M undart — Mundartlyrik

Wie ist das mit der Mundart? Kurt Bräutigam, Freiburg

„Jede Provinz liebt ihren Dialekt: wie man sie genannt hat, wird gestützt aus denn er ist doch eigentlich das dem Bedürfnis nach entkrampfter, gelocker­ Element, in welchem die Seele ter Konversation und Kommunikation ab­ ihren Atem schöpft. “ seits von Duden und Siebs1). Das wäre also Goethe, auf der Ebene der Literatur dasselbe, was wir Dichtung und Wahrheit II, Mannemer1)meinen, wenn wir sagen: Redde, 6. Buch wie ääm de Schnawwl gewachse is. Dabei spielt die Gruppenbildung eine Rolle, das Be­ Es ist zur Zeit „in“, sich mit Mundart zu be­ dürfnis, in einer angemessenen bergenden schäftigen, man könnte geradezu von einem und überschaubaren sozialen Gemeinschaft Mundart-Boom sprechen. Mundartdichter — zu stehen. Denn Mundart ist, geographisch berufene und weniger berufene — haben und ethnisch gesehen, die Sprache einer Konjunktur, Anthologien werden veröffent­ Landschaft, eines Stammes. Ihre Funktion licht, Zeitungen bringen Beiträge in Mund­ ist, wie die jeder Sprache, neben der reinen art, Vereine zur Pflege des heimatlichen Dia­ Kommunikation eine soziale, nämlich die lekts mit ihren Zeitschriften machen von sich Eingliederung des einzelnen in die gesell­ reden. Dabei kann man ein deutliches Süd- schaftliche Gruppe, aber auch die Selbstfin­ Nord-Gefälle feststellen, denn der alemanni­ dung der Persönlichkeit durch sprachlichen sche und schwäbische Sprachraum ist, neben Austausch. Isolation führt zur Sprachlosig­ dem bairisch-oesterreichischen, besonders keit und damit zum Identitätsverlust, zum aktiv. Doch läßt in letzter Zeit auch der Kaspar-Hauser-Syndrom. Auch emotionale nordbadische Raum mit rheinfränkischer Aspekte sind in Erwägung gezogen worden und ostfränkischer Dichtung mehr und mehr für die Hinwendung zur Mundart. Etwa die von sich hören. Über die Gründe zu einer Anhänglichkeit gegenüber der Heimat, ein solchen Mundartbewegung wurde vielfach Argument, das freilich in der Vergangenheit nachgedacht. Viele Komponenten laufen zu­ durch ideologischen Mißbrauch („Blut und sammen. Da ist ein bißchen Nostalgie, wie Boden“, „Treue zur Scholle“ u.ä.) arg in sie sich etwa auch in der Vorliebe für Anti­ Verruf geraten ist. Gleichwohl sollte man quitäten ausdrückt. Da ist wohl auch eine sich seiner Liebe zur Heimat ebensowenig Art von Opposition gegen die verwaltete und schämen wie seiner Anhänglichkeit an den abgenutzte Normensprache (Hochdeutsch), Heimatdialekt. Verzeichnet doch sogar der wie sie schon einmal in der Literatur des Na­ neueste badisch-württembergische Lehrplan turalismus (Holz, Schlaf, Hauptmann) auf­ für die siebte Realschulklasse „Liebe zu Volk trat mit ausgiebiger Verwendung von Mund­ und Heimat“ als Erziehungsinhalt. Das art auf der Bühne. Diese „Kontrastsprache“, schließt doch wohl auch die Mundart ein. 315 Dabei ist freilich ein Unterschied zu machen lekte hinweg die heutige Einheitssprache zwischen dem lebendigen Gebrauch der an­ (Hochsprache, Schriftsprache) sich erst spät gestammten Mundart und ihrer akademi­ entwickelt hat. Sie wurde wesentlich durch schen, manchmal schon fast musealen Pflege. Martin Luther mitgeprägt, der sich auf die Welchen Stellenwert nimmt nun aber die ge­ Sprache der Meißner Kanzlei stützte und da­ nuine und noch rein und unverfälscht ge­ mit das mitteldeutsche Idiom durchsetzte ge­ sprochene Mundart ein in dem Dreischritt genüber dem damals konkurrierenden ober­ Mundart — Umgangssprache — Hochspra­ deutschen der kaiserlichen Kanzlei. che (Schriftsprache)?3) Mundart ist zuerst Viele Aufsätze und Abhandlungen — auch einmal gesprochene Sprache, gesprochen in diese hier — reden über die Mundart. Wer einer überschaubaren Gruppe von der Fami­ aber spricht sie heute noch unverfälscht und lie bis zur Siedlungs- und Regionalgemein­ spontan als eigentliche „Muttersprache“? Es schaft. Mundart ist die älteste Sprachform, sind Erhebungen gemacht worden über den ein Stammesidiom, das sich freilich nicht Anteil an Mundartsprechern in den verschie­ mehr mit den heutigen Stammesgrenzen zu denen Volksschichten5). Der Anteil derer, decken braucht. Es gibt auch im Mittelalter die sich bei der Umfrage als Mundartspre­ schon eine gewisse Hochsprache, eine Dich­ cher verstanden, geht selbst bei älteren Leu­ tersprache, die die Verbreitung einzelner ten und bei Arbeitern kaum über 60% hin­ Werke förderte. Aber selbst die Werke unse­ aus, lediglich die landwirtschaftlichen Berufe rer mittelalterlichen Klassiker zeigen Spuren sind mit 83% angegeben. Entsprechend sind ihrer sprachlichen Herkunft. Und die alt­ Dörfer mit 76% und Klein- und Mittelstädte hochdeutschen literarischen Belege benennt mit rund 60% vertreten. Da diese Erhebung die Wissenschaft gelegentlich nach ihrem aber schon 1966 durchgeführt wurde, ist an­ Dialekt, d. h. nach der erkennbaren Stam­ zunehmen, daß sich die Zahlen seitdem zu­ messprache, z.B. „Fränkisches Gebet“, „Bai­ ungunsten der Mundart verändert haben. rische Beichte“, oder aber man setzt die Übrigens zeigt die Tabelle auch das schon Mundart in Klammern, wie „Das Ludwigs­ erwähnte Süd-Nord-Gefälle: Bayern nennt lied (rheinfränkisch)“. Übrigens möchten 71, Rhein-Main/Südwest (was ist wohl dar­ manche Forscher die Literatursprache des unter zu verstehen?) 67 und „der Norden" Mittelalters eher als Umgangssprache wer­ 46 Prozent Einwohner, die einen Dialekt ten.4) Die alten Dialekte haben sich nach der sprechen können. Dabei ist nicht sicher, ob Völkerwanderung ungefähr in ihren heuti­ die Befragten auch wirklich ihre Mundart gen Gebieten festgesetzt, wobei im Laufe der gebrauchen. Ich habe bei eigenen Untersu­ Geschichte viele historische Ereignisse, vor chungen in Mannheim festgestellt, daß man­ allem wechselnde Herrschafts- und Reli­ cher angibt, Mundart zu sprechen, der in gionsverhältnisse eingewirkt haben. So fin­ Wirklichkeit die Umgangssprache benützt. den sich z.B. im ländlichen Gebiet von Gewiß, man hört einem Sachsen, einem Bay­ Mannheim nördlich und südlich des Neckars ern, einem Schwaben oder einem Pfälzer verschiedene Lautformen gleicher Wörter: seine Herkunft an, selbst wenn er hoch­ Der Fluß war einst Grenze zwischen den Bis­ deutsch spricht (oder zu sprechen meint). tümern Speyer und Worms. Im übrigen gibt Klangfärbung, Melodie und Sprechdynamik es keine scharfen Mundartgrenzen, eher sind unverkennbar, dazu fallen immer wieder Grenzzonen, in denen sich Eigenheiten der mal einige typische idiomatische Wendun­ benachbarten Dialekte überschneiden. Nur gen. In jedem Falle sind diese sogenannten der Vollständigkeit halber sei hier angedeu­ „konstitutiven Faktoren“, also die innere tet, daß trotz der oben erwähnten mittel­ Form, beständiger als der Wortschatz, der hochdeutschen Dichtersprache über die Dia­ sich — wie in jeder Sprache — natürlich auch 316 in den Dialekten von Generation zu Genera­ nach dem Krieg haben die Mundartland­ tion verändert. Eine international vereinbarte schaft entscheidend verändert. Nicht so sehr Lautschrift erlaubt es, den Wortschatz laut­ dadurch, daß die Heimatvertriebenen in ih­ lich annähernd im Druck festzulegen. So rer neuen Umgebung ihre Sprache formend werden die Lexeme (Wortschatzeinheiten) in hätten einfließen lassen (einzelne Wörter zahlreichen großen und auch kleineren wurden immerhin beigesteuert); aber ihre Mundart-Wörterbüchern festgehalten, und geographische und ethnische Entwurzelung ihr Verbreitungsgebiet wird in Sprachatlan­ brachte auch den Verlust der eigentlichen ten aufgezeichnet.6) Aber erst der Einsatz des „Muttersprache“, des Heimatdialekts mit Tonbandgeräts macht es in unseren Tagen sich. Spätestens in der jetzt heranwachsen- möglich, die lebendige Mundart auch in ih­ den dritten Generation ist die Bindung an die rer Lautung festzuhalten. So entstehen zu­ alte Heimat samt ihrer Mundart verlorenge­ verlässige Mundartarchive, die der For­ gangen. Die Verteilung der Flüchtlings­ schung authentisches Material an die Hand ströme über das ganze Bundesgebiet hinweg geben. spaltete zudem die großen Gruppen in Dazu war es aber auch höchste Zeit, denn Kleinstgruppen, winzige Inseln in fremder die unverfälschte Mundart schwindet von Umgebung. Generation zu Generation. Das zeigt sich in Anders war das übrigens bei den Massen­ den wirtschaftlichen und industriellen Bal­ wanderungen früherer Zeiten, als politisch lungszentren — für Baden sei der Raum oder religiös unterdrückte Großgruppen aus- Mannheim-Ludwigshafen genannt — deutli­ wanderten, etwa nach Amerika oder auf den cher als auf dem „flachen Land“, und von Balkan. Sie blieben zusammen und bewahr­ diesen Zentren gehen sogar nivellierende ten so ihre Muttersprache als wertvollstes Einflüsse auf das Umland aus. Die enorme Kulturgut. Der Sprachforscher findet in je­ Fluktuation, der Zustrom von Arbeitneh­ nen deutschen Sprachinseln einen Stand der mern in die Städte, bringt das mit sich. Mundart an, der bei uns längst verschwun­ Glücklicherweise hat das Umland aber noch den ist. Nur Mundart, die durch äußere Ein­ größeren Beharrungswillen und hält eher an flüsse nicht mehr rein und unverfälscht ge­ seiner Mundart fest als die Städte. Die Um­ sprochen wird, ist zum Absterben verurteilt: wandlung der Sozialstruktur seit dem vori­ Die Neubürger unserer Tage gerieten in den gen Jahrhundert, die vielzitierte Mobilität, andersartigen Sprachkreis der Mitschüler, die Freizügigkeit des Bürgers sind wesentli­ der Arbeitskollegen, der Vereinskameraden. che Gründe für die Aufweichung der Mund­ Gewiß tun Heimatvereine, Trachten- und art. Binnenwanderungen gab es natürlich Sangesgruppen ihr möglichstes, um die auch früher schon, z. B. die der Handwerks­ Mundart der Minderheit zu stützen. Aber sie burschen, ebenso Gruppenwanderungen gehen unweigerlich den Weg ins Museale, durch Kriegswirren. Es ist aber anzunehmen, wenn die ehedem gesunden Wurzeln erst daß damals die Zugewanderten sich voll der völlig verdorrt sind. neuen Umgebung und ihrer Mundart ange­ Was hier bei den Heimatvertriebenen im paßt haben.7) Das trifft wohl auch noch auf kleinen und durch die Umstände beschleu­ die Wanderbewegungen am Ende des letzten nigt geschieht, ist auf die Dauer auch das Jahrhunderts (etwa von den Ostgebieten in schleichende Schicksal aller noch lebendigen den Kohlenpott) zu, die sich heute fast nur Mundarten. Die Einflüsse von außen sind be­ noch in den Familiennamen verrät. Erst die drohlich. Zwar bemühen sich die Massenme­ brutale Umsiedlung im zweiten Weltkrieg dien, denen man ja gerade einen sprachnivel- und die Massenvertreibung von etwa zwölf lierenden Einfluß zuschreibt, mit zahlreichen Millionen Deutschen aus den Ostgebieten Mundartsendungen dem augenblicklichen 317 Trend Rechnung zu tragen: Bairisch und chen (vor allem außerhalb der bergenden Schwäbisch, Alemannisch und Pfälzisch, Gruppe), weil man sie als sozial abwertend, Hessisch und Kölsch (und das nicht nur zur als nicht „fein“ ansieht oder weil man sie als Zeit des Karnevals), natürlich auch Platt tö­ ästhetisch minderwertig empfindet. So kann nen regelmäßig aus Radio und Fernsehgerät. eine nach den höheren Sprossen der sozialen Andererseits fördern die Massenmedien mit Stufenleiter schielende Mannheimerin zu ih­ vielerlei Sondersendungen auch manche Mo­ rem Mundart sprechenden Buben sagen: deströmungen wie Teenager- und Discospra­ „Redd doch nit so wiescht!“— wobei sie wohl che, diese natürlich vor allem unter den jun­ mehr den Wortschatz meint als die ja auch gen Leuten. ihr durchaus geläufige innere Struktur. Diese Alle die genannten Einflüsse von der sich ste­ Mutter schiebt also die Kommunikations­ tig wandelnden Sozialstruktur über die Mas­ ebene quasi um eine Stufe höher hinauf zur senwanderungen zu Medien und Sonder­ Umgangssprache. Die verschiedenen Defini­ sprachen, nicht zu vergessen den Zustrom tionen der Umgangssprache können für un­ anglo-amerikanischer Wörter nach 1945, eb­ sere Betrachtung unberücksichtigt bleiben, nen den Weg von der Mundart zur Um­ zumal sich die Sprachwissenschaftler da gangssprache. Die bereits erwähnten konsti­ nicht ganz einig sind.10) Es bleibt aber festzu­ tutiven Sprachfaktoren (Klangfärbung, Me­ stellen, daß in letzter Zeit die Untersuchun­ lodie, Rhythmus, Betonung, Artikulation gen zur Umgangssprache die zur Mundart usw.) werden im wesentlichen beibehalten, an Zahl übertreffen. Dabei zeigt sich auch aber im Wortschatz und (meist restringier­ diese Zwischenstufe zwischen Mundart und ten) Satzbau nähert sich der Sprecher der Hochsprache als ein soziologisches Phäno­ Hochsprache. Es ist für unsere Betrachtung men: Bildung, Beruf, Umwelt prägen auch unwesentlich, ob man die Umgangssprache diese Sprachform, Schule und Verwaltungs­ als „abgesunkene“ Hochsprache oder als instanzen tun ein übriges, den Bürger zu ei­ „aufgewerteten“ Dialekt betrachtet. In kei­ ner „gemäßigten“ Sprache zu führen. Es ist nem Falle ist sie eine Art von „Halbmund­ selbst an kleineren Schulen üblich, die Spra­ art“, wie sie z. B. Jahr für Jahr in den großen che der ABC-Schützen abzuschleifen, aus Mainzer Narrensitzungen geboten wird. Es pädagogischen Gründen, wie man sagt, und ist kaum anzunehmen, daß ein hochdeutsch mancher kleine Mundartsprecher hat Pro­ Sprechender sich, um verständlich zu wer­ bleme bei Aufnahmeprüfungen in weiterfüh­ den, auf eine Mundart zubewegt, die er gar rende Schulen. Bei alledem bleibt die Mund­ nicht beherrscht. Eher doch wird der Mund­ art zumindest außerhalb der Gruppe auf der artsprecher sich bemühen, der jeweiligen Si­ Strecke, und die Familie wird zur Fluchtburg tuation gerecht zu werden, also sich mög­ der Mundartsprecher. Wie lange wird der lichst auf dem Wege zur Hochsprache hin Ansturm der Umgangssprache abzuwehren verständlich zu machen, wobei ihm freilich sein? In den Städten ist die Zeit der Kapitula­ seine angestammte Mundart in die Quere tion abzusehen. Hoffen wir auf das „flache kommt. In jedem Falle ist festzustellen, daß Land“. die Umgangssprache an Boden gewinnt.8) Man hat — wie schon erwähnt — neuerdings Auch dieser Prozeß vollzieht sich in den gro­ die soziologische Komponente der Mundart­ ßen Städten deutlicher und rascher als in forschung besonders betont.11) Der Dialekt ländlichen Gebieten.9) Und vor allem in den wurde bei geringerer „kommunikativer Städten gibt es neben der soziologischen Reichweite“ den sozial niedrigeren Schich­ auch noch eine erstaunliche psychologische ten, die Hochsprache und eben auch die Schwelle, die die Mundartsprecher hemmt. Umgangssprache bei größerer Reichweite Es ist eine gewisse Scheu, Mundart zu spre­ den gehobeneren Schichten zugewiesen. Die 318 Frankfurter Schule (Institut für Sozialfor­ Sprache, und hier insbesondere der Dialekt, schung) ging darin sehr weit, wie folgender ist ja nicht nur eine Art Ausweis für die Zu­ Satz von Theodor W. Adorno über „die Dia­ gehörigkeit zu einer Gruppe, nicht nur das lekte der Arbeiter“ zeigt: „Die proletarische Mittel zur Kommunikation innerhalb dieser Sprache ist vom Hunger dikiert. Der Arme Gruppe, sondern sie prägt und konserviert kaut die Worte, um an ihnen sich sattzuessen selbst auch Gemeinschaften, schafft also ... Er nimmt den Mund voll, der nichts zu Heimat und Geborgenheit. Es ist dabei eine beißen hat.“12) In diesem Negativklischee ist Wechselwirkung festzustellen: Mundart die innere Zuwendung zur eigenen Mundart schließt die Gruppe zusammen, die Zugehö­ als persönlichkeitsbildendes Element völlig rigkeit zur Gruppe festigt aber auch die Be­ ausgeklammert. Ein ähnlich negativer Blick­ reitschaft zur Mundart. Es ist sicher, daß der winkel sieht die „Sprache der Unterschicht“ sogenannte restringierte Code (einge­ lediglich im Zusammenhang mit der Trivial­ schränkter Umfang des Wortschatzes, ein­ literatur. Gewiß ist der Mundart der Zugang fach reihender Satzbau, weitgehendes rituali­ zur hohen Literatur erschwert, wobei neben siertes Sprachverhalten), wie er die Mundart der sprachlichen Divergenz auch der Unter­ charakterisiert, die praktischen und alltäg­ schied im Lebensbereich mitspielen mag. lichen Kommunikationsbedürfnisse der Aber beide Größen sind doch wohl weniger Mundartsprecher völlig abdeckt. Die Fami­ Werte an sich als aus einer festgelegten Er- lie, lokale und regionale Dialektgruppen, wartungshaltung heraus erzeugte Voreinge­ dazu Handwerker mit Hilfe ihrer Fachspra­ nommenheiten. Zudem ist die Eignung für che finden in dem konkret-zupackenden und höhere — ich möchte hier lieber sagen: ernste differenzierten Wortschatz der Mundart die — Literatur bei den einzelnen Dialekten ganz ihnen adäquate Ausdrucksform. Denn die verschieden. Solche Zuweisungen zu be­ Mundart ist mit konkreten Begriffen reicher stimmten Volksschichten oder Literaturkate­ ausgestattet als die Hochsprache. Und eben gorien können nicht uneingeschränkt gelten. das ist ihre Stärke: ein deftiger Wortschatz, Auch wenn man das sogenannte Honoratio­ kraftvoll zupackende Redewendungen, kei­ renschwäbisch, das gerade von „gut bürgerli­ nerlei Scheu vor Tabus, vor allem aber diffe­ chen Schichten“ gesprochen wird (man renzierende Anschaulichkeit. So gibt es in denke nur an den alten „Papa Heuss“), nur der mir geläufigen Mannheimer (also rhein­ als Halbmundart gelten lassen möchte, ähn­ fränkischen) Mundart über 40 Wörter für lich wie das weitverbreitete „Honoratioren­ das Wortfeld „schlagen“. Ich habe im bäuer­ platt“ im Norden, so engen beide Idiome lichen Umland gegen ein Dutzend Bezeich­ doch die Schichtentheorie ein. Vor allem nungen für verschiedene Arten von Körben aber ist die Altersstufung neben der sozialen aufgenommen, und die Zahl kerniger Schicht ein wesentliches Kriterium für die Schimpfwörter ist Legion.14) Warum gerade Verwendung der Mundart. So sprechen z.B. Schimpfwörter als Kriterium? Nun, ob in von den über Sechzigjährigen im niederdeut­ Bayern oder in der Pfalz, im Schwäbischen schen Sprachgebiet noch gute 80% platt, und oder in Berlin — in den Schimpfkanonaden der Schwund geht bis zu etwa 37% bei den wird die urwüchsige Kraft und Bildhaftig­ Schulkindern und gar 17% im Vorschulal­ keit, die Lebendigkeit und Beweglichkeit der ter.13) In unseren Breiten werden die Verhält­ Mundart und, damit verbunden, der Stam- nisse nicht viel günstiger liegen. Es wäre fest­ mesart am deutlichsten. Der ungehemmte zustellen, in welcher sozialen Gruppe die Wortschwall gibt ja doch tiefe Einblicke in letzten rettenden Bollwerke für die Vor­ das wahre Ich des Sprechers. Indessen ist der schulkinder zu finden sind: In der Familie? Verlust an alten Mundartwörtern (natürlich Im Kindergarten? In der Spielgemeinschaft? auch Schimpfwörtern) allgemein.15) Nicht 319 nur, daß mit den Sachen auch ihre Namen here Auskunft.16) Auch Modewörter berei­ aussterben — das geschieht natürlich auch in chern den Dialekt. Wie jede zivilisatorische der Hochsprache; unsere Konsumgesell­ Wandlung in der Geschichte hat auch die schaft gibt auch durchaus gängigen Waren nach 1945 bei uns eingetretene eine Menge und Gegenständen genormte, d.h. hochdeut­ von fremden Wörtern hereingeschwemmt, sche Namen, die auf den Verpackungen auf­ diesmal in der Hauptsache amerikanische. gedruckt sind. Auf diese Weise versteht jeder Da hat sich z.B. bei den Teenagern eine Kunde und jeder Verkäufer — auch der „her­ Gruppensprache entwickelt, die bis in die geloffene“ —, was gemeint ist. Es gibt da Mundart hineinreicht: Fan, super, Twen, Ausnahmen: Wer in Bayern — natürlich auch Teenager; und manches englische Wort wird in München — beim Bäcker ein Weckle oder in der Mundart ungeniert ausgesprochen, ein Brötchen verlangt, wird wohl seltsam an­ wie es dasteht. Aber die Teenagersprache hat geschaut. Er sollte schon das einheimische auch viele deutsche Modewörter. Erst kürz­ Wort Semmel gebrauchen. Wo aber ist der lich habe ich in einem Mannheimer Bus ein Mannheimer weiße Kees, der ostfränkische junges Mädchen zu ihrer Begleiterin (ver­ Klumpe und der alemannische Bibeli(s)käs mutlich über ein verpaßtes Rendezvous) sa­ geblieben? Natürlich kann man ihn noch gen hören: Der bett awer doch aa echt kumme kaufen, aber auf der Verpackung steht „Spei­ gekennt! Nun, vielleicht hatte der Säumige sequark“, und so wird er verlangt und auch kän Bock druff. Allerdings sind solche Son­ benannt. Und ebenso aus dem Norden her­ dersprachen nicht auf eine Gegend be­ unter kam die Sahne statt des guten alten schränkt, sondern über das ganze deutsche Rahms. Ich vermisse heute in meiner Hei­ Sprachgebiet verbreitet, höchstens regional matmundart Wörter, die unsere Eltern noch eingefärbt.17) Dagegen wirkt sich der durch gebrauchten. Wer von den Jüngeren kennt neue Technologien entstandene Wortschatz heute noch das Waschlafoor, jene tragbare kaum auf die Mundart aus, eher auf die Um­ Waschschüssel aus Email, bei „besseren Leu­ gangssprache. Es sind allenfalls Gebiete wie ten“ auch aus zerbrechlichem Gut. Wer sagt Kleidung, Kosmetik, Sport u. ä., deren Wort­ noch K atzuff zum Metzger, Schbell zur schatz von Mundartsprechern aufgenommen Stecknadel oder Bell zur Pappel? Welche und bis zu einem gewissen Grade wohl auch Mannheimer Hausfrau kennt noch die assimiliert wird. Moggdoddlsupp? Und zumindest in der Stadt­ Es ist in dieser kurzen Betrachtung schon mundart sind Wörter wie Hudsch für Fohlen, mehrfach auf den Unterschied zwischen der schdrief für streng, schlaffln für tauen oder Mundart in den Städten und der auf dem Nehds für Nähfaden heute unbekannt. Die Lande hingewiesen worden. Hier ist das Pro­ Liste ließe sich beliebig verlängern. Und ähn­ blem der Stadtmundart angesprochen, bes­ liches gilt für alle Stadtmundarten und in ge­ ser: der Stadtmundarten, denn innerhalb ringerem Umfang auch für das Land. Nun ist großer Städte gibt es, je nach sozialer Struk­ es natürlich nicht so, daß die Mundart nur tur der betreffenden Wohngegend, durchaus Wörter verliert. Sie gewinnt auch neue dazu unterschiedliche Sprechweisen.18) Die Städte und schleift sie ein. Da war zum Beispiel der als kulturelle und wirtschaftliche Mittel­ Einfluß der Metropolen, vor allem von Ber­ punkte der Region können zwar, wir wiesen lin, das als alte Reichshauptstadt eine starke schon darauf hin, die Sprache des Umlands Strahlungskraft besaß. Doch hat es, wie auch beeinflussen. Aber die Stadtmundart ist selbst andere Städte (München, Wien, auch Orte im Wandel begriffen, und zwar nicht nur des Ruhrgebiets) wohl noch mehr Einfluß durch die bereits erwähnten Einwirkungen gehabt auf die Umgangssprache. Viele Wör­ (Flüchtlinge, sozialer Wandel usw.), sondern terbücher und Abhandlungen geben da nä­ neuerdings durch das völlig ungelöste Pro­ 320 blem der Gastarbeiter. Nicht allein, daß die alle Schichten der Bevölkerung hindurch seltsame „Lehrmethode“ des sogenannten mündlich wie schriftlich ehren und pflegen. „foreigner talk“ mit seiner radebrechenden So hat sich in jüngster Zeit dort auch eine Satzbildung („du Hunger?“; „ich auch schon beachtenswerte lyrische Dichtung entwik- Türkei!“ u.a.) dem Fremden keine echten kelt.20) Dasselbe gilt für das Elsaß, wo der Sprachkenntnisse vermitteln; gravierender ist Kampf um die bodenständige alemannische das Problem bei den Kindern. Die jungen Muttersprache nicht nur als Selbstbestäti­ Ausländer lernen sehr rasch die Mundart gung, sondern durchaus auch als Weg zu ei­ (oder doch Umgangssprache) ihrer deut­ ner „Menschhaitssproch“ empfunden wird.21) schen Schul- und Spielkameraden. Aber sie Kehren wir nach Baden zurück. Da gilt „un­ werden dabei ihrer eigentlichen Mutterspra­ ser unschätzbarer Hebel“ noch heute als che entfremdet: Sie bleiben Fremde im Gast­ Dichter hohen Ranges und galt das schon land und werden Fremde in ihrer Heimat. Es dem begeisterten Goethe, von dem dieses ist erfreulich, daß auch die Sprachwissen­ Lob stammt. Aus dem alemannischen Teil schaft sich neuerdings dieser Frage an­ Badens kommt auch heute noch (oder wie­ nimmt.19) der?) eine Fülle beachtlicher Lyrik. Es wäre Mundart ist, der Name sagt es, eine „Sprech­ ungerecht, einige Namen herauszugreifen, es sprache“. Wie jede Sprache drängt sie aber soll aber auf die verdienstvolle Arbeit der auch zur schriftlichen Darstellung, sagen wir Muettersproch-Gsellschaft in Freiburg hin­ ruhig, zur literarischen Ausprägung. Eine ei­ gewiesen werden, die auch eine alemanni­ gentliche Mundartdichtung gibt es erst seit sche Anthologie herausgebracht hat.22) Man Rousseau (Rückkehr zum natürlichen und hat trotz Karl Gottfried Nadler, Franz einfachen Leben!) und seit dem Sturm und v. Kobell (der auch in bairischer Mundart Drang. Es gab auch schon in Barockdramen dichtete) und Max Barack der pfälzischen Mundartszenen, aber sie dienten als Kon­ (rheinfränkischen) Mundart die Eignung für trast zur „vornehmen“ Hochsprache und zur ernste Dichtung abgesprochen. Sie tauge Verspottung des „niederen Volks“. Es war eher für lustige Geschichten und Anekdoten. ein Wagnis, als Andreas Gryphius mit seinem Nun haben die genannten älteren Vertreter „Scherzspiel“ (Bauernschwank) „Die geliebte zwar heitere Gedichte geschrieben, aber es Dornrose“ (1661) seine Bauern (schlesische) waren zumeist recht ernst gemeinte Porträts Mundart sprechen ließ. Mit dem Sturm und ihrer Zeitgenossen. Neuerdings nun wird das Drang und mit der Romantik wird die Negativklischee mangelnder Literaturfähig­ Volkssprache allmählich literaturfähig, wenn keit des Pfälzischen überzeugend widerlegt auch vorerst nur zögernd wie bei dem Pfäl­ durch eine Reihe von guten Gedichten, die in zer Maler Müller, der mit Anklängen Orts­ Veröffentlichungen und Lesungen ihr Publi­ kolorit in seinen Idyllen schafft (z. B. „ Was kum finden.23) Auch im Gebiet zwischen ist’s dann vor Holz?“ in der „Schafschur“). Pfälzisch und Alemannisch, im Raum Karls­ Auch da gibt es übrigens ein landschaftliches ruhe-Pforzheim, haben sich in den letzten Gefälle: Im bairischen Sprachraum waren Jahren einige Lyriker einen Namen ge­ und sind Mundartdichtungen häufiger als macht.24) Einen Abwehrkampf gegen das in weiter nach Norden hin. Nicht jede Mundart Amtsstuben und Schulen vordringende scheint in gleicher Weise für die Dichtung Schwäbisch (bzw. Honoratiorenschwäbisch) geeignet zu sein. Sicher aber ist es der ale­ führen die Dichter im Hohenlohischen mit mannische Dialekt, der ja auch in der seiner ostfränkischen Mundart, die auch in Schweiz und im Elsaß gesprochen wird. Man Schwäbisch Hall zu Hause ist, trotz des amt­ könnte den Schweizer Nachbarn ohnehin lichen Ortsnamens.25) Ein Blick zu unseren neidisch sein, die ihr Schwyzerdütsch durch schwäbischen Nachbarn sei zum Schluß er­ 321 laubt, zumal das Schwäbische da und dort bedient sich einer gängigen Verkehrssprache, am Rande unseres badischen Gebiets Einfluß der Umgangssprache, die nun mehr und genommen hat. Auch hier hört man die kli­ mehr an die Stelle der Mundart tritt. Diese scheehafte Meinung, daß das Schwäbische Entwicklung könnte manchen Freund der nur „auf das Feld des Idyllischen, des Behä­ Mundart traurig stimmen; denn die Mundart big-Gemütlichen, des Komischen be­ ist nun eben einmal die vertraute Sprache des schränkt“ sein soll.26) Sicher ist im Schwa­ heimischen Umkreises, ein Stück Geborgen­ benlande das Behäbige zu finden, wie bei uns heit. Je weiter die Auswanderer früherer Zei­ in der Pfalz die humorvollen Pelzer Schbrisch. ten von der alten Heimat entfernt waren und Aber wie schwäbische Lyrik heute aussehen je fremder sich ihre neue Umgebung gab, de­ kann, läßt sich schwarz auf weiß nachlesen: sto härter kämpften sie um ihren mitgebrach­ Die „Gesellschaft zur Förderung der Mund­ ten Dialekt. Aber wenn auch unsere Mund­ art in Württemberg“ bietet in ihrer Zeit­ arten unter dem Einfluß der modernen Ge­ schrift „schwädds“ lesenswerte Beispiele sellschaftsstruktur allmählich an Boden ver­ neuer Mundartdichtung. Wie sehr und wie lieren, so sollten wir doch nicht vergessen, zu Unrecht ein Dialekt von außen her nega­ daß sie der sie überwuchernden Umgangs­ tiv abgestempelt werden kann, das zeigt die sprache als Nährboden immer wieder neue Mundart der Sachsen, das Lieblingsopfer der Lebensströme zufließen läßt. Es ist den er­ Kabarettisten und Conferenciers, wenn es wähnten Heimat- und Sprachgesellschaften gilt, möglichst noch durch Übertreibung bil­ nicht hoch genug anzurechnen, daß sie lige Effekte zu haschen. Aus dem Munde der durch ihre Bemühungen das Zurückweichen Sachsen klingt ihre Sprache gemütlich und der Mundarten zumindest verlangsamen, da bieder, dazu ist dieser pfiffige Volksstamm in und dort sogar aufhalten. Denn sie reden der Lage, sich samt seinem Dialekt „auf die nicht nur über die Mundart, sie pflegen sie Schippe zu nehmen“. Im Ohr und nun gar im auch in Wort und Schrift und zeigen damit Munde Fremder wirkt jeder Dialekt eigenar­ ihren sozialen Stellenwert. Es ist sicher ein tig, wenn nicht gar komisch. Dem Sprecher zu hartes Urteil, wenn gelegentlich von ei­ aber ist er Muttersprache. nem Kritiker der Mundarteuphorie gesagt wurde, Mundart schreibe nur der, der nicht Ziehen wir Bilanz. Mundart ist lebendige Mundart spricht.28) Und den verbreiteten Sprache und als solche dem Wandel unter­ Zweifel an der Literaturfähigkeit der Mund­ worfen. Wir sprechen nicht mehr den glei­ art29) widerlegt die stattliche Reihe „klassi­ chen Dialekt wie unsere Großeltern; der scher“ wie auch die oben erwähnte neuere Schwund an ländlich besiedelten und genutz­ Dialektdichtung. Mehr und mehr auch treten ten Gegenden als natürlicher Nährboden der neben die noch immer gebotenen traditionel­ Mundart wie auch der Sog von Wirtschaft len Heimat- und Alltagsgedichte aktuelle und Verwaltung zu den großen Städten hin und problemgeladene Verse, auch reimlose. lassen die Mundart schrumpfen. Das gilt vor So wird auch im Schrifttum ein Stück ange­ allem für den Bereich großer Städte, doch stammtes Volksgut bewahrt, das dem einzel­ bleibt das Land davon nicht unberührt.27) So­ nen kreative Möglichkeiten im vertrauten zialer Wandel und Mobilität zwingen den, Sprachraum bietet. Und alle Freunde der der Schritt halten will, zu Konzessionen, das Mundart muß ein Ergebnis des Aliensbacher heißt in unserem Falle zur Zweisprachigkeit, Instituts für Demoskopie von 1981 zuver­ damit aber auch zur sprachlichen Unsicher­ sichtlich stimmen, in dem es heißt: „Mundart heit gegenüber seinem genuinen Dialekt: Er wird hoffähig!“

322 Anmerkungen Die Umgangssprache und ihre Erforschung. In: Muttersprache 1950, S. 65 ff. 3) Theodor Siebs, Deutsche Bühnenaussprache. 9) Dieter Karch hat z.B. in der Reihe PHONAI 1. Aufl. 1898, 19. Aufl. 1969. eine Untersuchung erscheinen lassen über „Mann­ 2) Verfasser ist Mannheimer und bevorzugt des­ heim — Umgangssprache“. (1975) Ferner: C. Pa­ halb Mannheimer Dialektbeispiele. Übrigens mela Danforth, A descriptive study of an urban möchte sich diese Betrachtung in der Hauptsache Mannheim social dialect (1981). Heinz Küpper auf Baden beschränken. hat ein Wörterbuch der deutschen Umgangsspra­ 3) Das Wort Mundart findet sich zuerst bei Philipp che geschrieben (gekürzt als WB d. Alltagsspra­ v. Zesen (1640); von Joachim Heinrich Campe che: dtv-Taschenbuch 3034/35) (18. Jh.) stammt das Wort Umgangssprache, das 10) Dazu I. Radtke, Die Umgangssprache. Ein wei­ Wahrig als „Sprache des täglichen Lebens“ inter­ terhin ungeklärtes Problem der Sprachwissen­ pretiert, und das Wort Schriftsprache kam erst schaft. In: Muttersprache 83 (1973), S. 161—171. Ende des 18. Jahrhunderts auf, während „hoch­ u)Vgl. dazu dtv-Atlas, a.a.O., S. 132f. Ferner deutsch“ schon Ende des 15. Jh.s belegt ist. Hermann Bausinger, Deutsch für Deutsche. Fi­ 4) Vgl. dazu Hugo Moser, Mundart und Hoch­ scher-Bücherei 580, S. 32 f. sprache im neuzeitlichen Deutsch. In: Der 12) Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Frank­ Deutschunterricht 1956, Heft 2, S. 40 f. furt 1969, S. 129. 5) Vgl. Werner König, dtv-Atlas zur deutschen Sprache. München 41981, S. 134 u.ö. 13) nach dtv-Atlas, a. a. O. 6) Für unsere Betrachtung sind interessant: Badi­ 14) Vgl. z.B. Ebel-Meininger, 1000 Worte Pälzisch sches Wörterbuch (Ochs/Baur), das die alemanni­ mit pälzischem Schimpfwörterlexikon. Neustadt, schen und die fränkischen Dialekte innerhalb Ba­ 1979 — Wenn Schambes schennt. Rheinhessisch- dens zusammenfaßt (z. Zt. bis Buchstabe K); Mainzer Schimpflexikon. Alzey 1978. Ich habe in Schweizer Idiotikon (Stalder); Schwäbisches Wör­ einem Mannheimer Schimpfgedicht von 20 Versen terbuch (Fischer); Pfälzisches Wörterbuch (Christ­ etwa 20 Schimpfwörter eingebaut (Mudder- mann/Krämer); Südhessisches Wörterbuch sprooch 3, Landuff, landab. Karlsruhe 1981, (Mulch); Wörterbuch der elsässischen Mundarten S.81). (Martin/Lienhart). Dazu Deutscher Sprachatlas 15) Dazu u.a. Peter Assion, Der Mundart eine Zu­ (Wrede/Martin/Mitzka) und Deutscher Wortat­ kunft. Muddersprooch 3, S. 68. las (Mitzka/Schmitt, für Einzelwörter). Daneben 16) Zu diesem Problem Lutz Mackensen, Die deut­ gibt es eine große Anzahl von örtlichen Wörterbü­ sche Sprache in unserer Zeit. Heidelberg 1971, chern in unserem Raum, z.B. H. Schmitt, Wein- S. 86 ff. heimer Wortschatz; K. Bräutigam, So werd bei 17) Zum Extrem der Jugendsprache, der Discospra­ uns geredd (Mannheim); H. Baum, Alemannisches che, vgl. Werner Metzger, Discokultur. Die ju­ Taschenwörterbuch; A. Müller, Freiburger Mund- gendliche Superszene. Heidelberg (Quelle & art-ABC und viele, viele andere. Zahlreich sind Meyer) 1980. Dort bes. S. 116ff. Eine Untersu­ auch Dissertationen über örtliche und regionale chung des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche Dialekte. und internationale Studien in Köln (Verf. Wolf 7) Welche Schwierigkeiten Mundartsprecher in Oschlies) hat übrigens ergeben, daß auch die Ju­ fremder sprachlicher Umgebung haben können, gend in der DDR einen Jargon verwendet, der zeigt das Beispiel Schillers, der mit seiner schwäbi­ sich nur wenig von dem unserer Teenager unter­ schen Aussprache vor dem Theaterausschuß in scheidet. Auch dort gibt es also eine Gruppenspra­ Mannheim beinahe seinen „Fiesco“ um den Erfolg gebracht hätte. che, die der Abgrenzung nach außen dient. 8) Vgl. zu diesem Komplex W. Henzen, Schrift­ ls) Vgl. dazu Kurt Bräutigam, Die Mannheimer sprache und Mundarten, ein Überblick über ihr Mundart. Diss. Heidelberg 1934. Diese Arbeit Verhältnis und ihre Zwischenstufen im Deutschen müßte — nach fast 50 Jahren! — auf den neuesten (1954). — Friedrich Maurer, Schriftsprache und Stand gebracht werden. — Zum Problem Stadt­ Mundart. In: Der Deutschunterricht 1956/2, mundart ferner: E. Bremer, K. Gluth, U. Knoop, I. S-40 f. — Wilhelm E. Süskind, Mundart, Um­ Radtke: „Stadtsprache“. In: W. Viereck, Sprachli­ gangssprache und Hochsprache in ihrem Lebens­ ches Handeln. München 1976 recht und gegenseitigen Verhältnis. In: Der 19) So z. B. das Institut für Deutsche Sprache in Deutschunterricht 1951/4—5, S. 22 ff. Süskind be­ Mannheim. Es ist ein Projekt geplant, das die zeichnet die Umgangssprache als „unvollständig“, Mannheimer Stadtmundart unter den heutigen Be­ so daß sie leichter Modewörter und Neuschöpfun­ dingungen und Verhältnissen neu untersuchen gen aufnimmt als die Mundart. — F. J. Beranek, wird. 323 20) Vgl. Dieter Fringeli (Hrsg.), Mach keini 24) Unter vielen anderen wären zu nennen: Gustav Schprüch. Schweizer Mundartlyrik des 20. Jahr­ F. L. Hain (Pforzheim), Rudolf Stähle (Karlsruhe) hunderts. Zürich 1981. Darin sind über 40 Lyriker und Harald Hurst (Karlsruhe-Grötzingen). vertreten. 25) Auch hier nur einige wenige Namen: Gottlob 21) Unter vielen anderen Dichtern wären zu nen­ Haag, Walter Hampele, Dieter Wieland, Manfred nen: Raymond Matzen, Adrien Finck, Andre Wankmüller. Weckmann. Der Mörstadt-Verlag in Kehl betreut 26) Hermann Bausinger, a.a.O., S. 27f. diese und andere Dichter des alemannischen 27) Am widerstandsfähigsten zeigen sich die deut­ Sprachgebiets in seiner Reihe „Neue alemannische schen Dialekte in der Schweiz, in Oesterreich und Mundartdichtung“. in Bayern. Auch das Alemannische im Schwarz­ 22) S lebig Wort vu 31 Mundartdichter us em Badi­ wald ist gebietsweise noch rein erhalten. sche. Herausgeber: Muettersproch-Gsellschaft in 28) So z. B. in einer Reutlinger Diskussion am 16. 2. Freiburg. Schriftleitung: Karl Kurrus 1981, mitgeteilt von Wilhelm König in 23) Es wäre in erster Linie Rudolf Lehr (Sandhau­ „Schwädds“, Zeitschrift für Mundart, Heft 2, Juni sen) und sein Kreis zu nennen. Auch Elsbeth Janda 1981, S. 7 — die Elsbeth vun de Palz — tut viel für ihre Hei­ 29) Vor Philipp v. Zesen war tatsächlich zwischen matmundart mit Vorträgen, Rezitationen und „Schreibart“ und „Redart“ (= Schriftsprache und Veröffentlichungen. — Ich möchte an dieser Stelle Mundart) unterschieden worden, wobei die da­ doch eine Lanze brechen für den unvergessenen mals verpönte Mundart meist mit lateinisch idioma Hanns Glückstein, den Meister humorvoller Ge­ oder dialectus bezeichnet worden war. Das Wort dichte in Mannheimer Mundart. Dialekt ist noch heute beliebt.

