BLICK 01 - 2009 das besondere bild



Eine Bogenschützin vor düsterem Himmel, eine aus Würzburg – im Unterschied zu Vorbildern aus durchtrainierte Studentin mit American-Football- Köln oder – mit Absicht verzichtet. Dafür Utensilien, ein Volleyballspieler mitten im Sprung: seien die Stadt, die Uni und das Sportinstitut zu Würzburger Sportstudenten und -studentinnen klein. Hier würden die Models in der Öffentlichkeit haben in diesem Semester zum ersten Mal einen zu schnell erkannt. Auf der Straße zum Beispiel Kalender herausgegeben, in dem die Studierenden oder beim Einkaufen. Oder in Schulen, und das in sportlichen – und mal mehr, mal minder ero- hätte dann problematisch sein können – denn tischen – Posen zu sehen sind. Das Projekt dient viele Sportstudierende arbeiten später als Lehrer. einem guten Zweck: Der Erlös geht an die Würz- Geschminkt und frisiert wurden die 24 studen- burger Kinderfonds-Stiftung „Glück im Unglück“. tischen Models von der Würzburger Stylistin Elke Die kümmert sich um benachteiligte Kinder und Kampermann. Die Bilder hat der Würzburger Profi- Jugendliche und unterstützt nach eigenen Angaben Fotograf Daniel Peter geschossen. Beide haben besonders das Kinderzentrum „Spieli“ im Stadtteil dafür kein Geld verlangt, damit die Studierenden Zellerau. Auf Nacktfotos haben die Studierenden möglichst viel für die Stiftung erlösen konnten. BLICK 01 - 2009

Liebe Leserinnen, liebe Leser! IMPRESSUM

Die Medien bringen seit Monaten immer wieder diese Schlagzeile: „2009 ist das Herausgeber Darwin-Jahr“. Zwei Anlässe gibt es dafür: Charles Darwin veröffentlichte seine Julius-Maximilians-Universität bahnbrechende Theorie über die Entstehung der Arten anno 1859, also vor 150 Würzburg - der Präsident Jahren. Außerdem jährt sich 2009 sein Geburtstag zum 200. Mal. Prof. Dr. Axel Haase

Das sind schöne runde Zahlen, die ein Gedenkjahr durchaus rechtfertigen. Zumal Organ des Universitätsbundes Darwin nach wie vor aktuell ist: Seine Evolutionstheorie sorgt auch heute noch für Würzburg Spannungen zwischen Naturwissenschaften und Religion.

Darum hat die Redaktion von Blick nicht lange gezögert, Darwin und die Evo- Redaktion lution in den Mittelpunkt dieses Heftes zu stellen. Dass die Biologen dabei eine Dr. Georg Kaiser (verantwortlich), tragende Rolle spielen würden, war von Anfang an klar. Zu Wort kommen aber Gunnar Bartsch, Robert Emmerich, auch Theologen, Literaturwissenschaftler, Bioinformatiker und Mediziner. Dr. Gabriele Geibig-Wagner, Margarete Pauli, Dr. Karin Sekora

Als die Idee für dieses Heft entstand, gingen viele davon aus, dass das Bundes­ Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit inhalt editorial forschungsministerium mit seiner Initiative „Wissenschaft im Dialog“ für 2009 ein Tel.: +49 931 31 27 50 Darwin-Jahr ausrufen würde – schließlich hat es in der Reihe der Wissenschafts- [email protected] jahre auch schon ein Einstein-Jahr gegeben. Aber es kam anders: Für 2009 ent- schied sich das Ministerium für das Motto „Forschungsexpedition Deutschland“. Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter Aha. Dass diese Expedition eher schwammig rüberkommt, ist offenbar auch ihren Astrid Jahnke, Sabine Metzger, Machern klar. Denn auf der Homepage von „Wissenschaft im Dialog“ erklären Daniel Peter sie wortreich, was sie damit meinen: „Die Menschen sind eingeladen zu einer Ent- deckungsreise durch die deutsche Forschungslandschaft. Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft, Bildung, Kultur und Politik werden die Türen ihrer Einrichtungen Anzeigen  öffnen und zum Blick auf neueste Entwicklungen in der Forschung einladen. Das Anzeigen- und Werbekontor Wissenschaftsjahr will deutlich machen, welche Bedeutung Wissenschaft und For- Ruchti GmbH, Virchowstraße 10, schung für den Menschen haben – in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ 97072 Würzburg Tel.: +49 931 72 20 6 Ob ein solcher Rundumschlag geeignet ist, den [email protected] Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft www.anzeigen-ruchti.de spannend zu halten? Wenn Alle alles vorzeigen? Anno 2000 war die Initiative mit dem Jahr der Physik gestartet. Es folgten Lebenswissen- Druck schaften, Informatik und andere Gebiete. Da Schleunungdruck GmbH wusste man, woran man war. Und jetzt? Kommt Eltertstraße 27, 97828 Marktheidenfeld eine Expedition ins Ungefähre. Tel.: +49 93 91 60 05 0

Warum kein Darwin-Jahr? Möglich wäre auch ein Jahr der Astronomie gewesen: Vor 400 Erscheinungsweise Jahren machte Galileo Galilei seine ersten Blick erscheint vier Mal im Jahr: Januar, Beobachtungen mit dem Fernrohr, April, Juli und Oktober jeweils zur Johannes Kepler veröffentlichte die Monatsmitte. Grundlagen einer neuen Astrono- Namentlich gekennzeichnete Artikel mie. Darum haben die Vereinten geben die Meinung des Verfassers, Nationen 2009 zum Internationalen nicht die der Hochschulleitung wieder. Jahr der Astronomie erklärt. Die Metropolregion Nürnberg hat das auf- Charles Darwin (Wiedergegeben mit der gegriffen und eine Veranstaltungsreihe Erlaubnis von John van Wyhe ed., Titelbild auf die Beine gestellt: „Das Weltall: Du The Complete Work of Charles Darwin Online, Fotos: Dieter Mahsberg (4) mit freund- lebst darin – entdecke es!“ Das hört sich http://darwin-online.org.uk/) licher Unterstützung von Mirko Wölf- besser an als „Forschungsexpedition Deutschland“. ling. Zu sehen sind vier Unterarten des Schwalbenschwanzes Papilio machaon. Bei der Lektüre von Blick wünschen wir viel Spaß. Anregungen und Kritik zum Dieter Haugk (1) / www.pixelio.de Heft richten Sie bitte an die Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit: Collage: Gunnar Bartsch, Katja Herr- [email protected] mann, Schleunungdruck GmbH Robert Emmerich BLICK 01 - 2009

menschenmenschen

Mit Gedanken den PC steuern 6 Die Professorin Andrea Kübler ist neu am Institut für Psychologie

Ideengeber und Diskussionspartner 8 Martin Eilers ist neuer Inhaber des Lehrstuhls für Physiologische Chemie II Neue Wege: Andrea Kübler arbeitet an Ge- hirn-Computer-Verbindungen Seite 6 Zu Gast an der Uni 10 Der Humboldt-Preisträger Mark Marsh erforscht HIV-Erreger

Zu Gast in der Fremde 11 Stephan Wagner hat in Afghanistan beim Aufbau eines Labors geholfen

Ein Gewinn für alle Beteiligten inhalt 12 Werner Hanke ist Seniorprofessor an der Uni Würzburg studium

Mathe mit dem Kutzer-Zug 14 Ferne Länder: Sabine Metzger hat ein Prak- Studierende lieben die Lernwerkstatt und hassen den Weg dorthin tikum in Afrika absolviert Seite 16 Karibu in Tansania 16  Sabine Metzger hat ein Praktikum in Tansania absolviert

Andere Länder, andere Sitten 18 Das Projekt „Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz“ thema

Sammler aus Leidenschaft 19 Vor 200 Jahren wurde Charles Darwin geboren. Vor 150 Jahren veröffentlichte er sein Hauptwerk „On the Origin of Species“. Seine Arbeit bildet die Grundlage der modernen Evolutionstheorie Große Fragen: Wie Evolutionstheorie und und markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte die Bibel zusammenpassen Seite 34 der Biologie.

Die Tumorzelle hat den Vorteil 24 Fische, die kaum schwimmen können und trotzdem den Weibchen imponieren. Eine rote Königin, die rennt, aber keinen Schritt voran kommt: Die Evolution hält viele Überraschungen parat.

Brillenträger sind die Zukunft 26 Der Humangenetiker Holger Höhn im Interview

Wenn der Putzer zubeißt 30 Eine Vorlesungsstunde über Evolution im Biozentrum

Die Evolution als Rechenaufgabe 32 Anderes Denken: Wie Darwin die Literatur- Bioinformatiker berechnen den Stammbaum des Lebens geschichte beeinflusst hat Seite 36 Am Anfang war das Wort 34 Religiöse Wahrheiten und naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind zwei verschiedene Ansätze, die sich gegenseitig aber nicht ausschließen. BLICK 01 - 2009

thema

Bruch beim grünen Heinrich 36 Was die Evolutionstheorie bei den Literaten auslöste

Auf Spurensuche im Vatikan 38 Ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit untersucht, wie die katholische Kirche auf Darwins Evolutionstheorie reagierte Verborgene Zeugnisse: Ein Theologe auf Spurensuche im Vatikan Seite 38 forschung

Damit der Frühstart ohne Folgen bleibt 42 Es braucht viel Erfahrung, Einfühlungsvermögen und eine besondere Infrastruktur und Technik, damit Kinder, die zu früh auf die Welt kommen, ohne bleibende Schäden ihren weiteren Lebensweg inhalt inhalt absolvieren können. An der Universitäts-Kinderklinik ist dies alles vorhanden. Ihr Leiter, Professor Christian P. Speer, engagiert sich seit vielen Jahren dafür, dass Erkenntnisse aus der Forschung schnell in der Praxis landen.

Keine Angst vor Schwarzen Löchern 46 Die Forschung mit dem Teilchenbeschleuniger bietet Chancen und Kleine Hände: Wie Kinderärzte Frühgebo- neue Perspektiven renen den Start erleichtern Seite 42

Blaues aus Beeren 51  Lebensmittelchemiker erforschen medizinisch interessante Stoffe

Ein Navi für den Pharao 52 Würzburger Ägyptologen stellen interaktive Datenbank ins Netz, die bei der Suche nach Tempelinschriften behilflich ist

Schneller als die Amerikaner 54 Phase-I-Unit an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II der Universität Würzburg ermöglicht Erfolg in der Krebsforschung campus Viele Bilder: Eine Datenbank hilft bei der Suche nach Inschriften Seite 52 Geschüttelt und gerührt 56 Am Rudolf-Virchow-Zentrum können Schüler selbständig experimentieren und im Anschluss daran wie Reporter Wissenschaftlern bei der Arbeit zuschauen und sie interviewen. Ihre Berichte veröffentlichen die „ForscherReporter“ in ihren Schülerzeitungen und auf einer eigenen Homepage

Wandeln durch den Regenwald 58 Die Schaugewächshäuser im Botanischen Garten sind saniert

Ansturm auf die Uni-Messe 59 Tausende Besucher kommen auf die Internationale Hochschulmesse

Newsletter 60 Neue Wege: Der Botanische Garten hat seine Gewächshäuser renoviert Seite 58 Personalia 63

Die Frage zum Schluss 66 BLICK 01 - 2009 menschen



Als Doktorandin in Tübingen arbeitete Andrea Kübler viele Jahre mit einen gelähmten Patienten zusammen. Ein Bild aus dieser Zeit hängt heute in ihrem Würzburger Büro. (Foto Robert Emmerich) Mit Gedanken den PC steuern Professorin Andrea Kübler ist neu am Institut für Psychologie

as der Höhepunkt in ihrem Le- klärt: Wenn sich ein Mensch bestimmte sklerose (ALS). Diese Diagnose kommt Wben als Forscherin war? Da muss Körperbewegungen, Buchstaben oder einem Todesurteil gleich: Die Nerven, Andrea Kübler nicht lange nachden- andere Dinge vorstellt, entstehen in die normalerweise die Muskeln in Ak- ken: „Als es einem komplett gelähmten seinem Gehirn jeweils charakteristi- tion versetzen, gehen nach und nach Patienten erstmals gelungen ist, einen sche Signalmuster. Die lassen sich mit zugrunde. Dadurch kommt es zu fort- Brief zu schreiben – indem er allein Elektroden an der Kopfoberfläche schreitenden Lähmungen. Die Betrof- mit seinen Gedanken einen Computer aufzeichnen, per Computer analysieren fenen sterben in der Regel wenige Jahre gesteuert hat.“ und in Steuersignale umwandeln, die nach der Diagnose, weil am Ende auch Als sie diesen Patienten im Jahr 1996 dann beispielsweise den Cursor eines die Atemmuskulatur ihren Dienst ver- kennenlernte, war Andrea Kübler Dok- PCs bewegen, einen Rollstuhl oder eine sagt. torandin am Institut für medizinische Armprothese. Mit solchen Patienten möchte die Psychologie und Verhaltensneurobio- Allerdings ist Training nötig, bis bei- 45-jährige Wissenschaftlerin auch in logie der Universität Tübingen. Dort spielsweise ein gelähmter Patient ei- Würzburg weiterarbeiten. Nicht nur arbeitete sie bei Professor Niels Bir- nen Computer mit Gedanken steuern die technischen Möglichkeiten der Ge- baumer mit. In seinem Team werden kann. „Manche schaffen das nie“, sagt hirn-Computer-Schnittstellen sollen so genannte Brain-Computer-Inter- Andrea Kübler. Der Patient aber, den dabei im Mittelpunkt stehen. Denn der faces entwickelt, Verbindungen also sie länger als zehn Jahre bis zu seinem Umgang mit ALS-Patienten hat für die zwischen Gehirn und Computer. Lebensende begleitet hat, konnte es. Psychologin neue Forschungsfragen Wie das funktioniert? Vereinfacht er- Der Mann litt an Amyotropher Lateral- aufgeworfen: Wie steht es um die Le- BLICK 01 - 2009

bensqualität von Menschen, die immer bestehen. Sie selbst hat ihre Laufbahn unbeweglicher werden? Die irgend- in der Wissenschaft mit einem Biolo- Zur Person wann nicht mehr mit anderen kom- giestudium begonnen. „Ich wollte spä- Andrea Kübler, 1963 in Ludwigs- munizieren können? Die wissen, dass ter umweltpolitisch aktiv werden, hatte burg geboren. Biologiestudium sie sterben müssen? „Man könnte ja damals aber nur eine recht vage Idee in Stuttgart, Tübingen und denken, dass all diese Patienten depres- über das Wie und Wo.“ Bei dieser Aus- Würzburg; Diplom 1990. Danach siv werden müssen. Dabei ist genau das gangslage war Biologie eine gute Wahl. Volontariat als Verlagslektorin Gegenteil der Fall, meist empfinden sie Andrea Kübler spezialisierte sich auf bei Franck-Kosmos (Stuttgart) ihre Lebensqualität als gut“, sagt An- Botanik, ein Semester lang studierte sie und Tätigkeit als Lektorin. drea Kübler. Warum das so ist, darüber sogar an der Uni Würzburg, wegen der 1992-1995 Geschäftsführerin möchte sie mehr erfahren. hiesigen Pflanzenökologie. von Bündnis 90/Die Grünen in Vereinzelt entwickeln sich aber auch Stuttgart. 1996-2000 Promotion Depressionen bei ALS-Patienten: „Die Der Hochschule vorerst den an der Universität Tübingen, par- werden aber oft nicht erkannt und folg- Rücken gekehrt allel dazu bis 2001 Studium der lich auch nicht behandelt.“ Diesem Feld Doch nach dem Studium kehrte sie der Psychologie. Assistant Professor will sich die neue Professorin ebenfalls Hochschulszene vorerst den Rücken an der Uni Tübingen, 2001-2003 widmen und psychologische Interven- – sie war damals der Meinung, eine Postdoc am Trinity College in tionen für solche Patienten erarbeiten. Karriere in der Universität sei nicht ihr Dublin. 2005 Habilitation an der menschen Mit Interventionen meint sie nicht nur Ding. Stattdessen absolvierte sie ein Uni Tübingen, 2007-2008 Reader Psychotherapien, sondern auch Akti- Volontariat als Lektorin beim Stuttgar- an der Roehampton University vitäten im Umfeld der Patienten. „Sie ter Franck-Kosmos-Verlag, der unter London. sind ja stark pflegeabhängig, und wenn anderem Naturführer und Experimen- da etwas nicht stimmt, wenn zum Bei- tierkästen herausbringt. spiel der Pfleger unzuverlässig ist, kann Als Lektorin arbeitete sie insgesamt sie das stark belasten“, erklärt Andrea vier Jahre lang – und dann wurde es Kübler. doch noch etwas mit der Umweltpoli- tik: Andrea Kübler übernahm für einige Sucht- und Schlafforschung als Jahre den Posten als Geschäftsführerin  weitere Schwerpunkte der Grünen in Stuttgart, wurde dort Neben den Gehirn-Computer-Schnitt- auch in den Stadtrat gewählt. Aber auf stellen hat die Psychologin zwei weitere Dauer sollte diese Tätigkeit sie nicht Forschungsgebiete. Eines davon ist die ausfüllen: „Ich muss nicht ständig im Suchtforschung, und hier interessiert Rampenlicht stehen. Darum und aus sie sich vor allem für die Verände- anderen Gründen war die Politik ein- rungen, zu denen es in einem süchtigen fach nicht meine Welt.“ Gehirn kommt. Der Schwerpunkt liegt Zu diesem Zeitpunkt war sie 33 Jah- dabei auf Verhaltenssüchten, etwa auf re alt und stand vor der Frage: Was der Kaufsucht, sowie auf suchtartigen möchte ich eigentlich wirklich gerne Ess-Störungen. Das andere Gebiet ist machen? Die Antwort war klar: Psy- die Erforschung von Schlafstörun- chologie. Doch ein Zweitstudium in gen bei Kindern: „Dabei geht es um einem ZVS-Fach zu bekommen, erwies Störungen, die keine primär physiolo- sich als schwierig: Als Biologin musste gische Ursache haben. Damit wird sich sie fachlich begründen, warum ein Psy- ab März eine Doktorandin befassen.“ chologie-Studium für sie unverzicht- Auch für den Schlaf von ALS-Patienten bar sei. Das gelang ihr erst, nachdem interessiert sich Andrea Kübler. Wie sie Doktorandin bei Niels Birbaumer verändern sich das Schlafmuster und geworden war. Der Experte für Brain- die Träume bei Menschen, die an dieser Computer-Interfaces hatte jemanden Krankheit leiden? Auf diesem Gebiet für die Arbeit mit ALS-Patienten ge- hat sie einen prominenten Kooperati- sucht. onspartner aus den USA: Professor Al- Nun konnte Andrea Kübler promo- lan Hobson von der Harvard Medical vieren und parallel dazu Psychologie School, der als einer der berühmtesten studieren. Eine harte Zeit. „Vier Jahre Schlafforscher gilt: „Von ihm stammt lang hatte ich kaum ein freies Wochen- zum Beispiel die Erkenntnis, dass der ende“, sagt sie, „und das ist bis heute Hirnstamm die Schlafphasen steuert.“ so geblieben.“ Der Mangel an Freizeit Das Team, das die Professorin in macht ihr aber offensichtlich nichts Würzburg aufbauen will, wird interdis- aus: „Ich habe viel Spaß an der wissen- ziplinär sein und aus Psychologen, Bio­ schaftlichen Arbeit.“ logen, Medizinern und Informatikern Robert Emmerich BLICK 01 - 2009

Ein möglichst intensives Diskussionsklima ist ihm wichtig: Der Biochemiker Martin Eilers verbringt mehrere Stunden am Tag mit seinen Graduierten. (Foto Margarete Pauli) menschen

Ideengeber und Diskussionspartner  Martin Eilers ist der neue Inhaber des Lehrstuhls für Physiologische Chemie II

ls Martin Eilers 1988 als Postdoc pe von drei Onkogenen, den sogenann- mich drei Mal und dann ist Schluss‘, Anach San Francisco ging, ins La- ten MYC-Genen, die zur Entstehung vergisst, dass sie eigentlich eine normale bor des Entdeckers der Onkogene und vieler, möglicherweise fast aller Tumore Zelle ist und immer weiter proliferiert“, späteren Nobelpreisträgers Michael beim Menschen beitragen: Diese Gene erklärt der Biochemiker. „Diese Dinge Bishop, hatte sich schon abgezeichnet, steuern die Produktion von bestimmten sind nicht nur wichtig für die Grundla- dass die sogenannten Myc-Proteine Eiweißen, den Myc-Proteinen. Tumore genforschung: Es gibt viele Hinweise, „ein großes Rätsel“ sind. Allerdings stellen in aller Regel viel mehr von die- dass es eine gute Tumortherapie wäre, hatte er damals noch die Idee, dass sen Eiweißen her als normale Gewebe. wenn es gelingen würde, Myc-Proteine dieses Rätsel in zwei bis drei Jahren ge- Außerdem – das zeigen unter anderem mit Medikamenten zu hemmen“. löst sein würde, erzählt er heute durch- auch Eilers eigene Versuche – regen Ein zweiter Schwerpunkt seiner Arbeit aus amüsiert. Mittlerweile weiß er, dass Myc-Proteine normale Zellen dazu an, liegt darin, Gene zu identifizieren, die solche Entdeckungen zuweilen etwas unkontrolliert zu wachsen. für das Wachstum von Tumorzellen länger dauern. Aber das Thema hat ihn notwendig sind, für normale Zellen seither nicht mehr losgelassen: „Diese Myc-Proteine verleiten normale aber keine nennenswerte Bedeutung Proteine gehören zu den großen unge- Zellen zu einem anderem Verhalten haben – mit dem Ziel, solche Gene lösten Fragen der Tumorbiologie“, sagt Wie sie diese Funktion ausüben, sei eventuell ausschalten zu können. der Professor, der seit Oktober 2008 jedoch trotz vieler Fortschritte immer Dazu setzt sein Team die sogenannten den Lehrstuhl für Physiologische Che- noch nicht geklärt, berichtet Eilers und SiRNA-Screens ein. Mit Hilfe dieser mie II am Biozentrum der Universität hofft, mit seiner Arbeit in Würzburg neuen Techniken wird systematisch ein Würzburg innehat. „Solange wir diese zur Lösung des Problems beitragen zu Gen nach dem anderen in einer Tu- Fragen nicht verstehen, verstehen wir können. Ganz wichtig sei derzeit zum morzellen ausgeschaltet, um zu prüfen, die Entstehung von Tumoren nicht.“ Beispiel die Frage, „ob diese Myc-Prote- welche Gene für das Tumorwachstum Martin Eilers konzentriert sich in seiner ine normale Zellen dazu verleiten, sich notwendig sind. In diesen Fragen ar- Forschung auf grundlegende Mecha- wie Stammzellen zu verhalten – und ob beiten Wissenschaftler aus Würzburg nismen der Tumorentstehung. Tumore dies ihre tumorerzeugende Funktion und Marburg, wo Eilers bislang tätig bilden sich – das weiß man schon seit erklären könnte“. Denn Stammzellen war, bereits intensiv zusammen – in geraumer Zeit – infolge von Mutati- können sich selbst erneuern und sich in dem von der Deutschen Forschungsge- onen in einzelnen Genen, die deswe- alle möglichen Richtungen ausdifferen- meinschaft (DFG) geförderten Trans- gen auch als Tumor- oder Onkogene zieren. „Die Frage ist also, ob eine ty- regio-Forschungsverbund und in einer bezeichnet werden. Der Schwerpunkt pische Zelle in einem Gewebeverband, klinischen Forschergruppe. von Eilers‘ Arbeit liegt auf einer Grup- die weiß: ,Hier ist mein Platz, ich teile Sein Fach, so scheint es, fasziniert Mar- BLICK 01 - 2009

tin Eilers mehr denn je. Die Tumorbio- im Transregio-Forschungsverbund und logie sei in einem „äußerst spannenden in der klinischen Forschergruppe sehr Zur Person Stadium“ angekommen, sagt er: „In gewinnbringend kooperiere, habe letzt- einem Stadium, in dem man auf der lich den Ausschlag gegeben, sagt Eilers: Martin Eilers, 1960 in Bonn einen Seite grundlegende Prozesse der „Das ist schon eine sehr forschungsin- geboren, war Stipendiat der Zellentstehung und Zellentwicklung tensive Landschaft hier in Würzburg.“ „Studienstiftung des Deutschen versteht und auf der anderen Seite die Außerdem seien die „Rahmenbedin- Volkes“ und hat Chemie und berechtigte Hoffnung herrscht, dass gungen in Bayern einfach besser“. Biochemie an den Universi- dies zu anwendbaren Therapien führt. täten von Münster, Tübingen Dieser Dualismus ist sehr spannend.“ Praktische Laborarbeit soll und Edinburgh studiert. Seine Und die Tumorbiologie ist nach seiner möglichst früh beginnen Diplomarbeit schrieb er am Meinung eines der wenigen Fächer, „in Der neue Lehrstuhlinhaber versteht Max-Planck-Institut Tübingen. dem sich beginnt zu zeigen, dass das sich als derjenige im Team, der Ideen Seine Dissertation fertigte er am verbesserte molekulare Verständnis der produziert und Richtungen vorgibt. Biozentrum der Universität Basel Krankheitsprozesse zu konkreten Ver- Im Labor steht er selbst schon seit 15 bei Gottfried Schatz an. Als Post- besserungen in der Therapie führt “. Jahren nicht mehr. „Das macht keinen doctoral Fellow forschte er von Martin Eilers hat in Münster, Tübingen Sinn mehr“, sagt er unumwunden. Mit 1988 bis 1990 an der University und Edinburgh Chemie und Biochemie seinen Graduierten verbringe er aber of California in San Francisco – menschen studiert. In seiner Doktorarbeit hat er täglich mehrere Stunden, um über de- im Labor des Nobelpreisträgers noch ein klassisches zellbiologisches ren Projekte und aktuelle Literatur zu Michael Bishop. 1991 wechselte Thema bearbeitet. Doch dann suchte sprechen. Das sei vielleicht etwas, was er zurück nach Deutschland, wo er nach einem Arbeitsfeld, das noch of- ihn auszeichne, sagt er über sich selbst. er eine Forschungsgruppe am fener war. Also ging er als Postdoc nach Ein möglichst intensives Diskussions- Zentrum für Molekulare Biologie San Francisco – ins Labor von Micha- klima zu schaffen – vor allem darauf (ZMBH) der Universität Heidel- el Bishop, der für die Entdeckung der kommt es ihm an. berg leitete. Von 1997 bis 2008 Onkogene 1989 den Nobelpreis be- In der Lehre ist ihm wichtig, dass die war er Professor für Molekular- kam. 1991 hat Eilers am Zentrum für praktische Laborarbeit möglichst früh biologie am Institut für Moleku- molekulare Biologie in Heidelberg sei- beginnt: Zum einen, damit die Studie- larbiologie und Tumorforschung  ne erste eigene Arbeitsgruppe bekom- renden schneller sehen, wie Wissen- (IMT) der Universität Marburg. men. 1997 wurde er dann Professor für schaft funktioniert. Zum anderen aber Seit Oktober 2008 hat er die Molekularbiologie am Institut für Mo- auch, damit sie Einblick bekommen, Professur für Physiologische lekularbiologie und Tumorforschung „wie neue Fragen entstehen, wie unsi- Chemie II am Biozentrum der (IMT) der Universität Marburg. cher sie sind – und auch wo diese neu- Universität Würzburg inne. Eilers Seither haben ihn die verschiedensten en Fragen herkommen: nämlich aus der hat 1995 den Hess-Preis der Universitäten – das Netherlands Can- Auseinandersetzung mit der Literatur“. Deutschen Forschungsgemein- cer Center, die Universität Konstanz, Anfang des neuen Jahres, so hofft Mar- schaft (DFG) bekommen und die Gesamthochschule Essen und die tin Eilers, wird der Umzug seiner Ar- 2004 den Deutschen Krebspreis. Universität Göttingen – zu gewinnen beitsgruppe nach Würzburg geschafft Er war Fachgutachter „Moleku- gesucht. Auch die Universität Würz- sein. Er selbst wird am Wochenende larbiologie“ und Fachgutachter burg hat ihn schon zwei Mal vergeblich vorerst noch nach Marburg pendeln. „Biochemie“ der Deutschen For- gerufen. Nun, beim dritten Anlauf, mit Die jüngere seiner beiden Töchter schungsgemeinschaft. Seit 2004 Erfolg: Vor allem die direkte Zusam- steht kurz vor dem Abitur. Das soll sie ist er Sprecher des Transregio menarbeit mit Kollegen wie Manfred noch in Marburg abschließen können, „Ras-dependent pathways in Schartl, Ralf Bargou und Hermann bevor auch die Familie nach Würzburg human Cancer“. Einsele, mit denen er schon seit Jahren kommt. Margarete Pauli

Darwin und die Tumorbiologie

arum bekommen Menschen Krebs? Für Martin Eilers zepte aber auch wichtige Sichtweisen für die Entstehung von Wbietet Darwins Evolutionstheorie eine gute Erklärung. Krebs“: „Die Tumorentstehung ist ein mikroevolutionärer Bei Mäusen zum Beispiel lasse sich die Krebsrate mit gen- Prozess, bei der eine erste mutierte Zelle schneller wächst technischen Eingriffen senken. Deshalb geht er davon aus, und sich schneller teilt als die anderen und dadurch letztlich dass beim Menschen wahrscheinlich keine Selektionsmecha- die anderen Zellen verdrängt. Das erklärt, warum es bei Tu- nismen gegen Krebs entstehen, „weil dessen Eliminierung morzellen zu so vielen Mutationen kommt.“ Die Metastasen- kein so ganz hohes evolutionäres Ziel ist“. Vor allem weil bildung hingegen werde noch nicht verstanden, sei aber auch Menschen in der Regel erst im höheren Alter Krebs bekom- kein evolutionärer Prozess. „Denn wo wäre der evolutionäre men, also dann, wenn die Krankheit den Fortbestand der Art Vorteil, Metastasen zu bilden, nachdem sie aus dem Umfeld, nicht mehr gefährdet. Für Eilers liefern „evolutionäre Kon- in dem sie sich bilden, auswandern?“ Margarete Pauli BLICK 01 - 2009

Zu Gast an der Uni Der Humboldt-Preisträger Mark Marsh erforscht die Ausbreitung der HIV-Erreger in der Zelle

enau betrachtet hat seine wissen- Zellen, über den Zusammenbau neuer Gschaftliche Karriere in Heidelberg Viruspartikel und über die Freisetzung begonnen, am „European Molecular von Viren aus infizierten Zellen. Mit Biology Laboratory“ (EMBL). Seine seiner Forschung hat er wesentlich Zeit dort als Postdoc sei „total inspirie- dazu beigetragen, das Wissen über die rend“ gewesen, schwärmt Mark Marsh Aufnahme von Infektionserregern wie noch immer. „Es war wunderbar. Ein HIV und Herpesviren in Zellen zu Institut, an dem einem alle Möglich- mehren. „Konkret“, erklärt er, „versu- keiten offen standen. Man konnte mit chen wir die Signale zu verstehen, die exzellenten Kollegen zusammenarbei- von viralen Proteinen ausgehen und die ten.“ Damals sei er das erste Mal richtig den Verkehr in den Zellen kontrollieren fasziniert gewesen von Wissenschaft – um dann herausfinden, ob die Ent- menschen und von der Idee, eine wissenschaft- wicklung der Krankheit aufgehalten liche Karriere zu verfolgen. Mittlerwei- werden kann, wenn man diese Signale le ist er Direktor einer renommierten beeinflusst“. Erste Experimente, sagt zellbiologischen Forschungseinrich- er, sprächen dafür. Zusammen mit den tung in London und einer der angese- Würzburger Virologen um die Pro- hensten Vertreter seines Fachs. Und er fessoren Axel Rethwilm und Sibylle ist zurück in Deutschland: 2007 wurde Schneider-Schaulies möchte er gerne er mit dem Humboldt-Forschungspreis der Frage nachgehen, wie Viren die In- ausgezeichnet. Diesen nutzt er nun für teraktion zwischen den Zellen ausnut- 10 eine Kooperation mit dem Institut für zen für die Übertragung und Entwick- Virologie und Immunbiologie an der lung der Krankheit. Universität Würzburg. Bei all dem wähnt er sein Fach zurzeit Mark Marsh ist ein leidenschaftlicher in einem „goldenen Zeitalter der Bi- Netzwerker. Kollegialität, kollegi- ologie“: „Wir haben nun Hilfsmittel aler Austausch bedeuten ihm viel. In und Methoden, um Fragen zu stellen, Mark Marsh (Foto Margarete Pauli) Deutschland pflegt er neben Würz- die vor 15 oder 20 Jahren undenkbar burg Kontakte mit Wissenschaftlern in gewesen wären“, ist er jeden Tag aufs , Köln und – natürlich – Hei- Neue begeistert. Aber bei aller Faszi- delberg. Entsprechend kommt ihm der nation: Diese Arbeit kann auch sehr Humboldt-Preis, der internationale vereinnahmend sein. „Man muss sich Forschungskontakte fördern will, sehr voll zuwenden, es gibt immer Meetings, entgegen. Für die Zukunft würde sich die man besuchen müsste. Da ist man Marsh jedoch wünschen, dass dieses dann schnell dabei, Dinge aufzuschie- Networking noch internationaler wird. ben, zu sagen: ‚Ich verbringe nächste Zur Person In Europa funktioniert es nach seiner Woche Zeit mit den Kindern‘“, hat er Mark Christopher Pakes Marsh, Erfahrung schon gut. Er würde aber auch bei sich selbst beobachtet. „Aber geboren 1953 in England, hat auch gerne Länder wie Peru, China oder dann kann es eben passieren, dass sie Zoologie studiert und 1979 Indien stärker eingebunden sehen. weg sind, bevor du es merkst.“ promoviert. Nach Stationen in Der 55-jährige Engländer ist Direktor Deshalb versucht er bewusst, sich Zeit Heidelberg und Yale ging er an des Laboratory for Molecular Cell Bio- zu nehmen. Die verbringt er dann am das Institute for Cancer Research logy am University College in London liebsten mit seinen drei Töchtern. in London, 1992 wechselte er an sowie der dort angesiedelten zellbiolo- Und er fährt gern Fahrrad und wan- das Laboratory for Molecular Cell gischen Abteilung, die vom englischen dert durchs ländliche England. Das Biology (LMCB) am University Medical Research Council (MRC) ge- kann er gleich von seiner Haustür aus College London. Dort ist er seit fördert wird. Ähnlich der Deutschen tun. Er wohnt am südlichen Rand des 2006 Direktor der Medical Re- Forschungsgemeinschaft ist der MRC Großraums von London – dort wo search Council Cell Biology Unit in England die Einrichtung, mit der England ganz englisch ist und ganz in und des LMCB. Im März 2007 hat die öffentliche Hand Forschung finan- der Nähe von Charles Darwins Haus er den mit 50.000 Euro dotierten ziert. in Downe. Erst kürzlich ist er bei Alexander-von-Humboldt-For- International bekannt geworden ist einem Spaziergang dort wieder vor- schungspreis erhalten. Mark Marsh vor allem durch seine Ar- beigekommen. beiten über die Aufnahme von Viren in Margarete Pauli BLICK 01 - 2009

