung in Zoos (zu denen der Wild- geben werden dürfen, zu dulden. raben aber noch immer Bestandteil der park Schwarze Berge per Defi nition nach Sollte die Kreisverwaltung Vulkaneifel Bundeswildschutzverordnung und nicht EU-Zoorichtlinie zählt) nicht heranzuzie- hierzu nicht bereit sein, wird empfohlen, auf die Liste der Ausnahmen für Zoos ge- hen ist, zumal es sich bei den Kolkraben die erforderliche Ausnahmegenehmigung setzt worden. nicht um Wildfänge sondern bereits um nachträglich einzuholen. Nachzuchten handelt. Verfasser: Arne Vaubel Hierzu sollte der Wildpark Schwarze Ber- Der oben zitierte Schriftwechsel wurde Hochwild Schutzpark Schwarze Berge ge eine Bestätigung des Ministeriums er- der Kreisverwaltung Vulkaneifel zur Verfü- halten, die allerdings auch in Rheinland- gung gestellt, parallel hat uns das Schrei- Pfalz Gültigkeit haben sollte. ben dazu veranlasst Kontakt mit dem Landkreis Harburg aufzunehmen um eine Diese Schritte teilten wir auch dem Land- Ausnahmegenehmigung nach BWildSchV kreis Vulkaneifel mit und verwiesen da- zu beantragen. Leider hat die Ausferti- rauf, dass wir uns, sobald wir eine schrift- gung der Ausnahmegenehmigung länger liche Stellungnahme vorliegen haben, gedauert, sodass wir erst im August 2012 weiter zu dieser Sache äußern würden. in Besitz der Ausnahmegenehmigung nach BWildSchV gekommen sind. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz teilte uns im Die Ausnahmegenehmigung erteilt uns Januar 2011 mit, dass die Prüfung der die Ausnahme von den Verboten, Tiere Angelegenheit noch nicht abgeschlossen der Anlage 1 zur Bundeswildschutz ge- wäre und sich in Kürze jemand zu der An- nannten Tierarten: "Wir sind wieder da!" gelegenheit äußern würde. Nach diversen Nachfragen erhielten wir im November 2011 ein Schreiben vom Ministerium.

Anhand der vorliegenden Unterlagen wäre nicht rekonstruierbar, ob zum Zeit- punkt der Abgabe des Kolkraben durch den Wildpark Schwarze Berge im Jahr 2002 an einen Wildpark in der Vulkaneifel die notwendige Ausnahmegenehmigung nach der Bundeswildschutzverordnung vorgelegen habe. Es sei eher zu vermu-

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 26 Storchenhaltung im Wildpark Freisen – Behördliche Entscheidungen kontra Verhaltensbiologie

Moderne Voierenhaltung: Spagat zwischen Flugfähigkeit und Flugmöglichkeit

Storchenhaltung im Wildpark Freisen Behördliche Entscheidungen kontra Verhaltensbiologie

Im Naturwildpark Freisen besteht seit längerem eine Storchenvoliere, die bei einer Breite von 15 Metern und einer Länge von 30 Metern, demgemäß ca. 450m² Fläche umfasst. Sie ist über 5 Meter hoch, mit Netz überzogen und seitlich mit Drahtgefl echt begrenzt. Ein ca. 12m² fassender Unterstand sowie ein ca. 10m² Teich mit Schilfbewuchs, drei Kunsthorste und Grasboden charakterisieren des Weiteren diese Voliere. Sie enthielt zum Zeitpunkt des fraglichen Behördenentscheids zwei Storchenpaare und deren Nachwuchs.

Im Frühjahr 2012 teilte die zuständige Familie Broszeit bat den Deutschen Wild- Die Darstellung des Sachverhaltes und die Behörde, das Saarländische Ministeri- gehege-Verband um Unterstützung. In Empfehlung von Haltungsrichtlinien zur Vo- um für Umwelt, Energie und Verkehr den einer Stellungnahme wurde begründet, lierenhaltung von Weißstörchen aus Sicht Betreibern mit, dass pro Storchenpaar dass es sich bei den Angaben im Gut- eines Sachverständigen als Vertretung der mindestens 1.500m² Gehegefl äche zur achten um die Haltung von fl ugunfähigen Parkbetreiberfamilie, zugleich als Co-Autor Verfügung zu stellen seien. Als einzige Storchenkolonien in offenen Freigehegen der damaligen Leitlinien und in diesem Fall Lösungsmöglichkeit für den derzeitigen handelt. Die Haltung von Weißstörchen als Berater des Bundesministerium war Widerspruch mit den bestehenden Ver- in großen Freifl ugvolieren überspannt den Entscheidungsträgern des Saarlandes hältnissen schlug die Behörde die Ab- mit kostengünstigen Nylonnetzen war vielleicht doch etwas zu viel. schaffung der Störche oder die Erweite- 1995 noch nicht sehr weit verbreitet. Bei rung der Voliere vor. Bezug genommen 1.500m² Grundfl äche wurde ein Gehege- wurde dabei auf die „Leitlinien für eine areal vorausgesetzt auf dem fl ugunfähige tierschutzgerechte Haltung von Wild in Störche auch bei hohem Prädatorendruck Gehegen“ des BMELV aus dem Jah- (Fuchs und Mader am Außenzaun) ausrei- re 1995, die pro Paar eine Fläche von chend Fluchtraum zur Verfügung haben. 1.500m² forderten. Diese Erklärungen wurden dem Ministeri- um im Saarland schriftlich und telefonisch mitgeteilt, auch mit dem Hinweis, dass die Leitlinien letztendlich in einer Arbeits- gruppe des DWV entstanden waren. Die Tierschutzbehörde des Saarlandes Derartige "Gehegezuchten" bedürfen wandte sich anschließend an das Bun- keiner Haltungsgenehmigung desministerium (BMELV) und bat um Stel- lungnahme. Aus Bonn kam wiederum die Infolgedessen empfahl Eckhard Wie- Rückfrage an den Vorsitzenden des DWV senthal der Betreiberfamilie, das Thema mit der Bitte um Unterstützung bei dieser auf der Jahreshauptversammlung vor- etwas problematischen Situation. zutragen um ggf. aus den Reihen des Nicht mehr zeitgemäße Volierenhaltung von Weißstörchen Storchenhaltung im Wildpark Freisen – Behördliche Entscheidungen kontra Verhaltensbiologie 27 wissenschaftlichen Beirates eine zu- Die Erfahrung zeigt also, dass es sehr sätzliche Unterstützung zu erhalten. Auf wohl möglich ist, einschlägige Bescheide diese Weise wurden von den Betreibern durch fundierte, sachliche und wissen- zwei Fachgutachten beauftragt, eines schaftlich/tierschutzjuristisch gestützte aus tierschutzrechtlicher Sicht von Dr. W. Gutachten zu beeinfl ussen. Vorausset- Tschirch, und eines aus verhaltensbiolo- zung ist jedoch, dass die Behörden mit gischer Sicht von PD Dr. Udo Gansloßer. einschlägigen Informationen „gefüttert“ werden. Gerade bei Flaggschiffarten, wie es der Weißstorch im bundesdeutschen Naturschutz durchaus ist, sind die Behör- den oftmals dann doch zugänglich, um die umweltpädagogische Funktion von Wild- und Tierparks zu unterstützen. Ein Umweltministerium sollte doch bei einer Flaggschiffart niemals den Verzicht auf die Haltung in den Vordergrund stel- Auch fl ugunfähige Weißstörche können sich len, wenn man sich dadurch wichtige Auf- verpaaren und ziehen erfolgreich Junge auf klärungsmöglichkeiten für die Besucher der Einrichtung verbauen würde. in Deutschland die höchsten Anforderun- gen an die Raumquantität von Wildtieren Aufgrund der geringen Scheu des Kulturfolgers brüten Weißstörche auch unmittelbar vor den Augen der Besucher Flächenanforderungen in Menschenhand hat, fordert für den Weißstorch pro Paar 320m² Fläche, eine Aufgrund der vorgelegten Gutachten wur- Ein kurzer Überblick über die in Mittel- Höhe von mindestens 2,5 Metern und für de vom Ministerium schließlich ein ge- europa geforderten Gehege- bzw. Volie- jedes weitere Tier 10m² mehr. Die Ös- änderter Bescheid erlassen, der die zur renfl ächen für Weißtstörche lässt bereits terreichische Tierschutzverordnung vom Verfügung stellende Fläche nun mehr auf erkennen, dass eine große Spannweite 17.12.2004 fordert für große Störche pro 150m² pro Storchenpaar und deren „juve- der Entscheidungsfi ndung möglich ist. Paar 100m²; es sind weiterhin Wasserbe- nilen Nachwuchs“ festlegt. Der Freistaat Thüringen, der mit Abstand cken, Teiche mit Flachwasserzonen, Auf-

