Seite 4 Seite 9 Seite 9 Beiträge zur Werkstatt Büro Kaffee deutsch-jüdischen Scheunenviertel Wilhelmstrasse Wien Geschichte aus dem Salomon Ludwig Seite 11 Steinheim-Institut Ausblick Worms 6. Jahrgang 2003 Heft 3

Jiddisch-putkamerisch verpackt Oscar Wassermanns Grüße zum Neuen Jahr Avraham Barkai

m Jahr 1900 zog der 31-jährige Oscar Wasser- wachsen und sein Vater hatte den Kindern fast täg- Imann von seiner Geburtsstadt nach Ber- lich Unterricht in Hebräisch und den jüdischen lin. Er war der erstgeborene Sohn des Bankiers Emil Bräuchen gegeben. Oscar selbst führte zwar in den Wassermann und seiner aus a. M. stam- späteren Jahren keinen orthodoxen Lebenswandel, menden Frau Emma, geb. Oppenheimer. Der Groß- aber sein vier Jahre jüngerer Bruder Julius führte in vater Oscars, Samuel Wassermann, konnte zwar erst Bamberg nicht nur die väterliche Bank weiter, son- 1850 in Bamberg sesshaft werden, entstammte aber dern auch, wie in dem Neujahrsgruß Oscars zu le- einer alteingesessenen und wohlhabenden Familie, sen ist, die strenggläubige Haushaltstradition der deren Stammbaum sich bis zum 17. Jahrhundert zur Familie fort. Dagegen widmete sich Oscar bis an jüdischen Gemeinde Regensburg verfolgen lässt.1 sein Lebensende seinen jüdischen Studien. Kurt Vielleicht gehörte sie nicht gerade zu den reichsten Blumenfeld berichtet in seinen Erinnerungen: „Hofjuden“, sicherlich aber zur sozialen und wirt- „Bei unseren Gesprächen … stellte sich heraus, schaftlichen jüdischen Oberschicht. Die von ihr dass Wassermann über eine große jüdische Bildung 1850 gegründete Bank A. E. Wassermann entwi- verfügte. Als ich ihm die übersetzten Aufsätze von ckelte sich rasch zu einer der angesehensten jüdi- Achad Haam brachte, dankte er herzlich für die Oscar Wassermann (rechts, schen Privatbanken in Deutschland. Grund für den Aufmerksamkeit, bemerkte aber, dass er alle diese sitzend) im Vorstand der Umzug Oscar Wassermanns war die Eröffnung der Aufsätze bereits in der Ursprache gelesen habe. Er Deutschen Bank, 26.9.1929. Berliner Filiale, deren Geschäftsumfang nach weni- hatte in seiner Jugend viel Hebräisch gelernt, und Links Max Steinthal gen Jahren den des Bamberger Stammhauses über- flügelte. Zusammen mit seinem Vetter Max von Wassermann leitete er die Filiale . Seine Erfol- ge, besonders an der Börse, bewogen den Vorstand der Deutschen Bank, ihn 1912 in die Chefetage zu berufen. Von 1923 an und bis zu seiner Entlassung 1933 war Oskar Wassermann „Sprecher“ der Deut- schen Bank an der Spitze ihres Vorstands. Er starb bereis am 08. September 1934. Nach seiner sozialen Stellung gehörte Wasser- mann zweifellos zur „durchaus profilierten Gruppe des deutsch-jüdischen Großkapitals“. Aber er un- terschied sich von den meisten Mitgliedern dieser, zum großen Teil aus Erben der früheren „Hofju- den“ zusammengesetzten Gruppe, in der viele be- reits nur noch der Abstammung nach Juden waren, in seiner selbstbewussten Beziehung zum, und sei- nem aktiven Engagement für das Judentum.2 Er war in einem streng orthodoxen Elternhaus aufge- noch in seinen letzten Lebensjahren nahm er regel- Verwaltungsrat des 1919 gegründeten „Vereins zur mäßig an einem -schiur (Studiengruppe) Gründung und Erhaltung einer Akademie für die teil. Mehrere Jahre hörte er Vorlesungen an der Wissenschaft des Judentums“, und leitete die Sam- Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, melaktionen für die bis 1934 bestehende Akademie und er war ein guter Kenner der Bibel.