Zu Gast in der Fremde Nach Afghanistan? Stephan Wagner hat es gewagt – und kam mit guten Erfahrungen zurück

rei Wochen lang in Afghanistan lich typisch war auch die Sache mit der Dein Chemielabor einrichten – da- Eismaschine“, berichtet Wagner. „Die vor hatte Dr. Stephan Wagner schon kam zwar überraschend pünktlich, war „ein etwas mulmiges Gefühl“. Doch aber beschädigt. Dort bedeutete das nachdem der Chemiker im überra- nicht wie hier: Kundendienst rufen, schend grünen Herat die vielen wiss- sondern: Tüfteln.“ Wagner und seine begierigen Studenten und hilfsbereiten Kollegen ersetzten die undichte Dich- Dozenten kennen gelernt hatte, war er tung durch eine Hilfskonstruktion aus froh, es gewagt zu haben. Das Projekt einer gekappten Einmalspritze, einem gehört zum Sonderprogramm „Stabili- Stück Gummischlauch und auf dem tätspakt Afghanistan“ des Auswärtigen Markt erstandenem Silikon. Amtes und wird vom DAAD koordi- Da einige Studenten und Dozenten menschen niert. sehr gut Englisch sprachen, hatte Wag- Im Rahmen dieses Programms hatte ner an der Universität keine Probleme, Stephan Wagner bereits im vergangenen sich zu verständigen. Außerdem wur- Jahr eine Gruppe Studierender und ih- de seine Vorlesung simultan auf Farsi rer Dozenten aus Herat am Institut für übersetzt. In der Stadt war er jedoch Anorganische Chemie der Uni Würz- auf seine Begleiter, Said Qatali und burg betreut, wo er als akademischer Bakar Farangis, angewiesen. „Unsicher Oberrat tätig ist. Auf diesem Weg kam habe ich mich dort aber nicht gefühlt“, der Kontakt mit dem Mathematikpro- meint er. „Ein bisschen stressig war fessor Stephan Ruscheweyh zustande, nur, dass mein Aufenthalt direkt in den 11 der in Würzburg Afghanistanprojekte Ramadan fiel. Essen und Trinken war koordiniert und ihn wenig später fragte, also erst ab sechs Uhr erlaubt. Für mich ob er in Herat beim Aufbau eines Che- haben sie zum Glück Ausnahmen ge- mielabors für ein Praktikum helfen macht.“ Kurz vor sechs Uhr sei es wie würde. Stephan Wagners Antwort war: in Deutschland vor dem Fußball-Län- „Das muss ich erst mit meiner Frau derspiel: Alles eilt nach Hause, macht Stephan Wagner in Afghanistan. besprechen.“ „Die fand das aber gleich die letzten Erledigungen, und wenn (Foto privat) gut“, erinnert er sich. endlich gegessen werden darf, sind die Am 8. September flog Wagner in Straßen wie leergefegt. los. Da Afghan Airlines in An der Universität zeigten sich noch Deutschland nicht landen darf, brach- andere Besonderheiten der afgha- te ihn eine gecharterte Maschine einer nischen Kultur: Als Stephan Wagner türkischen Airline nach Kabul. „Dort Studenten an den Geräten ausbildete, ist noch viel vom Krieg zu sehen, Ein- achteten die Dozenten immer auf ein Zur Person schusslöcher in den Häusern und hohe ausgewogenes Verhältnis von Sunniten Absperrungen vor den Botschaften“, und Schiiten sowie von Männern und Dr. Stephan Wagner stammt aus erzählt er. Das einzige, was überall gut Frauen. „Studentinnen gab es relativ Mühlacker. Er hat in Karlsruhe funktioniere, sei das Mobilfunknetz. viele, ebenso wie hier in den Naturwis- Chemie studiert und bei Profes- Ein Handy, gespickt mit wichtigen Te- senschaften auch“, sagt Wagner, „Stu- sor Reinhold Tacke promoviert, lefonnummern – zum Beispiel von ver- denten und Studentinnen sitzen aber der ihn 1995 mit nach Würzburg trauenswürdigen Taxifahrern–, war das im Hörsaal auf getrennten Seiten.“ nahm. Am Institut für Anor- erste, was Stephan Wagner in die Hand Das Praktikumslabor, das Wagner in ganische Chemie hat Wagner bekam. Herat aufgebaut hat, ist das einzige in seitdem eine Ratsstelle. Der Um von Kabul nach Herat zu gelan- ganz Afghanistan. Als nächstes Projekt 42-Jährige hat drei Kinder im gen, brauchte es zwei Anläufe: Beim beantragt die Universität Herat nun Alter von drei bis sieben Jahren. ersten Versuch hatte gerade ein An- ein Forschungslabor bei der Weltbank. Vom 8. bis 29. September 2008 schlag den Flughafen in Herat lahm Stephan Wagner half mit, den Antrag richtete er ein Praktikumslabor gelegt. Die Praktikumsgeräte hatten zu schreiben. Wenn das klappt, sieht er in Herat ein. Finanziert wurde es noch schwerer anzukommen: Erst gute Chancen für eine Weiterentwick- das Projekt vom Stabilitätspakt war der Gabelstapler kaputt, dann der lung der Chemie. Ob er dann noch mal Afghanistan des Auswärtigen LKW zu klein, so dass sich die Liefe- hinfährt? „Das muss ich erst mit meiner Amtes. rung immer wieder verzögerte. „Wirk- Frau klären…“ Astrid Jahnke BLICK 01 - 2009

Ein Gewinn für alle Beteiligten Was Juniorprofessoren sind, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Aber was macht eigentlich ein Seniorprofessor? An der Universität Würzburg gibt es die ersten Exemplare die- ser neuen Gattung schon. Der Physiker Werner Hanke ist einer von ihnen.

ch bin total begeistert, dass ich „Idie Chance habe, auf diese Wei- se meine Arbeit fortzusetzen.“ Werner Hanke ist die Freude über seinen neuen Status als „Seniorprofessor“ anzuhören. Im vergangenen Juli ist der Physiker 65 Jahre alt geworden; wäre alles den regu- lären Gang des deutschen Paragrafen- wesens gegangen, hätte der Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Phy- menschen sik I an der Universität Würzburg sich zum Ende des Sommersemesters 2008 in den Status des „Emeritus“ verab- schiedet und fortan viel Zeit mit seinen Hobbys verbracht. Darauf hatte Hanke allerdings keine rechte Lust. „Ich habe für meine Projekte noch ausreichend Drittmittel zur Verfügung, über die un- ter anderem ja auch etliche Mitarbeiter 12 ihre Stellen finanziert bekommen. Und meine Partner in den USA und Japan haben mir auch signalisiert, dass sie gerne weiter mit mir zusammenarbei- ten wollen“, erzählt Hanke. Tatsächlich hatte Hanke wenige Mo- nate zuvor ein Angebot aus Kalifornien erhalten, dort hätte man ihn gerne auch jenseits der 65 als Professor beschäftigt hätte. Soweit wollte der Physiker aller- dings nicht gehen: „Ich fühle mich an der Universität Würzburg sehr wohl, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre“, sagt Hanke. Kein Grund Werner Hanke, einer der ersten Seniorprofessoren an der Uni Würzburg. (Foto privat) also, dauerhaft ins sonnige Kalifornien umzuziehen – wo er doch dort sowieso mindestens zwei Monate im Jahr zum beide Seiten von der Seniorprofessur Geld und Titel, wie beispielsweise den Forschen verbringt. Die Lösung für profitieren: Hanke, der weiterhin sei- der „Elite-Universität“, deutlich ge- den Spagat zwischen Emeritierung und ner Leidenschaft – der theoretischen wachsen ist. Wechsel ins Ausland fand sich dann im Physik – nachgehen kann. Und die Von der positiven Wirkung der Zu- Gespräch mit der Hochschulleitung. Universität, die in schwierigen Zeiten sammenarbeit zwischen Seniorprofes- Ihr Name: Seniorprofessur. weiter auf die Erfahrung und das Wis- soren und jungen Kollegen ist Hanke sen eines bewährten Hochschullehrers überzeugt – „das sehe ich jedes Mal, Kein Geld und keine Stellen zurückgreifen kann, der auch in den wenn in den USA bin“, sagt er. An der von der Universität kommenden Jahren Lust dazu hat, sein Universität von Santa Barbara treffe „Ich stehe der Universität weiterhin ganzes Potenzial einzubringen. Und er beispielsweise regelmäßig seinen 75 in Forschung und Lehre zur Verfü- schwierig seien die Zeiten allemal: In Jahre alten Kollegen, der erst vor drei gung; nehme ihr – und natürlich auch der Lehre, wo die Umstellung auf den Jahren emeritiert wurde und der jetzt meinem Nachfolger – aber keine Stel- Bachelor und Master und weitere neue noch, mit dem von ihm eingeworbenen len und keine Mittel weg, da ich mei- Regelungen eine „große Herausforde- Geld, weiter forschen darf. Um diese ne gesamten Projekte über Drittmittel rung“, darstellen. Aber natürlich auch Flexibilität beneidet Hanke seine ame- finanziere“, schildert Hanke die- ge in der Forschung, wo die Konkurrenz rikanischen Kollegen: „Dort sind die troffene Vereinbarung. Somit würden der Hochschulen untereinander um Hochschulen darum bemüht, aktive BLICK 01 - 2009

Wissenschaftler so lange wie möglich klären, welcher der Hochtemperatur-Su- müssen, damit sie bei möglichst hohen in Forschung und Lehre zu integrie- praleitung zugrunde liegt. Temperaturen supraleitend werden“, ren.“ Angst, dass die Seniorprofessoren Supraleitung heißt: Ein Stromleiter sagt Hanke. Dafür arbeitet der Physiker keine Spitzenleistungen mehr bringen, transportiert Strom ohne den gerings- mit Kollegen in Kalifornien und in Ja- sei nicht angebracht. Das regelt sich ten Widerstand. „Das ist beispielsweise pan zusammen. über das Geld: „Wer nicht mehr in der für die Speicherung von Energie inter- Dass er dies als Seniorprofessor auch in Lage ist, auf internationalem Niveau essant“, erklärt Hanke. Damit könnten den kommenden Jahren wird tun kön- zu forschen, wird auch sehr schnell kei- Kraftwerke Strom, der momentan nen, dafür ist Hanke sehr dankbar – der ne Drittmittel mehr bekommen“, sagt nicht gebraucht wird, sozusagen auf Universität und ganz besonders seiner Hanke. eine Kreisbahn schicken, auf der sich Fakultät. Das gute Klima dort und die Werner Hankes Arbeitsgebiet ist die die den Strom aufbauenden Elektronen angenehme Atmosphäre seien mitver- theoretische Festkörperphysik; in ihrem verlustfrei bewegen – so lange, bis sie antwortlich, dass sich der Wechsel vom Mittelpunkt stehen grundlegende Ei- in Form von Strom benötigt werden. Lehrstuhlinhaber zum Seniorprofessor genschaften bestimmter Materialien, wie Mit Supraleitern ließen sich aber auch so problemlos habe vollziehen können beispielweise der Widerstand oder das sehr viel bessere Chips für Computer – sagt er. Klar gebe es auch Details, die magnetische Verhalten eines Metalls. Der herstellen als dies heute der Fall ist. noch besser geregelt sein könnten, wie Physiker versucht, diese Eigenschaften Supraleitung ist ein Effekt, der zurzeit beispielsweise die Frage, wie viel Platz aus den mikroskopischen Bausteinen, erst bei sehr tiefen Temperaturen auf- eigentlich einem „Senior“ zur Verfü- menschen den Elektronen und Ionen, abzuleiten. tritt. „Momentan liegt die höchste Tem- gung stehen sollte oder wie stark er Dabei nutzen er und seine Mitarbeiter peratur, ab der ein bestimmtes Material eine Sekretärin in Beschlag nehmen sogenannte Super-Computer mit gigan- supraleitend wird, bei etwa minus 150 darf. Darüber sollte die Universität tischen Rechenleistungen. In Deutsch- Grad Celsius“, sagt Hanke. Physiker nach Hankes Meinung noch nachden- land gibt es gerade mal drei Exemplare, träumen allerdings davon, diesen Wert ken, um mögliche „Definitionslöcher die schnell genug sind, um diese Arbei- auf das Niveau von Zimmertemperatur füllen“ zu können. Dann stehe dem ten in angemessener Zeit erledigen zu zu bringen. Dabei sind die Theoretiker Projekt „Seniorprofessur“, von dem können. Im vergangenen Jahrzehnt hat gefragte Experten: „Wir versuchen, beide Seiten nur profitieren könnten, sich Hanke darauf konzentriert, den Voraussagen zu machen, welche Ma- keine Hürde mehr im Weg. mikroskopischen Mechanismus aufzu- terialien wie zusammengesetzt werden Gunnar Bartsch 13 BLICK 01 - 2009

Mathe mit dem Kutzer-Zug Studierende lieben die Lernwerkstatt und hassen den Weg dorthin

ie bei einem privaten Spiele-Treff in Zweiergruppen beschäftigt haben. wie Walter Goschler. Der bietet neben Wgeht das hier zu. Der Raum ist Da gibt es ein Brettspiel mit dem Na- Seminaren zur Mathe-Didaktik unter klein und ziemlich schummrig, an den men „Räuber und Goldschatz“, da sind anderem auch welche zur Deutsch-Di- Tischen wird gewürfelt und mit Karten verschiedene Schüttelboxen mit Holz- daktik oder zum Offenen Unterricht an. hantiert. Eine junge Frau legt num- perlen drin, das Zauberdreieck oder „Die Lernwerkstatt mit den Seminaren merierte Scheiben in die Vertiefungen der Kutzer-Zug. Das ist die kleine Ei- soll die Studierenden in die Lage ver- eines Brettes. Zwei andere platzieren senbahn, benannt nach ihrem Erfinder setzen, Lernprozesse zu strukturieren fein säuberlich Holzwürfelchen in die Professor Reinhard Kutzer. und zu analysieren“, sagt er. Sie sei ein Waggons einer Mini-Eisenbahn. Allerdings wird den Studierenden im Instrument zur Verknüpfung von The- Würfeln – das wäre ja noch in Ordnung Seminar nicht nur der Umgang mit orie und Praxis in der Lehrerbildung. bei einem Treffen von spielbegeisterten den Lernmaterialien vermittelt. Dozent Sie biete den Studierenden die Mög- Erwachsenen. Aber die Eisenbahn? „In Walter Goschler hat ihnen zuerst eine lichkeit, sich auf Formen des offenen studium jeden Waggon passen zehn Klötzchen“, Einführung in die fachdidaktischen Unterrichts sowie auf handlungsori- erklärt Hannah Eder. „Wenn das in Grundlagen des struktur- und niveau- entiertes Lernen und Arbeiten in Pro- den Köpfen der Kinder verankert ist, orientierten Lernens nach Kutzer gege- jekten vorzubereiten. „Die Verbindung können sie damit sehr schön rechnen ben. Auch das aktiv-entdeckende Ler- von fachdidaktischen Prinzipien und lernen.“ Die junge Frau studiert an nen nach dem Konzept „mathe 2000“ didaktischen Lernmaterialien dient der der Uni Würzburg Sonderpädagogik hat er präsentiert. Durchdringung und Strukturierung im ersten Semester. Heute erfährt sie Zehn Studentinnen und ein Student sind von Lerngegenständen.“ im Seminar von Walter Goschler, mit heute zu dem Mathe-Didaktik-Seminar Der Unterricht von Walter Goschler welchen Lernmaterialien sie auch leis- gekommen. Es findet in der Lernwerk- und die Lernwerkstatt kommen bei den 14 tungsschwächeren Kindern Mathema- statt des Instituts für Sonderpädagogik Studierenden offensichtlich sehr gut an. tik beibringen kann. statt, die aus Studienbeiträgen finan- „Mir gefällt, dass ich hier schon im ers- Im Wechsel mit ihrer Kommilitonin ziert wird. In der ersten Aufbauphase ten Semester Bezug zur Praxis bekom- Hannah Lang erklärt sie den anderen hat das Institut für rund 30.000 Euro me“, sagt Hannah Lang, „dass ich jetzt Seminarteilnehmern, was mit der Ei- knapp tausend verschiedene Lernmate- schon sehe, was ich später als Lehrerin senbahn so alles geht. „In einem Wag- rialien angeschafft. Die studentischen im Unterricht alles machen kann.“ Auf gon sind sechs Klötzchen, das Kind Hilfskräfte von der Ausleihe der Lern- jeden Fall wolle sie in den kommenden soll noch weitere sechs dazutun. Wenn werkstatt werden ebenso Semestern noch mehr Seminare in der es vier hineingelegt hat, ist der Wag- aus Studienbeiträgen Lernwerkstatt besuchen. Begeistert ist gon voll, die restlichen zwei Klötzchen bezahlt auch Hannah Eder. „Wir erfahren hier, muss es in einen leeren Wagen tun.“ wie Kinder denken, und wie man sie Derart spielerisch lernen Kinder bei- mit den unterschiedlichsten Materialien spielsweise, wie Zahlen sich teilen an ihren jeweiligen Leistungsstufen ab- lassen (sechs ist gleich vier plus holen kann.“ zwei). Und es erleichtert ihnen das Die Werkstatt steht nicht nur Son- Rechnen mit dem Zehnerübergang. derpädagogik-Studierenden offen. Denn sollen sie zum Beispiel sechs „Sie eignet sich auch für angehende plus sechs im Kopf ausrechnen, so fällt Grund- und Hauptschullehrer, ihnen das leichter, wenn sie erst sechs die ebenfalls zum Mit- plus vier ist zehn rechnen und am Ende machen eingeladen noch den Rest zwei hinzufügen. sind“, sagt Nun stellen auch die anderen Professor Studierenden die Materialien E r h a r d vor, mit denen sie sich zuvor F i s c h e r, Vorstand des Instituts für Sonderpäd- a g o g i k . BLICK 01 - 2009

Eine weitere Beson- derheit: In den Semi- naren sitzen Studieren- de aus verschiedenen Semestern, und dieser „Generationen-Mix“ bringt Vorteile. So kann zum Beispiel eine Studienanfängerin von einer älteren Kommi- litonin hören, welche Erfahrungen die bei ihrem Praktikum in einer Förderschule ge- macht hat. Allerdings ist da auch ein dicker Wermuts- tropfen: Die Lernwerk­ studium statt ist in zwei Räu- men im Würzburger Blindeninstitut unter- gebracht. Das liegt in der Ohmstraße und damit weit weg vom Wittelsbacherplatz, dem „Stammhaus“ der Sonderpädagogen. Mit In der Lernwerkstatt der Sonderpädagogik: Dozent Walter Goschler erklärt den Studentinnen Hannah dem Bus ist das Blin- Eder (links) und Hannah Lang die Vorteile des Kutzer-Zugs. (Foto Robert Emmerich) 15 deninstitut nur um- ständlich zu erreichen. „Vom Wittel aus brauchen wir fünf bringen, haben die Sonderpädagogen Minuten zum Frauenlandplatz. Dort eine Kooperation mit der Universi- nehmen wir den 6er-Bus, steigen am tätsbibliothek gestartet: Die nimmt Theater um und laufen dann von der nach und nach die Materialien in ihren Nürnberger Straße aus noch mal zehn Katalog auf, so dass sie online recher- Minuten zu Fuß bis hierher“, klagt ein chierbar sind. Im Katalog können die Student. Das dauere deutlich länger als Studierenden dann auch sehen, welche eine halbe Stunde, und darum komme Sachen in der Werkstatt präsent sind er immer zu spät – denn vor dem Se- und welche nicht. Denn Zauberdreieck, minar in der Lernwerkstatt hat er noch Kutzer-Zug & Co. dürfen auch ausge- eine andere Lehrveranstaltung am Wit- liehen werden. Zum Konzept gehört es telsbacherplatz. Das Fahrrad? Ist keine außerdem, dass die Studierenden auch gute Alternative. Die Strecke ist lang selbst Lernmaterialien herstellen – zu- und teils steil, die Wegführung wirr. geschnitten auf die jeweils speziellen Warum die Werkstatt so weit ab vom Bedürfnisse verschiedener Schüler. Schuss liegt? Wegen der Raumnot, die „In Bayern ist unsere Lernwerkstatt an der Uni allgegenwärtig ist. „Am einzigartig“, sagt Professor Fischer. Wittelsbacherplatz und in den umlie- Dass ihre Bestände wachsen werden, genden Gebäuden waren trotz aller Be- ist eingeplant. Es sollen auch spezielle mühungen keine geeigneten Räume zu Materialien für den individuellen Lern- bekommen“, bedauert Walter Gosch­ bedarf von Schülern erstellt und didak- ler. Fündig wurde er schließlich beim tische Konzepte für ihren Einsatz erar- Blindeninstitut, das den Sonderpädago- beitet werden. Und das Raumproblem? gen zwei Kellerräume überlassen hat. Hier hofft Fischer auf die Um- und „Wir zahlen dafür keine Miete, nur die Neubaumaßnahmen, die derzeit am Bewirtschaftungskosten. Im Gegenzug Wittelsbacherplatz anlaufen: „Für ein darf das Blindeninstitut die Lernwerk- Angebot, das bei den Studierenden so statt mitnutzen“, sagt Goschler. gut ankommt, sollten dort bald Räume Um die Werkstatt zumindest virtuell zur Verfügung gestellt werden.“ näher an den Wittelsbacherplatz zu Robert Emmerich BLICK 01 - 2009

Karibu in Tansania Sabine Metzger (22) studiert an der Universität Würzburg Sonderpädagogik im 7. Semester. Im Sommer hat sie ein zweimonatiges Praktikum in einem Waisenhaus in Tansania absolviert. Was sie in dieser Zeit erlebt hat, hat sie für Blick aufgeschrieben.

u willst ein Praktikum in Tansa- Dnia machen?“ Ein wenig entsetzt haben viele meiner Freunde reagiert, als ich ihnen erzählte, dass ich im Au- gust als Volunteer ins Msamaria Cent- re, einer Straßenkinderschule mit ange- schlossenem Heim in Moshi/Tansania gehen würde. Auf dieses Angebot war ich durch Zufall im Internet gestoßen – vermittelt durch die Organisation World studium Unite. Und dann folgte: „Wo liegt das denn?“. Genau diese Frage hatte ich mich mir auch gestellt – und bin zwei Monate später in die Kleinstadt am Fuß des Kilimanjaro aufgebrochen. „Karibu“: Mit einem herzlichen Will- kommen haben mich meine Gast- mutter und am Tag darauf auch die Kinder und Lehrer des Msamaria Sabine Metzger im Kreise einiger ihrer Schüler am Msamaria Centre. (Foto privat) 16 Centres in Moshi empfangen. In die- sem Waisenhaus leben zurzeit 30 Kin- der, darunter nur zwei Mädchen. Die mindest die wichtigsten Worte für den gen an, die nicht verstanden, wieso sie Jüngsten sind drei Jahre, die Ältesten Unterricht gelernt. einen Elefanten malen sollten. An der um die 15 Jahre alt, genaue Geburts- Das Msamaria Centre ist gerade mal ein Sprache konnte es nicht liegen, hatte daten kennt niemand. Viele von ihnen Jahr alt. Das macht sich in vielen Be- ich mir doch extra vor der Stunde die haben Wochen oder sogar Jahre auf reichen bemerkbar: Der Tagesablauf Wörter „zeichnen“ und „Elefant“ bei- der Straße gelebt, bevor sie in dem ist noch sehr unorganisiert, das Gebäu- gebracht. Erst mit der Zeit wurde mir Heim aufgenommen wurden. Einige de ist noch unfertig. Während meines klar, dass die Erstklässler noch nie zu- haben noch Eltern oder Verwandte in Praktikums stand die Renovierung an. vor eine Kunststunde gehabt hatten. Moshi, andere sind tatsächlich Waisen Alle Lehrer, Volunteers und einige der Für sie hatte Schule bisher aus Lesen, – aber auch darüber gibt es keine ver- Kinder haben mitgeholfen, die Außen- Schreiben und Rechnen bestanden. lässlichen Unterlagen. wände und Räume zu streichen. Und Glücklicherweise habe ich mich mit Vor allem in den Sommermonaten ar- dank einer Spende gibt es jetzt sogar den Lehrern sehr gut verstanden. Wir beiten im Msamaria Centre viele Volun- für jedes Kind einen Tisch und einen konnten intensive Diskussionen über teers. So sind die Kinder ausländische Stuhl. die unterschiedlichen Erfahrungen aus Praktikanten gewöhnt und nehmen unseren Ländern führen. Darüber hin- sehr schnell von sich aus Kontakt auf. Erstaunte Blicke im aus haben sie uns Volunteers völlige Was in meinem Fall angesichts einiger ersten Kunstunterricht Freiheit bei der Unterrichtsgestaltung Sprachprobleme nicht ganz einfach Auch inhaltlich muss sich noch einiges gelassen. Eine Stunde vorzubereiten ist war: Obwohl die Kinder mehrere Jahre ändern. Ein pädagogisches Konzept, allerdings auf eine ganz andere Art als lang Englischunterricht gehabt hatten, wie man es aus Europa kennt, gibt in Deutschland schwierig: Zwar verfügt können nur die Wenigsten mehr als eine es nicht. Vielmehr unterrichten viele die Schule über Bücher – die stammen Begrüßung formulieren. Und meine Erwachsene, die keine Lehrerausbil- jedoch zum Großteil von Spendern, Suaheli-Kenntnisse gingen am Anfang dung haben. Kein Wunder, dass sich die die Bedürfnisse der Schule nicht ebenfalls nicht darüber hinaus. Doch der Unterrichtsstil von Einheimischen kannten. Deswegen gibt es von jedem Kommunikation geht auch anders: Mit und Volunteers stark unterscheidet: Buch nur ein einziges Exemplar. Selbst einem Fußball konnte ich mit den Kin- Da trafen Prügelstrafe, Nachsprechen, Arbeitsbücher existieren nicht in ei- dern schnell in Kontakt kommen. Und Auswendig-Lernen und Von-der-Ta- ner Klassenstärke und sind überdies mit der Unterstützung meiner Gast- fel-Abschreiben auf Malen, Spiele im meistens für englische Muttersprachler familie, hilfsbereiter Lehrer und sehr Unterricht und individuelle Förderung. konzipiert. Wer Arbeitsblätter kopieren motivierter Kinder, die mir alle Suaheli In meiner ersten Kunststunde blickten will, steht vor einem weiteren Problem: beibringen wollten, habe ich schnell zu- mich zehn große, erstaunte Kinderau- Das Msamaria Centre verfügt über kei- BLICK 01 - 2009

nen Kopierer. Und selbst das Schreib- 100-fache vom normalen Preis kosten. brennen die Besitzer ihren Kunden die und Malpapier ist im Zimmer des Di- Reisen durch Afrika sind – zumindest gewünschte Musik direkt vom Compu- rektors eingeschlossen. dann, wenn man wie die Einheimi- ter auf CD. Während des Ramadans Deswegen habe ich mich öfter mit schen mit Bussen quer durchs Land ist Essen und Trinken in der Öffent- anderen Volunteers getroffen, um ge- fährt – äußerst erlebnisreich. Die Fahrt lichkeit verboten. Doch jede Nacht meinsam etwas vorzubereiten. Aus dauert zwar lange, ist aber sehr günstig. verwandeln sich die Straßen und Plätze Salz, Mehl, Wasser und Lebensmittel- Auf dem Weg an die Küste war ich mit bei Kerzenschein in riesige Buffets mit farbe lässt sich Knete herstellen, aus solch einem Bus unterwegs, der – ty- Fleischspießen, Fisch, Pommes und ähnlichen Zutaten Fingerfarbe, Bettla- pisch afrikanisch – nach einem Umbau Früchten. ken dienen als großes Malpapier. Mein fünf Leute in einer Reihe unterbringt. Fährt man eine weitere Stunde mit dem Abschlussprojekt, bei dem die Kinder Während der Fahrt habe ich bei afrika- „Daladala“, dem afrikanischen Linien- ihre Hände drucken konnten, lief dann nischen Temperaturen die unglaubliche bus, betritt man feinkörnigen weißen schon wesentlich besser. Jedenfalls hat- Weite des Landes kennen gelernt, eine Sandstrand, blickt auf türkisblaues ten alle viel Spaß dabei. Giraffe am Straßenrand gesehen, den Wasser des Indischen Ozeans und Nicht nur der Unterricht unterscheidet feuerroten Sonnenaufgang bestaunt staunt über die Menge an Holzbooten, sich deutlich von dem in Deutschland; und wurde über unzählige Schlaglöcher in denen entspannte und scheinbar im- auch das normale Alltagsleben verläuft geschüttelt. Am Meer angekommen, mer gut gelaunte Fischer ihrer Arbeit in Tansania ganz anders. bin ich mit der Fähre für einige Tage nachgehen. studium nach Sansibar übergesetzt. Schnell hatte ich mich an den afrika- Ein unnötiger Schreck Auf Sansibar verschmelzen indische nischen Lebensstil gewöhnt. Die Vor- beim ersten Stadtbummel und afrikanische Bräuche. Durch die stellung, bald wieder im organisierten, Lebensmittel werden nur auf dem hohe Luftfeuchtigkeit verfärben sich herbstlichen Deutschland zurück zu Markt gekauft, Kleidung findet man die Häuserwände schwarz oder der sein und mich nach Terminen, Busfahr- auf riesigen Second-Hand-Märkten Putz bröckelt, es duftet nach indischen plänen oder Vorlesungszeiten richten oder an Kanga-Ständen mit den tra- Gewürzen, und auf dem Markt gibt es zu müssen, kam mir in Tansana wenig ditionellen, bunten Tüchern afrika- Früchte, von denen ich weder wusste, verlockend vor. Und mitten in diesen nischer Frauen. Preisschilder gibt es wie sie heißen, noch dass es sie gibt. An Gedanken hinein fragt ein Schüler nicht, Handeln scheint ein Volkssport den Ständen findet man feine Schnit- meiner Klasse: „Kommst du eigentlich 17 zu sein. Bei Weißen ist der Einstiegs- zereien aus dunklem Holz und präch- nächste Ferien wieder?“ preis wesentlich höher; kann man das tige, bunte Stoffe. In kleinen Läden Sabine Metzger Gespräch auf Suaheli führen, sinkt er etwas schneller, alles Weitere ist Ver- handlungsbasis. Jeder Verkäufer testet zunächst, ob der potenzielle Käufer die realen Preise kennt oder nicht. Genauso ungewohnt wie das Verhan- deln empfand ich meinen ersten Stadt- bummel alleine. Ich hatte noch die Warnungen von Freunden und Familie zu Hause im Ohr, wie gefährlich solch eine Stadt sein könne, wie sehr ich auf- passen müsse. Deshalb war ich auch ziemlich erschrocken, als mich sofort einige Männer bestürmten. Doch von Gefahr keine Spur: Die meisten woll- ten nur wissen, woher ich kam; viele waren neugierig, wollten Nachrichten aus Deutschland hören. Andere woll- ten mir etwas verkaufen, einer begrüßte mich mit „Guten Tag“, da er schon einmal in Deutschland gewesen war und noch einige deutsche Wörter be- herrschte. Prinzipiell sind Gastfreund- schaft und das Interesse an Ausländern in Tansania sehr groß. Allerdings hal- ten viele Afrikaner weiße Menschen für reich und wohlhabend und versuchen deshalb, ihr Ware zu einem überteuer- ten Preis zu verkaufen. Da kann die Ta- xifahrt schon einmal das 50- oder sogar Auf Busreise in Tansania (Foto Sabine Metzger) BLICK 01 - 2009

Andere Länder, andere Sitten Überall dort, wo Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammen kommen, drohen kul- turell bedingte Missverständnisse. In einem neuen Projekt vermittelt die Universität Würzburg deshalb seit diesem Semester ihren Studierenden interkulturelle Kompetenz. Das Angebot wird aus den Studienbeiträgen finanziert.

opfschütteln bedeutet in Indien, Bulgarien und Grie- Ländern umgeht. Interkulturelle Kompetenz ist neben Kchenland „Ja”. In einigen asiatischen Ländern gilt es Sprachkenntnissen oder Auslandserfahrung eine wichtige als besonders höflich, bei einer Einladung zum Essen direkt Sonderqualifikation und verschafft einen weiteren Vorteil auf nach dem letzten Bissen aufzustehen und zu gehen. Isst dem Arbeitsmarkt“, so Hilgendorf. Studierende der Universi- man in Spanien seinen Teller, ganz nach deutscher Manier, tät Würzburg sollen sich durch diese Schlüsselqualifikationen restlos leer, zeigt man damit dem Gastgeber: „Ich habe noch von anderen Studenten abheben. Hilgendorf erhofft sich für Hunger, das war mir zu wenig“. die Zukunft des Projekts, dass „interkulturelle Kompetenz Kulturelle Unterschiede betreffen alle Bereiche des Lebens, ein Leistungsmerkmal für Würzburg wird“. und Missverständnisse sind somit vorprogrammiert, wenn Das Angebot steht für Studierende aller Fachrichtungen studium Menschen unterschiedlicher Kulturkreise aufeinander treffen. offen. Tatsächlich ist dies einer der Grundgedanken des Pro- Wie man diese Missverständnisse erkennen und einen Weg jektes: Offenheit für alle. Womit laut Eric Hilgendorf auch finden kann, mit ihnen, mit einer fremden Kultur möglichst gemeint ist: Verständlichkeit für alle. „Auch ein Germanist konfliktlos umzugehen – das will das in diesem Semester muss beispielsweise in den Seminaren über deutsch-türkische gestartete, fakultätsübergreifende Projekt „Globale Systeme Rechtsfragen alles verstehen können“, und interkulturelle Kompetenz“ (GSiK) Studierenden der so der Jurist. Der Besuch der Se- Universität Würzburg vermitteln. minare soll durch die Vergabe Initiator des Projekts ist der Jurist Eric Hilgendorf. von Credit Points oder die Erfahrungen mit seinen ausländischen Dokto- Ausstellung von Zerti- 18 randen hatten den Inhaber des Lehrstuhls für fikaten in das Studium Strafrecht auf die Idee gebracht, GSiK an der integriert werden. Universität Würzburg Von Vorträgen über den ins Leben zu rufen. Bunt Zusammenhang von gemischt aus Ländern wie Recht und Kultur über der Mongolei, Amerika Seminare zum Thema oder Korea hatte jeder Globalisierung bis hin zu Einzelne seine ganz gespielten Verhandlungen eigenen Probleme mit der mit getauschten Rollen fremden deutschen Kultur. reicht das Themenspektrum „Vor allem die eher zurückhaltenden Koreaner tun sich oft des GSiK-Projekts momentan. So schwer mit der Art der Deutschen“, so Hilgendorf. Meist trafen sich Anfang November Studie- trauten diese sich einfach nicht direkt nach Hilfe zu fragen, rende, um die Gerichtsverhandlung über den sogenannten sondern warteten darauf, sie angeboten zu bekommen. „Dies „Ehrenmord“ an der jungen Türkin Hatun Sürücü, der im ist in der koreanischen Kultur selbstverständlich. Doch in Februar 2005 Deutschland erschüttert hatte, nachzustellen. Deutschland kann man mit diesem Verständnis im Zweifel Diesmal allerdings mit vertauschten Seiten: Studierende mit lange warten“, so Hilgendorf. Migrationshintergrund übernahmen die Rolle der Staats- An dem Projekt beteiligt sind unter anderem die Juristische anwaltschaft; Studierende ohne Migrationshintergrund Fakultät, die Wirtschaftswissenschaften, Sinologen, Indolo- schlüpften in die Rolle der Verteidiger des Angeklagten. Auf gen, das Institut für Slawistik, die Pädagogen und Biologen. diese Weise wollten die Veranstalter den Studierenden einer- Fachleute aus verschiedenen Disziplinen und aus unter- seits das Fremde nahe bringen und ihnen andererseits die schiedlichen Ländern vermitteln in Kursen interkulturelles Grenzen der interkulturellen Sensibilität an dem besonders Wissen und üben mit den Teilnehmern Problemlöse-Tech- brutalen Beispiel des Ehrenmordes klar machen. Umrahmt niken ein. Dort sind dann auch die Gäste aus dem Ausland wurde die „Scheinverhandlung“ von drei Referaten, in denen gefragt: „Im Rahmen des GSiK-Projekts werden die Rollen es unter anderem um die Stellung der Frau in der Türkei und mal getauscht: Ausländer, die zum Studieren nach Würzburg – im Vergleich dazu – um die Stellung der türkischen Frau in gekommen sind, werden zu Dozenten, die ihr Wissen an uns Deutschland ging. weitergeben“, so Hilgendorf. „Die Resonanz war riesig“, freut sich Eric Hilgendorf. Nach Ziel des Projekts ist es, der ständig wachsenden Bedeutung der Veranstaltung hätten vor allem türkische Frauen mit und von interkultureller Kompetenz angesichts einer wachsenden ohne Kopftuch heftig weiterdiskutiert. Diese Art, Wissen Multikulturalität und der fortschreitenden Globalisierung über fremde Kulturen nicht rein theoretisch zu vermitteln, Rechnung zu tragen. „In jedem Untenehmen werden Leute hält Hilgendorf für besonders wichtig, er fordert „weniger gebraucht, die wissen, wie man mit Partnern aus anderen Wissenschaft und dafür mehr Praxis“. Carolin Markert BLICK 01 - 2009 thema

19 VOM URSPRUNG DER ARTEN

Vor 200 Jahren – am 12. Februar 1809 - wurde Charles Darwin in Shrewsbury, England, geboren. Vor 150 Jahren – am 24. November 1859 – veröffentlichte er sein Hauptwerk „On the Origin of Species“. Darin liefert Darwin die erste streng naturwissenschaftlich orientierte Erklärung für die Vielgestaltigkeit des Lebens. Seine Arbeit bildet die Grundlage der modernen Evolutionstheorie und markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Biologie. Und noch heute bildet sie die Grundlage für mannigfaltige Forschungsprojekte – auch an der Universität Würzburg. Angefangen bei Biologen, über Literaturwissenschaftler bin hin zu – natürlich – Theologen. BLICK 01 - 2009

Sammler aus Leidenschaft Charles Darwin und die Entwicklung der Evolutionstheorie

Die „Eleganz der Gräser“, die „Neuheit der parasitischen Pflan- zen“, besonders auch „die allgemeine Üppigkeit der Vegeta- tion“ im brasilianischen Regenwald erfüllen den jungen Charles Darwin mit großer Bewunderung. Die Schönheit der göttlichen Schöpfung berauscht ihn. Noch teilt der junge Forschungsreisende auf dem Vermessungsschiff MS Beagle die Überzeugung seiner Zeit, dass Arten konstant bleiben, sich nicht verändern. Aber die Vielfalt und Schönheit, denen er auf seiner fünf- jährigen Weltreise begegnet, drängen ihm Fragen thema auf, die ihn nicht mehr loslassen. Wozu all die Fülle? „Warum so viel Schönheit, geschaffen zu so geringem Zweck!“ Und er wundert sich über „Natur und Nut- zen“ des „wunderschönen karmesinroten faserigen Stoffs“, den ein Igelfisch durch die Haut am Bauch absondert. Die Schildkröten und die Finken, die er auf den Galápagos-Inseln vorgefunden hat, legen bereits die gedankliche Spur zu seiner späteren Evolutionstheorie. Allerdings weiß er diese 20 noch nicht zu lesen.