324 Unsri Alemannesproch un ihri alte Hüeter Karl Kurrus, Freiburg

So isch die Schprooch vo rauer Art Diese Worte finden sich bei der Empfehlung im Herze aber fiin un zart; Johann Peter Hebels für die erste Ausgabe si isch voll Chraft un Chindersii: seiner Alemannischen Gedichte (23. August en Wälderbuur im Sunneschii. 1802). Er war es, der unsere alemannische Sprache zu Ansehen brachte und in überzeu­ „Von rauher Art, aber fein und zart“ nannte gender Art manche Vorurteile zurückweisen vor mehr als fünfzig Jahren Richard Gäng, konnte. Neben den Schilderungen von Natur heute der Älteste unter uns Alemanne-Schrii- und Leben hat Hebel auch den Weg geebnet, ber, unsere Sprache, die ihre Kraft aus dem geistig und künstlerisch hochstehende The­ Herzen schöpft. Fragen wir uns zunächst, men in dieser Sprache darzustellen. Es bedarf was wir unter dem Wort Sprache verstehen bei unserer Betrachtung über die Alemannen­ wollen. Kein Lebewesen in Gottes weiter sprache und ihre Hüter nicht des weiteren Schöpfung, außer dem Menschen, ist in so Erklärens, über die bahnbrechende Wirkung hohem Maße mit Gaben ausgestattet, seinen Hebels. Artgenossen etwas mitteilen zu können. Was Wer d Wohret gern het un wer freind- wir mit Verstand und Gefühl wahrgenom­ schaft heischt, men haben und was ein Leben lang als Erin­ brücht aü in unsre Zit dr Hebelgeist! nerung bewahrt wurde, können wir mit dem „geistigen Werkzeug“ Sprache weitergeben. Allein diese Erkenntnis führt uns schon da­ hin, daß jede Sprache der Menschheit Ach­ Herausragende alemannische Dichter in tung und Ehrfurcht verdient. Trotzdem darf Südbaden und soll sich jeder seiner Sprache, der Spra­ Wir wollen die Bedeutung der Vielgestaltig­ che seiner Mutter und seiner Heimat, er­ keit der alemannischen Dichtung nicht ver­ freuen und sie bewahren. kennen, in deren Gesamtwerk viele Männer Die Sprache ist ein Merkmal für zusammen­ und Frauen aller Teile unseres Sprachraumes gehörende Menschengruppen. Politische hohen Anteil haben. Einige markante Dich­ Grenzen oder Macht-Linien werden mit ter unseres Jahrhunderts seien als gültige Bei­ Hilfe der Sprache oft überschritten; willkür­ spiele besonders vorgestellt. liche Grenzen können eine Sprach-Kultur- Gemeinschaft nicht trennen. Ein treffendes Liebi Seel, do nümm un suach Beispiel ist hierfür der alemannische Sprach- gsundi Freud im blaue Buech! raum. Diese Gegebenheit wirkt sich zweifel­ Un derno würsch finde: s isch los positiv aus, indem eine nachbarschaftliche ungfehr wie de selber bisch! Verständigung in der gemeinsamen Sprache des Volkes gesunde Wurzeln hat. So lautet eine handschriftliche Widmung von Hermann Burte (1879—1960) von 1924 in „An Freunde der ländlichen Natur und seinem wortgewaltigen Buch „Madlee.“ Ja, die Dichtung; besonders in den Distrikten Kunst des lebendigen Darstellens vom Ge­ jenes Dialektes, welche diese Idee schehen bei Natur und Mensch, in einer mit Beifall ehren und die Ausführung überzeugenden Aussage, das war Burte ei- derselben unterstützen mögen.“ gen. Jeder Dichter wird seine Zeit mit wa­ 325 chen Sinnen durchleben, mit bestreiten und E Chorn in Bode, e Wort ins Wit, mit erleiden. Keiner ist dagegen gefeit, mit du ärnsch vo jedem, vo jedem, wenn s Zit! den dem Dichter besonders eigenen Ideal­ vorstellungen an Realitäten Schaden zu neh­ M it Hubert Baum (1906—1976) denken wir men. Es würde aber der guten Sache unserer voll Dankbarkeit an einen Alemannendich­ Sprache und der Persönlichkeit eines unserer ter, der sich in der Nachkriegszeit als Brük- Dichter nicht gerecht, wollte man nicht aner­ kenbauer zwischen den Generationen be­ kennen, welche hohe Gabe sein wesentliches währt hat. Neben seinem eigenen dichteri­ Werk, welches mutige Wagnis sein Geist, schen Schaffen hat er all die Menschen um und welche Aufrichtigkeit die Einsicht eines sich geschart, die das alemannische Wort Irrtums bedeutet. Einer der besten Kenner weitertragen wollten. Dichtertreffen und Le­ alemannischer Dichtkunst, der Schweizer sungen wurden von ihm organisiert und da­ Professor Georg Thürer, hat das Werk und mit in schwerer Zeit wieder ein Anfang ge­ den Menschen Burte so beurteilt: „Das Ver­ macht, für die Heimat und ihre Menschen hängnis und das Vergängliche treten zurück! das Lied des Besinnlichen und der Freude zu Dem Bleibenden aber gebührt unsere Ach­ singen. Sein Buch „Freude am alemannischen tung, und dem Einigenden gehört unsere Gedicht“ brachte 1968 Nachweise mit Na­ Liebe.“ So dürfen wir frohen Herzens Her­ men und Werken von 1803 — Hebels ale­ mann Burte als Meister und Beispiel für alle mannische Gedichte — bis zur Gegenwart. sehen, die sich gestaltend und erhaltend der Die Hebel-Gedenkplakette war 1970 eine al^nannischen Sprache zugewandt haben. redlich verdiente Anerkennung für Hubert Ihm, dem Geistes- und Wortgewaltigen sei Baum, der zwei Jahre später mit seinem aus dem Gedicht „Letzte Bitte“ gerne noch- „Alemannischen Taschenwörterbuch für Ba­ einmal das Wort gegeben. den“ manchem jungen Dichter eine praktika­ Es fallt uf mi so chalt wie Schnee ble Hilfe gab. Wie bei den anderen Schrift­ ne hässige Vergunscht, stellern soll hier ein kurzes Gedicht ein Bei­ doch ständig wird me läbig seh spiel für sein vielgestaltiges Schaffen geben. my Wäse un mi Chunscht. Fang aa! Gang dra un förch di nit, wyl Gott allbott e Hülf der git. Die Markgräfler Dichterin Lina Kromer, Schaff s guet! Kei Wuet macht gschickti (1889—1977) wie Hermann Burte mit dem H änd, Hebelpreis ausgezeichnet, ist genauso eine doch Rueh hilft zue me guete n End. hochbegabte Künderin des Wortes, von der ich in einer Feierstunde auf Schloß Bürgeln sagen durfte: „Der Heimat treu — und doch Ein seit Jahrzehnten bis heute kerniger und den Sternen nah!“ So waren Leben und weitbekannter Künder für alemannisches Werk dieser ebenso bewundernswerten wie Wort und Heimat ist Gerhard Jung einfachen Frau aus Obereggenen. Ihre Ver­ (* 1926). Seine vielen Schriften, die Lesun­ öffentlichungen in alemannischer und auch gen landauf und landab, sein aktives Wirken in hochdeutscher Sprache kamen aus hellwa­ beim Schwarzwaldverein und mit der hei­ chem Geist und gemütvollem, frommen Her­ matlichen Volkstanzgruppe — natürlich in zen. Ihre feinsinnigen Worte seien angedeu­ Tracht! —, das alles hat ihm einen großen tet mit einer knapp gefaßten zeitlosen Aus­ Kreis von Freunden und Verehrern geschaf­ sage: fen. Den Hebelpreis von 1974 gönnt ihm je­ der, der ihn kennt. Neben dem unermüdli­ Saie un ärne, s isch allewil s glich. chen eigenen Einsatz mit dem zündenden Saie un ärne, s macht allewil rieh. alemannischen Wort, organisiert Gerhard 326 Jung seit vielen Jahren die Veranstaltungen Dr Danzknopf kannsch zum Danze bringe, des Hebelbundes Lörrach „Begegnung mit Dofir sin selli Rille dran. Dichter und Werk“, wobei auch die jüngere Du bruchsch kei Musik, muesch nit singe, Dichtergeneration zu Wort kommt. Seine Muesch bloß e guedi Geißel han. Begabung und sein Einfühlungsvermögen So geht’s au uns in usrem Lewe: bringen vielgestaltig Frohes, Erlebtes, Be­ E Großer kommt oft so doher sinnliches und Mahnendes; kurzum, Ger­ Un duet schnell sinni Geißel hewe hard Jung schöpft aus dem Vollen, zur Un geißelt uns bös vor sich her. Freude vieler dankbarer Menschen. Das Ge­ dicht „Uf de Schwelle“, das einem seiner zahlreichen Bücher den Titel gab, lassen uns Doppelbegabungen: Unsere Malerpoeten den zeitbezogenen Geist dieses Dichters und seinen Blick zur Ewigkeit erkennen. Wer Kunst will verschenke muaß vorher bedenke, Mer chömme allbott an e Schwelle, ergrinde zuam finde mit Geist un im Gmiat wo keine weiß, wie s witergoht. s recht Wort, s herzhaft Liad; Ob Wirbel warte, Wuet un Welle, mit Bruusch un Brüel, mit Schlag un Not. muaß s heimelig Bild üs em Lebe, wu gilt, Loß der nit d Angst de Weg verstelle! muaß s Naturwunder mole, Schnuuf dreimol tief, no wog de Schritt! aü mol Traümschlössli hole, De bisch au hinter alle Schwelle mit Pinsel un Kohle. — in Gottes Hand. Vergiß es nit. Wer dia Kunst will gniaße Die zahlreichen Veröffentlichungen unserer soll s Herz ufschliaße! alemannischen Dichter, auf die wir im ein­ zelnen gar nicht eingehen können, dazu die Als Malerpoet — für Hermann Burte sei das­ Dichterlesungen und Vorträge, zeugen von selbe Prädikat nachgetragen — schätzen wir einer Hingabe an das zeitfordernde schrift­ Eugen Falk-Breitenbach (1903—1979) aus stellerische Tun. Daß dies neben der Erfül­ dem Molerhiisli in Hausach. Von ihm dürfen lung beachtlicher Berufspflichten geschieht wir ohne Einschränkung sagen: „Naturge­ ist bemerkenswert und dankbar anzuerken­ treu sein Bild der Heimat, und wahr sein nen. gläubig-frohes Wort!“ Sein klares Auge und Ein vollgültiges Beispiel hierfür gibt uns Phi­ die Innigkeit, mit der er das Wunder Natur lipp Brücker (* 1924). Zwanzig Jahre war betrachtet hat, führten ihm die Feder, Pinsel Dr. Brücker Oberbürgermeister der Stadt und Zeichenstift; Ergebnis: grundechte Tan­ Lahr und deshalb mit verantwortlicher Arbeit nen und Schwarzwaldhöfe und bei Motiven und einem vollen Terminkalender stets bela­ aus der geistigen Welt Darstellungen mit stet. Doch sein frohes, menschenfreundliches dem seltengewordenen Prädikat ,Ehrfurcht’. Wesen, seine Liebe zur Heimat und ihrer Vier Zeilen verraten schon Vieles vom Geist Sprache trieben ihn dazu, mit Geschichten unseres Malerpoeten Eugen Falk-Breiten­ und Gedichten seine Dichtergaben zu ver­ bach: schenken. Eine gute Beobachtungsgabe läßt De Wääg un Zit isch jedem gmässe, ihn und damit seine Leser oft eigenartige, d Dääg un d Schtunde jedem zehlt; aber trotzdem liebenswerte Zeitgenossen er­ s Menschemaaß isch bal vergässe, kennen. Damit wird ein herzhaftes Schmun­ will s nu gilt uf dääre Welt. zeln gewonnen, das der Lebensweisheit nicht entbehrt. Einige Zeilen aus „Danzknopf“ Holzschnitte und kernige Verse in alemanni­ (Kreisel) sollen dies zeigen. scher Mundart sind die Stärke von Alban 327 Spitz (* 1906). In seinem romantischen Frauen und ihr alemannisches Wort Heim in Minsein entstanden aber auch viele Zeichnungen und gemalte Bilder, die alle Neben der schon gewürdigten Linä Kromer kräftige Natürlichkeit wiedergeben. Alban hatten und haben wir eine ganze Reihe von Spitz hat sich auch daran gewagt, Hebels Frauen, denen das Dichten in alemannischer Kalendergeschichten ins Alemannische zu Sprache am Herzen liegt. Lin Ritter-Potika übertragen. 1978 verlieh ihm die Gemeinde (1888—1981), im Elsaß geboren, war die Hausen die Hebel-Gedenkplakette. Mit meiste Zeit ihres Lebens bei uns im Badi­ Worten, wie in Holz geschnitten, offenbart schen. Sie schrieb geschichtsbezogene Thea­ uns Alban Spitz Lebensweisheiten, wie z.B. terstücke, Geschichten und vor allem ihre in seinem „Dänk dra.“ „Eisasseschi Heiku.“ Diese japanische Vers- form besteht aus siebzehn Silben in drei Zei­ Gwüüß, mä mueß läebe, len. Der markanteste davon — ihr Leben voll­ aber au Mansch drbi bliibe, zog sich ja zu beiden Seiten des Rheines — mä darf s chratze und raggere it übertriibe. war: A Hüüchli, ä Rüüchli, und s isch alles verbei Worum trennt uns e Rhi? und mänggs isch drno ainerlei. Ass mir zeige chenne, wie me Brücke bäut. 50 farbig-eigenwillig und wohlgeformt, wie seine Gedichte und Geschichten, sind die Bil­ Zu Beginn stellten wir fest, daß die aleman­ der und Tongefäße von Bruno Epple nische Sprache „im Herze fiin un zart“ ist. (* 1931). Mit den Werken seiner naiven Ma­ Wer könnte den Beweis dafür besser antre- lerei holte er sich 1977, unter 56 Teilneh­ ten, als unsere Dichterfrauen. Bei Ida mern aus 16 Ländern, den ersten Preis in Preusch-Müller (1889—1974) finden wir viele Gold. Sein Hauptberuf: Gymnasial-Profes- tiefe Gedanken über Mutterliebe und demü­ sor in Radolfzell; seine künstlerische Beru­ tiges Ertragen von Schicksalsschlägen. fung wie schon erwähnt vielseitig. Unter dem Titel „Wosches“ vermittelt er das Wissen Ai Chind — ai Freud un tausig Sorge, über ausgefallene Worte; eine Fleißarbeit, doch „Chinder“ sin e große Schatz, die belehrend und belustigend ankommt. Ei­ drin lit e Sege tief verborge. gentümlich, er geht mit seinen Schafen Al­ Sag, Muetterherz, wievil hän Platz? pha, Beta und Gammerle spazieren und lernt dabei selbst Neues: „gäppe“ heißt „nach Luft Solche Worte lassen uns an Hebel denken, schnappen.“ Sein Dichter-Erkennungszei­ der erkannte: „Muetterlieb isch zart und chen wird aber bleiben: frumm.“ 51 hond gseet: de Maa isch dot, Hedwig Salm (1889-1981) hat uns Vieles etz isch er dot, etz hom mern dot, geschenkt, was im „Heimatgarten“ blühte hond si gseet. und „Aus des Herzens Fülle“ kam. Sie hatte Hond e Red vum Pfarrer gheert, die Kraft des Geistes bis ins Hohe Alter be­ vum Vorstand gheert, vum Lehrer gheert, halten, und schrieb noch mit achtzig Jahren Red um Red. jugendfrisch die Erlebnisse im Hochschwarz­ wald. Ihr Sinnen galt dieser Welt und der Wie beglückend ist es für unsere Malerpoe­ ändern. ten, daß sie ihr herzhaftes Alemannenwort Viel vom Änedrane luegt ins Lebe-n iine. mit der Kunst aus eigener Hand illustrieren S cha wie d Sunne schiine können. Es sei ihnen neidlos gegönnt. un e Wegspur bahne. 328 Trost chunnt wie agfloge, un drüber hi weiht vo de Berg der Heimet d Welt würd neu un groß: Ode . . . Ufrecht traisch dy Los das isch für mine Teil der schönste unterem Sterneboge. Lebesgwinn. So gingen auch die Gedanken von Paula Ist es nicht mit Genugtuung zu vermerken, Hollenweger (1900—1980), trotz lebenslan­ daß eine Frau, die ein Loblied „Der Klang im ger Verbundenheit mit „Rose und Rebe“, zu Stein“ auf das Freiburger Münster schrieb, so dem großen „Geheimnis:“ treu dem Heimelig-Schönen zugewandt ist?! Wenn in de Nächte dunkel An das Ende unserer Zeilen über die Frauen kei Stern am Himmel goht, mit dem Alemannenwort stellen wir nochein- kei helle Schii, kei Gfunkel, mal einige Zeilen von Lina Kromer, aus ih­ wu suscht so tröschtli stoht, rem vor fünfzig Jahren geschriebenen Ge­ dichtband „Im Blaue zue:“ dno cha n i gspüre, ahne, aß größri, stärchri Macht S isch um die Frau e heimli, uf no vil höchri Bahne es still verborge Liecht, uns ziehn in dunkle Nächt. wie d Stern am schönste schiine ob Näbel grau un fiecht. Unsere Dichterin von Feldberg bei Müllheim erhielt 1967 die Hebel-Gedenkplakette. In der Sammlung „Sagen vom Oberrhein“ D Zit isch e Bruck vum Gestert zuam Morn hat Paula Hollenweger ein Stück ihrer Hei­ mat-Arbeit geborgen, worin sie vielgestaltig Wenn wir von den alten Hütern der Aleman­ versucht, dem alemannischen Grüblergeist nensprache reden, so gehen unsere Gedan­ gerecht zu werden und dem Guten den Weg ken weit zurück ins vergangene Jahrhundert. zu ebnen. Alle Dichter vergangener Jahrzehnte mit ih­ Der Batzenberg hat seine Dichterin in Liesel ren Werken aufzuzählen, ist innerhalb unse­ Meier-Küchlin (* 1907). Selbst Bauersfrau rer Betrachtung nicht möglich. Wir müssen kennt sie die Arbeit in Feld und Reben, weiß uns damit begnügen, eine Reihe von Namen über den „Brunne bim Lindebaum“, von al­ zu nennen, deren Erbe nicht vergessen wer­ ten Mühlen und vom „Burefliß“ zu berich­ den darf. Mancher Gedichtband von guten ten. All den Weindörfern in ihrer Nachbar­ Freunden, seien sie schon drüben in der ande­ schaft singt sie das Lied von Reben und ren Welt, oder gottseidank noch bei uns, Wein, und hat doch immer ein höheres Ziel wird oft und gerne aufgeschlagen, um diese vor A ugen: heimelig-besinnlichen und frohen Gedanken E gläubig Härz, e stille Sinn, wieder in uns aufzunehmen. Dabei denken in Freid un Schmärz bringt äs dir Gwinn. wir an Walter Füsslin, Maurus Gerner-Beu- erle, Fritz Guggenbühler, Ernst Haberstock, Eine von unseren Dichterinnen, Gertrud Hans Hauser, Hermann Länderer, Desiere Albrecht (* 1909), hat die Sendung der für Lutz, Michel Maier, Hans Matt-Willmatt, die Verskunst begabten Frauen im Aleman­ Emil Müller-Ettikon, Ernst Niefenthaler, Ri­ nenland — wie sie es für Ida Preusch-Müller chard Nutzinger, Karl Sättele, Gottfried schrieb — so gesehen: Schafbuch und Frieder Weber-Benzing. Sie Lönt mine Blueme blüehe in der Heimet- alle verdienen Dank und Anerkennung für sunne, das, was sie schriftstellerisch und in sonstiger lönt mine Lieder wurzle in mim Heimetbode, Weise für unsere alemannische Heimat getan do isch die urchig Chraft, so tief do inn haben. 329 Aus den einzelnen Gedicht-Proben ist er­ Er tuat au mänkmol wecke sichtlich, wie unterschiedlich die Schreib­ mii Geist un stupft un bohrt, weise der alemannischen Texte ist. Eine ein­ drum Chrüüsli, loß mr s schmecke, heitliche Rechtschreibung würde die bunte er hilft biim Dichterwort. Sprachlandschaft stören oder gar zerstören. Werner Richter Es bleibt deshalb jedem Dichter überlassen, seine Texte in der Schreibweise wiederzuge­ ben, die der Lautwiedergabe (Phonetik) sei­ nes Dialektes am nächsten kommt. Im Zwei­ Noch diim Wese, noch diim Wii, felsfalle ist Anlehnung an die Schriftsprache noch em junge, starche Rhii, zu empfehlen. noch em Land im Bluescht un Schii stoht miin Sii. „Raum und Zeit“ — ein vielverwendetes Un dii Sproch, wie dunkli Glocke, Dichterwort — diese beiden Begriffe sollen samtig warm, so duet si locke uns Pfeiler sein für eine Brücke, die uns vom zue dir hi, ausgehenden 19. Jahrhundert bis in unsere ewig zue miim Land am Rhii. Tage führt. Wir lassen stellvertretend für die Paul Sättele vielen Dichterfreunde Paul Sättele (1884—1978) und Werner Richter (* 1929) zu uns sprechen, zwei Menschen unserer Heimat, deren Leben fast ein halbes Jahr­ hundert auseinander liegt. Auch hieraus kön­ Mit diesem Rückblick wurde versucht, die nen wir ersehen, wie beständig das Bekennt­ Heimatdichter der gewesenen und der älte­ nis zur Heimat ist. Sowohl in besinnlichen ren Generation vorzustellen und ihre Werke Worten, dem Ewigen zugetan, wie auch aus in Erinnerung zu rufen. Beglückend ist es, frohem Herzen, das Leben bejahend, sind daß die junge und neue alemannische Dich­ uns die alemannischen Dichter treue Beglei­ tung bei einer großen Zahl von Menschen ei­ ter durch die Zeit, auf dem Weg über die nen Platz gefunden hat, wo Wurzeln, Blüten Brücke vom Gestern zum Morgen. und Reife mit Gedicht und Lied den Fortbe­ stand dieses Kulturelementes sichern werden. I ha ne feine Rote Gemeinsam wollen wir das Erbe hüten und und das isch gwiß kei Sünd, in die Zukunft schreiten mit dem Grundsatz: er chunnt als guete Bote S Guat vum Alte bhalte uf Bsuech, als guete Fründ. un muatig s Neui gstalte!

330 Neue alemannische Dichtung am Hochrhein Versuch einer Bestandsaufnahme Gerhard Jung, Lörrach

„ Und aus des Nebels Wolkenkreis glaubte, diese Ausnahme machen zu dürfen, hebt sicb’s wie eine Hand: weil es sich dabei um Menschen handelt, die Der alte Hebel segnet leis in den fünf Jahren gereift, verändert und ge­ sein alemannisch Land!“ wachsen sind wie etwa Manfred Bosch, Mar­ kus Manfred Jung, Johannes Kaiser, Wolf­ Diese Verse von Josef Viktor von Scheffel gang Scheurer oder Monika Schreiber-Loch. fielen mir ein, als ich den Anfang für mein et­ „Am Hochrhein“ bedeutet hier leider nur die was leichtsinnig versprochenes „Werk“ Uferstrecke rechts des Rheines von Waldshut suchte. Die Vision des alten Meisters, der da bis an den Kaiserstuhl und das Stück Süd­ auf dem Feldberg sitzt und seine Augen über schwarzwald, das eine Verbindungslinie die­ das Land am Hochrhein schweifen läßt, vom ser Eckpunkte nach Norden abgrenzt. Na­ Jurariegel des Randen bis ans Rheinknie mit türlich widerstrebt es mir sehr, den Rhein als der stolzen „tollen“ Stadt Basel und west­ „Grenze“ zu bezeichnen, für die Mundart ist wärts hinauf bis nach Freiburg, der Stadt er ja viel eher ein verbindendes Element. „des Waldes, des Weines und der Gotik“ und weiter rundum über die Höhen des Süd­ Aber die „neue“ Mundartdichtung in der schwarzwalds, diese Vision kam mir immer Schweiz und im Elsaß einzubeziehen, war wieder in den Sinn, als ich mich mit der schlichtweg unmöglich. Das muß späteren „neuen“ Mundartdichtung näher befaßte. Aufsätzen Vorbehalten bleiben. Fast körperlich spürte ich das Lächeln des Als „Dichterinnen und Dichter“ suchte ich „Schutzgeistes der Alemannen“ über meinen aus, wer in den letzten Jahren Bücher in Versuch. Bestandsaufnahme der neuen ale­ Mundart verfaßt oder in Wettbewerben be­ mannischen Dichtung am Hochrhein? Da sonders auf sich aufmerksam gemacht hat. Es hast du dich in etwas eingelassen, Freund! ist mir sehr wohl klar — vor allem aus den Nun gut, aus der Bestandsaufnahme ist nur alljährlichen Veranstaltungen des Hebel­ Stückwerk geworden. Aber auch ein Anfang bunds Lörrach „Wer kann, der darf“ (Reihe: ist nützlich. Begrenzungen sind ohnehin Begegnung mit Dichter und Werk) — daß es nicht zu vermeiden, wenn Bestand aufge­ noch viele versteckte und wertvolle Talente nommen wird. Das hat schon Hubert Baum gibt landauf und landab, die eigentlich hier erfahren, als er 1968 seine Anthologie erwähnt werden müßten. Die Auswahl der „Freude am alemannischen Gedicht“ schuf, Mundartpoeten, die nachstehend — in alpha­ Karl Kurrus ging es nicht anders, als er zehn betischer Reihe — mit Bild, Leben und Kost­ Jahre später für die Muettersproch das „s le- proben der Arbeit vorgestellt werden, hat da­ big Wort“ zusammenstellte. Sie waren mir her viel Zufälliges und Unvollkommenes an Vorbild und Begrenzung zugleich. Aller­ sich. Sie kann und will nur ein Anfang sein, dings habe ich in meine Bestandsaufnahme der zwingend nach Ergänzung und Fortfüh­ auch einige junge Dichter aufgenommen, die rung ruft. Nehmen Sie, liebe Leserin und lie­ schon im „s lebig Wort“ zu finden sind. Ich ber Leser, mit diesem Anfang gütig vorlieb! 331 tung, Ernst und Liebe als Muttersprache für Mann und Kinder angeeignet hat. Es ist ihr längst keine Fremdsprache mehr. Ihre beson­ dere Musikalität erleichterte ihr das Einfüh­ len in das Wesen der alemannischen Mund­ art, das spürt man in ihren Gedichten beson­ ders. Chansons und Tanzschlager aus ihrer Feder wurden verlegt und waren schon mehrfach im Rundfunk zu hören. Uber ihre Arbeit sagt Charlotte Böhler-Muel- ler selbst: „Ich schreibe, weil mir die Gedan­ ken einfallen und weil ich diese Gabe als ver­ pflichtendes Talent auffasse. Es ist mein Wunsch, den Menschen damit Hoffnung und Trost zu bringen; das Stückchen BLAU am manchmal grauen Himmel zu zeigen, in­ dem ich lediglich das schreibe, was andere ebenfalls denken und fühlen, wie mir oft ver­ BÖHLER-MUELLER, Charlotte El sichert wird.“ wohnt seit 1948 im Markgräflerland. Anschrift: Bruckmatten 18, 7889 Grenzach- W yhlen Die am 5. April 1924 in Buxheim/Allgäu als Folgende Bücher von Charlotte El Böhler-Mueller neuntes Kind frommer und musischer Eltern sind bisher erschienen: geborene Dichterin musizierte, komponierte, BUXHOIMER G’SCHICHTLA UND GE- DICHTLA (1980) malte und schrieb Gedichte schon in jungen Martin Verlag, Walter Berger, Buxheim/Allgäu; Jahren. Vieles entstand in den Nachtdiensten im Kriegseinsatz zwischen 1941 und 1945. SENDEPAUSE DER ERWARTUNGEN (1981), Als Hausfrau und Mutter von vier Kindern Aphorismen und Definitionen blieb ihr lange versagt, Bücher herauszuge­ Martin Verlag, Walter Berger, Buxheim/Allgäu ben; Veröffentlichungen in der Presse so­ NIMM DR ZIT! (1982) alemannische Gedichte wohl im Wohnort Grenzach als auch im be­ Mund- und Herzensart. nachbarten Basel, woher ihr Ehemann P. K. Schneider Verlag, 7889 Grenzach-Wyhlen 2 stammt, oder in der Jugendheimat Memmin­ FÜR JEDEN AUGENBLICK (1982), Glück­ gen erschienen und erscheinen seit zwanzig wunsch, Dank und Trostgedichte, alemannisch Jahren regelmäßig. Ihr Namenszeichen und Schriftdeutsch. ChBM stand und steht unter zahlreichen Be­ P. K. Schneider Verlag, Grenzach-Wyhlen 2 richten, Betrachtungen und Gedichten. PERLEN FÜR DICH (1982), Aphorismen und ChBM ist außerordentlich vielseitig, ohne Lebensansichten. dadurch ihre gerade Linie zu verlieren, den P. K. Schneider Verlag, Grenzach-Wyhlen 2 Grundton einer frohen, lebensbejahenden Frömmigkeit. Er spricht aus ihren hochdeut­ In einigen Anthologien und Jahrbüchern sind schen Versen und Aphorismen ebenso wie Aphorismen und Gedichte von ChBM zu finden, aus ihren Gedichten und Erzählungen in der weitere Veröffentlichungen — unter anderem auch Allgäuer Mundart oder im Grenzacher Ale­ mit Mundartsketchen in Alemannisch — sind in mannisch, das sich die „Zugereiste“ mit Ach­ Vorbereitung. 332 Nimm dr Zit! Am Morge wenn im Bett verwachsch Un zringsum liht no alls in Rueh Bis uf es Vögeli wo singt Dno los em au e Rüngli zue! E Plappermüüli schwätzt un schwätzt Vo tuusig Sache wo's wött due Vo tuusig Sache wo's scho weiß Chumm, nimm dr Zit un los em zue! Din Maa chunnt vo der Arbet heim; Hüt het er bis do obe gnue; Hättsch du au z’schaffe: Nimm dr Zit Un los im zerst e Rüngli zue! En alte Mensch — er lebt ellei — Wird selte g’frogt noch sinem Due; Wenn sellem ’s Herz grad übrelauft Dno nimm dr Zit un los em zue! So denk doch au: de liebi Gott Het gwiß bi Tag und Nacht kei Rueh So oft DU aber an EN denksch Luegt ER di a un lost dir zue!

333 BÖHLER-LORITZ GERTRUD Muetterschproch! Anschrift: Schopfheimer Straße 50, 7867 Wehr/Baden Mir Alemann hen e Schproch, die schmöckt noch altem Wii, Am 5. Oktober 1919 in Wehr am Fuße des s’isch, wenn si u ff de Zunge hesch, Hotzenwalds geboren und aufgewachsen, en Ärdguu no debii. hatte die Dichterin schon in der Schule ihre Liebe zum Schreiben und Fabulieren ent­ Eusi Alemanne-Schproch, deckt. Später, als sie einen Schwerkriegsbe­ die schmöckt noch Buurebrot, schädigten Mann und drei Kinder zu versor­ so härzhaft chärnig, si isch grad gen hatte, sprudelte das Brünnlein ihrer us rächtem Chorn und Schrot. Dichtung meist nur für den „Hausgebrauch“ bei Familienfesten oder — was bei einer It jede cha die Schproch verschtoh, „Währeri“ nicht zu verwundern ist — an der it jede mag si höre, Fasnacht. Erst als dreiundsechzigjährige mängge duet in eusre Schproch Großmutter wagte sie sich auf das Drängen de herti Ton drin schtöre. ihrer Freunde hin an die Öffentlichkeit. Mundart als Sprachmittel ist ihr angeboren Die Schproch, die het is d’Muetter g’lehrt, und selbstverständlich. Sie will mit ihren von und dodruff sin mr schtolz, Herzen kommenden und zum Herzen re­ bodeschtändigi Alemanne, denden Versen Freude oder Trost schenken. die sin us g’sundem Holz. Lebenserfahrung und viel Gemüt sprechen aus den schlichten Aussagen, deren Themen­ Im Lauf vo de Johrhunderte wahl immer im vertrauten Umkreis und Le­ het mängge welle bigge benskreis bleibt. Sie ist eine echte „Heimat­ ins g’sundi Holz e Kerbe dri, dichterin“ mit all den hohen Graden und doch keim het’s welle glügge. auch den Beschränkungen, die in diesem Wort stecken. Mir bliibe treu de Muetterschproch, me wen si sorgsam pfläge, Von Gertrud Böhler-Loritz ist im Selbstverlag er­ schienen: HEB DI GUET, alemannische Gedichte no würd si eus und euse Chind (1982). au witerhi zum Säge. 334 Folgende Mundartbücher gibt der Dichter im Selbstverlag ab: UF DEN TAG WART I (1976) MIR HOND NO GNUEG AM AALTE (1978) IHR SIND MR NO E SCHÄNE GSELL- SCHAFT (1980)

BOSCH MANFRED Paradox Anschrift: Neumattenweg 30, 7888 Rheinfel- den Grad etz Wer it woos Der 1947 geborene freie Schriftsteller ist in wanner will Bad Dürrheim im Schwarzwald geboren, wo s sovl Arbeitslose hot dort und in Zell/Harmersbach zur Schule isch mr gegangen und kam als Gymnasiast nach Ra­ dolfzell, das ihm wohl die wichtigsten Ein­ gäbs meh denn je it grien drücke für seine Tätigkeit als Mundartdich­ aazpacke ter mitgab. Am Hochrhein lebt er mit Frau Aber die und Kind seit 1980. wo s ganz genau wisset Neben sehr vielen schriftdeutschen Werken Froog i den Kerle: des sozialkritischen und politisch hellwachen Wem gheersch Du ? Schriftstellers treten die Gedichte in Boden- vor sellene see-Mundart scheinbar in den Hintergrund, isch mrs Seet der: himmelangst sie sind aber alles andere als Ausflüchte oder mir selber gar geruhsame Rastpunkte. Auch in der Mundartdichtung kämpft Manfred Bosch ei­ I glaub nen unerbittlichen Kampf gegen die Verlo­ etz simmer go genheit und Verderbtheit der Gesellschaft. so w iit Der engagierte Kriegsdienstgegner schont Etz hommer weder sich noch seine Umwelt, wenn es si seil Ziit darum geht, der Menschlichkeit Bahn zu vu dere se brechen, Dickichte zu durchstoßen, Sümpfe Wa no it isch emol saget: wegbar zu machen. kaa no werre Für seine Mundartdichtung erhielt Manfred friener isch Bosch 1974 einen 2. Preis des süddeutschen wa it werre kaa alls besser gsi Rundfunks, 1976 einen ersten Preis des ale­ bruucht au it si mannischen Gesprächskreises und 1978 den Siehsch: Bodensee-Literaturpreis der Stadt Uberlin­ un wa it sii bruucht so schnell gen. goht mi au nind aa bisch zfride 335 BURTH THOMAS sprünglichkeit dieser Sprache, dem herben Anschrift: Talstraße 67, Langenau, 7860 Klang und der Vielgestaltigkeit faszinieren. Schopfheim Es reizte mich, Sprachbilder zu zeichnen mit unkonventionellem Material, Stimmungen Thomas Burth ist ein „Seehaas“, den es 1982 und Rhythmen hervorzuzaubern, wo man ins Wiesental verschlug. Der 1934 geborene keine vermutet. So entstanden Erzählungen Dichter fand über die Berufe als Textilkauf­ und Gedichte, die sich nicht reimen.“ mann und Lehrer an der kaufmännischen Be­ Thomas Burth wurde Rezitator und Hör­ rufsschule zum Bankfach. Er ist heute Mar­ spielsprecher, er begann Zeitungskolumnen ketingleiter einer großen Schopfheimer zu schreiben, Hörspiele und Aphorismen. Bank. Dichterlesungen landauf und landab schufen Uber seinen Werdegang als Mundartdichter ihm viele Freunde. sagt er selbst: „Daheim in der Mundart auf­ gewachsen, setzte ich in den Jahren der be­ Von Thomas Burth gibt es folgende Mundartbü­ cher: ruflichen Wanderschaft (Kaiserslautern, Hei­ KLÄNE BILDLE, Radolfzeller Mundart (1976) denheim, Singen) alles daran, den Dialekt im Selbstverlag aus meiner Umgangssprache zu verbannen GSCHWÄTZT WIE GMOLET; Radolfzeller und durch ein einwandfreies Schriftdeutsch Mundart (1980) zu ersetzen. Ich wollte endlich einmal nicht Verlag Südkurier Konstanz mehr als Badenser, Schweizer oder Schwäble eingestuft werden. Nach vielen Jahren — längst wieder daheim — äußerten norddeut­ sche Kurgäste ihre Vermutung, daß ich si­ cher nicht von hier sei, da ich ein richtiges Deutsch spräche und sie mich deshalb ver­ stünden, was bei den anderen Einwohnern nicht der Fall sei. Mein Komplex war über­ wunden. Ich ging der Radolfzeller Mundart wie einer Fremdsprache nach — die ich noch gut beherrschte — und ließ mich von der Ur­ 336 A verflixte Gschicht Sisch ä verflixte Gschicht daß de meischt vu dene ehhes homzahlt kriegsch dene du gamix vedlehnet hosch

De Geizige I ka des Elend it sehne set de Geizige und lueget schnell uf d’Siite

Zum Lache Sisch doch grad zum Lache wi schnell ä saudumms Gschwätz gar nimi so saudumm isch wemer dodemit globt wird

Emigrazion Er glaubt Geld kennt it alls si ’s Büro kennt it ’s Lebe si de Boss kennt it ’s Oberscht si d’Rente kennt doch it \ Letscht si Er glaubt ebbes anders winers vum Gschäft her manchmol glaube sot. Wa nem blibt isch all Dag die Emigrazion: hom. DIETSCHE FRANK Frank Dietsches Lieder sind enthalten in ALE­ MANNISCH Z’SINGE, Lieder und Chöre aus Anschrift: 7842 Kandern-Sitzenkirch unserer Zeit (1979), herausgegeben vom Ober­ markgräfler Sängerbund, Postfach 2112, 7850 Geboren wurde Frank Dietsche in Berlin am Lörrach. 18. Oktober 1938, aber schon nach drei Mo­ naten siedelte er nach Grenzach über, wo er in fast rein bäuerlicher Umgebung aufwuchs und wurzelte. Er besuchte das Hebelgymna­ sium in Lörrach und wechselte nach Basel und Bern, wo er die Maturitätsprüfung ab­ legte. Studienjahre in Basel und München folgten. 1967 wurde er Lehrer. Er ist verhei­ ratet und hat drei Kinder. Seit 1970 wohnt er in Sitzenkirch. Seine besondere Musikalität machte ihn bald zum begehrten Chorleiter. Professor Percy G. Watkinson gab ihm An­ stoß und Ermutigung, Lieder und Balladen in alemannischer Mundart zu schreiben und zu vertonen. Heiterkeit und Besinnlichkeit und viel Herzensfrische sind seinen volks­ liednahen Melodien eigen. Seine Lieder vom „Wäldermaideli vo Vogelbach“ oder von der „Zibelewaihe“ sind überall daheim, wo ale­ mannisch gesungen wird.

338 Waie-Lied Text und Melodie von Frank Dietsche Satz: Percy G. Watkinson Vorsänger G Am D7 G

I WTF mÜ— t 5 r ( 8) 1. Zi-be-le schnätz-le cha-ni nit, i mueß im - mer plä - re, Alle: Am Ö7 * ------h £ = 3 F = I - r - *- (») Doch wenrfsZi - be - le - wai - e git, sei - li tue - ni geh - re! Im Doch wenrfsZi - be - le- wai - e git, sei - li tue-ni geh -re! g f i gTg J ’ f p I Kehrvers r ---J *------V- - J- ■ * — =1 D 1------—\------^ ------p— CS) Pflueg, im Pflueg, git’s gnueg, gifs gnueg. Im Im Pflueg git’s gnueg, gifs gnueg! Im Pflueg git’s gnueg, gifs gnueg! G , \ h — " , , h j » K r — 7 J U ^ 1 M ^ -r - J fi j $ £ i m r i J ii 18) Pflueg, Im Pflueg, git’s gnueg Zi-be-le - wa- ie! Im Pflug, im Pflueg gips Zi-be-le - wa - ie!