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Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 28 Storchenhaltung im Wildpark Freisen – Behördliche Entscheidungen kontra Verhaltensbiologie

baumöglichkeiten und Naturboden mit Wildgehege sich dadurch auszeichnen, auf feldmausreichen Äckern und Nutz- natürlicher Bepfl anzung gefordert. Die dass die Tiere zumindest einen Großteil fl ächen in Europa). Anttczak und Dola- neue Schweizer Tierschutzverordnung ihres Haltungs=Ernährungsbedarfs durch ta in Tryjanowski et al. 2006 geben an, mit Gültigkeit vom 01.09.2008 fordert für Selbstversorgung in den Gehegen decken dass 96 % der in Polen gezählten Stör- mittelgroße und kleine Störche für zwei sollen; sie beziehen sich auf die fundierten che gemeinsam übernachten, wobei die Vögel 100m², bei 500m³ Volumen der Erfahrungen aus der Landwirtschaft in Übernachtungsgruppen im Durchschnitt Voliere (das bedeutet 5 Meter Höhe). Für Bezug auf die sogenannten „Großviehein- 10,3 +/- 9,3 Tiere umfassten, und maxi- jedes weitere Tier sind je 10m² Fläche heiten [GV]. Genau deshalb sind die Flä- mal 41 Störche auf einem einzigen Baum mehr für Freigehege und Voliere gefor- chen dort für Schalenwild wesentlich gesichtet worden wären. Buchenski und dert. Wasserbecken und Aufbaummög- größer als die im parallel erstellten Säuge- Jenak 2006 erwähnen, dass in Brutko- lichkeiten sind erforderlich. Die englische tiergutachten. Die Versorgung der Störche lonien meist nur das Nest oder der Ast, Fassung der Schweizer Haltungsrichtli- im Naturwildpark Freisen erfolgt jedoch in auf dem sich das Nest befi ndet verteidigt nien fordert für 4 Weißstörche eine Flä- klassischer Zoomanier durch die Tierpfl e- werden. Während zu Beginn der jewei- che von 300m² in Gehegen plus Was- ger/innen, die Defi nition des Selbstver- ligen Nestsaison das Abwehrklappern bei serfl äche bzw. in Volieren 150m² Fläche sorgergeheges entfällt also. Dies ist auch jedem vorübergehenden Storch gezeigt bei 500m³ für zwei Tiere. Die Stallfl äche wichtig in Bezug auf die später noch zu wird, wird gegen die bekannten Nachbarn muss 2m² pro Vogel betragen. führende verhaltensökologische Diskus- immer seltener und schließlich gegen die- sion über Revier- und Steifgebietsgrößen se nur noch beim unmittelbaren Betreten Bereits diese unterschiedlichen Zahlen sowie Individualdistanzen. des falsches Netzes sowie seiner direkten belegen, dass die Vorgaben der Wildge- Störche sind zu Ruderfl ug, Gleit- und Umgebung geklappert. hegeleitlinien weit oberhalb der strengs- Segelfl ug befähigt. Sie zeigen aber all- ten Anforderungen anderer mitteleuropä- gemein nur geringen Bewegungsdrang. ischer Länder liegen. Von besonderem Sie laufen fast nur zur Futtersuche, sonst Interesse ist auch, dass selbst die Wild- stehen sie sehr oft auf Horst, Dach, Mast gehegeleitlinien bspw. für Graukraniche, oder Baum, auch zwischen der Futter- die bei der Nahrungssuche wesentlich suche. Der größte Teil der Ruhezeit dient größere Strecken zügiger durchschreiten, der Gefi ederpfl ege. Im Sommer baden nur 150m² pro Paar fordern. (Creutz 1988) Störche häufi g, schwim- men sieht man sie dagegen nur selten. Zu großen Storchenansammlungen kommt es bei Erntearbeiten, bei Flächenbränden, Übernachtung von Nichtbrütern und zur Zugzeit mit jeweils nur geringer Individu- aldistanz.

Die Wahl der Nistplätze ist variabel: Dachfürste, Eine Reihe von Autoren (z. B. Bezzel 1985, Kirchentürme und Mauervorsprünge werden ebenso Grzimek und Schüz 1970, sowie mehrere angenommen wie alte Bäume (hier Naturzoo Rheine) Beiträge in Tryjanowski et al. 2006) erwäh- Bei Flugübungen evtl. versehentlich in die nen, dass der Weißstorch unter günstigen Nähe des Nestes kommende Jungtiere Bedingungen regelmäßig in Kolonien werden nicht vertrieben. An mehreren Eine derart hohe Konzentration von Störchen in einer Kolonie kommt auch unter natürlichen Bedingungen vor angetroffen werden kann. Dies bezieht Einzelberichten aus verschiedenen Regi- sich sowohl auf die Nahrungssuche (hier onen, auch Deutschlands, wurden immer Auch die schriftliche befragte Vorsitzende schreiben Grzimek und Schüz über große zwischen 30 und 61 Störche gemeinsam der Storchenberatungsgruppe der euro- Scharen von Storchen bei Massenver- beschrieben, Abstände, die aus allgemein päischen Zooassoziation (EAZA) Cathy mehrungen von Wanderheuschrecken im zur Verfügung stehenden Abbildungen King (briefl ich) erwähnt ein Minimum von afrikanischen Winterquartier, oder auch gemessen wurden, betragen max. 1 Kör- 100m² pro Paar aus ihrer Erfahrung. perlänge bis eine Spannweitenbreite. Novakowski und Vasilewska 2006 stellen Biologische Überlegungen fest, dass offensichtlich die Futterbedin- gungen und die Menge und Regelmä- In Bezug auf die Anforderungen der ßigkeit der Anwesenheit von Futtertieren Wildgehegeleitlinien muss zunächst be- jeweils die Konkurrenz zwischen benach- tont werden, dass es sich dabei (wie bart nistenden Storchenpaaren und deren übrigens bei allen Gutachten zu ent- Fortpfl anzungserfolg wesentlich beein- sprechenden Mindestanforderungen) um fl ussten. Leitlinien und nicht um rechtsverbind- liche Verordnungen handelt. Zum an- Heftige Auseinandersetzungen werden Dank umfangreicher Auswilderungsprojekte (hier im deren ist dort eindeutig bestimmt, dass Wildpark Eekholt: Sammeln vor dem Abfl ug) ziehen heute nur bei Verteidigung des Nests gegen zahlreiche Jungvögel aus Gehegehaltung wieder gen Süden Storchenhaltung im Wildpark Freisen – Behördliche Entscheidungen kontra Verhaltensbiologie 29

Fremde oder im Fall einer Nestbesetzung enger Nachbarschaft zueinander Nahrung beschrieben. Normalerweise kehren Stör- zu suchen und auch zu brüten. che zum gleichen Nest zurück, in dem Untersuchungen an einer ganzen Rei- sie bereits im vergangenen Jahr gebrütet he von Vogel- und Säugetierarten haben haben. Ist dieses dann bereits besetzt, gezeigt, dass der Persönlichkeitsfaktor kommt es zu sehr heftigen Auseinander- Geselligkeit mit Artgenossen im Wesent- setzungen. Ebenso können im Brutkolo- lichen von den Aufzuchtbedingungen und nien nicht brütende Artgenossen als Stö- der Sozialisation abhängig ist. Bei vielen renfriede auftreten. Arten konnte gezeigt werden, dass Jung- Dies zeigt, dass eine Haltung von einan- tiere, die in größeren Gruppen, Kolonien der bekannten, verpaarten Storchenpaa- etc. aufgezogen wurden, auch selber spä- ren in einer Voliere der genannten Größe ter eine höhere Sozialappetenz aufweisen. durchaus möglich und auch nach Freilan- Sie halten sich in größeren Gruppen auf, Freifl iegende Störche hier im Allwetterzoo Münster. derfahrungen reibungsfrei bis reibungs- nehmen geringere Individualdistanzen und Möglich auch durch den Brutstart von fl ugunfähigen arm durchführbar ist. häufi gere Sozialkontaktraten ein. In Bezug Elterngenerationen auf die Beobachtungen von Störchen, die und beim Übernachten zu beobachten, Die Individualdistanz eines Tieres unter- bereits referiert wurden, zeigt sich, dass und erkennen ihre Nachbarn offensicht- liegt in der Regel ebenso wie die wün- koloniebrütende Individuen eben oftmals lich individuell. In allen diesen Fällen sind schenswerte Territoriumsgröße einer nur das Nest oder dessen unmittelbare keinerlei Verhaltensweisen konfl ikt- oder inneren Regulation, die sich wie alle Re- Umgebung, bspw. einen Ast verteidigen. stressanzeigender Art erkennbar. gelprozesse an den derzeitigen Umwelt- Gerade Koloniebrüter sind auch mit hoher Neben der Individualdistanz gegenüber gegebenheiten orientiert. Man spricht in Wahrscheinlichkeit auf Nahrungssuche Artgenossen muss auch noch kurz auf diesem Falle allgemein von einem gleiten- den Sollwert, um zu zeigen, dass es kei- nen allgemein gültigen, für alle Individuen oder alle Situationen wünschenswerten gemeinsamen Wert für Individualdistanz oder Territoriumsgröße gibt.