Fossilien als Großversionen lebender Arten 1836 wieder zurück in England, suchte er systematisch Antworten auf seine Fragen. Zunächst halfen ihm Fach- leute wie der Fossilienspezialist Richard Owen, die Fakten zu sor- tieren. Schon wenige Wochen nach der Rückkehr der Beagle erhielt er von diesem die Auskunft, dass es sich bei den fossilen Überresten der südamerikanischen Säugetiere, die Darwin ihm ausgehän- digt hatte, „um ein Nage- tier

Charles Darwin, vermutlich im Jahr 1874, fotografiert von Leonard Darwin. (Nachdruck mit freundlicher Erlaubnis von John van Wyhe ed., The Complete Work of Charles Darwin Online, http://darwin-online.org.uk/) BLICK 01 - 2009

von der Größe eines Nilpferds“ und wirken können. Der junge Forschungs- Darwin sei vor den weltanschaulichen einen „Ameisenbär von der Größe reisende hatte das Buch während der und religiösen Folgen seiner Theorie eines Pferdes“ handelte. Darwin war Fahrt auf der Beagle sehr intensiv ge- zurückgeschreckt, haben manche For- begeistert. Denn die Tiere, die er ans lesen. Verdienst des französischen scher als Ursache dafür ausgemacht. Tageslicht befördert hatte, erschienen Botanikers und Zoologen Lamarck Für wahrscheinlicher jedoch hält John wie die Großversionen von Faultier, dürfte vor allem sein, Darwin grund- van Wyhe, dass es wissenschaftliche Gürteltier und Ameisenbär – also sätzlich mit einem Evolutionsmodell Skrupel waren, die ihn vor einer vor- von Tieren, die auf dem mittel- und konfrontiert zu haben. Bei Thomas eiligen Veröffentlichung abhielten. Die südamerikanischen Kontinent immer Malthus‘ „Essay on the Principles of Skizze vom Baum des Lebens, die er noch heimisch waren. Population“ inspirierte ihn vor allem 1837 angefertigt hatte, wollte er solide die Beobachtung, dass ein großer Teil mit Fakten untermauern. Galápagosfinken geben den der Population einer Art stirbt, bevor 1842 kehrt er – mittlerweile verheira- entscheidenden Anstoß sie sich vermehren kann. tet – dem schmutzigen viktorianischen Noch bemerkenswerter aber war, was London den Rücken und zieht mit der Ornithologe John Gould ihm über seiner Familie nach Downe, eine klei- die mitgebrachten Galápagosfinken ne Ortschaft in der Grafschaft Kent mitzuteilen hatte. Darwin hatte Gould „Warum so – „am extremen Rand der Welt“, wie am 6. März 1837 in der Zoological So- er selbst sagt. In der Zurückgezogen- thema ciety getroffen. Nach dessen Taxation viel Schönheit, heit seines Landhauses mit dem groß- handelte es sich bei den Tieren, die en Garten, den dazugehörigen Wiesen Darwin im Vorfeld als Finken, Am- geschaffen zu und Feldern, will er sein Theorieprojekt seln, Grasmücken und Zaunkönige voranbringen. In seinem Haus in Dow- klassifiziert hatte, um nicht weniger als ne, das heute als englisches Kulturerbe 13 verschiedene Arten von Galápagos- so geringem zu besichtigen ist, wertet er akribisch finken. Mit diesem Wissen, so scheint die Proben und Aufzeichnungen aus, es, konnten sich nun bereits vorher Zweck!“ die er von seiner Reise mitgebracht hat. erwogene Gedanken Bahn brechen. Und er führt unzählige Experimente Seine Mitschrift der Zusammenkunft durch, um seine Evolutionstheorie zu 21 führt 13 Arten von Galápagosfinken „Darwin, der nun schon der Frage bestätigen: auf, und 13 Enden zählt auch Dar- nachging, wie neue Varietäten geformt wins berühmte Zeichnung vom Baum werden, erkannte plötzlich, dass der Experimente im des Lebens in seinem „Notebook B“. Schlüssel dazu im Unterschied zwi- heimischen Garten Überschrieben mit „I think“, zeigt schen denen lag, die überleben und In Suppentellern auf Tischen und das Diagramm vom Sommer 1837, sich vermehren und denjenigen, denen Fensterbänken legt er Samen von Sel- wie sich eine Art in 13 neue aufspaltet dies nicht gelingt“, erklärt Darwin- lerie, Kresse, Kohl und Pfefferpflanze – also genau so viele, wie die Gattung spezialist John van der Wyhe. Darwin aber auch Schlangeneier in Salzwasser der Galápagosfinken nach Darwins selbst schreibt dazu in seiner Autobi- ein. So will er klären, wie es möglich Kenntnisstand beinhaltete. Spätestens ographie: „Plötzlich hat mich dann ist, dass Arten sich über weite Strecken zu diesem Zeitpunkt also hat sich Dar- die Einsicht überkommen, dass unter und sogar über Meere hinweg verbrei- win von der Theorie verabschiedet, diesen Umständen günstige Variati- ten. Und tatsächlich kann er schon bald dass Arten konstant bleiben. „Modern onen voraussichtlich bewahrt werden vermelden, dass viele der Samen noch ausgedrückt würden wir sagen: Darwin und ungünstige zerstört würden“. Mit nach 40 Tagen im Salzwasser gekeimt hat anerkannt, dass Leben sich entwi- der Erkenntnis also, dass im wieder- haben – in einem Zeitraum also, in ckelt“, formuliert John van Wyhe. Der kehrenden Existenzkampf diejenigen dem sie von England bis zu den Azo- englische Wissenschaftshistoriker ist überleben und sich fortpflanzen, die ren hätten treiben können. Er züchtet Gründer und Direktor von Darwin sich durch vielleicht noch so kleine Tauben, um den Prozess einer künst- Online, der größten wissenschaftlichen Veränderungen am besten an ihr Um- lichen Selektion unmittelbar verfolgen Datenbank zu Charles Darwin und sei- feld angepasst haben, ist das zweite zu können. Und um zu beweisen, dass nem Werk. Element von Darwins Evolutionsthe- – analog zu den Galápagosfinken – alle Aber wie verändern sich lebende For- orie gefunden, die „natürliche Selekti- Nachkommen von Ziertauben von men über die Zeit? Arbeiten unter an- on“. einer Art abstammten. Seine Kinder derem von Charles Lyell, Jean-Baptiste 1842 brachte er den ersten Entwurf beauftragt er, auf der Wiese hinterm Lamarck und Thomas Malthus haben seiner Theorie – 35 Seiten lang – zu Haus die Bienen zu beobachten, die Darwins Überlegungen vorbereitet. In Papier. 1844 baute er ihn auf 240 Sei- nach seiner Erkenntnis die einzigen seinen „Principles of Geology“ zeigte ten aus. Das zweite Manuskript hatte Bestäuber von Rot-Klee sind und Charles Lyell, der Geologe und spä- er seiner Frau übergeben, um es – im einem festen Flug-Pfad von Baum zu tere Förderer Darwins, auf, wie kleine, Fall seines plötzlichen Todes – zu pu- Baum zu folgen scheinen. langsame, graduelle und kumulative blizieren. Doch es sollte noch fünf- Dabei war sein Tagesablauf von einer Veränderungen über immens lange zehn Jahre dauern, bis Darwin seine Routine bestimmt, von der er kaum Zeitspannen große Veränderungen be- Evolutionstheorie veröffentlichte. abwich. Er verbrachte jeden Tag bis BLICK 01 - 2009

zu sechs Stunden in seinem Arbeitszimmer, meist am Vormittag, wo er seine Proben unter- suchte, Korrespondenz erledigte oder Bücher schrieb. Während er sich nach dem Mittag­ essen ausruhte, las ihm seine Frau seine um- fangreiche Post vor. Im Laufe seines Lebens hatte er mit rund 2000 Menschen korrespon- diert, mehr als 14.000 Briefe geschrieben und empfangen. Die Briefe waren für ihn – auch thema weil er wegen seines Gesundheitszustandes schlecht reisen konnte – eine wichtige Verbin- dung zur Außenwelt. Sie brachten ihm Informati- onen über Tiere, Pflan- zen und Landstriche aller Herren Länder ins 22 Haus. Er nutzte sie aber auch zum fachlichen Austausch mit Kollegen und Freunden.

Spaziergänge auf dem „Thinking Path“ Und jeden Morgen, vor dem Mittagessen und am Nachmittag unter- nahm er ausgiebige Spa- ziergänge auf dem Wan- derweg hinterm Haus – auch „Thinking Path“ genannt. Das ist Teil seines Kampfes gegen seine angeschlagene Ge- sundheit. Seit seiner Rei- se mit der Beagle hatte er mit Magenschmerzen und Hautproblemen zu kämpfen. Es war aber auch eine wunderbare Gelegenheit, jahrein jahraus die Natur in den Der Baum des Lebens: Darwins erster Entwurf eines Stammbaums (Abbildung DAR.121: p.36. Nachdruck wechselnden Jahres- mit freundlicher Erlaubnis der Syndizi der Cambridge University Library) zeiten zu beobachten. Hier konnte er verfol- gen, wie auf dem angrenzenden Feld, der insgesamt 86 Ordnungen, in die von diesem verdrängt wurde, weil es das längere Zeit brach gelegen hatte, die Pflanzen in England klassifiziert über seinen Beschützer hinauswuchs sich im Lauf eines Jahres 142 Pflan- sind“. Hier wurde er auch Zeuge, wie und ihm dann das Licht nahm. Die zen angesiedelt hatten, „die 108 Arten ein Dornbusch, in dessen Schutz ein Menschen um ihn herum konnten zugeordnet werden konnten und 32 kleines Bäumchen gedieh, schließlich den Sinn seines Tuns nicht unbedingt BLICK 01 - 2009

nachvollziehen. So soll sein Gärtner Darwin recht hatte mit seiner Entde- turwissenschaft noch ein paar neue eines Tages über ihn gesagt haben: „Er ckung über die Evolution, aber dass hinzuzufügen. Aber ich hatte auch den streift durch den Garten, und ich habe er sich bei der natürlichen Selektion Ehrgeiz, einen ansehnlichen Platz in ihn zehn Minuten vor einer Blume ste- irrte“, sagt van Wyhe: „Es sollte noch der Rangliste der Wissenschaftler ein- hen sehen. Wenn er nur etwas zu tun bis zur modernen Synthese von Dar- zunehmen – ob dieser Ehrgeiz stärker hätte, würde es ihm, glaube ich, besser winismus und Mendel’scher Genetik in oder schwächer ausgeprägt war als der gehen.“ den 1930er Jahren dauern, bis die na- meiner Kollegen, dazu kann ich keine 1856 begann er auf Betreiben von türliche Selektion allgemein anerkannt Meinung bilden.“ Charles Lyell damit, seine Gedanken wurde.“ Margarete Pauli für ein Buch zum Thema „natürliche Selektion“ zu formulieren, ein Projekt, Die Grundlagen der Quellen: das ihn viele Jahre beschäftigte. Anders, modernen Biologie • http://darwin-online.org als lange Zeit angenommen wurde, Die anglikanische Kirche äußerte sich • http://www.darwinatdowne.co.uk hielt Darwin seine Ideen nicht geheim zunächst überwiegend ablehnend. • Charles Darwin: Mein Leben; und diskutierte sie mit vielen Kollegen Seinen Höhepunkt fand der Konflikt Frankfurt 2008 und Freunden, sagt John van Wyhe. in der Huxley-Wilberforce-Debatte, • Charles Darwin: Die Fahrt Wichtige Gesprächspartner und Weg- als im Juni 1860 der Bischof von Ox- der Beagle; Frankfurt 2008 gefährten waren neben Charles Lyell ford, Samuel Wilberforce, und Thomas • Julia Voss: Charles Darwin thema der Botaniker Joseph Dalton Hooker Huxley, Anatom und Physiologe, bei zur Einführung; Hamburg 2008 und Thomas Huxley, die später auch der Jahrestagung der British Association • Jens Schröder: Die Kraft, die neue zu seinen stärksten Verbündeten wer- for the Advancement of Science ihren Streit Arten schafft; in: GEO kompakt den sollten. um die Evolutionstheorie öffentlich Nr. 14, Die 100 größten Forscher austrugen. aller Zeiten; S. 68 -77 Zwei Vertreter ein und Darwin hat die natürliche Selektion im- derselben Theorie mer als eine Entdeckung von Wallace Im Juni 1858 jedoch schreckte ihn eine und sich selbst betrachtet. Dennoch ist Briefsendung von Alfred Russel Wal- die Evolutionstheorie untrennbar mit ZUR PERSON lace auf. Der Forschungsreisende, der Darwins Namen verknüpft, Wallace 23 sich seinen Lebensunterhalt durch das der ewige Zweite geblieben. Wallace, Charles Darwin wurde am Sammeln und Verkaufen von Präpara- so scheint es, war damit einverstan- 12. Februar 1809 in eine wohl- ten verdiente, schickte ihm ein Exposé den. Er betonte mehrfach, dass es habende Familie im englischen zu einer Evolutionstheorie, die in ver- sich ausschließlich um Darwins The- Shrewsbury geboren. Mit 16 blüffender Weise der Seinen glich. orie handele, weil dieser sie in allen Jahren begann er ein Medizin- Um beiden Autoren gerecht zu wer- Einzelheiten ausgearbeitet habe. 1889 studium in Edinburgh, wechselte den, wurden beide Evolutionstheo- dann gab er auch seinen gesammelten dann aber schon bald zum Theo­ rien zusammen im Juli 1858 vor der Aufsätzen zur Evolutionstheorie den logiestudium nach Cambridge. Linnean Society vorgestellt. Allerdings Titel „Darwinismus“ und sorgte damit Die Reise auf der Beagle von wurde von ihnen kaum Notiz genom- selbst dafür, dass Darwin als Begrün- 1831 bis 1836 führte ihn ins- men. Im Jahresabschlussbericht 1858 der der Evolutionstheorie gilt. besondere nach Südamerika, jedenfalls vermerkte der Präsident der Wozu all die Fülle? Warum so viel zu den Galápagos-Inseln und wissenschaftlichen Gesellschaft: „Das Schönheit? Mit seiner Theorie der zu den Inseln des Pazifischen vergangene Jahr zeichnete sich gewiss Evolution durch natürliche Selektion Ozeans. Zurück in England nicht durch eine Art aufsehenerre- hat Charles Darwin die Grundlage veröffentlicht er unter anderem gender Entdeckung aus, welche auf der modernen Biologie und der Le- seine Reiseberichte und seine einen Schlag die Abteilungen der Wis- benswissenschaften geschaffen. Sie umfangreiche Studie über die senschaft revolutionieren, aus denen erklärt die Vielfalt des Lebens und Rankenfußkrebse. Teils unter sie hervorgehen.“ wie es Tieren und Pflanzen gelingt, erschwerten Bedingungen – seit Im November 1859 erschien Darwins sich an ihre spezielle Umwelt optimal seiner Reise ist seine Gesund- Werk „Entstehung der Arten“. Mit anzupassen. Noch heute wird Charles heit angeschlagen – widmet er seiner Auffassung von Evolution über- Darwin als einer der bedeutendsten sich sodann seinem Theoriepro- zeugte er den größten Teil der Wissen- Wissenschaftler betrachtet. In seiner jekt, der Evolutionstheorie, die schaftsgemeinde. Schließlich war der Biographie, die er 1876 für seine Kin- er 1859 in seinem Hauptwerk Boden schon vorbereitet von Evoluti- der und Enkel geschrieben hat, sagt „Die Entstehung der Arten“ onstheorien wie der von Lamarck, aber er über sich selbst: „Sofern ich mich darlegt. auch von populären Schriften wie Ro- selbst richtig einschätzen kann, habe Darwin starb am 19. April 1882 bert Chambers „Natürliche Geschichte ich während der Reise (auf der Beagle) in Downe in der Grafschaft Kent. der Schöpfung“. Aber die „natürliche ohne Einschränkung aus reiner Freu- Am 26. April wurden ihm ein Selektion“ wurde meist nicht akzep- de am Forschen gearbeitet und bin Staatsbegräbnis und ein Grab in tiert. „Tatsächlich ging eine ganze Ge- meinem brennenden Wunsch gefolgt, der Westminster Abbey gewährt. neration von Biologen davon aus, dass der Masse von Tatsachen in der Na- BLICK 01 - 2009

Die Tumorzelle hat den Vorteil Fische, die kaum schwimmen können und trotzdem den Weibchen imponieren. Eine rote Königin, die rennt, aber keinen Schritt voran kommt. Parasiten, die ihren Wirt töten und sich davon einen Vorteil versprechen: Die Evolution hält viele Überraschungen parat, und noch längst sind nicht alle Fragen geklärt.

atürlich hat Manfred Schartl NCharles Darwins „Über den Ur- sprung der Arten“ gelesen. Denn zum einen ist Schartl Biologe; zum anderen spielen evolutionäre Prozesse in seiner Arbeit eine wichtige Rolle – was man von einem Inhaber des Lehrstuhls für Physiologische Chemie I auf den ers- ten Blick möglicherweise gar nicht ver- thema muten würde. Zum dritten aber arbeitet Schartl mit einer Fischart, die Darwin schon in seinem Buch als Beispiel für sexuelle Selektion angeführt hat: den Schwerträger-Fisch Xiphophorus. Dessen Schwert ist kein wirkliches Kampfinstrument. Wissenschaftler be- zeichnen so die bei männlichen Exemp- laren dieser Spezies im unteren Teil ver- 24 längerte Schwanzflosse. Sie dient dazu, bei der Balz die Weibchen zu stimulie- ren und zur Paarung zu animieren. Je größer das Schwert, desto besser die Chancen auf Fortpflanzung – selbst wenn das auf Kosten der Schwimm- fähigkeit bei den Männchen geht. Das ist allerdings nicht das Gebiet, auf dem Schartl hauptsächlich forscht. Der Mo- lekularbiologe arbeitet daran, auf der Ebene der Gene die Mechanismen auf- zudecken, die ablaufen, wenn sich Pig- ment- in Tumorzellen verwandeln und am Ende Hautkrebs verursachen. Und dieser Prozess lässt sich bei Xiphopho- rus gut untersuchen.

Evolutionäre Prozesse lassen Krebsforscher Manfred Schartl (Foto Gunnar Bartsch) den Tumor wachsen „Die Entstehung eines Tumors ist im Prinzip nichts anderes als ein evolu- operativ relativ einfach entfernen. Und sie muss die Fähigkeit erlangen, in tionäres Geschehen“, sagt Manfred Im Falle von Hautkrebs ist die Ange- anderen Geweben weiterzuwachsen, in Schartl. Im Kern einer Pigmentzelle legenheit komplizierter: „Die Zelle denen ganz andere Bedingungen herr- verändert sich spontan ein Gen; in der durchläuft eine ganze Reihe weiterer schen als an ihrem Ursprungsort. „Für Folge kann sich die Zelle schneller tei- Veränderungen, die sie für den Men- jeden dieser Schritte gibt es eine neue len als ihre unveränderten Nachbarn. schen so gefährlich macht“, so der Mo- Genvariante, die einen Evolutionsvor- „Das verschafft ihr im Sinne der Evo- lekularbiologe. Um sich im Körper aus- teil bedeutet“, sagt Schartl. So gesehen lution einen Vorteil“, so Schartl. Wenn breiten zu können, muss sie in tiefere sei eine Tumorzelle allen anderen Zel- die Zelle sich tatsächlich nur schneller Schichten der Unterhaut wandern – len überlegen – das Prinzip Survival of teilen würde, wäre das für den betrof- was normale Pigmentzellen niemals tun the Fittest gilt eben auch in dieser Grö- fenen Organismus kein großes Pro- würden. Sie muss ihre Form verändern, ßendimension. blem. Der Tumor, der auf diese Weise damit sie in Blutgefäße eindringen und Schartl forscht an Xiphophorus-Fi- entstehen würde, ließe sich vermutlich dort mit dem Strom schwimmen kann. schen, weil diese ebenfalls Hautkrebs BLICK 01 - 2009

entwickelt können. Bei einer bestimm- den Keim für eine neue Resistenz des die Evolutionstheorie“, glaubt Schartl. ten Art von ihnen ist ein Gen außer Erregers. Die Informationen seien bekannt ge- Kontrolle und löst die Krebsbildung Diese negative Betrachtungsweise liegt wesen, das gesellschaftliche Umfeld aus. Die entstehenden Tumore entspre- Manfred Schartl fern. Sein Ansatz lau- habe gepasst, man musste nur noch chen dem bösartigen Melanom beim tet anders: „Wenn man einen Tumor die richtigen Schlüsse ziehen. Dafür Menschen. Schartl hat dieses Krebsgen bekämpfen will, muss man schnell sein. spreche ja auch die Tatsache, dass nicht identifiziert und seine Eigenschaften Er darf nicht die Zeit haben, neue Ge- Darwin alleine die richtige Theorie for- beschrieben. Es enthält den Bauplan nerationen zu bilden, die Resistenzen mulierte, sondern fast zeitgleich andere für ein Protein, das unter anderem die entwickeln könnten.“ Noch besser sei Wissenschaftler denselben Weg ein- Zellteilung und die Zellwanderung in es, den Angriff von mehreren Seiten schlugen. „Es waren wohl große Leute Gang setzt. Aufgrund einer Mutation gleichzeitig zu führen: „Wenn man zur richtigen Zeit am passenden Ort“, ist das Protein bei den betroffenen Fi- beispielsweise die Tumorzellen daran sagt Schartl. schen fälschlicherweise dauernd aktiv. hindert sich zu teilen, und gleichzeitig Als Folge entstehen schnell wachsende die Bildung neuer Blutgefäße blockiert, Große Entdecker gibt Hauttumoren, die sich stark ins umlie- die sie für ihre Versorgung benötigen, es auch heute noch gende Gewebe ausbreiten. ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zel- Und heute? Wo sind heute die großen Ein weiterer Grund macht Fische für len auf einen Schlag Resistenzen gegen Entdecker? Das könne man nicht ver- den Evolutionsforscher so interessant: beide Angriffspunkte entwickelt, deut- gleichen, findet Schartl. Als Issac New- thema Bei ihnen hat sich im Laufe der Ent- lich geringer im Vergleich zu nur einer ton zum Professor der Physik ernannt wicklung das Genom – also das gesamte Therapie“, so Schartl. wurde, war er 21 Jahre alt. Heute ist Erbgut – verdoppelt. „Diese Verdoppe- ein Professor bei seinem ersten Ruf lung ist ein wichtiger Mechanismus der im Durchschnitt fast 40 Jahre alt. „Das Evolution“, sagt Schartl. Das überzäh- liegt aber nicht daran, dass Newton lige Gen wird frei für andere Aufgaben; „Evolution hat so viel besser gewesen wäre“, sagt der „die Evolution schafft sich Varianten, Biologe. Zu Newtons Zeit sei es eben mit denen sie spielen kann“. kein Ziel und möglich gewesen, innerhalb von zwei Krankheiten im Sinne der Evolutions- Jahren das gesamte Wissen der Physik theorie zu interpretieren, ist ein ver- kein Ende“ zu lernen. „Heute ist nur noch möglich, 25 gleichsweise junger Ansatz. Dabei passt über kleine Bereiche die Übersicht zu alles so gut: „Jeder Keim ist ein Parasit, Aber welchen Sinn macht das für eine behalten – und selbst dazu braucht es dessen größtes Interesse es ist, im Kör- Tumorzelle, ihrem Wirt überlegen zu mehr als zwei Jahre.“ per seines Wirts zu leben, ihn auszusau- sein, wenn sie ihn am Ende umbringt Trotzdem ist Schartl davon überzeugt, gen, sich einen Vorteil zu verschaffen“, – und damit sich selbst auch? Von dass es auch jetzt noch Wissenschaftler sagt Manfred Schartl. Das geht so lange „Sinn“ will Manfred Schartl nicht spre- vom Format eines Darwin gibt: „Wat- gut, bis der Wirt durch eine genetische chen. „Das ist eine sehr menschliche son und Crick haben ähnliches geleis- Variation in der Lage ist, einen Ab- Betrachtungsweise“, findet er. Evoluti- tet“, findet er. Und in ähnlicher Weise wehrmechanismus zu entwickeln, der on sei kein gerichteter Prozess, sie habe könnten technologische Entwicklun- nun ihm einen Selektionsvorteil bietet. kein Ziel und kein Ende. Und müsse gen die Biologie so revolutionieren wie Worauf der Parasit reagieren muss; was deshalb auch nicht zwangsläufig – wie eine Theorie: Die Erfindung der Poly- dann wiederum den Wirt herausfordert dies Kreationisten gerne behaupten merase-Kettenreaktion, die es möglich und so weiter und so fort. – zu dem Zustand biologischer Vielfalt macht, ganze Genome in kurzer Zeit führen, wie wir ihn heute vorfinden. zu analysieren, sei solch ein Beispiel. Der ewige Wettstreit zwischen „Evolution verläuft ungerichtet. Sie Gunnar Bartsch Wirt und Parasit produziert auch Formen wie Tumore, „Red-Queen-Hypothese“ nennen die scheinbar keinen Nutzen haben, ZUR PERSON Wissenschaftler dieses evolutionäre oder führt in Sackgassen, wie das Bei- Wettrennen. Die rote Königin ist eine spiel der Schwertträger-Fische zeigt“, Manfred Schartl wurde 1953 in Figur aus Lewis Carrols „Alice im so Schartl. Friedberg/Hessen geboren. Er hat Wunderland“. Ihre Aussage: „Hierzu- Wie beurteilt ein Molekularbiologe von Chemie und Biologie in Gießen lande musst du so schnell rennen, wie heute, der evolutionäre Prozesse an der studiert und als Wissenschaft- du kannst, wenn du am gleichen Fleck Basis der Gene untersucht, die Leis- licher Assistent in Deutschland bleiben willst“, liefert die passende Pa- tung eines Charles Darwin? Handelt es und den USA gearbeitet. Von rabel für den Wettstreit zwischen Wirt sich dabei um die Arbeit eines Genies? 1985 an war er Gruppenleiter am und Parasit. Beide müssen sich an- Wäre heutzutage ein Wissenschaftler Zentrum für Genetik des Max- strengen, damit am Ende doch wieder allein überhaupt in der Lage, ähnlich Planck-Instituts für Biochemie in nur Gleichstand herrscht. Pessimisten bahnbrechende Ergebnisse zu produ- Martinsried. Seit 1991 ist er Inha- könnten daraus den Schluss ziehen: zieren? „Das habe ich mich auch schon ber des Lehrstuhls für Physiolo- „Es gibt kein Heilmittel gegen Infekti- oft gefragt“, sagt Manfred Schartl. gische Chemie I am Biozentrum onen und Krebserkrankungen“. Denn „Es war wohl, wie so oft in der Wis- der Uni Würzburg. jede neue Therapie birgt in sich schon senschaft: Die Zeit war einfach reif für BLICK 01 - 2009 thema

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Holger Höhn an seinem Schreibtisch im Institut für Humangenetik. (Foto Gunnar Bartsch)

Brillenträger sind die Zukunft Ist der Mensch immer noch Spielball evolutionärer Prozesse? Oder hat er sich dank der modernen Medizin von diesen Mechanismen längst befreit? Der Humangenetiker Holger Höhn ist davon überzeugt, dass die Evolution noch immer ihr Spiel treibt mit Homo sapiens. Gewandelt haben sich jedoch die Kriterien, die über die Auslese bestimmen.

er Mensch der Zukunft hat einen Stephen J. Gould, Evolutionstheoreti- der Lage sein werde, seine evolutionäre Dvergleichsweise großen Kopf ker an der Harvard University, der im Zukunft selbst zu bestimmen, sobald – die Proportionen ähneln denen eines Mai 2002 gestorben ist, war hingegen alle menschlichen Gene entschlüsselt Säuglings. Das gewaltig vergrößerte davon überzeugt: „Biologisch sind wir sind. Gehirn hat den Hinterkopf ballon- klar am Ende“. Weil die natürliche Aus- Also, was jetzt: Ein Wesen mit Rie- förmig aufgeblasen, die Stirn ist hoch, lese durch Kindersterblichkeit – einst- sengehirn, eine Gattung, die in zu- die Augen sind groß, im Unterschied mals das größte Betätigungsfeld der nehmendem Maße unter Krankheiten dazu ist der Kiefer klein. Der Homo Evolution – heute fast verschwunden leidet, oder der perfekte Design-Klon? futurus hat nach Jahrtausenden weich- ist, überleben nicht mehr die fittes- Wie die Zukunft des Menschen aus- gekochten Essens keine Zähne mehr. ten Exemplare der Gattung Mensch, sieht, und welche Rolle die Evolution So zumindest sieht das Computermo- glaubte Gould. Erfolg oder Versagen dabei spielt, darüber sprach Blick mit dell des britischen Evolutionsbiolo- beeinflusse kaum noch den Kinderse- Holger Höhn, Leiter des Instituts für gen Richard Dawkins die Zukunft des gen. Humangenetik der Universität Würz- Menschen. Dawkins hat dafür einfach Der Soziobiologe Edward O. Wilson, burg. die Entwicklung der Schädelmaße un- der insbesondere für seine Forschungs- serer Vorfahren in die Zukunft hinein arbeiten über Ameisen bekannt ist, Herr Professor Höhn, ich bin seit hochgerechnet. glaubte hingegen, dass der Mensch in meiner frühen Jugend Brillenträ- BLICK 01 - 2009

ger. In der Savanne hätte ich mich der Definition. Aus genetischer Sicht sen schweren, angeborenen Problemen vermutlich nicht zurechtgefunden. handelt es sich einfach um genetische ist es so, dass die Betroffenen selbst in Bin ich somit das lebende Beispiel Variationen. Wer kurzsichtig ist, trägt der Regel keine Nachkommen haben. dafür, dass sich der Mensch aus eine genetische Variation, die ihm heu- Kinder, die beispielsweise an Muskel- der Evolution ausgeklinkt hat? Wie te nicht schadet, die ihn früher aber dystrophie erkrankt sind, leben heute Sie richtig sagen, benötigen Sie ein möglicherweise das Leben gekostet zwar sehr viel länger als früher. Dass Hilfsmittel, um Ihre Defizite im -Seh hätte. Solche Variationen finden wir sie selber Nachwuchs haben, ist jedoch en auszugleichen. Wenn Sie in Afrika sehr zahlreich beim Menschen. Glück- sehr selten. keine Brille tragen würden, wäre der licherweise verfügen wir aber auch über Löwe schneller als Sie. Wenn Sie hier Medikamente oder Prothesen, so dass Anderes Beispiel: Mukoviszidose. auf dem Mittleren Ring keine Brille unsere Fitness und Lebenserwartung Die Häufigkeit von Genträgern wird tragen würden, wäre das Auto schneller dadurch nicht eingeschränkt wird. sicherlich zunehmen – ganz klar. Es als Sie. Die Brille ist ein Mittel für Sie gibt eine Reihe von behandelbaren zum Überleben. Es handelt sich dabei Zumindest nicht in den ersten Erbkrankheiten, die über die Genera- um ein Hilfsmittel, genauso wie Insulin Jahrzehnten unseres Lebens. Al- tionen hinweg mit größerer Häufigkeit eines ist in einer Welt, in der zu viele terskrankheiten machen sich erst dann auftreten werden. Aber für diese fin- Kohlenhydrate und Süßigkeiten ange- bemerkbar, nachdem Sie Ihre Kinder den wir immer bessere Möglichkeiten boten werden. gezeugt haben. Sie spielen darum für der Behandlung, was dazu führt, dass thema die Evolution überhaupt keine Rol- Lebenserwartung und Lebensqualität Was bedeutet: Wir haben die Evo- le. Das bedeutet aber auch, dass diese der betroffenen Menschen immer noch lution überlistet. Wir überlisten sie Krankheiten letztlich nicht zu verhin- zunimmt. mit jeder Art von Prothesen – ob das dern sind. Die moderne Medizin kann die künstliche Hüfte ist, das Insulin diese Krankheiten nur lindern, nicht Behandlung heißt aber nicht Hei- oder die Statine, mit denen wir unseren grundsätzlich verhindern. lung. Nein, Heilung nicht. Behandlung Cholesterinspiegel senken. Wir glei- ist eine Prothese, mit der man leben chen damit Defizite aus, die früher der Dank der modernen Medizin über- kann. natürlichen Selektion zum Opfer gefal- leben aber auch viele Neugeborene len wären. und Kinder, die noch vor wenigen Und somit schaffen sich beispiels- 27 Jahrzehnten an ihren Krankheiten weise Reproduktionsmediziner zu Was hat das für Konsequenzen für gestorben wären. Die transportie- einem gewissen Teil ihre Patienten die Menschheit? Wird das dazu füh- ren dann nicht nur Gene weiter, die der nächsten Generation, weil sie ren, dass eines Tages kein gesun- sich im Alter manifestieren. Bei die- Männern zu Nachwuchs verhelfen, der Mensch mehr auf Erden wandeln wird? Wenn man „gesund“ definiert als die Abwesenheit von Defekten oder Krank- heit, dann ja. Aus ge- netischer Sicht gibt es in diesem Sinne keine gesunden Menschen, weil wir alle jede Men- ge Gendefekte in uns tragen, die sich un- ter bestimmten Um- weltbedingungen als Krankheit manifes- tieren. Das sind vor allem Gene, die spät auftretende Krank- heiten, also die soge- Katalog 2008/2009 Übersichtliche Anordnung in Produktfamilien nannten Alterskrank- Vakuum nach Maß für viele Anwendungen heiten verursachen Vakuumtechnik im System Zum Onlineblättern, Downloaden oder mitverursachen. und als Print-Version