G D 7 r - 3 - n G ---- S— «.------v i » - s - ■

-----1—+2L4 1. ---0— J : 7

n . 1 :s) 2. Un wenn Fritigzobe isch. 4. Zibelewaie schmeckt im Ma 6. Waie ohni Rebewi hock i in de Chare. un schmeckt au de Wiber. seil isch’s halbe Lebe. Denn, wer richtig hungrig isch, Was me nochher höre cha, Schenk mer none Gläsli i mueß uf Holze* fahre. seil verschwigi lieber. un leer nüt dernebe! 3. Zibelewaie hebt de Muet, 5. Hesch die ersti Waie gha, * Der »Pflug« ist eine bekannte stärkt der Chopf un Mage. muesch e Päusli mache. Gaststätte in Holzen, einem Schmeckt sogar de Preuße guet, Bschau die Maidli nebendra, Dorf im Rebland. Der Name wenn si’s au nit sage. wie si fründli lache. kann entsprechend den örtlichen Gegebenheiten abgewandelt werden. Lied für Vorsänger (mit Gitarre) und Chor (Männer-, Frauen- und Kinderstimmen ad libitum) 339 den 1. Preis für Mundartlieder. Er gründete dann die Gruppe „KUM GESELLE MIN“, die vor allem alte Lieder und Tänze pflegte. 1981 erhielt er erneut einen Preis vom Land Baden-Württemberg. Im Selbstverlag hat der Künstler zwei Schallplat­ ten herausgegeben: I WILL NIT, LP, mit Mundartliedern (1980) und CHRUTT UNTER D HUTT, LP mit Mundart­ liedern (1982)

FÜHRE ULRICH D ’Gränze cha me vergässe Anschrift: 1. Herderstraße 5, 7000 Stuttgart 1 2. Keltenring 101, 7800 Kirchzarten-Burg Es geht eine dunkle Wolk herein Entfleucht dem Wyhler Fessenheim „Ulli“, wie ihn die zahlreichen Freunde nen­ Und hat hei Westwind still und sacht nen, wurde 1957 in Lörrach geboren, wuchs Ganz Freiburg in den Himmel bracht. in Haagen, Grenzach, Lörrach und Freiburg auf. Er studiert in Stuttgart Musik. Vor de staatliche Landesschutzmuure Musik ist das Lebenselement des jungen Gits kei Halt für de Rüge de suure Künstlers, er beherrscht nicht nur mehrere Er stigt in d’Höchi, haut ab mitem Wind ganz verschiedene Instrumente, er dichtet Z ’Honolulu stirbt ä Wald ganz gschwind. und komponiert auch in einer ganz ihm eige­ nen Art. Humor und bitterer Ernst, Leicht­ Am Mendig keit d’Ciba Geigy ihre Drück sinn und Schwermut wechseln bei ihm wie Z ’Basel in de Rhii un dä Drück fließt ewäg Licht und Schatten einer Landschaft. Er sagt Am Friddig hän d’Mänsche in Holland scho selbst: „Angeregt wurde ich durch irische Chopfweh un Mageweh übercho. und bretonische Liedersänger, die in ihrer ei­ genen Sprache (im Dialekt) sangen. Das gab D ’Gränze, diä chasch vergässe es in Baden in diesem Rahmen nicht. An un­ D ’Gränzstei sin lang gnueg gsässe sere überlieferten Lieder wollte ich mit eige­ Was des no soll nen Texten anknüpfen und heutige Sicht Süll mitem Zoll ausdrücken, und das in der Mundart. Hier Denn s’Gift reist durs Land ist für mich die Verbindung von Herz, Kopf Ohni Paß in de Hand und Mund am innigsten ausgeprägt. Mit Hu­ Verdirbt uns s’Wasser, d’Luft un s’Ässe! mor und Ernst, mit leisen, feinen Tönen und lautem, derbem Gezeter, mit politischer Mei­ nung und privaten Ansichten möchte ich so recht ein Bild unserer Wesensart und meiner eigenen Person malen.“ Wie einige andere wurde Ulli Führe in der Aktion „Junge Mundart“ des alemannischen Gesprächskreises 1976 nicht nur entdeckt, sondern auch wesentlich gefördert. Er erhielt 340 HOFMAIER ROLAND Veröffentlichungen: MÄNKMOL MEIN I, Langspielplatte mit Mund­ Anschrift: Waldstraße 61, 7853 Steinen artliedern zur Gitarre gesungen (1980), Verlag ELROTON, Waldstraße 61, 7853 Steinen; Am 20. Januar 1946 wurde er in Wehr gebo­ LIED/RIGS VO GESTERN UN MORN, Lie­ ren, kam später als junger Speditionskauf­ derbuch, 1981, Moritz Schauenburg Verlag, 7630 mann ins Wiesental, wo er heute als Werbe­ Lahr; „. . . EINEWÄG“, Langspielplatte (1982) mit texter seinen Lebensunterhalt verdient. Ro­ Mundartliedern zur Gitarre. Verlag ELROTON, land, genannt „Hofi“ ist verheiratet und hat Waldstraße 61, 7853 Steinen. einen Sohn. 1976 begann er „aus Plausch“, Mundartlieder zu schreiben und vorzutra­ gen; seit 1978 wirkt er aktiv im Vorstand der Muettersproch-Gsellschaft mit und ist im­ mer wieder am Radio zu hören oder im Fernsehen dabei. Nach seinen eigenen Wor­ ten schreibt er: „Eifach wil’s mir Spaß macht un andere Lüt au — un des macht mir nomeh Spaß. Usserdem cha me bim Singe prima dr Arger vertriibe un ablade.“ Und was will er bewirken?: „E bizzeli Freud unter d’Lüt bringe und au eweng zum Nochdenke arege — d Welt verbessere chan i doch nit (Wenn s au schön war, si tat sich eweng bessere).“ Roland Hofmaier ist ein echter Barde, der sich auf der Straße mit seiner Gitarre in der Hand genau so wohl fühlt wie im Konzert­ saal. Durch seine ungekünstelte Art strahlt er Fröhlichkeit und Optimismus aus, obgleich manche seiner Texte alles andere sind als „leichte Kost“. Er hat nicht nur Lieder, son­ dern auch Theaterstücke geschrieben, die ins Archiv für alemannische Mundartspiele auf­ genommen sind. 341 Im W isetal Vorspiel C Am

wo nit rieh - tig hoch-dütsch cha, un C Am ~ 3~ ~ r r 3 ' "

mueß er sich fascht s’Muul ver - ris - se! Kehrvers: (Alle)

1.-7. Im Wi - sc-tal, do schwät-ze mir ’s breitsch-te C m pp A - le - man-nisch; im Wi - se - tal. ;io F G C

schwät-ze mir wie d’Schnure g’wach-se-nisch!

2. Chunnt ein usem Norde her, no fallt em’s Höre grüsig schwer; 5. Z’ Liecht go heißt, dr Nochber bsueche, im Chänsterli, do e mänge het scho boshaft gsait; die Sproch, di sig e Halschrankheit! stoht dr Chueche. Güllere heißt, dr Bode dünge; chlüddere — hinte use singe! . 3. Wenn öbber nach dr Uhrzit frogt, no isch er mangmol zimli 6. E Schlurbe isch e alte Schueh, mit Gufe macht me d’Chleider plogt: Denn Viertel isch nit Viertel vor, des klingt zwar zimli glich zue. E Tschumpel weiß nit, was er will, e Schwauderi schwatzt im Ohr. meistens z’viel! 4. Zischtig isch e Wuchetag, e Chaib ein, wo mr gar nit mag, in 7. Die, wo jetzt nüt verstände hän, wo’s aber no gern wisse d’ Chratte chömme d’ Chirsi dri, ins Chrüsli chunnt dr neue Wi! wann, chönne alli zue mr cho — i ha ne Übersetzig do!

342 Veröffentlichungen: Neben einigen schriftdeut­ schen Texten, die in der Zeitschrift „Allmende“ oder auch im Südwestfunk Raum fanden, gab Heinz G. Huber heraus: DITTLI GNUE, Gedichte in niederalemannischer Mundart, Deyflsgiger-Verlag (1978).

HUBER HEINZ G. Deheim Anschrift: Grenzstraße 32, 7551 Elchesheim- Illingen de wä verwurstelt — di Eigentlich ist er ein „Außenseiter“, einer, der widder zwische weder räumlich noch sprachlich in diese de hiiser fensterläde Reihe paßt. Heinz G. Huber ist nämlich winke — di 1952 in Oberkirch im Renchtal geboren und vorbei in Nußbach aufgewachsen, er hat das Gym­ nasium in Offenburg besucht und in Freiburg dorfrätsche Deutsch, Geschichte und Volkskunde stu­ schäbere us de winkel diert. Seit 1980 ist er Lehrer am Gymnasium burscht rawoose in Durmersheim bei Karlsruhe. Aber Heinz in de heef G. Huber gehört in die Reihe der jungen e kueh Mundartdichter, die um ihren eigenen Stil maucht dezwische und die eigene Aussage ringen und der Mundartdichtung seit einigen Jahren neue ich bolier Dimensionen und Gebiete öffnen. Daher mini maske uff steht er mit Recht in dieser Bestandsauf­ stell s muul nahme, zugleich auch als Vertreter des Nie­ uff schwetze durch deralemannischen. Zu seiner Arbeit sagt er: „Warum schreibe ich? Ich fühle mich nicht ich lang — mer als Missionar und gehe auch nicht mit ir­ vum kirchdurm gendwelchen Ideen oder Ideologien hausie­ e scher schnäfl — mer ren. Ich schreibe zuerst für mich, um für e blaus stick himmel us mich Klarheit zu schaffen, um meine Her­ un bäbbs —- mer kunft und meine Gegenwart zu begreifen. an de köpf Was nicht ausschließt, daß Selbsterkenntnis auch oder gerade ein Stück Welterkenntnis dann bini ist. Durch das Schreiben gewinne ich für deheim Momente ein Stück Selbstsicherheit zurück, Selbstvergewisserung ist für mich als skepti­ schen Menschen die einzige Möglichkeit zur Gewißheit überhaupt. 343 JUNG MARKUS MANFRED apasse mueß. Für mi lön sich au abschtrakti Adresse: Obermattweg 11, 7850 Lörrach Gedanke in de Mundart usdrucke, wenns au viile ungwohnt vorcho mag. Mi Sprooch isch Markus Manfred Jung, gebore am 5. Okto­ dodäwege nit allwiil liicht z verschtoh. W ort­ ber 54 z Zell im Wisetal. Muetter: Klara form un Wortsinn vo mine Gedicht sin eins Jung, geboreni Wuchner, e tüchtigi Huus- im Alige, s Recht vom Einzelmensch gege frau. Vatter: Gerhard Jung, Lehrer an de „Vermarktung und Vermassung“ fescht- Poscht un Mundartdichter, Vorbild in viilem. zschriibe. Ufgwachse z Lörrach un z Stette. Dort Volksschuel, Gymnasium, däno Wehr- 1. Preis (Prosa) in der „aktion junge mundart“ dienscht (hintenooch verweigret). Sit 76 Stu­ 1976 dium z Friburg (Deutsch, Sport, Skandinavi- stik, Philosophie) mit drei Uslandssemesch- ter z Norwege. Ab dem Spötlig Referendar fürs Lehramt Aa (Arbeitsloseawärter). E Buech mit Zeichnige vom Robert Karch isch in Vorbereitig. I schriib in de Mundart, wel i sellene Muet mache wott, wo meine, si hebe nüt z sage; wel s Alemannisch mi erschti un liebschti Sprooch isch (Norwegisch un Hochdütsch chan i trotz sibejährigem Studium nit so guet), un well i mir un all dene e bizzeli Selbschtvertraue geh wott, wo sich wien i vom mänkmool idiotische Zwang zue de Hochsprooch unterdruckt vorchömme. I probir z zeige, aß d Mundartdichtig nit numme vorgfertigti Sproochformle benutze mueß, sondern schöpferisch sii cha, wie jedi Sprooch, wo no lebt un sich Verändrige 344 Rägesuur D Nodle vo de Tanne naihe d Wunde nümm vom gfurchte Bode Chettespuure vo verschleppte Bäum All liechter grinst de Wald un rägesuur

Begegnig E rotis Tuech isch d Seel mer gsi grad gnaiht us Sunnestaub I häng mi Lachen übre Hag un frog di liis du magsch mi so Doch nimmsch mer eifach d Auge weg un d Händ un dini Wort ganz nackig stand i do M i Lache bloosts as Staub vor d Sunne un loßt mi hilflos zruck un uf em Hag hängt won i gang mi Tuech u f d Zacke gschpiißt

345 KAISER JOHANNES spannung verhelfen, andererseits als Identifi­ Anschrift: Hauptstraße 31, 7800 Freiburg im kationsangebot, insbesondere für meine Ge­ Brsg. neration, betrachtet werden können. Ich ver­ stehe meine Texte als Formulierung subjekti­ Geboren wurde er am 28. November 1958, ver Problematiken, die in der Formulierung im Hotzenwald (Birndorf) und im Wiesental wenigstens ansatzweise analysiert sein sollen. (Steinen) wuchs er auf, seit 1978 studiert er Ich wünsche mir, daß sich viele junge Men­ in Freiburg Germanistik und katholische schen darin wiederfinden und viele Altere die Theologie. Jungen dadurch ein bißchen mehr verstehen Im Wettbewerb des alemannischen Ge­ lernen. sprächskreises „aktion junge mundart“ 1976 2. Warum schreibe ich in der Mundart? erhielt er einen 1. Preis für seine Gedichte. Weil es um meine eigenen Gedanken und Mehrere Preise konnte er seit dieser Zeit er­ Gefühle geht und ich nun mal nur in meiner ringen, so 1977 den Scheffel-Schuipreis der eigenen Sprache diese ausdrücken kann. literarischen Gesellschaft Karlsruhe, 1978 ei­ Wenn daneben bewiesen wird, daß in der nen 4. Preis der STUTTGARTER NACH­ Mundart durchaus zeitgemäße Themen RICHTEN, 1981 einen 3. Preis im Wettbe­ durchaus zeitgemäß ansprechbar sind und werb „mundart 81“ des Landespavillons Ba­ andere dadurch zum Dialektsprechen ermu­ den-Württemberg. Gedichte von heute selte­ tigt werden, kann das nur nützen. ner Gefühlswärme, ja von Gefühlsstürmen Buchhinweis: SINGE VO DIR UN ABRAXAS, bestimmt, zarteste lyrische und starke Liebes­ Gedichte in alemannischer Mundart, Moritz lieder stehen bei Johannes Kaiser neben zeit­ Schauenburg Verlag Lahr (1980). kritischen und nach den Urwahrheiten des Lebens suchenden Gedichten; auch als Autor von Jugendspielen und Hörbildern hat er schon auf sich aufmerksam gemacht. Zur Motivation für sein Schreiben sagt er: 1. Warum schreibe ich? Es geht dabei in erster Linie um die Veräu­ ßerlichung von Ideen und Empfindungen, die einerseits mir selbst zu psychischer Ent­ 346 Schattechind Schwarz schwärme Vögel vor em Blau Un Rösser über d’Aue ’S Gras schmeckt wie gschnitte dur de Tau, Unter em Laub gärt erdig rauh E Duft, riich wie vo Fraue. Wie wiiße, siidig liichte Wind Verbirgt fleischigi Rinde, Isch’s wider cho, ufregend gschwind, Wo mi verfolgt, seil Schattechind, Un draiht sich hinter d’Bünde. Un do sin d’Bilder wider, lön Mi nümme los im Schöne, Die ghuuchti Hut, wo Dropfe stöhn, Un Hoor un Bei, wo gschwunge göhn, Un Wort, wo dunkel töne. Wie stiife, strehnig schwere Wind Zieht furt, was fescht will gründe, Isch’s wider cho, ufregend gschwind, Wo mi verfolgt, seil Schattechind, Un draiht sich hinter d’Bünde. Satt schlat de Geschmack wie glieihig hell D ’Gedanke us em Warte, So luck un liedrig jedi Stell, Sag, Maidli, bisch es du, sag schnell, Un loß mi stoh im Garte. KARCH ROBERT sprache. Mir geht es beim Schreiben nicht in Anschrift: Fürstensteinerstraße 36, CH-4053 erster Linie darum, die Realität möglichst Basel „ausgewogen“ widerzuspiegeln, sondern beim Leser etwas zu provozieren (manchmal 1949 ist er in Basel geboren, aufgewachsen ihn selber). Von einer — unausgesprochenen aber auf der rechten Rheinseite in Riehen. — Utopie (man könnte auch sagen: einem Karch hat eine Schriftsetzerlehre hinter sich, Ideal) ausgehend und sozusagen zurück­ mehrere Jahre war er in diesem Beruf tätig. schauend auf den Ist-Zustand, der dabei Er soll hier als Beispiel für die junge Mund­ (verdientermaßen) meist nicht ungeschoren artdichtung der Schweiz und zugleich als davonkommt, das ist, glaube ich, eine meiner Versuch einer Brücke in die alemannische Antriebsfedern. Region Basel aufgenommen werden. Dies ist Im übrigen hege ich mit dem Schreiben im um so mehr berechtigt, als Karch sehr gute Dialekt keine besonderen „sprachpflegeri­ Beziehungen zum Badischen hat und hier schen“ Ambitionen; ein Dialekt bleibt so­ auch zu ersten Erfolgen kam; so hat er 1981 lange lebendig, als er gesprochen wird; an­ im Wettbewerb „mund-art 81“ des Landes­ dernfalls wäre er auch auf dem Papier nicht pavillons Baden-Baden den 1. Preis erhalten. mehr zu retten.“ Uber Grund und Bedeutung seines Schrei­ Veröffentlichungen: bens befragt, meint Robert Karch: ANGST, SCHMÄRZ UND WUET, Gedichte „Habe 1973 begonnen, auch in Mundart zu und Sprüche im Basler Dialekt. Autorenverlag schreiben; zuerst Sprüche und kleine Ge­ „Der Stocherkahn“ D-7033 Herrenberg. dichte, später kamen Versuche mit Hörspie­ len und Bühnenstücken dazu. Fühle mich trotz Dialekt nicht vorwiegend an lokale oder regionale Themen gebunden. So wie man im Dialekt über alles reden kann, so kann man, glaube ich, darin auch über alles schreiben. Den Unterschied zur Hochspra­ che sehe ich nicht im Was, sondern im Wie. Es dünkt mich, daß man im Dialekt oft etwas treffender ausdrücken kann als in der Hoch­ 348 Friide Die alti Froog Drum bitt i di innig: Sage Si Wenn scho, denn kämpf für di Land worum schriibe Mitre ufrächte Gsinnig ^ eigentlig. Und nit mitem Gwehr in dr Hand ... . , Well i mi Gscbwatz nümm aloose mag

Böses Ome? Ig n ff 1912 het z Basel M ir läbe e Friidenskongräss ime Schpital schtattgfunde wo Seele amputiert 1914 Gsundgschriibe wird isch dr Krieg usbroche war si nümm het 1982 Das Syschtem het z Basel brucht Mensche wider e Friidenskongräss miteme Loch schtattgfunde zmittst in dr Bruscht sunscht klappt’s zämme 1984 wiene leere Härdöpfelsack isch au nümm so färn

349 KROELL ROLAND Das geistige Erbe der Salpeterer in heutiger Anschrift: Kirchstraße 16, Holzen Zeit wachzuhalten und zu verwalten, ist Ro­ 7842 Kandern 4 land Kroells selbstgesetztes Ziel. In zahlreichen Hörspielen und im Fernseh­ Gärtner und Musiker, Sänger und Dichter ist film „Die Ballade vom Lochheiri“ hat er als er, 1954 kam er in Tiengen am Hochrhein Autor und Darsteller mitgewirkt. zur Welt, seit seinem sechzehnten Lebens­ jahr beschäftigt er sich intensiv mit der Ge­ V eröffentlichungen: SALPETERERLIEDER UND BALLADEN; Ro­ schichte, mit Bräuchen und Sagen des land Kroell und die Gruppe Salpeterer — Eigen­ Schwarzwalds. Dabei galt sein Hauptinter­ verlag Langspielplatte esse der Freiheitsbewegung der sogenannten SCHO SIT DUUSIG JOOHR, Roland Kroell Salpeterer, die sich über mehrere Jahrhun­ und die Salpeterer, Verlag Werkstatt Edition, derte hinweg „auf dem Wald“, wie damals Hauptstr. 17, 7887 Laufenburg das Gebiet des Klosters St. Blasien noch all­ gemein hieß, gegen die Herrschaftsansprü­ che eben dieses Klosters mit Zähigkeit wehr­ ten. Aus dieser Arbeit heraus gründete Roland Kroell die Musikgruppe D’Salpeterer, mit der er in vielseitiger Instrumentation eigene oder überlieferte Lieder singt und spielt, Lie­ der in denen es meist gegen heimliche oder offene Unterdrückung des Volkes geht, ge­ gen die Vergewaltigung der Natur durch Au­ tobahnen, Atomkraftwerke, Giftwolken und Neubaugebiete im südlichen Schwarzwald. Er will damit nach seinen eigenen Worten: „SALPETERERN, d. h. sich aufmachen, in Bewegung kommen, nachdenken, sich verän­ dern, wieder Mensch werden, seine Identität und seinen inneren Frieden wiederfinden“. 350 schönt ziitä he — großmueder i dinre tracht gib acht dä wetterfrosch im glas isch’s leiterli abekracht he — jung schwarzwälderi unter dinem bollehut gib acht suscht wörsch zu tourischtesalami vemacht he — wälderbuur mit dinre schönä matte gib acht suscht wörsch asphaldiirt un mit dä dampfwalzi planiirt he — dalbüüri mit euem schönä hof gib acht as me us euem h o f it ä hotel un di zu de putzfrau macht he altä schwarzwälder i dinre zipfelkap im muul ä pfiifä rauchsch än guete duback gib acht suscht wörsch igsperrt is reservat as tourischte-attraktion antiquat im black forest freizeitpark un di großi transfusion us asphalt blei gift un beton selli stoht scho bereit wenn dä konjunkturwind zu üs duurä weiht I aber möchti läbä wini bi as schwarzwälder oder schwarzwälderi I möchti dä natürlich kreislauf nümms eifach läbä gern i kauf I möchti nümmi nu schiilä nochäm geld un debi vegessä d’ ganz weit I möchti wieder gmütli läbä dä dag erläbä mi un di erläbä eifach läbä GÄ UN IT RAFFÄ GNIISÄ UN IT VEMACHÄ Z IIT H A U N IT RA A SÄ LIE BÄ U N IT H ASSÄ 351 Wa meinsch Du? Wo Geld isch isch de Düfel. Wo kchais isch MEIER KLAUS isch er zweimol Anschrift: Am Landgraben 19, 7890 Waldshut-Tiengen 16 Er schwätzt vier Sproche: hochdütsch Der „Pöschtler“ aus Gurtweil ist am 28. Fe­ alemannisch bruar 1939 im Schwarzwalddörfchen Bren- durch d’Nase den geboren. Als „Wälderbüebli“ sammelte un über d’Lüt. er bewußt und unbewußt Eindrücke aus ei­ ner Welt, in der die Natur den Menschen Früehier — bildschö, prägte, den bedächtigen, hagebuchenen Wäl­ jetzt isch nu no s’Bild schö. derschlag mit dem hintergründigen Humor. Diese Eindrücke widerzugeben ist ihm wich­ E Rüehli goht tiger als das „Dichten“ mit Meterstab und über en Brüeli. Reimbuch. Es klingt daher manches holperig und krummhölzern, was er zu Papier bringt, S’isch nienet schöner als dehaim, aber gerade das gibt ihm die besondere au wenn d’Haimet e Saustall isch. Note, gerade deshalb kommt er wohl auch so gut an bei seinen vielen Lesungen. Klaus S git großi Säu Meier steht sicher noch am Anfang und wird un chlaini Säu. noch manches sich erarbeiten müssen; er hat S git aber au aber mit seiner natürlichen Fröhlichkeit und schöni Säu. seinem feinen Gespür für das Echte die be­ sten Voraussetzungen zum Weitermachen. Alti Liebi rostet it; V eröffentlichungen: aber schimlig cha si werde. WA MEINSCH DU? Gedichte und Sprüche in der Mundart des Hochrheins; Weidling-Verlag S’isch doch verruggt uf dere Welt, Stockach-Wahlwies (1981) worum würd immer unte zämmezählt? NÜMM MI MIT, WENN LACHE WIT, Ge­ dichte und Sprüche in der Mundart des Hoch­ rheins, Weidling-Verlag Stockach-Wahlwies De Grichtsvollzieher kam — sah — (1982) und siegelte. 352 MARQUART MANFRED f De mied Chämpfer Am 14. Januar 1982 verstarb der erst 54jäh- rige in Lörrach. Er war Lehrer und ein enga­ Was wotsch noh go ne Mättli rette, gierter Naturschützer. wo alles suscht verschandlet isch? Der Traum vom einfachen, heilen Leben Was wotsch noh go di Herz verzette, spricht ebenso aus seinen hervorragenden wo d’ohni Chraft un Hoffnig bisch? Gedichten wie seine große Bitterkeit und Verachtung einer Welt, in der der Mensch Was wotsch noh um e Hürschtli stritte, nur nach seinem materiell meßbaren „Wert“ wo sie der d'Wälder zämmeschlön, gemessen wird. Seine Worte wurden häufig e Wegli wiise, ab uf d’Site, zu Waffen, mit denen er auch sich selbst wo alli Stroße ’s Loch ab göhnf nicht schonte. Uber seine Beweggründe sagte er mir einmal: „s chunnt über mi als Reflex Chasch’s nümme hebe, muesch’s lo sure, gegen alles, was mi druckt, mii Sorg um d ’s isch Wäger nümm’ di Sach. Umwelt un d Innewelt vom Mensch hütze- ’s goht alles näume n anderst dure, tag « . gang ine un vermach! Ein menschenwürdiges Leben und eine le­ benswerte Heimat zu fordern, war er nicht müde. Er nannte sich selbst „Der Glasmaa“ nach dem Wortführer der Salpeterer Joseph Meyer aus der Au. Wie jener schmächtige Eso goht’s is kleine Mann scheute er keinen Weg und kei­ nen Kampf, wenn es darum ging, gegen Un­ De Mensch lauft si’re Welt dervo, terdrückung, Ausbeutung und Heuchelei ein wie sälle Has dur d’Fuhre. Wort zu sagen. Daß dabei eine Gemütstiefe Doch ’s Übel isch all ehnder do, von seltener Verdichtung hinter seinen blit­ eitue wo ane, dure. zenden Degenstößen zu finden war, zeigte er nur seinen engeren Freunden, es ist aber Es grinst en wie de Igel a aus vielen seiner lyrischen Gedichte zu erspü­ un hängt em d’Lälle n use ren. un loßt si, lauf er was er cha, de Vortel nümm’ abluse. V eröffentlichungen: ESO GOHT’S IS!, alemannische Verse (1979) E Rüngli längt em noh de Pfuus, NOO DE ZWÖLFE!, alemannische Verse (1981) no lit er stiif im Lätte. beide im Glasmann-Verlag, Rainstraße 13, 7850 Si chranki Seele fahrt em us, Lörrach ’s brucht niemer für si bätte. V eröffentlichungen: US DE SCHUEHL GSCHWÄTZT (1980) KUMM, GANG MER EWEG (1981) beide im Selbstverlag

NUNNENMACHER PAUL De Rentner Anschrift: Burgweg 2, 7813 Staufen im Brsg. Kuum het er si Rente könne verwarte, Am 28. Juni 1929 ist er in Sulzburg zur Welt de ganze Tag het er welle in Garte, gekommen. 1950 trat er in den Schuldienst het welle nur für sini Hobby läbe, ein, nahezu zwanzig Jahre war er Lehrer und Münze sammle un Briefmarke kläbe, Rektor im Hochschwarzwald (Menzen­ am Morge zum Beck goh un Weckli kaufe, schwand/St. Blasien), der ihm zur „zweiten z ’erscht d’Zittig läse un spaziere laufe, Heimat“ wurde. 1972 zog er nach Staufen, nur no des tue, was er mag — wurde Rektor in Ebringen und Schulrat, er wie schön isch so ne Rentnertag! arbeitet heute im Oberschulamt Freiburg. Doch alles isch ganz anderscht kumme, Paul Nunnenmacher ist einer jener Männer, viel z’schnell gehn jetz die Stunde umme, die das kulturelle Leben in der Wohnstadt für d’Hobby het er gar kai Zit, und in der heimatlichen Region wesentlich well’s dauernd ebbis z'schaffe git. fördern und mitgestalten. Uber 25 Jahre lei­ Er het sich — dunkt’s mr — bös verrechnet, tete er Trachtengruppen, dirigierte Chöre; er het schint’s mit sinere Frau nit grechnet: ist aktiv in der Heimatpflege und stellvertre­ „Hol mr des“ heißt’s, „hol mr seil, tender Vorsitzender des Bundes Heimat und stand nit so rum, gang, mach e weng schnell, Volksleben. In Staufen ist er Stadtrat. de sihsch doch, daß i’s nit alleinig ka, Aus der Feder Paul Nunnenmachers kamen un stell di nit so dappig a, schon sehr viele Mundart-Theaterstücke, ei­ muesch denn an allem ummenaise — nige davon sind mit beachtlichen Preisen ja ka mr dich denn gar nit heiße f“ ausgezeichnet, etwa dreißig Mundarthör­ Als Rentner macht mr ebbis mit, spiele waren im Rundfunk zu hören. ohni e gregelti Arbetszit! Mit seinem Schreiben will Nunnenmacher Kai Gwerkschaft kümmert sich do drum, vor allem Freude bereiten und den Menschen dä Ruehestand, dä bringt en um! helfen, den Ernst des Alltags leichter zu be­ O könnt er nur wider si Arbeit tue, wältigen. Seine Themen nimmt er vornehm­ no hät er wenigstens am Tag sii Rueh! lich aus dem Erlebten, daß die Schule hier vornan steht, ist nicht zu verwundern. Seine Gedichte sind zum Vortragen geschrieben und geeignet. 354 darin, neue Talente zu entdecken und zu fördern. Veröffentlichungen: O WELT, WIE BISCH!?, alemannische Gedichte (1977), Verlag Schillinger, Freiburg DR MÄRZ ISCH KEI MAI, alem. Gedichte 1979, Verlag Schillinger, Freiburg SUNNESTRAHL, alem. Gedichte 1982, Verlag Schillinger, Freiburg

Im Stolz obe use Dr Chäfer, wo dr ganze Tag SCHEURER WOLFGANG Am Bode Fuetter suecht, Anschrift: Blauenstraße 31 Brombach, Het s Gfiiehl: Er isch vom bessre Schlag: 7850 Lörrach Er het sich drum am Gartehag E schönes Plätzli buecht. Am 4. Mai 1938 wurde er in Frankfurt am Main geboren, erlebte Kindheit und Schul­ Do isch er am Rume un richtet sich i; zeit aber im Markgräflerland, in Freiburg Doch, meinsch, er isch zfride ? Er bruttlet debi. und im Kleinen Wiesental. Er ist technischer Vorstand einer großen Firma im Wiesental. Des Nobelvirtel mögt en wohl Die Freundschaft des Vaters mit Hermann Un chostet Nervechraft; Burte war eine der Triebfedern zur Dichtung Denn alli dort am Gartepfohl Wolfgang Scheurers, Muettersprochgesell- Notire alles, hueste hohl, schaft und Hebelbund Lörrach förderten Wenn eine zwenig schafft. ihn, er entwickelte einen fast unheimlichen Drum füehlt er sich tribe un chrampft bis in d Nacht; Fleiß, veröffentlichte in Kalendern, Tages­ Er git u f s Vmünftigste gar nümme acht. zeitungen, Anthologien, war im Rundfunk zu hören, gestaltete zahlreiche Lesungen So wird s em wohr, in churzer Zit, landauf und landab. Seine technisch-mathe­ Daß er dr Erste isch; matische Bildung trug wesentlich dazu bei, Vo dort ab isch es nümme wit, sich mit ungebräuchlichen Gedichtformen Un s nächste Plane von em lit, wie Limericks und Haikus oder mit Sonet­ Vom Ehrgiz gmolt, am Tisch: ten zu befassen, seine Gedichte gehen in die Tausende. Sie befassen sich meist mit dem Ganz hoch wott er use; er baut sich si Hus Alltagsleben, mit dem Menschlich-Allzu- Zmitz druf uf e Pfoste, luegt s Land i un us. menschlichen, eine Hinwendung zum Philo­ Doch, won er dno dort obe hockt, sophieren und Fabulieren ist spürbar, dabei Dr erste Stolz vrsurrt, sind seine Gedankengänge nicht einfach Do het er um si Fuetter gfrogt; nachzuvollziehen. Dr Hunger het en grusig plogt, Wolfgang Scheurer engagiert sich sehr stark Dr Mage het em gchnurrt. für die Begegnungen mit Dichter und Werk, die der Hebelbund Lörrach seit Jahrzehnten Er traut sich nit abe ... des schadet sim Stand ... gestaltet; Scheurer sieht seine Aufgabe auch Isch gstorbe am Hunger .. . wie mänke im Land. 355 SCHREIBER-LOCH MONIKA KZ BUECHEWALD Anschrift: Mühlestr. 39, 7850 Lörrach Angst — Die Hausfrau und Mutter von zwei Söhnen Lüttets am Fümfi? ist 1941 geboren. Si sin Jehovaszüiige gsi, Wer könnte es besser sagen als ihr Mann de Muetter ihre Brueder Werner, der ihr nicht nur Kamerad, sondern un si Frau. auch Ermutiger, Tragender und liebevoller Kritiker ist: Zruck isch Äsche cho. „Sie fing an mit Gedichten über ihre Kinder Uf d’ Greebli und befaßte sich immer mehr auch mit allge­ pflanz ich Blueme. meinmenschlichen Themen. In ihren lyri­ schen Gedichten schlägt sie überwiegend Un wo-n-icb in Buechewald ernste Töne an, aber immer wieder findet sie d’ Weg entlang gange bi, auch zu humorvoll-besinnlichen Aussagen. han-i ’s Gfliehl gha, Sowohl in ihrer Poesie als auch in ihrer i dalp u f mim Unkel, Prosa kommt sie mit wenigen „verdichteten“ uf miinere Tante umme. Worten aus und ist doch trotzdem imstande, dem Zuhörer alles zu sagen. In ihren neue­ sten, -noch unveröffentlichten Gedichten zeigt sie, daß gerade die Mundart fähig ist, Gewichtiges in einer bis an die Grenzen der Sprachlosigkeit verdichteten Sprache auszu­ sagen.“ Monika Schreiber-Loch wurde sowohl in der „aktion junge mundart“ 1976 als auch im Theaterwettbewerb des alemannischen Ge­ sprächskreises 1978 ausgezeichnet. V eröffentlichungen: CHLEINI CHINDER, GROSSI LÜT, alemanni­ sche Gedichte einer Mutter (1980), Schauenburg Verlag, Lahr 356 WAGNER PAUL Gueti Gedanke! Anschrift: Blasistr. 22, 7860 Schopfheim Die guete Gedanke, die chasch numme finde In Fahrnau im Wiesental ist er 1907 geboren, in der Stilli, in ruehiger Stund, ein Markgräfler durch und durch. Nach der Wil ehe jede guete Gedanke mittleren Reife wurde er Kaufmann und tief us’m Innerste chunnt. Buchhalter, brachte es bis zum Prokuristen. Im 2. Weltkrieg bei der Marineflack, kehrte Die guete Gedanke, sie juble und singe er aus amerikanischer und französischer Ge­ im Gmüet wie der Buechfink im Hag. fangenschaft zurück und lebt seit 1972 im Loos uf sie und loß sie nit ung’hört verklinge Ruhestand. in der Mühli vom lärmige Tag. Die guete Gedanke, sie schwinde und finde Kei Halt in der Welt voller Strit; Frühe Begegnung mit Johann-Peter Hebel, und chönnte doch Mensche und Völker später mit Lenau und Hermann Burte, eine tiefe Liebe zur Heimat und zu der Mundart verbinde in dere verlorene Zit! bewegten ihn zum Schreiben. Zarte Natur­ bilder und bewegende Liebeslieder für seine beiden Lebensgefährtinnen, die ihm beide der Tod nahm, bestimmen sein Schaffen ebenso wie das Erinnern an „goldene Zei­ ten“, an Geschehnisse und Originale seiner Jugend. V eröffentlichungen: CHORNBLUEME, alemannische Gedichte (1975) — vergriffen — ZARTI SAITE, alemannische Gedichte (1982) WEISCH NO GESTERN, 2 Bände (1980/1982) mit heiteren Erinnerungen an Sonderlinge und Profile aus Fahrnau und Schopfheim. Alle Bücher erschienen im Selbstverlag. 357 AMEL UND JETZ, alemannische und hochdeut­ sche Gedichte und Geschichten (1982) beide Bücher erschienen im Selbstverlag

WETZEL JOHANNA Chasch Antwort geh? Anschrift: Steinweg 6, 7889 Grenzach-Wyhlen Uff em Chilchhoff zwüsche Steine sitz i still — in miner Hand Das „Grenzacher Buuremaidli“, geboren am lit mer’s Händli vo mim Chleine l.Mai 1909 in Grenzach, ging nach der und mer luege dort an d’Wand, Volksschule in die Handelsschule nach Basel wo ’s Wasser blätscheret in Trog — und nahm dort auch Kurse in der Haushalt- und jetzt chunnt die schweri Frog! und Nähschule. In Neuchätel und Genf er­ lernte sie das Französische, wie damals noch ’s chlei Händli dütet über d’ Gräber allgemein üblich. Die Heirat mit einem tüch­ und uff der Strahl vom Brünnli dort. tigen Kunsthandwerker öffnete ihr ein neues „Sag Müetterli, chansch du mir sage, Tätigkeitsfeld, sie wurde eine wertvolle öb me do unde das au hört“? Stütze ihres Mannes, ohne dabei Haushalt und die drei Kinder zu vernachlässigen. So ganz nebenbei schrieb sie Gedichte und kleine Prosastücke. „We mer öbbis erlebt, mueß mers vo eim ewegschriibe“ sagt sie ein­ fach. Es dauerte lange, bis sie dem Drängen der Familie und Freunde nachgab und ihre „Gedichtli un Gschichtli“ veröffentlichte. Was sie schrieb und schreibt sind einfach die Gedanken einer Mutter und Großmutter, die Erinnerungen an eine schöne Jugend und der Dank einer reifen Frau für ein in Höhen und Tiefen tapfer bestandenes Leben. V eröffentlichungen: VO MIM WESE ÖBBIS Z’LESE, alemannische und hochdeutsche Gedichte und Erzählungen (1977) 358 Der Schilechnopf oder die schweri Entscbeidig I muess mi jetz ball entscheide, welli as i w ill vo beide — ä, das isch doch kei Problem, die Sach mach ich ganz bequem. Wie als Bueb ganz churz und knapp, zell ichs an dä Chnöpf mir ab, obenabe liis und still, die mien sage was ich will. Jungi, Alti, Jungi Alti, welli schick i, welli bhalti ? Was — ich griff mir grad an Chopf, do fehlt jo ä Schilechnopf. Dasch e Trick vo minere Alte, die meint nur ich soll sie bhalte, doch ich sag, chumm, naih dä a, und fang grad vo vorne a.

359 WURTH WENDELINUS Zerscht emol schrib ich fir mich selber, ass i Anschrift: Hofackerstraße 70b, mr iwer manchi Sache klar wur, ass i Pro­ 7800 Freiburg blem usenandernemme, lese kann. Wenn’s au noch Problem sin, wu anderi angenn, um so Er kommt — ja woher kommt er nun eigent­ besser. Ich will so schriiwe, ass es au miini lich? Er selbst sagt dazu: „Am 27. September Oma veschdeht, wil’s jo so winig git, wu ei­ 1953 in Renche in d Welt gsetzt; kurz ins fach schriiwe; des heißt ich vesuech Renchtal (Zusehofe) verpflanzt, vun dert abschdrakti Sache un Zammehäng uf e so ei- nach Zienke acht Johr unter de Markgräfler fachi, konkreti Ebeni ra z ziege, ass au miini ufzoge; vier Johr de Hanauer in Diersche Oma veschdeht, um was es geht. (Diersheim) usgsetzt; nor endlich in Urloffe Am beschde geht seil im Alemannische, wil Wurzle schlage kinne.“ d’Dischtanz zwische dem, was i sage will un sellem, was ruskummt, am kleinste isch. Ich Mit 17 ging er als „Austauschschüler“ in den hoff dodämit au e greßeres Publikum a „amerikanischen Schwarzwald“ nach Virgi­ z’schbreche, wil ich vesuech, in ere Schbroch nia, legte dort das Abitur ab, das er in Offen­ z’schriiwe, wu jeder begriffe kann. Feld- burg wiederholte, er diente in der Bundes­ Wald-un-Wiese-Lyrik isch miinere Asicht wehr und verweigerte nachträglich aus Ge­ noch iwerholt, mer sod de Lit e Meglichkeit wissensgründen den Wehrdienst. Er studiert gä, iwer Problem rede z’kinne un z’rede, ass Sport, Englisch und Deutsch, war noch mer Wä findet, si z’lese. Uf e kurzi Formel zweimal zu Studien in den USA und lebt seit brocht: Gedicht sodde nit konserviere, Sün­ 1976 in Freiburg. dern zum konversiere a’rege.“ Wen wundert es, daß Wendelinus Wurth ein Veröffentlichungen liegen bis jetzt nicht vor, Alemannisch spricht und pflegt, das man kei­ nur in der Zeitschrift „Alemannisch dunkt is nem bestimmten Ort zuordnen darf. Seine guet“ der Muettersproch-Gsellschaft sind Sprache ist stark vom Niederalemannischen Gedichte des begabten jungen Mannes nach­ geprägt, man findet aber immer wieder auch zulesen (1982); daß er trotzdem hier aufge­ markgräfler Anklänge. Mit Sprachkonservie- führt wird, soll ein Ansporn an ihn und an­ rung hat er auch wenig im Sinn, worum es dere sein, ihre Muttersprache auch literarisch ihm geht, sagt er so: zu bewahren und zu formen. 360 Hersch, Herr, herrsch (fir d’Claudia) „Hersch, Mensch?“ het de Herr gsait. „Herrsch, Mensch/“ isch bi de Mensche akumme. Seil isch dr Afang vum End gsi. Mir hen uf d’Welt here sodde un nit iwer sie herrsche. Oder wenn schu herrsche, dann erschd wemmer ghert hen; wemmer wisse, wases heißt, z ’herrsche. De Herr herrscht. „Herr, hersch? Mr welle nimmi herrsche. Herrsch Du wider, mir hen gnue, mr kinnes nit. “ WÜRTH JULIA hotzenwälder Mundart. Ihre „Fohrebibbeli“ Anschrift: Hauptstraße 31, 7883 Görwihl sind eine Fundgrube für den Sprach- und Brauchtumsforscher. Das „Maidli vo Göerbel“ wurde 1909 in Görwihl geboren und besuchte dort die Veröffentlichung: FOHREBIBBELE, en Chorb voll chlini Gschichte Schule. Das väterliche Schreibwarengeschäft in de Hotze-Sproch (1981), Selbstverlag mit seinen vielen Büchern und eine Fortbil­ dung im Institut Theresianum Ingenbohl am Vierwaldstättersee in den Jahren 1926 und 1927 gaben ihr die Grundlage zum „Selber- schriibe“. Fünfzehn Jahre hatte Julia Würth in Baden-Baden als Gesellschafterin gewirkt, zwei Jahre nahm sie noch eine Stelle in Ca- stellen-Augst (Baselland) bei dem berühmten Forscher und Museumsgründer Dr. Clavel an, dann kehrte sie „auf den Wald“ zurück und begann zu schreiben. Daneben wirkte sie kräftig beim Aufbau der Görwihler Trach­ tengruppe mit und besorgte das väterliche Geschäft. Julia Würth ist mehr Chronistin als Dichte­ rin, was sie schreibt ist erlebt, ist wahr, wenn auch die Phantasie dabei keine geringe Rolle spielt. „Beim Kochen fällt mir das meiste ein“, sagt sie, „vor allem find i intressant, wie d Lüt mitenander schwätze, di alte Uusdrück un eso Sache“. Sie sammelte lange, sichtete, ordnete, verwarf und schrieb wieder neu. Dann gab sie ihre einfachen Geschichtchen vom Hotzenwald heraus und war selbst er­ staunt über das Echo, das diese fanden. So­ gar vom stillen Ozean erhielt sie Post in der 362 D’Wallfahrt uf Oberwihl d’Nochberi. S’frait si hüt no, daß si die it de- Vo Zit zu Zit, allbot un gli wieder soll mer haim glo hät. Waisch, sisch halt grad zum e chliini Wallfahrt unternäh, eso hät’s Noch- Glück e Schaltjohr gsi, hät si gsait, drum bers Leopoldine zu mire Großmuedder gsait! hät’s mehr Fohrebibbele gä wie suscht, jo wie Am liebschde goht si uf Oberwihl dure zu no nie. Zuefällig bin i vom Wäg ab zu däre eusem lb. Herr i de Rueh. De Gerbler un de Stell cho uffem Bergli. Eso viel Fohrebibbele Oberwihler-Chilledurm, di zwe kennet inand uf aim Huufe han i no nie gseh, e urich scho lang, un grüesset sit mänge Johr fründli Fohre-Wäldli. Do würds der ganz warm ums übere un dure. De Wäg uf Oberwihl mue Härz, wenn an Winter denksch. Jätz han i mer z’Fueß mache un wemmer e Wallfahrt gsuecht un gsuecht, un gfüllt un gfüllt, zmol versproche hät, mue mer sich dra halte, da isch die Däsche ghuftig voll gsi un zümlich isch e aldi Sach un gar nüt neus, jo da isch schwär, die chan i allai it hai träge, un de immer eso gsi. Woni dro i de Chille, bi eu­ Rugge duet mer weh vom Bucke. S’hätt mer sem liebe Herr i de Rueh en Roosechranz, e ghörig dodderd, wie chum i wieder zu dem Litanei un de Chrüzwäg bäddet gha ha, bin i Fohrewäldeli us? Binere Lichtung han i vo no schnell übere is Wirtshus im „Rössli“ go widdem de Gerbler-Chilledurm gseh’ uf dä väschbere, Späck, Buurebrod un e Glesli Blick hi isch mer ganz liicht worde un mire guede Wii, da mue sii un ghört dezue noch Däsche au, si isch eso liicht gsi wie wenn däre Strapazi. Noche me Stündli han i mi uf überhaupt nüt drinn wär. Du, da isch sicher e de Haiwäg gmacht. Jo d’Leopoldine hät ver- chlii Wunder, en Fohrebibbele-Säge! Waisch zehlt: „Stächpalme mit rote Beeri han i i ha au fescht bäddet, da darfsch glaube. Jo si gfunde, uf die seile bin i scho lang scharf!“ hät de ganz Winter z’füüre gha un die Bib- Die schööne Stuude wachset am liebste im bele-Däsche isch erseht im Früehlig läär Oberwihler-Wald. I eusere Gemarkig will worde. Wenn si wieder emol imme Schalt­ sich da G’wächs it niederlo, wurum isch it z johr uf Oberwihl dure goht go wallfahre ergründe un mir wärets euser Läbdig nie er­ nümmt si zwo Däsche mit, hät si gsait d’Leo­ fahre. A großi Märktdäsche hät si debi gha, poldine.