Ein "muß" der Storchenhaltung: ausreichende Wasserfl ächen

Untersuchungen zum Territorialverhalten einer ganzen Reihe von Vogel- und Säu- getierarten zeigen, dass Territorialverteidi- gung überwiegend dann eingesetzt wird, wenn die umstrittene Ressource, etwa Nahrung oder Nistplätze in einer mittleren Dichte angeboten wird. Sind Ressourcen im Übermaß vorhanden, entfällt die Terri- torialverteidigung weitestgehend.

Die beobachteten und beschriebenen Storchenkolonien und Nahrungssuch- schwärme unterstreichen dies. Bei re- gelmäßiger und intensiver Nahrungsver- sorgung sowie bei der Bereitstellung von ausreichend Nistunterlagen wird es für Störche ohne weiteres möglich, auch in

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 30 Storchenhaltung im Wildpark Freisen – Behördliche Entscheidungen kontra Verhaltensbiologie

das Verhalten zum Menschen eingegan- artgemäßer Haltung gesprochen werden. Storchenpaar, insbesondere gerade auch gen werden. Hier zeigt sich, dass die so- Für die Schweizer Wildtierhaltung wird in Bezug auf die Freilanddaten etwa der genannte Fluchtdistanz, also die Minimal- festgestellt, dass gesetzliche Regelungen zitierten polnischen Untersuchungen. entfernung, die ein Storch zum Menschen nicht eine Sache von Metern und Zenti- Genehmigungsbehörden gehen in der duldet, bevor er sich entfernt, nach ein- metern seien, dass Wohlergehen der Tiere Regel davon aus, für die Einhaltung von schlägigen Berichten, (z. B. Zuppke 1972) wäre abhängig von vielen Faktoren, die Richt- und Leitlinien, Gesetzen und Ver- auf bisweilen 5 Meter oder noch weniger sich wohl auch kaum gesetzlich erfassen ordnungen bezahlt zu werden, ohne sich schrumpfen kann, so lange keine Verfol- und regeln ließen. Gedanken über deren fachliche Richtig- gung durch den Menschen statt fi ndet. keit zu machen. Dabei hat aber auch, nach Die kritische Distanz, also jene Entfernung Erfahrungen vieler einschlägiger Behör- bei der eine Selbstverteidigungsattacke denvertreter/innen, der Einzelne durchaus gestartet wird, weil man dem Fressfeind eine fachliche Ermessensmöglichkeit. nicht mehr anders zu entkommen glaubt, Wie die geschilderten Erfahrungen aus liegt bei Störchen in der Regel (siehe z. dem Naturwildpark Freisen zeigen, kann B. Schüz) nur in der unmittelbaren Nest- diese unter Berücksichtigung von neu- größe. Störche attackieren Fotografen, eren Freilanduntersuchungen durchaus Beringer etc. in der Regel erst dann, wenn auch zum Wohle der Tiere und gleichzei- diese mit dem Gesicht bereits nahe am tig im Sinne des Antragsstellers genutzt Nest angekommen sind. Es kann also werden. davon ausgegangen werden, dass die kri- tische Distanz etwa so groß ist wie das je- Möge das hier geschilderte Beispiel un- weilige Nestterritorium. Weißstörche sind seren Mitgliedern Mut machen, in ver- Um wieder fl iegende Weißstörche zu erblicken, bedurfte es vermutlich ursprünglich Steppenvögel, langjähriger Zuchtbemühungen in unseren Gehege gleichbar gelagerten Fällen ebenfalls den die kolonieweise auf Felsen oder Bäumen hier vorgezeichneten Weg eines fach- horsteten. Über siedlungsnahe Einzel- Gesetzliche Vorschriften bzw. Richtlinien lichen Gutachtens aus zoologisch/ver- bäume wurden sie zum Kulturfolger, der und Empfehlungen schreiben nur Min- haltensbiologischer wie auch tierschutz- auf Dächern, Schornsteinen, Masten oder destbedingungen vor, die zur Vereinheit- rechtlicher Sicht zu beschreiten. Bauwerken mit freiem Anfl ug seine Nester lichung des Verwaltungshandelns bei der baut, um Überblick und Sicherheit zu Auslegung des Tierschutzgesetzes die- Verfasser: PD Dr. Udo Gansloße haben. Störche bevorzugen offenes Ge- nen sollte. Damit ist ausgesagt, dass es Vet.-Amtsrat A.D. Dr. W. Tschirch lände des Flach- und Hügellandes gern sich nicht um optimale Haltungsformen, in der Nähe menschlicher Siedlungen sondern die Grenze zur tierquälerischen Literatur (Creutz 1988). Haltung handelt. Der Halter kann und sollte angegebene Maße nach oben mög- • Bezzel, E: Kompendium der Vögel Mit- lichst überschreiten. Im Umkehrschluss teleuropas - Nonpasseriformes. Wies- bedeutet aber die Einhaltung der Min- baden 1985 destanforderung, dass kein Verstoß ge- • Creutz, E: Der Weißstorch. Neue Brehm gen § 2 des Tierschutzgesetzes vorliegt. Bücherei. Wittenberg 1988 Angegebene Werte und Maße entsprin- • Gansloßer, U: Behaviour and Ecology - gen meist Erfahrungswerten aus der Zoo- their relevance for captive propagation. tierhaltung, seltener aus Forschungs- und pp 147 - 167 in: U Gansloßer, W. Kau- Privathaltungen. Nur in seltensten Fällen manns, K Hodges(eds): Research and handelt es sich dabei um gesicherte phy- Captive Propagation. Fürth 1995 siologische oder verhaltensbiologische • Grzimek, B & E Schüz: Der Weißstorch. Eine ideale Storchenanlage bietet stete Erweiterungs- möglichkeiten der Kolonie (hier Vogelpark Marlow) Erkenntnisse. Dies wird nochmals deutlich in: B Grzimek (Hrsg): Grziemeks Tierle- an den unterschiedlichen Vorstellungen ben. Band 7. München 1970 Allgemeine Überlegungen und Werten der Autoren und Arbeitsgrup- • Lott, D: Intraspecifi c Variation of Verte- pen in den betrachteten Bundesländern brate Social Systems: Cambridge 1989 Der Schweizer Tierpsychologe und Be- Deutschlands sowie der Schweiz und • Tryjanowski, P, T H Sparks, L Jerzak gründer der modernen Tiergartenbiologie, Österreich. Allein die unterschiedlichen (eds): The White Stork in Poland. Poz- Professor Hediger, stellte bereits 1942 Angaben zur Flächengröße machen wis- nan 2006. Darin: Antczak, M & P Dolata fest, dass freilebende Tiere keineswegs senschaftlich gesehen das Ganze un- p 209 - 224; Bochenski, M & L Jerzak grenzenlos in räumlicher und persönlicher glaubhaft. Es ist nicht anzunehmen, dass p 295 - 324;Kosicki, J & S Kuzniak p Freiheit stünden. Freilebende Tiere sind die Störche in den verschiedenen Län- 23 - 34;Peterson, U & Z Jakubiec p 35 keineswegs frei im Bezug auf ihr Verhal- dern so unterschiedliche Wunschvorstel- - 46;Nowakowski, J & B Wasilewska p ten gegenüber anderen Artgenossen. Bei lungen an ihre Haltung haben dürften. Am 99 - 114;Zuppke, H : Zu: Ein Schwarz- Wildtierhaltung in Menschenhand kann unwahrscheinlichsten erscheint dabei die storch unter Weißstörchen. Apus 02/ nie von artgerechter, sondern nur von Forderung nach 1500m² Fläche für ein H56, 276 - 277 Große Freude im Wildpark Eekholt: Wildpark Eekholt erhält renommierten B.A.U.M.-Umweltpreis! 31

Große Freude im Wildpark Eekholt: Wildpark Eekholt erhält renommierten B.A.U.M.-Umweltpreis!