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die ohne diese Hilfe zeugungsun- Zahl von Amylase-Genen gefunden. auch für junge Menschen gefährlich ge- fähig wären. Genau. Wenn die Un- Während andererseits Eskimos, die worden: Mutationsträger sterben heute fruchtbarkeit genetisch bedingt ist, wird sich hauptsächlich von Fisch und bereits im jungen Erwachsenenalter an sie auf diese Weise weitergegeben. Fleisch ernähren, nur wenige Amyla- Hirnblutungen. se-Gene besitzen. Schimpansen, die Ist das nicht ein erschreckendes praktisch keine stärkehaltige Nahrung Wie erklärt sich das? In den letzten Szenario? Für uns nicht, weil es sich zu sich nehmen, haben nur ein einziges 200 Jahren haben die Isländer ihre aus genetischer Sicht um eine natür- Amylase-Gen – das war also unser Essgewohnheiten komplett umgestellt, liche Variation handelt, die von der ursprünglicher Zustand vor ca. fünf weg von der fett- und proteinreichen Gesellschaft akzeptiert wird und die Millionen Jahren. Erst mit der Ein- Ernährung mit Fisch und Fleisch hin behandelbar ist. Die Kinder, die auf führung des Ackerbaus vor ca. 30.000 zur kohlenhydratreichen Kost der mo- diese Weise auf die Welt kommen, ha- Jahren hatten Menschen mit mehreren dernen Zivilisation. Erst mit dieser ben ja die gleiche Lebensqualität wie Amylase-Genen den Vorteil, dass sie Ernährungsumstellung konnte sich die andere Kinder. Ein Elternpaar, das keine Magen-Darm-Probleme bei der Mutation schädlich auswirken. Die Um- ohne ärztliche Hilfe keine Kinder be- Verdauung von stärkehaltigen Lebens- welt war also der entscheidende Faktor kommen kann, wird in der Regel nicht mitteln bekamen. Diese Menschen für die schädliche Auswirkung. Für die auf Nachwuchs verzichten, bloß weil hatten also aus evolutionärer Sicht ei- Betroffenen birgt diese Erkenntnis die dieses Kind möglicherweise ebenfalls nen klaren Vorteil und konnten ihre Hoffnung, durch Verzicht auf kohlen- thema zeugungsunfähig sein wird. erhöhte Zahl von Amylase-Genen an hydratreiche Ernährung wieder länger ihre Nachkommen weitergeben. überleben zu können. Führt das nicht in der letzten Kon- Mit der Konsequenz, dass dieses sequenz dazu, dass die Menschheit Gen weiter vererbt wird. Ja. Aber Sie insgesamt anfälliger wird? Und sehen: Wenn man die Umwelt ändert, wenn dann eines Tages ein beson- „Die Zunahme kann man die Schädlichkeit eines Gens ders aggressiver und gleichzeitig neutralisieren. Das ist ein gutes Beispiel gegen die gängigen Mittel resisten- der Mobilität für das Zusammenspiel zwischen Ge- ter Erreger auftaucht, wiederholen nen und Umwelt. Unsere Gene können 28 sich Szenarien, wie man sie von ist aus wir nicht beeinflussen oder ändern, die den Pest-Epidemien im Mittelalter Umweltbedingungen Gott sei Dank kennt? Dazu kann ich wenig sagen. schon. Wir wissen nur, dass genetische Variati- genetischer on dazu beiträgt, dass immer auch Men- Solch isolierte Bevölkerungsgrup- schen existieren, die sich als besonders Sicht nur pen wie die in Island gibt es doch in resistent erweisen. Das war bei der Pest der heutigen Zeit nur noch selten? so; das war bei den häufigen Durchfall- – oder? Tatsächlich hat die Mobilität erkrankungen so: Zum Beispiel hatten positiv“ heute dramatisch zugenommen. Aus Menschen mit bestimmten Blutgrup- der Sicht der Genetik ist das nur posi- pen bessere Überlebenschancen. Des- tiv. Denn eine Zunahme an genetischen halb finden wir in Mitteleuropa heute Da bedarf es aber immer auch des Defekten kann sich vor allem dann als überwiegend Blutgruppe Null. In Ge- Faktors Isolation, damit sich ein Krankheit manifestieren, wenn eng genden, wo die Pest nicht auftrat, fin- Gen durchsetzen kann. Geht das verwandte Bevölkerungsgruppen un- det man dagegen die Gruppen A und heute noch, bei knapp sieben Mil- tereinander Nachkommen haben. Ein B. Ein anderes Beispiel ist die Malaria, liarden Menschen? Das ist tatsächlich klassisches Beispiel dafür sind zwei wo es bestimmte Genvarianten gibt, die schwierig. Jedoch kann man auch heu- Orte hier in Franken. Während in dem vor einer Erkrankung schützen. te noch sogenannte Founder-Effekte einen Dorf viele Menschen an einer – also die Tatsache, dass eine Genver- erblich bedingten Blindheit erkrank- Die Evolution kann also immer änderung bei einem einzigen Menschen ten, fanden sich im Nachbardorf viele noch am Menschen ansetzen? Es auftaucht und sich dann unter den Einwohner mit einer erblich bedingten gibt viele Beispiele für aktuelle Spu- Nachkommen verbreitet – in räumlich Taubheit. Hätten die Bewohner über ren von Evolution und Selektion in isolierten Gebieten nachweisen. Etwa die Dorfgrenzen hinweg geheiratet, wä- unserem Genom. Ein gutes Beispiel in Island: Dort gibt es ein aktuelles Bei- ren die Krankheiten sehr viel seltener dafür sind die Amylase-Gene. Amylase spiel einer Genmutation, die sich auf aufgetreten. Stattdessen hieß es aber: ist ein Enzym, das man vor allem im die Stabilität der Blutgefäße im Gehirn „Heirate bloß nicht ins Nachbardorf, Speichel findet. Es zerschneidet stärke- auswirkt. Wer Träger dieser Mutation dann werden deine Kinder nicht nur haltige Nahrung in kleine Bruchstücke ist, besitzt brüchige Gefäße im Gehirn blind, sondern auch noch taub“. Eine und macht sie somit für uns verdau- und erleidet somit leicht Schlaganfälle. verhängnisvolle Folge der Unkenntnis bar. Bei Bevölkerungsgruppen, die viel Das Faszinierende daran ist: Diese Mu- einfacher Erbregeln. Hülsenfrüchte und Kartoffeln essen, tation ist ungefähr um das Jahr 1500 also einen hohen Stärkeanteil in ihrer erstmals in Island aufgetreten, aber Das ist wohl das gleiche Prinzip wie Nahrung haben, hat man eine erhöhte erst im 19. und 20. Jahrhundert ist sie in abgeschotteten einsamen Alpen- BLICK 01 - 2009

tälern, wo Inzucht viele erbkranke Welche Rolle wird die Gentechnik sehr viel über die Biologie unserer Zel- Kinder zur Folge hatte. Ja, genau. für die weitere Entwicklung des len, aber wir lernen auch, wie schmal Vermischung ist aus genetischer Sicht Menschen spielen? Wird es den der Grat zwischen Stammzellen und der beste Weg zur Prävention von ge- Designer-Menschen geben? Man Krebszellen ist. Wer möchte sich mit ei- netischen Defekten. Durch die erhöhte kann das nicht völlig ausschließen. ner Stammzelltherapie schon das Risiko physische und soziale Mobilität beob- Aber wenn überhaupt, wird bis dahin einer Krebserkrankung einhandeln? achten wir heute überall in der Welt noch viel Zeit vergehen – Jahrhunderte einen deutlichen Rückgang von Erb- wahrscheinlich. Allerdings habe ich Was heißt das jetzt für die Evolution krankheiten mit rezessivem Erbgang. ernsthafte Zweifel, ob eine genetische und den Menschen der Zukunft? Es Manipulation des Menschen jemals er- wird immer mehr Brillenträger ge- Sie würden also nicht sagen: Mit der folgreich sein wird. In den nahezu 40 ben? Ja, bestimmt. (lacht) Aber die Bril- Menschheit geht es bergab? Nein, Jahren, seit ich als Humangenetiker lenträger haben, wie Sie wissen, andere im Gegenteil. Die Mobilität führt dazu, tätig bin, habe ich drei große Perioden Fähigkeiten. Sie sehen nicht so gut, ver- dass sich keine Isolate mehr bilden der wissenschaftlichen Forschung mit­ fügen aber auch über Eigenschaften, können, in denen die Träger gleicher erlebt, die alle unglaubliche Verspre- die Nicht-Brillenträger weniger besit- Gene immer wieder aufeinander tref- chungen gemacht haben – ohne sie zen. Sie lesen vielleicht mehr, sind viel- fen. Der moderne Trend ist aus unserer jemals verwirklichen zu können. leicht vorsichtiger und treiben vielleicht Sicht nur gut. Mehr Sorgen machen mir weniger Hochrisikosport. Und auf thema Selektionsvorgänge ganz anderer Art. Welche waren das? Das war zunächst dem Heiratsmarkt hat man heutzutage die Gentherapie. Da hieß es, man kön- als Brillenträger auch keinen Nachteil Welche? Es lässt sich zeigen, dass in ne Erbkrankheiten heilen, indem man mehr. (lacht). unserer heutigen Gesellschaft reiche ein gesundes Gen in den Körper ein- Männer einen eindeutigen Selektions- schleust. Das hat nicht funktioniert Die Fragen stellte Gunnar Bartsch vorteil haben. – bis auf ein einziges Beispiel, bei dem zwei der Patienten anschließend jedoch Wieso bereitet Ihnen das Sorgen? Leukämie bekamen. Die somatische Daten aus den Industrienationen zei- Gentherapie von Erbkrankheiten ist ZUR PERSON gen, dass reiche Männer mehr Kinder letztlich an der Komplexität unserer 29 haben als nicht ganz so gut gestellte biologischen Grundstruktur geschei- Holger Höhn wurde am 28. – übrigens im Unterschied zu reichen tert. Das Zweite war die Klonierung. Dezember 1942 in Sonneberg Frauen. Bei denen ist es genau umge- Bei Dolly war die Aufregung groß: Ab (Thüringen) geboren und wuchs kehrt: Die haben weniger Kinder. Nun jetzt wissen wir, dass klonierte Säuge- in Würzburg auf. Von 1962 bis muss man sich fragen: Was haben die­ tiere, wenn sie überhaupt geboren wer- 1968 studierte er in Würzburg se Männer für Fähigkeiten, dass sie den, nicht gesund und schon gar nicht und Innsbruck Medizin und so wohlhabend werden? Bei einigen gewinnbringend sind. Damit ist auch spezialisierte sich anschließend stammt der Reichtum aus der Fami- das Schreckensszenario des klonierten in Freiburg auf die Human- lie, bei den meisten wird er erworben Menschen aus dem Medieninteresse genetik. Von 1971 bis 1979 sein. Das sind dann wahrscheinlich verschwunden. forschte Höhn am Department eher aggressive Persönlichkeiten, die of Pathology und am Center for egoistisch durch die Welt gehen und Immerhin ist vor Kurzem ein Hund Inherited Diseases der Universi- Reichtum anhäufen. Solche Männer geklont worden. Ja, es gibt einen ty of Washington in Seattle. Am haben offenbar bessere Chancen, ihre Hund, eine Katze, ein Schaf. Aber 1. November 1979 wurde er auf Gene weiterzugeben. Das macht schon immer nur einzelne Individuen. Und den neuen Lehrstuhl für Human- nachdenklich, wenn diese Art von cha- dafür sind 500 bis 1000 Versuche nö- genetik in Würzburg berufen, rakterlichen Eigenschaften einen Se- tig. Und auch Dolly selbst, dieses eine den er momentan – nach seiner lektionsvorteil hat und sich dadurch Schaf, ist mit sechs Jahren verfrüht ge- Emeritierung – noch vertritt. vermehrt…. storben und war krank – wie auch alle 1980 stand die Gründung des anderen Klontiere. Es funktioniert ein- Instituts für Humangenetik an, Wobei ich ja mal das genaue Gegen- fach nicht, so wie wir uns das in unserer damals noch in der Koelliker- teil gehört habe. Da hieß es: Fami- wissenschaftlichen Naivität vorgestellt straße untergebracht, das Höhn lien aus sozial schwachen Schichten haben. seitdem leitet. 1991 erfolgte hätten deutlich mehr Kinder als der Umzug in das Biozentrum Akademiker und würden somit ihre Und das dritte Beispiel? Das ist die am Hubland; 1997 wurde die Gene besser verbreiten als zum Bei- Stammzelltherapie. Diese Epoche ist eigenständige Abteilung Medi- spiel Hochschulabsolventen. Ja, das momentan noch am Laufen. Ich wage zinische Genetik unter Leitung mag schon stimmen. Akademiker sind allerdings die Voraussage, dass auch von Tiemo Grimm gegründet, ja in der Regel keine reichen Leute. In diese Epoche vorbeigehen wird, ohne und 2001 erfolgte die Erweite- der zitierten Untersuchung geht es um dass es zu medizinisch und menschlich rung mit dem Verfügungsge- den Geldadel. Dazu zählen Akademiker sinnvollen Anwendungen kommt. Von bäude. im Bereich der Uni eher nicht. (lacht) der Stammzellforschung lernen wir BLICK 01 - 2009

Zwei Putzerfische arbeiten an einem thema großen Kunden. Manchmal beißen sie ihn auch, aber auf Dauer können sie sich diese Aggression nicht leisten. (Foto Redouan Bshary) Wenn der Putzer zubeißt 30 Eine Vorlesungsstunde über Evolution im Biozentrum

rst in 15 Minuten soll die Vorle- Denn Kooperationen zwischen Lebe- und vertreibt seinen Gast. Diese Art Esung anfangen, aber der Hörsaal wesen bleiben nur dann stabil, wenn der Kooperation sorgt dafür, dass die ist schon jetzt fast voll. „Wenn man zu der Nutzen für die „Spieler“ größer ist Bachstelzen die vorhandene Nahrung spät kommt, kriegt man vielleicht nur als die Kosten. Und der Nutzen besteht jeweils optimal nutzen und dadurch noch einen Platz auf der Treppe“, er- in der Evolutionsbiologie am Ende im- möglichst viel Fitness gewinnen. klärt ein Biologiestudent. Kein Wunder mer darin, Fitness zu gewinnen und da- Dann ist die verblüffende Kooperation also, dass seine Kommilitonen schon durch mehr Nachkommen in die Welt zwischen Putzerfischen und anderen weit vor der Zeit zusammenströmen. setzen zu können. Meeresbewohnern an der Reihe. Hier Ein Donnerstag im Wintersemester, gibt Heike Feldhaar neueste Erkennt- Biozentrum, Hörsaal A101. Der Raum Bachstelzen-Männchen nisse wieder. Sie stammen von Profes- ist für 198 Zuhörer gedacht. Als Heike tun sich zusammen sor Redouan Bshary, der in Neuchatel Feldhaar um 12:15 Uhr mit ihrer Vorle- Beispiel aus der heimischen Vogelwelt in der Schweiz forscht, und sind so neu, sung anfängt, muss zwar niemand auf gefällig? Das Männchen der Bachstelze dass sie noch gar nicht in den Lehrbü- den Treppenstufen sitzen. Aber es sind schreitet systematisch sein Revier ent- chern zur Evolutionsbiologie stehen. auch nur noch vereinzelt Plätze frei. lang von Wasserläufen ab. Dabei pickt Putzerfische sind relativ kleine Fische, Die Erstsemester scheinen sich sehr es Insekten auf – gerne auch solche, die zum Beispiel im Roten Meer an Ko- für das Thema zu interessieren, über die schon tot sind und angeschwemmt rallenriffen leben. Dort haben sie feste das die Dozentin heute vorträgt: die werden. „Ist genug Nahrung da, ak- Standorte, an denen sie auf Kundschaft Evolution von Kooperationen. zeptiert der Revierinhaber ein zweites warten, nämlich auf größere Fische, die Am Anfang steht Abstraktes – Heike Männchen in seinem Reich“, erklärt sie dann von Parasiten befreien: Die Feldhaar spricht über die Grundzüge Heike Feldhaar. Die beiden Vögel hal- Putzerfische ziehen ihnen die Schma- der Spieltheorie. Die ist zwar eher aus ten dann möglichst viel Abstand von- rotzer aus der Haut und fressen sie. der Ökonomie oder der Soziologie einander, verteidigen das Revier aber Allerdings schmeckt den Putzerfischen bekannt, erklärt aber auch viele biolo- gemeinsam. Das ist der Nutzen, und er auch die Schleimschicht, die ihre Kun- gische Sachverhalte sehr gut. Mit ihr ist größer als die Kosten: Zwar verzich- den überzieht. Und so kommt es immer lassen sich Systeme analysieren, die tet der Revierinhaber auf einen Teil der wieder vor, dass sie nicht nur Parasiten aus mehreren Akteuren bestehen. Eine Nahrung. Aber das tut ihm nicht weh, vertilgen, sondern auch mal einen Bro- große Rolle spielen dabei die Begriffe solange genug für zwei da ist. Nimmt al- cken Schleim abbeißen. Das ist riskant. Kosten und Nutzen – und die tauchen lerdings die Insektenmenge ab, beendet Denn die Kunden lassen sich nicht in der Vorlesung immer wieder auf. der Hausherr die Reviergemeinschaft wirklich gern anknabbern und sind au- BLICK 01 - 2009

ßerdem so groß, dass sie für die Putzer- der Aufzucht der Jungen. Dabei koo- die lassen sich auch mit den Methoden fische eine Bedrohung darstellen. Eine perieren sie umso stärker, je enger sie der Evolutionsbiologie gut erforschen. sehr zerbrechliche Partnerschaft also, miteinander verwandt sind. Schwes- Probleme gibt es zum Beispiel, wenn und trotzdem hatte sie im Lauf der tern helfen sich häufiger als Halb- krankheitserregende Bakterien sich auf Evolution Bestand. schwestern. Diese Strategie steigert die medizinischen Geräten zu so genann- „Wenn ein Putzerfisch seinen Klienten Chancen, die eigenen Gene zu erhalten ten Biofilmen zusammenschließen, beißt, kann der eine Gegenattacke star- – schließlich ist das Erbgut von Ge- sich also gemeinsam in eine schützende ten“, sagt Heike Feldhaar. Dabei wird schwistern, statistisch gesehen, zu 50 Schleimschicht einbetten. Dann sind der Putzerfisch zwar nicht gefressen, Prozent identisch. sie kaum noch mit Medikamenten oder bekommt aber vielleicht einen derben Desinfektionsmitteln angreifbar. Sol- Schlag von der Schwanzflosse seines Auch Bakterien erkennen che Biofilme bilden die Bakterien erst, Kunden ab. Und das zeigt Wirkung: ihre Verwandten wenn sie merken, dass eine ausreichend Der kleine Fisch bessert sein Verhal- Verwandte erkennen und ihnen den große Zahl von ihnen zusammenge- ten. Würde er das nicht tun, bliebe er Vorzug geben: Das passiert nicht nur kommen ist. Das ist, als würden sie sich irgendwann allein an seiner Putzstati- bei Erdhörnchen und anderen höher absprechen: „Genau jetzt sind genug on. Denn die Fische, die sich am Riff entwickelten Tieren, sondern erstaunli- von uns da! Wenn wir alle zusammen säubern lassen, merken sich genau, cherweise auch bei Bakterien. „Dass die anfangen, einen Biofilm zu bilden, welche Putzer allzu aggressiv sind. Entwicklung sozialen Verhaltens eine dann bringt uns das richtig was!“ thema Um schmerzhafte Bisse zu vermeiden, gewisse Menge an Hirn voraussetzt, Auch in anderer Hinsicht kooperieren besuchen sie dann lieber die weniger ist eine veraltete Annahme“, sagt Hei- Bakterien, etwa wenn sie einen Orga- dreisten Putzerfische. Sie beobachten ke Feldhaar. Zwar wisse die Forschung nismus infiziert haben. Sie vermehren sogar das Treiben am Riff: Wenn sie bislang noch nicht, auf welche Weise sich dann so lange, bis eine kritische bemerken, dass die Kunden an einer Bakterien ihre Verwandten erkennen. Menge von ihnen existiert – und fan- bestimmten Putzstation häufig geplagt Aber sie können es, wie das Beispiel gen dann alle gleichzeitig damit an, die werden, meiden sie diese Station. von Pseudomonas aeruginosa zeigt. Diese Gewebe und Zellen des Wirtes aufzu- Wie du mir, so ich dir: „Dieses Spiel Bakterien geben in ihre Umgebung En- lösen und sich von den Bestandteilen geht hier über mehrere Runden“, sagt zyme ab, die den wertvollen Nährstoff zu ernähren. „So erreichen sie einen die Dozentin. „Wenn ein Spieler be- Eisen binden, und nehmen dann die viel größeren Effekt als mit Einzelak- 31 trügt, kann der andere ihn beim nächs- Enzyme samt Eisen wieder auf. Solange tionen“, sagt Heike Feldhaar. ten Mal bestrafen. Dabei gilt aber, dass nah miteinander verwandte Bakterien Auch die Studierenden setzen diese Art beide nicht nachtragend sind und je- unter sich bleiben, ist die Produktion der Kooperation ein. Eigentlich soll derzeit zur Kooperation zurückkehren der Enzyme hoch. Sie wird aber deut- die Vorlesung um 13 Uhr zu Ende sein können.“ Der Nutzen für den Putzer- lich gedrosselt, sobald Fremde auftau- – die Mägen knurren, die Mensa ruft. fisch: Er muss keine Nahrung suchen, chen. Denn die konkurrieren mit den Aber die Dozentin überzieht, weil sie sondern bekommt sie mundgerecht „Familienmitgliedern“ um den Eisen- noch viel zu erzählen hat. Da fangen serviert. Und die größeren Fische er- Enzym-Komplex und sollen möglichst die fast 200 Zuhörer alle gleichzeitig halten eine Körperreinigung, wenn sie wenig davon abbekommen. an zu schwätzen – und werden schnell dauerhaft auf die Beute namens Put- „Als Evolutionsbiologen anfingen, sol- lauter. Heike Feldhaar merkt, dass die zerfisch verzichten. che Phänomene bei Bakterien zu unter- Zeit um ist, und beendet die Vorlesung Warum kooperatives Verhalten bei Tie- suchen, wurden sie zuerst belächelt“, um 13:03 Uhr. Im weiteren Verlauf der ren entsteht, lässt sich auch durch die sagt Heike Feldhaar. Mittlerweile sei das Evolution dürfte sich auch diese spezi- so genannte Verwandtenselektion er- nicht mehr so. Denn wenn Bakterien elle Kooperation zwischen Studieren- klären. Die Weibchen der Erdhörnchen kooperieren, verursacht das beispiels- den als beständig erweisen. zum Beispiel helfen sich gegenseitig bei weise in der Medizin Probleme – und Robert Emmerich

Präriehunde gehören zu den Erdhörnchen. Bei der Aufzucht ihrer Jungen kooperieren die Weibchen, und zwar umso stärker, je näher sie miteinander verwandt sind. (Foto Günther Dotzler/Pixelio.de) BLICK 01 - 2009 thema

Stammbäume der Evolution sind – neben anderem – das Ergebnis von Matthias Wolfs Forschungsarbeiten. Kein Wunder, dass an seiner Magnettafel der erste, von Charles Darwin gezeichnete „Tree of Life“ zu finden ist. (Foto Gunnar Bartsch) 32 Die Evolution als Rechenaufgabe Am Lehrstuhl für Bioinformatik arbeiten Biologen, Mathematiker und Informatiker gemeinsam daran, den Stammbaum des Lebens zu berechnen

m Anfang des Lebens stand eine Evolution bräuchte man keine Biolo- „Vereinfacht gesagt, nehmen wir eine AZelle. Bis heute hat sich daraus eine gie.“ Matthias Wolf ist Akademischer kleine Anzahl von beispielsweise Al- gigantische Vielfalt an Lebewesen ent- Rat am Lehrstuhl für Bioinformatik der genarten, sequenzieren deren Erbma- wickelt – so viele, dass die Schätzungen Universität Würzburg. Evolutionsbiolo- terial und messen dann die Anzahl der der Experten zwischen zehn und 100 gie und die Systematik von Tieren und Unterschiede zwischen den einzelnen Millionen Arten schwanken. Rund 1,8 Pflanzen zählen zu seinen Forschungs- Arten. Je weniger Unterschiede wir Millionen von ihnen sind derzeit be- schwerpunkten. Seine Arbeit stehe im finden, desto näher sind die Algen kannt. Wie sich diese Artenvielfalt ent- Schnittpunkt von Bioinformatik und miteinander verwandt“, sagt Matthias wickelt hat, und wer mit wem verwandt Phylogenetik – also der Frage, wie sich Wolf. Klingt einfach, kann aber sehr ist, das versuchen Evolutionsforscher die Gesamtheit aller Lebewesen stam- schnell extrem aufwändig werden: Sind zu ergründen. Unterstützt werden sie mesgeschichtlich entwickelt hat. Der beim Vergleich von vier Organismen dabei auch von Bioinformatikern der promovierte Biologe Wolf arbeitet mit drei unterschiedliche Stammbäume Universität Würzburg. Denn wer Ver- Unterstützung von Mathematikern und möglich, geht die Zahl bei sechs Orga- wandtschaftsbeziehungen möglichst Informatikern daran, die Evolution ein- nismen hoch auf 105 Varianten. „Und exakt darstellen möchte, ist heute auf zelner Merkmale im Verlauf der Ent- bei zehn Beteiligten erreichen wir be- jede Menge Mathematik und Informatik wicklungsgeschichte zu charakterisieren. reits Möglichkeiten in Millionenhöhe“, angewiesen. Allerdings: Die Rechenleis- Dabei konzentriert er sich insbesondere so Wolf. Die Verwandtschaftsbezie- tung, die benötigt würde, um einen ex- auf die Stammbäume von Algen und hungen sämtlicher bekannter Arten? akten Stammbaum für sämtliche Lebe- Wirbellosen. Darüber hinaus sind die „Die Menge an Möglichkeiten würde wesen zu erstellen, übersteigt die heute Bioinformatiker damit beschäftigt, die die Zahl der Sterne im Universum bei weltweit vorhandenen Kapazitäten bei Methoden und Programme, mit deren weitem überschreiten.“ weitem. Hilfe sie Verwandtschaftsbeziehungen In der Regel untersuchen die Würzbur- „Evolution ist die Grundlage, auf der die untersuchen, permanent zu verbessern, ger Bioinformatiker für ihre Vergleiche gesamte Biologie mit all ihren Fachge- damit sie noch schneller und akkurater nicht das gesamte Erbgut, um Ver- bieten und Fragestellungen ruht. Ohne arbeiten. wandtschaftsbeziehungen aufzudecken. BLICK 01 - 2009

Ihnen reicht der Internal Transcribed Die ITS2-Datenbank erlaubt ihnen Das Wahrscheinlichkeitsprinzip hilft Spacer 2 (ITS2) – eine Art Leerstelle vielfältige Recherche-Möglichkeiten; dem Evolutionsforscher auf der Basis zwischen zwei Wörtern im Satzbau des zusätzliche Programme, die häufig im der Statistik weiter: „Wir kennen von Genoms. Zu finden ist ITS2 im Erbgut Rahmen von Doktorarbeiten entstan- vielen Arten die Häufigkeiten, wie oft von Ribosomen – winzigen Bestand- den sind, bieten Strukturanalysen und die einzelnen Bausteine des Genoms teilen des Zellplasmas, die am Bau von -vergleiche an, oder ermöglichen es, durch eine Mutation verändert wer- Proteinen beteiligt sind. „Ribosomen Stammbäume auf Sequenz- und Struk- den“, so Wolf. Anhand der Mutations- bestehen aus drei Genen, die durch Ab- turinformationen zu berechnen. raten kann nun der Grad der Verwandt- standshalter voneinander getrennt sind, Mit dem Vergleich eines einzelnen schaft abgeschätzt werden. den ITS 1 und 2“, sagt Wolf. Während Merkmals ist es in der Regel nicht ge- Und zum Schluss das Distanzprinzip. die Gene in ihrem Aufbau sehr bestän- tan, um daraus ganze Stammbäume Dabei geht es nicht um die Frage, ob dig sind – innerhalb einer Art gibt es so für größere Mengen an Lebewesen die untersuchten Arten in räumlicher gut wie keine Abweichungen, und auch zu erstellen. Wer einen roten Hocker, Nachbarschaft leben. Die Nähe – oder über Artgrenzen hinweg sind die Varia- einen blauen Stuhl und einen roten Distanz – wird auf der molekularen tionen äußerst gering –, hat sich ITS2 als Sessel miteinander vergleicht und da- Ebene gemessen, in der Gensequenz. äußerst variabel erwiesen. „Mutationen bei die Farbe als Kriterium heranzieht, So ist es denkbar, dass sich zwei Or- in diesem Abschnitt haben wahrschein- kommt zu einem anderen Ergebnis als ganismen an jeweils fünf Stellen im lich keine größeren Konsequenzen sein Kollege, der die Rückenlehne als Genom von einem dritten unterschei- thema für das Ribosom und können deshalb entscheidenden Unterschied ins Vi- den. Sind also beide gleich eng mit dem problemlos vererbt werden“, sagt Wolf. sier nimmt. Möglich ist ebenfalls, dass dritten verwandt? „Nicht unbedingt“, Natürlich gilt auch für ITS2: Je geringer ein Merkmal im Laufe der Evolution sagt Wolf. „Es kommt beispielsweise die Anzahl der Unterschiede, desto en- zweimal aufgetaucht ist – allerdings darauf an, wie weit die Unterschiede ger die Verwandtschaft ihrer Träger. an ganz unterschiedlichen Stellen des über das Genom verteilt sind.“ Liegen Stammbaums. Wer dann nur auf dieses die Veränderungen über große Distan- Ein schönes Beispiel für die Merkmal achtet, muss zwangsläufig zu zen, spricht dies für mehrere, vonein- Richtigkeit der Evolutionstheorie falschen Schlüssen kommen. Damit ander unabhängige Mutationen. Liegen Allerdings beschränken sich die Würz- das nicht passiert, gelten für den Evo- sie eng beieinander, könnte ein Ereig- burger Bioinformatiker nicht darauf, lutionsforscher eine Reihe von Regeln, nis dafür verantwortlich sein. Letzteres 33 allein die Sequenz von ITS2 zu verglei- die ihm beim Erstellen von Stammbäu- deutet also auf eine engere Verwandt- chen. In ihrem Bestreben, die bioin- men helfen soll. schaft hin im Vergleich zu dem Kan- formatischen Methoden zu verfeinern didat mit den weit verstreuten Abwei- und zu verbessern, sind sie auf die chungen. Idee gekommen, die Struktur, die das Mittlerweile ist der Tree of Life, der ITS2-Molekül annimmt, zum Vergleich „Wir wissen Stammbaum des Lebens, auch Dank heranzuziehen. Die kettenförmigen der Arbeit der Bioinformatiker ein weit Moleküle ordnen sich nämlich zu cha- nicht genau, verzweigtes, vielfach verästeltes Gebil- rakteristischen Gebilden an: Vier Ärm- de. Damit seine Studierenden sich dort chen, von denen das dritte immer etwas wie die ersten nicht verirren, lässt Matthias Wolf sie länger ist. „ITS2 ist hoch variabel, bildet in seiner Vorlesung gerne die ersten aber stabile Sekundärstrukturen aus“, Schritte der Evolution nachvollziehen. sagt Wolf. Vergleicht man nun zwei Schritte „Evolution hat sich immer in Teilungs- solche Moleküle miteinander und stellt schritten vollzogen, so dass aus einer fest, dass sie sich an nur einer einzigen abgelaufen Linie jeweils zwei hervorgingen“, so Stelle in einer ganz bestimmten Weise Wolf. Und so standen am Anfang … unterscheiden, reicht dieser Befund aus Doch hier muss der Evolutionsforscher um sagen zu können, dass die beiden sind“ einschränkend zugeben: „Wir wissen ITS2-Moleküle von zwei verschiedenen „Das wichtigste Prinzip ist das Spar- nicht genau, wie die ersten Schritte Arten stammen. samkeitsprinzip“, sagt Matthias Wolf. abgelaufen sind.“ Klar ist, dass Euka- Für den Stammbaumforscher sind ribo- Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass ryonten – also Zellen, die einen Kern somale Gene ein ideales Arbeitsmittel: die Evolution ihre Arbeit möglichst ra- besitzen – sowie Archae- und Eubak- „Die Struktur gibt uns Auskunft über tionell verrichtet. Deshalb ist es eher terien die frühen Schritte der Evolution ferne Verwandtschaftsbeziehungen, die unwahrscheinlich, dass ein bestimmtes darstellten. Wann welcher Ast wo abge- Sequenz über nahe“, sagt Wolf. Darü- Merkmal zu unterschiedlichen Zeiten zweigt ist, lässt sich heute jedoch nicht ber hinaus funktionieren ribosomale und an unterschiedlichen Zweigen des mehr zweifelsfrei nachweisen. Aber das Gene als Marker über sämtliche Arten Stammbaums zweimal neu entstanden ist kein Wunder: „Je weiter ein Ereig- hinweg – „ein schönes Beispiel für die sein soll. Noch unwahrscheinlicher nis zurück liegt, desto schwerer lässt es Richtigkeit der Evolutionstheorie“, wird diese Annahme, wenn mehrere sich rekonstruieren“, sagt Wolf. Und wie Wolf sagt. Die Erkenntnisse der Merkmale diesen Weg gegangen sein dieses Ereignis ist immerhin rund vier Forscher aus dem Biozentrum kön- müssen, damit zwei Arten als nahe Ver- Milliarden Jahre alt. nen Wissenschaftler weltweit nutzen: wandte gelten können. Gunnar Bartsch BLICK 01 - 2009 thema

(Fotos ESA / Collage Gunnar Bartsch) „Am Anfang war das Wort“ 34 … oder doch der Urknall? Religiöse Wahrheiten und naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind zwei verschiedene Ansätze, die sich gegenseitig aber nicht ausschließen.

enesis“ oder „Die Entstehung Kreisen mit kämpferischer Attitüde vielleicht einen gemeinsamen Ur- Gder Arten“, Evolutionstheorie vorgetragen. sprung? Das schließen wir heute aus. oder wörtliche Bibelauslegung? Die ka- Die Gemeinsamkeiten ergeben sich aus tholische Kirche hat sich deutlich posi- Wo ist nach dem Ursprung dieser dem übergreifenden altorientalischen tioniert. Warum sie den Kreationismus Schöpfungsgeschichte zu suchen? Kulturhorizont, der Ägypten, Meso- ablehnt und wie sie naturwissenschaft- Die biblischen Schöpfungsberichte potamien, Syrien und die ägyptischen liche Erkenntnisse mit theologischem haben interessante Parallelen in Me- Großreiche umspannt. Deswegen muss Verständnis verbindet, dazu nimmt sopotamien und Ägypten. Dort wird es keine literarische Beeinflussung ge- Professor Theodor Seidl, Lehrstuhl für die Vorstellung der Schöpfung zum geben haben, keine Abhängigkeit auf Altes Testament und biblisch-orienta- Beispiel durch einen Kampf der Göt- schriftlicher Basis. Durch Geografie lische Sprachen, im Interview Stellung. ter oder durch Zeugung und Geburt und Klima ergab sich eine ähnliche beschrieben. Im Zweistromland gibt Fragestellung nach dem Warum und Herr Professor Seidl, was ist unter es Schöpfungsepen wie das „Enûma Wie der bestehenden Welt. Schöp- Kreationismus zu verstehen? Krea- elîsch“ oder das noch nicht lange be- fungsberichte sind also keine naturwis- tionismus ist eine neue Bewegung, die kannte „Atramchasis-Epos“. Letzteres senschaftlichen, kausal ausgerichteten von Amerika auf den europäischen hat insofern frappierende Parallelen Weltentstehungstheorien, sondern reli- Kontinent übergegangen ist. Sie ist zum zweiten Schöpfungsbericht der giöse Deutungen der Welt, wie sie ist. eine antidarwinische Theorie, welche Bibel, als es gleichermaßen anthro- Und weil sich diese Welt in Ägypten die Evolutionslehre ganz bewusst ab- pozentrisch akzentuiert ist. Zum Ver- und Mesopotamien – also in Fluss- lehnt und das wörtliche Verständnis gleich und für eine bessere Auslegung kulturen – mit ähnlichen Problemen, der biblischen Schöpfungsgeschichte der biblischen Texte eignen sich auch Fragestellungen und Gegebenheiten reklamiert. Der Kreationismus geht die ägyptischen Weltentstehungslehren präsentiert, kommt es auch zu solchen von einem Schöpfer aus, der uranfäng- und Schöpfungstheologien. Parallelen. Zeitlich und regional liegen lich die Welt ins Dasein gerufen hat. In die Berichte so weit auseinander, dass den Vereinigten Staaten wird diese Leh- Warum sind sich viele dieser Ge- man keine unmittelbare literarische Ab- re vor allem von fundamentalistischen schichten sehr ähnlich – gibt es hängigkeit zwischen diesen mesopota- BLICK 01 - 2009

mischen, ägyptischen und israelitischen mit einem fundamentalistischen Bibel- blick auf das Verständnis der Schöp- Schriften postulieren darf. verständnis angehören, das heißt, die fungslehre. Die beiden biblischen Bibel wörtlich nehmen. Allerdings war Schöpfungsberichte sind auf dem al- Die Schöpfungsgeschichte, von auch die römische Kirche zu Zeiten ten, längst verabschiedeten, weil natur- der Sie gesprochen haben, welche Galileis und Darwins diesem wört- wissenschaftlich nicht mehr haltbarem Stellung nimmt sie in der katho- lichen, also fundamentalistischen Bi- Weltbild aufgebaut. Die biblischen lischen Lehre ein? Sie ist die Grund- belverständnis verpflichtet. Autoren waren darin Kinder ihrer Zeit lage der christlichen Schöpfungslehre; und in diesem Sinne durchaus auch diese erfährt im Neuen Testament Was will man mit diesem funda- fehlbar – bezogen auf historisch be- eine Fortführung: Dort wird das mentalistischen Denken erreichen? dingte, zeitbegrenzte Aussagen. Eine Christusereignis in die Schöpfungs- Die Bibel als oberste Glaubensautorität fundamentalistische Bibelauslegung thematik integriert. Sie hat gleichfalls „retten“, indem man sie vordergründig erweist sich überall dort als falsch, Bedeutung für die Kirchenväter und naiv wörtlich nimmt. wo sie offenkundige Unwissenheiten die gesamte systematische Theologie, der biblischen Autoren als unfehlbare die freilich von der griechischen Phi- Seit wann wird in der katholischen Wahrheit annehmen muss, wie zum losophie geprägt ist. Als Exeget lege Theologie die heute gängige Rich- Beispiel, dass Hase und Dachs Wie- ich diese Texte aber mit Blick auf ihre tung verfolgt und warum? Seit dem derkäuer seien oder Insekten vier Bei- Entstehungszeit und die vorchristli- Zweiten Vatikanum (Anm. d. Redakti- ne hätten. thema che Umwelt aus. Die systematische on: Oktober 1962 bis Dezember 1965), in Theologie hat lange die Schöpfungs- der evangelischen Kirche bereits seit Zusammengefasst heißt das berichte der Bibel mit dem aristote- Beginn der Aufklärung am Ende des also…? Die Schöpfungstexte der Bi- lischen Kausalprinzip interpretiert, 18. Jahrhunderts. Ein echter Quan- bel bedienen sich der Sprache des My- mit einseitigem Blick auf die prima tensprung in der katholischen Kirche thos. Ein Mythos im Alten Orient und causa. vollzog sich, als das kirchliche Lehr- auch in der klassischen Antike möchte amt die kritische Bibelauslegung als die Welt erklären, wie sie ist, und die Wie fügt sich hier die Evolutions- die angemessene Methode akzeptiert Wirklichkeit aus gläubiger Sicht deu- lehre ein? Eine kritische Interpretation hat. ten. Mythen sind Lebens- und Welt- der biblischen Schöpfungsberichte in deutung, aber keine Theorien der 35 ihrem historischen Kontext steht nicht Was wurde dadurch erreicht? Eine Weltentstehung. im Widerspruch zur Evolutionslehre, Entspannung im Gespräch von Theo- weil die biblischen Texte Bekenntnis- logie und Naturwissenschaften in Hin- Fragen: Dr. Gabriele Geibig-Wagner texte sind und religiöse Zielsetzungen aufweisen, während die Evolutionsleh- re eine naturwissenschaftliche Welter- klärung darstellt.

Aber: Wie geht ein gläubiger Mensch im Alltag damit um? Der gläubige Mensch muss lernen, die Schöpfungsberichte der Bibel richtig zu verstehen und sie nicht wortwört- lich zu nehmen. Kreationismus ist eine oberflächliche, vordergründige und nicht sachgemäße Interpretation der Bibel. Dagegen kämpfe ich als Exeget an. Die biblischen Schöpfungsberichte bekennen, dass Gott die Welt erschaf- fen hat und dass er die Welt erhält. Vom Wie ist keine Rede. In den Schöp- fungstexten der Bibel geht des dem- nach eher um die Welterhaltung als um die Weltentstehung. So hat also auch der gläubige Mensch keine Probleme, wenn er die Evolutionslehre als plau- sible naturwissenschaftliche Welterklä- rung annimmt.