“3 aus seinem Büro in der Bank.4 Von dort aus führte In der Deutschen Bank und allgemein war Was- er, mit Hilfe seiner Sekretärin Käthe Pincoffs, auch sermanns Tätigkeit in einer Reihe jüdischer Organi- andere kulturelle und wohltätige Vereine und Ge- sationen bekannt. Er war der 2. Vorsitzende im sellschaften, deren Sitzungen oft in Räumen der Bank stattfanden. Die bedeutendste unter ihnen war das 1922 ge- gründete Palästinawerk „Keren Hajessod e.V.“ (KH), die „nicht-zionistische“ oder „neutrale“ deutsche Zweigstelle der in London registrierten KH-Weltorganisation zur Einwerbung von Mitteln für den Aufbau Palästinas. Daneben gab es den zio- nistischen „Palästina Grundfonds (Keren Hajes- sod) e. V.“; die Gründe dieser Doppelexistenz kön- nen hier nicht besprochen werden. Festzuhalten ist, dass der größte Teil der Einkünfte durch den „neu- tralen“ Verein, den Oscar Wassermann bis zu sei- nem Tode leitete, in persönlichem Kontakt mit wohlhabenden Juden gesammelt wurde, und dass Wassermann die offene Verbindung zur KH Welt- organisation als Bedingung seiner Mitarbeit stellte, wie aus dem folgenden Bericht hervorgeht: „Als in der Diskussion erwähnt wurde, dass Herr seinerzeit die Unabhängigkeit des deutschen Keren Hajessod von London gefor- dert hatte, erklärte Herr Wassermann mit den ent- schiedensten Worten, dass eine derartige Bestim- mung für ihn unannehmbar sein würde … Als Deutscher habe er am Aufbau Palästinas kein Inter-

Lieber Julius, liebe Elsa! Da Ihr allein unter der jüngeren Generation in der Familie das altjüdische Element repräsentiert[,] ziemt es sich Euch zum R[osch] H[aschana] wenn nicht in hebräischer Sprache die Ihr trotz Eurer Frömmigkeit nicht versteht so doch in ketaw iwri (hebräischer Schrift) die herzlichsten Wünsche zum Ausruck zu bringen: Also von ganzem Herzen K[etiwa] ve ch[atima] t[owa] (Eintragung und Besiegelung zum Guten): Möge Euch das neue Jahr vor allem für Euch selbst und für Alice ungetrübte Gesundheit bescheren: Möge es uns vergönnt sein uns im Laufe des kommenden Jahrs recht oft in Freuden zu sehen. Haltet gut Schabbes und gut J[om] t[ow] und seid nebst Alice herzlichst gegrüßt von Eurem treuen Oscar

2 Die Orthografie ist gemischt jiddisch und putkamerisch esse, aber als Jude wolle er keine deutsche Sonder- sen, bin über Ihre intensive Arbeit in Deutschland aktion, sondern fühle sich mit der gesamten Juden- unterrichtet: all das zeigt mir, dass Sie wahrlich heit solidarisch. Der Aufruf des Keren Hajessod kein schlechterer, ja, wahrscheinlich ein sehr viel müsste in allen Tageszeitungen veröffentlicht wer- besserer Zionist sind, als mancher, der das Baseler den, um diese Solidarität in der stärksten Weise Programm seit Jahrzehnten im Munde führt, ohne zum Ausdruck zu bringen. Wassermann schlug auch das Geringste dafür zu tun. Gehört ein solcher den Namen ‚Keren Hajessod (jüdisches Palästina- Mann nicht in die Reihen der zionistischen Organi- werk) e.V.‘ vor (statt umgekehrt, wie wir vorschlu- sation? Warum eigentlich sind Sie kein Zionist?‘ So gen).“5 ich. Wassermann aber, mit dem Daumen über die Wassermann gehörte keiner der deutsch-jüdi- Schulter verstohlen auf Weizmann weisend, flüster- schen politischen Bewegungen an, doch galt er all- te mir zu: ‚Pscht! Ich möcht’ schon; aber – Er er- gemein als Zionist. Als es 1929 laubt’s nicht!