In der Kategorie „Institutionen“ erhielten Theda Hatlapa und Wolf-Gunthram Frhr. v. Schenck vom Wildpark Eekholt am 05.06.2012 den renommierten B.A.U.M.-Umweltpreis durch Bundesumweltminister Peter Altmaier. Mit diesem Preis zeichnet der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) seit 20 Jahren Persönlichkeiten aus, die durch ihr langjähriges herausragendes Engagement im Bereich des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung Verände- rungsprozesse in unserer Gesellschaft anstoßen und an deren Umsetzung mitwirken.

Die größte Umweltinitiative der Wirt- weiterentwickelten und breitgefächerten außerdem besonderen Wert auf naturnahe schaft in Europa, B.A.U.M., verlieh den Bildungsangebot in eindrucksvoller Weise Lebensräume und großfl ächige Gehege. Preis während der Jahrestagung mit der Wege zu einem neuen Umwelt- und Na- Seit 2011 übernimmt der Wildpark Eek- Thematik „Nachhaltigkeit nur durch Kul- turverständnis auf. holt die Aufgaben des Wolfsinfozentrums turwandel?“ Im Anschluss an die Preis- Die Ziele des Wildparks Eekholt bestehen des Landes Schleswig-Holstein, nimmt verleihung durch Umweltminister Pe- darin, Menschen die Schönheit und Viel- neben seiner Funktion als Ansprechpart- ter Altmaier wurden alle Preisträger im falt von Natur entdecken zu lassen und sie ner alle Wolfshinweise aus der Bevölke- Schloss Bellevue von Bundespräsident für Natur-, Arten- und Umweltschutz zu rung entgegen, die an die zuständigen Joachim Gauck empfangen und für ihre begeistern. Die Bildungsangebote richten Stellen weitergeleitet werden, und bildet besonderen Leistungen im Bereich der sich an Schulklassen, Kindergärten und Wolfsbetreuer aus. Nachhaltigkeit gewürdigt. andere gesellschaftliche Gruppen, denen Mit der neuen, mehr als 10.000m² groß- Theda Hatlapa und Wolf-Gunthram Frhr. ein- und mehrtägige Angebote zur Verfü- en Wolfsanlage und den drei Jungtieren v. Schenck leiten den Wildpark Eekholt gung stehen. neben der Altwölfi n Lena leistet der Wild- gemeinsam seit vielen Jahren und enga- Im Wildpark Eekholt wird Energieeffi zienz park Eekholt einen wichtigen Beitrag zur gieren sich dabei in zahlreichen Projekten großgeschrieben; der benötigte Strom Akzeptanz einer Tierart, die in diesem für einen verantwortungsvollen Umgang wird durch eigene Photovoltaikanlagen Bundesland in freier Wildbahn seit fast mit der Natur. Bereits in den 70er Jahren und Ökostrom gedeckt. Der Wildpark legt 200 Jahren nicht mehr vertreten war. thematisierte der Gründer des Wildparks Lehrschauen zu Themen wie Energie, Dr. h.c. Hans-Heinrich Hatlapa die Wich- Ernährung, virtuelles Wasser oder Le- tigkeit der Umwelterziehung. In diesem bensraum Moor, Flugvorführungen mit Sinne wurde der Wildpark kontinuierlich zu Greifvögeln und Eulen sowie zahlreiche einer Erlebnis- und Bildungsstätte ausge- interessante Sonderveranstaltungen zu baut, die gerade Kindern in anschaulicher jeder Jahreszeit bieten für die Wildparkbe- Weise den Tier- und Artenschutz und sucher ein breites Spektrum an Informati- seine Wechselbeziehungen nahebringt. onen und nachhaltigen Naturerlebnissen. Als erster und einziger privater BNE-zer- tifi zierter Wildpark in Deutschland zeigt Verfasser: Wolf-Gunthram Frhr. v. Schenk der Wildpark Eekholt mit seinem stetig Wildpark Eekholt

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 32 Was interessiert Zoo- und Wildpark-Gäste?

Was interessiert Zoo- und Wildpark-Gäste?

Diese Frage dürfte die meisten Mitarbeiter tiergärtnerischer Einrichtungen schon häufi ger beschäftigt haben. Ob bei der Planung eines neuen Geheges, einer Gäste- führung oder Tier-Show, der Entwicklung eines Faltblatts oder der Konzeption von Beschilderungen, immer geht es auch (bzw. sollte es auch) um die Frage gehen, was den Gast interessiert. Klassisches Tiernamenschild.

Gerade bei Beschilderungen wird in vielen fragungen durchgeführt werden. Auf diese a. Die aus Gästesicht interessantesten Zoos und Tierparks nach wie vor häufi g Weise konnte jeder der teilnehmenden Punkte knüpfen an den modernen Bil- noch auf eine kostengünstige Standard- Parks individuelle Daten gewinnen und wir dungsauftrag von Zoos und Aquarien beschilderung zurückgegriffen. Dies gilt bekamen im Gegenzug in kurzer Zeit eine gemäß der Welt-Zoo-Naturschutzstra- sowohl für große als auch für kleine Tafeln. repräsentative Zahl an Rückmeldungen tegie an. Um letztere geht es in diesem Beitrag, ge- aus unterschiedlichen Einrichtungen. Theo Pagel (2010) brachte die Notwen- nauer, um die allgegenwärtigen Tiersteck- digkeit, inhaltliche Themenschwerpunkte briefe, die häufi g von der Stange erwor- Die Ergebnisse sind spannend und aussa- neu zu bewerten, sehr schön auf den ben werden. Neben den standardisierten gekräftig (Abb. 1). Bei den amerikanischen Punkt: „Auf der einen Seite ist klassische Kurzbeschreibungen fi nden sich auch auf wie den deutschen Gästen besteht offen- Zoopädagogik mit den Schwerpunkten den Eigenproduktionen häufi g diese Infor- sichtlich weitgehend „Einigkeit“ darüber, Taxonomie, Ethologie, Naturkunde, etc. mationen, von denen offensichtlich ange- was als interessant beurteilt wird (Abb. 2). sinnvoll und notwendig. Auf der ande- nommen wird, dass die Gäste sich dafür Stark unterschiedlich wird lediglich das ren Seite müssen wir (...) heute mehr und interessieren. Eine Überprüfung fi ndet un- Thema „Lebensraum“ interpretiert, die mehr auf umfassendere Themen wie Bio- serer Erfahrung nach bis dato nicht statt, Gründe hierfür sind bislang offen. Wäh- logische Vielfalt, Naturschutz, Klimawan- auch wenn derartige Befragungen von rend in den fünf us-amerikanischen Zoos del und Nachhaltigkeit eingehen.“ Besucherforscherseite seit Jahrzehnten und Aquarien insgesamt 367 Gäste be- Stärker biologisch geprägte Themen fal- empfohlen werden. Wenn in Zoos oder fragt wurden, waren es in Deutschland in len auf der Interessenskala der Gäste Wildparks doch Datenerhebungen durch- drei Wildparks insgesamt 314 Gäste. Die deutlich ab, während stärker ökologisch geführt werden, beschränken sich diese unseres Erachtens interessantesten Er- und schutzorientierte Themen tendenziell meist auf marketingtechnisch relevante gebnisse lassen sich thesenartig folgen- weiter vorne liegen. Klar abgeschlagen Informationen. dermaßen zusammenfassen: sind stark traditionelle Kategorien wie zum Beispiel „Wissenschaftlicher Name“ oder Vor diesem Hintergrund erschien 2009 in einer amerikanischen Fachzeitschrift eine Ergebn. in Nindorf in Knüll in Wader in Kategorie Arbeit, die sich mit der Art der Informatio- % (N=314) % (N=98) % (N=102) % (N=114) nen auf Tiersteckbriefen und dem Interes- Besonderheiten 37,26 34,69 37,25 39,47 se der Gäste daran beschäftigte (Fraser et Lebensraum 33,12 27,55 32,35 38,60 al. 2009). Es nahmen an dieser Untersu- chung drei US-amerikanische Zoos und Artname 30,25 23,47 25,49 40,35 zwei Aquarien teil. Zusammengefasst lässt Gefährdungsstatus 23,89 25,51 16,67 28,95 sich feststellen, dass das Gästeinteresse Sozial- und Familienleben 20,38 19,39 32,35 10,53 ausgesprochen homogen war, unabhän- Weltweites Vorkommen 18,15 18,37 9,80 25,44 gig von den Tieren, nach denen gefragt Lebensdauer 17,83 24,49 15,69 14,04 wurde. Auch die Ergebnisse der Einrich- Weg zum Zoo 16,88 17,35 16,67 16,67 tungen untereinander sind sehr ähnlich. Anzahl freilebende Tiere 16,24 18,37 12,75 17,54 Das ausgesprochen schlanke Unter- Aussehen 14,01 13,27 18,63 10,53 suchungsdesign der amerikanischen Kollegen veranlasste uns dazu, einen Alter der gezeigten Tiere 13,06 12,24 11,76 14,91 entsprechenden Fragebogen plus Be- Nahrung Wildnis 10,83 13,27 13,73 6,14 fragungsleitfaden für deutsche Einrich- Anzahl Nachkommen/Geburt 10,19 13,27 13,73 4,39 tungen zu entwickeln, der sich bis auf Größe/Gewicht 9,55 7,14 13,73 7,89 wenige Details an der amerikanischen Nachkommen bei Eltern 8,60 11,22 10,78 4,39 Vorlage orientiert. Biologische Themen <-> Ökologische Nahrung Zoo 6,37 7,14 7,84 4,39 Mit freundlicher Unterstützung durch den Verwandtschaftsverhältnisse 6,05 7,14 2,94 7,89 Tierpark Arche Warder, den Wildpark Knüll Tragezeit 4,46 6,12 5,88 1,75 und den Wildpark Lüneburger Heide konn- ten in 2012 hierzulande entsprechende Be- Wiss. Name 1,27 0,00 1,96 1,75 Abb. 1: Ergebnisse der Umfrage in Deutschland Was interessiert Zoo- und Wildpark-Gäste? 33