Warum greifen gläubige Menschen in den USA auf den Kreationismus zurück? Weil sie meist Gruppierungen Professor Theodor Seidl (Foto Dr. Gabriele Geibig-Wagner) BLICK 01 - 2009

Über die Nähe von Affe und Mensch machten sich Naturfor- scher und Literaten schon lange vor Charles Darwin Gedanken. (Foto Templermeister / Pixelio.de) thema

36 Bruch beim grünen Heinrich Was die Evolutionstheorie bei den Literaten auslöste

ür Umwälzungen auch in der Lite- Maler zu etablieren. Die erste Fassung Schriftsteller damals entsprechend häu- Fratur sorgte Charles Darwins Buch von Heinrichs Werdegang schrieb Kel- figer, so etwa Theodor Storm in seinen „Über die Entstehung der Arten“, das ler, kurz bevor Darwins Ideen publik späten Novellen. im Jahr 1859 erschien. „Das war ein wurden. „Das ist ein in sich geschlos- Nach Darwin war klar: Die Grenze Dementi der biblischen Schöpfungs- sener Roman“, sagt Roland Borgards. zwischen Mensch und Tier muss neu geschichte, und Darwin trieb damit die Gesichert wird dies durch einen souve- gezogen werden. Der Mensch ist ein letzten Funken teleologischen Denkens ränen Erzähler, der alle Geschehnisse Zufallsprodukt, aus der Natur heraus aus der Welt hinaus“, sagt der Literatur- einordnen kann und immer weiß, auf entstanden. Er ist nicht der Endpunkt wissenschaftler Roland Borgards. Dass welches Ziel die Dinge hinauslaufen. der Entwicklung und damit kein sta- alles auf ein einziges Ziel ausgerichtet Geordnete Verhältnisse, vorgefertig- biles Geschöpf. Darüber haben seit sei, nämlich auf den Menschen: Diese te Laufbahnen, festgelegtes Ziel – das Darwin viele Literaten auf neue Art so genannte teleologische Denkweise entspricht der teleologischen Denkwei- und Weise nachgedacht. Besonders oft gehörte nun der Vergangenheit an, und se in der Zeit vor Darwin. drehen sich ihre Geschichten um Men- das spiegelte sich auch in der Literatur schen und Affen. Das ist kein Wunder, wider: Die Autoren stellten ihre Er- Nach Darwin wurde die Geschichte denn die Faszination für ihre nächsten zählmechanismen um. brüchiger und ruppiger Verwandten im Tierreich war bei den Besonders deutlich wird das an Gott- Und die zweite Fassung, die gegen Menschen seit jeher groß. fried Kellers Roman Der grüne Heinrich, 1880 entstand? Die wirkt laut Borgards „Affen verunsichern uns, weil sie uns von dem es zwei Fassungen gibt. Das überraschenderweise unfertiger als ihre so ähnlich sind“, sagt Professor Bor- Buch handelt von einem jungen Mann, Vorgängerin, brüchiger und ruppiger gards. Die Rolle von Tieren, besonders dem grünen Heinrich. Der wird so ge- – und spiegelt damit einen Bruch im von Affen, in der Literatur-, Kultur- nannt, weil er nur Anzüge trägt, die ihm Denken wider: „Darwins Theorie ist und Wissensgeschichte – das ist sein seine Mutter aus der Schützenkleidung ja im Grunde brutal, denn ausgelesen großes Thema. „Über ihre Nähe und seines gestorbenen Vaters schneidert. werden nur die Besten. Die anderen ge- ihre Distanz zu Affen haben die Men- Heinrich wächst in armen Verhältnis- hen zugrunde.“ Geschichten über per- schen schon lange vor Charles Darwin sen auf und verlässt dann seine Hei- sönliche Misserfolge und das Zugrun- diskutiert, mindestens seit der Antike“, mat, um sich in einer fremden Stadt als degehen ganzer Familien erzählten die sagt er. Für Zentraleuropa müsse man BLICK 01 - 2009

dabei allerdings berücksichtigen, dass hierarchisch gegliederte Abfolge von Zoologe Georges Louis Leclerc de hier bis zum späten 17. Jahrhundert Stein-, Pflanzen- und Tierarten. - Zwi Buffon (1707-1788). Er stellte fest, kaum jemand einen echten Menschen- schen den einzelnen Arten hielt man dass es in der großen Kette an genau affen gesehen habe. Bis dahin waren alle möglichen Übergangsformen für einer einzigen Stelle einen Sprung ge- die Tiere vor allem aus Reiseberichten denkbar – und man war sicher, dass die­ ben müsse: zwischen den Affen und bekannt; die Verfasser schilderten sie se Zwischenstufen im göttlichen Plan den Menschen. Hier sollte die göttliche als seltsame, sagenhafte Gestalten. vorgesehen seien und sich irgendwann Ordnung keine Übergangsformen vor- „Teilweise galten Affen als deformierte aus den Arten heraus entfalten würden. gesehen haben. Menschen, die von Gott für schwere „Für diese Vorstellung gab es schon Die Literaten gingen auf andere Weise Sünden bestraft worden waren“, so Ro- damals den Begriff Evolution. Dar- mit der Problematik um: Sie erzähl- land Borgards. In der mittelalterlichen win aber verstand später etwas anderes ten Geschichten, die genau von dieser Handschrift Rothschild Canticles gebe es darunter. Seine Evolution ist ohne Ziel Unsicherheit handeln, und themati- eine Geschichte, die vor dem Gebrauch und blind, sie folgt keinem Plan“, so sierten zum Beispiel die Entstehung von Rauschmitteln warnt – denn das Professor Borgards. biologischer Mischwesen mit unklarem führe dazu, dass Menschen Monster Status. „In diesen Geschichten geht halluzinieren und sie dadurch in die es immer um Beziehungen zwischen reale Welt bringen. Affen galten als sol- Menschenfrauen und männlichen Af- che Monster, als Gestalten der Sünde, „Affen fen, und immer wird dieser Mensch- thema ja sogar als Figuren des Teufels. Tier-Diskurs mit einem Rassen-Diskurs Die Autoren des 18. Jahrhunderts ver- verunsichern verknüpft“, erklärt Roland Borgards. banden die theologischen mit naturwis- So beschreibe beispielsweise Gustave senschaftlichen Argumenten. Etwa der den Menschen, Flaubert 1837 in seinem Jugendwerk Philosoph Johann Gottfried Herder „Quidquid volueris“ ein Experiment, (1744-1803). Er meinte: Wenn man bei dem eine afrikanische Sklavin mit dem Menschen den aufrechten Gang weil sie ihm so einem Menschenaffen gekreuzt wird. wegnehme, dann bliebe: ein Affe. Beim Heraus kommt eine Kreatur, die auf Laufen auf allen Vieren müsse sich der ähnlich sind“ der Kippe steht: Sie hat menschliche Kopf stärker aufrichten, um gut sehen Emotionen, kann aber auf der ande- 37 zu können. Das bringe einen anderen Prof. Dr. Roland Borgards, ren Seite nicht sprechen – und wird am Schädelbau mit sich – und das wieder- Literaturwissenschaftler Ende zum Mörder. um ein kleineres, also „dümmeres“ Ge- Charles Darwin ließ schließlich die hirn. „Man sieht: In dieser Zeit wurde Die große Kette der Wesen allerdings große Kette der Wesen zerbrechen. alles vom Menschen her gedacht“, sagt hatte einen echten Schwachpunkt. Ihr An ihre Stelle setzte er den Lebens- der Würzburger Literaturwissenschaft- zufolge hätten ja auch Übergangs- baum und die Vorstellung, dass die ler. „Der Mensch war die Krone der formen zwischen Affen und Menschen Arten auseinander hervorgehen. Dass Schöpfung, das Ziel und das Ende jeg- denkbar sein müssen. Das vertrug sich bei allen Arten andauernd zufällige licher Entwicklung.“ aber überhaupt nicht mit der Sonder- Abweichungen entstehen. Und dass Darum stand natürlich auch der stellung, die dem Menschen zugebilligt diese Abweichungen untergehen oder Mensch an der Spitze der „großen Ket- wurde. Über dieses Problem machten bleiben – je nachdem, wie gut sie an te der Wesen“. Diese Kette war eine sich so einige Literaten und Naturfor- die jeweiligen Lebensbedingungen an- naturphilosophische Idee des 18. Jahr- scher ihre Gedanken. Eine recht ein- gepasst sind. hunderts. Sie beschrieb die Natur als fache Lösung fand der französische Robert Emmerich

Zur Person Roland Borgards, Jahrgang 1968, geboren in Saarbrücken. Studier- te von 1990 bis 1997 Germanis- tik, Philosophie, Geschichte und Musikwissenschaft in Freiburg, Lyon und Gießen. Promotion am Gießener Graduiertenkolleg „Klassizismus und Romantik“, 2006 Habilitation an der Uni- versität Gießen, seit 1. Oktober 2008 Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an Der Literaturwissenschaftler Professor Roland Borgards vor dem Philosophiegebäude der Universität Würzburg. am Hubland. (Foto Robert Emmerich) BLICK 01 - 2009

Auf Spurensuche im Vatikan Ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit untersucht, wie die katholische Kirche auf Darwins Evolutionstheorie reagierte.

s ist sicher nicht an der Tages- gie in einen Entscheidungskampf, ei- Eordnung, dass sich ein Kirchen- nen der größten und folgenschwersten historiker mit naturwissenschaftlichen ihrer Geschichte, gestellt. Es schien, Themen beschäftigt. Der Würzburger wie im 19. Jahrhundert Feuerbach es Lehrstuhlinhaber für Kirchengeschich- blasphemisch ausdrückte, da in über- te des Mittelalters und der Neuzeit tut wältigender Majestät der Tempel der es. Professor Dominik Burkard hat sich Natur sich öffnete, für den alten Gott thema seit einem guten Jahr auf die Spuren der Wohnungsnot eingetreten zu sein. […] Evolutionstheorie in vatikanischen Ar- Zum Blick ins unendlich Große kam chiven gemacht und ist fündig gewor- der Blick ins unendlich Kleine, zum den. Zusammen mit seiner Mitarbeite- Teleskop das Mikroskop […]. Dazu Jahrhunderts sich immer mehr etab- rin Dr. Cristina M. Giacomin bereitet er öffnete der bis dahin verschlossene lierenden Evolutionstheorie auseinan- derzeit eine Edition von Gutachten der Erdball seine Archive und schien eine dersetzte. Doch bei seiner Suche im päpstlichen Behörden vor. andere Schöpfungsgeschichte zu erzäh- Archiv der Glaubenskongregation in len als Bibel und Theologie. Darüber Rom, wo der Forscher seit 1997 arbeitet, Darwin war kein Fall für den erschrak die Theologie …“ fand sich kein Verfahren gegen Charles 38 Index der verbotenen Bücher Damals wie heute stehen elementare Darwins zentrales Werk On the Origin „Bisher war nicht bekannt, dass man Fragen im Raum: Lässt sich angesichts of Species oder gegen Publikationen an- sich im Vatikan überhaupt mit der der Evolutionslehre die vom Alten Tes- derer prominenter Evolutionsforscher. Evolutionstheorie beschäftigt hat“, tament bezeugte „Schöpfungsgeschich- Selbst Ernst Haeckel, den deutschen sagt Burkard. Es gebe bis heute kein te“ noch halten? Hat der Mensch – als „Designer“ Darwins und ehemaligen lehramtliches Schreiben, das sich ex- „Krone der Schöpfung“ – durch seine Sektionsassistent bei Rudolf Virchow plizit mit den naturwissenschaftlichen Einbeziehung in die Mechanismen der an der „Pathologisch-Anatomischen Erkenntnissen auseinandergesetzt hat. Evolution seine Einzigartigkeit ver- Anstalt zu Würzburg“, sucht man in Weder Charles Darwin, noch Thomas loren? Ist mit seiner „Vertierung“ das den Vatikanischen Archiven vergebens. Henry Huxley, der als „Darwin’s Bull- biblische Wort von der „Gotteben- Und dies, obwohl Haeckel mit seinen dog“ in die Geschichte eingegangen ist, bildlichkeit“ auf Gott selbst zurück- weltanschaulich überfrachteten Evolu- noch Alfred Russell Wallace landeten gefallen? Und wenn die Bibel in einer tionsvorstellungen die Kirche und ihre mit irgendeiner ihrer Schriften auf dem so wichtigen Sache irrte, welchen Of- Schöpfungslehre heftigst attackierte. römischen Index der verbotenen Bü- fenbarungscharakter hat die „Heilige 1904 hatte er sich gar als Teilnehmer cher, der vom Vatikan als Instrument Schrift“ dann überhaupt noch? Ist mit des Internationalen Freidenker-Kon- der Wissenssteuerung immerhin bis Schöpfung und Bibel nicht auch der gresses in Rom feierlich zum „Gegen- 1966 gehandhabt wurde. Schöpfergott, also Gott selbst, über- papst“ ausrufen lassen. Dabei gilt die Entdeckung der Evolu- flüssig geworden? tion Mitte des 19. Jahrhunderts neben In Amerika ist der Streit um Evoluti- Der Ursprung des Menschen der Entdeckung des heliozentrischen on und Schöpfung seit langem voll spielt eine besondere Rolle Weltbildes im 16. Jahrhundert als die entbrannt. Vor allem Freikirchen und Trotzdem wurde Burkard fündig. Er zentrale Erschütterung des christlichen Evangelikale kämpfen geradezu militant entdeckte eine Reihe von Gutachten, Weltbildes bis heute. Der Würzburger gegen die Erkenntnisse der Naturwis- die sich aus naturwissenschaftlicher, Theologe Franz Xaver Kiefl brachte senschaften. In Europa hat das Thema philosophischer und theologischer War- dies 1909 auf den Punkt, als er im 100. bislang nicht den Stellenwert, der ihm te mit kirchlichen Vertretern der Evolu- Geburtsjahr Darwins als Rektor beim in den USA beigemessen wird. Doch tionslehre auseinandersetzten. „So lässt Stiftungsfest der Universität Würzburg regen sich auch hier Vertreter beider sich über den Umweg der Rezeption der über Charles Darwin und die Theologie Richtungen, die es offenbar auf einen Evolutionstheorie im Katholizismus sprach: „Eben hatte Kopernikus den weltanschaulichen Kampf abgesehen selbst etwas über die Beurteilung dieser Blick der Menschheit in unermessliche haben. Versachlichung ist angesagt. zentralen naturwissenschaftlichen Ent- Fernen des Weltalls erweitert, und in Für den Kirchenhistoriker Burkard deckung durch das kirchliche Lehramt dem Augenblick, da unsere Universität war es „undenkbar“, dass sich der Va- sagen, auch wenn die Päpste sich nie gegründet wurde, sah sich die Theolo- tikan nicht mit der gegen Ende des 19. öffentlich dazu äußerten“. BLICK 01 - 2009

ker ist natürlich nicht nur die inhaltliche Auseinandersetzung spannend. Auch die Frage, wie man kirchlicherseits mit dem Eindringen evolutionärer Vorstel- lungen umging, wo die treibenden und hemmenden Kräfte waren, wie die Re- aktionen der Betroffenen aussahen und welche Alternativen zum Publikations- verbot erwogen wurden, interessieren. Darüber hinaus stellt sich die Frage, weshalb man sich nicht mit den Texten Darwins oder Haeckels selbst auseinan- dersetzte. Hatte man im Vatikan etwa aus den Fehlern der Vergangenheit, aus den negativen Erfahrungen mit Kopernikus und Galilei, gelernt? Hat- te man die alten Ansprüche auf eine umfassende Wissenskontrolle endlich thema aufgegeben? Ist diese Nichtreaktion In den Archiven des Vatikan sucht Dominik Burkard nach Zeugnissen zu Darwins des Lehramts als ein erstes Zeichen Evolutionstheorie. (Foto pixlutz/pixelio.de) einer Anerkennung der zunehmenden Verselbständigung weiter Wissens- bereichen zu sehen? Oder hatte man Um welche Fragen ging es konkret? Zur schaftler, „denn Archive sind ja sozu- sich einfachhin aus dem Diskurs der Debatte stand nicht nur der göttliche sagen die unverzichtbaren Labore des entstehenden modernen Naturwissen- Schöpfungsakt zu Beginn des Lebens Historikers“, ohne die er „einpacken“ schaften verabschiedet und den Rück- und der Welt überhaupt, die Abhängig- kann. Burkard ist deshalb dankbar, dass zug ins Theologische angetreten? keiten der Arten, die Frage nach einer die Wilhelm Ruchti-Stiftung sein For- Die Edition der Gutachten ist von 39 Selbstorganisation der Materie, nach schungsvorhaben mit rund 5.000 Euro Burkard als Grundlagenforschung ge- Mutation und Selektion sowie nach unterstützt. Allerdings sind zusätzliche dacht: „Wir schaffen damit überhaupt Zufall und Ziel. Eine besondere Rolle Mittel für weitere Archivaufenthalte erst eine Grundlage für die Diskussion spielte der Ursprung des Menschen, nötig. Für eine größere Antragsstellung zwischen Theologie, Philosophie und sein evolutiver Zusammenhang mit den blieb Burkard aber keine Zeit. „Es ist Naturwissenschaft, denn was heute ge- anderen Lebewesen, also die Frage, ob klar: Wenn wir das machen wollen, boten wird, bleibt oft weit hinter dem der Mensch denn zu den Primaten zu dann müssen wir es schnell machen“. zurück, was vor etwa hundert Jahren zählen sei, ob man von einem separaten Denn auch andere interessieren sich gedacht wurde“. db Schöpfungsakt Gottes ausgehen müsse natürlich für diese Dinge. und wie dieser auszusehen habe, ob und Im Zentrum der Arbeit steht momen- wie die Beseelung des Menschen – als tan die Edition der Gutachten samt Unterscheidungsmerkmal gegenüber deutscher Übersetzung. Ein mühsames Zur Person den Tieren – zu denken sei. Bei all dem Geschäft – wie Burkard zu berichten Dominik Burkard, geboren 1967 wurden verschiedene Argumentations- weiß. Denn die Stellungnahmen der in Rottweil, studierte in Tübingen muster in die Waagschale geworfen: Experten der römischen Kurie sind und Freiburg Katholische Theo- philosophische und erkenntnistheore- teils italienisch, teils lateinisch verfasst logie. 1998 wurde er in Frank- tische ebenso wie exegetische, dogma- und mit französischen, englischen so- furt St. Georgen zum Dr. theol. tische und naturwissenschaftliche. wie spanischen Zitaten gespickt. „Da promoviert, 2002 habilitierte er kommt man mit den eigenen Kapazi- sich an der Universität Münster. Am Anfang steht die täten ziemlich bald an die Grenzen“. Seit 2003 ist er Professor für Edition der Gutachten Zumal es sich bei alledem um keine Kirchengeschichte des Mittel- Über 20 Geheimgutachten hat der einfache Materie handelt. „Hier wird alters und der Neuzeit an der Würzburger Wissenschaftler inzwi- auf teilweise hohem sprachlichen und Universität Würzburg, seit 2006 schen ausfindig gemacht, weitere wissenschaftlichen Niveau reflektiert. Mitherausgeber der Römischen könnten noch auftauchen. Ein Teil der Ohne in die Materie selbst einzudrin- Quartalschrift für christliche Dokumente wurde bereits transkribiert gen, geht das nicht“ – meint auch Cris- Altertumskunde und Kirchenge- und übersetzt, der Rest harrt der Be- tina M. Giacomin, die gerade an den schichte, seit 2007 Mitglied des arbeitung. „Wir sind da auf finanzielle Übersetzungen feilt. Wissenschaftlichen Rates der Förderung angewiesen“, erklärt Bur- Mit der Edition der Gutachten ist auch Katholischen Akademie in Bay- kard, denn im Haushalt des Lehrstuhls eine erste Rekonstruktion der „Fälle“ ern und Vice-Dean der Würzburg sind prinzipiell keine Reisemittel vorge- geplant, um die an der römischen Kurie Graduate School of Humanities. sehen. „Fatal“ nennt das der Wissen- gerungen wurde. Denn für den Histori- BLICK 01 - 2009

& www.schoeningh-buch.de

harles Darwin und seine Evolutionstheorie, darum geht es schwerpunkt- Cmäßig in diesem Heft. Wer die Artikel aufmerksam liest, findet darin die 1 Antworten auf unsere Rätselfragen. Xiphophorus: Was ist das? Als Preise hat die Buchhandlung Schöningh drei Büchergutscheine im Wert von 6) Hip-Hop-Chor aus Oxford 20, 15 und 10 Euro ausgelobt. Sie werden unter allen Teilnehmern verlost, die 9) phosphoreszierender Chinese die richtige Antwort an die Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit schicken. 2) Falkengott aus Ägypten 1) schwerttragender Fisch Lösung des Rätsels aus Blick 4/2008: Zeit thema 2 FRAGE Welches Buch zeigt deutlich den Einfluss, den Darwins Theorie auf die Literatur hatte? 40 7) Die rote Zora ZEICHEN 4) Der blaue Klaus 3) Der grüne Heinrich 2) Der schwarze Abt 3

Wie hieß das Schiff, mit dem Darwin auf Reisen ging? 4) Basset 8) Beagle 6) Bobtail 5) Boxer 4 ie Lösungszahlen ergeben, in die richtige Reihenfolge gebracht, eine DJahreszahl. Für Charles Darwin hatte dieses Jahr eine ganz besondere Womit erstellen Bioinformatiker Bedeutung: Stammbäume? . . . . 1) Ribosomen Schicken Sie die Lösung per E-Mail an die Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der 9) Mitochondrien Universität Würzburg: 6) Rübensamen [email protected] 7) Reticuli Betr.: Rätsel Einsendeschluss ist der 1. März 2009. Mitarbeiter der Stabsstelle und ihre Angehörigen sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Bild: Gabi Schoenemann / Pixelio.de Viel Glück! BLICK 01 - 2009

Das Kind als Karriereknick? Wissenschaftler, die Kinder haben, fühlen sich häufig im Beruf benachteiligt

issenschaftliche Karriere und und 15 Prozent der WElternschaft miteinander zu Wissenschaftler mit vereinbaren, ist besonders für Wissen- Kind fühlten sich aus schaftlerinnen, zunehmend aber auch beruflichen Netzwer- für Wissenschaftler problematisch. ken ausgeschlossen. Das geht aus einer Umfrage hervor, 83 Prozent der Müt- die das Kompetenzzentrum Frauen in ter und 60 Prozent Wissenschaft und Forschung CEWS der Väter sahen sich unter 8.698 Personen durchgeführt hat ferner durch ihre El- und über die die Zeitschrift Forschung & ternschaft in ihrer Lehre in ihrem November-Heft berich- Publikationstätigkeit tet hat. eingeschränkt. Fast jede zweite Wissenschaftlerin Zwei Drittel aller forschung und fast jeder vierte Wissenschaftler Wissenschaftlerinnen erlebten demnach seit der Geburt ih- und immerhin knapp res ersten Kindes konkrete berufliche die Hälfte der Wis- Die Zwergenstube der Uni Würzburg hilft Akademikern bei Nachteile. Von einer zurückhaltende- senschaftler gaben der Kinderbetreuung. (Foto Gunnar Bartsch) ren Förderung durch Vorgesetzte und zudem an, Kinderlo- einer Abwertung ihrer wissenschaft- sigkeit oder den Aufschub des Kinder- das Ergebnis noch deutlicher aus: Laut lichen Leistung sahen sich vor allem wunsches zugunsten der wissenschaft- Umfrage haben 88 Prozent von ihnen Mütter betroffen. 41 Prozent der be- lichen Karriere in Kauf genommen zumindest zeitweise auf die Realisie- fragten Wissenschaftlerinnen mit Kind zu haben. Bei den Professorinnen fiel rung ihres Kinderwunsches verzichtet. 41

Ein Kiss für den Nachwuchs Zahlen & Fakten

Neues Internet-Beratungsportal gestartet Ende 2007 lehrten und forschten nach vorläufigen Ergebnissen des Wo bewerbe ich mich für ein For- angehende Wissenschaftlerinnen und Statistischen Bundesamtes 37.700 schungsstipendium? Wer bietet die Wissenschaftler ausgebaut werden. Professoren und Professorinnen passende Nachwuchsförderung an? Kisswin bietet neben einem Internet- an deutschen Hochschulen. Wäh- Fragen wie diese beantwortet das Kom- portal einen Mail- und Telefonservice, rend ihre Gesamtzahl damit in den munikations- und Informationssys- über den junge Forscherinnen und For- vergangenen zehn Jahren nahezu tem „Wissenschaftlicher Nachwuchs“ scher individuell beraten werden und unverändert blieb, ist der Frauen- Kisswin. Das Bundesministerium für Antworten auf ihre Fragen rund um anteil kontinuierlich gewachsen: Bildung und Forschung (BMBF) hat die Themen Karriere und Förderung Von neun Prozent im Jahr 1997 auf Kisswin vor wenigen Monaten gestar- in der deutschen Forschungslandschaft jetzt über 16 Prozent. Die Zahl der tet. Das Portal bietet neben Informa- bekommen. Das BMBF fördert Kiss- Professorinnen erreichte 2007 mit tionen zu wissenschaftlichen Karriere- win in seiner Startphase bis Ende Ok- rund 6.100 einen neuen Höchst- wegen und Fördermöglichkeiten auch tober 2010 mit insgesamt 1,4 Millionen stand. Gestiegen ist auch die Zahl die Beratung durch Expertinnen und Euro. www.kisswin.de der Habilitationen von Frauen – Experten an. „Mit dem neuen Internet- und zwar um 56 Prozent seit 1997. portal und dem Beratungsservice steht Im Jahr 2007 stammten 24 Prozent nun ein Instrument zur Verfügung, mit aller Habilitationen von Frauen. dem sich alle Interessierten im In- und Unter diesem Wert blieben die Ausland schnell und problemlos über Fächer Mathematik/Naturwissen- das umfangreiche Förderspektrum in schaften einschließlich Informatik Deutschland informieren können“, (16 Prozent). Überdurchschnittlich sagte Michael Thielen, Staatssekretär hoch waren die Frauenanteile in im Forschungsministerium. Veterinärmedizin (46 Prozent) Das Portal gibt es in deutscher und sowie in Sprach- und Kulturwis- englischer Sprache. Es soll zur zentra- senschaften (38 Prozent). len und unabhängigen Anlaufstelle für BLICK 01 - 2009 forschung

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Sind so kleine Hände ... Frühgeborene haben heute deutlich bessere Überlebenschancen als noch vor wenigen Jahrzehnten. (Foto RalphH/pixelio.de) Damit der Frühstart ohne Folgen bleibt Es braucht viel Erfahrung, Einfühlungsvermögen und eine besondere Infrastruktur und Tech- nik, damit Kinder, die zu früh auf die Welt kommen, ohne bleibende Schäden ihren weiteren Lebensweg absolvieren können. An der Universitäts-Kinderklinik ist dies alles vorhanden. Ihr Leiter, Professor Christian P. Speer, engagiert sich seit vielen Jahren dafür, dass Erkenntnisse aus der Forschung schnell in der Praxis landen.

ie ein Vogel, der aus dem Nest so gut geht, verdankt er dem Können von 1500 Gramm lag, nur ganz geringe Wgefallen ist, liegt es da. Ein Früh- und der Erfahrung von Ärzten und Überlebenschancen“, sagt Christian P. geborenes auf der Intensivstation der Schwestern, modernster Technik – und Speer. Speer ist seit 1999 Direktor der Universitäts-Kinderklinik. Kaum 600 dem Fortschritt der Neugeborenenme- Universitäts-Kinderklinik und Inhaber Gramm schwer, gerade mal zwei Hand- dizin in den vergangenen Jahren. Vor des Lehrstuhls für Kinderheilkunde voll groß. Unter der Haut zeichnen sich noch nicht allzu langer Zeit wären seine an der Uni Würzburg. Vor 30 Jahren bläuliche Venen ab, ein Beatmungs- Überlebenschancen deutlich geringer hatte er gerade seine Facharztausbil- schlauch verschwindet in der Nase, eine gewesen. dung in Göttingen begonnen. Seitdem Infusion mündet in einem Verband am haben sich die Grenzen kontinuierlich Arm. Das winzige Frühgeborene ist Vor 30 Jahren lag die Grenze verschoben: „Heutzutage können sich lange vor dem errechneten Termin auf noch bei 1500 Gramm Kinder, die in der 24. Schwanger- die Welt gekommen; jetzt steht ihm die „Vor 30 Jahren hatten Frühgeborene, schaftswoche auf die Welt kommen erste Operation seines Lebens bevor: die vor der 30. Schwangerschaftswoche und kaum mehr als 600 Gramm wie- ein Eingriff im Brustraum, der seinen – also zehn Wochen vor dem eigent- gen, normal entwickeln, ohne dass blei- unreifen Kreislauf in Ordnung bringen lichen Termin – auf die Welt kamen bende Schäden zwangsläufig die Folge wird. Dass es dem Winzling trotz allem oder deren Geburtsgewicht unterhalb sind“, sagt der Spezialist für Früh- und BLICK 01 - 2009

Neugeborenen-Medizin. Für diesen Therapie, deren Wirksamkeit und Si- Start ins Leben zu ermöglichen“, sagt Erfolg sind viele kleine Einzelmaßnah- cherheit durch viele Studien bestätigt Christian P. Speer. Denn die ersten men verantwortlich – und eine revolu- ist“, schwärmt Speer von der Substanz. fünf bis zehn Minuten nach der Ge- tionäre Entdeckung. So früh wie möglich, in der Regel in- burt können in diesen Fällen für den nerhalb der ersten 15 Lebensminuten, Rest des Lebens entscheidend sein, so Frühgeborene besitzen noch keine verabreichen die Mediziner den Früh- die Erfahrung des Kinderarztes. „Ge- ausgereiften Lungenbläschen geborenen das Surfactant über einen rade in den ersten Minuten kann man Luft holen, atmen, schreien: Wenn Kin- Tubus direkt in die Atemwege. „Danach Schädigungen setzen oder verhindern.“ der viel zu früh auf die Welt kommen, stabilisiert sich die Lunge innerhalb von Dann ist es gut, wenn bestausgebildetes wollen sie trotzdem das Gleiche tun wie wenigen Sekunden“, sagt Speer. Doch Personal mit viel Erfahrung parat steht Kinder, die am errechneten Termin das nicht jeder erhält das Präparat automa- und über hoch spezialisierte Technik Licht der Welt erblicken. Häufig schaf- tisch: „Frühgeborene unterhalb der 28. verfügen kann. fen sie es allerdings nicht: Ihre Lunge Woche, die schon die ersten Zeichen Ganz fatal ist es hingegen, wenn ein ist noch unreif und kann deshalb den eines Atemnotsyndroms entwickeln, Frühgeborenes erst noch über lange kleinen Körper nicht ausreichend mit qualifizieren sich für eine frühe Thera- Wege auf die Neugeborenen-Intensiv- Sauerstoff versorgen. „Frühgeborene, pie“, sagt Speer. Nach der 28. Woche station gebracht werden muss. „Es ist die um die 24. Schwangerschaftswoche bleibe abzuwarten, ob die Kleinen von mittlerweile durch viele Studien belegt, herum geboren werden, besitzen noch alleine zurechtkommen. dass ein solcher Transport Folgeschä- forschung keine anatomisch voll ausgereiften den nach sich zieht“, sagt Speer. Des- Lungenbläschen“, erklärt Christian P. halb sollten Ärzte bei den ersten An- Speer. Ohne maschinelle Beatmung ha- zeichen einer drohenden Frühgeburt ben nur wenige eine Überlebenschan- „Die ersten die Schwangere in ein Perinatalzentrum ce. Doch selbst wenn sie genügend verlegen. Wenn es dem Kind gut gehe, Zeit hatten, im Mutterleib die Bläschen fünf Minuten könne es immer noch zusammen mit zu bilden, bleibt das Atmen schwierig. seiner Mutter ins heimatliche Kranken- Der Grund: Den Kleinen fehlt eine Art nach der haus zurück verlegt werden. Schutzfilm für die Lungenbläschen, der verhindert, dass die Lunge beim Ausat- Die Grenze der 43 men kollabiert. Die Entdeckung dieser Geburt können Lebensfähigkeit Substanz, ihre genaue Analyse und die Der Anteil der Frühgeburten liegt in Möglichkeit, sie heute in industriel- entscheidend Deutschland laut Angaben der Welt- lem Maßstab zu produzieren und den gesundheitsorganisation WHO bei Neugeborenen zu verabreichen, hat derzeit ca. acht Prozent, das sind un- dafür gesorgt, dass selbst extrem klei- sein“ gefähr 60.000 Kinder pro Jahr. Etwa ne Frühgeborene inzwischen schneller eines von 100 zählt zu den Höchst- von alleine atmen können und deshalb 75 Frühgeborene mit einem Gewicht risikogeborenen. Von Frühgeburt weniger von Komplikationen bedroht unter 1500 Gramm haben die Neo- sprechen die Mediziner, wenn ein sind. natologen der Universitäts-Kinderkli- Baby vor Vollendung der 37. Schwan- Surfactant heißt der Lebensretter für nik im vergangenen Jahr behandelt; gerschaftswoche geboren wird. Eine Frühgeborene: eine Kurzform von insgesamt mussten sie sich um 650 normale Schwangerschaft dauert surface active agent. Die Substanz Früh- und Neugeborene kümmern. 40 Wochen. Babys, die weniger als reduziert die Oberflächenspannung Die Überlebensrate der Hochrisikoge- 1.500 Gramm wiegen und meist vor in den Lungenbläschen; ein Wissen- borenen betrug mehr als 90 Prozent; der 32. Schwangerschaftswoche auf schaftler aus der Schweiz entdeckte sie keines der Kinder, die um die 27. oder die Welt kommen, werden als „sehr als Erster im Jahr 1929. Dass ihr Fehlen 28. Schwangerschaftswoche herum kleine Frühgeborene – very low birth- verantwortlich ist für das sogenannte auf die Welt kamen, ist gestorben. Sur- weight infants“ bezeichnet. „Extrem Atemnotsyndrom von Frühgeborenen, factant ist nur ein Faktor, der für diese kleine Frühgeborene – extremely low konnten Mediziner Ende der 50er-Jah- guten Zahlen verantwortlich ist; andere birth-weight infants“ sind Frühgeborene re nachweisen. Doch erst 1980 gelang Umstände sind nicht weniger bedeut- kleiner als 1000 Gramm. Heute gilt es einem japanischen Forscher, aus sam. in Deutschland laut Empfehlung der Rindern Surfactant zu gewinnen und Einer davon ist das Perinatalzentrum Fachgesellschaften die 23. Schwanger- so zu verändern, dass es Neugeborenen in der Universitäts-Frauenklinik. schaftswoche als die Grenze der Le- verabreicht werden konnte. Christian Kreißsaal, OP, eine Früh- und Neu- bensfähigkeit von Frühgeborenen mit Speer gehört zu den Wissenschaftlern, geborenen-Intensivstation sowie eine medizinischer Hilfe. die maßgeblich an der Entwicklung des Neugeborenenstation liegen hier in Die Gründe für das vorzeitige Ende ei- heute in Europa am meisten verab- direkter Nachbarschaft. „Hier stim- ner Schwangerschaft sind vielfältig: „In reichten Surfactant-Präparats beteiligt men die technischen und räumlichen rund 40 Prozent aller Fälle finden wir waren. Bedingungen, hier verfügen wir über bei den Schwangeren eine chronische „Surfactant war der Durchbruch. Da- optimale personelle Voraussetzungen, Infektion, die aber meistens unbemerkt mit verfügen wir über eine effektive um Frühgeborenen den bestmöglichen verläuft“, sagt Christian P. Speer. An- BLICK 01 - 2009

dere Erkrankungen der Frauen, wie beispielsweise Bluthochdruck, die dazu führen, dass der Embryo mangelhaft mit Blut ver- sorgt wird, sind für weitere 30 Prozent der Frühge- burten verantwortlich. „Im Rest der Fälle sind die Aus- löser für die Frühgeburt unklar“, so Speer. Lang und voller Gefahren ist der Weg eines Frühge- borenen, bis es endlich die Klinik verlassen kann. An die Ärzte und Schwestern werden in dieser Zeit hohe Anforderungen gestellt. forschung „Optimal ausgebildetes Personal mit möglichst großer Erfahrung wird benötigt, um Höchstrisiko- Professor Christian P. Speer, Direktor der Universitäts-Kinderklinik. (Foto Gunnar Bartsch) geborene sicher durch die ersten Lebensmonate zu bringen“, sagt Speer. Gefordert seien ckelt war wie heute. „Der Frau geht es onen teil. „Die Neugeborenenmedizin Reaktionen, die „so präzise und gezielt heute gut, allerdings leidet sie an einer ist ein Bereich, der sich enorm schnell wie möglich sind“, um Schäden zu ver- chronischen asthmaähnlichen Sympto- entwickelt“, sagt Speer. Deshalb sei es 44 meiden. Der Grat, auf dem sich die matik, was wahrscheinlich eine Folge wichtig, in regelmäßigem Abstand das Mediziner bewegen, ist schmal. Einer- der Beatmung ist“, sagt der Mediziner. aktuelle Wissen den Klinikern zu prä- seits müssen sie Technik zum Einsatz Viel hat sich in der Neugeborenen-Me- sentieren. bringen, wie eine Beatmungsmaschine, dizin in den vergangenen Jahren getan. Ein Arbeitsleben, in dessen Mittelpunkt damit der kleine Körper ausreichend Neue Forschungsergebnisse haben kranke Kinder stehen: Schlägt das Sauerstoff erhält. Andererseits birgt dazu beigetragen, dass die Grenzen der nicht irgendwann aufs Gemüt? Nein gerade dieser Einsatz große Risiken: Behandelbarkeit kontinuierlich nach – sagt Christian P. Speer. „Es gibt kei- Ist der Druck zu hoch, drohen Lun- vorne verschoben werden konnten. Da- nen schöneren Beruf als Kinderarzt.“ genschäden; über den Tubus können bei blieb es nicht aus, dass Therapien, Was er daran schätzt? „In der Medi- Keime in die Lunge eindringen und die eine Zeit lang als Standard galten, zin finden Sie kaum ein anderes Fach, eine Infektion verursachen; zu viel plötzlich nicht mehr angeraten waren das einen größeren Bereich abdeckt Sauerstoff kann die Netzhaut im Auge – wegen drohender Nebenwirkungen. – vom Frühgeborenen bis zum jungen schädigen, im schlimmsten Fall droht Cortison ist so ein Beispiel: „In den Erwachsenen“, sagt er. Dazu habe es die Erblindung. „Deshalb ist es für die 90er-Jahren hat man vielen sehr klei- der Kinderarzt nicht nur mit kranken Stabilität der Babys wichtig, dass wir nen Frühgeborenen nach der Geburt Kindern zu tun, „man muss immer möglichst wenig invasiv arbeiten“, sagt Cortison gegeben, weil es die Beat- auch die Eltern und Geschwister mit Speer. Je kürzer ein Neugeborenes be- mungsdauer verkürzte“, sagt Christian einbeziehen“. Insofern handele es sich atmet werden muss, je früher es Mut- P. Speer. Damit war jedoch Schluss, als bei der Pädiatrie um eine „sprechende termilch aus einem Fläschchen trinkt, in Studien der Nachweis geführt wur- Medizin“, die höchste Präzision mit desto geringer ist das Risiko für even- de, dass die Cortisongabe vermehrt zu viel Einfühlungsvermögen und guten tuelle Schäden. Schäden am Gehirn führt. kommunikativen Fähigkeiten verlange. Der rasche Transfer solcher Erkennt- Und noch eine Sache schätzt Speer Der schnelle Transfer aus nisse aus dem Labor in die Klinik und an seinem Beruf: „Kinder geben im- dem Labor in die Klinik in die Praxen ist Speer ein besonderes mer eine ehrliche Rückmeldung. Sogar Die Risiken der Behandlung kennt Anliegen; aus diesem Grund hat er Frühgeborene teilen einem mit, wie es Christian P. Speer aus eigener Erfah- 1996 den Kongress Recent Advances in ihnen geht. Insofern herrscht hier ein rung nur zu gut. Noch heute hat er Neonatal Medicine ins Leben gerufen. In ehrlicher und ungeschminkter Um- Kontakt zu einer inzwischen erwach- dreijährigem Abstand treffen sich dort gang.“ Und von daher muss es dem senen Frau – eine seiner ersten Patien- Neonatologen aus aller Welt und disku- Kleinen, der gerade auf seine Operati- tinnen, die er 1978 als Frühgeborene tieren neueste Forschungsergebnisse. on wartet, ziemlich gut gehen – so still mit der Beatmungsmaschine am Leben An dem jüngsten Kongress, der Anfang und zufrieden, wie er auf dem Tisch halten konnte. Zu einer Zeit, als die Oktober in Würzburg stattfand, nah- in der Neugeborenen-Intensivstation Technik längst noch nicht so gut entwi- men 750 Wissenschaftler aus 54 Nati- liegt. Gunnar Bartsch BLICK 01 - 2009 kompakt Bakterien-RNA Fast 300.000 Euro steuert das Bundesforschungsministerium zu einem Projekt am Biozentrum bei. Dort befassen sich Professor Thomas Rudel und sein Team am Lehrstuhl für Mikrobiologie mit den so genannten Rnomics von Infektionskrankheiten. Unter Genomics versteht man die Erforschung des Erbguts, bei Proteomics haben die Wissenschaftler Proteine im Blick. Und bei Rnomics eben vor allem die RNA-Moleküle von Lebewesen. Rudel interessiert sich dabei für Neisseria- und Chlamydia- Bakterien, die Krankheiten wie Tripper, Lungenentzündung und andere Leiden auslösen. Er erforscht die Auswirkungen der Bakterien auf die Zellen des Menschen. Sein Projekt ist Teil des Nationalen Genomforschungs-Netzwerks. forschung

Der englische Franziskaner Bacon-Ethik Roger Bacon, der im 13. Jahrhundert lebte, gilt als einer der ersten Verfechter empi- rischer Methoden in der Wissenschaft. Mit ihm befasst sich Professor Stephan Ernst, Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie: Er interpretiert die Ethik in Bacons Werk vor dem Hintergrund der scholastischen Theologie und 45 der Einflüsse der griechischen und arabischen Phi- losophie. Die Deutsche Forschungsgemein- schaft fördert seine Studien.