‘“6 nach langen Bemühungen gelang, die Jewish Agen- cy durch Beteiligung vor allem amerikanischer 1. Daten zur Familiengeschichte verdanke ich Dia- „Nichtzionisten“ zu erweitern, wurde Wassermann na-Elisabeth Fitz, Vom Salzfaktor zum Bankier. Familie fast selbstverständlich zum Vorsitzenden der deut- Wassermann: Spiegelbild eines emanzipatorischen Ein- schen „Nichtzionisten“ darin gewählt. Einige Jahre bürgerungsprozesses, Nördlingen 1992. als Vorsitzender wichtiger Komitees sehr aktiv, 2. Die Bezeichnung stammt von Werner E. Mosse, wurde er häufig gebeten, den KH und die JA auch Die Juden in Wirtschaft in Gesellschaft, in: Ders. und im europäischen Ausland und in Amerika zu vertre- A. Paucker, (Hg.) Juden im Wilhelminischen Deutsch- ten, was ihm jedoch aus gesundheitlichen und be- land 1890–1914, Tübingen 1976, S. 79; ausführlicher ruflichen Gründen nicht möglich war. Besonders zu Nachkommen der Hofjuden: Die Juden in Deutsch- Oscar Wassermann (2. vr) mit während und nach der Bankenkrise ab Juli 1931 land am Beginn der Industrialisierung: A. Barkai, Hoff- Chaim Weizmann (links), Kurt war er als Sprecher der Deutschen Bank stark in nung und Untergang. Studien zur deutsch-jüdischen Ge- Blumenfeld (3. vr) und Heinrich Anspruch genommen. Dies und sein sich ver- schichte im 19 und 20. Jahrhundert, Hamburg 1998, Graf Bernstorff (rechts) schlechternder Gesundheitszustand waren die S. 56. Gründe dafür, dass er sich zunehmend von seinen 3. Kurt Blumenfeld, Erlebte Judenfrage, Stuttgart ehrenamtlichen Betätigungen zurückziehen musste. 1962, S. 164 ff. Man darf vermuten, dass die Belastung des Jahres 4. Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Ju- 1933, seine Entlassung aus der Deutschen Bank daicum“,11881, Handakte O. Wassermann, 1918– und sein vorzeitiger Tod seinen Weg an die Spitze 1928, Bl. 41–49. Die „Akademie“ ist nicht zu verwech- jüdischen und zionistischen Wirkens jäh abbrach, seln mit der bis 1942 bestehenden „Hochschule (spä- so dass er heute in der deutsch-jüdischen Ge- ter: Lehranstalt) für die Wissenschaft des Judentums“ schichtsschreibung eine fast vergessene Gestalt ist. in deren Kuratorium Wassermann auch tätig war. Die Kurz nach dem Tode Wassermanns erschien in Akademie wirkte als Forschungszentrum durch Stipen- einer jüdischen Zeitung eine aus Zürich eingesand- dien für Wissenschaftler und Finanzierung von Publika- te Reminiszenz, in der ein ungenannter Autor von tionen, u. a. Beginn der Gesamtausgabe von Moses einem Gespräch berichtete, das er mit dem „ver- Mendelssohn, der Jubiläumsausgabe. dienten Führer der ‚deutschen Nichtzionisten‘ in 5. Central Zionist Archives, Jerusalem, A 15/7/30, der Jewish Agency in den Tagen des Züricher Er- “Streng Vertraulich“ ZVfD Berlin an Mitglieder des öffnungskongresses der Agency (1929)“ geführt Landesvorstandes und Zentral-Kommitees, vom hatte: 22.11.1921. „Ich interviewte ihn für eine Reihe jüdischer 6. Israelitisches Familienblatt, Hamburg, 27. Blätter. Nur wenige Minuten standen mir zur Ver- Sept.1934. Eine ausführliche Biographie Oscar Wasser- fügung. … Dennoch nahm ich die Gelegenheit manns ist in Vorbereitung. wahr, Oscar Wassermann nach seiner jüdisch-poli- tischen Einstellung zu fragen. ‚Warum zählen Sie ei- Avraham Barkai (geb. 1921 Berlin) lebt in Israel. gentlich zu den nichtzionistischen Fünfzig Prozent Hochschullehrer und Research Fellow an der Uni- der Agency?‘ – fragte ich. ‚Ich habe ihre Äußerun- versität Tel-Aviv, dem Jerusalemer Insti- gen auf dieser Tagung gehört, Ihre Aufsätze gele- tut und dem Forschungszentrum von Yad Vashem. 3 Das Jüdische Volksheim Barbara Schäfer itten im Weltkrieg, am 18. Mai 1916, wurde rierviertel , wo arme Flüchtlinge aus Polen, Mim Berliner „Scheunenviertel“, in der Drago- Galizien und Rußland Zuflucht gefunden hatten, nerstraße 22,1 das Jüdische Volksheim gegründet, eingerichtet. Hauptinitiator war Siegfried Leh- mit dem so prominente Namen wie Martin Buber, mann, seinerzeit Medizinstudent, der in der jüdi- Gustav Landauer, Chaim Arlosoroff, Werner Sena- schen Studentenschaft als „Kulturzionist“ sehr be- kannt war und zu dem sozialpolitisch ausgerichte- ten Flügel der „Freien Studentenschaft“, in dem auch Walter Benjamin engagiert war, enge Bezie- 4 Barbara Schäfer: Berliner Zionistenkreise. hungen pflegte. Dort fand er sein Vorbild in Ernst Eine vereinsgeschichtliche Studie / Unter Joel, dem Gründer des „Siedlungsheims Charlot- 5 Mitarbeit von Saskia Krampe (minima tenburg“. Auch Martin Buber hatte sich an den judaica 3). 