die „Tragezeit“. Eine stärkere inhaltliche Eine attraktive, sich auch an Gästewün- von 50 Tieren zum Teil erheblich unter- Orientierung an modernen Themen ist schen orientierende Ausrichtung des in- schied, je nachdem, ob nur ein Foto oder also durchaus auch im Sinne des Gastes. formellen Bildungsangebotes erscheint ein Foto plus Artname vorgelegt wurde Weitere, detailliertere Erhebungen wären sinnvoll und machbar. (Carvell et al. 1998: 213). So stürzte bei- hier sicher hilfreich. spielsweise das niedliche Fellbündel auf c. Namen sind (nicht) Schall und Rauch. der Sympathieskala dramatisch ab, nach- b. Es erscheint auch aus wirtschaft- Vor allem in den USA, aber auch in dem es nicht nur als Bild sondern in Ver- licher Sicht sinnvoll, Gäste im Vorfeld Deutschland verwundert, dass der Art- bindung mit dem Namen „Beutelratte“ vor- nach ihren inhaltlichen Interessen zu name aus Besuchersicht nicht die wich- gestellt wurde. befragen. tigste Information darstellt. Ziel dieses Beitrags ist es, Diskussionen In der oben genannten, amerikanischen In der us-amerikanischen Studie wurde über Sinn und Unsinn von Beschilde- Studie gibt es Hinweise aus der For- dazu die Vermutung geäußert, dass die rungen, speziell von Tiersteckbriefen und schung, wonach die Gesamtzufrieden- Gäste möglicherweise schlicht davon im weiteren auch über die Auswahl sinn- heit mit einem Besuch durchaus mit der ausgehen würden, dass die Nennung stiftender Inhalte allgemein anzuregen. Kenntnis davon zusammenhängt, was des Artnamens auf einem Tiersteckbrief den Gast interessiert, auch in so klein selbstverständlich ist. Gleichwohl wäre es Wir von KON-TIKI würden uns freuen, erscheinenden Dingen wie Tiersteckbrie- interessant zu erkunden, wieso der Artna- wenn der ein oder andere Kollege Inte- fen. Eine einzelne Arbeit konnte darüber me auch bei der Befragung in deutschen resse fi ndet, die Erhebung in seinem Zoo hinaus zeigen, dass eine entsprechende Wildparks nicht an erster Stelle steht, wo oder Park durchzuführen und uns die Da- Zufriedenheit bei den Gästen mit Wieder- doch meist davon ausgegangen wird, dass ten zukommen lässt, da wir die hier be- holungsbesuchen korrelieren kann. Dies wir einen Namen von etwas benötigen, um gonnene Erhebung gerne weiterführen ist sicher nicht allgemein dahingehend zu uns darüber zu verständigen, Motto: „Wir und auf eine breitere Basis stellen würden. interpretieren, dass Zoo- und Parkbesu- schützen nur, was wir kennen.“. Kopiervorlage unter http://goo.gl/jS27p cher häufi ger kommen, wenn Tiersteck- Während das Interesse an den immer ge- briefe verbessert werden, es soll aber die nannten, wissenschaftlichen Tierbezeich- Verfasser: Lars Wohlers, KON-TIKI Aufmerksamkeit auf eine stärkere Beach- nungen laut Umfragen praktisch Null ist, tung der informellen Bildungsangebote lassen sich durchaus auch Argumente an- Literatur: gelenkt werden. führen, die aus didaktischer Sicht gegen Die hier vorgestellte Rangliste der inte- eine grundsätzliche Verwendung nicht nur • Carvell, Claire et al.: How Diana clim- ressierenden Themen soll motivieren, bei der wissenschaftlichen, sondern auch der bed the ratings at the zoo. In: Nature der Themenauswahl auf Tiersteckbriefen deutschen Tiernamen sprechen (Van Ma- 1998, no. 395, 213. zu kürzen, in eine entsprechende Rei- tre 1998: 180ff.). • Fraser, John et al.: What Information henfolge zu bringen und darüber hinaus An dieser Stelle sei daher die Frage aufge- Do Zoo & Aquarium Visitors Want on vielleicht auch einrichtungsspezifi scher worfen, ob Artnamen wirklich die Bedeu- Animal Identifi cation Labels? In: North und attraktiver zu gestalten. Faktoren wie tung haben, die ihnen landauf, landab von American Associaton for Interpretation Lesemotivation oder Aufnahmekapazität Bildungsseite zugesprochen wird. Zum (NAI, ed.): Journal of Interpretation dürfen dabei nicht vernach- Nachdenken regt in diesem Zusammen- Research. 14/2, 2009, S. 7-20. lässigt werden. hang eine Untersuchung im Londoner Zoo • Theo Pagel (2010), in: European an, wonach sich der Sympathiewert Association of Zoos and Aquaria (ed.) (2010): EAZA Strategie einer Bildung für Naturschutz 2010-2012. (Vorwort). Besonderheiten 40 • Van Matre, Steve (1998): 37 Lebensraum Ergebnisse in % Earth Education – ein Neuanfang. The 35 34 Gefährdungsstatus USA in % Institute for Earth Education (Hg.) 33 Artname 31 Sozial- undWeltweites Familienleben Vorkommen Cedar Cove/USA. 30 30 Lebensdauer 28 Weg zum Zoo

25 25 24 24

21 20 20 Anzahl freilebende Tiere 18 18 17 Aussehen Nahrung Wildnis Größe/Gewicht 16 16 Alter der gezeigten TiereAnzahl Nachkommen/Geburt16 15 15 14 14 Nachkommen bei Eltern 13 13 13 Nahrung Zoo 11 10 10 10 10 Tragezeit 9 9 Verwandtschaftsverhältnisse 8 8 7 6 66 5 Wiss. Name 4 2 1 0 Abb. 2: Ergebnisse aus Deutschland und den USA im Vergleich

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 34 Qualifi zierungsoffensive Umweltbildung des DWV auf der Zielgeraden!

Qualifi zierungsoffensive Umweltbil- dung des DWV auf der Zielgeraden!