In den Alpen und an- deren Hochgebirgen schmelzen die Gletscher dahin. Wissenschaftler werten das als Folge des Klimawandels. In Gefahr müsste dann auch der Perma-Frost permanente Bodenfrost in den Bergen sein. „Der Permafrost taut in gewissen Höhenzonen auf, insbesondere an Südhängen“, sagt Christof Kneisel vom Institut für Geographie. Allerdings finde man, je nach Ort, starke Unterschiede. Kneisel erforscht darum, ob der Permafrost in Gebirgen tatsächlich nachhaltig schwindet. Bei seinem neuesten Projekt im Oberengadin (Schweiz) wird er von der Deutschen Forschungsgemein- schaft finanziell unterstützt. „Militär in der Gesellschaft: Herrschaft und Vergesellschaftung im Preußen des 18. Jahrhun- derts“: Dieses Forschungsprojekt, gefördert von der DFG, läuft am Lehrstuhl für Neuere Geschichte. Dort ist die Historie der Preußen einer der Arbeitsschwerpunkte von Professor Wolfgang Preußen-Projekt Neugebauer. An seinem Lehrstuhl wird unter anderem das Handbuch der Preußischen Geschichte erarbeitet und herausgegeben. Neugebau- er und sein Team betreuen auch zwei der wichtigsten Periodika zur brandenburgisch-preußischen Geschichte: Das „Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands“ sowie die „Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte“. BLICK 01 - 2009 BLICK 01 - 2009

46 Keine Angst vor Schwarzen Löchern Die Forschungen mit dem Teilchenbeschleuniger bieten Chancen und neue Perspektiven

ntimaterie, Dunkle Materie, der Universität Würzburg, hat sich in So sehen wir beispielsweise die vorher- ASchwarze Löcher – fast jeder hat einem Gespräch mit Blick zur Thema- gesagte Gravitationsrotverschiebung in davon gehört oder darüber gelesen. In tik geäußert. sehr kompakten Objekten. der Regel verlieren sich die Informati- onen beim Laien allerdings im Grauzo- Herr Professor Mannheim, was weiß Auf welchem Wege können Sie dies nenbereich von Halbwissen und Speku- man inzwischen über die Schwarzen erkennen? lation. Besonders seit im vergangenen Löcher? Das sehen wir mit Hilfe von Röntgen- September der Large Hadron Collider Sie gehören in der Astrophysik zum teleskopen. Sie kreisen um die Erde (LHC) am Forschungslabor Cern bei Standardinventar des Universums. und nehmen dort Bilder auf. Dies ist Genf in Betrieb genommen wurde, Viele Objekte, die wir beobachten, nur im Weltraum möglich, weil die kursieren Gerüchte, dass dort künstlich zeigen extreme Eigenschaften, die nur Erdatmosphäre kosmische Röntgen- erzeugte Schwarze Löcher anwachsen durch Schwarze Löcher erklärt werden strahlung abschirmt. Beobachtungszeit könnten, die Wissenschaftler unkalku- können. Die starke Gravitation kolla- mit Röntgenteleskopen wird im inter- lierbare Risiken in Kauf nehmen wür- bierter Sterne und Galaxienzentren ist nationalen Wettbewerb um die besten den. Sind die geplanten Experimente eine zwingende Folge von Einsteins Ideen mit anderen Astronomen einge- tatsächlich gefährlich und unberechen- Allgemeiner Relativitätstheorie, die worben. Die gesammelten Daten erhält bar? Professor Karl Mannheim, Inha- bislang jeder Überprüfung durch Prä- man dann auf Magnetbändern zum ber des Lehrstuhls für Astronomie an zisionsexperimente standgehalten hat. Auswerten. Diese sogenannte Satelliten­

Antimaterie aufeinandertreffen, so vernichten um ein Experiment, das wichtige Aquila, dem mit rund 3000 Meter Zu jedem Teilchen der uns sie einander und es entsteht elek- Erkenntnisse zur Veränderung höchsten Berg Zentralitaliens. Es bekannten, „normalen“ Materie tromagnetische Strahlung. von Neutrinos bringen soll. Dafür wird erwartet, dass sich einige existiert ein Antiteilchen. Teilchen erzeugen die Wissenschaftler des der Neutrinos unterwegs in ande- und Antiteilchen sind nahezu Forschungszentrums Cern bei re Neutrinoarten umwandeln, wel- identisch. Sie besitzen gleiche Genf einen Neutrinostrahl und che dann von einem speziellen Masse und Drehmoment, tragen schicken ihn über 730 Kilometer Detektor nachgewiesen werden aber eine entgegengesetzte CNGS-Experiment durch das Erdinnere zum Gran- sollen. Ladung. Wenn ein Teilchen und CNGS steht für „Cern Neutrinos Sasso-Laboratorium. Das Labor sein entsprechendes Antiteilchen to Gran Sasso“. Es handelt sich liegt direkt unter dem Monte BLICK 01 - 2009 BLICK 01 - 2009

astronomie wollen wir auch in Würz- Signal schließlich verschwindet. menten am Cern wurden Gefahren burg stärken, da der überwiegende Teil diskutiert, die von dort erzeugten der elektromagnetischen Strahlung, wie Was passiert mit der Materie? Schwarzen Löchern ausgehen 47 auch Infrarot- und Gammastrahlung, Das erfahren wir leider nicht. Ein mit- könnten. Was ist realistisch an die- nur vom Weltraum aus wahrgenom- reisender Physiker mit Messgeräten für sen Befürchtungen? men werden kann. Druck, Temperatur und anderes könnte Die Schwarzen Löcher, von denen es zwar erfahren, uns aber dann nicht wir gesprochen haben, sind alle sehr Wie muss man sich ein Schwarzes mitteilen. Der Garten ist verschlossen. schwer. Sie wiegen einige Sonnenmas- Loch vorstellen? Wir wissen nur: Die Masse bleibt er- sen oder sogar eine Billiarde Sonnen- Das Schwarze Loch ist eigentlich nur halten und die Natur der Materie wird massen. Alle Schwarzen Löcher, die eine Art Gartenzaun, hinter den wir dort irrelevant. Das Schwarze Loch ist Materie „verschlingen“, liegen oberhalb nicht blicken können. In der Fachspra- für uns Beobachter nur noch Masse, einer bestimmten Grundgröße. Sie ent- che nennen wir dies den „Ereignis- gegebenenfalls elektrische Ladung und stehen vollkommen anders als die Ob- horizont“ und den geheimen Garten Drehimpuls. Andere Eigenschaften hat jekte, die möglicherweise beim LHC er- die „Singularität“. Wir sehen aber, wie ein Schwarzes Loch nicht. Es spielt also zeugt werden. Wenn der Brennstoff für „heiße“, röntgenemittierende Materie- keine Rolle, ob in dieses Schwarze Loch die thermonukleare Fusion im Innern klumpen dahinter verschwinden. Die Dunkle Materie oder gewöhnliche Ma- eines massereichen Sterns erschöpft Erklärung hierzu: In der Nähe des terie fließt. Trotzdem ist völlig klar, dass ist, verringert sich der Druck und der Schwarzen Loches heizt sich einstür- das „Innere“ des Schwarzen Loches für Kern des Sterns wird durch seine eige- zende Materie durch Reibung auf. Sie die Physik interessant ist: Physik ist ne Schwerkraft zusammengequetscht. hat Drehimpuls, gerät auf Umlauf- Messen und Zählen, und ein hinein flie- Dass beim Zusammenstoß von Ele- bahnen und zieht langsam nach In- gender Beobachter könnte das Innere mentarteilchen ebenfalls Effekte der nen. Dabei nimmt die Wellenlänge der in endlicher Zeit erforschen. Gravitation eine Rolle spielen könnten, ausgesandten Strahlung aufgrund der weiß man schon lange. Man ging al- anwachsenden Gravitation zu, bis das In Zusammenhang mit den Experi- lerdings bislang davon aus, dass dazu

CP-Verletzung Elektron den Positron, ist heute – einen Effekt, den Physiker als tische Strahlung, dass sie nicht Im Anfang war Materie und im Universum keine Antimaterie „CP-Verletzung“ bezeichnen. direkt beobachtbar ist. Sie macht Antimaterie, der Urknall brachte mehr vorhanden. Die meiste Ma- CP steht für Charge Parity, also sich alleine durch ihre gravitative sie der Theorie nach in gleicher terie, die während des Urknalls Ladung und Parität. Wechselwirkung mit sichtbarer Zahl hervor. Obwohl also jedes explodierte, kollidierte mit An- Materie bemerkbar. Ihre Existenz Elementarteilchen eigentlich timaterie und wurde zu Energie, gilt bisher nicht als nachge- einen Zwilling mit entgegenge- aber ein Teil blieb und formte Dunkle Materie wiesen, wird aber durch eine setzter Ladung hat, das positiv das, was wir heute Universum Dunkle Materie sendet oder Vielzahl von astronomischen geladene Proton den negativen nennen. Es muss also im Anfang reflektiert so wenig sichtbares Beobachtungen nahegelegt. Sie Antiproton, das negativ geladene eine Asymmetrie gegeben haben Licht oder andere elektromagne- soll etwa vier bis fünf Mal so viel BLICK 01 - 2009

sehr viel höhere Energien notwendig dass eventuell pro- sind als die, welche der LHC erzeugen duzierte Schwarze kann. Erst jüngste Entwicklungen auf Löcher ruhen wür- dem Gebiet der Theoretischen Physik, den. Sie tun dies die einen Zusammenhang zwischen ei- aber auch dann ner elfdimensionalen mathematischen nicht ganz exakt Struktur und der gewöhnlichen Raum- und fliegen meis- zeit herstellen, geben Anlass zu der tens mit einer im- Vermutung, dass schon bei LHC-Ener- mer noch ziemlich gien eine „stärkere“ Schwerkraft ausge- hohen Geschwin- löst werden könnte. Es gibt allerdings digkeit weg. Wenn keinen zwingenden Grund dafür – nur sie – die Wahr- die theoretische Freiheit für diese Mög- scheinlichkeit geht lichkeit. hier gegen Null – ruhen und nicht Wurde schon einmal ein Schwarzes zerfallen, könnten Loch produziert? sie mit ihrer Um- Bei bisherigen Beschleunigern ist dies gebung in Wech- forschung sicher nicht möglich gewesen, weil die selwirkung treten, Energie der Teilchenkollisionen zu ge- ein Elektron würde ring war. Es gibt aber die kosmische vielleicht hinein- Strahlung. Dabei handelt es sich um fallen, dann ein Teilchen, die fast mit Lichtgeschwin- Proton. Sie würden Karl Mannheim (Foto Dr. Gabriele Geibig-Wagner) digkeit durch den Weltraum fliegen. unbemerkt anfan- Sie stehen in Zusammenhang mit Su- gen zu wachsen, da pernovae und aktiven Galaxienkernen man sie nicht sehen kann. Prinzipiell Was halten Sie von der Theorie, und prasseln seit Milliarden von Jahren sind sie aber unglaublich klein, und sie Schwarze Löcher könnten Eingän- 48 beständig auf die Planeten und Monde werden eigentlich nie einem anderen ge zu Wurmlöchern sein? des Sonnensystems nieder. Dabei sind Teilchen begegnen. Man kann sie gar Es ist durchaus zulässig, darüber Be- auch Teilchen mit Energien, die deut- nicht so einfach „füttern“. Auch gibt trachtungen anzustellen. Wurmlöcher lich höher sind als die der Teilchen im es die Theorie von Hawking und Be- sind hierbei eine ernstzunehmende LHC. Sie würden demnach ständig ckenstein, nach der diese Schwarzen Möglichkeit. Dies hat viel zu tun mit Schwarze Löcher in der Atmosphäre Löcher rasch zerstrahlen müssten. der so genannten Topologie, also ei- produzieren – und haben bisher offen- Man sieht zwar im Weltraum kei- ner mathematischen Eigenschaft von sichtlich keinen Schaden angerichtet. ne Hawking-Beckenstein Strahlung, Räumen, die darüber Auskunft gibt, aber dies liegt wohl eher daran, dass ob ein Raum verknotet ist, Henkel Die Gefährlichkeit wäre dann ver- Schwarze Löcher von geringer Masse oder Löcher hat. Die Topologie spielt gleichbar? weder im Urknall noch durch kos- sicher eine Rolle in der Theorie, die Mit einem Unterschied, dass die Teil- mische Strahlung jemals erzeugt wur- Quantenmechanik und Allgemeine Re- chen der kosmischen Strahlung fast den. Es fehlt letztlich jeglicher Hin- lativitätstheorie verbinden soll. Nur mit mit Lichtgeschwindigkeit ankommen weis auf Schwarze Löcher, die durch dieser Theorie könnten wir vielleicht und die Teilchen in der Atmosphäre das „Auffressen“ ganzer Planeten ent- verstehen, was beim Urknall geschehen (quasi) ruhen, das heißt die Schwarzen standen sind. Die müssten wegen der ist oder was innerhalb von Schwarzen Löcher, die dann erzeugt werden, flie- kosmischen Strahlung als Katalysator Löchern passiert. Bisher gibt es nur die gen auch mit fast Lichtgeschwindigkeit ziemlich zahlreich sein und ab und zu Verknüpfung zwischen der Speziellen weiter, durch die Erde hindurch und durch unser Planetensystem kreuzen. Relativitätstheorie und der Quanten- verschwinden irgendwo im Weltraum. So etwas ist ganz sicher seit 4,55 Mil- mechanik. Daraus ergeben sich die Beim LHC stoßen die Teilchen mit liarden Jahren nicht geschehen. Insge- Quantenfeldtheorien, das theoretische gleicher, aber entgegen gerichteter Ge- samt betrachtet, ist die Besorgnis da- Standardwerkzeug für Physiker, um die schwindigkeit frontal aufeinander, so her wohl unbegründet. Vorgänge am LHC zu verstehen.

zur Gesamtmasse im Universum beispielsweise zu verdanken, Wechselwirkungen, verfügt Plasma beitragen wie die gewöhnliche dass Gegenstände zu Boden allerdings über eine unbegrenzte Ein Plasma entsteht, wenn einem Materie. fallen – Äpfel werden von der Reichweite und lässt sich mit Gas soviel Energie zugeführt Erde angezogen, ziehen diese keinem bekannten Verfahren wird, dass ein Teil der Atome Gravitation allerdings ebenfalls an. Außer- abschirmen. Damit prägt sie die ionisiert wird. Plasmen bestehen Die Gravitation (von gravitas - dem bestimmt sie die Bahn der großräumigen Strukturen des somit aus neutralen Atomen, Schwere) ist eine der vier Grund- Erde und der anderen Planeten Kosmos entscheidend. Ionen sowie Elektronen, wobei kräfte der Physik. Sie bezeichnet um die Sonne. Die Gravitation sie nach außen hin elektrisch die gegenseitige Anziehung von ist die mit großem Abstand neutral sind, da die Anzahl der Massen. Der Gravitation ist es schwächste der vier bekannten positiv und negativ geladenen BLICK 01 - 2009

Was bedeutet der Einsatz des Teil- bei Teilchenwechselwirkungen. Aber: Materie/Antimaterie und Dunkle chenbeschleunigers für die Astro- die bekannte CP-Symmetrie-Verlet- Materie: Sind das zwei verschiedene nomie? zung, die in den 60er-Jahren entdeckt Felder? Der Teilchenbeschleuniger spielt für worden ist, reicht für das beobachtete Die Eigenschaften der Materie und die Astrophysiker eine wichtige Rolle, Missverhältnis nicht aus. Das heißt, Antimaterie können im Rahmen des weil sie verschiedene Fragen mit ihren es werden jetzt am LHC auch andere sogenannten Standardmodells der Teil- eigenen Methoden nicht beantworten Ursachen hierfür gesucht, so dass wir chenphysik erklärt werden. Die Dunkle können. Diese Fragen wurden zu- Modelle erstellen können, die erklären, Materie kennen bislang nur die As- nächst durch astronomische Beobach- warum es so wenig Antimaterie im tronomen. Sie können die Masse der tungen aufgeworfen, ihre Beantwor- Universum gibt. Dunklen Materie im Universum be- tung erfordert die Einbeziehung der stimmen. Sie ist viel größer als die der Erkenntnisse, die hoffentlich mit dem Ist dieser Prozess abgeschlossen? gewöhnlichen Materie. LHC gewonnen werden. Dabei geht Der Prozess ist abgeschlossen, einfach es selbstverständlich um einen ganzen deswegen, weil nur diese heiße Ursup- Dunkle Materie heißt nichts ande- Fragenkomplex und nicht – wie dies pe die erforderliche Temperatur hatte, res als nicht sichtbare Materie? manchmal vereinfachend dargestellt instabile, kurzlebige Teilchen in großen Ja, sie hat keine elektromagnetische wird – darum, den Urknall im Kleinen Mengen zu erzeugen. Nachdem inzwi- Wechselwirkung, Licht geht daran vor- nachzustellen. schen aber eine Abkühlung stattgefun- bei, Elektronen, die überall im Welt- forschung Die Astronomen beobachten ein ex- den hat, können sie nicht mehr entste- raum herumschwirren, fliegen an ihr pandierendes Universum, an dessen hen. Das ist nur einmal, nämlich vor vorüber, und auch die Bindung von Anfang ein sehr heißer, kompakter 13,7 Milliarden Jahren, geschehen. Im Atomen über elektrostatische Kräfte Feuerball existiert haben muss. Die LCH sollen die energiereichen Teilchen in Festkörpern betrifft Dunkle Materie Teilchen in diesem Feuerball, diesem noch einmal erzeugt werden, die etwa nicht. Plasma, stießen aufgrund der damals 10-11 Sekunden nach dem Urknall exis- höheren Dichte aufeinander. So ent- tiert haben. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, standen andere Teilchen, die teilwei- den LHC für Ihre Forschungen in se wieder zerfielen. Andere aber wa- Welche Entdeckung im LHC wäre Anspruch zu nehmen, welche Akti- ren stabil. Es gibt sie seit etwa zehn sensationell? onen würden Sie einleiten? 49 Piko-Sekunden (10-11s) nach dem ei- Hinweise, die uns weiterhelfen würden, In gewissem Sinne ist das, was dort ge- gentlichen Urknall und sie existieren die Frage nach der Dunklen Materie zu macht wird, Zwangshandlung. Die Teil- heute noch. Und zwar überall. Nach beantworten. Wir wissen schon seit 70 chen werden zur Kollision gebracht, der einfachsten Theorie müssten Jahren, dass die Galaxie und Haufen und die schwierige Aufgabe besteht Teilchen und Antiteilchen in glei- von Galaxien so schnell herumfliegen, darin, aus den Milliarden entstehender cher Zahl vorhanden sein. Durch die dass zusätzliche Masse nötig ist, um Teilchen solche herauszufischen, die Expansion des Universums blieben sie durch Schwerkraft zu binden, sonst Hinweise auf seltene Ereignisse lie- letztlich zwar nur ein paar wenige würden sie auseinandertreiben. Diese fern. davon übrig, aber immer in ausgewo- zusätzliche Masse wurde aber bislang Die wirkliche Herausforderung ist, in genem Verhältnis. nicht eindeutig gefunden, obwohl man der Analyse die sprichwörtliche Steck- mit allen modernen Methoden danach nadel im Heuhaufen zu finden. Wichtig Inzwischen konnte aber ein Un- gesucht hat. Es gibt allerdings starke dabei ist vor allem auch die weltweite gleichgewicht nachgewiesen wer- Hinweise aus der Beobachtung kos- Vernetzung unter den Wissenschaft- den. Was bedeutet das? mischer Gammastrahlung, dass es sich lern. Das ist die Idee vom Cern. Die Das ist natürlich eine grundlegende bei der Dunklen Materie um schwach Physiker haben sich bei diesem Projekt Frage. Wann ist aus dem symmet- wechselwirkende Teilchen handelt, die beispielhaft international für ein ge- rischen Anfangszustand die heutige etwa so schwer sind wie ein Goldatom, meinsames ehrgeiziges Ziel organisiert. Asymmetrie entstanden? Warum ist es und die man beim LHC vielleicht fin- passiert? Die Differenz zwischen Ma- den könnte. Spiegel und Bayerischer Rund- Wie lange wird das LHC aktuell terie und Antimaterie kann nur zustan- funk haben seinerzeit ausführlich über sein? de kommen, wenn eine CP-Verletzung unsere Forschungsarbeiten am Lehr- Zunächst hoffe ich, dass es gelingt, die­ stattfindet, eine Symmetrieverletzung stuhl für Astronomie berichtet. se außerordentlich komplexe Appara-

Teilchen im Volumen annähernd len, dass sich die Wellenlänge als eines, das sich entfernt. Zwei entfernen. Es ist die Raumzeit gleich groß ist. Mehr als 99 des Lichtes verändert; sie wird weitere Gründe sind für eine Rot- selbst, die sich ausdehnt, die Prozent der sichtbaren Materie zu Rot hin verschoben. Diese Re- verschiebung verantwortlich: ein Galaxien werden mitbewegt. Das im Universum befinden sich im lativbewegung von Sender und unterschiedliches Gravitations- Licht von Galaxien ist in den al- Plasmazustand, so beispielswei- Empfänger heißt Dopplereffekt potenzial von Quelle und Beob- lermeisten Fällen rotverschoben. se auch die Sonne. und ist ein Spezialfall der Rotver- achter sowie das expandierende Je weiter eine Galaxie entfernt schiebung. Ein ähnlicher Effekt Universum. Diese Expansion ist, desto stärker ist im Mittel die Rotverschiebung ist aus der Akustik bekannt: Das darf nämlich nicht so verstanden Rotverschiebung. Wer eine sich entfernende Licht- Martinshorn, dass sich auf einen werden, dass sich Galaxien quelle beobachtet, wird feststel- Zuhörer hinbewegt, klingt höher in der Raumzeit voneinander BLICK 01 - 2009

tur tatsächlich wie geplant zu betreiben. Schießt man nun Protonen bei sehr stattfindet. Die Schwerkraft würde bei Anschließend müssen die enormen hohen Temperaturen, etwa 1015 Kelvin, den Experimenten mit dem LHC auch Datenmengen so strukturiert werden, aufeinander, dann sollten sich diese in der Extradimension wirken. Wir su- dass man das wirklich Wichtige darin äußeren Hüllen auflösen und Quarks chen nach Hinweisen, ob beim Urknall entdecken kann. Dann ist man aller- und Gluonen ein gemeinsames Plasma Extradimensionen eine Rolle gespielt dings schon fast am Ziel, denn die theo­ bilden. Wichtig ist dieses Experiment, haben. Interessant sind sie – gleicher- retischen Werkzeuge sind weitgehend weil wir in unserer Zeittafel des Ur- maßen wie die supersymmetrischen entwickelt. Dabei handelt es sich um knalls davon ausgehen, dass 10-11 Se- Teilchen – für die Frage nach der Dunk­ eine Art Filter, die man über die Da- kunden nach dem Urknall ein solches len Materie. ten legen kann, also eine Maske, die Plasma bestanden hat. unwichtige Datenmengen ausblendet. Was will man mit dem CNGS-Expe- Hierzu hat die Universität Würzburg Sind durch die Experimente am riment bewirken? sehr wichtig Beiträge geliefert. Dies Cern noch weitere Erkenntnisse zu Mit dem Beschleuniger am Cern kön- alles wird einige Jahre in Anspruch erwarten? nen auch Neutrinos produziert werden. nehmen. Zur Verbesserung der Sta- Hinweise auf Extradimensionen – das Neutrinos sind ähnlich wie die dunk- tistik lässt man die Experimente dann ist ein extrem spannendes Thema. Die len Materieteilchen elektrisch neutral, wohl noch ein paar Jahre länger laufen. Quantenfeldtheorie wird benutzt, um haben aber eine sehr geringe Masse. Insgesamt ist mit einem Zeitraum von die am LHC beobachteten Prozesse Das CNGS-Experiment am Cern sieht forschung zehn bis 15 Jahren zu rechnen. mathematisch zu erfassen. Man nimmt vor, den Teilchenstrahl zu stoppen, die an, dass die Teilchen Felder in einem dadurch erzeugten Neutrinos auszu- Wie geht es danach weiter – falls flachen Hintergrundsraum, also in koppeln und 750 Kilometer durch das dies alles klappt? einem euklidischen, einem dreidimen- Erdinnere nach Italien in das Gran- Denkbar wäre eine Präzisionsmaschine, sionalen Raum, darstellen. Wir wissen Sasso-Tunnel im Apennin zu schi- ein Linearbeschleuniger. Lassen sich aber aus der Astronomie, dass Räume cken. Aufgrund ihrer sehr schwachen durch die Experimente mit dem LHC im Allgemeinen gekrümmt sind und Wechselwirkung fliegen sie durch die unsere Vermutungen bestätigen, wird nur durch die Beschreibung von Quan- Erdkruste hindurch und werden an es spannende Dinge geben, die grund- tenfeldern in gekrümmten Räumen ihrem Zielort mit einem Detektor auf- 50 sätzlich neu sind. Eine Theorie der Teil- eine umfassende Theorie möglich ist. gefangen. Man will beweisen, dass die chenphysiker besagt, dass bei Energien, Dazu braucht man aber mehr Dimen- Neutrinos sich unterwegs in eine ande- die mit dem LHC erschlossen werden, sionen. Das inflationäre Aufblähen des re Variante von Neutrinos verwandelt neuartige Teilchen produziert werden Universums am Anfang des Urknalls haben. Das Projekt ist für die Astrono- müssten. Darunter wäre ein stabiles, erfordert Quantenfelder, die dem mie deswegen spannend, weil viele as- elektrisch neutrales Teilchen. Es hät- Higgs-Feld ähnlich sind, das beim LHC tronomische Quellen Neutrinos produ- te alle Eigenschaften, um die Dunkle gesucht wird. zieren und wir durch das Experiment Materie zu erklären. Dieses Teilchen zu am Cern die Möglichkeit erhalten, ihre finden, ist mir besonders wichtig. Aus Wie kann man sich das vorstellen? Eigenschaften zu studieren. unserer Forschungsarbeit heraus wäre Diese Extradimensionen sind in der interessant zu wissen, ob es sich bei der mikroskopischen Welt vorhanden, in Insgesamt bietet der LHC also eine Dunklen Materie, die wir in der Astro- der makroskopischen Welt sieht man ganze Reihe von Chancen für die nomie beobachten, tatsächlich um das sie nicht. Sie stehen senkrecht dazu, Astrophysik? leichteste und stabilste Teilchen der Su- sind für uns nicht detektierbar, weil Supersymmetrische Teilchen als persymmetrie handelt. wir ja aus Teilchen bestehen, die nicht Dunkle Materie, Extradimensionen, Bei Vorgängerexperimenten am Cern mit Teilchen in den Extradimensionen Quark-Gluon-Plasma, Materie- und wurde nach dem so genannten Quark- wechselwirken. Anschaulicher wird Antimaterie-Asymmetrie, Neutrino-Ei- Gluon-Phasenübergang gesucht. Pro- diese Theorie, wenn man als Analogie genschaften, Schwarze Löcher, Higgs- tonen stellen wir uns vor als eine Hülle, an eine Ameisenbevölkerung denkt, Feld: das ist doch eine ganze Menge! in der sich drei Quarks befinden -so die nur auf einem Blatt Papier, einem wie Gluonen, die dazwischen herum- zweidimensionalen Gebilde, lebt. Sie Die Fragen stellte schwirren und alles zusammenhalten. sieht natürlich nicht, was außerhalb Dr. Gabriele Geibig-Wagner

Schwarzes Loch Inneren des Schwarzen Lochs auf Supernova Wurmloch Wenn ein Stern ausgebrannt ist, unendliche Werte. Nicht einmal Das schnell eintretende, helle Sozusagen ein Henkel in der kollabiert er in aller Regel. Die die Photonen des Lichts können Aufleuchten eines Sterns am dynamischen Geometrie des Gravitationskraft zieht dann die den Anziehungsbereich eines Ende seiner Lebenszeit durch Raumes, der zwei entfernte Masse des Sterns in sich zusam- Schwarzen Lochs verlassen. Das eine Explosion, bei der der Gebiete des Universums mitein- men. Unterschreitet diese eine Zentrum eines Schwarzen Lochs, Stern selbst vernichtet wird. Die ander verbindet und demnach bestimmte Grüße, beherrscht die das sich jeder physikalischen Leuchtkraft des Sterns nimmt – zumindest der Theorie nach Gravitation alle anderen Kräfte Interpretation entzieht, wird als dabei millionen- bis milliarden- – als Abkürzung benutzt werden und schnürt dieses Raumgebiet singulär bezeichnet. fach zu, er wird für kurze Zeit so kann. vom äußeren Universum ab. hell wie eine ganze Galaxie. Die Gravitationskraft wächst im BLICK 01 - 2009

Meine Doktorarbeit

Rund 500 Nachwuchswissenschaftler schließen an der Universität Würzburg jedes Jahr erfolgreich ihre Doktorarbeit ab. Blick widmet diesem For- schungsbereich eine eigene Rubrik. Diesmal im Mittelpunkt: der Lebensmittelchemiker Bastian Farben, die heilen? Heidelbeeren in einem Kuchen. Knaup, der sich für die inneren Werte von Heidel- (Foto Carlo Schrodt / Pixelio.de) beeren interessiert hat. Blaues aus Beeren Lebensmittelchemiker erforschen medizinisch interessante Stoffe forschung

n Gemüse und in Früchten stecken Aktivität eines Enzyms herab, das bei mittelchemie mit der Stabilisierung der Ioftmals Stoffe, denen ein positiver Entzündungsprozessen eine Schlüssel- interessanten Stoffe aus Heidelbeeren. Einfluss auf den Organismus nach- rolle spielt. Bastian Knaup war bei seiner Doktor- gesagt wird. Zum Beispiel in Heidel- Extrakte aus Heidelbeeren sind vor arbeit in ein größeres Projekt eingebun- beeren: Schon die alten Griechen und allem in den USA auf dem Markt. Ver- den: Mehrere Universitäten und Indus- Römer verwendeten die blauen Wald- kauft werden sie bislang als Nahrungs- triepartner, finanziell gefördert vom früchte unter anderem als Heilmittel ergänzungsmittel – mit möglicherweise Bundesforschungsministerium, unter- gegen Darmerkrankungen. Im Mittel- wenig Wirkung. Denn Bastian Knaup suchen dabei den Einfluss pflanzlicher alter entdeckte Hildegard von Bingen hat auch herausgefunden, dass die Inhaltsstoffe auf den Menschen. Hoch 51 den Wert der Heidelbeere als Heilpflan- Farbstoffe der Heidelbeeren im Darm zufrieden war der Doktorand mit sei- ze wieder. Doch bis heute ist es wissen- sehr unterschiedlich stabil sind – ab- nen Betreuern Professor Peter Schreier schaftlich nicht belegt, ob die Früchte hängig von ihrer chemischen Struktur. und Dr. Anagnostis Valotis: „Sie haben tatsächlich das Potenzial haben, um ge- Diese neuen Erkenntnisse bergen ei- mir genug Freiraum gegeben. Wenn gen Krankheiten eingesetzt zu werden. nen vielversprechenden Ansatz zur ich Gesprächsbedarf hatte, waren sie „Viele Menschen, die an entzündlichen Prävention und Therapie entzündlicher jederzeit für Diskussionen offen. Und Darmbeschwerden leiden, fühlen sich Darmerkrankungen wie zum Beispiel sie waren kritisch bis zuletzt.“ Also bis besser, wenn sie Heidelbeeren in grö- Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn. Dezember: In diesem Monat nämlich ßeren Mengen essen“, sagt Bastian Doch erst sind zusätzliche Studien nö- hat Bastian Knaup seine Dissertation Knaup. Was könnte das wirksame Ele- tig. Daher befassen sich weitere Dok- vor drei Prüfern „verteidigt“. ment in den Beeren sein? Dieser Frage torarbeiten in der Würzburger Lebens- Robert Emmerich ist der Lebensmittelchemiker in seiner Doktorarbeit nachgegangen. Dabei hatte er spezielle Farbstoffe im Blick, die so genannten Anthocyane. Ihnen verdanken die Heidelbeeren die intensive Färbung – und vermutlich noch mehr. Denn Bastian Knaup hat Hinweise darauf gefunden, dass be- stimmte Anthocyane Entzündungen lindern können. „Das folgere ich aus meinen Laborversuchen; direkt am Menschen ist es nicht bewiesen“, schränkt der 30-Jährige ein. Was genau er entdeckt hat? Auf diese Frage hin lehnt er sich weit zurück. Seine Ergebnisse dürfen noch nicht an die Öffentlichkeit, denn sie harren ihrer Drucklegung in einem Journal. Bis das geschehen ist, will Knaup nur so viel sagen: Die Farbstoffe aus Hei- In Heidelbeeren stecken interessante Farbstoffe. Lebensmittelchemiker Bastian Knaup delbeeren setzen im Laborversuch die hat sie in seiner Doktorarbeit untersucht. (Foto Robert Emmerich) BLICK 01 - 2009 forschung