363 S Eige zeige

Eigene Sinn, nit Eigesinn, bringt Gwinn. Eigini Kraft, Eigeschafi, wu Eiges schaff. Eigini Art, gsund, mit Wille paart, git guati Fahrt. Bunt isch im Lebe si Reige. Nit allem sich neige; s Eige zeige! Karl Kurrus Aus: Vu Gott un dr Welt, Gedichte in Kaiserstühler Mundart, Mörstadt Verlag, 1981

364 Mundart — s Herzschdick vun de Häämet Aus badisch-pfälzischer Sicht Rudolf Lehr, Sandhausen

Es kommen einem oft Zweifel, aber immer und wirkte, gehörte Handschuhsheim noch wieder bekommt man die Gewißheit: Die nicht zur Stadt Heidelberg. In den Städten Mundart lebt, sie ist und bleibt s Herz­ oder stadtnahen Bereichen hat sich in den schdick vun de Häämet. Wie die Landschaft, letzten Jahrzehnten ein Gemisch zwischen das Brauchtum und das mannigfaltige Ge­ Mundart und Hochsprache entwickelt; es ist meinschaftsleben, so ist auch der Dialekt Be­ die Umgangssprache, wie man sie auch in standteil der Heimat. Die Mundart ist das den Kurorten des Odenwaldes spricht (Kur­ letzte uns mit dem Volkstum verbindende gast-Dialekt). Glied (ein Wort von Oskar Bischoff (Neu­ Zu Pessimismus besteht kein Anlaß. Die stadt a. d.W.). Handschuhsheimer wissen um die Notwen­ Selbst in den Städten ist die Mundart keines­ digkeit der Sprachbewahrung. Sie sind um wegs untergegangen, obwohl sie dort vielen den Erhalt der kulturellen Werte, insbeson­ Bewährungsproben ausgesetzt ist. Dazu eine dere der Mundart, sehr bemüht. Den Dialekt Äußerung des Heidelberger Heimatkundlers muß man pflegen, wenn er nicht verküm­ Ludwig Merz: „Mer schwetze noch, wie uns mern soll. Dies hat man in allen deutschen de Schnawwl gwachse isch, so ofd mer zam- Sprachlandschaften erkannt. Den badischen mekumme!“ In bestimmten Kreisen freilich, Pfälzern fehlt allerdings — dies muß man be­ meistens unter Senioren. Aber die Jüngeren klagen — ein ausgeprägtes Mundartbe­ hören gerne zu. Sie haben ein Ohr für die wußtsein. Hier blickt man nicht ohne Neid mundartlichen Klänge. „Wann ich als Lehrer über die alemannische und die schwäbische vor meine Schüler e bissl Mundart gebabbeld Grenze. hab“ — so Ludwig Merz — „do hawwe die Schon 1905 hatte der Mundartforscher Otto gsachd: Des war schee(n), des meegde mer Heilig (1865—1941) die Frage gestellt: Ist die noch emool heere!“ Mundart stark genug, um sich zu behaupten? Solche Erfahrungen machen die Mundartlei Sie habe — so Otto Heilig — viele Bruch­ bei ihren Lesungen landauf, landab. Die Ju­ stücke von fremden Sprachen erhalten, das gend ist aufnahmefähig für die Mundart, vor werde sich fortsetzen. Wir erleben dies heute allem für die moderne Mundartlyrik. Den mit ungezählten englischen Lehnwörtern in Mundartpoeten bleibt hier ein breites Feld in der Schriftsprache (nach Zeitungsmeldungen der Bewahrung dessen, was an volkssprachli­ rund 80 000). Bei einer Tagung von Mund­ cher Substanz noch erhalten ist. Die Origina­ artexperten im Sommer 1982 in Karlsruhe lität der Ortsmundarten ist da und dort ver­ wurde klar unterstrichen, daß man den vie­ lorengegangen. Der Handschuhsheimer Hei- len verschwundenen Wörtern nicht nach­ matkundler Dr. Anton Saur beklagte in ei­ trauern solle. Es kämen ständig neue Voka­ nem Beitrag 1981 den Verlust des Hendse- beln hinzu. Die Mundart als solche bleibe be­ mer Urdialektes. Und dies in der Geburtsge­ stehen, nur sei sie einem ständigen Wandel meinde des Mundartforschers Prof. Dr. Phi­ unterworfen. Den jetzt gesprochenen Dia­ lipp Lenz (1861—1926). Als er noch lebte lekt so die Adundäricxpcrtcn müsse män 365 in Büchern konservieren und den kommen­ Bände der Muddersprooch-Reihe (Badenia- den Generationen überliefern. „Was wir jetzt Verlag Karlsruhe, Herausgeber Kurt Bräuti­ nicht festhalten, ist unwiederbringlich ver­ gam, Rudolf Lehr, Paul Waibel). Die Bei­ loren!“ träge in den drei Büchern decken den weiten Raum ab, in dem rheinfränkische, ost- oder Umdenken an den Schulen südfränkische Dialekte gesprochen werden. Auch mundartliche Proben aus den aleman­ Die Schulen haben sich den Mundarten ge­ nischen, schwäbischen und hessischen Rand­ genüber nicht immer freundlich verhalten. gebieten wurden aufgenommen. Gelegen­ Dies wissen die Mundartler aus langer, bitte­ heitsautoren kamen ebenso zu Wort wie er­ rer Erfahrung, vor allem jene, die sich litera­ fahrene Versemacher. risch betätigen. Inzwischen ist da und dort Die gesprochene Sprache literarisch zu pfle­ ein Umdenken bemerkbar. Bei einer Tagung gen, ist Aufgabe aller Mundartler. Überre­ in Bad Liebenzell — verbunden mit einer gionalen Ruf hat sich der Bockenheimer Mundartlesung — wurde von Dr. Martin Mundartdichterwettstreit erworben, der nun Dorn, MdL, auf die besondere Verantwor­ 30 Jahre besteht. In der linkspfälzischen tung der Lehrer gegenüber mundartspre­ Weinbaugemeinde wird Mundart als wichti­ chenden Schülern hingewiesen. Hier sei ges Element des Heimat- und Landesbe­ mehr Rücksichtnahme erforderlich. Mund­ wußtseins gepflegt. Manche Mundartpoeten artlesungen in den Schulen sind nur aus dem wurden hier entdeckt. Der Heimatdichter alemannischen Sprachbereich bekannt. In wird zum Repräsentanten der Kultur, zum der badischen Pfalz nehmen hin und wieder Künder der heimatlichen Sprache. Schulklassen an Lesungen teil, die Resonanz ist durchweg positiv. Inzwischen gibt es auch Mundartliche Identitätskrise? Mundartliteratur für die Schulen. In Landau ist 1982 ein kleines Buch mit dem Titel „Ge- „Die Kurpfälzer leiden an einer mundartli­ dichteltes“ erschienen (Herausgeber J. Beck­ chen Identitätskrise“ — diese Ansicht vertritt mann/H. J. Kliewer). Es enthält zahlreiche der norddeutsche Theologe und Mundart­ Gedichte von Mundartklassikern der Pfalz, freund Dr. Bernd Diebner (im Raum Wies- aber auch preisgekrönte Verse von Gegen­ loch wohnhaft). Viele genierten sich, meint wartsautoren der links- und rechtsrheini­ er, sich öffentlich zur Mundart zu bekennen. schen Sprachgebiete. Die badischen Pfälzer sollten ihre sprachli­ chen Hemmnisse überwinden. In der Schule Volksdichter müsse man Hochdeutsch lernen, aber auch der Dialekt habe seine Berechtigung — er „Wir sagen wieder ja zur Mundart und dürfe vom Lehrer nicht unterdrückt werden. Mundartdichtung“, sagt Oskar Bischoff. Kri­ Jahrhundertelang habe man den Menschen tik ist allerdings immer wieder zu hören. Die in Norddeutschland das Plattdeutsche ausge­ Volksdichter täten zu wenig, um den Fortbe­ trieben. Deshalb sollte man lernen, zu begrei­ stand des Dialektes zu sichern — sie würden fen, daß jede gewachsene Sprache ihr Recht sich außerdem aus ihren literarischen Zirkeln habe. nicht herausbewegen. Eine Gruppe von ba­ Soziale und bevölkerungsmäßige Umschich­ disch-pfälzischen Autoren ist im Auftrag von tungen und das fortdauernde Einströmen Volkshochschulen oder Büchereien ständig von Menschen aus dem Ausland haben die zu Lesungen unterwegs. Die Besucherzahlen Mundart in die Defensive gedrängt. Aber die steigen. AuH das Interesse an der Mundart­ Sprachforscher sind optimistisch: Der Dia­ literatur wächst. Anklang finden die drei lekt wird nicht aussterben! Es wird zweifellos 366 großer Anstrengungen bedürfen, um die Brauche ää net Mundart — als Herzschdick vun de Häämet d Zung verknibble — zu erhalten. Die Liebe zur Mundart sollte an krafdlouse Werder. uns, wie es ein Mundartdichter ausdrückte, Unser Schbrooch ein Leben lang begleiten. Hier gehen die isch s Herzschdick linksrheinischen Pfälzer mit gutem Beispiel vun de Häämet. voran. Deshalb sei auch das Wort eines pfäl­ zischen Regierungspräsidenten — Hans Kel­ Sie hot schdarke Worzle ler, Neustadt — an den Schluß dieses Beitra­ un en volle Bliedekranz, ges gestellt: wu mer sich drä(n) frääje kann. Ich duun eich uf pälzisch biede die Zeit Rudolf Lehr un sag eich uf pälzisch „gun Dach all ehr Leit“, dann all unser Pälzer un unser ganz Land verbind unser Schbrooch wie e farwisches Band. Sandhausener Mundart Nußlocher Mundart Hdämetschbrooch For s Leewe E Pflänzl wu mer net bewahrd, Mussik liegt drin mit Wasser versorgd en de Muddersprooch — un vum U(n)kraud befreid, en ganz aijene Klang, muß verkimmere. vun Ort zu Ort verschiede — ’s Zommeghääre Unser Hdämetschbrooch un s Geborjesoi(n). hots verdiend, daß mer sie heegd un pfleegd. Sie isch e Kerz, w u wärmt S isch Zeid, un de Weg weist. daß mers begreife — Sie drickt ääm morje ischs zu schbääd. ihm Stemhl uf Rudolf Lehr for s Leewe. Gisela Herrmann

Sandhausener Mundart Sandhausener Mundart Unser gräischder Schatz Unser Zungeschlädg Immer mehner Englischwerder Mer schwetze, hewwe sich ei(n)gschliche wie mers glemd hewwe in unser Schrifdschbrooch. dehääm. Jedes dridde Word Un redde hot n fremme Klang. mit de Leit Anschdadd in unserm Zungeschlädg. deidsch zu redde, heersch blouß noch Sulzfelder Mundart vum Popschobb, vun Hidds un Songs, Mudderschbrooch vun Slougäns un Werweschbodds. Mei Mudderschbrooch isch net so gladd Ad d Hddmetschbrooch un gwieß net elegänd. isch in Gfähr! Ih hädd se mänchmol liewer ghadd Viel aide Werder als e viel feiners Gwänd. sin verschwunne — was noochkummd, isch nix Gscheids! Un schlupf-e gschwind en so oois nei un s mechd mer zerschd Bläsier, üfbasse misse mer, scho ball druff merg-e do debei, unsem Dialekd bewahre! daß-e halt ooifach frier. Er isch s Herzschdick vun de Häämet — Gern zieg-e s aide widder oo, unser gräischder Schatz! s Klaid vun de Mudderschbrooch un schbier, s isch ebbes Bsunders droo: Rudolf Lehr Ih geh de Wärme nooch . . . Irma Guggolz

Rudolf Lehr, Jahrgang 1924, bekannt durch Lesungen mit der Autorengruppe Lehr. Eige­ zahlreiche heimatkundliche Bücher und etli­ nes hochdeutsches Lyrikbuch LILITHS LIE­ che Mundartbände, besonders MUDDER- DER (1983). SPROCH I bis III. Gedichte in KURPÄLZER LAND UN LEIT und FINFMOL DES UN SELL. Am 30. April 1983 Verdienstmedaille Irma Guggolz, Jahrgang 1924, Gedichte in des Landes Baden-Württemberg in Gold aus drei MUDDERSPROCH-Bänden sowie in der Hand des Ministerpräsidenten Lothar FINFMOL DES UND SELL. Lesungen mit Späth. der Autorengruppe Lehr. Gisela Herrmann, Jahrgang 1952, Gedicht in MUDDERSPROCH, Band 3; zahlreiche

368 Mundart-Gesellschaften

Alemannisch dunkt üs guet Wer ist die Muettersproch-Gsellschaft und was tut sie? Klaus Poppen, Unteribental

Vor 10 Jahren gab es noch allenthalben das Dichter-Freundeskreis als Muettersproch- große Gejammer um das Absterben der ale­ Gsellschaft. mannischen Mundart. Vor fünf Jahren Der Verein gab ein Mundart-Lesebuch her­ sprach man bereits von einer Mundartwelle. aus, dazu eine Schallplatte, er organisierte Heute diskutiert man darüber, ob diese Dichterlesungen für und von Mitgliedern Welle schon ihren Scheitelpunkt erreicht und half sich gegenseitig, in einer damals habe. nicht sehr der Mundart aufgeschlossenen Öf­ Eines jedenfalls ist unbestritten: Die aleman­ fentlichkeit, das Alemannische hochzuhalten. nische Mundart hat heute einen anderen, hö­ Um 1975 herum lagerte sich, stark gefördert heren Stellenwert als vor 10 Jahren. An die­ vom neuen „Präsi“ Klaus Poppen, an die ser Entwicklung hat die Muettersproch- Dichtergesellschaft eine allgemeiner ausge­ Gsellschaft sicherlich einen entscheidenden richtete Gruppe von heimatbewußten Ale­ Anteil. mannen an. Durch das damals „erfundene“ 1962 legten Heimatdichter, Mundartdichter Leitmotiv: „Bi uns cha me au alemannisch die ersten Bausteine zum schweren Werk. schwätze“, angeboten auf einem blauen Auf­ Damals wurde Heimat noch sehr in die kleber, kam der Verein verstärkt ins Be­ Nachbarschaft zu „Blut und Boden“ gerückt. wußtsein der Öffentlichkeit. Inzwischen sind Hatte nicht die einzige in Freiburg in den über 10 000 von diesen Aufklebern von hei­ letzten Kriegsjahren erscheinende Tageszei­ matbewußten Alemannen angebracht wor­ tung, ein NS-Blatt, „Der Alemanne“ gehei­ den. ßen? Vom Jahr 1975 an begann neben der Dich­ Trotzdem begannen Männer wie Hubert terarbeit auch eine stetige Entwicklung der Baum, Richard Gang, und Karl Kurrus in Mundartfreunde ganz allgemein im Verein. Freiburg, Dr. Phillip Brücker in Lahr, Ger­ Mit Dichterlesungen, Mundartwettbewer­ hard Jung in Lörrach und Bruno Epple am ben, Dichtertreffen und Nachwuchsförde­ Bodensee sowie Frauen wie Lina Kromer, rung führte die Gesellschaft das Erbe ihrer Obereggenen, Paul Hollenweger, Feldberg, Gründer fort. In den letzten Jahren haben Hedwig Salm und Lin Ritter-Potyka in Frei­ mehr als 30 Mitglieder der Gesellschaft ei­ burg und viele andere begeisterte Alemannen gene Veröffentlichungen herausgebracht. mutig damit, Vorurteile abzubauen. Die Zahl der Dichterlesungen ist ungezählt. Um Ministerialrat Prof. Dr. Asal als dem er­ Mit Straßenständen, Mundartquiz, mit fröh­ sten Präsidenten des Vereins und um seinen lichen Aktionen wie „Bächle-Regatta“ oder Nachfolger, Dr. Walter Füsslin, fand sich ein „Mundartcomputer“, mit Werbeständen und 369 Zur Neugründung der Gruppe Rebland im Herbst 1982 überreicht „Präsi“ Pop­ pen (links) dem neuen Leiter der Gruppe, Dr. Rüdiger Hoffinann, das „Zeichen sei­ tuns " ner Würde* W e a u

dergleichen betrieb der Verein Breitenarbeit. S alemannisch isch en alt Kulturguet vu Bei einer Aktion „Meh Mundart bi Funk un unsre Heimet. S lebt no un s isch es wert, aß Fernseh“ sammelte er über 37 000 Unter­ mers erhalte. Weils s Lebe richer macht. Me schriften, die er dann dem Südwestfunkin­ sott s Alemannisch vum J. P. Hebel halt au tendanten Hilf in Baden-Baden überreichte. no in 100 Johre verstoh. Aus dem Dichterzirkel vom Anfang der Sieb­ ziger Jahre wurde so eine selbstbewußte * große Gemeinschaft mit 16 regionalen Grup­ pen zwischen Konstanz, Lörrach und Appen­ S Alemannisch isch e Stuck Heimet. Wer weier und über 2800 Mitgliedern, darunter emol fort gsi isch vu deheim, der lacht nimmi auch aus dem Elsaß, der Schweiz und Vor­ über seil Wort Heimet. Wer emol furt gsi arlberg. In den letzten Jahren wuchs die Ge­ isch vu deheim, der weiß, wie der Klang vu sellschaft auch in ganz neue Aufgaben hin­ der Heimetsproch an s Herz goht. Heimet ein. Weil sich inzwischen in der Öffentlich­ isch nit numme Wald un Feld, Berg un Tal, keit das Interesse am Alemannischen gestei­ Stadt un Dorf. S isch au Mensche, mit ere ei­ gert hat, tauchen auch zunehmend Fragen gene Sproch; unsre Sproch. Wer eso e Hei­ nach der „richtigen“ Schreibweise auf oder met het, isch guet dra. nach bestimmten Gedichten oder nach Dich­ tern, nach Vortragenden usw. Hier wenden * sich die Anfrager an die Muettersproch- S Alemannisch isch persönlich. S hilft uns, in Gsellschaft, weil diese eben inzwischen als der Masse unsri Persönlichkeit wahre. Indivi- Repräsentant der Mundartsprecher bekannt dualiste sin selli, wos Alemannisch schwätze, ist. bewußt oder unbewußt. Un sie hen e eigini, Un wemme di Lüt frogt, worum si sich denn bsunderi Sproch für de private, nette, persön­ eso iisetze für s Alemannischi, no nenne si liche Bereich. Für Fründschaft un Liebi. Nit „Fünf gueti Gründ für d Mundart“ jede het eso e Sproch. 370 S Alemannisch isch sozial. S verbindet. S isch e gemeinsami Ebini, au wenn der eini e „ho- che“ un der ander e „normale“ Mitmensch isch. Wemmir alemannisch mitenander schwätze, derno gilt für uns der Mensch, nit s Amt. S isch e guets Zeiche, aß grad in eso viel Ämter unser Kläberli hängt „Bi uns cha me au Alemannisch schwätze“. S isch e lladig zum Mensch si mitenander. * S Alemannisch isch nit numme e Bruck zum andere Mensch. S isch au e Bruck zu andere Natione. S isch e Band ums Eisiß, die dütschsprochig Schwyz, Vorarlberg un e Teil vum badische Land. Do sin d Alemanne deheim; international, modern, europäisch. Ufgschlosse für anderi aber au miteme gsunde Selbstbewußtsein. * Zweimool im Johr git de Verein e Schrift Roland Hofmaier; Liedermacher und im Vorstand use, „Alemannisch dunkt üs guet“, un alli der Muettersproch-Gsellschaft Mitglieder kriege si gschickt. Jedesmol isch e Hauptthema behandlet, wo au im Heftli der Name git. Do het s e Hebel-Heft un e Burte- Heft geh, e Nochwuchs-Heft un e Kinder- versli-Heft, e Schwyzer-Heft un e Elsiss-

1981 beim Südwestfunk in Baden-Baden. Mit 37000 Unterschriften für „ meh Mundart bi Funk un Femseh“ auf einer 370 m langen Leine

371 Heft. Ei Heftli het Empfehlige brocht zur isch es möglich, ass der Verein am Laufe Schribwiis usw. Deno aber bringt jedes ghalte were ka, ohni au nur eini Mark für Heftli Informatione us jede einzelne Gruppe. „Personalusgabe“. Bi uns wird ehreamtlich Uf die Art ka me die unterschiedliche Forme gschafft. vum Alemannische lese. Au neui Mundart- büecher were besproche un viel vu dem be­ * richtet, was so ums Alemannischi rum pas­ Wenn sich jetz ebber villicht agsproche siert. füehlt un gern meh wott wisse über d Muet­ S „Heftli“ isch e Band um alb Mitglieder. tersproch-Gsellschaft, no schribt er am Unter de Aktive im Land wachst e anders beschte an: Muettersproch-Gsellschaft 7801 Band, s isch e gueti Fründschaft. Nur eso Buchenbach/Unteribental, Am Hofacker 15.

im große un ganze

im große un ganze im große un ganze si mer scho breche mer scho für toleranze. e lanze, aber ganz im chleine aß mer öbis sott mache, möge mer halt doch keine, für di wirtschaftlich schwache. wo anderst isch aber ganz im chleine als mir — tüe mer halt au wider meine, mach öbis dägege. die chönnte selber öbis tue, die fuulenzer. Gerhard Jung (Aus: Alemannische Anthologie, „S lebig Wort“, Moritz Schauenburg Verlag, 1978)

372 Hebelbund Lörrach Aufzeichnungen von Redakteur Ernst Kaiser Er war selbst seit 1946 dabei und verfaßte diesen Artikel vor seinem Tod 1977

Kaiser schreibt über das „Schatzkästlein“: So etwas wie hier die Säckinger mit ihrem hi­ Es gehört zum Hebeldank, der anläßlich der storischen Fridolinsfest könne man in Lör­ großen, festlichen Veranstaltung gleichen rach doch auch machen, sagte sich Max Namens an Persönlichkeiten verliehen wird, Demmler und er dachte schon an eine Öff­ die sich um die Heimat verdient gemacht ha­ nung der ja auch hier so nahen Grenze zur ben. Nach der Ansprache des Präsidenten Schweiz. Zwar hätte man in Lörrach keinen des Hebelbundes mit der Überreichung der Bismarck, keinen Kaiser Wilhelm und nicht Urkunde, ist es einer der großen Augen­ einmal einen Großherzog, aber wir hätten ei­ blicke, wenn die Vreneli das goldene, relief- nen Johann Peter Hebel und irgendwo, so umprägte Schatzkästlein in natura dem Ge­ hatte er sagen hören, befände sich auch noch ehrten in die zum Empfang offenen Hände sein erzenes Standbild. Der 10. Mai, so sagte legen. sich Max Demmler, sei der Geburtstag des „Öffnen wir das Schatzkästlein“, das heißt Dichters, und um dieses Datum herum hier einen Blick zurück und hinein zu tun in könnte man doch den Hebel wieder auf sein die Geschichte des Hebelbundes Lörrach verlassenes Postament stellen, dort wo er e.V., ehe die Zeit soweit verstreicht, daß die hingehöre und im Jahre 1910 feierlich ent­ Anfänge nur noch vom Hörensagen vernom­ hüllt worden war. men werden können und die sich um seine Geschichte Bemühenden in Urkunden blät­ 1946 hatte in Lörrach die französische Be­ tern müssen. satzungsmacht das Sagen. Ohne sie war Wie immer, so war auch hier zuerst einmal nichts zu machen. Also mußte man zuerst der Gedanke. Er kam einem noch heute le­ einmal zu den Mächtigen dort. Warum Max benden urchigen Alemannen in den Kopf, als Demmler mit diesen Herren reden konnte, er beim Fridolinsfest im März des Jahres möge in Kürze eine Anekdote demonstrie­ 1946 in Säckingen weilte. Zu diesem Festtag ren, die auch von seinem alemannischen We­ waren damals schon von „äne am Rhy“ ei­ senskern kündet. Wie immer, so gab es auch nige Schweizer gekommen und unseren Lör- im Zwölf jahrereich im Hotel „Krone“ einen racher beeindruckten die Gaben der Schwei­ Stammtisch. Dort setzten sich natürlich auch zer Gäste, die diese ihren hungrigen Säckin- die Herren vom Dritten Reich hin neben an­ ger Freunden mitgebracht hatten, sehr. Der deren, und zu den anderen gehörte auch Lörracher hieß Max Demmler, war am Max Demmler. Wenn er in die Gaststube 6. Juni 1898 im damals noch selbständigen trat, sagte er nur „Heil“, nur Heil, sonst Stetten, 450 Meter diesseits der Grenze, zur nichts. Eines Tages glaubte ihn der Wirt Ei­ Welt gekommen, wirkte als Kaufmann in senhut belehren zu müssen, daß der Gruß Lörrach, bis er 1959, weil er in Lörrach keine „Heil Hitler“ laute, er blamiere ihn ja mit sei­ ihm zusagende Wohnung fand, mit seiner nem verkürzten Gruß vor seinen zeitbeding­ Frau nach Wyhlen zog. ten Gästen. Aber da sagte Max Demmler mit 373 seiner ganzen alemannischen Ruhe: „Meinsch, von denen stellvertretend nur Kaufmann ich war jetzt uff den Name cho?“ Ernst Behringer genannt sei. In Meister Gie­ Vom Fridolinsfest in Säckingen bis zu He­ sels Werkstatt wurden 87 Fahnen in den bels Geburtstag im Mai war wahrlich nur Stadtfarben für das Fest genäht. Klauser und eine kurze Zeit und nichts dokumentiert den Giesel waren für den Festzug zuständig. Ehe verbissenen Eifer, den Max Demmler sofort dieser zustande kam, gesellte sich auch Re­ nach seiner Rückkehr nach Lörrach entwik- dakteur Hanns Uhl zum Organisationsaus­ kelte, mehr als die Tatsache, daß am 12. Mai schuß und Bankdirektor Franz Eberhard. des gleichen Jahres der erste Hebeltag statt­ Es war eine Fleißarbeit ohnegleichen, die ge­ finden konnte. leistet wurde. Schließlich wurde am 12. Mai Für die Herren der Besatzungsmacht war der 1946 der erzene Dichter aus Indlekofers Dichter Johann Peter Hebel keineswegs ein Werkstatt heraus auf einen festlich ge­ Begriff, woraus sich ein Fest machen ließe. schmückten Wagen gehoben. Dem Festzug Erst als Max Demmler an einen Studienrat voraus zum Hebelpark marschierten die da­ aus dem Elsaß geriet, gab es den entschei­ mals so hageren Herren des Ausschusses, zu denden Funken. Demmler erhielt die Erlaub­ dem sich noch Pfarrer Richard Nutzinger nis, hinüber nach Basel zu Professor Alt- gesellt hatte, es folgten Markgräflerinnen in wegg, dem Präsidenten der Basler Hebelstif­ der Tracht und Vreneli und ihnen folgten tung, zu gehen, und die Herren erhielten die weißgekleidete Mädchen mit Blumensträu­ Erlaubnis, zum geplanten Hebelfest fahren ßen in den Händen und einem Blumenbü­ zu dürfen. Die Besatzung sagte Ja und Amen schel auf einem Stab. Zwei prächtige Pferde zu dem Fest, und der inzwischen bei Gipser­ zogen den Wagen mit der Aufschrift vorne: obermeister Wilhelm Indlekofer wohlver­ „Unser Hebel“ und dem Lörracher Wappen wahrt aufgefundene erzene Dichter durfte mit der Lerche. Dazu war viel Volk unter­ wieder auf sein Postament. Eigentlich hätte wegs und im Hebelpark. das Standbild zu Kanonen oder Granaten Stühle waren dort aufgestellt und vorne sa­ umgegossen werden sollen (wozu sich aber ßen in ihren Uniformen die Herren der Be­ Dichter doch nicht eignen), aber der sonst in satzungsmacht. Ihr Lächeln war unmilitä­ seinem Geschäft so zuverlässige Meister Ind­ risch, das war ja eine völlig unpolitische An­ lekofer hatte sich zu dem in Auftrag gegebe­ gelegenheit und man konnte sich daran sogar nen Gipsabguß des Standbildes Zeit gelassen, erfreuen. Ehe der Dichter wieder auf sein er ließ es Krieg und tausendjähriges Reich Postament hinaufgehoben wurde, mußte ein überdauern. Bub hinaufsteigen, denn man wollte sehen, Zwar fehlte es in jener Zeit am Nötigen und wie sich der Hebel da oben ausnehme. Die am Nötigsten, selbst auf Bezugscheine war Herren der Basler Hebelstiftung waren da, nicht alles zu haben, aber Max Demmler und diesen mag in der ganz und gar der Zeit setzte sich über alles hinweg und in einer für angepaßten schlichten Feierstunde nach den einen Alemannen unglaublichen Eile setzte so menschenunwürdigen Jahren das Herz er sich mit einer Reihe von Lörracher Per­ wieder aufgegangen sein, weil da hüben ja sönlichkeiten in Verbindung und schließlich immer noch die gleichen Menschen wie da­ setzte sich ein Festausschuß zu Rat und Tat mals waren und sie schwätzten und dachten zusammen. Er bestand aus den Herren Pro­ alemannisch wie eh und je. Schließlich stand fessor Alfred Holler, Bürgermeister Joseph er wieder droben, der Dichter Johann Peter Pfeffer, Obermeister Wilhelm Indlekofer, Hebel, beinahe, als sei seither nichts gesche­ Bankprokurist Karl Klauser, Obermeister hen. Hans Giesel und Max Demmler selbst. Dazu Im nahen Union-Kino hielt Professor Alfred kamen noch eine ganze Reihe von Helfern, Holler an diesem Tag die erste Rede auf He­ 374 bei, ohne zu wissen, daß nach ihm so viele Schatzkästlein am Herzen lag, begriff sofort, Reden auf Hebel und in viel großartigerem daß hier etwas Einmaliges, etwas Großarti­ Rahmen gehalten würden. Kein Tonband ges und für die Zeit so bitter Nötiges begrün­ kündet von ihr und keine Festschrift gibt ih­ det lag. Er schrieb selbst in einem Bericht ren Wortlaut wieder. Trotzdem sei sie unver­ 1950 mit dem Titel „Johann Peter Hebel in gessen. Das Fest war der erste Brückenschlag Lörrach“: „In den Jahren 1947 und 1948, in zwischen Basel, Riehen und Lörrach. denen die Not ins Uferlose wuchs und ein Unter der Nachwirkung des schönen, so ge­ Stück Brot und ein Pfund Haferflocken eine lungenen zivilen Festes sagte sich der Fest­ besondere Gabe darstellten, strömten zu ausschuß, daß es zum Gedenken des Dich­ Zehntausenden die Menschen am Hebeltage ters jährlich wiederholt werden müsse, und nach Lörrach, weil es dem Hebelbund gelun­ damit waren die Hebeltage geboren. Fol­ gen war, die Grenzen aufzutun. All denen, gende Männer wurden aus dem Fest- und die in diesen schwersten Jahren es miterlebt Organisationsausschuß für das erste Hebel­ haben, hat es sich unvergeßlich in die Seele fest in den Vorstand des neu gegründeten eingeprägt. Menschen, die sich jahrelang Hebelbundes Lörrach gewählt, der das An­ nicht mehr gesehen hatten, umarmten sich denken an den Dichter in die Zukunft zu tra­ unter Tränen in den Straßen, ließen sich von gen hatte: erster Präsident wurde der Hauin- ihren Freunden aus der Schweiz oft in rüh­ ger Pfarrer Richard Nutzinger, Vizepräsi­ rendster Weise beschenken, und an keinem dent wurde Max Demmler, Karl Klauser anderen Ort in dem leidgeprüften Deutsch­ wurde Schatzmeister, später wurde es Franz land ist ein schöneres Fest in dieser armseli­ Eberhard, und Hanns Uhl Archivar. Den Ti­ gen Zeit begangen worden als der Hebeltag tel gab dieser sich selbst, und sicher wußte er in Lörrach. Die Wiederinbetriebnahme der schon damals, daß er der eigentliche Bewah­ Straßenbahn von der Landesgrenze bis zum rer sein wollte. Lörracher Hauptbahnhof, später die Wieder­ Hanns Uhl schrieb sich in der Folgezeit mit aufnahme des Eisenbahnverkehrs von Basel eigenen Lettern in das Buch der Geschichte nach Lörrach waren Ereignisse, die mit in die des Hebelbundes. In seiner ersten der rheto­ Maientage dieser Jahre fielen. Wenn an die­ risch so großartigen Begrüßungsansprachen sen Hebeltagen Besucher von der Nordsee im Schatzkästlein im Jahre 1947 sagte er: und dem Lago Maggiore sich in der Stadt „. . . aus Schutt und Trümmern heben wir das trafen, so mag das am besten als ein Symbol Schatzkästlein und öffnen es wieder zu Nutz der Verständigung und des weiten und tiefen und Frommen von uns allen . . .“ Er wurde Wirkens des Hebelschen Geistes festgestellt und war der Gestalter des Schatzkästleins, werden. Freunde aus Amerika haben das wie es noch heute erlebt wird. Es ist sein un­ Präsidium des Hebelbundes wissen lassen, bestrittenes Verdienst, für Lörrach, für die wie sehr sie sich über die „Wochenschau“, ganze Grenzecke, ja das ganze alemannische die Bilder vom Hebeltag in Lörrach zeigte, Land, etwas für lange Zeit Gültiges auf die gefreut haben. So weit Hanns Uhl. Die Wo­ Beine gestellt zu haben. Der Franke Hanns chenschauen sind im Besitz des Hebelbun­ Uhl pfropfte damit etwas auf das kräftige, des, und Johannes Wenk-Madoery, Archivar mehr urwüchsige alemannische Reis, das als Nachfolger von Hanns Uhl und in diesem nicht immer als im Hebelschen Sinne richtig Amt wirklich ein archivierender, hütet sie. empfunden wurde. Die 1950 noch in der ursprünglichen Erinne­ Demmlers Idee, die Grenzen zu öffnen, fand rung an jene großen Hebeltage geschriebe­ in dem noch jungen Hebelbund eine wun­ nen Sätze von Hanns Uhl, können jetzt, 27 dervolle Resonanz. Auch Hanns Uhl, dem in Jahre später, nicht besser geschrieben wer­ der Folgezeit eigentlich immer nur das den, darum stehen sie hier. 375 31 Personen waren zum Grenzübertritt 1946 hier niemand etwas zu sagen hatte, auch Prä­ namentlich aufgeführt worden, der Riehener sident Pfarrer Nutzinger nicht, der auch oft Pfarrer sprach beim Gottesdienst in der von Hauingen in die Runde der Hebel­ Stadtkirche, und im Hebelpark bei dem Auf- freunde kam. Um das, was der Hebelbund richte-Kranen sprach ein Basler Redakteur. außer dem „Schatzkästlein“ leistete, küm­ 1947 wurde für die Basler früh um 5 Uhr die merte sich Hanns Uhl nicht. Aber er war es, Grenze geöffnet, 5000 sollen es damals ge­ der die wirklich großen Persönlichkeiten als wesen sein, die aus den beiden Basler Kanto­ Redner auf Hebel gewann, er war es, der nen gekommen waren und im folgenden dieser alemannischen Feierstunde das bis Jahre, 1948, war die Grenze für die ganze heute gültige Format gab. Dies sei festgehal­ Schweiz offen und es sollen an die 30000 ten. Personen gewesen sein, die sie mehr oder weniger bepackt, überschritten. Die Schät­ Bereits die Gründungsversammlung 1946 zungen über die Zahl gehen sehr auseinan­ hatte neben dem „Schatzkästlein“ zum He­ der, bleiben wir bei der ursprünglich genann­ beltag einen Umzug geplant, der in der Folge ten. sehr viel Arbeit machte und mit einem gro­ Für das „Schatzkästlein“ im Jahre 1947 ßen Festumzug aus Anlaß der Anwesenheit stellte die Firma KBC ihren großen Saal zur des Bundespräsidenten, Prof. Dr. Theodor Verfügung, und 1949 konnte es zum ersten Heuss, der am Abend zuvor die „Rede auf Male in der renovierten Stadthalle stattfin­ Hebel“ gehalten hatte, diesen Teil des He­ den. „Stattfinden?“ Der unvergessene Profes­ beltages abschloß. Beschlossen wurde schon sor Alfred Holler schrieb dazu 1960: „Die zu Beginn des Hebelbundes die jährliche Feier des Schatzkästleins ist längst keine Festpredigt in der Stadtkirche, die Feier vor ,Veranstaltung' mehr, die einfach stattfin­ dem Ehrenmal der Gefallenen auf dem det. Das Schatzkästlein ist ein Fest, das be­ Friedhof und die festlich-unterhaltsame gangen wird, das im Kalender des Jahres sei­ Feier, umrahmt von den Darbietungen der nen festen Platz hat. . .“ Stadtmusik im Rosenfelspark. In den ersten Jahren des Bestehens des He­ Von der Hebelrunde im „Jägerstüble“ wurde belbundes trafen sich seine Mitarbeiter und die Herausgabe der Schriftenreihe des He­ Freunde am Abend jeden ersten Montags im belbundes mit der Wiedergabe der jeweiligen Monat im Nebenzimmer der Gaststätte Rede auf Hebel. Nr. 1 dieser Schriftenreihe „Zum Jägerstüble“ in der Feldbergstraße. Es trug den Titel „Der Stabhalter“ und hatte war eine denkwürdige Runde von Männern, den Präsidenten Pfarrer Nutzinger selbst die sich dort traf, dort wurde erdacht und zum Autor. Beschlossen wurde auch bereits herausgearbeitet was zu tun war. Daß diese am Anfang die Verleihung eines „Hebeldan­ Abende niemals zum bloßen Stammtisch der kes“, dessen erster Empfänger der Maler Hebelfreunde wurden, dafür sorgte schon Adolf Glattacker war. der stets anwesende Professor Holler und Beschlossen wurde in der Hebelrunde die mit ihm waren immer Bürgermeister Pfeffer Herausgabe einer Auswahl der schönsten am Tisch, der Autor dieses Berichtes, und Hebelgedichte, die Schrift hieß dann „Der häufige Gäste waren Ernst Behringer, Hans Blumenkranz“. An einem der Abende erin­ Giesel, Max Wiechmann, Leo Pfister und nerte der Autor dieses Berichtes daran, daß später kam noch der Heimatdichter Her­ es eine gute Sache des Hebelbundes wäre, mann Länderer dazu. Niemals war Hanns alle im heimischen Bereich in der Sprache Jo­ Uhl dabei. Seine Domäne war die Gestaltung hann Peter Hebels Schaffenden zu Wort des „Schatzkästlein“ und um der historischen kommen zu lassen. Denn damals war für sie Richtigkeit willen sei festgehalten, daß ihm kein Boden bereitet. 376 Der spätere Vizepräsident Hermann Lände­ besaß, er erhielt im Jahre 1965 verdient den rer nahm diese Idee auf, setzte sich mit den Hebeldank. Heimatdichtern landauf und -ab in Verbin­ Am Schlüsse seiner Abschiedspredigt im Ok­ dung und ließ sie an vielen Winterabenden tober 1791 in der Stadtkirche in Lörrach, im Hebelbund in Lörrach zu Wort kommen. sagte Johann Peter Hebel: „Meine Empfin­ Später übernahm und gestaltete Gerhard dung fordert mich auf, es laut und öffentlich Jung sie im Verein mit der Volkshochschule zu bekennen und zu rühmen, daß ich meinen der Stadt Lörrach zu den heute so gern und Aufenthalt bei Euch zu dem bestimmten gut besuchten und viel beachteten literari­ Maß meiner Freuden und nicht meiner Lei­ schen Abenden aus. den rechne . . . daß ich viele Freundschaft und Liebe, viel Güte, Gefälligkeit und Nach­ Es war eine ganze Reihe von Männern, die sicht und einen steten Frieden unter Euch ge­ von Anfang an an der Gestaltung der Hebel­ nossen habe . .. und ach, daß ich hoffen tage mit dem Schatzkästlein mitarbeiteten, darf, daß auch einem oder dem anderen un­ ihre Leistungen aufzuzählen, fehlt der „Zei­ ter Euch mein Aufenthalt nicht gleichgültig lenplatz“, aber einige Namen seien genannt: geblieben sei.“ Architekt Max Wiechmann, der die Verbin­ Sein späteres reiches dichterisches Schaffen dung zu den Heimatvertriebenen aufrecht um unsere heimatliche Sprache machte sei­ hielt und besonders am großen Umzug 1952 nen Aufenthalt als Präzeptoratsvikar in Lör­ eine gute Arbeit leistete; Leo Pfister, den rach ohnehin nicht gleichgültig. Johann Pe­ man überall dort brauchen konnte, wo man ter Hebel als Persönlichkeit und Werk un­ einen zuverlässigen und selbst denkenden vergessen zu machen, das ist die schöne und Mitarbeiter benötigte. Zwei Frauen ist der großartige Aufgabe des Hebelbundes. Das Hebelbund noch zu erinnerndem Dank ver­ Präsidium des Hebelbundes mit seinen Mit­ pflichtet, Frau Gruber-Winter, die mit größ­ arbeitern und samt der Trachtengruppe unter ter Hingabe und Fleiß sich um die Trachten­ der Leitung von Frau Hänni wird heute noch gruppe des Vereins, und auch um die Trach­ in bester Weise dieser Aufgabe gerecht. ten selbst kümmerte. Die zweite Frau war Heute setzt sich der Vorstand wie folgt zu­ der gute Geist des Hebelbundes und er ist es sammen: heute noch: Frau Hilde Engesser. Der heu­ Präsident tige Archivar Johannes Wenk-Madoery aus Herr Dekan Gerhard Leser Riehen fehlte von Anfang an bei keiner der Lörrach-T üllingen Veranstaltungen des Hebelbundes. Die letzte Amtshandlung des verstorbenen 1. Stellvertreter Präsidenten Pfarrer Nutzinger war die Ver­ Herr Walter Jung, Ratschreiber leihung des Hebeldankes im Jahre 1963 an Lörrach den Keramiker Richard Bampi. Als neuer und heute noch amtierender Präsident des 2. Stellvertreter Hebelbundes verlieh Pfarrer Werner Men- Herr Gerhard Jung, Schriftsteller nicke 1964 den Hebeldank an Ernst Brugger, Lörrach den Sendeleiter des Landesstudios Freiburg des Südwestfunks. Archivar Es wäre ein Fehler, lenkten wir zum Schlüsse Johannes Wenk-Madoery, Kaufmann unsere Gedanken nicht noch einmal hinüber CH Riehen/BS nach Basel, wo der Hebelbund in Regie­ Rentmeister rungsrat Dr. Peter Zschokke einen starken, Hans Weber, Bankkaufmann aber ohne große Worte wirkenden Förderer Lörrach 377 Schriftführer Seit 1975 wird der Hebelpreis nur noch alle 2 Frau Hilde Engesser Jahre verliehen Lörrach 1976 Andre Weckmann, Straßburg 1978 Erika Burkart, Althäusern/Kanton Aargau (Schweiz) (Aus: Unser Lörrach, 1977) 1980 Elias Canetti, Zürich (Schweiz) 1982 Maria Menz, Oberessendorf HEBELPREISTRÄGER ü/Biberach/Riß 1936 Dr. Hermann Burte f> Lörrach 1937 Alfred Huggenberger f, Gerlikon (Schweiz) HEBELDANKTRÄGER 1938 Eduard Reinacher t, Aichelberg (Elsaß) 1939 Hermann Eris Busse f, Freiburg i.Br. 1949 Adolf Glattacker t, Maler, 1940 Dr. Benno Rüttenauer t, München Lörrach-Tüllingen 1941 Emil Strauß f, Freiburg i. Br. 1950 Professor Dr. med. Hans Iselin J, 1942 Professor Dr. Wilhelm Weigand f, Mün­ Lörrach—Basel (Schweiz) chen 1951 Professor Franz Philipp +, Komponist, 1943 Jakob Schaffner J, Berlin — Basel (Schweiz) Schönau—Freiburg i. Br. 1944 wurde kein Preis verliehen 1952 Maschinenfabrikant Hans Kaltenbach J, 1945 wurde kein Preis verliehen Lörrach 1946 Anton Fendrich J, Freiburg i. Br. 1953 Denkmalpfleger Julius Wilhelm J, Lörrach 1947 Franz Schneller J, Freiburg i. Br. 1954 Alt-Bürgermeister Josef Pfeffer J, Lörrach 1948 Traugott Meyer f, Basel (Schweiz) 1955 Professor Dr. Adolf Strübe t> Maler 1949 Dr. Wilhelm Hausenstein t, Paris und Bildhauer, Lörrach 1950 Professor Dr. Wilhelm Altwegg t, 1956 Ministerialrat Professor Dr. Karl Asal, Basel (Schweiz) Freiburg i. Br. 1951 Professor Dr. Albert Schweitzer t, 1957 Ernst Friedrich Bühler, Chormeister, Lambarene Steinen i. W. 1952 Dr. Max Picard f, Brissago (Schweiz) 1958 Professor Alfred Holler f, Lehrer, Lörrach 1953 Reinhold Zumtobel t, Freiburg i. Br. 1959 Dr. Otto Kleiber f, Redaktor, 1954 Otto Flake f, Baden-Baden Basel (Schweiz) 1955 Dr. Wilhelm Zentner t, München 1960 Rektor i.R. Emil Hutter f, Lörrach-Stetten 1956 Frau Lina Kromer t, Obereggenen 1961 Frau Emilie Gruber-Winter "f, Lörrach 1957 Dr. h. c. Emanuel Stickelberger f, 1962 Hans Stössel t, Generaldirektor, Lörrach Basel (Schweiz) 1963 Richard Bampi f, Keramiker, Kandern 1958 Professor Friedrich Alfred Schmid Noerr J, 1964 Ernst Brugger t, Sendeleiter des Südwest- Baden-Baden funks, Studio Freiburg i.Br. 1959 Professor Carl Jacob Burckhardt f, 1965 Regierungsrat Dr. Peter Zschokke, Basel Vinzel (Schweiz) 1966 Professor Dr.-Ing. Herbert Albrecht, Rhein- 1960 Professor Martin Heidegger Freiburg felden, Vorsitzender des Bürgeln-Bundes i. Br. 1967 Regierungspräsident von Südbaden, 1961 Dr. Albin Fringeli, Nünningen (Schweiz) Anton Dichtei f 1962 Pfarrer Richard Nutzinger t, Hauingen 1968 Oberbürgermeister Joseph Rey, Colmar 1963 Professor Robert Minder f, Paris 1969 Senator Dr. jur. Robert Müller-Wirth f, 1964 Albert Bächtold f, Wilchingen Verleger, Karlsruhe (Kanton Schaffhausen) 1970 Universitätsprofessor D. Dr. Ernst 1965 Adalbert Welte, Bregenz Staehelin-Kutter t, Basel 1966 Dr. Eberhard Meckel t, Freiburg i. Br. 1971 Dr. jur. Gebhard Müller, Präsident des 1967 Professor Dr. Josef Lefftz, Straßburg Bundesverfassungsgerichts, Karlsruhe 1968 Hermann Schneider J, Basel 1972 Bürgerlicher Sängerverein Lörrach 1833 1969 Gertrud Fussenegger, Leonding bei Linz e.V. a. d. Donau 1973 Landrat i. R. Wolfgang Bechtold, Lörrach 1970 Marie Luise von Kaschnitz J, Frankfurt/M. 1974 Dr. Karl Friedrich Rieber f, Musikdirektor, 1971 Lucien Sittler, Stadtarchivar, Colmar Lörrach 1972 Pfarrer Kurt Marti, Bern 1975 Ratsschreiber Walter Jung, Lörrach 1973 Joseph Hermann Kopf t, Wien/St. Gallen 1976 Professor Paul Stintzi, Mulhouse 1974 Gerhard Jung, Lörrach 1977 Dr. Theo Binder, Urwaldarzt 378 1978 Professor Dr. Georg Thürer, Teufen/ Heft Nr. 15 Fritz Buri: „Wunder und Weisheit St. Gallen (Schweiz) in Johann Peter Hebels Biblischen 1979 Regierungspräsident Dr. Hermann Person, Geschichten“ Freiburg i. Br. Heft Nr. 16 Lucien Sittler: „Hebel und das El­ 1980 Gerhard Moehring, Kustos des Heimat­ saß“ museums, Lörrach Heft Nr. 17 Karl Schmid: „Hebel der Nachbar“ 1981 Professor Dr. Raymond Matzen, Straßburg Heft Nr. 18 Hans Trümpy: „Das Volkstümliche 1982 Oberstudiendirektor Dr. Erhard Richter, bei Hebel“ Grenzach-Wyhlen Heft Nr. 19 Hanspeter Müller: „Hebel in mei­ nem Leben“ Heft Nr. 20 Camille Schneider: „Vom Hebel In der Schriftenreihe des Hebelbundes sind bisher einst in meinem Lesebuch zu Hebel erschienen: heute“ Heft Nr. 1 Richard Nutzinger: „Der Stabhalter“ Heft Nr. 21 Lutz Röhrich: „Hebels Kalenderge­ Heft Nr. 2 Gerhard Hess: „Rede auf Hebel“ schichten zwischen Volksdichtung Heft Nr. 3 Peter Dürrenmatt: „Hebel — heute“ und Literatur“ Heft Nr. 4 Martin Heidegger: „Gespräch mit Heft Nr. 22 Albin Fringeli: „Hebel und die Hebel“ Schweiz“ Heft Nr. 5 Johann Peter Hebel: „Der Blumen­ Heft Nr. 23 Uli Däster: Der „Heimatdichter“ kranz“ (Gedichtband) Hebel Heft Nr. 6 Eberhard Meckel: „Umriß zu einem Heft Nr. 24 Raymond Matzen: „Mein Dank an neuen Hebelbildnis“ Hebel“ Heft Nr. 7 Kurt Krauth: „Hebel als Erzieher“ Heft Nr. 25 Martin Stern: Zeit, Augenblick und Heft Nr. 8 Carl Jacob Burckhardt: „Der treue Ewigkeit in Johann Peter Hebels Hebel“ „Unverhofftem Wiedersehen“ Heft Nr. 9 Hans Thieme: „Hebels Verhältnis Heft Nr. 26 Walther Eisinger: „Johann Peter zur Geschichte“ Hebel, ein menschlicher Christ“ Heft Nr. 10 Rudolf Suter: „Hebels lebendiges Heft Nr. 27 Arnold Schneider: „Hebel — Schul­ Erbe“ mann und Lehrer des Volkes“ Heft Nr. 11 Friedrich Metz: „Hebel und seine Heft Nr. 28 Werner Sommer: „Hebel und seine Landschaft“ Mutter“ Heft Nr. 12 Georg Thürer: „Hebel im Gespräch Heft Nr. 29 Georg Hirtsiefer: „Ordnung und mit seinem Leser“ Recht bei Johann Peter Hebel“ Heft Nr. 13 Bruno Boesch: „Hebels Umgang mit Heft Nr. 30 Albrecht Goes: „Hebel, der Ratge­ der Sprache“ ber“ Heft Nr. 14 Robert Feger: „J. P. Hebel und der Heft Nr. 31 Ludwig Rohner: „Hebel und seine Belchen“ Leser“