Die Gründung des Deutschen Wildgehege-Verbandes e.V. vor mehr als 40 Jahren hatte das vorrangige Ziel, Menschen jeden Alters unsere heimische Tierwelt näher zu bringen. Aus einem Waldbesitzerverband kristallisierten sich die Wildgatterbesitzer Fortbildung Stufe I, Hochwild Schutzpark Schwarze Berge heraus, die wiederum eine eigene Arbeitsgruppe der Besucherwildparks bildeten. wickelt. Unabhängig davon, ob es sich Damit war der Grundstein der Umweltbildung in unseren Wildgehegen gelegt. um Gästeführungen, Kindergruppenange- bote, Gehegegestaltungen, Tafelentwick- Seit Beginn des neuen Jahrtausends be- auf europäischer Ebene die „Strategie ei- lungen etc. handelt, die Umweltbildungs- schäftigt sich der Verband nun mit der ner Bildung für Naturschutz“, im selben kriterien des DWV bieten Orientierung Umsetzung eines hochqualifi zierten und Jahr publizierte die DBU eine tiergarten- und gewährleisten – bei aller Individualität dennoch auf möglichst alle Mitgliedsein- spezifi sche Veröffentlichung unter dem – eine vergleichbare Qualität der im Wei- richtungen abgestimmten Bildungsan- Titel: „Tierische Umweltbildung“. Die teren entwickelten, erlebnisorientierten gebotes, das in der Initiative des DWV, Umweltbildungsangebote. nun vorliegenden „Sehr interessant ist der gestartet schon im Das dreistufi g angelegte Angebot ermög- Ausformulierung in- Austausch mit anderen Oktober 2008 über- licht allen Betrieben in Stufe 1 einen praxi- nerhalb der Tiergärt- Einrichtungen“ nimmt damit auch sorientierten Einstieg ins Thema, wobei es nerei einzigartig ist. Dipl. Biol. Sandy Rödde, Tierpark Sababurg eine überregionale schwerpunktmäßig um Planungsgrund- Eine selbstkritische Evaluation unter dem umweltbildnerische Vorreiterrolle in der lagen, Textgestaltung, Gästeführungen Motto „Wer wir sind und was wir wollen“ Tiergärtnerei. und Bildung für nachhaltige Entwicklung und die daran anschließende eigentliche geht. Aufbauend auf diesen Grundlagen Qualifi zierungsoffensive wurden maßgeb- Das DWV-Vorhaben zielt darauf ab allen vermittelt Stufe 2 Grundkenntnisse im lich von der Deutschen Bundesstiftung Mitgliedsbetrieben eine Weiterentwick- Bereich des Qualitätsmanagements, der Umwelt (DBU) unterstützt. Die Bildungs- lung und öffentlich- zooplanerischen Ge- offensive wurde als UN-Dekade-Projekt keitswirksame Zerti- „Kurzweilig, interessant, hegegestaltung, des 2010 im Sinne der Bildung für nachhaltige fi zierung im Bereich praxisorientiert“ Marketings, sowie Marcus Rügamer, Leitung Wildpark Bad Mergentheim Entwicklung (BnE) anerkannt und darf so- der Umweltbildung der Evaluation von mit als umweltbildnerischer Meilenstein in zu ermöglichen. Bis November 2012 nah- Bildungsangeboten. In Stufe 3 geht es der Tiergärtnerei gelten. men 65 Mitarbeiter aus 36 DWV-Parks, schließlich um komplexere Formen des das macht insgesamt 136 Seminarteil- Qualitätsmanagements, um die Entwick- Das Projekt kann als vorläufi ger Höhe- nahmen, teil. Die Rückmeldungen zu den lung von einrichtungsumfassenden Bil- punkt einer ganzen Reihe von Aktivitäten Weiterbildungsveranstaltungen waren dungsplänen und um die zukunftsträch- in Sachen Umweltbildung auf verschie- durchweg positiv. tige Einbeziehung von Freiwilligen im densten Ebenen angesehen werden. So Rahmen des Freiwilligenmanagements. würdigte das Bundesamt für Naturschutz Das Projekt war und ist so angelegt, dass (BfN) im Jahr 2009 die wichtige umweltpä- die Teilnehmenden vollen Einfl uss auf die Die Zertifi zierungen werden durch extra dagogische Arbeit der Zoos und Tierparks Umsetzung und vor allem die Art und In- geschulte Scouts aus den Reihen der durch ein zweijäh- tensität der Zertifi - DWV-Umweltpädagogen durchgeführt, riges Forschungs- „Gute Praxisorientierung bei zierung haben. die im November 2012 die ersten Betriebe projekt über „Natur Übungen und im Vortrag“ So wurden die neu auszeichnen konnten. Sara Engelbrecht, Umweltpädagogin Wildpark Knüll und Nachhaltigkeit entwickelten Krite- Je nach Stufe und Aufgabenstellungen – innovative Bildungsangebote in Bota- rien für formelle und informelle Umwelt- erlangen die Teilnehmer der Stufen 1-3 nischen Gärten, Zoos und Freilichtmu- bildung im Verlauf der letzten zwei Jahre eine offi zielle Würdigung ihrer Anstren- seen“. In 2010 publizierte die European in intensiver Auseinandersetzung mit dem gungen von Seiten des Verbandes. Alle Association of Zoos and Aquaria (EAZA) Thema durch die Seminarteilnehmer ent- teilnehmenden Betriebe erhalten dazu Zertifi kate und Plaketten. Demnächst sind auch werbewirksame Banner für den Au- ßenbereich zum günstigen Selbstkosten- preis geplant. Kritisch angemerkt wurde von verschie- denen Teilnehmern das noch stärker zu entwickelnde Außen-Marketing für das Projekt. Dieser Aufgabe wird sich der Vorstand verstärkt im Anschluss an das Fortbildung Stufe I, Bayerwald Tierpark Lohberg Fortbildung Stufe I, Naturzentrum Wildpark Knüll Qualifi zierungsoffensive Umweltbildung des DWV auf der Zielgeraden! 35

ten „lediglich“ einen Rahmen, der durch die Mitgliedsbetriebe ausgefüllt und ge- nutzt werden kann. Dieses erste Zertifi - zierungssystem der Umweltbildung eines tiergärtnerischen Verbandes im europä- ischen Raum setzt Maßstäbe, die zu einer weiteren Professionalisierung dieser be- sonderen Zukunftsaufgabe beitragen. Der Fortbildung Stufe I, Tierpark Sababurg Fortbildung Stufe I, Wisentgehege Springe Vorstand des DWV wird daher weiter mit DBU-Projekt zuwenden. Mitstreiter sind • der eigenständigen Positionierung der der gewohnten Energie daran arbeiten, hier, wie auch grundsätzlich im AK Um- hieraus nach und nach erwachsen- diesem wichtigen Thema die Bedeutung weltbildung, gerne gesehen. den Angebotselemente (bis hin zum zukommen zu lassen, die nicht nur von Die Vorteile, die sich für teilnehmende Bildungs-Masterplan) in der Außendar- internen, sondern besonders auch von Betriebe ergeben können, sind allerdings stellung durch die einzelnen Betriebe. externen Gruppen verlangt wird. auch abhängig von • der Intensität mit der die Betriebe die Die Organisation der Qualifi zierungsan- Verfasser: Lars Wohlers, KON-TIKI Qualifi zierungsmaßnahmen wahrneh- gebote, sowie die Bewerbung nach Innen men (Zahl und Art der Teilnehmenden, und Außen durch den DWV-Vorstand bie- Integration in die aktuelle und künftige Umweltbildungsarbeit, Evaluationen, Weiterentwicklungen, etc.), • der betrieblichen Durchdringungstiefe (Weitergabe des Erlernten/Diskussion und Umsetzung im Betrieb, Integration in die Arbeitsabläufe wie z. B. der Tier- pfl ege, des Managements, der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, etc.) und Scout-Ausbildung für Stufe II, Tierpark Sababurg Fortbildung Stufe III, Tierpark Sababurg

Natur wiederspiegeln - die Planungssymbiose für moderne Tiergärten

Biologen · Ingenieure Landschaftsplaner

Tiergartengestaltung Wiesenthal Ingenieurbüro für Bauwesen Sennickerode 11 · 37130 Gleichen Vor dem Schöneberger Tor 7 Telefon (0 55 92) 92 74 77 34369 Hofgeismar Telefax (0 55 92) 92 74 78 Telefon (0 56 71) 30 03 [email protected] Telefax (0 56 71) 68 82 www.tiergartengestaltung.de [email protected]

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 36 Sachkundelehrgang Distanzimmobilisation

Sachkundelehrgang Distanzimmobilisation

Sachkundelehrgang zur tierschutzgerechten Distanzimmobilisation und Büchsenkurs für Grosskaliber des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V.

Der Ausbildungsstoff umfasst das • Tierschutzgesetz (§ 5), • Arzneimittelgesetz (§35), • Waffengesetz (§7) sowie die • Tierschutz-Schlachtverordnung (§4, erforderlich für das Töten von Gatter- wild und Rindern in Extensivhaltung durch Kugelschuß mit Großkaliber). Zudem werden die erforderlichen Grund- kenntnisse in Anatomie, Physiologie und Pharmakologie vermittelt.