Der ägyptische König überreicht der Göttin Rat-taui zwei Spiegel. Zu sehen ist die Szene in et-Tôd im Tempel des Month. Sie stammt 52 aus der spätptolemäischen Zeit, um 50 vor Christi Geburt. (Foto Projekt Ritualszenen) Ein Navi für den Pharao Würzburger Ägyptologen stellen interaktive Datenbank ins Netz, die bei der Suche nach Tempelinschriften behilflich ist

er Pharao im alten Ägypten hatte Loyalität der örtlichen Priester, aber dings geworden, denn die Würzburger Des nicht leicht. Er musste sich mit auch der Bevölkerung. Gerade in der Ägyptologen können jetzt einen Weg- hunderten von Göttern gut stellen, da- Zeit der griechischen und römischen weiser durch die Fülle an Material und mit sie ihm eine erfolgreiche Herrschaft Fremdherrschaft wurde dieses Mittel Informationen anbieten. Mehr noch, gewährten, was sich unter anderem in der Finanzspritzen zur Bewahrung des sie haben ein Navigationsgerät entwi- ertragreichen Ernten und in sicheren Friedens in der Provinz häufig ange- ckelt, das es ermöglicht, sich mit Hilfe Grenzen zeigte. Natürlich war es ihm, wendet. Das Ergebnis lässt sich noch diverser „Fahrpläne“ ans gewünschte der nach der Staatsraison der einzig le- heute an weit über hundert zum Teil Ziel lotsen zu lassen – zumindest für gitime Priester war, der den Kontakt zu riesigen Tempeln sehen. die Zeit der griechisch-römischen Herr- den Göttern halten konnte, unmöglich, schaft (ca. 332 vor Chr. bis 313 nach überall im Lande die Kulte persönlich Ein Wegweiser durch die Chr.) ist dies möglich. Da diese Epoche zu vollziehen. So musste er diese Arbeit gigantische Informationsfülle der ägyptischen Geschichte allerdings an Priester in den örtlichen Tempeln Kein Mensch kann die riesige Informa- ca. 600 Jahre umfasst, in denen gewal- delegieren, aber die Darstellungen der tionsfülle, die uns mit diesen Tempeln, tige Tempelanlagen geschaffen wurden Opferhandlungen zeigen immer den ihren Inschriften und Abbildungen – unter anderem der Tempel von Edfu, Herrscher als den eigentlichen Kult- überliefert sind, im Kopf haben. Allein der größte und am besten erhaltene vollzieher. die Übersetzung würde mehrere 10.000 Tempel der Antike überhaupt –, war Zu den Aufgaben, die zum Dienst an Seiten füllen, dazu kämen Abbildungen eine immense Menge Vorarbeit nötig, den Göttern gehörten, zählte auch und Kommentare. Selbst erfahrenste bis es soweit war: die Errichtung der Götterwohnungen, Wissenschaftler brauchen viele Monate, Vor rund 15 Jahren machten sich die der Tempel, und ihre angemessene um sich durch die Menge der hierogly- Forscher ans Werk. Zunächst erstellten Ausstattung. Dies machte die Götter phischen Texte hindurchzuarbeiten. sie eine Datenbank, in der sämtliche zufrieden und sicherte gleichzeitig die Ein bisschen einfacher ist es nun aller- Tempel Ägyptens aus den genannten BLICK 01 - 2009

sechs Jahrhunderten erfasst sind. Die- Detail gingen die Würzburger Forscher nend auf einer Ägyptenkarte – sozusa- se Tempel sind — im Gegensatz etwa wie folgt vor: gen im Zoom-Verfahren – über Detail- zu denen Griechenlands und Italiens — Zunächst wurden alle Ritualszenen, karten, Tempelgrundrisse, schließlich über und über mit religiösen Inschriften mehr als 10.000 an der Zahl, einzeln Raumgrundrisse und Wandaufrisse bis und Darstellungen versehen. Sie bieten erfasst und nach den Namen (inklusive zu der Stelle geführt, an der das ge- damit die umfangreichste Sammlung Titel und Beinamen) der dargestellten suchte Ergebnis nachgewiesen ist. Hier religiöser Texte der Menschheit zu ei- Akteure (insgesamt über 30.000) auf- findet man dann auch die Abbildung ner einzelnen Religion. Ein zentraler geschlüsselt. Ebenfalls erfasst wurde, und alle Information, die zu der betref- Bereich dieser Texte sind die sogenann- welche Geschenke den Göttern darge- fenden Ritualszene zusammengetragen ten Ritualszenen, die den eigentlichen boten werden, und was diese ihrerseits wurden. Gegenstand der Datensammlung bil- dafür als Gegengabe reichen. den. Dann wurden die Szenen zeitlich und Präsentation der Belegstellen räumlich eingeordnet: Sie wurden nach in einer Dia-Show Ein dichtes Geflecht aus den Regierungszeiten der Herrscher Dies ist allerdings nur eine der viel- Darstellung, Raum und Funktion Ägyptens datiert, und die Position ei- fältigen Möglichkeiten, die das Na- Eine Ritualszene stellt dar, wie der ägyp- ner jeden einzelnen Szene wurde genau vigationssystem bietet: Es kann tische Herrscher der Gottheit des Tem- festgehalten: auf welchen architekto- beispielsweise auch ohne vorherige Da- pels ein Opfer darbringt, um so dessen nischen Elementen (Türe, Säule, Wand tenbankabfrage benutzt werden, wenn forschung Wohlwollen für sich und sein Land zu usw.) befindet sie sich, welche anderen sich jemand „nur“ über Tempel, Räume erringen. Die Weltordnung, ägyptisch Szenen befinden sich links und rechts usw. informieren will. Alternativ kann „Maat“, wird durch dieses Wohlwollen davon, welche darüber, darunter und man sich auch eine Bilderfolge zeigen der Götter aufrecht erhalten, so dass gegenüber. Anschließend waren die iko- lassen. Wer etwa den Namen eines be- die chaotischen Mächte nicht Ober- nographischen Einzelheiten an der Rei- stimmten Gottes sucht und eine Abbil- hand gewinnen können. Kompliziert he: Welche Krone trägt der Pharao, wie dung, auf der dieser mit Widderkopf zu verstehen wird eine Ritualszene sehen die Götter aus, mit welcher Hand dargestellt ist, der kann sich alle Beleg- für die Forscher durch eine Reihe von wird die Opfergabe überreicht und so stellen nacheinander zeigen lassen. Und Faktoren: Es handelt sich keineswegs weiter. Literaturangaben und Ort der wenn er will, muss er nicht einmal selbst nur um einen Gott, sondern eine gan- Publikation wurden natürlich ebenfalls „weiter blättern“, dann tut das Gerät 53 ze Reihe von Gottheiten, denen man aufgezeichnet – sofern sie vorlagen. auch das im einstellbaren Sekundentakt Opfer bringt, und auch auf Seiten des Denn bei zahlreichen Darstellungen für ihn. Herrschers agieren zahlreiche Personen musste die Erstpublikation zunächst Der altägyptische Priester, der die mit. Hinzu kommt, dass die Texte nicht noch von den Wissenschaftlern ange- Beschriftung und Bebilderung eines etwa beliebig angebracht wurden: Man- fertigt werden. Die so gesammelten Tempels zu planen hatte, musste sich che Darstellungen sind an die Funkti- Angaben würden bei einer Darstel- dabei auf seinen Kopf verlassen. Häu- on des jeweiligen Raums gebunden, in lung mindestens zwei DIN-A4-Seiten fig hat er Texte und Bilder aus anderen dem sie sich finden, andere gehören füllen, eine gedruckte Version der ge- Tempeln herangezogen, kopiert und an ganz bestimmte Stellen einer Wand samten Datenbank würde somit rund abgewandelt wiedergegeben. Der In- und haben dann eine Entsprechung auf 20.000 Seiten umfassen (Abbildungen formationsaustausch war dabei gewollt der anderen Seite der Symmetrieachse noch gar nicht inbegriffen). Auf ein sol- – etwa so wie bei kooperierenden Uni- eines Raumes – oder des Tempels. Die ches Druckwerk hat sich die Deutsche versitäten. Durch die jetzt mögliche Regeln, nach denen die Darstellungen Forschungsgemeinschaft als fördernde Analyse eines großen Datenbestandes angebracht wurden, lassen sich nur Institution natürlich nicht einlassen lassen sich solche Wege der Bild- und erschließen, wenn man annähernd die können, so dass nur eine Publikation Texttradierung deutlich machen. Die Gesamtheit der Darstellungen kennt auf elektronischem Weg realistisch war. hochkomplizierte Welt der ägyptischen und die einzelnen Abbildungen dann Allerdings wird diese Datenbank von Religion wird auf diese Weise wieder et- mit einander vergleicht. Was allerdings einer wissenschaftlichen Reihe (SRaT was transparenter, Gedankengänge, die ziemlich schwierig ist, denn man kann – Studien zu den Ritualszenen altägyp- zum letzten Mal vor über 2000 Jahren ja nicht einfach mal schnell um einen tischer Tempel) begleitet. relevant waren, können wieder freige- Tempel von über 100 Meter Länge her- Kaum vorstellbar, dass jemand bei einer legt werden, Intelligenzen können wie- umlaufen, um nachzusehen, was sich solchen Informationsfülle den Über- dergefunden werden, die nicht auf fer- auf der anderen Seite befindet. Da ist blick behält. nen Sternen beheimatet sind, sondern es schon einfacher, solche Bezüge auf Doch hier kommt nun das von den aus der Geschichte der Menschheit zu einem Bildschirm in verkleinertem Wissenschaftlern entwickelte Navi zum uns sprechen. Maßstab zu überprüfen. Einsatz: Alle oben aufgeführten Details Dr. Karin Sekora Da die Ritualszenen etwa 90 Prozent lassen sich über ein Datenbanksystem des Bild- und Textumfanges eines Tem- kombiniert suchen. Das Ergebnis kann pels ausmachen, wundert es nicht, dass dann entweder als reine Textinformati- Die Datenbank der Ägyptologen der Uni- ihre vollständige Erschließung erst on weiterverarbeitet oder in ein Navi- versität Würzburg ist im Internet zu finden jetzt, im Zeitalter der elektronischen gationssystem übertragen werden. Mit unter: Verarbeitung von Daten möglich ist. Im dessen Hilfe wird man zunächst, begin- www.serat.aegyptologie.uni-wuerzburg.de/ BLICK 01 - 2009 forschung

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Sie kümmern sich ausschließlich um die Patienten in der Phase-I-Unit (v.l.): die Forschungsschwester Stefanie Schönfeld und die Ärzte Ralf Bargou, Mariele Goebeler und Dirk Hönemann. (Foto Margarete Pauli) Schneller als die Amerikaner Phase-I-Unit an der Medizinischen Klinik II ermöglicht Erfolg in der Krebsforschung

er neue Antikörper scheint sehr burger Unit für Krebspatienten die ers- her, sagt er, dauere dieser Prozess in Dvielversprechend. Erste Unter- te dieser Art in Deutschland. Deutschland viel zu lang oder gelinge suchungen haben ergeben, dass er in gar nicht. der Lage ist, bestimmte Formen von Hochspezialisierte Von der Grundlagenerkenntnis bis Blutkrebs ganz oder zumindest teil- klinische Einheiten zur Zulassung eines Medikaments weise zurückdrängen. Im vergangenen In diesen hochspezialisierten klinischen sind viele Stufen der Überprüfung Sommer hat die Zeitschrift Science die Einheiten werden Tumorpatienten, zwischengeschaltet. So wird der Wirk- Entdeckung der Würzburger Wis- für die es mit herkömmlichen Verfah- stoff zunächst im Reagenzglas und im senschaftler gar mit einer Publikation ren keine Heilungschancen mehr gibt, Tierversuch aufwändig getestet. Meist geadelt. Allerdings: Ohne die Phase-I- ausschließlich mit neuen Therapien in Zusammenarbeit mit der Pharma- Unit, die es seit September 2007 an der behandelt. Patienten bekommen also industrie, wie Bargou berichtet: „Die Würzburger Uniklinik gibt, wäre dieses in Phase-I-Units frühen Zugang zu universitäre Forschung allein kriegt das Potential nicht so schnell – vielleicht neuen Behandlungsverfahren. Für Ralf aufgrund der hohen regulatorischen auch gar nicht – aufgezeigt worden. Bargou sind diese aber auch grundle- Anforderungen und der hohen Kos- Professor Ralf Bargou leitet die Phase- gende Voraussetzung für eine effiziente ten nicht geregelt.“ Wenn dann klar I-Unit an der Medizinischen Klinik und und potente klinische Forschung. Diese ist, dass der Wirkstoff im Prinzip Poliklinik II. Die Idee dazu hat er aus Einheiten seien nötig, um „Fortschritte funktioniert, folgen die Studien am England und den USA mitgebracht. in der Grundlagenforschung schneller Menschen – gegliedert in die Phasen Und nach seiner Kenntnis ist die Würz- am Krankenbett umzusetzen.“ Bis- I bis III. In Phase-I-Studien soll vor BLICK 01 - 2009

allem erhoben werden, wie sicher das Üblicherweise werden die Patienten entwickelt haben“, sagt Ralf Bargou. Medikament ist, wie es sich im Pati- ein bis zwei Monate lang mit dem „Und jetzt waren wir mit den Phase-I- enten verhält, ob es Nebenwirkungen Antikörper behandelt, zunächst sta- Studien schneller als die Amerikaner.“ hat und was die optimale Dosierung tionär, später auch ambulant. Bei Pa- ist. Man sucht aber auch schon nach tienten mit bestimmten Formen von Klinische Forschung in Anhaltspunkten, ob es den Wirkme- Blutkrebs – den sogenannten Lym- Deutschland noch ein Stiefkind chanismus hat, der ihm zugeschrieben phomerkrankungen – hat sich der Tu- In aller Regel jedoch könne die kli- wird. mor dadurch teilweise oder sogar voll- nische Forschung in Deutschland ständig zurückgebildet. Bei manchen – strukturell bedingt – international Speziell ausgebildetes Team schon seit mehr als einem Jahr, ohne nicht mithalten. „Man kann diese For- betreut die Patienten dass es zu einem Rezidiv gekommen schung nicht mit dem Personal des Dazu zirkuliert in der Phase-I-Unit wäre. Das heißt, der Tumor geht bei Routinebetriebs stemmen, wie man ein ganzes Team von speziell ausge- Patienten zurück, die auf Chemothe- dies bisher hier versucht hat. Der kli- bildeten Ärzten und Krankenschwes- rapie nicht angesprochen haben. Und nisch tätige Mediziner hat viel zu wenig tern um den Patienten. In der Medizi- er geht längerfristig zurück. Deshalb Zeit für die Wissenschaft. Und Ärzte nischen Klinik zum Beispiel kümmern haben Bargou und sein Team „Hoff- und Schwestern müssen speziell aus- sich Dr. Mariele Goebeler und Dr. nung, dass es bei optimaler Dosierung gebildet sein.“ Erschwerend kommt Dirk Hönemann und die Forschungs- möglicherweise sogar langfristig zu ei- laut Ralf Bargou hierzulande hinzu, forschung schwestern Stefanie Schönfeld und ner Heilung kommen kann“. dass mit Forschungsgeldern oft noch Gerti Fragner ausschließlich um die die klinische Arbeit aufrechterhalten Studienteilnehmer: Sie nehmen den Erste zarte Hinweise auf werde, da die Kliniken chronisch un- Patienten mehrmals täglich Blut ab, Heilungschancen terfinanziert seien. um zu sehen, wie sich das Medikament „Erste zarte Hinweise“ dafür haben Nachdem die ersten Studien an der Me- im Körper entwickelt – und auch, um die Würzburger Mediziner in einigen dizinischen Klinik II sehr erfolgreich zu erkennen, wenn lebenswichtige Fällen mit akuter lymphatischer Leuk- verlaufen sind, sollen 2009 weitere Organe wie zum Beispiel Leber oder ämie gefunden. Bei diesen Patienten Phase-I-Studien hinzukommen. Bis- Nieren geschädigt würden. Mehrfach ist es auch auf der molekularen Ebene lang werden sie durch die Universität am Tag wird der Blutdruck gemessen. zu einer Remission gekommen, es ist und durch Spenden des Vereins „Hilfe 55 Man sieht nach, ob die Patienten Fieber somit die Wahrscheinlichkeit erhöht, im Kampf gegen Krebs“ unterstützt. entwickeln, kontrolliert – um neurolo- dass die Patienten auch langfristig in Mittelfristig soll sich die Unit aber zum gische Störungen auszuschließen – ob Remission bleiben. Dies muss aber größten Teil selbst tragen – durch das sie weiterhin wach und orientiert sind. erst noch durch größere Folgestudien Geld, das die Pharma-Industrie für die Um Herzrhythmusstörungen zu erfas- betätigt werden. „Das Tolle ist, dass Durchführung der Studien entrichtet. sen, wird der Herzschlag über einen wir den Wirkstoff hier im Labor mit- Margarete Pauli Monitor aufgezeichnet. Nicht zuletzt werden Patienten ausgiebig befragt: Haben Sie Muskelkrämpfe? Übelkeit? Dies alles wird dann engmaschig auf- Der neue Antikörper setzt die T-Zellen auf den Krebs an gezeichnet und dokumentiert. Die T-Zellen sind wahrscheinlich sprunghaft vermehren. Tumore gehen ganz oder die potentesten Killer des Im- In der Folge zeigt sich beim Pati- teilweise zurück munsystems, gewissermaßen die enten schon innerhalb weniger Der neue Antikörper mit dem sper- „007-Agenten mit der Lizenz zum Stunden nach der Infusion eine rigen Namen Blinatumomab (siehe ne- Töten“. Ein normaler Antikörper Immunreaktion: Die T-Zellen- benstehenden Kasten) wird intravenös jedoch kann diese Killerzellen Aktivierungsparameter im Blut verabreicht. In aller Regel reagiert das nicht aktivieren. Ganz anders der sind hochgefahren. Der Patient Immunsystem darauf wie bei einem gentechnisch veränderte Antikör- bekommt – ähnlich wie bei einem Infekt – mit Fieber, Schüttelfrost, per Blinatumomab (MT 103), den Infekt – Fieber, Schüttelfrost, manchmal auch Schmerz. Bei einigen Professor Ralf Bargou und sein manchmal auch Schmerzen. Und wenigen Patienten kommen aber auch Team an der Würzburger Uniklinik bislang hat sich in den höheren Sprach- und Koordinationsstörungen, entwickelt und in ersten Phase-I- Dosierungen gezeigt, dass die manchmal auch Krämpfe hinzu – Ne- Studien getestet haben. Diesem Mehrzahl der Patienten angespro- benwirkungen des zentralen Nerven- gelingt es nicht nur, die T-Zellen chen hat. Margarete Pauli systems, die die Wissenschaftler noch des Körpers zu aktivieren und nicht komplett verstehen. „Das Gute an die Tumorzellen zu koppeln, Ralf Bargou u.a.: Tumor Regression ist aber“, sagt Bargou, „dass diese Ne- so dass diese die Krebszellen in Cancer Patients by Very Low Dos- benwirkungen nur bei einem kleinen abtöten können. Es hat sich auch es of a T Cell-Engaging Antibody. In: Teil der Patienten auftreten. Und bis- gezeigt, dass sich mit dem neuen SCIENCE, Vol.321, Seite 974-977, her haben sie sich bei allen vollständig Antikörper die aktivierten T-Zellen 15. August 2008. zurückgebildet.“ BLICK 01 - 2009 campus

ForscherReporter im Einsatz (v.l.): Nikolai Scheuring, Julian Rost, Axel Hoffmann, Lukas Englert, Pia Winter, Theresa Masuch und Robin Wittler. (Foto Astrid Jahnke) 56 Geschüttelt und gerührt Am Rudolf-Virchow-Zentrum können Schüler selbständig experimentieren und im Anschluss daran wie Reporter Wissenschaftlern bei der Arbeit zuschauen und sie interviewen. Ihre Be- richte veröffentlichen die „ForscherReporter“ in ihren Schülerzeitungen und auf einer eigenen Homepage.

chwipp, schwapp, schwipp, jeden Monat kommen dort auf diese Sandwich wird das Gel mit der Mem­ Sschwapp: Die Milchpulverlösung Weise vier bis acht Schüler der Stufe 11 bran zwischen mehrere Lagen Papier schaukelt wenig spektakulär hin und bis 13 auf Tuchfühlung mit der Wis- gepackt.“ her und steht doch im Zentrum des senschaft. „Das Projekt soll das Berufsfeld Wis- Interesses von sechs Schülern, die ge- senschaft zeigen. Die Schüler können rade Jagd auf Laborgeräusche machen. Erste Einblicke in das Wissenschaft aus der Perspektive des Theresa Masuch hält ein Mikrofon an Berufsfeld Wissenschaft Forschers und des Wissenschaftsjour- die Brühe im Plastikgefäß: „Achtung, Dieses Mal ist Axel Hoffmann aus der nalisten erleben“, sagt Sonja Jülich. Ruhe, jetzt kommt das Gluckern!“ Arbeitsgruppe von Dr. Antje Gohla der „Viele Schüler reizt vor allem das Ex- Die sechs 17- bis18-jährigen Schüler interviewte Experte. Die sechs Schüler perimentieren im Labor. Die Reporta- nehmen am Programm „ForscherRe- aus der 12. Klasse des Riemenschnei- ge finden sie im Nachhinein aber auch porter“ des Rudolf-Virchow-Zentrums der-Gymnasiums scharen sich um den spannend, weil sie den Wissenschaftler teil. Nachdem sie drei Nachmittage sel- Biologen. Der präpariert gerade ein ganz für sich allein haben und ihn mit ber im Labor Versuche durchgeführt Proteingel, womit er Proteingemische ihren Fragen löchern können.“ Dabei haben, interviewen die Schüler nun ei- auftrennt. Theresa Masuch versucht sei es vor allem schwierig den roten nen Wissenschaftler. Das Ziel: Daraus als Radiosprecherin das Geschehen zu Faden zu behalten. Zur Vorbereitung einen Radiobeitrag anfertigen und als beschreiben: „Man nimmt drei Lagen sprechen die Schüler das Thema ihrer Podcast ins Internet stellen. Betreut Papier, dann die Membran, dann wie- Radioreportage einen Nachmittag lang werden sie dabei von Sonja Jülich, der der Papier – Mist, jetzt habe ich das Gel mit dem Forscher durch. Am Tag der Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit am vergessen.“ Sonja Jülich hilft: „Wolltet Aufnahme entwickelt Sonja Jülich mit Rudolf-Virchow-Zentrum, dem Würz- ihr das nicht mit einem Sandwich ver- den Schülern eine Geschichte, anhand burger DFG-Forschungszentrum. Fast gleichen?“ – „Ach ja, also: Wie in einem der die Reportage gegliedert wird. Die BLICK 01 - 2009

33-Jährige ernennt außerdem immer selbstständig machen dürfen.“ nen: „Hast du ein Auge auf den roten einen der Schüler zum Regisseur, der Sonja Jülich spricht für das Projekt Faden, Regisseur Lukas?“ „Ja, ja“, tönt den Überblick behalten soll. Außerdem gezielt Lehrer an, so erreiche man die es von Lukas Englert, der sich umge- gibt es drei Reporter, einen Tonmeister Schüler am besten. Es gilt: Wer sich zu- hend von der Laborbank erhebt. und einen Cutter, der nachher die Sätze erst meldet, kommt auch zuerst dran. „Es ist immer wieder viel Arbeit, macht zusammenschneidet. Lange zögern sollten Interessenten mir aber viel Spaß“, meint Sonja Jülich. Reporterin Pia Winter mustert prü- nicht, denn wenn Forscherreporter die „Die Gruppen können jetzt natürlich fend das helle, aber mit Chemikalien, Lehrer im September anspricht, ist bis von den Fehlern früherer Gruppen Laborgeräten und Maschinen ziemlich April alles schnell voll. „Das Projekt lernen. Die sechs haben zum Beispiel vollgestellte Labor. Selbst in den Kühl- ist mit sechs Nachmittagen zeitlich für gleich gemerkt, dass man nicht zu viel schränken sorgen seltsame Appara- die Schüler recht aufwändig. Deshalb Text auf einmal bringen kann, sondern turen dafür, dass die Flüssigkeiten nie kommen auch wirklich nur die, die besser alles in kurze Häppchen packt.“ zur Ruhe kommen. Das erinnert sie an sehr interessiert und dann auch hoch Die Eigenschaften einer Radioreporta- einen Rat von Sonja Jülich: „Sollten wir motiviert bei der Sache sind“, berichtet ge erarbeiten die Schüler selber anhand nicht auch noch das Labor beschrei- Sonja Jülich. einer Modell-Reportage über ein Kon- ben?“ Theresa knüpft an: „Ich könnte Die Biologin und Wissenschaftsjour- zert von Tokio Hotel. „So vermeide ich mit ‚Es surrt’ einleiten, oder doch: ‚Von nalistin arbeitet schon drei Jahre am trockene Theorie über Journalismus“, überall her kommt ein Surren’?“ Ton- Public Science Center des Rudolf- sagt Sonja Jülich. campus techniker Robin Wittler wirft ein: „Das Virchow-Zentrums, mit dem Auftrag, klingt doch hier wie ein Kühlschrank.“ den Dialog zwischen Wissenschaft und Zu viele Blubberblasen Reporter Nikolai Scheuring: „Wenn Gesellschaft zu verbessern. Sie entwi- im Proteingel euer Kühlschrank so klingt, hat der ckelt die Themen für die Schülerpro- Den naturwissenschaftlichen Hinter- was.“ jekte zusammen mit den Forschern des grund erlernen die Schüler an den drei Zentrums. Die zwölf Arbeitsgruppen Nachmittagen im Labor. „Proteine sind Den Dialog zwischen Wissenschaft des Zentrums wechseln sich dabei ab. selbst in der Oberstufe nicht das große und Gesellschaft verbessern Das Thema ergibt sich aus der aktu- Thema“, meint Sonja Jülich. Die Schü- Die nachfolgende Diskussion gibt Ex- ellen Forschung. Bei Antje Gohla dreht ler arbeiten mit hochaktuellen Metho- perte Axel Hoffmann Zeit zur Ent- sich eben alles um Proteine. den, wie sie zurzeit im Labor wirklich 57 spannung. Der Biologe, 32, ist mit Verwendung finden. Eigentlich klappt seiner Promotion am Rudolf-Virchow- der Versuchsteil immer gut, aber: „Wir Zentrum fast fertig. Er und der Rest hatten irgendwie zu viele Blubberbla- der Arbeitsgruppe beschäftigen sich „Das ‚Äh‘ kann sen im Proteingel, deshalb war es brü- mit einer neuen Familie von Enzymen; chig“, erzählt Theresa. Die Laborarbeit das Team erforscht, wie diese genau ich dann hat besonders die Jungs begeistert. Ni- funktionieren. Er findet es sehr interes- kolai ist sich schon jetzt sicher „Journa- sant zu sehen, wie so ein Radiobeitrag schon lismus hat mir auf jeden Fall zu viel mit entsteht und erklärt den Schülern mit Deutsch zu tun.“ Er kann sich zurzeit großer Geduld auch zum dritten Mal, eher vorstellen, Chemie zu studieren. wie die Antikörper funktionieren. noch raus- Sein Kollege Julian Rost, der Cutter, Schon kommen die Schüler wieder auf fährt eher auf Physik ab. ihn zu. Theresa fragt: „Wie heißt über- schneiden.“ Zumindest Theresa Masuch hat durch haupt dieses Gerät da?“ Axel grinst viel das Projekt ihre Begeisterung für Ra- versprechend und sagt: „Das nennt dioreportagen entdeckt. Immer noch man Taumelschüttler.“ Theresa fragt Deren Auftrennung versucht Nikolai bemüht sie sich eifrig, das Proteingel etwas ratlos: „Wie beschreiben wir jetzt für die Hörer des Podcasts zu beschrei- zu beschreiben: „Also es ist eine Platte, den Taumelschüttler für die Hörer?“ ben: „Bei diesem Verfahren werden die eher unspektakulär, etwa armlang – das Pia versucht es: „Das sieht doch aus Proteine nach äh, Masse, äh, äh – ach ist irgendwie nicht so anschaulich…“ wie die Rollen am Transportband einer Mist, ein so kleiner, blöder Satz, das Axel Hoffman erlöst sie: „Jetzt müssen Supermarktkasse.“ Die beiden Mädels kann doch nicht so schwer sein.“ Ton- wir sowieso erst einmal in die Dunkel- sind im gleichen Biologie-Leistungs- meister Robin beruhigt ihn: „Das „äh“ kammer.“ Robin „Dazu würde doch kurs. Theresa: „Wir wurden von einem kann ich dann schon noch raus schnei- gut das Knarren der Tür passen – gib Lehrer angesprochen, und jetzt macht den.“ Nikolai berichtet: „Es ist echt mir mal das Mikro…“ es wirklich Spaß – vor allem die Repor- schwer, du denkst es ist so einfach, aber Astrid Jahnke tage.“ Beide sind froh, sich zur Teilnah- wenn du dann vor dem Mikro stehst me entschlossen zu haben, obwohl sie, und alle hören dir zu, kommt man ins Die Forscherreporter am Rudolf-Virchow- wie Pia zugibt, mit manchen der Jungs Stocken!“ Robin: „Warum liegen die Zentrum gibt es seit September 2006. In- aus dem Chemie-LK sonst eher wenig Proteine eigentlich auf Eis?“ Theresa: teressenten können sich per E-Mail (sonja. zu tun haben. Pia sagt: „Vorher wusste „Vielleicht, damit sie sich wohlfühlen?“ [email protected]) oder tele- ich gar nicht, was auf mich zukommt. und lacht. Da meldet sich Sonja und lei- fonisch (0931) 201 48714 informieren und Ich finde es jetzt gut, das wir sehr viel tet die Kreativität in konstruktive Bah- anmelden. BLICK 01 - 2009 campus

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Inmitten der Fülle tropischen Wachstums: Sabine Hohmann und Gerd Vogg vom Botanischen Garten schauen den Blattschneider­ ameisen bei der Fütterung ihres Pilzes zu. (Foto Margarete Pauli) Wandeln durch den Regenwald Neu sanierte Schaugewächshäuser im Botanischen Garten mit neuem Konzept

ie Betoneinfassungen an den Nach einer gut dreijährigen Umbau- Tropenhaus aus der Zoologie der Uni- DBeeten sind Vergangenheit. Im phase sind die neu sanierten Schauge- versität Würzburg ein Volk von Blatt- neu gestalteten Tropen-Schauhaus im wächshäuser vor Kurzem offiziell ein- schneiderameisen angesiedelt worden. Botanischen Garten wandelt der Be- geweiht worden. In einem transparenten Röhrensystem sucher nun auf Holzstegen durch den untergebracht, kann der Besucher den tropischen Regenwald. Unmittelbar Pflanzen im naturnahen Tieren dabei zuschauen, wie sie Blätter vorbei an den verschiedensten Palmen- Lebensraum zerkleinern und diese dann an einen arten, meterhohen Bambuspflanzen, Im Zuge der Sanierung wurde auch die Pilz verfüttern, mit dem sie in Sym­ Bananenstauden und auch an einem Innengestaltung verändert. Statt des biose leben. Seerosenteich. Ein Bachlauf plätschert. bisherigen Konzepts einer Pflanzen- So ist der Gang durch die Schauge- Und – als hätte man sich den Weg frei sammlung will man nun die Pflanzen wächshäuser auch eine Reise durch die schlagen müssen – ragt ein Baum- in einem möglichst naturnahen Le- tropischen Klimazonen Asiens, Afrikas stamm in den Pfad. „Da merkt der bensraum zeigen, erklären Professor und Südamerikas. Sie beginnt mit den Besucher gleich: Hier muss ich mit of- Markus Riederer, der Direktor, und Dr. immerfeuchten Tieflandregenwäldern, fenen Augen durchgehen“, sagt Sabine Gerd Vogg, der wissenschaftliche Kus- die Einblick in die Fülle des tropischen Hohmann, die technische Leiterin des tos des Botanischen Gartens. Und weil Wachstums geben. Hier strebt alles nach Gartens. dazu auch Tiere gehören, ist jüngst im oben, ans Licht. Die Aufsitzerpflanzen BLICK 01 - 2009

zum Beispiel, die – ohne Schmarotzer länger werdende Blätter aus. Im Schau- lich ein Kraftakt für die Kollegen“, sagt zu sein – sich im Kronenbereich hoher haus mit den tropischen Nutzpflanzen Sabine Hohmann voller Anerkennung. Bäume niederlassen. Mit trichterförmig kommt der Besucher unter anderem an Anlass für die Umgestaltung waren die angeordneten Blättern fangen sie Re- einer Terrasse mit Reispflanzen vor- umfassenden Sanierungsarbeiten, die gen und Tau auf, beim Geweihfarn bil- bei, kann Kaffee- und Teepflanzen in an den Gebäuden aus den 60er-Jahren den absterbende Blätter eine Art Blu- Augenschein nehmen. Und er erfährt, dringend nötig geworden waren. So- mentopf, der von oben herab fallende dass die Vanille-Schote die Frucht einer wohl aus Sicherheitsgründen – in der Nährstoffe sammelt. kletternden Orchidee ist. Außenhaut des Tropenhauses waren Im immer feuchten und kühlen Berg- Für diese Umgestaltung haben die Löcher entstanden, und Glasplatten nebelwald gedeiht der Farnwald mit Mitarbeiter des Botanischen Gartens drohten abzurutschen – als auch, um seinen meterhohen Baumfarnen. Der tonnenweise Substrat ausgetauscht, Energiekosten zu sparen. Entspre- Schatz des Sukkulentenhauses ist die sie haben die Holzstege gebaut und chend wurden die Häuser im Zuge der „Welwitschia mirabilis“. In der Namib- die Kieswege angelegt. Zudem muss- Sanierung mit Isolierglas neu einge- Wüste heimisch, wächst die Pflanze te ein Großteil der Pflanzen während deckt, eine bessere Luftbefeuchtungs- über Jahrhunderte und treibt dabei der Bauphase in anderen Häusern zwi- anlage wurde eingebaut und eine neue ihr ganzes Leben lang nur zwei immer schengelagert werden. „Das war wirk- Heizung. Margarete Pauli campus

Ansturm auf die Uni-Messe

Deutschlandweit gehen immer weniger Studierende wäh- „Dieses Interesse ist überwältigend“, freute sich Irma de rend ihres Studiums für einige Monate ins Ausland. Man- Melo vom bayerischen Hochschulzentrum für Lateinameri- gelndes Interesse an anderen Ländern? Davon jedenfalls ka. Einen solchen Ansturm habe sie bisher noch auf keiner war bei der Internationalen Hochschulmesse an der Uni Messe erlebt. 59 Würzburg nichts zu merken. Wenn Hochschulabsolventen Begeisterung auch am Stand des deutsch-französischen über Erfahrungen jenseits der eigenen Landesgrenzen ver- Partnerschaftsreferats des Bezirks Unterfranken: „Die In- fügen, dann ist das ternationale Hoch- für die meisten schulmesse ist eine Unternehmen ein Superplattform, um wichtiges Einstel- für Aufenthalte in lungskriterium. Frankreich zu wer- Um für ein Studi- ben“, meint Alice um oder Prakti- Heller. Gut besucht kum im Ausland waren auch die län- zu werben, fand derbezogenen Vor- daher am 26. No- träge über Auslands­ vember erstmals aufenthalte, die eine Internationale parallel zur Messe Hochschulmes- angeboten wurden. se am Hubland So waren die Veran- statt. Entgegen stalter, die Studie- dem Bundestrend rendenvertretung zeigten die Würz- und das Akade- burger Studieren- mische Auslands­ den ein lebendiges amt, am Ende sehr Interesse an die- zufrieden mit der sem Angebot ihrer Leonhard Mühling vom Akademischen Auslandsamt berät auf der Internationalen ersten Auflage der Hochschule. Die Hochschulmesse zwei Studentinnen. (Foto Sabine Voß) Inter nationalen Messe lockte zu Messe, zu der rund Tausenden nicht nur Studierende der Universität ins Men- 4000 Besucher gekommen waren. Nur die Türen zum Men- sagebäude am Hubland, sondern auch Schüler aus ganz sagebäude wollen sie zukünftig besser geschlossen halten Unterfranken und Studierende von benachbarten Hoch- – denn die Aussteller aus Italien und Brasilien hatten nach schulen. Die Besucher kamen sogar aus Bamberg und Heil- der Messe nur noch einen Wunsch: schnell ins Warme zu bronn angereist. kommen. BLICK 01 - 2009

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Süße Küsse für heiße Bienen In Bie- unterzuckert und derart erschöpft, dass sie nenvölkern sorgen spezielle Tankwarte dafür, den Weg zum Honiglager nicht mehr schaf- 09/08 dass ihre besonders hart arbeitenden Kolle- fen. Weshalb sie trotzdem nicht verhungern, ginnen immer gut mit Energie in Form von hat die Würzburger Zoologin Rebecca Basile Honig versorgt werden. Diese neue „Berufs- von der BEEgroup des Biozentrums heraus- gruppe“ der Bienen haben Forscher vom Bio­ gefunden: Spezielle Tankstellenbienen pen- zentrum der Universität Würzburg entdeckt. deln zwischen den Honigvorräten und den Damit sich Honigbienen in ihrem Brutnest Brutregionen hin und her. Treffen sie auf er- optimal entwickeln können, muss dort im- schöpfte Heizerbienen, geben sie ihnen einen mer eine bestimmte Temperatur herrschen. süßen Kuss: Von Mund zu Mund übertragen Spezielle Heizerbienen sorgen dafür, dass es sie den energiereichen Honig, woraufhin die dem Nachwuchs nicht zu kalt wird: Sie lassen Heizerbienen ihrer Aufgabe sofort wieder campus ihre Flugmuskulatur surren und erzeugen da- nachkommen können. Nach mehreren Füt- mit genug Wärme, um die Kinderstube warm terungen kehren die Tankstellenbienen zum zu halten. Als Energiequelle dient ihnen Ho- Lager zurück, nehmen dort neuen Honig auf nig. Allerdings sind hoch aktive Heizerbie- und beginnen erneut ihren Rundlauf über nen nach maximal 30 Minuten Heizleistung das Brutnest.

Würzburg bekommt Zentrum für Na- bestehenden Möglichkeiten zwar, aber nicht 60 notechnologie Der Bund hat seine Un- für alle. Neue Impulse sind beispielsweise terstützung für den Aufbau eines Zentrums auf dem Gebiet der Sensorik zu erwarten, für Nanotechnologie in Würzburg zugesagt. etwa bei Messinstrumenten für den Umwelt- Die neue Forschungseinrichtung soll auf bereich oder bei Steuerungselementen für dem Uni-Campus am Hubland entstehen Fahrzeuge oder der Medizintechnik – falls und rund 100 Arbeitsplätze für Wissen- es gelingt, den Aufbau der Nanostrukturen schaftler, Techniker und Verwaltungskräfte bis auf die atomare Ebene zu kontrollieren. bieten. Getragen wird es von der Universi- Darum werden sich die Wissenschaftler im tät Würzburg sowie den Forschungszentren neuen Zentrum mit der ultrapräzise kont- Karlsruhe und Jülich. Die Nanotechnologie rollierten Herstellung von Nanostrukturen befasst sich mit der Herstellung winzigster beschäftigen. Die beteiligten Forschungs- Strukturen für elektronische und photo- zentren bringen in den Verbund unter an- nische Bauelemente. Bei der Produktion derem ihre Großgeräte ein, an denen dann solcher Strukturen lässt sich deren Größe, auch Würzburger Wissenschaftler arbeiten Position und Materialzusammensetzung werden. Durch diese Kooperation soll in heutzutage noch nicht wirklich gut kontrol- Würzburg ein international sichtbares For- lieren. Für einige Anwendungen reichen die schungszentrum entstehen.