379 Schwiige

Im Ibermuat mit Wort nit zua hoch nufistiige, un hinteno, vu obe rabigschmetteret, am Bode lige! Im Wuat Parole nit zua Barikade biige, un nit im derbe Gschwätz üs dunkle Gasse, sich draanischmiige! Dr Teifel spilt uf vile Giige! — Bizite schwiige!! — Doch, vor dr still bisch muasch di froge: War s Schwiige gloge? Karl Kurrus Aus: Vu Gott un dr Welt, Gedichte in Kai- serstühler Mundart, Mörstadt Verlag, 1981 Die Hermann-Burte-Gesellschaft Magdalena Neff, Basel

Gründung und Entwicklung schen Werkes von Hermann Burte — Her­ Die Hermann-Burte-Gesellschaft (Hum- stellung von Reproduktionen von Werken boldtstr. 3, 7850 Lörrach) entstand Anfang des Malers Burte-Strübe — Vermietung von 1960 aus einem Freundeskreis des aus Maul- Originalbildern Burtes auf befristete Zeit — burg (Kreis Lörrach) gebürtigen Dichters Aufbau und Unterhaltung des Hermann- und Malers Dr. phil. h.c. Hermann Burte- Burte-Archivs (Burtestr. 73, 7867 Maulburg) Strübe (1879—1960). Nach dem Tode Her­ — Pflege von Beziehungen zu ähnlichen lite­ mann Burtes am 21. 3. 1960 trat sie an die rarischen Vereinigungen und Vermittlung Öffentlichkeit und besteht seither als „einge­ von Informationen an am Werk Hermann tragener Verein“ auf gemeinnütziger Grund­ Burtes literarisch oder persönlich Interes­ lage. Durch letztwillige Verfügung des Dich­ sierte. ters wurde sie Alleinerbin seines künstleri­ schen Nachlasses, der in einem „Hermann- Die Arbeit der Hermann-Burte-Gesellschaft Burte-Archiv“ vereinigt werden sollte. wird ermöglicht durch die Mitgliederbeiträge Die Hermann-Burte-Gesellschaft e.V. umfaßt und durch Spenden sowie durch die ehren­ zur Zeit 320 Mitglieder, die meist in Südbaden, amtliche Tätigkeit einzelner Mitglieder. aber auch im übrigen Deutschland, in der Schweiz und im Elsaß beheimatet sind. Der jährliche Mindestbeitrag beträgt DM 12,—, für Veranstaltungen juristische Personen DM 50,—. Alljährlich im Herbst findet die Mitglieder­ Präsident der Hermann-Burte-Gesellschaft: versammlung der Hermann-Burte-Gesell- Rechtsanwalt Herbert Harrer, Humboldt­ schaft (meist auf Schloß Bürgeln) statt. — straße 3, 7850 Lörrach. Ebenfalls im Herbst jeden Jahres wird ein Archivarin und Schriftführerin: Dr. Magda­ „Burte-Abend“ durchgeführt, in der Regel in lena Neff, Hardstr. 72, CH 4052 Basel. einer ländlichen Gemeinde des Markgräfler­ landes und unter Mitwirkung der Vereine und reger Teilnahme der Bevölkerung. Im Rahmen dieser Veranstaltung behandelt ein Ziel Redner jeweils ein bestimmtes Thema im Zu­ Die Hermann-Burte-Gesellschaft sieht ihr sammenhang mit Hermann Burte. Zu erwäh­ Ziel in der Erhaltung und Förderung des nen ist der „Alemannische Abend“ im No­ dichterischen und malerischen Werkes von vember 1982 in Hausen im Wiesental, dem Hermann Burte und befaßt sich demgemäß Professor Georg Thürer (St. Gallen) durch mit folgenden Aufgaben: Neuauflage der seinen aufschlußreichen Vortrag „Burte hul­ vergriffenen dichterischen Werke — Heraus­ digt Hebel“ besonderen Wert verliehen hat. gabe bisher unveröffentlichter Werke — Ver­ Anläßlich des 100. Geburtstages von Her­ öffentlichung von Sekundärliteratur — Ver­ mann Burte im Februar 1979 fand in der Ale­ anstaltung von Gedenkfeiern, Vortragsaben­ mannenhalle in Maulburg eine eindrucks­ den, Lesungen aus Burtes Werk usw. — volle Feier statt, an der ebenfalls Prof. Thü­ Durchführung von Ausstellungen des maleri­ rer die Festrede hielt. 381 Alljährlich im Februar treffen sich die Hermann Burte: Skizzenbuch (Verlag F. Freunde Fiermann Burtes zur Erinnerung an Resin, Weil a. Rh., 1978; DM 29,80). den Geburtstag des Dichters am 15. 2. in Ef- Hermann Burte 100 Jahre. Ausgewählte ringen-Kirchen zum „Ruländer Schoppen“. Gedichte, hochdeutsch und alemannisch. Neben Vorträgen aus Burtes Werk kommen (Verlag Burda, Offenburg, 1978; hier auch andere alemannische Dichter aus D M 19,80). den drei Ländern der „Regio“ mit Proben ih­ Zehn Handschriften von Hermann Burte res Schaffens zu Worte. (Faksim.) mit Begleittext „Ein Blick in das Leben und Schaffen des Dichters“ von M. Neff (Verlag F. Resin, Weil a.Rh., 1982; Ausstellungen DM 83,40, f. Mitglieder der H.-B.-Ges. Dem malerischen Werk Hermann Burtes wa­ D M 66,70). ren die beiden Gedenkausstellungen gewid­ met: 1964 in Lörrach zum 85. Geburtstag b) Sekundärliteratur: und 1969 in Maulburg zum 90. Geburtstag G. Thürer: Zum hundertsten Geburtstag des Künstlers. des Dichters Hermann Burte. Rede in 1980 veranstaltete die Hermann-Burte-Ge- Maulburg am 17. 2. 1979. Sonderdruck sellschaft eine Ausstellung von Ölbildern und aus „Das Markgräflerland“, H. 1/2, 1981 eine Ausstellung von Aquarellen und 1979. Zeichnungen Burtes in Efringen-Kirchen, M. Neff: Hermann Burte und Basel. Son­ wobei jeweils die Möglichkeit der Miete von derdruck aus „Unser Lörrach 1979“, Bildern (zunächst für die Dauer von 5 Jah­ Bd. 10. ren) ausgiebig genutzt wurde. M. Neff: „Die Seele des Maien“. Hermann Burte ehrt Johann Peter Hebel. Sonder­ druck aus „Geroldsecker Land“, H. V eröffentlichungen 23/1981. Seit 1963 brachte die Hermann-Burte-Ge- M. Neff: Die Industrie im Wiesental in der sellschaft folgende Bücher und Schriften her­ Dichtung Hermann Burtes. Sonderdruck aus: aus „Das Markgräflerland“, H. 2, 1981. W. Küchlin: Begegnung mit Hermann a) Werke von Hermann Burte: Burte und seinem Werk. Rede in Gren­ An Klotzen, Rhein und Blauen. Gedichte zach-Wyhlen am 10. 10. 1981 („Das (1963). Markgräflerland“, H. 2, 1983). Adler und Rose. Übersetzungen französi­ W. F. Fischer: A propos Hermann Burte. scher Gedichte (Neuauflage 1966; Erinnerungen und Gedanken 1979. (Ver­ D M 12,-). lag und Bezugsmöglichkeit: J. Rohrmus, An Klotzen, Rhein und Blauen (N euauf­ Tumringer Str. 221, 7850 Lörrach. lage 1981; DM 9,80). D M 5 ,-). Die Seele des Maien. Gedichte um Hebel. Erweiterte Neuauflage mit 7 Zeichnun­ Alle unter a) angeführten Bücher usw. (sowie gen von H. Burte und einem Vorwort von die noch zu Lebzeiten des Dichters erschie­ G. Thürer (1982; DM 12,80). nenen und zur Zeit erhältlichen Gedicht­ Hermann-Burte-Schallplatte bzw. -Kassette bände: Madlee — Das Heil im Geiste — Stirn (1978; DM 21,-). unter Sternen — Lied aus Murperg — Aus­ wahl aus Hermann Burtes Werken, 1959 — Hermann Burte 80 Jahre, eine Freundesgabe) Ferner erschienen unter Mitarbeit der sind zu beziehen bei Firma Friedrich Resin, Hermann-Burte-Gesellschaft: Postfach 1720, 7858 Weil a.Rh. 382 Die Beziehung der Hermann-Burte-Gesell- (1936) und bewahrte seinem großen Vorbild schaft zur alemannischen Mundartdichtung lebenslange Verehrung, die er vor allem in Aus dem vorstehenden Überblick mag er­ seinem hauptsächlich alemannische Gedichte sichtlich sein, wie komplex das Schaffen enthaltenden Bändchen „Die Seele des Hermann Burtes war und demgemäß auch M aien“ zum Ausdruck brachte. So ist auch die Arbeit der Hermann-Burte-Gesellschaft die Beziehung zwischen der Hermann- ist: Die hochdeutsche Dichtung und das ma­ Burte-Gesellschaft und dem Hebelbund un­ lerische Werk nehmen einen großen Raum mittelbar gegeben. ein. Als Kern dieses vielseitigen künstleri­ Zum ändern hat die Freiburger „Muetter- schen Lebenswerkes muß jedoch Burtes sproch-Gsellschaft“ Hermann Burte, den Mundartdichtung, sein Buch „Madlee“, gelten, Meister der alemannischen Mundartdichtung für das ihm 1924 die Ehrendoktorwürde der nach Hebel, gewürdigt, indem sie als Titel Universität Freiburg i. Br. verliehen wurde. für ihre Zeitschrift die Zeile: „Alimannisch Der Rang Hermann Burtes als bedeutendster dunkt ys guet“ aus dem Gedicht „Sprach- alemannischer Dichter nach Hebel ist unbe­ arten“ in „Madlee“{S. 80) gewählt hat. stritten. Er war der erste Hebelpreisträger

Spracharten

1 Andersch schwätzt men anderwyttig, Alimannisch dunkt ys guet: Hochdütsch raschlet wie ne Zyttig, Alimannisch ruuscht wie Bluet.

2 Stoß der Chopf ämol dur s’Gätter! Bruuch Dy Sprooch und ihri Chraft! Hochdütsch, seil sin gsägti Bretter, dMundart isch e Wald im Saft. 3 d ’Muedersprooch, en Aechte lehrt sie. Sag, was sparsch der Oode Du? Hochdütsch schmeckt no Druckerschwärzi, d’Muedersprooch het Boodeguu. Hermann Burte (Aus: „Madlee“, Alemannische Gedichte)

383 Literaturhinweise Aufsätze zur Mundartdichtung

Assion, Peter Epple, Bruno Lob des Dialekts. In: Rudolf Lehr, Paul Wai- Nachwort zu Manfred Bosch, Uf den Dag bel, Muddersprooch, Ein pfälzisch-fränki­ wart I, Verlag Manfred Bosch, Neumatten­ sches Mundartbuch, Badenia Verlag Karls- weg 30, Rheinfelden8, 1981 ruhe/Rhein-Tauber-Verlag Sandhausen, 1978, Seiten 8—12 Feinäugle, Norbert Auf der Suche nach einer anderen Heimat­ Bräutigam, Kurt dichtung. In: „schwädds“ Zeitschrift für Mundartliteratur im Rhein-Neckarraum. In: Mundartliteratur Nr. 2, Juni 81, S. 8 „schwädds“ Zeitschrift für Mundart Nr. 4, Juni 1982, Seiten 54—58 Feinäugle, Norbert Dialektliteratur in der Schule — ein Tole­ ranzproblem? In: Lehren und Lernen, Zeit­ Baur, Gerhard W. schrift der Landesstelle für Erziehung und Warum schreiben Sie im Dialekt? Eine Auto­ Unterricht, Heft 1, Januar 1982 renbefragung. In: Dialekt. Wiederentdek- kung des Selbstverständlichen. Eine schwä­ Finck, Adrien bisch-alemannische Bestandsaufnahme, Hrsg. Einführung. In: „Nachrichten aus dem Ale­ Eduard Spranger, 1979 mannischen“, Neue Mundartdichtung aus Baden, dem Elsaß, der Schweiz und Vorarl­ Bausinger, Hermann berg, hg. von Adrien Finck und Raymond Fußgängerzone. In: „Akzente“, 1976, Seiten Matzen, Olms Presse Hildesheim, 1979, Sei­ 364-368 ten X I-X IX Finck, Adrien Bausinger, Hermann Vorwort. In: Nachrichten aus dem Elsaß. Provinz im Aufwind? Wer oder was bewegt Deutschsprachige Literatur in Frankreich, die neue Dialektpoesie? In: Dialekt-Wieder­ 2. Mundart und Protest, Olms Presse Hildes­ entdeckung des Selbstverständlichen. Eine heim, 1978, Seiten 1—30 schwäbisch-alemannische Bestandsaufnahme, Hrsg. Eduard Spranger, 1979 Fringeli, Dieter Mach keine Schprüch, Schweizer Mundart­ Bosch, Manfred lyrik des 20. Jahrhunderts, Artemis Verlag, Referat, gehalten auf dem Konstanzer Sym­ 1972 posion über Regionalismus und Dialekt, Fringeli, Dieter 1./12. April 1978. In: Literatur im Alemanni­ Nachwort zu Julian Dillier, Mändschä sind schen Raum — Regionalismus und Dialekt, mängisch wie gäärtä, Verlag J. P. Hebel, hg. von J. Kelter und P. Salomon, Dreisam Gebr. Holstein, Rothenburg ob der Tauber, Verlag Freiburg, 1978 1978 385 Herburger, Günter Kusz, Fitzgerald Mut zum Dialekt. In: „Akzente“, 1976, Sei­ Poetisch, linguistisch, sozialkritisch. In: „Ak­ ten 133—138 zente“, 1976, Seiten 139—143 Hoffmann, Fernand Zwischen den Lagern, Zum 60. Geburtstag Ortlieb, Dietmar des Obwaldener Mundartdichters Julian Dil- Mut zum Dialekt oder Reiz der Exotik. In: lier. In: „schwädds“, Zeitschrift für Mundart Literatur im Alemannischen Raum — Regio­ Nr. 4, Juni 1982, Seiten 62—65 nalismus und Dialekt, hg. von J. Kelter und P. Salomon, Dreisam Verlag Freiburg, 1978 Hoffmann, Fernand Im Dialekt schreiben. Prinzipielles zur Äs­ Schmitt, Heinz thetik der Dialektliteratur. In: „schwädds“, Pfälzisch links und rechts des Rheins. In: Zeitschrift für Mundartliteratur Nr. 3, R. Lehr, P. Waibel, Muddersprooch, Ein Nov. 81, S. 10 pfälzisch-fränkisches Mundartbuch, Badenia Verlag/Rhein-Tauber Verlag Hoffmann, Fernand Sprachspiele und Konkretismus als mundart­ poetische Mittel. In: „schwädds“, Zeitschrift Spranger, Matthias für Mundartliteratur Nr. 5, Nov. 82, S. 8 Immer noch Montag, Alemannischer Litera­ turpreis der Stadt Waldshut an Ernst Burren, Huber, Heinz Laudatio. In: „Allmende“, 1. Jg., Heft 2, Wo man aus Weizen Spätzle macht — Neue 1981, Seiten 136-141 schwäbische Mundartliteratur. In: Badische Kulturzeitschrift D’Deyflsgiger Nr. 6, Seiten Waibel, Paul 71-86 Mundart ist Sprache aus eigenem Recht. In: Rudolf Lehr, Paul Waibel, Muddersprooch Kaliwoda, Gregor Bd. 2, Mundarten zwischen Rhein und Tau­ Thesen zum Regionalismus und Mundart­ ber, Main und Murg, Badenia Verlag Karls­ dichtung oder: Möglichkeiten eines wieder­ ruhe, Rhein-Tauber-Verlag Sandhausen, entdeckten Sprachmaterials. In: Literatur im 1980, Seiten 8—9 alemannischen Raum, Regionalismus und Dialekt, hg. v. J. Kelter und P. Salomon, Walser, Martin Dreisam Verlag Freiburg, 1978 Zweierlei Füß — Über Hochdeutsch und Dialekt. In: Dialekt. Wiederentdeckung Kelter, Jochen des Selbstverständlichen. Eine schwäbisch­ Provinz — Aufmarschbasis gegen die Metro­ alemannische Bestandsaufnahme, Hrsg. polen? Zur Renaissance von Heimat und E. Spranger, 1979 Dialekt in der westdeutschen Linken. In: Li­ teratur im Alemannischen Raum, Regionalis­ mus und Dialekt, hg. v. Jochen Kelter und Weckmann, Andre Peter Salomon, Dreisam Verlag Freiburg, Elsaß: Von der Selbstaufgabe zur Konviviali- 1978, Seiten 97-102 tät. In: Allmende, H eft 1, 82, S. 44ff.

Kühn, Dieter Weckmann, Andre Mundart und Hochsprache: eine Konfronta­ Das elsässische Sprachproblem — ein Schul- tion. In: „Akzente“ 3, 1976, S. 311 problem. In: Allmende, Heft 3, 82, S. 58 ff. 386 Mundartforschung

Das Badische Wörterbuch Gerhard W. Baur, Freiburg

„Das Badische Wörterbuch stellt den Wort­ Die Anfänge des Sammelns schatz der lebenden Mundarten Badens dar.“ Im Jahre 1893 hatte der volkskundlich inter­ So lapidar beginnt Ernst Ochs, der erste und essierte Universitätsbibliothekar Prof. Frid- langjährige Bearbeiter und Herausgeber, das rich Pfaff die neu an die Freiburger Universi­ Vorwort zum ersten Band, der 1925 nach tät gekommenen Germanisten Friedrich über lOjähriger eigener Vorarbeit und noch Kluge (hauptsächlich bekannt geworden weiter zurückreichenden Vorbereitungen an­ durch sein Etymologisches Wörterbuch) und derer zu erscheinen beginnt und 1940 abge­ Elard Hugo Meyer für die Erforschung der schlossen ist. Wieso „badisch“ und nicht „ale­ badischen Volkskunde interessieren können. mannisch“ oder „fränkisch“? Eine badische Ihre gemeinsam ausgearbeiteten und an Leh­ Mundart gibt es natürlich nicht, jedoch hatte rer und Pfarrer im ganzen Land ausgesand­ man sich 1913 auf der ersten Mundart-Wör­ ten Fragebogen2) erbrachten im mundartli­ terbuch-Konferenz in Marburg dafür ent­ chen Bereich so viel Interessantes und Neues, schieden, die großen wissenschaftlichen daß die drei Initiatoren nun, entgegen frühe­ Wörterbuchunternehmen nicht nach ohnehin rer Bedenken, die Schaffung eines Wörter­ problematischen Dialekteinteilungen vonein­ buchs ins Auge faßten. Der Hauptpromotor ander abzugrenzen, sondern sich bei der scheint längere Zeit Pfaff gewesen zu sein, Sammlung des mundartlichen Wortguts an der nachmalige erste Vorsitzende des Lan­ die augenblicklichen politischen Grenzen zu desvereins Badische Heimat3). Erst als 1907 halten. Nach diesem Grundsatz war man al­ Alfred Götze, ebenfalls Germanist und Bi­ lerdings schon bei den viel früher ins Leben bliothekar, dem 1902 erblindeten Kluge an gerufenen Nachbarwörterbüchern verfahren, die Seite trat, wurde planmäßiger weiterge­ und nicht zuletzt werden es auch finanzielle sammelt, schließlich über Jahre hin einmal Gründe gewesen sein, die für diese Auftei­ wöchentlich durch Befragung von badischen lung sprachen. Sowohl das 1862 begründete Studenten. Außerdem gewann man auswär­ Schweizerdeutsche Wörterbuch (heute im tige Mitarbeiter und konnte einige Mundart- 14. Band beim Buchstaben T stehend) als forscher4) dazu bewegen, ihre Sammlungen auch das schon etwas früher begonnene in den beständig anwachsenden Fundus des Schwäbische Wörterbuch (von 1904 bis 1936 Freiburger Unternehmens einzubringen und in 7 Bänden publiziert) und das Elsäßische eigene Pläne aufzugeben. 1914 konnte Ernst Wörterbuch (2 Bände zwischen 1887 und Ochs, ein Schüler Kluges, als hauptamtlicher 1907 erarbeitet) hielten sich an die Landes­ Bearbeiter eingestellt werden; bis 1961, sei­ grenzen, wobei dadurch bei den beiden letz­ nem Todesjahr, leitete er, unterbrochen von teren ein bedeutender fränkischer Dialektan­ je vier Jahren Kriegsdienst in beiden Welt­ teil mit hineingekommen ist.1) kriegen, das Badische Wörterbuch. 387 432 tätlich roerben—tatfchcn breiteter, aber nicf)t c^ut munbartlich. 9*od) ooIfSfrember ta l t) f., D atsche „gtjtal'/SW itteil. 1914, 333. ifl ba3 JpauptiDort Tätlichkeiten; beffcn (5in$al;l fef)It. Sßgl. liodendätsche, Tösche, Dicksack; Tärtsche. — ftifrfjer 2, 94; 6, 1726. — Gif. 2, 731 f. UrttO Umfl.: bis d- ,bi3 ^eut, biäfjer' .§ebel 2G, ta tfd icln febro. - d a tS h mit bett Jpänben flntfcben 39. 29eitere§ unter bis 3- 25* 3 11 D a tu m . — £>. «Sdjulj 5 9} e« b g n. Sott tatschen 1. Sigf. patschein, tätscheln. ftrcwbiüb. 1, 124. ©iinbcrfl ftrembwb. * 1, 233. Cif. 2, 726. ta tfd ie l« dadsl.) Stbopfbm u. ü.; dfdstln O berro. Z aU 1(tä)t id.: d ä d sa x 1913 ipanbfchuhöhcim (SBafl.), $ 0 nb f d). — (cbm.: 1 ) «/Ieipo(b. 30. — 2) ©pietauäbrüde. iiberbieö beengt buref) effek tiv . — ®2Db. 11 1 322. a ) eine Sßurfart im Sallfpiel, ben Saü mit flacfter ^anb ^rttfd) d ä d s m .: 1 ) 0 d)lag mit ber flauen #anb febtagen unb jiirücTfc^Iageit Slcbertt (ogl. zurilcktatschen). Ob er td . (fftaft.). 0d)lag im ^angfpiel ftreib.; bie “Danach f»ei{jt T ä tsch eln f. ein einfachem SaQfpiel, roobei unoeranberte 9Jtehrz. bezeichnet beren mehrere ober auch ber Salt febr febned an eine SSanb getatfebt roirb Siebern. bie ernftlidjcren Schläge d o u ben (Eltern eb. Dtic^t feiten 20 — b) dätschele ober ditsch e einen Stein über eine gibtö einen d- oufS fvuble 9? in gähnt, hofftet, i. lt. ffiaffetfläcbe bupfen laffen Srebgn. Sgl. tä tzeln 2 .— ‘^gl. Patsch, Arsch kl äpper, tatschen 1, Tätsch 1, giMier 2, 96. Tatsche 1 a, Pilcktatsch. — 2) Übername geiuiffer X a tid fe n m .: (kü -)d a d so fiubflaben O berro. (SRaft.). 3)iänner uon fleinem, gefiauchtem 2öu^3 §riefenl)nt. SIttä D eische(n) + T a tsch . Seaebte noeb Pflatschen, Xölpel :7t u ft. 2?gl. Totsch, tatschen 5. 6. 2. — 25 Kuhdeitsche(n) unb Kühtüschen. Unter Kuh-talschen 8ifcl|cr 2, 95. ifi auety bie Siebenform mit -ä- naebgeroiefen logt. K uh- £ ä tfd ) d ä d s m., meift in ber unoeranberten ÜJtehrj. : pflätschen). (SnblicI) budft 6. ffleef 135 mit fnblitbem 1 ) (leichter) 0 chlag mit ber flachen £anb, Jpiebe 0 tocf = Suffip unb Umlaut (xflf-)dädSi. — (Stf. 2. 731. ad), 0 d) id e r z e n , C?fd)bach (2i)alb3f).)/ 2 ö r r a dj, ta tfd ien . dddSs Sauberbifeb. lt. ö. Siebe aber 0 d )o n a d ), 23 e ift 153. 23gl., Tatsch 1, tätschen 1, 30 Sebeutung 4 — f.: patftben (f. b.), tlntfeben; ogl. T ä sch 2. — 2) SJtal am Ifeib, gletf 0 c h n ? e rje n . tätschen, totschen. 1) bravo dädSo beifällig in bie 2Jg(. T a tze 6. — 3) ^flanjen bie irgenbroie breitgetatfeht, •fjänbe febtagen Sllbreebt bf- Sie machten alle so: . .. fithflabenartig finb. 0ief>e befonbcrS Sä u -tä tsch ,i'ön>en= Mit den Filßchen trapp trapp trapp, Mit den Zahn' unb ogl. B oidä tsch 0 . 230 b 3* 29. Balledätsch Händchen tatsch tatsch tatsch iRorfgn/Stbläger grofter 23cgeiid), Plantnpo maior Jt iifj na $/9R it teil. 35 34. SSeim gangfpiel einen flauen Stblag auf ben SRüefen 1915, 388 (fad)Iich ogl. S ä u o h ren ; £autöhnlid)cä unter geben 1? a r I ä r. (ogl. teischen 3); ab-ikuli) .abfeblagen tätschen 1). — 4) fie^e Kilchentätsch. — Cif. 2, 731. 6 c im Äinbetfptel' Sf3 f o t j b nt; ogl. hoch-, zurilck­ A 2ätfd)«bere m.: Dätschbähre” ba3 Tteh Ila n d - tatschen, Ilandtatschen, Üchurikentatsches. ÄIat= bare, nenn e3 zum tätschen Sa oerroenbet toirb (fyren.z = febenb auf ben Diftb febtagen Ä a r lä r ., Sfßfotjbm. S*01*) ad) (ftifd)erfprad)e) / 23 19)t a r Fg r. 1919, 55. SSgl. 40 nieberfeblagen .P> e i b e [ b. (felienet b’er detsche). SRit Pliltscligarn. — ertern (.(jeibeIb.), ge= 6, 1726. paart mit SebeutungSunterftbicb (S untbfn). ®oef) liegt O fttf die (m.): 2Derrzeug zum 3 ai,f«n 2öode, eine grunbfäfjliebe Sebeibuitg jrotfeben bobem unb tiefem SPoIIfamm 1923 9t a f f i g. 2lu3 K a rdä tsche (f. b.), 65 .ftlang ober naeb tranf. unb intranf. ©ebrauef) nidjt oor. oielleicht unter 2lnlehnung an bie (Gruppe Tatscher (2). Sebeutung 1 berührt fief) mit tä sch en 3. 1) einen Scbtag Xätfdie ro.: 1) t(ls mit bet flarfjett §