176 Seiten. Vorbereitungen für die Gründung des Volksheims Berlin: Metropol 2003. aktiv beteiligt, bevor er von Berlin nach Heppen- ISBN 3-936411-29-8. 17 EUR heim zog. Buber stellte seine neue Zeitschrift Der Jude zur Verfügung, die für Lehmann (alias Salo- mon Lehnert) ein wirksames Sprachrohr wurde tor, Erich Gutkind verbunden sind. Schon diese und ein Instrument, um seine Ideen in die Öffent- Namen machen deutlich, dass hier das Zuord- lichkeit zu bringen. Seinem dort veröffentlichten nungskriterium „zionistisch“ unscharf ist. In allen Artikel „Jüdische Volksarbeit“6 lassen sich die Darstellungen der Begegnung von Ost- und Westju- Grundlinien des Konzeptes entnehmen. dentum in Deutschland nimmt das Jüdische Volks- Gründer des Jüdischen Volksheims waren „Stu- heim einen wichtigen Platz ein, was der großen Be- denten und Frauen“, eine schon wegen dieser achtung enspricht, die es, zumindest in der jüdi- Kombination bemerkenswerte Voraussetzung. Als schen Öffentlichkeit, schon zu Zeiten seines nicht „Arbeitsgebiete“ zählt Lehmann auf: Jugenderzie- langen Bestehens (1916–1929) auf sich zog.2 Der hung, Fürsorge für die Schulentlassenen, Gemein- Volksheim-Gedanke war eine Synthese aus mehre- schaftsleben der Erwachsenen, Jüdisches Abend- ren Ideen und Motiven, eine Mischung aus Wohl- heim, allgemeine soziale Hilfeleistungen. Vorbild fahrt, Pädagogik und Ideologie. Treffend hat Ste- sei zwar die im Charlottenburger „Siedlungsheim“ ven Aschheim ihn als ein „Amalgam von prakti- praktizierte Idee des „settlement“, d. h. die Nieder- scher Sozialarbeit und mitunter naivem kulturellem lassung Gebildeter im Proletarierviertel zwecks so- Experimentieren“3 charakterisiert. In das Vereins- zialer Arbeit, doch müsse deren vollkommene Rea- register am 7. Juli 1916 amtlich eingetragen, ist das lisierung unter den gegebenen Kriegsbedingungen Volksheim keinem der anderen im Buch (Barbara ein nachgeordnetes Ziel bleiben. Zweifellos ent- Schäfer: Berliner Zionistenkreise. Eine vereinsge- sprach dieser settlement-Gedanke dem aus Ruß- schichtliche Studie, Berlin 2003) vorgestellten Ver- land bekannten Slogan des „narodnaja wolja“, dem eine im Konzept oder in der Wirkung vergleichbar, „ins Volk Gehen“ einiger Intellektueller der achtzi- bleibt ein Phänomen sui generis, dessen Wirksam- ger Jahre, was Lehmann hier zwar nicht erwähnt, keit in umgekehrtem Verhältnis zu seiner Definier- worauf aber an vielen anderen Orten verwiesen barkeit steht. Den rechtlichen Status des „eingetra- wird.7 Das physische Zusammenleben ist dabei das genen Vereins“ scheint man aus Mangel an Alterna- wesentliche Merkmal, wodurch sich diese Sozialar- tiven bzw. aus sozialer Gewohnheit angenommen beit von der herkömmlichen Philanthropie unter- zu haben. scheidet, denn nur so kann nach dem Konzept des Das Leitmotiv des Volksheims war der Aus- Volksheims wirkliche Gemeinschaft wachsen. Diese tausch zwischen Ost und West, und hieraus er- Gemeinschaft stand bei Lehmann im Zeichen der wuchs seine tatsächliche Bedeutung. Das Volksheim nationalen Erneuerung, und zwar einer Erneuerung wurde von westlichen Juden im östlichen Proleta- durch die „Verbesserung des Herzens“ im Sinne von 4 Achad Haam.8 Diese Arbeit sollte „eine andere jü- gegenüber Felice Bauer aber anfänglich Vorbehalte dische Großstadtgeneration“ entstehen lassen, „ein hatte, beruhigte er sie