Neues Zentrum für Psychologie- mentensammlungen und Nachlässe, Bücher Geschichte Die Uni Würzburg bekommt und Zeitschriften sowie das Film- und Foto- ein Zentrum für Psychologie-Geschichte. archiv von Passau nach Würzburg zu trans- Im Frühjahr 2009 soll die Eröffnung sein. ferieren. Die Sammlung dokumentiert ins- Den Grundstock des Zentrums bildet eine besondere die Entwicklung der Psychologie der weltweit größten Sammlungen zur Ge- seit Mitte des 19. Jahrhunderts, die nun ihre schichte der Psychologie, die seit 1981 an der Erkenntnisse vorrangig durch naturwissen- Uni Passau zusammengetragen wurde und schaftliche Methoden wie Beobachtung und nun – im Zuge der Zielvereinbarungen zwi- Experiment zu gewinnen suchte. So wurde schen dem Freistaat und den Universitäten fortan mit so ausgefeilten wie dekorativen – nach Würzburg umzieht. Voraussichtlich Apparaten beispielsweise die Geschwindig- elf Lastwagen samt Anhängern werden ge- keit gemessen, mit der Reize im Nervensys- braucht, um die rund 6500 Objekte, Doku- tem verarbeitet werden. BLICK 01 - 2009 newsletter

Spitzenpreis für Martin Lohse Der koppelte Rezeptoren und deren Regulation Biomediziner Martin Lohse von der Uni untersuchen. Diese Rezeptoren leiten die Würzburg gehört zu den zehn deutschen Signale von Hormonen und anderen che- 10/08 Spitzenforschern, die vom Europäischen mischen Botenstoffen ins Innere der Zellen Forschungsrat jeweils 2,5 Millionen Euro weiter. Sie sind an vielen lebensnotwen- bekommen. Mit dem Geld will Lohse neue digen Prozessen beteiligt und darum auch Analysemethoden erarbeiten, die für die wichtige Angriffspunkte für Arzneimittel. Entwicklung von Arzneimitteln bedeutsam Die Signale, die einzelne Rezeptoren in die sind. Dabei war die Konkurrenz hart: 766 Zellen hinein abgeben, lassen sich bislang Lebenswissenschaftler hatten sich um das nicht messen. Dafür sind die verfügbaren Fördergeld beworben. Europaweit waren am Analysemethoden viel zu unempfindlich. Ende 78 davon erfolgreich, darunter zehn Lohses Arbeitsgruppe will das ändern mit campus Deutsche. Den Wettbewerb für Spitzenfor- neuen Sensor-Molekülen und innovativen scher um die ERC Advanced Grants hatte der Mikroskopie-Verfahren. „Die neuen Tech- Europäische Forschungsrat erstmals durch- niken werden für die Grundlagenforschung geführt. Mit den 2,5 Millionen Euro will und für die Entwicklung neuer Arzneimittel Lohses Team so genannte G-Protein-ge- wichtig sein“, sagt der Professor.

Nobelpreis für Ex-Würzburger Erst erstmals nach, dass in bestimmten Krebs- im Mai dieses Jahres haben die Mediziner geschwulsten des Menschen das Erbgut des 61 der Uni Würzburg den Heidelberger Krebs- Epstein-Barr-Virus vorkommt. Den Zusam- forscher Harald zur Hausen mit der Ehren- menhang zwischen DNA-Viren und Krebs doktorwürde ausgezeichnet. Im Oktober erforschte Harald zur Hausen auch weiter- dann gab das Karolinska-Institut in Stock- hin. So entdeckte er im Jahr 1983 die Viren, holm bekannt, dass der 72-Jährige den No- die beim Menschen Gebärmutterhalskrebs belpreis für Medizin bekommt. Drei Jahre auslösen, die so genannten Humanen Papil- lang hat Harald zur Hausen auch in Würz- loma-Viren. Dafür bekam er nun den No- burg geforscht – somit kann die Universi- belpreis verliehen. Seine Entdeckung und tät nun dem 14. Nobelpreisträger aus ihren die darauf aufbauenden Forschungen hatten Reihen gratulieren. Harald zur Hausen hatte noch weitere Folgen: Ein Impfstoff wurde von 1969 bis 1972 am Institut für Virologie entwickelt, und seit 2007 übernehmen die der Universität Würzburg geforscht. Dann gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland wechselte er an die Uni Erlangen. In seiner die Impfkosten für Mädchen im Alter von Würzburger Zeit wies Harald zur Hausen 12 bis 17 Jahren.

Neue Paten für ein Waisenkind der Geldes stammt dabei aus Unterfranken: Die Medizin Die Krankheit „Neuronale Ceroid Klingenberger R + W-Stiftung, hinter der Lipofuszinose“ NCL befällt oft schon Kin- ein erfolgreicher Kupplungshersteller steht, der und verläuft nach langem Leidensweg finanziert das erste Jahr Forschungsarbeit. immer tödlich. Die Suche nach einer The- Die Würzburger Forscher haben bei an- rapie gestaltet sich schwierig und war bisher deren genetisch-bedingten Nervenerkran- ergebnislos. Würzburger Forscher hoffen kungen an Labormäusen festgestellt, dass nun, einen neuen Ansatz für eine wirkungs- Immunzellen eine offenbar wichtige Rolle volle Behandlung finden zu können. Dabei im Krankheitsverlauf spielen. Die Hoff- unterstützt sie die NCL-Stiftung mit 36.000 nung ist, dass sich aus dieser Entdeckung Euro. An der Neurologischen Klinik im ein Therapieansatz etablieren lässt: Wenn Labor von Professor Rudolf Martini wird man diese Zellen in ihrer Aktivität hemmt der Diplom-Biologe Janos Groh im Rah- oder moduliert, könnte das möglicherweise men seiner Doktorarbeit aufzuklären ver- dazu führen, dass die Krankheit weniger suchen, welche Rolle Immunzellen in dem schlimm verläuft oder im besten Fall sogar Krankheitsgeschehen spielen. Ein Teil des gestoppt wird. BLICK 01 - 2009

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Gefährliche Spucke Viele Raupenarten – ein so genanntes Surfactant. Viele Insek- verteidigen sich gegen Angreifer, indem sie ten, wie beispielsweise Ameisen, haben eine 11/08 diese mit einem besonderen Sekret bespu- stark wasserabweisende Außenhaut. Diese zu cken. Wie Würzburger Biologen jetzt zeigen benetzen ist demnach fast unmöglich. Die konnten, enthält der Tropfen Spucke aller- Spucke würde im Normalfall einfach abper- dings nicht immer ein abschreckendes Gift. len. Surfactants sind jedoch in der Lage, die Die bislang herrschende Lehrmeinung erklärt Oberflächenspannung des Wassers soweit die abschreckende Wirkung der Spucketrop- zu verringern, dass sich die Spucke über fen damit, dass die Raupen mit ihrer Mahlzeit die Ameisenoberfläche verteilen kann. Mit bestimmte Inhaltsstoffe aus der Futterpflan- durchschlagendem Erfolg: Benetzte Ameisen ze aufnehmen, die im Oralsekret wie ein Gift unterbrechen sofort ihren Angriff und fan- wirken. Das ist allerdings nur ein Aspekt der gen an sich minutenlang zu putzen. Rostás campus Verteidigungsstrategie. Dr. Michael Rostás, vermutet, dass die Raupenspucke die emp- Biologe und wissenschaftlicher Assistent am findlichen Sinneshärchen der Ameisen beein- Lehrstuhl für Botanik II konnte nachweisen, trächtigt, was für das betroffene Tier ziemlich dass es sich bei dem Oralsekret um eine Flüs- unangenehm sein muss. In der Zwischenzeit sigkeit handelt, die stark oberflächenaktiv ist können die Raupen problemlos fliehen.

62 Ameisen durchsichtig gemacht In- be, dann ergibt das „einen komplett reinen sektenforscher und Biologie-Studierende Insektenpanzer, einen dreidimensionalen können den Körperbau von Ameisen, Kä- Bauplan des Tieres“, wie Stüben schwärmt. fern & Co. jetzt noch besser untersuchen. Vergleichbar sei das mit einer transparenten Denn die meist dunkel gefärbten Panzer Ritterrüstung ohne Ritter drin. Marcus Stü- dieser Krabbeltiere lassen sich transparent ben hat noch eine andere Neuerung einge- machen. Wissenschaftler vom Biozentrum führt. Zum Entspannen der toten Insekten der Uni Würzburg haben die neue Methode verwenden Biologen unter anderem das so erarbeitet: „Wir bleichen unsere Ameisen mit genannte Barbers-Reagenz. Dieses aber ent- Wasserstoffperoxid. Wenn die dunkle Pig- hält neben zwei weiteren Komponenten das mentierung des Außenskeletts verschwunden krebserregende Benzol. Stüben hat herausge- ist, können wir die inneren Gewebe sehen, funden, dass sich das Benzol ersetzen lässt: ohne den Körper sezieren zu müssen“, sagt durch das nicht krebserregende Aceton. Das der Biologe Marcus Stüben, der das Verfah- Reagenz verliert dadurch nicht an Effektivi- ren entwickelt hat. Folgt auf das Bleichen tät, aber der Umgang mit ihm wird deutlich noch eine Auflösung der inneren Gewe- sicherer.

Geld für neue Professur Die Würz- ten – so wie man einen Spürhund auf eine burger Elterninitiative leukämie- und tu- Fährte ansetzt. Dann bekommen die Pati- morkranker Kinder finanziert der Univer- enten die Immunzellen wieder verabreicht, sität Würzburg eine Professur. Diese wird damit diese den Tumor zielgenau erkennen an der Kinderklinik eingerichtet und soll und abtöten. Räumlich wird die neue Pro- Fortschritte bei der Behandlung krebskran- fessur im Würzburger Stammzell-Trans- ker Kinder und Erwachsener bringen. Es plantationszentrum angesiedelt. „Dort sind innovative zelluläre Therapieformen, passt dieses Arbeitsgebiet sehr gut hinein“, die der künftige Inhaber oder die Inhaberin sagt Professor Christian P. Speer, Direktor der Professur entwickeln soll. Welche Idee der Kinderklinik. Sein Haus arbeitet in dem dahinter steckt? Man möchte den Patienten Zentrum eng mit dem Team des Krebsex- Immunzellen entnehmen und sie im Labor perten Professor Hermann Einsele (Medizi- auf spezielle Merkmale des Tumors abrich- nische Klinik II) zusammen. BLICK 01 - 2009

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Dr. Björn Alpermann, Universität zu Köln, wurde mit Wirkung Dr. Matthias Erhardt, Studienrat am Gymnasium Marktbreit, bis vom 01.10.2008 zum Juniorprofessor für Contemporary Chinese 31.08.2008 abgeordneter Lehrer am Lehrstuhl für Schulpädagogik, Studies an der Universität Würzburg ernannt. wurde mit Wirkung vom 01.09.2008 an die Universität Würzburg versetzt. Prof. Dr. Michael Anderheiden wird – für die Dauer der Abordnung von Prof. Dr. Horst Dreier an die Uni Erfurt – vom Prof. Dr. Manfred Gessler, Theodor-Boveri-Institut für Bio- 01.10.2008 bis 30.09.2009 übergangsweise auf der Planstelle eines wissenschaften, ist mit Wirkung vom 30.10.2008 zum Universitäts- Universitätsprofessors der Besoldungsgruppe W 3 für Rechtsphilo- professor für Entwicklungsbiochemie an der Universität Würzburg sophie, Staats- und Verwaltungsrecht beschäftigt. Professor Dreier ernannt worden. arbeitet derzeit in Erfurt als Fellow am Max-Weber-Kolleg. Prof. Dr. Margareta Götz, Inhaberin des Lehrstuhls für Grund- Prof. Dr. Thomas Baier, Universität Bamberg, wurde mit Wir- schulpädagogik und -didaktik, wurde Ende September 2008 zur kung vom 01.10.2008 unter Berufung in das Beamtenverhältnis Vorsitzenden der Kommission „Grundschulforschung und Pädago- auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor für Klassische Philologie gik der Primarstufe“ in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungs- campus – Schwerpunkt Latein am Institut für Klassische Philologie der wissenschaft gewählt. Universität Würzburg ernannt. Prof. Dr. Manfred Golitschek, Institut für Mathematik, trat mit Prof. Dr. Hildburg Beier, Theodor-Boveri-Institut für Biowis- Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. senschaften, trat mit Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. Prof. Dr. Horst Gundlach, Institut für Geschichte der Dr. Rüdiger Bertermann, Akademischer Rat, Institut für Anor- Psychologie der Universität Passau, wurde mit Wirkung vom ganische Chemie, wurde mit Wirkung vom 15.11.2008 zum Akade- 01.Oktober 2008 an die Universität Würzburg versetzt und dem mischen Oberrat ernannt. Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie zugeord- net. Weiterhin wurde er für den Zeitraum vom 01.Oktober 2008 63 Dr. Roland Borgards, Institut für deutsche Philologie, wurde bis 31.März 2009 im vollen Umfang an die Universität Passau mit Wirkung vom 01.10.2008 zum Universitätsprofessor für Neuere rückabgeordnet. deutsche Literaturgeschichte an der Universität Würzburg ernannt. Prof. Dr. Werner Hanke, Institut für Theoretische Physik und Prof. Dr. Dorit Bosse, Gymnasialpädagogik, wurde mit Wirkung Astrophysik, trat mit Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. vom 01.10.2008 zur Universitätsprofessorin an der Universität Er bleibt aber bis 31.07.2011 als Beschäftigter im wissenschaftlichen ernannt. Dienst weiter an der Uni.

Prof. Dr. Ludwig Braun, Institut für klassische Philologie, trat Prof. Dr. Manfred Heckmann, Universität Leipzig, wurde mit mit Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. Wirkung vom 18.11.2008 zum Universitätsprofessor für Physiolo- gie – Schwerpunkt Neurophysiologie an der Universität Würzburg PD Dr. Ralf Brinktrine, Universität Leipzig, wird während der Al- ernannt. tersteilzeit von Prof. Dr. Michael Wollenschläger vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 übergangsweise auf der halben Planstelle eines Univer- Prof. Dr. Martin Heisenberg, Lehrstuhl für Genetik, wurde mit sitätsprofessors der Besoldungsgruppe W 2 für Öffentliches Recht, Ablauf des September 2008 von seinen amtlichen Verpflichtungen insbesondere Verwaltungsrecht und Sozialrecht, beschäftigt. an der Universität Würzburg entbunden.

Prof. Dr. Heidrun Brückner, Lehrstuhl für Indologie / Süda- Simone Hey, Regierungsoberinspektorin, Referat 4.3 der Zen- sienkunde, wurde zum Mitglied des Direktoriums des Bayerischen tralverwaltung, wurde mit Wirkung vom 17.11.2008 an die Tech- Kooperationszentrums für Wirtschaft und Hochschulen für Indien nische Universität München versetzt. bestellt. Das Zentrum ist bei der Uni Bayern e.V. angesiedelt. Prof. Dr. Holger Höhn, Institut für Humangenetik, wird wei- PD Dr. Moritz Bünemann, Lehrstuhl für Pharmakologie, ist mit terhin vom 01.10.2008 bis zur endgültigen Besetzung der Stelle, Wirkung vom 04.11.2008 zum Universitätsprofessor für Pharmazeu- längstens jedoch bis 31.03.2009, übergangsweise auf der Planstelle tische Pharmakologie an der Universität Würzburg ernannt worden. eines Universitätsprofessors der Besoldungsgruppe W 3 für Human- genetik beschäftigt. Prof. Dr. Ernst Burgschmidt, Neuphilologisches Institut – Mo- derne Fremdsprachen, trat Ende September 2008 in den Ruhestand. Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Institut für Pharmazie und Lebens- mittelchemie, hat ein Stellenangebot als Präsidentin des Bundesinsti- Prof. Dr. Hubert Drüppel, Institut für Rechtsgeschichte, trat mit tuts für Arzneimittel und Medizinprodukte abgelehnt. Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger, Institut für Internationales Prof. Dr. Dr. Stefan Engelhardt, Institut für Pharmakologie Recht, Europarecht und Europäisches Privatrecht, hat einen Ruf an und Toxikologie, wurde mit Wirkung vom 01.10.2008 zum Univer- die Universität Zürich abgelehnt. sitätsprofessor (W3) und Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Technischen Universität München ernannt. BLICK 01 - 2009

personalia

Dr. Norbert Kleinsasser, Klinik und Poliklinik für Hals-, Na- Prof. Dr. Ernst Richter, von 1980 bis 2000 Professor für Innere sen- und Ohrenkrankheiten, wurde mit Wirkung vom 01.10.2008 Medizin, ist am 27.10.2008 gestorben. zum Universitätsprofessor für Experimentelle Laryngologie an der Universität Würzburg ernannt. Prof. Dr. Wolfgang Rössler, Lehrstuhl für Zoologie II, ist neuer Sprecher des Würzburger Sonderforschungsbereichs 554 PD Dr. Andrea Kübler, Roehampton University London, wurde „Mechanismen und Evolution des Arthropodenverhaltens: Ge- mit Wirkung vom 01.10.2008 zur Universitätsprofessorin für Inter- hirn – Individuum – Soziale Gruppen – Superorganismus“. Sein ventionspsychologie an der Universität Würzburg ernannt. Vorgänger, Prof. Dr. Martin Heisenberg, ist zum 30.09.2008 zurückgetreten. Er bleibt aber weiterhin Mitglied und Projektleiter Privatdozent Dr. Dirk Kurth, Institut für Kolloid- und Grenz- im Sonderforschungsbereich. Dessen Mitgliederversammlung wählte flächenforschung in Potsdam, wurde mit Wirkung vom 01.10.2008 außerdem Prof. Dr. Erich Buchner vom Lehrstuhl für Genetik zum Universitätsprofessor für Chemische Technologie der Material- zum stellvertretenden Sprecher. synthese an der Universität Würzburg ernannt. campus Prof. Dr. Heide Rückle-Lanz, Medizinische Klinik und Polikli- Dr. Christian Lukas, Juniorprofessor, Universität Konstanz, wird nik II, trat mit Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. vom 01.10.2008 bis zur endgültigen Besetzung der Stelle, längstens jedoch bis 31.03.2009, übergangsweise auf der Planstelle eines Prof. Dr. Ralf Schenke, Universität Münster, wurde mit Wirkung Universitätsprofessors der BesGr. W 3 für Betriebswirtschaftslehre, vom 01.10.2008 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Le- insbesondere Controlling und Interne Unternehmensrechnung benszeit zum Universitätsprofessor für Deutsches, Europäisches und beschäftigt. Internationales Steuerrecht an der Universität Würzburg ernannt.

Wolfgang Mahlke, der von 1980 bis 1988 Universitätsprofes- Prof. Dr. Peter Schreier, Institut für Pharmazie und Lebensmit- sor für Kunsterziehung an der Universität Würzburg war, ist am telchemie, trat mit Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. 64 29.10.2008 gestorben. Prof. Wolfgang Schneider, Lehrstuhl für Psychologie IV, Prof. Dr. Wolfgang Malisch, Institut für Anorganische Chemie, wurde von Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, trat mit Ablauf des September 2008 in den Ruhestand. Senioren, Jugend und Frauen, in den wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen des Ministeriums berufen. Dr. Frank Marohn, Privatdozent für das Fachgebiet Mathematik, Lehrstuhl für Mathematische Statistik, wurde mit Wirkung vom Prof. Dr. Michael Sendtner, Institut für klinische Neurobiolo- 23.10.2008 zum außerplanmäßigen Professor bestellt. gie, ist seit 01.10.2008 neuer Sprecher des Internationalen Graduier- tenkollegs „Von der synaptischen Plastizität zur Verhaltensmodula- Prof. Dr. Hans-Konrad Müller-Hermelink, Lehrstuhl für tion in genetischen Modellorganismen“. Er folgt Prof. Dr. Martin Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie, hat die Eh- Heisenberg nach, der vom Amt des Sprechers zurückgetreten rendoktorwürde der Universität von Oradea (Rumänien) verliehen ist, aber weiterhin Mitglied und Projektleiter im Graduiertenkolleg bekommen. bleibt. Stellvertretender Sprecher des Kollegs ist Prof. Dr. Erich Buchner, Lehrstuhl für Genetik. Prof. Dr. Hartmut Noltemeier, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik I, wurde mit Ablauf des September 2008 von seinen Prof. Dr. Christian P. Speer, Direktor der Kinderklinik der Uni- amtlichen Verpflichtungen an der Universität entbunden. versität Würzburg, wurde in Istanbul einstimmig zum Präsidenten der European Association of Perinatal Medicine gewählt. Er ist der Dr. Elisabeth Obermaier, Theodor-Boveri-Institut für Biowis- erste deutsche Neonatologe, dem diese hohe Auszeichnung zuteil senschaften, wird vom 01.10.2008 bis zur endgültigen Besetzung wird. Seine Amtszeit beginnt 2010 und endet 2012. der Stelle, längstens jedoch bis 31.03.2009, übergangsweise auf der Planstelle eines Universitätsprofessors der Besoldungsgruppe W 2 Prof. Dr. Hans-Michael Straßburg, Kinderklinik und Polikli- für Tierökologie beschäftigt. nik, wurde zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sozial- pädiatrie und Jugendmedizin gewählt. Dr. Heidi Peter-Röcher, Universitätsprofessorin im privatrecht- lichen Dienstverhältnis, Institut für Altertumswissenschaften, ist mit Prof. Dr. Birgit Terhorst wurde mit Wirkung vom 01.11.2008 Wirkung vom 19.11.2008 zur Universitätsprofessorin für Vor- und zur Universitätsprofessorin für Physische Geographie an der Univer- Frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Würzburg er- sität Würzburg ernannt. nannt worden. Dr. Hans-Joachim Viereck, früherer Professor für spezielle Rita Prell, Bibliotheksinspektorin, Universitätsbibliothek, ist mit Thoraxchirurgie an der Universität Würzburg, ist am 29.09.2008 Wirkung vom 15.11.2008 zur Bibliotheksoberinspektorin ernannt gestorben. worden. Prof. Dr. Werner Wegstein, beurlaubt zur Vertretung der Pro- Prof. Dr. Georg Reents, Institut für Theoretische Physik und fessur für EDV-Philologie, trat mit Ablauf des September 2008 in Astrophysik, wurde mit Ablauf des September 2008 in den Ruhe- den Ruhestand. stand versetzt. BLICK 01 - 2009

personalia

Harald Wehnes, Dozent an der Universität Würzburg, hat von Brigitte Zepmeisel, Klinischer Wirtschafts- und Reinigungsdienst, der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e.V. den Deut- am 27.10.2008 schen Project Excellence Award 2008 für Spitzenleistungen im 40 Jahre Projektmanagement erhalten. Gerda Adelmann, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Prof. Dr. Dietmar Willoweit wurde erneut zum Präsidenten der am 16.09.2008 Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Der Rechtshis- Ingeborg Euler-König, Lehrstuhl für Immunologie, am 01.11.2008 toriker bekleidet das Amt seit 2006, seine zweite Amtszeit beginnt Brigitte Glos, Institut für Strafrecht und Kriminologie, am am 1. Januar 2009. Willoweit lehrte bis 2004 an der Universität 01.10.2008 Würzburg Deutsche Rechtsgeschichte, Bürgerliches Recht und Rosemarie Göpfert, Universitätsbibliothek, am 01.10.2008 Handelsrecht. Prof. Dr. Wilfried Hommers, Lehrstuhl für Psychologie I, 01.10.2008 Prof. Dr. Frank Würthner, Institut für Organische Chemie, hat Gerda Nöth, Chirurgische Klinik und Poliklinik, am 01.10.2008 einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Organische Chemie an der Uni- Prof. Dr. Wolfgang Malisch, Institut für Anorganische Chemie, campus versität Karlsruhe erhalten. am 01.09.2008 Peter Mitnacht, Universitätsbibliothek, am 05.11.2008 Herbert Pumpurs, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychoso- Jubiläen matik und Psychotherapie, am 01.12.2008 Prof. Dr. Georg Reents, Lehrstuhl für Theoretische Physik III, am 25 Jahre 31.10.2008 Peter Ruff, Rechenzentrum, am 15.11.2008 Christiane Averbeck, Frauenklinik und Poliklinik, am 28.11.2008 Rita Schmid, Verwaltung der Zahnkliniken, am 01.11.2008 Liselotte Bach, Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderuro- , Chirurgische Klinik und Poliklinik I, am logie, am 01.10.2008 Marianne Schopf 15.10.2008 Eugenia Baumeister, Klinik und Poliklinik für Thorax, Herz- und 65 Thorakale Gefäßchirurgie, am 01.11.2008 Folgende Professorinnen und Professoren bekamen eine Freistel- Elmar Brückner, Institut für Röntgendiagnostik, am 01.11.2008 lung für das Sommersemester 2009 bewilligt: Prof. Dr. Marie-Christine Dabauvalle, Theodor-Boveri-Institut, am 01.10.2008 Prof. Dr. Dag Nikolaus Hasse, Institut für Philosophie , Institut für Theoretische Physik und Astrid Danhauser-Kiesel, Medizinische Klinik und Poliklinik I, am Prof. Dr. Haye Hinrichsen 07.09.2008 Astrophysik , Institut für Theoretische Physik Roland Ebert, Physikalisches Institut, am 02.10.2008 Prof. Dr. Carsten Honerkamp und Astrophysik Prof. Dr. Helmut Flachenecker, Lehrstuhl für Fränkische Landes- geschiche, am 01.09.2008 Prof. Dr. Dr. Klaas Huizing, Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik Hans-Joachim Galler, Medizinische Klinik und Poliklinik I, am 02.10.2008 Prof. Dr. Peter Jakob, Physikalisches Institut , Institut für Organische Chemie Dr. Wolfgang Geise, Stabsstelle AU der Verwaltung, am 08.10.2008 Prof. Dr. Christoph Lambert , Institut für Mathematik Brigitte Graeber, Zentrum für Sprachen, am 30.09.2008 Prof. Dr. Peter Müller , Institut für Psychologie Heike Grübl, Universitätsbibliothek, am 01.09.2008 Prof. Dr. Paul Pauli Institut für Internationales Recht, Euro- Angelika Hansen, Institut für Hygiene und Mikrobiologie, am Prof. Dr. Oliver Remien, 01.11.2008 parecht und Europäisches Privatrecht , Institut für Geographie Dr. Waltraud Harth-Peter, Lehrstuhl für Allgemeine Erziehungs- Prof. Dr. Jürgen Rauh wissenschaft, am 14.11.2008 Prof. Dr. Theodor Seidl, Institut für Biblische Theologie , Institut für Informatik Prof. Dr. Martin Heisenberg, Lehrstuhl für Genetik, am Prof. Dr. Dietmar Seipel 01.06.2008 Prof. Dr. Olaf Sosnitza, Institut für Bürgerliches Recht und Zivil- prozessrecht Isolde Hestner, Medizinische Klinik und Poliklinik I, am 01.12.2008 Gäste an der Universität Christian Huß, Krankenpfleger und freigestellter Personalrat am Universitätsklinikum, am 19.10.2008 Prof. Dr. Chinnappa Gowda von der Universität Mangalore (Süd- indien) ist im Wintersemester Gast an der Universität Würzburg. Er Prof. Dr. Dieter Kuhn, Lehrstuhl für Philologie des Fernen Ostens, am 01.11.2008 ist hier Inhaber eines von der indischen Regierung gestifteten Gast- lehrstuhls (Rotating Chair). Der Gastlehrstuhl ist dem Fach Indolo- Regina Muth, Medizinische Klinik und Poliklinik I, am 19.10.2008 gie / Südasienkunde zugeordnet. Monika Noak, Lehrstuhl für Botanik II, am 30.09.2008 Birgit Roos, Medizinische Klinik und Poliklinik, am 01.10.2008 von der Universidade Federal Ingeborg Schaub, Chirurgische Klinik und Poliklinik I, am Prof. Dr. Alexandre Valotta da Silva 01.10.2008 de Sao Paulo (Brasilien), besuchte vom 1. bis 13. September das Labor für Morphologische Hirnforschung der Klinik für Psychiatrie, Johannes Schott, Botanischer Garten, am 01.12.2008 Psychosomatik und Psychotherapie. Sein Aufenthalt wurde gefördert Martin Strobel, Augenklinik und Poliklinik, am 01.10.2008 vom DAAD/Probral. Ziel des gemeinsamen Projekts ist die Aufde- Joachim Wagner, Servicezentrum Technischer Betrieb, am 30.06.2008 ckung von Altersveränderungen im menschlichen Zentralnervensys- tem durch kombinierte kernspintomograpische, neuroanatomische und neuropathologische Studien. BLICK 01 - 2009

Eine Frage zum Schluss ...

Am Tag nach der Bekanntgabe ist es schwierig, den frischgeba- unsere Arbeiten zugänglich gemacht haben“, sagt Braunschweig. ckenen Leibniz-Preisträger Holger Braunschweig ans Telefon zu Tatsächlich ist über die Stoffe bisher so wenig bekannt, dass sich bekommen. „Momentan ist er beim Bayerischen Rundfunk zum zurzeit noch keine konkreten Anwendungsbereiche abzeichnen. Interview, nachher will dann das Fernsehen für Aufnahmen ins So viel Geld. Was will Braunschweig damit anfangen? „Das An- Labor kommen“, heißt es bei seiner Sekretärin. genehme an dem Preisgeld ist, dass man es vergleichsweise Irgendwann tut sich doch noch frei verwenden darf“, sagt der Spezialist der anorga- eine Lücke zwischen den s mach nischen Chemie. Dies eröffne ihm „ungeahnte Terminen auf, und Braun- a e Freiheiten“. Auch wenn die Zeit für detail- schweig ist bereit für ein W n lierte Pläne noch zu früh ist, ein paar kurzes Gespräch. S Ideen hat Braunschweig schon. Ganz Hektisch sei der Tag ver- i oben auf der Wunschliste stehen laufen, nachdem die Deut- e Großgeräte für analytische Metho- sche Forschungsgemeinschaft den, die es in Würzburg zurzeit campus DFG die Namen der diesjäh- m noch nicht gibt. „Im Bereich der rigen Preisträger bekannt gegeben ESR-Spektroskopie und der

hatte, sagt Braunschweig. Anrufe, i Röntgen-Defraktometrie ha-

Interviewanfragen, Glückwünsche t ben wir viel Nachholbedarf.“

– kaum, dass Zeit blieb für einen kleinen 2 Natürlich will Braunschweig

Sektempfang mit den Mitarbeitern. „Aber , sein Team auch personell ver-

so ein Rummel gehört wohl dazu, wenn man 5 stärken – ein bis zwei Post-Dok-

den Leibniz-Preis bekommt“, so der Wissen- torandenstellen sollten sich mit

schaftler. M dem Preisgeld schon finanzieren

i

66 2,5 Millionen Euro wird die DFG in den kom- l lassen. Genug Platz, um neue Geräte

l

menden sieben Jahren an Holger Braunschweig i und zusätzliches Personal unterzubrin- o

überweisen. Damit zeichnet sie insbesondere n gen sei in dem Chemiegebäude am Hubland e

seine wegweisenden Arbeiten aus, „mit n jedenfalls grundsätzlich vorhanden. Allerdings

denen Braunschweig das Element Bor verbindet er damit die Hoffnung, dass im Rahmen E

durch die Verbindung mit Metal- u der laufenden Sanierungsmaßnahme der Chemie-

len gleichsam ‚gezähmt‘ hat. r Institute die benötigte zusätzliche Abzugskapa-

Auf diese Weise wurden o zität für experimentell arbeitende Gruppen

,

neue Moleküle erzeugt, geschaffen wird: „Dann sollte sich daraus

denen wiederum neue P ein großer Standortvorteil für Würzburg

Eigenschaften gege- r ergeben“, findet Braunschweig. ben wurden, von o Den Leibniz-Preis vergibt die DFG denen zu erwarten an „qualitativ herausragende jünge-

ist, dass sie die Ka- f re Forscherinnen und Forscher, e talyse und Materi- die sich noch in einer Phase alwissenschaften s wachsender Produktivität nachhaltig be- s befinden“, wie es in den fruchten“, wie es in o Ausschreibungsunterla- der Laudatio heißt. r gen heißt. Wird diese Braunschweig ist B Produktivität denn dazu seit Oktober 2002 In- r führen, dass in sieben haber des Lehrstuhls II a ? Jahren die Stoffe, an denen für Anorganische Chemie un g Braunschweig forscht, für der Universität Würzburg. Der schwei konkrete Anwendungen reif Schwerpunkt seiner Forschung liegt im sind? „Gut möglich, dass sie dann Bereich der metall- und elementorganischen im Bereich der Katalyse oder in der or- Chemie; Braunschweig konzentriert sich dabei insbe- ganischen Elektronik zum Einsatz kommen“, sondere auf die Untersuchung von Übergangsmetallkomplexen sagt Braunschweig. Auch andere Anwendungsgebiete sind denk- mit Bor-zentrierten Liganden. Dieses Forschungsgebiet ist hoch bar – schließlich ist Braunschweigs Team „thematisch sehr breit aktuell und wird von zahlreichen Forschergruppen in England, aufgestellt“, wie er sagt. Aber im Prinzip werde er auch in den Frankreich, USA und Japan bearbeitet. nächsten Jahren in erster Linie Grundlagenforschung betreiben „Wir betreiben hier Grundlagenforschung an neuen Substanz- – dann aber mit mehr Personal und neuen Geräten. klassen, den so genannten Borylenkomplexen, die wir erst durch Gunnar Bartsch Eine Frage zum Schluss ...

Am Tag nach der Bekanntgabe ist es schwierig, den frischgeba- unsere Arbeiten zugänglich gemacht haben“, sagt Braunschweig. ckenen Leibniz-Preisträger Holger Braunschweig ans Telefon zu Tatsächlich ist über die Stoffe bisher so wenig bekannt, dass sich bekommen. „Momentan ist er beim Bayerischen Rundfunk zum zurzeit noch keine konkreten Anwendungsbereiche abzeichnen. Interview, nachher will dann das Fernsehen für Aufnahmen ins So viel Geld. Was will Braunschweig damit anfangen? „Das An- Labor kommen“, heißt es bei seiner Sekretärin. genehme an dem Preisgeld ist, dass man es vergleichsweise Irgendwann tut sich doch noch frei verwenden darf“, sagt der Spezialist der anorga- eine Lücke zwischen den s mach nischen Chemie. Dies eröffne ihm „ungeahnte Terminen auf, und Braun- a e Freiheiten“. Auch wenn die Zeit für detail- schweig ist bereit für ein W n lierte Pläne noch zu früh ist, ein paar kurzes Gespräch. S Ideen hat Braunschweig schon. Ganz Hektisch sei der Tag ver- i oben auf der Wunschliste stehen laufen, nachdem die Deut- e Großgeräte für analytische Metho- sche Forschungsgemeinschaft den, die es in Würzburg zurzeit DFG die Namen der diesjäh- m noch nicht gibt. „Im Bereich der rigen Preisträger bekannt gegeben ESR-Spektroskopie und der hatte, sagt Braunschweig. Anrufe, i Röntgen-Defraktometrie ha-

Interviewanfragen, Glückwünsche t ben wir viel Nachholbedarf.“

– kaum, dass Zeit blieb für einen kleinen 2 Natürlich will Braunschweig

Sektempfang mit den Mitarbeitern. „Aber , sein Team auch personell ver-

so ein Rummel gehört wohl dazu, wenn man 5 stärken – ein bis zwei Post-Dok-

den Leibniz-Preis bekommt“, so der Wissen- torandenstellen sollten sich mit

schaftler. M dem Preisgeld schon finanzieren

i

2,5 Millionen Euro wird die DFG in den kom- l lassen. Genug Platz, um neue Geräte 67 l

menden sieben Jahren an Holger Braunschweig i und zusätzliches Personal unterzubrin- o

überweisen. Damit zeichnet sie insbesondere n gen sei in dem Chemiegebäude am Hubland e

seine wegweisenden Arbeiten aus, „mit n jedenfalls grundsätzlich vorhanden. Allerdings

denen Braunschweig das Element Bor verbindet er damit die Hoffnung, dass im Rahmen E durch die Verbindung mit Metal- u der laufenden Sanierungsmaßnahme der Chemie-

len gleichsam ‚gezähmt‘ hat. r Institute die benötigte zusätzliche Abzugskapa-

Auf diese Weise wurden o zität für experimentell arbeitende Gruppen

, neue Moleküle erzeugt, geschaffen wird: „Dann sollte sich daraus

denen wiederum neue P ein großer Standortvorteil für Würzburg

Eigenschaften gege- r ergeben“, findet Braunschweig. ben wurden, von o Den Leibniz-Preis vergibt die DFG denen zu erwarten an „qualitativ herausragende jünge- ist, dass sie die Ka- f re Forscherinnen und Forscher, e talyse und Materi- die sich noch in einer Phase alwissenschaften s wachsender Produktivität nachhaltig be- s befinden“, wie es in den fruchten“, wie es in o Ausschreibungsunterla- der Laudatio heißt. r gen heißt. Wird diese Braunschweig ist B Produktivität denn dazu seit Oktober 2002 In- r führen, dass in sieben haber des Lehrstuhls II a ? Jahren die Stoffe, an denen für Anorganische Chemie un g Braunschweig forscht, für der Universität Würzburg. Der schwei konkrete Anwendungen reif Schwerpunkt seiner Forschung liegt im sind? „Gut möglich, dass sie dann Bereich der metall- und elementorganischen im Bereich der Katalyse oder in der or- Chemie; Braunschweig konzentriert sich dabei insbe- ganischen Elektronik zum Einsatz kommen“, sondere auf die Untersuchung von Übergangsmetallkomplexen sagt Braunschweig. Auch andere Anwendungsgebiete sind denk- mit Bor-zentrierten Liganden. Dieses Forschungsgebiet ist hoch bar – schließlich ist Braunschweigs Team „thematisch sehr breit aktuell und wird von zahlreichen Forschergruppen in England, aufgestellt“, wie er sagt. Aber im Prinzip werde er auch in den Frankreich, USA und Japan bearbeitet. nächsten Jahren in erster Linie Grundlagenforschung betreiben „Wir betreiben hier Grundlagenforschung an neuen Substanz- – dann aber mit mehr Personal und neuen Geräten. klassen, den so genannten Borylenkomplexen, die wir erst durch Gunnar Bartsch 68

Universität Würzburg Sanderring 2 [email protected] Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit 97070 Würzburg www.uni-wuerzburg.de/presse