Gemeinsam mit dem DWV e.V. führen Im praktischen Teil schulen wir aufgrund Prof. Dr. med. vet. Henning Wiesner und unserer langjährigen Erfahrung in der Dis- Dr. med. vet. Julia Gräfi n Maltzan jährlich tanzinjektion aus Gründen des Tierschut- einen praxisorientierten Sachkundelehr- zes am Blasrohr und an den modernsten gang im Tierpark Sababurg (Immobilisati- Kaltgas-Narkosegewehren, welche bei on) und im nahen Holzhausen (Büchsen- sehr geringer Auftreffwucht das Verlet- kurs für Großkaliber) durch. zungsrisiko des Tieres minimieren. Der nächste Kurs wird vom 13.03.2013 bis 15.03.2013 im Tierpark Sababurg Dauer des Lehrgangs stattfi nden. Dabei werden die Teilnehmer ausführlich • Immobilisation: 2 Tage von unserem erfahrenen Expertenteam in (13.03. - 14.03.2013), das umfangreiche Sachgebiet eingeführt • Büchsenkurs für Großkaliber: 1,5 Tage und prüfungsbezogen ausgebildet. Wir (14.03. nachmittags & 15.03.2013). führen diese Spezialkurse unter dem Motto „VOM PROFI FÜR DEN PRAKTIKER“ seit Mit diesen Prüfungsnachweisen kann der über 30 Jahren mit bestem Erfolg durch. Berechtigte eine Waffenbesitzkarte sowie Dadurch sind sie sowohl für (Amts-) Tier- einen Munitionserwerbschein beantragen. ärzte, als auch für Nichttierärzte wie z.B. Von der zuständigen Behörde wird dazu Gatterbesitzer, Wildbiologen, Tierpfl eger, ein Bedürfnisnachweis gefordert, der Zoopersonal, Feuerwehr, Polizei und Bun- eines schriftlichen Antrags bedarf. deswehr gleichermaßen zum Erlangen der Sachkundenachweise geeignet. Referenten & Leitung

Die erfolgreich abgelegte Prüfung wird in • Prof. Dr. med. vet. Henning Wiesner, allen Bundesländern anerkannt. Dabei le- FTA für Zoo-, Gehege und Wildtiere; gen wir didaktisch größten Wert auf eine FTA für Anästhesiologe; FTA für Wild-, auch für den Laien verständliche und gut Zier- und Zoovögel nachvollziehbare Darstellung und Vermitt- • Dr. med. vet. Julia Gräfi n Maltzan, lung des Lehrstoffs. Ganz wichtig ist uns FTA für Zoo-, Gehege und Wildtiere dabei eine praxisbezogene Sachkenntnis • Weitere Experten und amtliche aus der Sicht des aktiven Tierschutzes, Fachreferenten die den Teilnehmern auch nach bestan- dener Prüfung später unter Feldbedin- Weitere Informationen gungen zu Gute kommt. Die Prüfung wird im „multiple choice“ - Verfahren durchge- Deutscher-Wildgehege-Verband e.V. führt. Die Prüfungsunterlagen werden den Geschäftsstelle im Tierpark Sababurg Teilnehmern rechtzeitig vor Kursbeginn Sababurg 1 · 34369 Hofg.-Sababurg zugeschickt. E-Mail: [email protected] Erhebung zum Populationsmanagement und zur Haltung von Wölfen (Canis lupus) in Zoos 37

Foto: Wisentgehege Springe

Erhebung zum Populationsmanagement und zur Haltung von Wölfen (Canis lupus) in Zoos

Der folgende Artikel ist lediglich eine Zusammenfassung der Masterarbeit des Autors aus 2012 an der Georg-August-Universität Göttingen. An dieser Stelle wird die Abschlussarbeit lediglich vorgestellt. Detaillierte Beschreibungen z. B. der Methodik sind hier nicht Zielsetzung. Interessierte Leser können jedoch die gesamte Arbeit, die dankenswerterweise von Herrn E. Wiesenthal als Betreuer unterstützt wurde, als pdf-Datei über den DWV e.V. beziehen.

Durch moderne Haltungsbedingungen Problematisch ist dies, da das TierSchG tel zum Populationsmanagement fordert haben die meisten Arten in Zoos heu- (z. B. §§ 1, 3) den Schutz des einzelnen (SCHÜRER 2000). Diese Forderung sei- te eine höhere Lebenserwartung. Dies Tieres betrachtet. Gleichzeitig verlangt tens des VDZ wurde einvernehmlich auch macht ein Management der Populationen das BNatSchG von Zoos, sich am Erhalt mit dem Deutschen Wildgehege-Verband nötig, um die Geburt überschüssiger Tiere ganzer Arten zu beteiligen (§ 42 Abs. 3 Nr. (DWV e.V.) entwickelt und abgestimmt zu vermeiden (ASA 1993). 7 a und b BNatSchG). Der Gesetzgeber (mündl. Mitt. WIESENTHAL 2012). sieht hier offenbar keinen Konfl ikt. Ande- rer Auffassung ist der Verband Deutscher Wölfe zählen, aufgrund ihrer emotionalen Zoodirektoren (VDZ), der grundsätzlich Nähe zum Menschen und ihrer aktuellen eine Legalisierung der Euthanasie als Mit- Rückkehr nach Deutschland, zu den wichtigsten Leittierarten in zool. Einrich- tungen (mündl. Mitt. WIESENTHAL 2012). Deshalb wurde der Wolf (Canis lupus) als beispielhaftes Zootier untersucht, um den 7 chirurgischkeine männlichKontaktvermeidung alltäglichen Umgang der Zoos mit der Ranz (Paarungszeit), Geburt aunf Aufzucht werden auch hor- monell gesteuert und stärken das Sozialgefüge der Altwölfe Nachzucht festzustellen. Ziel war es, Pa- 6 666 rameter zur Haltung von Wölfen in Zoos Als Techniken zum Populationsmanage- zu erheben und deskriptiv darzustellen. ment stehen den Zoos veterinärmedizi- 5 Besondere Aufmerksamkeit sollte hierbei chirurgischhormonell weiblich weiblich nische Verfahren (BOUTELLE & BERT- dem Bereich des Populationsmanage- SCHINGER 2010), Auswilderung und 4 66 ments gewidmet werden. Um das Ziel zu Euthanasie zur Verfügung (DOLLINGER et erreichen, wurden Fragebögen an ver- al. 2003). In Auswilderungsprogrammen 3 schiedene Zoos gesandt. hormonellEntnahme männlich können allerdings nicht alle überzähligen Zootiere aufgenommen werden (STAUF- 2 66 Die Ergebnisse zeigen unter anderem, FACHER 2003) und die Euthanasie ist in dass permanente Populationsmanage- Deutschland für die Bestandesregulierung 1 mentmethoden mit Abstand die größte in Zoos gesellschaftlich nicht anerkannt Bedeutung haben (siehe Abb. 1). Irre- und dadurch illegal (LUY 2003). 0 versible Methoden werden häufi ger an Häufi gkeitsverteilung der eingesetzten Populations- managementmethoden in den teilnehmenden Zoos.

Fachzeitschrift des Deutschen-Wildgehege-Verbandes e.V. 38 Erhebung zum Populationsmanagement und zur Haltung von Wölfen (Canis lupus) in Zoos