a.B .; kägersch 18 9 5 Mimmenhsn; kägdrh Singen a.H., Möhrgn, St. Georgen (Schw.); k(h)qib N eu satz, 1 8 9 $ Konst., Bonnd. - f.: ,Elster4. Vgl. Gägerst, zu dem Kappelwi., Altenhm, Ottenhm, O.schopfhm; die Abgrenzung nicht scharf ist, sowie Agerst. Ob wirk­ khäp -b Freistett, Honau, Kork, Eckartsw. - m., lich - wie E. Kranzmayer und, nach ihm, L. Jutz ver­ n. (Treschklgn, Rapp.): 1 ) f ,Aas4; Rappen vnd Kreien / muten - Gehäger, PI. zu Geliag ,Hag‘, zugrundeliegt oder 5 die sich der keiben am galgen ... erneerent 15 66 Pi ct. Leibs- nicht etwa doch onomatopoetische Umbildung durch A rtz. 2 2 a. - 2 ) Schelte, meist verachtend a) (vorwiegend) K-Anlaut an Agelster-Formen (so Suolahti Vog. 19 5 )? für Menschen, v.a. im Alem. verbr. Hauptbed. .schlech­ Die Form hat Anschluß nach O und SO in Oberschwa­ ter, gemeiner Mensch4 „Mittel-, Oberbaden44/Zfd ben, Bayer. Schwaben, im Allgäu und NVorarlberg. - M u. 1 9 1 3 , 34 8 , Stockach; ,böser Mensch, elender Kerl4 Fischer 4, 146; Vorarlb. 2, 4. 10 Auggen, Müllhm, Haltgn; ,Lump 4 G rißhm ; Kah: FN; um 1900 und 1 9 3 1 Baden-B., außerdem ,Spitzbube4 Kappelwi., Leiberstung, Altenhm, 19 2 8 K arlsr., 1 9 3 1 Heidelbg, 19 2 6 Mannhm Bre­ Engen; .(durchtriebener) Kerl4 Sasbachwa., Otten­ c h e n m a c h e r 2 2 , 3 ; danach wohl < Kau < mhd. ge- hofen, Ay; bei dieser Bed. kann mehr oder weniger An­ houwe ,Hau, Rodung4. erkennung mitschwingen, z.B. did xqibe kxöne nit anders kahl käl Handsch.; xäl Singen a.H., Remetsch- 15 as qitn drätskridge Altglashütten/H. Müller Intell. w iel; kxäl W angen (Höri) - Adj.: ,kahl4 wie nhd.; nicht 3 1 , ähnl. Pforzhm, Feldbg (Müllhm), Lenzk., Ra­ pop., in Handsch. häufiger blod Lenz W b. 3 5 . - Vgl. dolfz. u.ö. .Ungehorsames Kind4: did k-9 wqn dox njd ratzekahl. - Fischer 4, 151; Rhein. 4, $ 2 ff.; Schweiz. 3, 192; Vor­ folgd Simonswald; für Kinder .Frechdachs, Schlingel4 arlb. 2, 4. Möhrgn (neben .Schuft4 für Erwachsene); .lästiger Kahlenberg: F1N, ein Berg zwischen Ettenhm und 20 Mensch4 Freib./ZfdMu. 1 9 1 7 , 5 1 ; .ungeschickter Herbolzhm; dort auch die jetzt stillgelegte Grube K- Mensch4 Spessart, Mönchz.; .dummer Mensch4 H al­ bei R ing sh m. Ortsneckerei -» A lexi; vgl. Berg 1. tgn, Oos. Manchmal schwingt in Beschimpfungen noch Kahlenberg-grund m.: .Lößboden 4 vom -> Kahlen­ Bed. 1 mit, z.B. du chaib, du verreckda! Lienhm. Etwas berg E tten hm . konstruiert wirkt ihr kaiwige Kaiwe, ihr verkaiwete! 19 70 Kalil-hieb kälhib Handsch. - m.: .Entwaldung, voll­ 25 W olfach. Differenziert oder verstärkt durch Zusammen­ ständiges Abholzen eines Waldstücks4; verbr. (bes. 19 4 5 - setzungen (s.u.) und Zusatz von Adjektiven: du fule Ch- 1 9 4 7 im Schwarzw.). - Fischer 4, 167. ,fauler Kerl4 Jung Brägel 4 9 ; diq dq/ d, qr qmsold bql, K ahm , I K ahn khäm neben khän O.scheffl.; kgm9 dqrgnpn kaib ,die Frau denkt, der stirbt bald, dieser krumme PI. Ob erw. (Rast.) - m .: .Schimmel auf (v.a. gegorenen) Kerl4 19 3 2 Gengenb. Weitere Verbindungen mit Flüssigkeiten4, z.B. dd w[ hat kgtnd Ob erw. (Rast.). - '30 abenteurig, alefänzig, alt, pfiffig, plärrig, böse, taub, dumtn, M hd. kdtn, kdn < spätlat. cana .graue Schmutzschicht auf elend, verdruckt, verschlafen, grausig, grob, groß, hässig, mun- Wein4. Die-m-Formen sind eher md. Vgl. Kunen. - Lexer kig, nichtsig, räudig, schlecht, semper, wasig, wüst, zuleidlebig. I, 1500; D W b. 5, 31 f.; Fischer 4, 172f.; 6, 2257; Rhein. 4, 102. f)ie Gen.form wird zur Verstärkung, in verwünschender II K ahn m .: 1 ) .kleines Schiff4; fehlt der Mu. in R app., oder positiver Bed., vor Subst.e und Adj.e gesetzt, z.B. Heidelbg, Handsch., Pforzhm, Ottersd. (dafür 35 ->■ Kaibenbub, -katze, -mädle, -strolch usw., kaibendumm, überall Nachen), Mahlbg, Ettenhm, Freib. (dafür -glatt usw. - b) für Tiere: Du blinde Chaib, sihsch d Fuhre SchiffU).W ohl mod. khänjamdn O.scheffl., kän G ausb., nit sagte ein Bauer zu seinem blinden Roß Glock Breisg. Reichent. (neben axdrh)/ZfdMu. 1 9 1 1 , 7 0 . - 2) ,Bett4 1 3 . Vgl. Kaibenkatze. - c) für Sachen; z.B. 9 xnqm9 xaib B ad en-B ., 19 30 Radolfz., 19 7 5 Freib.; Ugspr. - Vgl. ,ein geknickter oder krummer Rebenbogen 4 E grg n; de Drubord, Flieger, meren, Nachen, Weidling, Wcidschelch; 40 C h -(= Auto) hät eifach nit alaufe wolle Jung Brägel 9 1 ; Wanzenkahn. - Fischer 4, 189; Rhein. 4, 55. draiht sich de Ch- (ein Pfosten), mer meint er lebt eb. 6 1 . - III Kahn, auch Chan: FN; wie -> Kohn < hebr. kohen Verwünschend: dene kaiwe neimodische Fuarwqrkd O. Fw g- .Priester4. Vor und nach 1809 von Juden in Baden gebr.; ler 3, ähnl. S. 5 5 . Abwertend: De Vatter wird als fascht ver­ gehört mit M eyer zu den verbreitetsten jüd. FN hebr. rückt I was alles Chaibs (,Zeug‘) de Fridli druckt Ju n g B rä­ Ursprungs Dreifuß FN Jud. nof. - Fischer 4, 189. 45 gel 3 9 ; 9ris so öbis xaibs gsi ,er war (beruflich) etwas der­ kahm ig -> kunig. artiges4 1 9 3 $ Schopfhm. - 3) .Rausch4; är hqd 9 ghdrigd K ä(h)r -* Keller. xaib 19 65 Kirchen/Krückels 2 i 7 f. - Mhd. keibe K aib khäp M ö n ch z.; khäib Treschklgn, Rapp., .Leichnam, Aas4 - Weiteres -> hinbringen, hineinsteigen, Spessart, Mörsch, Oberw. (Rast.); khaib, -q-, -f- Landesgefängnis, Rippe, Schwabe. Vgl. Kerle, Kog, Salopp, O.scheffl., Hettgn, Pforzhm, Ottenhofen, Sas- 50 Schindaas, Siech; Erden-, Hunds-, Laus-, Malefiz-, Mords-, bachwa., Rheinbisch., Leiberstung, Urloffen, Schind-, Schwaben-, Schweizer-, Spinnkaib, Stemenkaiben, Gengenb., Lahr, Kippenhmwlr, Rust, Ettenhm, Teufels-, Wasenkaib; ver-, herumkaiben. - DW b. 5, 43if.;Els. Hofstet., Wolfach, Hornbg, Furtwangen, Si­ I, 4iöf.; 2, 947; Fischer 4, 147F; Meis. W b. 62; Schweiz. 3, iooff.; monswald, W aldk. (Elzt.), Reute (Emm.), Jechtgn, Vorarlb. 2, 51 f. Freib., Breitnau, St. Märgen, Neust., Lenzk., 55 kaibel(e)n xaib9h Lörrach - schw.: ,nach Aas rie­ St. Wilhelm, Hintschgn, Sunthsn (neben kgab), chen4 (vom Fleisch) Mengen (Freib.), St. Georgen Stockach, Engen, Riedhm, Radolfz., Hattgn, (Freib.), Schopfhm; 5 Fleisch chaib9ht Auggen, Müll­ S tah rg n .; kxaib Rüßwihl, Singen a.H. (neben xaib hm, „W iesental44. —Eis. 1,417; Fischer4, 148; Schweiz. 3,104. und xgab); xaib -q-, -j- Schonach (?), Lienhm, Gün- Kaibel-nußbaum? m.: einen Kaibel Nußbaum .einen delwangen, Remetschwicl, Eschb. (Waldsh.), Ay, 60 Kaib von Nußbaum, einen rauhen 4 Grimmelshsn Ka­ Schwerzen, ,,Wiesental44, Schopfhm, Lörrach, len d er (Hegaur) S. 13 8 . W ohl zu Kaib; vgl. Kaibennuß- Kirchen, Egrgn, Haltgn, Fel dbg, Auggen, baum; Keibel? Müllhm, Grißhm, Altglashütten; xp b W an g en kaiben chaibe Berau - schw.: ,sich beeilen4 R . H o ff­ (Höri); xgab Singen a.H. (neben xaib und kxaib); khpab m ann hs. Vgl. herumkaiben. - Schweiz. 3, 104. Verkleinerte Wiedergabe von: Badisches Wörterbuch. Bearbeitet von Emst Ochs. Fortgesetzt von Gerhard W. Baur. Bd. 3, S. 48 (Originalgröße ohne Rand 13,3 x 22,3 cm). Die personelle Ausstattung der Arbeitsstelle zunehmend genaueres Bild von der geogra­ phischen Verteilung der Laute, Formen und Von der Schulverwaltung bezahlt und vom Bezeichnungen zu geben. Erweitert und ab­ Schuldienst weitgehend freigestellt war der gerundet wird das Material aus Arbeiten zur Gymnasialprofessor Ernst Ochs der Univer­ Wort- und zur Satzbildung, ferner durch sität zuerst als Lehrbeauftragter, ab 1946 als Untersuchungen einzelner Fachsprachen, Honorarprofessor verbunden. Erst 1961 z. B. derjenigen der Landwirtschaft, des konnte für seinen Nachfolger Karl Friedrich Weinbaus, der Waldwirtschaft, einzelner Müller eine feste Universitätsstelle einge­ Handwerke wie z. B. der Fischer-, Schiffer-, richtet werden, auf die dann 1968, nach K. F. Flößer-, Müller-, Metzger-, Wagner-, Uhr­ Müllers Pensionierung, Gerhard Wolfram macher- und Goldschmiedesprache (oder Baur geholt wurde. Abgesehen von den Jah­ besser: -terminologie). All diesen Fach- und ren 1935—39 sowie 1946—48 und noch ein­ Sondersprachen (darunter auch dem Rotwel­ mal 19735) blieb die Arbeitsstelle ein Ein­ schen, bei uns hauptsächlich als Händler­ mannbetrieb, dem in früheren Jahren noch sprache gebraucht, und den judendeutschen kärglich bezahlte studentische Hilfskräfte Ausdrücken) galt schon das spezielle Inter­ oder freiwillige Mitarbeiter (meist pensio­ esse der hierfür bekannten Freiburger Wort­ nierte Lehrer) durch Exzerpieren oder an­ forscher Kluge und Götze und eben auch ih­ dere Schreibarbeiten Unterstützung gaben6). res Schülers Ochs. An literarische Quellen Erst 1973 wurde vom Land eine Sekretärin­ nenstelle bewilligt. Verglichen mit den übri­ legte man strenge Maßstäbe an. Zwar wurde gen deutschsprachigen Wörterbuchkanzleien die Dialektdichtung im Fall von Hebel und Burte fast lückenlos ausgeschöpft, doch hatte gehört die unsere zu den personell am im übrigen nur sprechsprachnahe, nicht schlechtesten ausgestatteten Unternehmen7). „übersetzt“ klingende Mundartliteratur Gnade vor Ochs’ Augen. Das Material Eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob etwas ins Material aufzunehmen sei oder Zu den schon erwähnten ca. 550 Antworten nicht, spielte natürlich immer die personelle auf die 1893/94 ausgesandten 3000 Volks­ und finanzielle Kapazität. Hauptsächlich aus kunde-Fragebogen8) und die seit dem Aufruf diesem Grund entschied man sich auch da­ zur Mitarbeit von 1919 immer wieder neu für, historischen Wortschatz nur in Auswahl dazukommenden Einsendungen von Laien- aufzunehmen. Daher findet man heute, an­ sammlem treten weitere Materialquellen. ders als im Schweizerdeutschen und Schwä­ Die schon erwähnten Freiburger Germa­ bischen Wörterbuch, nur einiges Altere, so nisten Kluge, Götze und Ernst Ochs selbst, Belege aus den deutschen Urkunden der dann auch die Nachfolger Friedrich Wil­ Landschaft vor 1300 (aus Fr. Wilhelms „Cor­ helm, Friedrich Maurer, schließlich Bruno pus der altdeutschen Originalurkunden“), Boesch und Eugen Gabriel sowie, in den aus den Oberrheinischen Stadtrechten, aus 30er Jahren, ihr Heidelberger Kollege Fried­ Urbaren und Weistümern. Mehr noch als rich Panzer regten immer wieder Studenten Ochs haben Müller und Baur Orts- und Flur­ zum Abfassen von Staatsexamens- oder namen berücksichtigt, wobei neben der Doktorarbeiten über dialektologische The­ mundartlichen Ausspracheform (falls noch men an. Diese Arbeiten (hauptsächlich laut- erhebbar) auch die frühest faßbaren schriftli­ und formen-, seltener wortgeographischer chen Bezeugungen gegeben werden, was öf­ Art) erbrachten lautgetreu, in wissenschaftli­ ters eine Deutung sonst unklarer Namen er­ cher Umschrift fixierte, direkt bei den Spre­ möglicht. Allerdings muß betont werden, chern erhobene Belege, die es erlaubten, ein daß die Namendeutung nicht zu den eigent­ 390 liehen Aufgaben eines Dialektwörterbuchs zu je einem Buchstaben zusammengenom­ gehört. men worden und demgemäß alle bereits be­ Weitere Materialien sammelte ich durch ge­ handelt; c steht bei k. Dagegen ist im Inlaut zielte Befragungen anhand eines Frage­ die alphabetische Reihenfolge streng durch­ bogens in 179 Orten Nord- und Südbadens. geführt. Auf Sonderformen, die für sich an­ Und schließlich sind seit einigen Jahren auch gesetzt sind, wird verwiesen; umgekehrt ver­ Übertragungen von Tonbandaufnahmen ver­ weist man von der bodenständigen Aus­ schiedener Herkunft9) in das Material einge­ spracheform des Wortes auf das schrift­ arbeitet worden. Weil diese relativ junge sprachlich angesetzte Stichwort, also von Quelle zwar viele der in jedem Wörterbuch­ eher, ebis auf etwer sowie das dabei einsor­ material selteneren Satzbelege liefern kann, tierte etwas, bei Imbs und Imes auf Imbiß. ihre Auswertung aber sehr zeitaufwendig ist, Wörter, die nur im fränkischen Norden Vor­ konnte das bisher leider nicht in wünschens­ kommen, erhalten die Kennzeichnung Fvor wertem Umfang geschehen. dem Stichwort; ein A vor dem Stichwort be­ Wenn man den langen Zeitraum seit Beginn deutet, daß das Wort alemannisch wirkt, nur der Sammlungen bedenkt, muß man natür­ im Süden vorkommt und nordbadische lich sagen, daß man hier nicht mehr von ei­ Zeugnisse fehlen. Durch R werden rotwel- ner einheitlichen Mundart sprechen kann. sche Wörter markiert. Abgestorbene oder Auch wenn sich die Mundart im Lautlichen veraltete Wörter werden durch ein fv o r dem aufs Ganze gesehen doch langsamer verän­ Stichwort kenntlich gemacht. dert als oft behauptet wird, so ist doch unbe- Auf das Stichwort folgen die wichtigsten zweifelbar, daß sich in diesen fast 100 Jahren Lautvarianten der Grundform, danach der seit Beginn der Materialsammlung gewich­ flektierten Formen in phonetischer Tran­ tige Veränderungen im Dialekt ereignet ha­ skription mit genauer Ortsangabe, heute ein­ ben. Viele Wörter kommen und kamen au­ heitlich in nordsüdlicher Reihenfolge, öfters ßer Gebrauch, weil die ihnen zugrundelie­ datiert. Zur genaueren Lokalisierung eines genden Sachen und Sachverhalte (z. B. bei Worts sind dem Werk seit der 35. Lieferung Werkzeugen und Arbeitsvorgängen in der zwei auch in die Umschläge der jeweiligen Landwirtschaft) durch andere abgelöst wer­ Lieferung eingedruckte Karten mit den am den. So ist es nötig geworden, immer öfter häufigsten genannten Belegorten sowie mit durch Datierungs- und Gebrauchsangaben oft gebrauchten Landschaftsnamen und eini­ nachzuweisen, wann das betreffende Wort gen wichtigen Mundartgrenzen beigegeben. (noch) in Gebrauch war. Als nächstes folgt die Kennzeichnung der je­ Prinzipien der Bearbeitung und Darbietungs­ weiligen grammatischen Kategorie [m(asku- form lin), f(eminin), n(eutral), Adj(ektiv), Adv(erb), st(arkes) bzw. schw(aches Verb), Die Artikel des Badischen Wörterbuchs sind Interj(ektion), Partikel u.a.m.], anschließend strikt alphabetisch angelegt. Das Stichwort der Hauptteil, die Darstellung der Bedeu­ wird entweder in seiner schriftsprachlichen tungen). Hier wird versucht, möglichst nicht Form oder, falls es nur in einer mundartli­ mit Synonymen oder Paraphrasierungen zu chen Form existiert, in einer verhochdeutsch­ erklären, sondern von der nächsthöheren Art ten Form angesetzt, die der historischen Ent­ und dem spezifischen Unterschied her zu de­ wicklung des mittel- oder althochdeutschen finieren. Jede der einzelnen Bedeutungsanga­ Lautstands in unserem Gebiet entspricht. Die ben soll durch genügend viele Beispiele, bei uns lautlich oft schwer zu trennenden möglichst im Satzverband oder in einem Anlaute b und p, d und t sowie f und v sind, Kontext, verdeutlicht werden. Nachdem man wie in allen oberdeutschen Wörterbüchern, früher oft eher die Schwierigkeit hatte, genü­ 391 gend Beispiele, vor allem in Satzform, zur Artikelgestaltung sei hier die Seite 432 von Illustration beizubringen, ist es jetzt oft so, Band 1 des Badischen Wörterbuchs sowie, in daß man sich als Bearbeiter durch ein stark der seit dem Anfang des dritten Bandes übli­ angewachsenes Material hindurchlesen muß chen neuen Druckart, die Seite 48 dieses und daß man gezwungen ist oder sich ver­ Bandes vorgeführt (siehe Seiten 388 — 389 pflichtet fühlt, bei der Masse der Belege eine dieses Heftes.) Das Werk steht inzwischen möglichst feine Untergliederung mit sorgfäl­ bei der 42. Lieferung beim Stichwort Krap- tiger Beachtung der oft nur geringfügigen persreute; im Manuskript fertiggestellt sind y5 Bedeutungsunterschiede und -Schattierungen der Lieferung 43 bis zum Stichwort zu versuchen. Gleichzeitig besteht aber die kriegen11). Bis zum Abschluß des Wörter­ Notwendigkeit, die Belege nicht ausufern zu buchs wird es bei der derzeitigen Personal­ lassen und viele, die mehr- oder vielfach vor­ lage noch lange dauern; eine Prognose wage handen sind, wieder auszuscheiden. Daß ich gar nicht mehr zu stellen. Es sind jetzt hierzu aber immer erst ein gründliches vielleicht knappe 60% des Materials bearbei­ Durcharbeiten des gesamten jeweiligen Zet­ tet; das bedeutet, daß man den Abschluß in telstoßes nötig ist, wird von vielen nicht be­ diesem Jahrhundert nicht mehr erleben wird. dacht, die frühere mit heutigen Publikations­ zeiten vergleichen10). Wieso braucht man und wer braucht Dialekt­ Zu den Beispielsätzen gehören auch die im wörterbücher? Material zahlreich vorhandenen Redensar­ ten, Sprichwörter, Rätsel, Neckverse, Volks­ Wenn man Dialekt als Teil- oder Subsystem und Kinderreime und -lieder, alle in der eines übergreifenden größeren, d. h. weit­ Schriftform wiedergegeben, wie sie von den reichenderen und umfassenderen Gesamtsy­ Informanten notiert wurden. Zur abgehobe­ stems, hier: der deutschen Sprache, versteht, nen Wiedergabe der lautschriftlichen Belege wenn man weiter davon ausgeht, daß diese dient die Kursivschrift. Soweit sich Angaben sprachlichen Systeme und Teilsysteme in ih­ zu Bräuchen, Sitten und Volksglauben fin­ rem Aufbau und in ihrem gegenseitigen Ver­ den, werden diese auch genannt. hältnis überschaubar gemacht werden soll­ Am Schluß des Artikels stehen dort, wo ten, um ihre Eigenart und ihr Funktionieren sprachgeschichtliche Angaben nötig und verständlich zu machen, dann muß man möglich sind, Hinweise oder Erklärungen demjenigen, der sich Kenntnisse hierüber er­ zur Etymologie. werben will, die Möglichkeit geben, sich Da jeder (Satz-)Beleg nach Möglichkeit nur über die Struktur der Sprache und ihrer Teil­ einmal Verwendung findet, wird auf ihn zu­ systeme und über die Bedeutung der sprach­ rück- oder vorausverwiesen, wenn er noch lichen Zeichen zu unterrichten. Für die Be­ für (ein) weitere(s) Stichwort bzw. -Wörter in schreibung von Sprache und Dialekt12) hat Frage kommt. Außerdem wird auf synonyme man mehrere Darstellungsformen entwickelt, oder bedeutungsähnliche und auf verwandte die gebräuchlichsten und althergebrachtesten Wörter verwiesen, und schließlich werden sind die grammatische und die lexikographi- die Zusammensetzungen genannt, die auf scne. Beide ergänzen einander. das betreffende Wort enden, so bei Kaib Unter den lexikographischen Darstellungen z. B. Erden-, Hunds-, Laus-, Malefiz-, Mords- ist das alphabetisch geordnete Bedeutungs­ usw. -kaib. Am Schluß des jeweiligen Arti­ wörterbuch, das nach der Inhaltsseite eines kels stehen Hinweise auf die vergleichbaren Wortes fragt, das übliche. Darin ist also zu Artikel in den Nachbarwörterbüchern und, erfahren, was z. B. das Wort Kaib an einem falls nötig, in den wichtigsten gemeindeut­ bestimmten Ort oder in einer gewissen Land­ schen Wörterbüchern. Als Beispiel für die schaft (alles) bedeutet (vgl. Seite 389). 392 Will man aber wissen, welche Bezeichnungen Funktion des Sich-Vergewisserns einer loka­ in einer Sprache/einem Dialekt für ,durch­ len Eigenart ermöglicht, ist ein Aspekt, der triebener Mensch“ existieren, dann müßte von vielen Sammlern und Autoren als moti­ man entweder über ein sachlich geordnetes vierend und wichtig genannt wird. Gerade Bezeichnungswörterbuch verfügen (das es im die Arbeit dieser eifrigen Laiensammler, die Bereich der Dialektologie bisher kaum gibt), für die „großen“ Dialektwörterbücher oft oder man sollte hilfsweise die Möglichkeit be­ unschätzbares Material beigebracht haben kommen, sich in Bedeutungswörterbüchern und immer wieder noch beibringen, würde zusätzlich über bedeutungsgleiche eine eigene Darstellung verdienen13). oder -ähnliche Wörter unterrichten zu kön­ Zum Schluß sei, speziell für badische Leser, nen. Vielleicht wird deutlich, daß Wörterbü­ die die Eigenart ihrer Heimatregion beson­ cher, auch Dialektwörterbücher, nicht nur ders herausgestellt sehen möchten, doch be­ sprachwissenschaftliche Erkenntnisse für tont, daß ich mit Ernst Ochs der Meinung Fachleute, Linguisten vermitteln, sondern bin, daß die Entscheidung, fränkische und darüber hinaus nützlich, ja nötig sein können alemannische Mundarten in Baden in einem für alle diejenigen, die Unterrichtung brau­ Wörterbuch gemeinsam zu behandeln, trotz chen über Wörter und sprachliche Wendun­ aller Schwierigkeiten richtig war; die Kon- gen, die sie nicht verstehen, sei es, daß ihnen trastierung läßt das Eigene öfter um so als ortsfremde Lehrer manche sprachlichen schärfer hervortreten. In den Worten von Äußerungen ihrer Schüler unverständlich Ochs aus einem Zeitungsbericht von 1937: sind oder sie bei der Einweisung in die hoch­ „Was manchen als größte Schwierigkeit ei­ deutsche Standardsprache Verständnishilfen nes solchen Buches erschien, ist in Wirklich­ für die sprachlichen Schwierigkeiten ihrer keit dessen größter Reiz geworden: die Zöglinge bekommen können, sei es, daß sie starke Verschiedenheit der Mundarten und als von anderen Sprachlandschaften Kom­ ihre Erklärung aus der deutschen Ge­ mende Auskunft bekommen über die Bedeu­ schichte.“ tung und stilistisch-situative Einschätzung Vielleicht wäre es ohne diese Entscheidung nur hier gebräuchlicher oder hier anders als zu einer ähnlichen Situation wie bei der Vor­ etwa in Norddeutschland gebrauchter Wör­ bereitung des Südwestdeutschen Sprachatlas ter (was z. B. bei Prozessierenden, sowie ih­ gekommen, der seit 1969 im Institut für ren Richtern und Rechtsanwälten wichtig sprachliche Landeskunde der Universität werden kann, die beispielsweise nach vorauf­ Freiburg erarbeitet wird; denn dieser Atlas gegangener Verwendung der Wörter wird sich aus finanziellen und personellen Schnepfe oder Seckel sich über den Tatbe­ Gründen auf die Erforschung und kartogra­ stand der Beleidigung klarwerden müssen), phische Darstellung der Mundarten in Süd­ sei es, daß sie ganz einfach wissen wollen, baden und Südwürttemberg beschränken was ein bestimmtes Wort in einem Hebel­ müssen. oder Burtegedicht oder in einem Urbar des 15. Jahrhunderts bedeutet. Ein weiteres: Dia­ lektwörterbücher können dadurch, daß in ih­ nen zu einem Gutteil (lexikal, lautlich, syn­ Anmerkungen taktisch und bedeutungsmäßig) ältere l) Zur Geschichte des Badischen Wörterbuchs so­ Sprachzustände festgehalten sind, sprachge- wie der benachbarten Mundartwörterbücher vgl. Gerhard W. Baur, Mundartwörterbücher im ale­ schichtliche Einsichten vermitteln und Ge­ mannischen Sprachraum, in: Alemannica, Landes­ schichtsdokumente übermitteln. Daß das kundliche Beiträge, Festschrift für Bruno Boesch Verfassen von und das Lesen in Orts-Dia- zum 65. Geburtstag, Bühl/Baden (= Alem. Jb. lektwörterbüchern schließlich auch noch die 1973/75), S. 28—85 sowie ders., Das Badische 393 Wörterbuch, in: Dialektlexikographie, hg. von H. 7) besonders nachdem im Zuge der allgemeinen Friebertshäuser, Wiesbaden 1976 (= Zs. f. Dialek­ Sparmaßnahmen eine Hälfte der Schreibkraft- tologie und Linguistik, Beih. NF Nr. 17), S. Stelle gestrichen und das Geld für eine examinierte 25-35. Hilfskraft von vorher 50 auf nunmehr 40 Stunden 2) Abgedruckt in Alemannia 21 (1893), S. monatlich heruntergesetzt wurde, wobei gleichzei­ 301—304, die zweite, erweiterte Form in Alem. 33 tig auch der erst 1979 durch den Einsatz von Prof. (1905), S. 305 f. Die Fragen zielten auf Hausbau, Volker Schupp eingerichtete eigene Sachetat der Tracht, Nahrung, Gewerbe, Sitten und Bräuche, Arbeitsstelle um % gekürzt wurde. Märchen und Sagen, Schwänke und Rätsel, 8) heute zum größten Teil aufbewahrt in der Badi­ Volkslieder, -Schauspiele, Kinderreime, -spiele, schen Landesstelle für Volkskunde, Freiburg, Ortsneckereien, Orts-, Flur-, Familien-, Taufna­ Schwaighofstraße 13, zum kleineren Teil im Ar­ men (in Mundartform!) und, im Punkt 13, auf chiv des Badischen Wörterbuchs. Sprachliches. Hier fragte man nach a) Zeiteintei­ ’) hauptsächlich Aufnahmen des Deutschen lung; b) Naturerscheinungen; c) Farbenbezeich­ Spracharchivs sowie solche aus meinen eigenen nungen; d) Familie; e) Begrüßung, Segenswün­ Kundfahrten. sche, Flüche, Schimpfworte; f) Körperteile und 10) Dies betont auch Hans Wanner in seinem Be­ Stimme des Menschen, Krankheiten; g) Nahrung; richt über „Das Schweizerische Wörterbuch“ in: h) Ackerbau, Scherznamen für Handwerker; i) Dialektlexikographie (vgl. Anm. 1), S. 20. Tiere, Lockrufe für sie, Eigennamen, ihr Schreien, n) Bis heute erschienen sind: Badisches Wörter­ Hirtenrufe; k) Pflanzen, Beerenleseverslein; 1) buch. Herausgegeben mit Unterstützung des Badi­ Zahlworte; m) einer kurzen Erzählung oder Schil­ schen Ministeriums des Kultus und Unterrichts derung in der Mundart des Orts; n) Unterschieden bzw. des Kultusministeriums Baden-Württemberg der Mundart zu der der Nachbarorte. bzw. des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst 3) Darüber Pfaff in Briefen an den Ministerialrat Baden-Württemberg. — Vorbereitet und betreut und späteren Kultusminister Böhm in: Bad. Hei­ von Friedrich Kluge, Alfred Götze, Ludwig Süt- mat 39 (1959), S. 111 ff. sowie Eugen Fischer in terlin, Friedrich Wilhelm, Ernst Ochs, Friedrich seinem Überblick über „Fünfzig Jahre Landesver­ Maurer, Karl Friedrich Müller, Bruno Boesch. Be­ ein Badische Heimat“, ebda. S. 98 ff. arbeitet von Ernst Ochs. Bd. 1 ff. Lahr (Schwarz­ wald) 1925 ff. 4) so besonders Otto Heilig und Philipp Lenz, die B d.l: A. BP. DT. E. 1925—1940. 19*, 725 S. Herausgeber der „Zeitschrift für hochdeutsche Bd. 2: FV. G. H. 1942—1974. Bearb. von Ernst (bzw. später deutsche) Mundarten“, sowie Ochs. Fortgesetzt von Karl Friedrich Müller und Othmar Meisinger, Verfasser des Rappenauer Gerhard W. Baur. XXXVII, 806 S. Wörterbuches. Bd. 3: (bisher:) I — Krappersreute, Lfg. 35—42 5) Durch ein Zusammenwirken des Badischen Un­ (1975—1983), S. 1—256. Bearb. von Ernst Ochs. terrichtsministeriums und der Deutschen For­ Fortges. von Gerhard W. Baur schungsgemeinschaft (DFG) konnten 1935—1939 12) Ich verwende, wie heute meist üblich, die Aus­ zwei Wissenschaftliche Mitarbeiter, Lothar Glattes drücke Dialekt und Mundart als bedeutungsgleich. und Walter Sauer, eingestellt werden. Zweieinhalb 13) Ich habe die Absicht, in einem späteren Beitrag Jahre lang arbeitete nach Kriegsende Ochs’ Nach­ über die Arbeit(en) der Dialektsammler in Baden folger K. F. Müller unentgeltlich mit. 1973 be­ zu berichten und Hinweise für Sammel-, Bearbei- zahlte die DFG für ein Jahr das Geld für eine Wis­ tungs- und Publikationsmöglichkeiten zu geben. senschaftliche Angestellte, Frau Roswitha Santa- Das Thema angesprochen habe ich auf zwei von Braun, frühere Redaktorin am Siebenbürgisch- mir im letzten Jahr in Freiburg und Karlsruhe ver­ Sächsischen Wörterbuch in Hermannstadt/Rumä­ anstalteten Tagungen sowie schriftlich unter dem nien. Titel „Zur Sammlung und Aufbereitung von 6) Für die stundenweise Beschäftigung von studen­ mundartlichem Wortschatz durch Laien“ in: tischen Hilfskräften gab bis 1961 die Wissenschaft­ Wortschatzprobleme im Alemannischen, 7. Ar­ liche Gesellschaft Freiburg, ab 1970 die Universi­ beitstagung alemannischer Dialektologen [in] Frei­ tät Freiburg zunächst sporadisch, ab 1973, nach ei­ burg i. Ü., 1.—3. Oktober 1981, hrsg. von Walter ner einjährigen Unterstützungszeit durch die Haas und Anton Näf, Freiburg/Schweiz 1983 DFG, ständig Gelder. (= Germanistica Friburgensia 7), S. 33—44.

394 Mosbacher Wörterverzeichnis von 1808 Ein Vorläufer badischer Mundartforschung

Paul Waibel, Karlsruhe

Vor zwei Jahren hat der Mosbacher Rechts­ und in Würzburg studiert hatte, zum Dr. anwalt Dr. Adolf Frank in dieser Zeitschrift phil. und Dr. med. promoviert worden war den Verfasser unseres kleinen Wörterver­ und von 1770 bis 1793 das Amt des Physikus zeichnisses, Dr. Johann Nepomuk Gruber in Kaiserslautern bekleidet hatte, ehe er 1796 (1744—1811), und dessen Berichte an die Sa­ das gleiche Amt in Mosbach antrat), immer nitätskommission in Karlsruhe vorgestellt1). im süddeutschen fränkischen Raum gelebt Umfangreiche Auszüge aus diesen Berichten hatte. Was fiel ihm an der Mosbacher Spra­ ließen die Beobachtungen, Kenntnisse und che Besonderes auf? kritische Haltung des Amtsphysikus erken­ nen. Er sollte 99 Fragen aus Karlsruhe über „Unsere Sprach dahier ist äußerst hart, un­ sein Amtsgebiet, die Ämter Mosbach und musikalisch“ urteilt er über den Klang der Eberbach, beantworten. In seinen Antworten Mosbacher Sprache und vergißt nicht, eine machte er seinem Herzen Luft über die Zu­ Eigenheit zu erwähnen: „das S wird wie sch stände, die er in Mosbach angetroffen hatte. ausgesprochen“. Dies ist ja das Kennzeichen So überschritt er immer wieder die Grenze des „Gänschmauscherlandes“, eine Eigenart, der gestellten Fragen durch Seitenhiebe und die in unserem Verzeichnis freilich nirgends vernünftige Vorschläge. erscheint. Als man ihm die Frage vorlegte, ob „reine oder verderbte Sprach“ herrsche, begnügte Eine moderne Darstellung der Mosbacher er sich nicht mit der knappen Antwort „rein“ Mundart liegt nicht vor, wohl aber besitzen oder „verderbt“, sondern stellte gleich ein wir für einen Nachbarort, Oberschefflenz, Verzeichnis auffälliger „Provinzialwörter“ die vorzüglichen Arbeiten von Edwin Roed- zusammen, eben die Sammlung, mit der wir der3), dessen Buch über die Volkssprache des uns beschäftigen wollen. Er habe einmal ei­ badischen Frankenlandes auch ein großes nen Brief geschrieben, in dem alle diese Wör­ Wörterbuch enthält. Mit ihm vergleichen wir ter enthalten waren, setzt er hinzu. Schade, die Wörter aus Grubers kleiner Sammlung. daß dieser Brief nicht überliefert wurde. Wo Roedder keine Auskunft gibt, benutzen Manches isolierte Wort seiner Sammlung wir das Badische Wörterbuch4), soweit es er­ wäre dann in seiner natürlichen sprachlichen schienen ist. Zum Glück ist das Schwäbische Umgebung erschienen. Der Brief, sagt er, Wörterbuch5) abgeschlossen; es enthält auch „ist für alle, die nicht aus der hiesigen Ge­ die fränkischen Landesteile Württem­ gend sind, arabis!“ Arabisch also, wie wir bergs. Nach der überkommenen Einteilung etwa „Chinesisch“ für ein unverständliches gehört Mosbach wie Heilbronn noch zum Idiom sagen würden. Südfränkischen. Allerdings ist zu beachten, Dabei müssen wir bedenken, daß Gruber daß es hart an der Grenze zum Ostfränki­ (der in Heidelberg2) aufgewachsen war, hier schen liegt.6) 395 f r

füdu /** /td * , C jiltu U n i fw äifiidd.fds ß u frtH ivi« r 'i d// tf/U x uft/tru* pttf m-UgthtJytjtu, w ntjiüi^nyn, udgprju $>■ yü faA fdt/*, v w uto/Mr t // /k amu ijotftiu M m yttiym * - y if/t t+* w /ußSu- h u < im t

f c f d ß f f a f d• / ß ^/ y j jjpdriM JiptJ/, w iß /, tf& ß rff/ k t y f i tm ffm uf ftyüßtJ W fyfyf ß # in & u d r uU fd ü ß U 4 d ß / ßdtdm iMi/u fad m ß t f f a i ßüuf/tu rr» faafu favtM f y t t /V /ÄW j^ ifoutdd rnjis/udblfm L l C i M i/tti ■ tfdU H tydh twjdwu d/fr cuuJuf fo /ß iW jftiuJm tidum d» Dr. Grubers charakteristische Handschrift (oberer Teil)

Von Adach bis zundern essen tus im deutschen Sprachgebiet ist in den Wörter­ büchern gebucht12). Umfassend informiert über adach ,Canal unter der Erden': Gruber selbst Herkunft und Entwicklung des Wortes Theodor schreibt sonst addach7). Betonung auf der ersten Frings13). Das Bad. Wb. meldet unter Andauche Silbe. In den letzten Jahren ist die Erinnerung an „fehlt“ und kann nur auf Abteich verweisen14). Wort und Sache wieder geweckt worden8), zu­ anne gehen,dahin gehn': Nicht das im wesentlichen nächst nur in der Schreibform ,Attauch‘, Plural At- alemannische ane, anegehn, sondern das fränki­ tauchen (auf der 2. Silbe betont). sche anne ,dort‘15), (vgl. danne, dranne, hanne). Herkunft: lat. aquaeductus ,Wasserleitung', wäh­ anschnauen ,hart anreden': Nur in Lörrach und bei rend die Attauchen zur Wasserabführung dienten; Hebel16) belegt; heute ,anschnauzen‘. Vorgänger der heutigen Kanalisation. Das Alter Arffel ,ein Arm voll': fehlt in Mittelbaden17), Ärfele der Mosbacher Attauchen ist noch nicht nachge­ Oberscheffl. wiesen. In der näheren Umgebung kommen sie bander, zu bander gehn ,zu zweyt gehn': selbander; 1420 in Neckarbischofsheim vor9), 1422 in Milten­ zebane Oberscheffl., z’bander bei Schwäb. Hall18). berg10). Altere Belege in Mainz und Köln. In bei­ basten ,zwingen': baschde, gebaschd Oberscheffl. den Städten und ihrer Umgebung ist das Wort bis betragen,den Weinberg mit Erde decken'. Eigentlich heute haften geblieben, weil Straßen und Häuser betrechen zu mhd. trechen .ziehen“19), g hat bei danach benannt sind, in Mainz-Zahlbach für Rö­ Gruber oft den Lautwert ch: vgl. Mädgen bei mersteine11), in Gonsenheim als Gewann-Name: Docke oder Mährling. Attach, zweifellos das gleiche Wort wie Adach in biet, es hat biet ,es hat Zeit': Zeit. Nur fränkisch20), Mosbach. Die Fülle der Formen aus lat. aquaeduc­ e langi Biit Oberscheffl. 396 biezeli ,ein wenig“: Heute in dieser Form nur noch fälgen ,hacken“ (felgen): in Mittelbaden häufig, im Süden21). auch für das zweite (tiefe) Pflügen; im Ostfränki­ boden kniets ,ein tauge nichts“, kniets aus mhd. kein schen hat sich diese Bedeutung durchgesetzt, so nütze, knitz. Vergleich mit ,Boden“: bodenböse, Schwäb. Hall31). bodenfaul, bodenletz22). femd,voriges Jahr':vg\. Firn(schnee), Ferner (Glet­ bogen käez ,ein Hängkorb“. Vgl. unten kaez. scher)32). buhetli ,kaum vix“ (lat. vix dient zur Erläuterung fere gehn ,hervor gehn“: aus füre-gehn33); gei färre von ,kaum‘): Das Stichwort ist weder in alten noch in Oberschefflenz. in neuen 'Wörterbüchern verzeichnet. Rhein, buhei die fräle ,die Grosmutter': Gegensatz Herrle, s.d. mit Adj. buheilich kommt aus sprachgeogr. Grün­ Beachte das weibl. Geschlecht der Verkleinerung; den nicht in Frage; auch deckt sich die Bedeutung eigentlich .Fräulein“. Stufenweise Entwicklung des (Kleinigkeit, leeres Gerede u.a.) nicht mit Abbaus des Wortes in Oberscheffl. zu beobachten. ,kaum“23). Wieder hilft die ostfrk. Nachbarschaft: bichenätle, bichenätlich findet sich bei Schwab. garben ,die Spelz schählen“: zu .gerben“, wie dieses Hall24), in der Form verschieden, in der Bedeutung von ,gar“. nahe: ,mit genauer Not“. Das erinnert an frz. ä Gam geis ,ein Klinkel stock“: .Garnwinde“34), .Ge­ peine ,mit Mühe, kaum“. Die Spur führt zu einer stell zum Aufspannen und Abspulen des gesponne­ Reihe weiterer ostfrk. Belege, die das Schwab. Wb. nen Garns“ Oberscheffl. Klinkel = Klüngel (Woll- unter ,bigenötig“ aufzählt25). Bedeutung: ,mit knäul). Mühe, kaum“ ! buhetli unterscheidet sich davon gattig ,schicklich“: geschickt passend35), gading durch starke Zusammenziehung, die nur den An­ Oberscheffl. laut b- und die Endung bewahrt. Der Stamm in die gebeers gehen, in die Heideiberen u. dgl. gehn “. (,Not‘) wurde ein Opfer der Übertragung des Kollektives ge- wie in Ge-birge, Ge-schwister. ostfrk. Wortes ins Südfrk. ,h“ in buhetli ist zu ver­ Ähnlich im Schwarzwald Gibär läse35a). gleichen mit ,hoch — hohe“, ,nach — nahe“; u er­ geheuen ,gereuen“: dasselbe Wort wie alemannisch klärt sich aus der Vortonigkeit: Aussprache bu­ keien (ge-heien), fränkisch im Sinn von .ärgern“, hetli? aber mehr ,reuen“36). In Oberscheffl. um 1930 „sel­ burgunder,Dickrüben“: Name der Sorte in Baden tener“. und Württemberg. gelde ,ein wasser zuber“: Kübel37). „Auf dem Kopf getragener Kübel zum Wasserholen am Brunnen“ cremsen,klettern“: cremsen könnte zu Geräms (von Oberscheffl. ,Rahmen“) gehören26) und müßte dann gremsen genoten, nicht genothen ,nicht leiden, dulden“: geschrieben werden. Alem. chresme ,klettern“ oder kommt von mhd. genäden zu genäde .Gnade“38) kresle auf der Baar (zu mhd. kresen .kriechen“) und ist hier in der alten mundartlichen Form ge­ lassen sich weniger leicht heranziehen. braucht, nicht in der kirchlich-schriftsprachlichen cumlich ,bequem“: Auch hochdeutsches ,bequem“ Lautform. In der Bedeutung .ausstehen“ Ober­ gehört zu kummen .kommen“; chumlig .bequem“ scheffl. aus Lörrach belegt27). geits, was geits ,was ists, was giebts“: schon mhd. gi- docke ,ein Midgen puppe“: Weithin belegtes Wort bit zu git ,gibt“. für ,Puppe“, fehlt 1930 aber in Oberschefflenz28). geziefers ,Haus geflügel“: ,die kleinen, nützlichen drühe ,eine Kist“: unser Wort .Truhe“, das auch in Haustiere“39); ,Feder- und sonstiges Kleinvieh“ Oberscheffl ohne Umlaut erscheint. Oberscheffl. Vgl. bei Schwäb. Hall Ziifer .Feder­ dunderts ,verflucht“: .Donner“ in Flüchen häufig, vieh, auch Geißen, Schafe“40). aber nicht in der Frageform; dundere .donnern“ glumben ,weiser Kaes“: heute .Klumpen“; unge- mit nd ist im Süden häufiger als im Norden, doch formter weißer Käse, Quark41). verlangt die Gruppe -nr- einen Gleitlaut. So in glumsen ,verborgen brennen“: .unter der Asche glü­ Adelsheim28a). hen“42). Fehlt in Oberscheffl. duselen ,schlummern“: wie heute allgemein. godige, kein godiges mahl,nicht ein einziges mahl“: Ehschwing ,was vom Hanf, Flachs abfällt“: Ä- häufiger gotzich .einzig“43), ge godes bisle ,aber schwinge .Abfall von geschwungenem Hanf oder auch nicht ein bißchen“ in Oberscheffl. Flachs, gröbstes Werg“29) ,Eh(s)-‘ = Aas .Abfall“. Erbel,Erdbeeren“: im Südfränkischen weit verbrei­ gowedel,ein Schnee sturm“:ein ausgesprochen frän­ tet für die Walderdbeere; -bei dissimiliert aus -ber kisches Wort44). .Schneegestöber“ in Oberscheffl., .Beere“. während sonst als Bedeutung angegeben wird Eresen ,Erbsen“. Ärese auch in Oberschefflenz. „wenns durcheinander regnet und schneit.“ ehtun ,einerley“: aus Eintun30); in Oberscheffl. Ein­ gucke ,eine Krämer dute': Gugge .Papiertüte“45); handel. noch weiter verbreitet ist Guckel. 397 gumben ,löcber in der Bach': Gumpen ,tiefe Stelle läppern ,giesen‘: diese Bedeutung auch in Adels­ im Wasser146); zu gumpen ,pumpen“; ,kesselartige heim60), heute eher ,verschütten“, ,mit Wasser spie­ Vertiefung in einem Bach“ in Oberscheffl. len“. grosdein melde ,mentha crispa‘: das lat. Wort be­ lengen ,ziehen': mhd. lengen ,lang machen“. zeichnet die Pflanze Krause Minze, die aber mit lorbel,verhärteter Unrath': lorbe ,Schafmist“ (Nek- der links erscheinenden „Melde“ keine Verwandt­ karsulm), Lorber ,Kot des Wildes“61). Lärweli schaft zeigt. Das Rätsel löst sich durch H. Mar- Adelsheim62). zells Pflanzennamen47): Deimenten ist eine Be­ Matte ,eine Wiese': das Wort ist alemannisch und zeichnung für die krause Minze; vielleicht lautete ist vielleicht vom schwäb. Süden importiert. In die Form in Mosbach „Deimelde“; daraus ent­ Oberscheffl. gibt es den Flurnamen ,Heumatten“; stand Grubers eigenartiges „dein melde“, das si­ in Mosbach ist kein Flurname mit ,Matte“ zusam­ cher ohne -n gesprochen wurde! „gros“: wohl mengesetzt63). große Art. mährling die märling ,die mädgens': Erklärung des r bietet Määrle in Oberscheffl.: Mägde kamen vom Hackel undpackel,alles zusammen': Aus jüd. hakol Land in die Stadt. Einfluß von Mähre ,Stute“? bakol48); mehr dazu Oberscheffl. mormorgen ,morgens früh': Zusammenziehung des häbern ,Haber sehen' (säen!). Auch in Oberscheffl. doppelten ,morgen“. hämig ist das Wasser ,dem ufer gleich': zu Hamm nächtzig ,des nachts': In Oberscheffl. nechtschi ,Abhang, Ufer“49); hemmi ,anschwellend, bis zum ,nächtens“. Steilufer reichend“ aus Lichtenau bei Kehl ent­ niemes , niemand': Wortbildung, die sich schrift­ spricht in Form und Bedeutung Grubers Wort. sprachlich nicht durchgesetzt hat. Hampfel ,eine Hand voll': vgl. oben Arffel. nori mach dich nori ,eile, mache das du zu uns Häptläger ,ein ring auf dem Kopf zu tragen': Haupt­ kommst“: nori ist kein Verb, wie ,eile“ vermuten lege, ringförmiges Kissen, das sich die Frauen auf läßt, sondern Steigerung von nahe, mhd. när ,nä­ den Kopf legen, um schwere Lasten tragen zu her“ + Endung -ig, mundartl. -i. noere macha können50). „Die Frauen trugen die Wäsche in einer auch im Ostfränkischen64). ,Heblecke“ auf dem Kopf zur Bleiche“51). Hää- pampen ,cacare‘, d.h. kacken. In der Kindersprache blääg in Oberscheffl. noch erhalten. So auch in Oberscheffl. Herrle ,der grosvater': vgl. oben Fräle. Häärle in plattenweis ,an einigen Orten': Oberscheffl. ,zeit­ Oberscheffl. Häerle bei Schwäb. Hall52). weise, stellenweise“. hery ,lindt\ verschrieben für ,links“: heri ,links“ rass, ranke ,ein böses Mädgen': zu mhd. rassen ,to­ Fuhrmannsruf an Zugtiere (aus herhin?)53); häri ben“65); vgl. Rassel, ranke dürfte nicht die nord­ Oberscheffl. deutsche ,Range“ sein; eher verschrieben für ran- heuer,dieses Jahr': fehlt in Nord- und Mittelbaden; del ,Gassenläuferin“. das Wort gehört zu Jahr“ wie ,heute“ zu Tag54). Schnallen,sind die Kirschen, sie sind noch nicht zei­ Hoffert ,die Hof raith': Hofreite55); Hofert in tig': so auch in Oberscheffl. ,unreif gebliebene Kir­ Oberscheffl. schen“. Hosele ,eine Gans': sonst nicht belegt. Wohl zu Schröck, es leitet Schröck ,die grose Glocke lautet': hossen ,schaukeln“56), von der Gangart der Gans; die Schreckglocke, mit deren Läuten abergläubi­ (vgl. ,Entewackele“ in der Kindersprache.) sche Vorstellungen verbunden sind66). Imbs ,ein Mittagessen': Imbiß, im Südfränkischen Sims ,das vorstehende an dem Fenster': es verwun­ überall, heute allerdings mehr für eine Zwischen­ dert, daß dieses schriftsprachliche Wort hier auf­ mahlzeit. Immes in Oberscheffl. genommen ist. Kaez ,ein Korb': vgl. oben Bogenkäez. Die Köze Söhnerin ,des Sohns Frau': das im Südfränkischen ist eigentlich ein Rückentragkorb, doch „im Oden­ übliche Wort, das heute nur noch auf dem Land wald und an der Bergstraße heißt jede Art von vorkommt. Weidenkorb Käitz“57). Tauben Kröpfgen ,Feldsalat', -kröpfe in Ober­ Kaüt,Kappeskraut': Keid, mhd. kid58), ,Krautsetz­ scheffl. ling“. „An Veit (15. Juni) setzt man die Keit“ trum ,ein End des Gams': die in der Schriftsprache Oberscheffl.59). verlorene Einzahl von .Trümmer“. Auch in Ober­ Kaüt säen ,pflanzen säen': gemeint ist ,Pflanzen scheffl. säen“. Vgl. Kaüt. untergestem ,vorgestern': fehlt in Oberscheffl. Kolben ,grose Gläser': ursprünglich ,Keule“; der urtriz ,mislaunisch‘: mhd. urdriuze, -drütze .Unlust Arzt Gruber denkt wohl an die Gläser in der Che­ erregend“. Fehlt in Oberscheffl. mie. vorsäez ,besuch, visite': die fränkisch-schwäbische Kums ,Sauerkraut': sonst Kumst aus lat. composi- Spinnstube67). tus, mhd. kumpost. Wängner, Wagner': Oberscheffl. Wägler. 398 wecher ,wahrlich': Oberscheffl. weger (mit stimm­ sich mehrmals beobachten ließ. Weniger er­ haftem Reibelaut g). bringt das Verzeichnis zur öfter erörterten weffe ,ein H aspeldas ostfränkische Wort ,Weife‘6S). mhd. wevel, wefel ,der Einschlag beim Frage der Verwandtschaft zwischen Aleman­ Gewebe“. nisch und Ostfränkisch (vgl. anschnauen, der zehren ,der zehnde sowohl das Zahlwort als cumlich, biezeli, Matte). Mundarträume auch die Abgabe. Zährn in Oberscheffl.; zeernd werden meistens durch ihren Lautstand ab­ Bruhrain69). gegrenzt; durch den Verkehr überspringen zsendanne , zusammen“: Im Alemannischen ist z(s)ämme, zentumme, zentane zwar gut belegt70). die Wörter leicht die Lautgrenzen. So kön­ Das Wort ist aber 1. auf den Süden beschränkt, 2. nen auch schwäbische Wörter in fränkische stimmt seine Bedeutung ,überall“ nicht zu ,zusam­ Umgebung eindringen. men“. Dieser Sachverhalt zwingt, eine selbständige Entwicklung im Fränkischen anzunehmen, etwa zesammt + annen71). Oder sollte ,Zent“ (Gerichts­ bezirk, Gerichtsversammlung) im ersten Teil stek- ken? zundem essen ,zu 4 Uhr Essen': das alte südfränki­ Anmerkungen sche W ort für heutiges ,vespern“, als Subst. und als ') Generallandesarchiv Karlsruhe 166/140, Bl. Verb; mhd. ze undarn; von mhd. undermäl Zwi­ 28v/29r. A. Frank, Wie sah es in Mosbach vor 180 schenmahlzeit“ unterscheidet sich unser Wort Jahren aus? In: Bad. Heimat 1981, S. 283ff. durch das angewachsene z der Präposition; „zwi­ 2) Sohn des Oeconomus et Provisor fisci acad. In: schen Mittag- und Nachtessen schiebt sich das Matrikel der Universität Heidelberg, 4 (1903) Zundernessen ein, heute (um 1930) Vesper ge­ S. 198 mit Anm. 2 und S. 202 mit Anm. 4. nannt: Brot mit Käse oder Klumpen (weißer 3) E. Roedder, Volkssprache und Wortschatz des Käse)“. Oberschefflenz72). bad. Frankenlandes, dargestellt auf Grund der Mundart von Oberschefflenz, New York 1936. * Das Wörterbuch S. 321 ff. Die Seitenzahlen sind Bei der Beurteilung von Grubers Aufzeich­ nur in Ausnahmefällen angegeben. nungen ist zu beachten, daß sie vor der Ver­ 4) Badisches Wörterbuch, hg. von E. Ochs, K. F. Müller und G. W. Baur 1925 ff., Bände I und II, öffentlichung der Entdeckungen von Rask, A-K und P, T, V; Bd. III bis Lief. 42. Bopp und Grimm liegen; Gruber ist rund ein 5) Schwäbisches Wörterbuch, hg. v. H. Fischerund halbes Jahrhundert älter als diese. Sichtlich W. Pßeiderer, Bd. 1—6b, 1904—1936. war er bemüht, der Behörde in Karlsruhe 6) Historischer Atlas von Baden-Württemberg, seltsame Wörter vorzusetzen, auch wenn de­ Karte XII, 7, bearbeitet v. H. Steger, 1981. 7) Frank (wie Anm. 1) S. 285. ren Herkunft ihm nicht bekannt war; denken s) F. Meszmer, Alte Mosbacher Entwässerungsdo­ wir nur an Adach, buhetli, Grosdeinmelde, len. In: Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg (RNZ) hämig oder Kums(t). 1974, 27. Febr. (mit Karte). A. Frank, Der Mosba­ Obwohl er sich bewußt ist, daß es Mundart­ cher Marktbrunnen und seine Erneuerung, 1974 (mit Ausschnitt aus einem Archivplan der Attau- wörter sind, hängt er ihnen ein schriftsprach­ chen). E. u. D. Brüche, Das Mosbach-Buch, 1978, liches Mäntelchen um, so wenn er Verben S. 278. P. Waibel, Attauch, ein altes Mosbacher wie Substantive mit der Endung -en versieht. Wort, RNZ 1./2. 12. 1979, S. 33. Merkwürdig sind die Plurale auf -s wie Ge- 9) Abetuch. Urkunde (Mutscharungsbrief) des beers, Geziefers, Mädgens; er hat sie in Mos­ Speyrer Bischofs Raban von Helmstädt, 1420 (Pri­ vatbesitz). Freundl. Mitteilungen von G. Riederer, bach nicht hören können. Auch seine Schrei­ Hochhausen-Hassmersheim. bung ist manchmal inkonsequent; so schreibt 10) Oberrheinische Stadtrechte. I. Abt. Fränkische er Bogenkäez, aber kaez, dann wieder Vor- Rechte, S. 318: abeduchen. säez, offenbar Kreuzungen von deutsch ä u) K. Schramm, Mainzer Wörterbuch 31966, S. 17. 12) Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1, S. 418 f. und Lat. ae. W. Crecelius, Oberhessisches Wörterbuch S. 17 f. Der geographischen Lage von Mosbach ent­ Südhess. Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 13 f. Staub- sprechend sind die meisten Wörter Süd- oder Tobler, Schweizerisches Idiotikon I Sp. 165 f. rheinfränkisch, andere aber ostfränkisch, wie Rheinisches Wörterbuch I, Sp. 63 f. und andere. 399 13) Th. Frings u. G. Müller, Germania romana I 52) Hampele (wie Anm. 18) S. 399. (1966) S. 129; II (1968) S. 92f. 53) Bad. Wb. II 636, M) II 671, 55) II 570, 14) Bad. Wb. (wie Anm. 4) I 19 und 45. “ ) II 772. 15) I 47 und I 58. I6) I 60, 17) I 70. 57) H. Schmitt, Weinheimer Wortschatz (21981) 18) W. Hampele, in: Heimatbuch Michelbach S. 68. Bestätigt durch Bad. Wb. III 240, 1 b. a.d. Bilz (1980) S. 402. 58) Bad. Wb. III 103. 59) Roedder, Reichsdorf 19) Bad. Wb. 1170, “) 1240, 21) 1239, n) 1279 (wie Anm. 41) S. 370. 23) Rhein. Wb. (wie in Anm. 12) I 1103. “) Mangold (wie Anm. 28a) S. 35. 24) Hampele (wie Anm. 18) S. 398. 61) Schwäb. Wb. 4, 1285 u. 6, 2484, auf die mich 25) Schwäb. Wb. (wie Anm. 5) 1, 1169. G. W. Baur (Freiburg) freundlich hinweist. 26) Bad. Wb. II 369, 27) I 149, 2S) I 492. 62) Adelsheim (wie Anm. 28a) hat Lärweli ,mißra­ 28a) H. Mangold, Die Mundart von Adelsheim tene Obstfrüchte“. (1930), S. 25. 29) Bad. Wb. I 74, M) I 867. 63) König und Schäfer (wie Anm. 51). 31) Hampele (wie Anm. 18) S. 399. M) Hampele (wie Anm. 18) und Schwäb. Wb. 4, 32) Bad. Wb. 87, 33) II 258, 33a) II 270, 2, M) II 1880. 294, 35) II 301, 35a) I 134 (Beere), *) II 326, 65) K. Schramm (wie Anm. 11) S. 65. 37) II 355, 38) II 363; Südhess. Wb. II 1405. “ ) Schwäb. Wb. 5, 1134. 39) Bad. Wb. II 411. b7) Bad. Wb. II 208. 40) Hampele (wie Anm. 18) S. 402. 68) Kluge-Mitzka 19848. 41) Bad. Wb. III 172; vgl. E. Roedder, Das süd­ 69) O. Heilig, F. J. Mones Bruhrainisches Idioti­ westdeutsche Reichsdorf in Vergangenheit und kon, in: Neues Archiv Heidelberg (1905) S. 166. Gegenwart (1928) S. 331. 70) Dank für frdl. Mitteilungen von G. W. Baur, 42) Bad. Wb. II 438, 43) Ebd. II 453, 44) II 455, Freiburg. E. Ochs scheint für zentane die Ablei­ 45) II 490, *) II 501. tung von Zent (Gerichtsbezirk, Gerichtsversamm­ 47) H. Marzell, Wörterbuch der deutschen Pflan­ lung) erwogen zu haben. Da Mosbach Sitz einer zennamen III 152; Schwäb. Wb. 2, 138. Zent war, hat diese Ableitung einiges für sich. 48) Bad. Wb. II 253, 49) II 544, 546; vgl. eben- Auch beim Antreten der Zentmannschaft könnte hämmig I 622, M) II 578. das Wort als Kommando gebraucht worden sein. 51) B. König, Heimatkundl. Zulassungsarbeit 1960 71) Bad. Wb. I 58. (Masch.) u. H. Schäfer, Flurnamen von Mosbach, 72) Roedder (Reichsdorf, wie Anm. 41) S. 331. 1962 (Masch.), S. 25 „Hebled“; dazu Häbleichet in Adelsheim: Mangold (wie Anm. 28a) S. 42 u. 49.

400 Mundartdichtung gestern

Anfänge und Entwicklung der Mundartliteratur im badischen Frankenland Peter Assion, Marburg/Walldürn

In Mundart zu dichten hat in Baden eine zehnte . . . auch der Mundartdichtung im . . . lange Tradition, ja durch Johann Peter He­ badischen Frankenland Seelen erweckt“ bel und seine vielbewunderten, zur Nachah­ habe2). Warum so spät? Die Antwort enthält mung reizenden „Alemannischen Gedichte“ Busses Aufsatz indirekt. Wenn Odenwald, (1803) gilt Baden geradezu als „Wiege“ der Bauland und Taubergrund mit ihren land­ gesamten deutschen Mundartdichtung: ein schaftlichen Reizen und kulturellen Reichtü- Ruf, der zumal für einheimische Hebel- mern erst einem breiteren Publikum bekannt Nachfolger Verpflichtung war. Dem großen gemacht werden mußten, dann waren sie Vorbild folgend dichteten sie ihrerseits in der vorher unbekannt oder gar verkannt und alemannischen Mundart oder übernahmen mißachtet gewesen. Dann hatten es die Fran­ dessen Themen, um sie recht früh auch ken „von dahinten“ auch schwerer als andere schon im pfälzischen Idiom zu variieren1). Badener gehabt, Selbstbewußtsein zu entwik- Die pfälzische Mundartdichtung empfing keln und kulturelle Identität zu behaupten. außerdem durch Karl Gottfried Nadler Beides aber wären Grundvoraussetzungen (1809—1848) kräftige Impulse, so daß die be­ für eine blühende Mundartdichtung gewe­ sinnliche Daseinsbetrachtung und das Natur- sen. Dichtung in der heimischen Mundart ist und Heimatlob nicht allein vorherrschend immer auch Bekenntnis zur angestammten blieben, sondern auch der humorvollen Dar­ Landschaft und ihrer Bevölkerung und setzt stellung menschlicher Schwächen und Ver­ regionales Selbstwertgefühl voraus. Daran hältnisse ihr Recht wurde. hat es im Frankenland lange gefehlt, was Um so merkwürdiger wirkt es da auf den er­ nicht Schuld der Franken war, sondern de­ sten Blick, daß sich eine badische Landschaft rer, die entlang des Rheines von „badisch Si­ erst recht spät dazu anregen ließ, die Szene birien“ sprachen, sich über das „Hinterland“ badischer Mundartdichtung mit eigenen Bei­ erhaben fühlten und auch die alemannische trägen zu bereichern: das Frankenland. Es und pfälzische Mundart für schöner hielten sei „bisher auf diesem Gebiet verschwiegen“ als die Dialekte von jenseits des Neckarknies. gewesen, stellte 1933 Hermann Eris Busse fest, um mit um so größerer Freude — Busse Von der Abwertung des Odenwäldischen hatte das Frankenland gerade für sich und gibt es ein frühes Zeugnis. 1808 verfaßte der die Leser der „Badischen Heimat“ entdeckt Mosbacher Amtsphysikus Dr. Gruber (geb. — mitteilen zu können, daß „die letzten Jahr­ 1744) eine medizinisch-topographische Be- 401 Schreibung des Physikats Mosbach und Eber­ Mone in Verbindung brachte, der im „Anzei­ bach3), in die auch ein Verzeichnis von 86 ger für Kunde der teutschen Vorzeit“ Vorab­ Dialektwörtern — hochdeutsch glossiert — drucke dieser Sagen veröffentlichte. Amalie eingeschoben ist. Mit diesem Wörterver­ Baader aber schrieb ein Stück in Wertheimer zeichnis kann man immerhin den Beginn der Mundart, das Mone innerhalb einer Serie wissenschaftlichen Beschäftigung mit der „Teutsche Mundarten“ abdruckte9). Es hat Odenwälder Mundart datieren, und als ein Hochwasser zu Wertheim zum Thema kleine Sensation ist entsprechend die Entdek- und läßt die Einwohner ihre Bestürzung äu­ kung dieser Aufzeichnung gewertet wor­ ßern über die Gefahr. den4). Einleitend schreibt Dr. Gruber jedoch: „unsere Sprach dahier ist äußerst hart, un- Doch auch erste zaghafte Versuche, in der musicalisch“. Und als Merkmal sprachlicher fränkischen Mundart zu reimen, gab es Eigenart führt er an, daß das „s“ wie „sch“ schon zu dieser Zeit. Sehr beliebt ist bis heute gesprochen werde. Daß im Odenwald und in Walldürn ein Mundartgedicht, das die zum Teil im Bauland ein Haus ein „Hanneischaft“, d.h. den Hausierhandel, der „Hausch“, eine Gans eine „Gansch“ und eine „Dünner“ (Walldürner) beschreibt: das Her­ Maus eine „Mausch“ ist, hat in der Tat etwas umziehen mit selbstgefertigten Zucker- und Auffälliges5) und wird bis heute gegen den Wachswaren und das beredte Anpreisen die­ Franken gekehrt, vor allem mittels des Spott­ ser Artikel, von deren Verkauf einmal ein namens „Gänschmauscher“, den Karl Hof­ Großteil der Bevölkerung lebte10). Dieses mann so erklärte: „Durch eine Zusammen­ Gedicht wurde gerne bei heiteren Anlässen — setzung der beiden im Munde des Ostfran­ auf Hochzeiten oder bei Fastnachtsvergnü­ ken dem Ohre des Pfälzers auffallend er­ gungen — vorgetragen und ist nur abschrift­ scheinenden Tiernamen ,Gänsch‘ (= Gänse) lich, nicht gedruckt weitergegeben worden, und ,Mausch“ (= Maus) nannte der rhein­ wobei als Verfasser Viktorin Kieser verbürgt fränkische Pfälzer seinen ostfränkischen Bru­ wurde: ein junger Walldürner, der demnach der einen ,Gänschmauscher“, d. h. einen, der als erster „Mundartdichter“ des Frankenlan­ statt Gäns und Maus ,Gänsch“ und ,Mausch“ des gelten darf11). Kieser (1835—1854) war spricht. Eine Weiterbildung dieses Wortes ist der Sohn des Kaufmannes und Bürgermei­ der Ausdruck ,Gänschmauscherland“, der sters Felix Anton Kieser und besuchte — ehe zur nämlichen Zeit ... gedieh“6), d.h. im er als noch nicht Zwanzigjähriger einer 19. Jahrhundert, als „Hinterländer“ und Krankheit erlag — das Gymnasium zu Tau­ Pfälzer sowie Alemannen in den Garnisonen berbischofsheim, wo er auch seine Mundart- zu Heidelberg, Mannheim, Bruchsal und verse zu Papier gebracht haben soll. Sie seien Karlsruhe aufeinandertrafen7). hier nach einer Aufzeichnung von 1936 im Heimatmuseum Walldürn wiedergegeben: Eine besondere Pioniertat bedeutete es vor diesem Hintergrund, ein längeres Textstück Die Dürmer uff der Hannelschafi. in fränkischer Mundart zu veröffentlichen. Dies geschah durch die Wertheimerin Ama­ ,S‘ is doch e luschdis Völkle lie Baader (1806—1877), die in ihrer Heimat­ Mit der Manne uffem Kopf, stadt den badischen Beamten Bernhard Baa­ Un ihm Hiemel trübt ke Wölkle, der (1786—1859) kennengelernt hatte und Laufe dun se wie en Dopf. diesem nach Karlsruhe gefolgt war, wo Baa­ Sunnestäche, Stormwind, Rächeweeder, der seit 1832 als Finanzrat wirkte8). In seiner Alles dud en nix, Freizeit betätigte sich Bernhard Baader eifrig Uff de Markt geh’n se mit Leeder, als Sagensammler, was ihn mit Franz Joseph Schwöfelhölzli, Stiffelwix. 402 Do werd g’schmuust un do werd g'hannelt, Früh un spood, an em Stück fort, Un wenn eens nit weit d’vou wannelt Ruffe sem mit lautem Woort: O herzier Vedder, geht doch haare Un kaaft mer a e Lebküchle aab. Zwä for’n Kröizer, wolfle Waare, Fascht zu gäwwe net erlaabt. Alles könnt V vun mer häwwe, Feini Wackschtöck, grouß un kleen. Bildli konn i jedem gäwwe, Haasche, Kühli mit vier Been. Schühli, Schtrümpfli, schöni Herzli, Zückerli, Hünggeli, Schtörch un Gensch, Sechsers, Batzes, Kröizers Körzli, Fedderbücksche, Rouschekränz. For en Kröizer fuffzich Schijfli, Schießerli kriegt ’r zwanzig mehr, Un des gäww i öich schriftli, Schmakke dun se öich re-icht sehr. Drümm ge-iht her un kaaft recht fläßli, Viktorin Kieser aus Walldürn als Gymnasiast 1852 Schenke du i’s öich fors Geeld — in Tauberbischofsheim. Er verfaßte das offenbar erste Gedicht in badisch-fränkischer Mundart: „S’is doch e Geeld for’n Kaffi, un dann räs’ i luschdis Völkle ...“ (Silhouette in Besitz von W. Widder nei die Dürmer Weeld.12) Kieser, Heilbronn). Repro: H. W. Strobel