männlichen als an weiblichen Tieren biologischen Gründen. Literatur zum Thema Populationsma- durchgeführt. 33% der teilnehmenden Bei der Wahl der Gehegegrößen richte- nagement zu fi nden, die auf Daten aus der zoologischen Einrichtungen wenden per- ten sich die teilnehmenden Einrichtungen Praxis beruht, war sehr schwierig. Ledig- manente Verfahren an, 20% nutzen kei- nicht nach rechtlich empfohlenen Min- lich PORTON et al. (1990) führten etwas ne Populationsmanagementmethode bei destanforderungen oder Richtwerten. Die Ähnliches in nordamerikanischen Zoos Wölfen und 47% bedienen sich unter- Institutionen boten ihren Wölfen deutlich durch, wobei nur das Populationsma- schiedlicher anderer Methoden. In 6 Fäl- mehr Platz an als gefordert. len wurden Fähen bzw. Rüden hormonell wirksame Präparate verabreicht. Jeweils Mehr als 50% der befragten Institutionen 2 x (je 33%) kamen Suprelorin®, Perlutex® haben an der Untersuchung nicht teilge- und Delvosteron® zum Einsatz. nommen. Dies kann auf theoretisches Desinteresse, wohl eher aber auf die Un- Zudem weisen die Resultate der überprüf- sicherheit bezüglich der aktuellen Rechts- ten Parameter auf sehr gute Haltungsbe- lage zurückgeführt werden. dingungen für die Wölfe in den teilneh- menden Zoos hin. Im Unterschied zur Eine Lösung für das Problem der Nach- Ein Zuchtmanagement mit gezielter Aufzucht von nur freien Wildbahn, in der rund 75% der Wel- zucht muss einen Verbleib der Jungtiere ein oder zwei Welpen pro Jahr wäre erstrebenswert. pen nicht zu adulten Wölfen heranwach- außerhalb der Pfl ege in Zoos beinhalten. Foto: Archiv Insbruck sen (PROMBERGER et al. 2010), sterben Optionen hierfür sind Auswilderungspro- nagement Gegenstand der Untersuchung in zoologischen Einrichtungen lediglich gramme und Euthanasie (DOLLINGER et war. Allerdings wurde nicht eine einzelne 12% der Jungen. Die Würfe bestanden aus al. 2003). Art betrachtet, sondern die Gruppen der Ø 4 ± 2 Welpen pro Wurf. 11 reproduk- Bei den Recherchen zu dieser Arbeit ent- Primaten und Karnivoren. Zu den Karni- tionsfähige Populationen in den nach- stand in mehreren persönlichen Kommu- voren zählten 39 Arten mit 308 Individuen, züchtenden Zoos haben ein Reproduk- nikationen der Eindruck, dass die Meinun- wovon lediglich 27 Wölfe (Canis lupus) tionspotential von 73 Nachkommen je gen der Entscheidungsträger in den Zoos waren. Es lässt sich nicht feststellen, in Ranzzeit. zum Euthanasieren scheinbar weit aus- wie vielen Zoos diese Wölfe gehalten wur- einandergehen. Sie beginnen bei völliger den. An der Befragung, die die Karnivoren Von den befragten Zoos gaben 15 an, Ablehnung, reichen über die Ansicht, dass thematisierte, nahmen etwa 60 Zoos teil. nicht nachzuzüchten. In 10 Institutionen das Thema offen zu diskutieren sei, bis In die hier vorgestellte Arbeit fl ossen Da- (67%) waren Kapazitäts- bzw. Vermitt- hin zur positiven Betrachtung. Im letztge- ten von 28 deutschen und österreichi- lungsprobleme für diese Entscheidung nannten Fall wird Euthanasie als Imitieren schen Zoos ein, in denen 181 Wölfe ver- ausschlaggebend. Weitere 2 Betriebe von Jungensterblichkeit angesehen. Diese schiedener Unterarten gehalten wurden. (13%) gaben an, dass sie aufgrund ei- wird als Regulationsmechanismus ver- Die Ergebnisse von PORTON et al. (1990) ner Kombination aus Kapazitäts- bzw. standen, der in der Natur sehr relevant ist. für den Wolf decken sich mit der Master- Vermittlungsproblemen und biologischen Feststeht, dass dieses Thema mindestens arbeit insofern, als dass von den verschie- Gründen nicht züchten. 3 Zoos (20%) ver- eine technische, rechtliche und ethische denen Populationsmanagementmetho- mieden die Geburt von Welpen aus rein Komponente aufweist (LUY 2005). den permanente Verfahren mit Abstand am häufi gsten zum Einsatz kamen.

Verfasser: Holger von Elling

Quellen

• ASA, C. S. (1993): The Development of Contraceptive Methods of Captive Wildlife. In: USDA National Wildlife Research Center Symposia Contra- ception in Wildlife Management (1993). Lincoln: University of Nebraska. S. 235-240. • BOUTELLE, S. M. & H. J. BERTSCHIN- GER (2010): Reproductive manage- ment in captive and wild canids: con- traception challenges. International Zoo Yearbook 44, S. 109-120. • DOLLINGER, P., ROBIN, K., SMOLIN- SKI, T. & F. WEBER (Hrsg.) (2003): Die Die Aufzucht von Jungwölfen wird immer seltener. Die Zuchterfolge sind zu groß! Foto: Archiv Alpenzoo Insbruck Neue Chancen für Wildgehege: Ruinen als attraktiver Lebensraum - Anzeige 39

Bedeutung von Fortpfl anzung und Auf- Neue Chancen für Wildgehege: zucht von Zootieren. Bern: WAZA Exe- cutive Offi ce. 85 S. Ruinen als attraktiver Lebensraum • GESETZ ÜBER NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE (Bundesna- Wildparks und -gehege beherbergen vorwiegend heimische Tiere, die in weitläu- turschutzgesetz – BNatSchG) vom 29. fi gen, naturnahen Gehegen leben. Eine durchdachte Gehegegestaltung ist maßgeb- Juli 2009. lich für den Erlebniswert des Parkbesuchs und somit für den langfristigen Erfolg. • LUY, J. (2003): Auslegung des deut- schen Rechts hinsichtlich der Tötung Der Trend geht zur gezielten Landschafts- Konkurrenz abzuheben. Nur auf diesem überzähliger Zootiere. In: DOLLINGER, gestaltung. Zoos und Tierparks machen Weg bleibt man dem Besucher im Ge- P., ROBIN, K., SMOLINSKI, T. & F. WE- es bereits vor: Ruinen und spannende dächtnis und beeindruckt ihn so, dass BER (Hrsg.) (2003): Die Bedeutung von Kulissen bieten Nistplätze, Behausungen er wieder kommt und den Park weiter- Fortpfl anzung und Aufzucht von Zoo- und Aussichtsplattformen an exponierten empfi ehlt. Unsere Ideen und Bauwerke tieren. Bern: WAZA Executive Offi ce. Stellen, eine verfallene Hütte dient als können ein guter Baustein auf dem Weg S. 55-56. Behausung für Rehe oder Wölfe und ein dahin sein. • LUY, J. (2005): Euthanasie: ethische riesiger, umgefallener Baum fördert den und rechtliche Aspekte. Vortrag vor der Spieltrieb der Tiere. Das Team von KaGo & Hammerschmidt Berliner Tierärztlichen Gesellschaft. freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme und Tierärztliche Umschau 60, S. 694 698. Dies alles lässt sich mit den Kunstfelsen plant gerne mit Ihnen die Ausgestaltung • PORTON, I., ASA, C. & A. BAKER der KaGo & Hammerschmidt GmbH um- Ihres Parks oder einzelner Gehege. (1990): Survey on the Use of Birth Con- setzen. Der Betrachter erkennt dabei kei- trol Methods in Primates and Carni- nen Unterschied zum tonnenschweren Detaillierte Informationen fi nden Sie unter: vores in North American Zoos. AAZPA Felsen aus der Natur, doch im Gegen- www.felsen.de 1990 Annual Conference Proceedings, satz zu den Originalen bieten die künst- S. 489-497. lichen Objekte zahlreiche Vorteile. Der • PROMBERGER, C., ROCHÉ, J. C., frei gestaltbare Fels ist leichter, robust, PROMBERGER-FÜRPAß, B., GRIMM, über und unter Wasser einsetzbar, witte- J. & T. BAETHMANN (2010): Faszina- rungsbeständig und schwer entfl ammbar. tion Wolf – Mythos Gefährdung Rück- Und das Beste: Die Bewohner fühlen sich kehr. Stuttgart: Franckh-Kosmos Ver- sichtlich wohl damit! lags-GmbH & Co. KG. 77 S. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind gren- • SCHÜRER, U. (2000): Stellungnahme zenlos und ermöglichen eine Vielzahl von des Verbandes Deutscher Zoodirek- interessanten Effekten, die die Materialien toren zum Töten „überzähliger“ Jung- beispielsweise wie morsches Holz wirken tiere – Referat vor dem Ausschuss für lassen. So fügen sich künstlich geschaf- Ernährung, Landwirtschaft und Forsten fene Elemente perfekt in natürliche Land- am 15. März 2000 in Berlin. In: DOL- schaften ein und Mauern, Ruinen, Höhlen, LINGER, P., ROBIN, K., SMOLINSKI, T. Hütten und Baumstämme werden nach & F. WEBER (Hrsg.) (2003): Die Bedeu- und nach von Moos, Efeu und ande- tung von Fortpfl anzung und Aufzucht ren Pfl anzen eingenommen und damit von Zootieren. Bern: WAZA Executive zu festen, attraktiven Bestandteilen der Offi ce. S. 87 89. Umgebung. • STAUFFACHER, M. (2003): Thesen zur verantwortungsvollen Zucht und Auf- In Zukunft wird es immer wichtiger, sich zucht von Tieren im Zoo. In: DOLLIN- mit Alleinstellungsmerkmalen von der GER, P., ROBIN, K., SMOLINSKI, T. & F. WEBER (Hrsg.) (2003): Die Bedeutung von Fortpfl anzung und Aufzucht von NETZE ALLER ART · NETZE ALLER ART · NETZE ALLER ART Zootieren. Bern: WAZA Executive Of- Superstark und supergünstig mit 10 Jahren Garantie: fi ce. S. 43 45. ART

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