(Manne = Tragkorb; Dopf = Kreisel; wol­ fle = wohlfeil; Schiffli, Schießerli = ein ben wurden und das im September 1919 in Walldürner Anisgebäck.) den „Fränkischen Blättern“ abgedruckt Möglich, daß der Erfolg dieses Gedichtes wurde: einer Heimatbeilage zum „Bauländer Kieser ermuntert hätte, noch weitere mund­ Boten“ (Adelsheim), in der Karl Hofmann artliche Milieuschilderungen zu verfassen, (vgl. unten) der fränkischen Mundartdich­ wenn er nicht so früh gestorben wäre. An sei­ tung seit 1919 ein Forum gab und seit dieser nen Versen gefielen Reim und Rhythmus in Zeit auch eigene Mundartbeiträge ab­ ihrer unkomplizierten Verbindung mit Wör­ druckte. tern und Sätzen der Alltagssprache: Ver­ Hermann Eris Busse hat später einen schar­ gleichbares war im Frankenland noch nicht fen Trennungsstrich gezogen zwischen „den gehört worden, und so nimmt es nicht wun­ auch im Frankenland nicht seltenen mund­ der, daß „Die Dürmer uff der Hanneischaft“ artlichen Reimern von Witzen und Pasquil­ auch außerhalb Walldürns auf Interesse stie­ len“ einerseits und Dichtern, die sich „wür­ ßen und etwa auch in Buchen gerne öffent­ dig den besten Nachfolgern des klassischen lich vorgetragen wurden13). Artverwandt war Mundartdichters Johann Peter Hebel“ an­ ein anonymes Geburtstagsgedicht von 1872 reihten14). Damit deutete er zumindest an, in Königheimer Mundart, in dem allerhand daß es ältere Gehversuche einer fränkischen schmackhafte Genüsse, „Quätscheblaaz“ Mundartdichtung gab, und außer Kieser (flacher Zwetschgenkuchen) usw., beschrie- bleibt hier vor allem noch der Buchener 403 Adam Bauer (1820—1899) zu entdecken, der baues und macht sich über die Begeisterung um 1870/80 eine flotte Feder führte und es der Odenwälder lustig: zu beachtlichen Eigenleistungen brachte, die D’ Eischebohn! — je ß ’ Maria und Joseph nicht nur an Hebel gemessen werden sollten. mei Läuit! Bauer war Humorist, aber einer mit politi­ Sie kimmt jo wie vom Himmel ra gschneit. schem Anspruch, der mit Mundartgedichten in den badischen Kulturkampf eingriff und Verletzen wollte Bauer mit seinem Spott frei­ seinen Odenwälder Landsleuten — er selber lich niemand — das zeigt schon der Um­ hatte es zum badischen Justizbeamten und stand, daß er sich als „Spazemorlesch Adam“ 1872 zum Archivar und Bürodirektor bei der selbst zu einer Figur seiner Gedichte machte zweiten Kammer des badischen Landtags in und sich und seinen Buchenem eine Urwüch­ Karlsruhe gebracht — im „Landesblättle“ ei­ sigkeit zuschrieb, die er im Grunde bejahte. nige liberale Wahrheiten gesagt zu haben Letzteres vielleicht um so mehr, als er Städ­ scheint. Das erfahren wir aus seinem Gedicht ter geworden war und er sich bei der geisti­ „E Räs’ uf Buche“, wo er sein Gedicht ,,D’ gen „Räs’ uf Buche“ nur allzu gerne in das Bumbje“ zitiert und den Buchener Kronen­ heiter-natürliche Leben seiner Jugend zu­ wirt wie folgt agieren läßt: rückversetzte. „Adam geh jetzt nei da Bettle!“ Bemerkenswert ist, daß um die gleiche Zeit — Sächt de Ludwig — Ja du Louscher, die Mundart auch in die Buchener Lokalzei­ Dei Gedicht im Landesblättle tung eindrang und die liberale Redaktion des Uber „D’ Bumbje“ hots ganz Schtädtle „Buchener Anzeigers“ etwas ähnliches ver­ Arg verzömt, es is net kouscher. suchte wie Bauer: ihre Leser in ihrer ureige­ „Der Freckling“, sagesch, „treibt norr Schpuze nen Sprache politisch anzusprechen. Das ge­ Un will d’ Buchemer Berger uze. “ riet dann freilich zur handfesten Satire, so wenn als „Folgen der Wahlvorbereitung“ Vor dem Zorn der Buchener floh Bauer — je­ (der katholischen Partei, versteht sich) am denfalls seinem karikierend übertreibenden 16. September 1871 folgende Überlegungen Gedicht nach — im Nachtzug nach Bruchsal eines „schwarzen“ Wählers der Lächerlich­ zurück, um seiner Frau das Erlebte zu be­ keit preisgegeben wurden: „mer messe uns richten und ihr schelmisch in den Mund zu an die Schwarze halte, sunscht sen mir ver­ legen: lohnt; dann die Routhe mache uns lutterisch in eme halbe Johr; dernochtert genn mir uff „Des geiht widder e schöi Gedichtle Bettijeh! — Buschdeebli wohr!“ (Bettijeh = Oder e Korreschpondenzberichtle Bödigheim, evangelische Pfarrei). Harmloser Ganz im Oudewälder Schtiel. “ las sich am 28. März 1868 in der Unterhal­ tungsbeilage „Feierabend“ die „Heemkehr Vielleicht gelingt es noch, aus der Tages­ zweer baulänner Schneppejäger vum Obend­ presse jener Jahre diese verschollenen Mund­ strich“: ein Dialog zwischen Fritz und Jörg, artgedichte zu erheben und auch jenen geg­ die vergeblich auf die Schnepfenjagd gezo­ nerischen Artikel im klerikalen „Pfälzer Bo­ gen waren. Fritz: „Desch wesch der Teiwell, ten“ zu finden, auf den Bauer in „E Räs’ uf wasch desch Johr mit de Schneppe isch!“ Buche“ anspielt. Allgemein bekannt ist von Jörg: „Nergendsch in der gansche Gegend ihm nur noch ,,D’ Buchemer Eischebohn“15) kan Schuß!“ Fritz: „Jetsch dappe mer ebber — ein Mundartgedicht zur Eröffnung der schunn siebbe Obend rausch und All nicht!“ neuen Eisenbahnstrecke 1887 von Seckach Jörg: „Möcht nur wische, wo die Luder über Buchen nach Walldürn. Bauer beleuch­ stecke!“ In diesem Stil geht die Unterhaltung tet darin die Vorgeschichte des Eisenbahn­ weiter, und die Eingeweihten werden herz­ 404 lieh gelacht haben über die beiden Jäger, de­ ren Maul größer als ihr Jagdglück war. Zu ihrer eigentlichen Höhe führte dann Jacob Mayer (1866—1939) die Buchener Mundartdichtung empor. Mayer war Inha­ ber eines Textil- und Modewarengeschäftes in der Marktstraße und gehörte der jüdi­ schen Gemeinde Buchens an16), von deren Mitgliedern es in einem Erinnerungsbericht heißt: „Die Juden meiner Vaterstadt stellten ein solides kleinstädtisches Bürgertum dar, in jeder Weise verwachsen mit der übrigen Be­ völkerung, an den Freuden und Leiden des Gemeinwesens lebhaft Anteil nehmend“17). Für Jacob Mayer galten diese Bemerkungen ganz besonders. Er liebte „sein Buchen“ wie kein zweiter, ja galt selbst als „ein Stück Alt- Buchen“, dessen Stimme er in Mundartge­ dichten und -liedern unverwechselbar zu Ge­ hör brachte. Aus eigenem Erleben und in der ererbten „alten Sprooch“ schilderte er die Buchener Volksfeste: den Schützenmarkt, die „Faschenaacht“ (Fastnacht), ,,S’ Buche- mer Rodelfescht“18), und zwar so, daß sich der mitreißende Trubel des Massengesche­ hens dem Leser oder Hörer unmittelbar mit­ teilt. Dazu setzte Mayer den Refrain mit ein, unterlegte seinen Texten bekannte Melodien Jacoh Mayer, Buchens großer Mundartdichter und zum Mitsingen, setzte in den einzelnen Stro­ Liedverfasser, aufgenommen 1887 von dem Bödig- phen treffsichere Pointen und verwandte heimer Fotografen Martin Flofert (Ausschnitt aus ei­ weitere Stilmittel, die in der Mundartdich­ nem Foto in Visitformat im Bezirksmuseum Buchen). tung neu waren. In seiner Ballade „Bleckers Repro: Helmut Brosch Heimkehr“, die den Verkauf und Rückkauf des Buchener Wahrzeichens beschreibt, kon­ marsch“ — als fastnächtlicher Straßenumzug trastiert er zum Beispiel in witziger Weise bekannt — ursprünglich ablief, erfährt man Hochsprache und Mundart und läßt einen am besten aus seinem Gedicht „D’ Buchemer Chor — Volkes Stimme — sarkastisch die Faschenaacht“. Und dem Buchener Bezirks­ Mißgriffe kommentieren, die der arme Blek- museum, das er tatkräftig förderte, widmete ker zu erleiden hatte: er folgende Verse: Eine rohe Wildnis Do fehlt Euich ke Duuch un ke Kleed un ke Nannt’ man sein Bildnis! Dasche, Weichen mußt’ er solchem Kunstgezänk! ke Schtrouhnapf, ke Schüssel', ke Deller vun (Chor:) O! Kriech die Kränk!19) Zinn, ke Haube mit bräti Bändermasche, Zugleich gelangen Mayer liebevolle Milieu­ ke Leinegebilds in de Truhe dinn. schilderungen von heute auch volkskundli­ Do fehlt euich ke Diesch un ke Schtuhl un ke chem Wert: wie der Buchener „Gänsch- Bänkle, 405 ke Löffel, ke Gabel, ke Krug un ke Glaasch, Gebrauch scheint jedoch die Mundartfor­ ke Spinnrad, ke Uhr, ke Schrank un ke Schränkle, schung geleistet zu haben. Bei der wissen­ ke Zuber, ke Zädne, ke Stütze, ke Flaasch .. .20) schaftlichen Betrachtung der Volkssprache hatten Kategorien wie „schön“ und „un­ Die völlige Identifizierung mit seiner klein­ schön“ natürlich keine Gültigkeit, und diese städtischen Umwelt — vielleicht darf man so­ Wertfreiheit war nicht nur Arbeitsprinzip in gar von Überidentifizierung sprechen und den Gelehrtenstuben, sondern wurde in den von hier aus auf die Tragik jüdischen Schick­ 1880er Jahren auch in die Breite vermittelt. sals reflektieren — konnte Mayer freilich Seit 1876 bereitete Georg Wenker nicht von sehr bitteren Erfahrungen gegen (1852—1911) in Marburg den „Deutschen Ende seines Lebens bewahren. Zu Beginn der Sprachatlas“ vor: ein gewaltiges wissen­ dreißiger Jahre war er gezwungen, sein Ge­ schaftliches Unternehmen, das mittels ver­ schäft aufzugeben. Er geriet in materielle schickter Fragebogen Mundartmaterial aus Not, und als sich in der Nazi-Zeit die aus­ dem ganzen deutschen Reich erhob, um weglose Lage der Juden abzuzeichnen be­ dann auf synchronen Kartenbildern die Ver­ gann, setzte er seinem Leben selbst ein Ende. breitung von lautlichen und syntaktischen Hatte sich Busse 1933 einen Hinweis auf Ja­ Erscheinungen zu dokumentieren. Hatte das cob Mayer versagt, so verzeichnete ihn im­ Unternehmen zunächst nur Preußen und die merhin noch 1939 Wilhelm E. Oeftering in angrenzenden Gebiete Nord- und Mittel­ seiner „Geschichte der Literatur in Ba­ deutschlands erfaßt, so war die Fragebogen­ den“21), und dies, obwohl Mayer hauptsäch­ verteilung 1886/87 auch auf Süddeutschland lich für sein Buchener Publikum geschrieben ausgedehnt worden24). Berühmt wurden so und nicht den Anspruch erhoben hatte, auch auch hier Wenkers 40 Beispielsätze: um ver­ draußen im Ländle Beachtung zu finden. Die gleichbares Material zu gewinnen, waren mit ihm etwa gleichaltrige Wertheimerin von den Helfern — meist Schullehrer oder Rosa Müller (1869—1944)22) sprach im örtliche Honoratioren — diese immer glei­ „Wertheimer Jahrbuch“ einen größeren Le­ chen Sätze mit zusammen 339 Wörtern in serkreis an, und so nimmt es auch nicht wun­ die Ortsmundart zu übersetzen, und wie der, daß bei ihr Reflexionen über die so ei­ etwa Bürgermeister Wilhelm Hildenbrand genartige fränkische Mundart wiederauftau­ (1828—1919) in Walldürn diese Aufgabe chen und deren Verteidigung den Inhalt ei­ meisterte, ist in der Zeitschrift „Alemannia“ nes ganzen Gedichtes ausmacht: nachzulesen, wo im Anhang zu Hilden­ Mir Leut vom boodische Frankeland, brands „Volksüberlieferungen von Wall­ Do hinne om Maa- und Dauwerschdrand, dürn“ diese Sätze in „Dürmerisch“ abge­ Mir howwe sou e ganz eicheni Schbrooch, druckt sind25). Un die, die mecht uns sou leicht kaans noch: Diese „Volksüberlieferungen“ in der „Ale­ E weni bräät, un e wem lang — mannia“ verdankten sich einem zweiten Fra­ s werd manchem, wenn er sie hört, ganz bang; gebogen-Unternehmen: der Umfrage zur ba­ Owwer urgemüdli, un voller Witz, dischen Volkskunde, die 1894/95 von den Un voller Humor, un losie Schnitz, Freiburger Germanisten Friedrich Kluge, Un e „li“ und e „le“ henkt oft hinnedroo, Friedrich Pfaff und Elard Hugo Meyer im Drüm hört sich die Schbrooch sou ganz haali Großherzogtum veranstaltet wurde26) und o //3). ebenfalls — wenn auch im Rahmen eines grö­ ßeren, volkskundlichen Konzeptes — nach Den entscheidenden Beitrag zum unbefange­ mundartlichem Volksgut forschte. Während nen Umgang mit der Mundart und zum Ab­ das beim „Sprachatlas“ eingegangene und bau von Hemmungen bei deren literarischem seit 1926 auf Karten veröffentlichte Material 406 heute vom „Forschungsinstitut für deutsche zu seiner allerdings ungedruckt gebliebenen Sprache“ der Universität Marburg/Lahn ver­ „Grammatik der Mundart von Hettingen“29), wahrt wird, liegt ein Großteil der Fragebo­ während Augusta Bender (1846—1924) aus gen-Bearbeitungen, die Kluge, Pfaff und Oberschefflenz in ihre Lebenserinnerungen Meyer gesammelt haben, daher in der Ar­ einflocht, wie das „Hennele“ an einem beitsstelle des Badischen Wörterbuches an „Piepskörnle“ starb und das „Gökele“ dann der Universität Freiburg i. Br., um für dieses „mit ’m uff Kuppelishause g’fahre (isch), um große Standardwerk ausgewertet zu werden. es begrabe z’ losse“: eine Variante des Im Vorwort zum ersten Band des „Badischen Grimmschen Märchens „Vom Tode des Wörterbuches“, das 1925 zu erscheinen be­ Hühnchens“ in Bauländer Mundart30). gann, betonte der langjährige Bearbeiter und Um die Sammlung solcher Texte, um eine Herausgeber Ernst Ochs entsprechend: systematische Erforschung der fränkischen „Den Grund zu diesem Werke legte Fried­ Dialekte und auch um die Pflege der gereim­ rich Kluge, als er 1894 zusammen mit E. H. ten Mundartdichtung machte sich seit den Meyer und F. Pfaff jene volkskundliche Um­ 1890er Jahren dann ein Mann verdient, der frage ins Land schickte, deren Beantwortun­ heute zu Unrecht vergessen ist: Professor gen auch für den Wortschatz reiche Beute Otto Heilig (1865—1941). Zwar war er nicht ergaben“27). der erste, der als Franke eine wissenschaftli­ Im Gefolge dieser Bestrebungen belebte sich che Arbeit zur fränkischen Mundart vor­ auch die regionale Mundartforschung — im legte. Dieser Ruhm gebührt H. Breunig mit Frankenland wie anderwärts — und, wie an­ seiner Tauberbischofsheimer Programm­ gedeutet, der literarische Mundartgebrauch. schrift „Die Laute der Mundart von Buchen Die Kleinformen mundartlicher „Volkspoe­ und dessen nächster Umgebung“ von 1891. sie“ — Sprichwörter, Scherzsprüche, Tanz­ Otto Heilig war dafür jedoch ein Gelehrter, liedchen usw. — wurden aufgezeichnet und der sich für Jahrzehnte der Mundartfor­ um größere Stücke mundartlicher Prosa er­ schung verschrieb und darüber hinaus die gänzt, die die Verfasser selbständig gestalte­ Ortsnamenforschung und die Volkskunde ten, um damit bestimmte Ortsmundarten zu bereicherte, und zwar in ganz Baden31). Hei­ dokumentieren (analog zu den Wenkerschen lig entstammte einer Walldürner Beamtenfa­ 40 Sätzen und in später, freilich unbewußter milie. Er war wie sein Vater, der Amtsrevi­ Nachfolge Amalie Baaders, vgl. oben). dent Hermann Heilig, in Walldürn geboren Heute erfüllen Tonband-Nachschriften die­ worden, doch später dann — wohl aufgrund sen Zweck. Da jedoch um 1900 noch keine einer Versetzung des Vaters — nach Tauber­ modernen Hilfsmittel zur Verfügung stan­ bischofsheim verzogen und mit dem Tauber­ den, war immer auch der literarische Ehrgeiz länder Dialekt aufgewachsen. Als Lehramts­ der Autoren mitherausgefordert. So kam anwärter widmete er diesem Dialekt seine er­ etwa durch Professor Emil Schmitt ste wissenschaftliche Arbeit: eine „Laut- und (1858—1947) ein Kabinettstückchen solcher Flexionslehre der Tauberbischofsheimer Prosa zu Papier: ein Erlebnis mit dem sagen­ Mundart“ (1889/90), die er als Facharbeit haften „wilden Heer“, verfaßt in der Hettin- einreichte und überarbeitet als „Grammatik ger Heimatmundart Schmitts und bis heute der ostfränkischen Mundart des Taubergrun­ immer wieder nachgedruckt28). Sagen und des und der Nachbarmundarten“ 1898 ge­ Märchen lieferten den bevorzugten Stoff zu druckt erscheinen ließ32). Hier findet sich solchen Textstücken. Von Schmitt gibt es Seite 194—198 eine ganze Sammlung mund­ auch eine mundartliche Gestaltung des Mär­ artlicher Textproben nach der Volksüberlie­ chens vom Wolf und den sieben Geißlein ferung, nach Emil Schmitt, H. Breunig u. a. („Dr Wolf un di süwe Dsigeli“) im Anhang Insbesondere aber darf die Grammatik als 407 Was die Mundartdichtung betrifft, so liegt Heiligs Verdienst in der Förderung, die er dem Werk des Tauberbischofsheimer Dia­ lektdichters Josef Dürr (1877—1917) ange­ deihen ließ: des bekanntesten und geschätz­ testen der fränkischen Autoren, die in Mund­ art schrieben und die dann auch die (oben zi­ tierte) Wertschätzung Busses errangen. Dürr schrieb eine Vielzahl meist umfänglicher Mundartgedichte, ohne sich noch selbst um deren Druck kümmern zu können: 1916 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und mußte bei Paschendaele in Flandern 1917 sein Leben lassen. Sein Werk wäre wohl erst spät oder nie ans Licht gekommen, hätte sich nicht Otto Heilig darum gekümmert. Von der Witwe Dürrs übernahm er dessen reich­ haltigen Nachlaß und gab schon bald nach dem Krieg die Gedicht-Auswahl „Schlehe un Hasselnüß“ (Camburg/Saale 1919, 2. Aufl. 1951) heraus. Um Dürr in ganz Baden und insbesondere bei den Mitgliedern des Lan­ desvereins „Badische Heimat“ bekannt zu machen, ließ er 1920 in der Reihe „Vom Bo­ Josef Dürr, Mundartdichter aus Tauberbischofsheim densee zum Main“ die Würdigung „Josef und Hauptrepräsentant der badisch-fränkischen Dürr. Ein neuer badischer Dialektdichter“ Mundartdichtung, nach einem Foto von 1914, das folgen. Diese Schrift enthält fünf weitere Ge­ Hermann Eris Busse 1933 in der „Badischen Hei­ mat“ erscheinen ließ (S. 3). Repro: H. W. Ströbel dichte Dürrs und einleitend einige Bemer­ kungen zu seinem Leben, zur Entstehung seiner Dichtung, zu deren Thematik und zu deren Sprache, wobei Otto Heilig u.a. schrieb: „Dürr ist ein trefflicher Schilderer Standardwerk badisch-fränkischer Mundart­ echten Bauerntums und kleinbürgerlichen forschung gelten, wo erstmals — ohne daß Wesens. Die Art seiner Dichtung erinnert an auf umfänglichere Vorarbeiten zurückgegrif­ die des Pfälzers Nadler. Wie diesem, ist auch fen werden konnte — ein Gesamtüberblick ihm die Darstellung des Volkes in seinem über die Lautentwicklung vom Mittelhoch­ Denken, seinem Leben, seiner Ausdrucks­ deutschen bis zu den um 1900 im Franken­ weise Hauptziel. Daher verwendet er auch land gesprochenen Dialekten gegeben ist. nur einheimische, volkstümliche, vielfach hu­ Heilig gab dazu noch gesonderte „Beiträge moristisch gefärbte Stoffe; er bietet kein zu einem Wörterbuch der ostfränkischen Wort, kein Bild, keine Redensart, die nicht Mundart des Taubergrundes“ heraus (1894) bodenständig wäre“33). und blieb als Lehrer in Kenzingen, Rastatt, Wir erfahren aus dieser Würdigung aber Karlsruhe und Mannheim der Sprach- und auch, daß Dürr an seiner Heimatmundart Heimatforschung verbunden, ja auch noch zeitweise „aus wissenschaftlichen Gründen“ im Ruhestand, den er bis zu seinem Tod ein Interesse hatte, und dies legt die Vermu­ 1941 im Spital in Walldürn verbrachte. tung nahe, daß Heilig und Dürr schon länger 408 miteinander in Verbindung standen und daß war. Berufsbedingt lebten viele außerhalb des es Heilig als der ältere gewesen sein könnte, Frankenlandes. Wilhelm Kraft, Adolf Weber der Dürr in diesem Interesse bestärkte. Beide und Karl Hofmann waren Hauptschul- bzw. waren ja Tauberbischofsheimer: Heilig Gymnasiallehrer, Hans Anton Sack kam als durch den Wohnsitz der Familie, Dürr als in Landwirtschaftslehrer und schließlich Öko­ Tauberbischofsheim geborener Bauernsohn. nomierat weit herum. Aber auch für die Und beide waren im Lehrberuf: Dürr zuletzt Ortsansässigen blieben Verlusterfahrungen als Realschuldirektor in Sinsheim. Persönli­ nicht aus, änderten sich doch im 20. Jahr­ che und fachliche Berührungen sind als si­ hundert die Lebensverhältnisse immer cher anzunehmen, und man möchte folgern, schneller und machten die Heimat fremd. daß Heilig dann Dürr auch die poetische Dem Mundartgedicht wuchs so die Aufgabe Richtung wies, die ihm selber — dem streng zu, das Bild der alten Heimat zu konservie­ sachlichen Wissenschaftler — zu gehen ver­ ren und heimatliche Werte weiterzugeben, sagt war. Zumindest dürfte Heilig einer der von einem ausgewogenen Verhältnis zwi­ ersten Leser Dürrscher Gedichte gewesen schen Mensch und Natur zu berichten und sein und durch seinen Beifall den Landsmann von der Geborgenheit in verläßlichen zwi­ zum Weitermachen ermutigt haben. schenmenschlichen Beziehungen. Mit dieser Das Vorbild Dürrs blieb dann sicher nicht Aufgabenstellung und Thematik, die sich ohne Einfluß auf Hans Anton Sack auch noch einige Nachkriegsautoren — zu (1889—1966) aus Königshofen, der 1923 sei­ nennen ist vor allem Franz Döhner aus Dör- nen Gedichtband „Aus Herz und Heimat“ lesberg42) — zu eigen machten, ist die fränki­ vorlegte34) und erstmals auch Spieltexte im sche Mundartdichtung zu einem gewissen Taubertäler Dialekt verfaßte35). Und es Abschluß gelangt. Ein neues Kapitel ihrer dürfte ebenso die Boxberger Wilhelm Geschichte könnte beginnen, wenn sich jün­ Kraft36) und Karl Hofmann37) und den Lau- gere Autoren nun konsequent der Gegen­ daer Karl Reichert38) bestärkt haben, sich wart stellen würden: die Mundart als „Me­ dem Kreis fränkischer Mundartdichter zuzu­ dium der Lokalvernunft“ nutzend und den gesellen und ihre teils besinnlichen, teils Blick in die Zukunft gerichtet. derb-fröhlichen Verse zu verfassen. Nimmt man noch den Krautheimer Rudolf Weber39) und Adolf Weber aus Fahrenbach im Kreis Mosbach40) hinzu, so konnte nun in der Tat Anmerkungen von einer „Verschwiegenheit“ des Franken­ !) Vgl. Otto Heilig, Ein Gedicht in Stüberzenter landes auf dem Gebiet der Mundartdichtung Mundart aus dem Jahre 1824, in: Mein Heimat­ land 14 (1927), S. 199-202. keine Rede mehr sein: eine Tatsache, der 2) Hermann Eris Busse, In der Stulpe des badischen Hermann Eris Busse auch dadurch Rech­ Reiterstiefels, in: Badische Heimat 20 (1933) ( = nung trug, daß er 1927 in „Mein Heimat­ Jahresheft „Das badische Frankenland“), S. 4—46, land“ die neue fränkische Mundartdichtung hier S. 15. sich mit prägnanten Beispielen vorstellen 3) Vgl. Adolf Frank, Wie sah es in Mosbach vor 180 Jahren aus? „Moralische Topographie in ließ41). Rücksicht der medicinischen Polizey“ des Physi- Eine ganze Reihe dieser Autoren verband bei cus Dr. Gruber, in: Badische Heimat 61 (1981), ihrer Arbeit, was sich schon Jahrzehnte zu­ S. 283-301. vor bei dem Buchener Adam Bauer angekün­ 4) Die Entdeckung der gesamten Topographie er­ digt hatte: der wehmütige Blick zurück in die folgte durch Dr. Paul Waibel, Karlsruhe, dem der Verfasser eine Fotokopie des bei Frank (wie Jugendzeit und die Sehnsucht nach einer Anm. 3) nicht abgedruckten Wörterverzeichnisses Heimat, die nicht mehr selbstverständlicher verdankt. Vgl. dazu den Beitrag Dr. Waibel in vor­ Besitz, sondern oft nur noch Erinnerung liegendem Heft. 409 5) Siehe dazu Kurt Wagner, Ein süddeutsches Stammbaum in Familienbesitz sowie nach den „Curiosum“, in: Zeitschrift für deutsche Mund­ Walldürner Kirchenbüchern.) arten 18 (1923), S. 295 ff. 12) In der mündlichen Überlieferung folgt eine 6) Karl Hofmann, Die Sagen des badischen Fran­ Schlußstrophe, von der nicht sicher ist, daß sie zur kenlandes, 1. Aufl., Beilage zum Jahresbericht der Originalfassung gehörte. Sie lautet: „Ja sou is un Humboldtschule Karlsruhe 1911, S. 43 f. war des Völkle / dapfer un ganz uuscheniert / sen 7) Siehe dazu auch Max Walter, Der hintere se uff der Schossee marschiert / schöö mit Sicher- Odenwald im badischen Volkshumor, in: Mein heitsnoodel de Roock dressiert / daß die Beesche- Heimatland 14 (1927), S. 321 f., der für „Gänsch- litze net mit Dreeck verschmiert.“ mauscher“ eine zusätzliche Erklärung gibt. 13) Mündl. Mitteilung von Frau Bertha Schwing, 8) Zu Amalie und Bernhard Baader siehe Friedrich Buchen, 1965. von Weech, Badische Biographieen, Dritter Theil, w) Busse (wie Anm. 2), S. 15. Karlsruhe 1881, S. 7—11. Ein Porträt Amalie Baa­ 15) Abgedruckt in dem Stadtführer „Buchen und ders verwahrt das Mainfränkische Museum Würz­ Umgebung“ von 1912, S. 27f., wo sich in dem burg. Kapitel „Buchener Volkspoesie“ auch „E Räs’ uf 9) Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit 7 Buche“ (S. 23—26) sowie Gedichte Jacob Mayers (1838), Sp. 125-132. (vgl. unten) finden. — Von Bauer dürfte außerdem 10) Vgl. Joseph Geißler, Das Hausiergewerbe der das mit „Ad. Br.“ abgezeichnete Gedicht „De Arn­ Stadt Walldürn, in: Untersuchungen über die Lage berg brennt“ stammen, das einen Schildbürger­ des Hausiergewerbes in Deutschland, 5. Band ( = streich der Buchener beschreibt und im Dezember Schriften des Vereins für Socialpolitik, 81), Leip­ 1919 in den „Fränkischen Blättern“ gedruckt zig 1899, S. 121-144. wurde (vgl. Oeftering, wie Anm. 21, S. 169). Zur u) Die Erinnerung an Viktorin Kieser wurde in Tradition politischer Mundartdichtung in Baden Walldürn mündlich weitergegeben. Zwei ältere vgl. Oskar Hajfner, Vormärzliche politische Aufzeichnungen des Gedichtes besitzt das Hei­ Mundartdichttung aus Baden (= Vom Bodensee matmuseum Walldürn. Davon ist eine ca. 1910 von zum Main, 4), Karlsruhe 1920. — Auskünfte zu Bürgermeister Wilhelm Hildenbrand niederge­ Bauers Beamtenlaufbahn werden Frau Dr. Marie schrieben worden, der folgenden Nachsatz an­ Salaba, Generallandesarchiv Karlsruhe, durch schloß: „Dies Gedicht hat Victorin Kieser von Brief vom 22. 4. 1983 verdankt. hier, Sohn des Kaufmanns Felix Anton Kieser hier, 16) Zu Jacob Mayer siehe Rainer Trunk, Die jüdi­ als er auf dem Gymnasium in Tauberbischofsheim sche Gemeinde Buchen, in: 700 Jahre Stadt Bu­ war, gemacht.“ Von 1936 stammt eine maschinen­ chen. Beiträge zur Stadtgeschichte, Buchen/Oden­ schriftliche (oben in unserem Aufsatz wiedergege­ wald 1980, S. 83-98, hier S. 96. bene) Aufzeichnung (von Rektor Hans Eckstein?), 17) Zitiert nach Trunk (wie Anm. 16), S. 95. wo sich ein entsprechender Nachtrag findet: „Der ls) Stadtführer „Buchen und Umgebung“ (wie Verfasser dieses Gedichtes ist Viktor Kieser, ein Anm. 15), S. 29—41. Nachdrucke in den „Buche­ Onkel des jetzt (1936) noch lebenden Fabrikanten ner National-Liedern“, einer ca. 1925 gedruckten Viktor Kieser; die Entstehungszeit wird etwa 1870 Buchener Liedersammlung, sowie bei August (!) sein. Das eben Gesagte sowie die oben stehende Maier, Ein Repertoire Buchener Gemütlichkeit, in: Fassung stammt von Theodor Ehemann, der das Der Wartturm, Neue Folge 4 (1969), Nr. 11. Gedicht aus eigenem Wissen, dann durch seine 19) Stadtführer „Buchen und Umgebung“ (wie Schwester Lina, auch durch Ida Claes & Sophie Anm. 15), S. 36 f. Ziegler kannte; die ihm von seiner Schwester zu­ 20) Zitiert nach Emil Baader (Hrsg.), Land und gegangene Aufzeichnung hatte die Überschrift: Leute des Amtsbezirks Buchen, Buchen 1928, Das Markttreiben der Walldürner. Die vorseits S. 27. stehende Überschrift hat er selbst gewählt. Das 21) Wilhelm E. Oeftering, Geschichte der Literatur Grab des Viktor Kieser sei auf dem alten Friedhof in Baden, 3. Teil (= Vom Bodensee zum Main, in Walldürn, links vom Eingang.“ — Von Viktorin 47), Karlsruhe 1939, S. 169. Kieser erhielt sich außerdem bei Fabrikant Viktor 22) Vgl. ebenda, S. 169. Rosa Müller veröffent­ Krämer eine Silhouette. Sie ist jetzt in Besitz von lichte von 1920 bis 1937 im Jahrbuch des Histori­ Werner Kieser (Heilbronn), dem für die freundli­ schen Vereins Alt-Wertheim e.V. Mundart­ che Erlaubnis zur Herstellung eines Fotos gedankt gedichte und mundartliche Prosastücke und gab sei. Das Bildchen trägt die Aufschrift: „Victorin die Sammlung heraus: Soondkörnli un Müscheli, Kieser sm. Bruder Heinrich z. f. E. Tbischofsheim Wertheim 1937. Über Rosa Müller und ihren lten August 1852“. Dieser Bruder Heinrich ebenfalls in Mundart schreibenden Vater Wilhelm (1831—1917) war später ebenfalls Bürgermeister Schneider (1841—1912) siehe Otto Langguth, Rosa von Walldürn. (Alle Daten nach dem Kieserschen Müller in memoriam, in: Jahrbuch des Histori­ 410 sehen Vereins Alt-Wertheim e.V. für die Jahre zur Mundartforschung in Baden-Württemberg, 1948/49, S. 35-37. Vorarlberg und Liechtenstein (= Idiomatica, 7), 23) Rosa Müller, Die Werdemer Schbrooch, zitiert Tübingen 1978. nach dem Abdruck bei Kurt Bräutigam und Rudolf 32) Leipzig 1898 als Band 5 der „Sammlung kurzer Lehr (Hrsg.), Landuff, landab. Lebendige Mund­ Grammatiken deutscher Mundarten“, hrsg. von O. art von der Pfalz zum Taubergrund, vom Main Brenner. Ein fotomechanischer Nachdruck kam in zur Murg (= Muddersprooch, 3), Karlsruhe Wiesbaden 1969 heraus. 1981, S. 189. 33) Otto Heilig, Josef Dürr. Ein neuer badischer 24) Zum „Deutschen Sprachatlas“ und seiner Ge­ Dialektdichter (= Vom Bodensee zum Main, 5), schichte vgl. die zusammenfassende Darstellung Karlsruhe 1920, S. 1. bei Viktor Schirmunski, Deutsche Mundartkunde. 34) Vgl. Emil Baader, Hans Anton Sack. Kalender­ Vergleichende Laut- und Formenlehre der deut­ mann und Mundartdichter aus dem Taubergrund, schen Mundarten, Berlin 1962, S. 70—82. in: Badische Heimat 39 (1959), S. 58—60; Oefte- 25) Wilhelm Hildenbrand, Volksüberlieferungen ring (wie Anm. 21), S. 132. von Walldürn. Nach dem Fragebogen zur Badi­ 35) Hans Anton Sack, Die Herbergssuche, ein schen Volkskunde aufgezeichnet, in: Alemannia Weihnachtsspiel, in: Mein Heimatland 14 (1927), 34 (1906), S. 255-279, hier S. 278 f. („Es folgen S. 212-216. 40 Sätze in Waildürner Mundart“.) 36) Oefiering (wie Anm. 21), S. 169. Gedichte 26) Vgl. F. Kluge, E. H. Meyer, F. Pfaff, Fragebogen Krafts siehe u.a. in: Badische Heimat 20 (1933), zur Sammlung der volkstümlichen Überlieferun­ S. 104, 281. gen in Baden, in: Alemannia 21 (1893), S. 301 ff. 37) Karl Hofmann, Lieder und Mären aus dem Dazu Peter Assion, Mosbacher Sagen um 1900, in: Frankenland, Wertheim 1910; ders., Frankenland Badische Heimat 54 (1974), S. 363—374. . . .! Lieder und Balladen, Karlsruhe 1932; ders., 27) Badisches Wörterbuch, bearbeitet von Emst Dehaam is dehaam. Gedichte in der Mundart des Ochs, Band I, Lahr 1925/1940, Vorwort. Umpfergrundes, Heidelberg 1938. Zu Hofmann 28) Zuerst bei Emil Schmitt, Sagen, Volksglaube, vgl. Oeftering (wie Anm. 21), S. 132. Sitten und Bräuche aus dem Baulande (Hettin- 38) Vgl. Busse (wie Anm. 2), S. 15 f. gen), Beilage zum Programm der Höheren Mäd­ 39) Rudolf Weber, Krauthemer Sprüch. Gedichte chenschule zu Baden-Baden für das Schuljahr 1894/95, S. 5 f. in Krautheimer Mundart, Buchen 1927. 29) Handschrift im Besitz der Arbeitsstelle des Ba­ 40) Adolf Weber, Gedichte und Prosas, Fahrenbach dischen Wörterbuches an der Universität Freiburg 1965. 1.Br.; eine Fotokopie im Besitz des Verfassers. 41) Gedichte in rheinfränkischer (pfälzer) und ost­ 30) Augusta Bender, Auf der Schattenseite des Le­ fränkischer Mundart, in: Mein Heimatland 14 bens. Jugendgeschichte einer Autodidaktin, Ba­ (1927), S. 202—205. Die Sammlung enthält Ge­ den-Baden 1913, S. 29. Vgl. dazu die Kinder- und dichte von Adolf Weber, Karl Hofmann, Josef Hausmärchen der Brüder Grimm, Nr. 80. — Auch Dürr, Karl Reichert, Wilhelm Kraft und Hanns alle Ortsgeschichten, die seit den 1890er Jahren Glückstein (Mannheim). erschienen, enthielten nun einen Abschnitt über 42) Franz Döhner, Heckenrosen. Bauern-Humor den „Volksdialekt“ (vgl. schon J. Berberich, Ge­ aus dem badischen Frankenlande, Wertheim o.J. schichte der Stadt und des Amtsbezirks Tauber­ (1949). — Es sei außerdem auf Anton Wittemann bischofsheim, ebenda 1895, S. 174 f.) und Mund­ (Buchen), Rosa Bechtold (Götzingen) und Hanne artproben, die gelegentlich als längeres geschlosse­ Assion-Bausback (Walldürn) verwiesen. Im benach­ nes Textstück erscheinen. Vgl. etwa John Gustav barten bayerischen Odenwald und am Untermain Weiss, Geschichte der Stadt Eberbach am Neckar, machte sich Fritz Ehescheid (Amorbach) einen an­ 2. Aufl. Eberbach 1927, S. 452. erkannten Namen als humoristischer Mundart­ 31) Heiligs sprachkundliche Arbeiten finden sich — dichter. Siehe dessen Gedichtbändchen: Der la­ wie auch diejenigen anderer fränkischer Autoren chende Odenwälder, Amorbach 1949; Der la­ — verzeichnet bei Gerhard W. Baur, Bibliographie chende Odenwald, Amorbach 1958.

411 Naturschutz

Wär’s immer Sonneschein, nord giengt’s Bei manche Knospe schiefer, Die dähte ’s Opfer werre von Gar manchem Ungeziefer. E hißle trüb als, deß schad nix; E G’witter duht die Blüte, Die junge, wann-se’s auch verzaust, Vor Ungeziefer hüte. Naturschutzg’setze macht der Mensch For Sommer un for Winter, Der liewe Gott, nach seinre Art Sorgt der for seine Kinder! Fritz Römhildt-Romeo (Aus: „Schwertlilie“)

412 Romeo — Fritz Römhildt, der,Klassiker' der Karlsruher Dialektdichtung Er streute Juckpulver in die Fächerstadt Hubert Doerrschuck, Karlsruhe

Pünkdich jeden Freitag — es war anfangs der schied, das war ihre persönliche Färbung, ein Dreißiger Jahre — lieferte er auf der Redak­ beinahe familiäres Verhältnis zu ihren Le­ tion in der Jollystraße das handgeschriebene sern, geprägt von drei eigenwüchsigen Per­ Manuskript seiner Wochenendplauderei in sönlichkeiten, dem Chefredakteur Julius Karlsruher Mundart ab, der ,Dogder Did­ Beeser, einem streitbaren Liberalen, der gern ier“, damals schon ein alter Herr mit ange­ und oft ins kommunalpolitische Wespennest grautem Vollbart, sehr schlank, unauffällig, stach, dem Kulturpolitiker und Theaterkriti­ beinahe diskret und ohne viel Worte zu ver­ ker Adam Röder, dessen Pseudonym lieren, im äußeren Erscheinungsbild und in „Monti“ weithin über Baden hinaus Geltung der stillen Schlichtheit seines Wesens so gar hatte, und eben unserem ,Dogder Diftler“, nicht der volkstümliche Humorist, als der er dessen Wochenbrief in der Samstagausgabe den Karlsruhern seit vielen Jahrzehnten Karlsruher Ereignisse humorvoll witzig glos­ schon galt, eher ein Poet, liebenswürdig und sierte. Von allen dreien war er der populär­ gelassen, mit einem Wort: lächelnde Alters­ ste, eine Karlsruher Institution geradezu, weisheit. und hat mit seiner Gewitztheit, wie er den Uns eben Zwanzigjährigen, die wir mit An­ Briganten aufs gutmütig lästernde Maul fängereifer begierig die uns alles verheißende schaute, am meisten dazu beigetragen, daß Redaktionsluft schnupperten, erschien er wie man zumindest am Samstag den „Resi“ lesen eine Gestalt aus der Vergangenheit, der wir mußte. Dieser Diftler streute Juckpulver in selbstverständlichen Respekt entgegenbrach­ die Fächerstraßen, und ganz Karlsruhe ten. Schließlich waren wir mit seinen Musen­ schmunzelte, auch ,Großherzog’s“ im kindern aufgewachsen, Karlsruher Musen­ Schloß, solange es sie noch gab. kinder wohlgemerkt, die nicht nach dem „Juckpulver“ war denn auch einer der Titel Parnass strebten, aber doch wohl im badi­ seiner beinahe jährlich erscheinenden Ge­ schen Greifenhimmel, der zwischen Frauen- dichtbände, mit denen er zum ,Klassiker“ der alb und Maxau nicht ganz so hoch ist, gut Karlsruher Dialektdichtung geworden ist, aufgehoben waren. freilich nicht als Diftler, denn die spötteln­ Wenn da von der Redaktion in der Jolly­ den Randbemerkungen zum Tagesgeschehen straße die Rede ist, so klingt das ein bißchen waren für ihn nur eine, wenn auch reizvolle hochtrabend, denn aus mehr als einem Zim­ Nebenbeschäftigung, sondern als — Romeo. mer mit drei Schreibtischen bestand diese pu­ Und wenn er auch mit dem Titelhelden des blizistische Brutstätte nicht. Mit der Tür fiel Shakespeare-Dramas nichts gemein hatte, einer gleich dem ,Chefredakteur“ in die zumindest nicht das Schmachtende und das Hände. Der „Residenz-Anzeiger“ war ja Außersichsein des von der Liebe Getroffe­ auch nur eine kleine Zeitung. Was sie jedoch nen, so hat er doch, wie der unsterbliche von den damals noch bestehenden acht (!) Liebhaber das Theaterpublikum, gleicherma­ anderen Karlsruher Tageszeitungen unter­ ßen alle Brigantenherzen erobert, ein Karls- 413 chermaßen mit der Musik hatte es sein älte­ ster Sohn Adolf Römhildt (1853—1934), Kaufmann und Konzertsänger, ein Freund Felix Mottls und begeisterter Anhänger Ri­ chard Wagners. Das Musische, das sich in der Familie so gut mit unternehmerischer Tä­ tigkeit verband, vererbte sich auch auf den jüngeren Bruder Adolfs, auf Fritz Römhildt (1858—1933), Kaufmann und Dichter also, indessen als Gründer einer Furnierfabrik in der Sophienstraße, wo heute die Lessing- Schule steht, doch mehr ,Fawrikant‘, wie er sich selbst einmal titulierte. Romeo hat also nie von seinen Musenkin­ dern leben müssen, ebensowenig wie sein Freund Heinrich Vierordt, auch er, weil aus reichem Bürgerhaus, ein Poet aus Liebhabe­ rei. Eine solche existenzielle Sicherheit ge­ Romeo, Fritz Römhildt währleistet natürlich Unabhängigkeit, befreit auch vom Zwang, produzieren zu müssen. Um so erstaunlicher Romeos „Lebenswerk“, zwanzig handliche Bändchen, alle in mehrfa­ ruher Romeo, um den niemand weinte, weil cher Auflage, zum einen ein sprechender Be­ er alle zum Lachen brachte, was ja auch viel weis dafür, daß ihn die heimische Muse nicht bekömmlicher ist. Wie er auf das Dichter­ nur gern und immer wieder geküßt hat, zum pseudonym Romeo kam, weiß man nicht anderen die Bestätigung, wie gut er bei seiner mehr, vielleicht als Abwandlung seines ei­ Leserschaft ankam, wie beliebt er war, als gentlichen Namens: Fritz Römhildt. Autor wie als Vortragender seiner eigenen Die Römhildts galten etwas in der badischen Verse. Auch Leute, die für gewöhnlich kein Residenz, seit jenem Johann Heinrich Chri­ Buch zu Hand nehmen, es sei denn das stian Römhildt (1726—1800), der, aus Mei­ Scheckbuch oder das Telefonverzeichnis, ningen kommend, 1750 als Steinhauermei­ den Romeo kannten sie alle; er gehörte sozu­ ster in Durlach seßhaft geworden war. Von sagen zur Familie. So konnte er auch schon drei Ehefrauen hatte er 23 Kinder. Das zu Lebzeiten sein eigenes ,Denkmal“ feiern, zwanzigste unter ihnen, der Sohn Johann was doch nur wenigen Dichtern beschieden Gabriel (1781—1860), kam schon im neuge­ ist, als nämlich am 14. Juli 1914 auf einem gründeten Karlsruhe zur Welt und brachte es Waldweg im Albtal zwischen Frauenalb, dem als Hofschlossermeister zu Wohlstand und Sommersitz Römhildts, und Herrenalb die Ratsherrenwürde. Auch der nächste Röm­ „Romeo-Ruhe“ eingeweiht wurde, eine Sitz­ hildt in der Generationenfolge, Adolf Hein­ bank auf einem Steinblock, errichtet vom rich Römhildt (1826—1891), an den als Lan­ Schwarzwaldverein. Natürlich hat Romeo desschützenmeister auf dem Schützenhaus auch darüber launig berichtet: im Hardtwald ein Denkmal erinnert, machte Gar mancher Dichter, der werd g’ehrt, sich als Stadtrat um Karlsruhe verdient, vor Doch duht er’s net erlewe. allem als Präsident der Musikbildungsanstalt Sie duhn em’s Denkmal meischdendheils um das musikalische Leben der Stadt. Glei­ Bis nach seinm Dod uffhewe. 414 Da lob ich mir e’ Denkmal, wie Sprachlehrgang betitelte, wäre Romeo ein Se neilich mir ein’s g’weiht henn, Lokaldichter unter anderen geblieben, Mit dem die Herre vom Verein mundartlich wurde er der Romeo! Indem er Vom Schwarzwald mich erfreut henn. dichtete, wie dem Karlsruher der Schnabel Do war ich wenigschtens dabei gewachsen ist, erhielten seine Verse ihre ur­ Und weiss die Ehrung z’schätze sprünglich durchschlagende Färbung, ge­ Und kann mich doch bei Lebzeit jez wannen sein Humor Volksnähe und seine Schon uff mei Denkmal setze. Pointen das Kurz und Bündige. Wie schlag­ fertig reagiert in „D’Seelemess“ die resolute Doch net norr ich, a Dame, wo Witwe doch auf die Mahnung des Kaplans, Vom Schteige schwitze, der Seelenmessen für ihren Verstorbenen Die ruhe sich dort aus und duhn nicht zu vergessen: Auf mein’re Ehrung sitze. Ach, sagt die Witwe, Herr Kaplan, Ursprünglich ist Romeo mit reiner Lyrik an Ich hab e’ gutes G’wisse, die Öffentlichkeit getreten, wenngleich auch Mei Mann werd in der Höll doch net schon zu Anfang mit humorvoll satirischem Jetzt ewich brotzle miese. Einschlag, etwa „Humoristische Gedichte“ Weit iwer 1000 Mark hab ich (1890), doch erst als er sich der Dialektpoe­ For d’Messe jetz schonn gewwe, sie zuwandte, kam der Durchbruch. Offen­ sichtlich hat er anfänglich selbst nicht so Unn dofür sollt mei armer Mann, recht geglaubt daran, liest man sein Gedicht Schonn lang im Himmel lewe. „D’Karlsruher Mundart“: Ja, sagt der Herr Kaplan, er isch Emm Himmel schonn verschriewe, Was hab ich für mei Mutterschprach Norr mit die Füss, do isch er halt Schon scharfe Lanze broche Noch in der Höll drinn bliewe. Und manchem fade, blinde Hess Den Schtahr im Aug drinn g’schtoche. E’ so e’ g’sunde Mess vielleicht, Des war e G’schäft, denn Dialekt Die kennt enn vollscht erlöse! Doch leider isch die Witwe nett In d’Gsellschaft einzuführe, Wie manchmal sinn mir g’schtanne als Mit eiverschtanne g’wese. Vor g’schlossene Salondüre. Sie sagt, Herr Pfarrer, duhn se jo Schtatt dass mer schtolz a uff e Kind, Net vor mein Mann mehr bitte, Er hat bei Lebzeit alleweil Wo d’Vaterschtadt erzeugt hat, An kalte Füss schon g’litte. Do hat mer d’Nas g’rümpft, wo ich mit Meim Schützling mich gezeigt hab. So rechte gute warme Füss, Dess duht mei’m Mann behage. Hier irrte Romeo! Im Handumdrehen, sa­ Wenns Owwerdheil schonn seelisch isch lopp ausgedrückt, bejubelten die Karlsruher Henn d’Füss net viel zu sage! seine Schützlinge und waren stolz auf ihren Mundartdichter, der das Erbe der Karlsruher Man sieht, Romeo und Karlsruher Mutter­ Dialektpoesie von Christoph Vorholz, dem witz sind identisch. Bäckermeister, dem Durlacher Ludwig Eich­ Greift man hinein ins pralle Dichterwerk, so rodt und dem Verleger Friedrich Gutsch zeigen viele Titel wie „Pfefferkörner“, weitergeführt und, das darf man wohl sagen, „S’Spanisch Röhrle“, „Senfpflaschter“, „Gril­ zu einsamer Höhe gebracht hat. Ohne sich lefänger“, „Hypochondergift“ oder „Sorge­ dem „Brigandedeutsch“ zuzuwenden, die brecher“ die Lust, den menschlichen Unzu­ Kurt Kranich seinen Karlsruherischen länglichkeiten im Privaten wie in Amt und 415 Würden mit ironischem Spott zuleibe zu rük- Und eines späteren Tages erhält er auch den ken, die anderen „Leuchtkugle“, „Tanne­ üblichen Orden. nadle“, „Tautropfe“, „Waldmeischter“, „Alb- Der Merwer isch nord in d’Audienz tal-Dischtle“, „Sonneblume“ oder „Herbst­ Ins Residenzschloss gange. blumen“ seine Naturliebe und das Gemüt­ Der Grossherzog, der hat enn glei hafte in ihm, aber nichts gerät ihm ins Senti­ Mit Huld unn Gnad empfange. mentale, ebensowenig wie ins Pathetische, gelegentlich allerdings ins Langatmige, aber Und hat enn g’fragt, was s’Rechle macht immer bleibt er der schmunzelnde Chronist Unn ob er nix hatt z’klage von Menschenunarten und Unarten der Zeit­ Nord fragt er’n noch, warum er dann läufte, einer, der kein Blatt vor den Mund Denn Orde net däht trage? nimmt, und doch nie verletzend. Sein Sinn­ Sie henn gut rede Hoheit, dess? spruch für „Pfefferkörner“ verrät etwas von Dess däht mei Frau net leide. seiner gemütlichen Spottsucht: Denn tragsch du nomme, hat se g’sagt, Ich hab’s zwar Pfefferkörner dauft, Bei b’sond’re G’legeheite! Doch will es nix beweise, Die andere Lieblingsfigur Romeos kommt S’isch Pfeffer drin, doch braucht mer jo von außerhalb, nämlich die Baas von Brette, Net glei uff d’Körner z’beisse! eine rundum handfeste Tochter des Unheils Das ist es, das Gemütliche. Wie es dem wei­ beinahe, denn immer wenn die Baas mit ih­ chen, beinahe knochenlosen Karlsruher Dia­ rem geräucherten Schinken als Wegzoll und lekt aneignet, so ist es auch versöhnlicher ihrem Hang zum Mondänen in den Fächer­ Teil des Karlsruher Humors. Und darauf straßen auftaucht, ereignen sich Katastro­ verstand sich Romeo, wenn er seine Lokal­ phen, burleske natürlich. Ohnehin hat es Ro­ helden, den Merwer und den Karle Ochs meo gern mit der Situationskomik, aus der er auftreten läßt und sie durch die Unbill des schadenfrohes Gelächter schöpft. Und dann Alltags und die Fährnisse des Ehelebens ist da noch die ,Dande‘ von Durlach, eine führt, denn dem Merwer seine Madleen ist Erbtante, weshalb man ihr mit Maßen höf­ ein ,Monschtrum‘ und dem Ochs sei Rösle ,e lich begegnen muß, aber eben doch eine, für derre Hex“. Immer sind sie in Schwulitäten, die ,di Höll zu gut wär‘. Ohnehin reibt sich mal verfeindete Freunde, mal Kumpane Romeo gern an den Durlachern, den ,Let- durch dick und dünn, und immer wieder ge­ schebacher“, wenn er in der Biographie des winnen sie Land, Karlsruher Originale, in alten Markgrafenstädtchens zu dem Resultat denen sich die Briganten selbst erkennen. kommt: Recht gern flicken sie dabei ihren Beamten Der Melac hat’s dann abgebrannt am Zeug. So auch Romeo in der „Ordens- Bis uff de letschte Pfeiler, Audienz“: S’war alles hin, norr eins war g’sund Und dess sinn ihre Mäuler! Der Merwer duht als Rechnungsrat Sei Pflicht im Schtaat wie jeder. Weit drastischer noch beschwört er die ge­ Wie nord s’Gedächtnis nachg’lasst hat genseitige Rivalität unter der alten und — Dess duht’s ja g’wöhnlich schpäter, neuen Residenz im „Verdienten Himmel“, wenn eine Karlsruher Seele an die Him­ Unns s’rechle nimme gange isch melspforte klopft, von Petrus indessen auf Do hat mer dess erörtert die Hölle verwiesen wird, wo erst einmal die Unn ihm zum Owwerrechnungsrat Sünden abzubüßen seien. Da wehrt sich die Wie’s üblich isch befördert. arme Seele: 416 Ich hab bei Gott schon g’nug gebüsst, nalen Apotheke, den ,Drachenbau“, auf das Derf ich denn nie genese! Gezeter um die nackte Stephanie hinter der Ich hab e Fraa von Durlach g’habt, Hauptpost, umrundet von den steinernen Von Durlach isch se g’wese. Honoratioren, denen beim Anblick der Schönen das Wasser im Mund zusammen­ Da packt selbst den Petrus mitfühlendes Er­ läuft, auf das Strandbad Rappenwörth, auf schrecken und er läßt Gnade walten: den Dammerstock natürlich und auf die Komm rei du arme Seel, norr schnell, Marktplatzpyramide, der Ruhestätte des Mir heile deine Wunde. Stadtgründers Markgraf Karl Wilhelm, als Denn wenn dei Fraa aus Durlach isch, man der eine unterirdische Bedürfnisanstalt Hasch d’Höll schon üwwerwunde! angefügt hat: Übrigens gehört auch dieser Petrus als Jetzt kommt der Schwamm in d’ Pyramid Wächter des Paradieses zu des Dichters Und er wird schliesslich schimmlich. Lieblingsfiguren. Gern und oft läßt er ihn auftreten, recht irdisch gesehen, ein Heiliger Ereignisse und Gestalten. Augenzwinkernd mit menschlichen Schwächen, als ob er Eh­ läßt Romeo sie Revue passieren. Niemals renbürger von Karlsruhe wäre. scheut er sich, das Kind beim rechten Namen Soweit das feste ,Ensemble“ im Karlsruher zu nennen und ungeniert die Karlsruher Pro­ Szenarium. An seinem Temperament, an sei­ minenz, die er so gern vom Postament her­ nen Schrullen und Reaktionen brechen sich unterholt, agieren zu lassen. Unverkennbar die Geschehnisse im Umkreis der Fächer­ hat er sie festgehalten, vertraute Gestalten, stadt. Wer heute in Romeos Bändchen blät­ die Oberbürgermeister, Karl Schnetzler tert, erfreut sich nicht nur kurzweilig schlag­ (1892-1906), Karl Siegrist (1906-1919), Ju­ fertiger Verse, er blättert zugleich in einer lius Finter (1919—1933), Stadträte, den vergnüglichen Chronik lokaler Begebenhei­ ,Bier-Höpfner“, Ärzte, Handwerksmeister, ten, nicht gerade eine Chronique scanda- Marktfrauen, Dienstmädchen, den Schüt­ leuse, aber doch einer spottlustigen. Nichts zenverein und den Liederkranz. Und dann in der alten großherzoglichen Residenz bis natürlich die ,Kintschler“: Hans Thoma, Wil­ hin zur Weimarer Republik hat dieser Tages­ helm Trübner, Ludwig Dill, Gustav Binz, poet ausgelassen, wenn er meinte, er müsse Hermann Billing oder die Unvergessenen des kleine und große Sünden auf die Hörner Theaters am Schloßplatz, den Intendanten nehmen. Heutigen ist es ein lieber Rückblick Hanns Waag, Generalmusikdirektor Josef ins Karlsruher Familienalbum, auf die Krips, den Konzertmeister Othmar Voigt, Hirschbrücke, die kein Wasser überspannt, von der Oper die Mailhac und die Friedlin, auf den Keramikkamin des Vierordtbades, Fine Reich-Dörich, Max Büttner, Wilhelm die ,Karlsruher Siegessäule“, auf die lästige Nentwig, vom Schauspiel Melanie Ermarth, Bahnschranke am Mühlburger Tor, auf den Marie Genter, Paul Müller, Hugo Höcker, Gestank der ,Gasfabrik“ in der Kaiserallee, um nur einige zu nennen. auf den .fürstlichen“ Gefängnisbau in der Für die alten Karlsruher sind die Namen Riefstahlstraße, dem ,Gaunerpalais“, auf das liebevoll gehegte Erinnerungen, für die Jun­ Lebensrisiko einer Fahrt mit dem ,Albtal- gen launige Begegnungen, die sie etwas ah­ bähnle“, auf Stürzenackers neuen Haupt­ nen lassen vom Karlsruher genius loci und bahnhof ohne die Örtlichkeit „für dringende der guten alten Zeit, von der man weiß, daß Bedürfnisse“, auf Moningers ,Bierpalais“, auf sie gar nicht so gut gewesen ist, wie sie unser dem ,Weiss und Kölsch sei Schtrumpfpal- Zurückdenken erklärt. Die badische Resi­ lascht“, auf den Jugendstilbau der Internatio­ denz wie sie war zwischen 1890 und 1933, 417 Lebensart und Atmosphäre, bei Romeo ist al­ Versen in Karlsruher Mundart. G. Braun, les belustigendes Ereignis. Karlsruhe. 2 Bände in Kassette. 224 Seiten). Am 7. Dezember 1933 ist Fritz Römhildt ge­ storben. Nicht ganz fünfzig Jahre nach sei­ Es ist Dank an einen Lokalpoeten, an dessen nem Tod, 1981, hat es der Karlsruher Verlag gereimtem Humor seine Karlsruher ein G. Braun auf Anregung Dr. Eberhard Knit­ Menschenleben lang ihren Spaß hatten, zu­ tels unternommen, eine zweibändige Aus­ gleich Wiederentdeckung eines Mundart­ wahl aus 20 längst vergriffenen Gedicht­ klassikers, befähigt wie kaum ein anderer, bändchen Romeos herauszubringen (Fritz das Karlsruherische in Charakter und Wesen Romeo’s Juckpulver. Auswahl aus seinen aufzuspüren und auszuloten.

Norr net philosophiere.

Ich hab schon oft gedenkt, der wo Ich grüß den dunkle Tannewald, D’Natur will recht schtudiere, Was soll dann mich deß kümmre, Der soll net Philosoph sein, deß Ob die mir aus dem Tanneholz Duht zu nix Gutem führe. Mein’ Sarg e’mal duhn zimmre. Ich seh die Ros so, wie-se blüht, Un wann die Schwalwe in e Land, Ihr Duft isch mei’ Entzücke, E fernes, weiter ziehe Un duh net glei’ die Hagebutt Un d’Herbschtzeitlose, blätterlos, Zum voraus schon erblicke. Als letzschte Blum duht blühe, Ich hör im Schlag der Nachtigall Deß macht mei’ Herz net schwer, E Lied, deß wo mir dheier, mer braucht Un denk net, wann-se schweige duht: Net glei’ der Winter z’sehe, Jetzt legt-se ihre Eier. Im Gegedheil, ich schwing mein’ Hut Un ruf: auf Wiedersehe! Un wann-e Amsel singt, da bin Zu Träne ich kapabel En-so-en Philosoph, der sieht Un denk net an die Würmer, Am Hafe norr die Scherwe; die-se sucht mit ihrem Schnawel. Ich laß durch Philosopherei Mei’ Freud mir net verderwe! Mich freut en Schmetterling, der wo Die Blume duht begrüße, Wann der als Raup’ auch früher hat Am Bode krieche mieße. Fritz Römhildt

418