noch vor ihrem Beitritt mit starkes golus-Judentum, dessen ethisches Niveau folgenden, aufschlußreichen Bemerkungen: „Je- ein wahrhaft nationales Handeln ermöglicht“.9 denfalls mußt Du Dich vor dem Volksheim wegen Erneuern sollten sich jedoch nicht nur die Ost- des Zionismus, den Du nicht genügend kennst, juden, sondern auch die Westjuden, unter denen nicht fürchten. Es kommen durch das Volksheim Lehmann sowohl den „zufriedenen und kalten andere Kräfte in Gang und Wirkung, an denen mir Bourgois“ wie auch den „durchgebildeten, geschul- viel mehr gelegen ist. Der Zionismus, wenigstens in ten Zionisten und Agitatoren“ ins Visier nimmt, die einem äußeren Zipfel, den meisten lebenden Juden „von dem Wahne befallen sind, Massen bewegen zu erreichbar, ist nur der Eingang zu dem Wichti- müssen, und die eine Tat nicht allein nach dem Um- gern.“16 Diese Beobachtung zum zionistischen fang werten [sollten?], auf den sich die Wirkung Charakter des Volksheims erfasst und trifft instinkt- der Tat erstreckt, sondern nach der Unbedingtheit, sicher den diffusen intellektuellen Erwartungshori- in der sie geschieht“.10 Durch settlement-Arbeit zont vieler jener Berliner Juden, die sich anfangs im werde so auch aus dem korrumpierten Westjuden Volksheim engagierten. ein wahrer Zionist. Das an sich schon hochgesteckte Ideal überhöh- Den Briefen Franz Kafkas an seine Verlobte Fe- te Lehmann in seinen Vorträgen und Artikeln noch lice Bauer vom Juli bis November 1916 läßt sich durch die Verklärung der Sozialarbeit zu einer „Re- entnehmen, dass Lehmann hier ein Grundbedürfnis ligion der Tat“. Er wollte die soziale Arbeit der nicht nur der „postassimilatorischen Zionisten“, Helfer als einen säkularisierten Gottesdienst ver- sondern auch der ihnen nahestehenden Kreise er- standen wissen. Die hebräischen Begriffe „Avoda“ spürt hatte. Nachdem Kafka Felice Bauer darin be- stärkt, ja sie geradezu drängt, so viel freie Zeit wie möglich im Volksheim zu verbringen, schreibt er über den Lohn dieses Engagements: „Es ist auch ei- ne der eigennützigsten Angelegenheiten. Man hilft nicht, sondern sucht Hilfe, es ist aus dieser Arbeit mehr Honig herauszuholen als aus allen Blumen und Marienbader Wäldern.“11 Er wollte Felice Bauer sogar unbedingt den anfallenden Mitglieds- beitrag bezahlen,12 weil er glaubte, dass ihr aus dem Volksheim prägende Anstöße zukommen könnten, die ihr fehlten, die er ihr aber nicht zu ge- ben vermochte. „Es ist, so viel ich sehe, der absolut einzige Weg oder die Schwelle des Weges, der zu ei- ner geistigen Befreiung führen kann. Und zwar frü- her für die Helfer, als für die, denen geholfen wird.“13 Felice Bauer übernahm im Volksheim die litera- rische Ausbildung einer Mädchengruppe und tauschte sich darüber intensiv mit Franz Kafka aus. Er beriet sie bei der Auswahl der Lektüre und schickte ihr wiederholt Buchpakete für den Aufbau der dortigen Jugendbibliothek. Ein Referat Felices, das sie über F. W. Foersters Jugendlehre. Ein Buch für Eltern und Geistliche14 im Kreis der Helfer- schaft vorzutragen hatte, bereitete er von Prag aus sorgfältig mit ihr vor.15 Hinsichtlich der zionisti- schen Ausrichtung, die ihm persönlich im Zusam- menhang mit dem Volksheim unwichtig war, der 5 WERKSTATT

(Tat), „Schiflut“ (Demut) und „Kawwana“ (Erlö- des Jugenddorfes Ben Schemen 1927 eine ein- sung als Sinn und Ziel des Handelns), durch Bubers drucksvolle Steigerung erfuhren.20 Vorträge vermittelt und aus dem chassidischen Schon Gustav Landauers Rede „Judentum und Denken in das soziale Denken eingeführt, sollten Sozialismus“21, gehalten anläßlich der Eröffnung Lehmanns Programm jüdische Authentizität und des Volksheims, zeigt, daß auch ganz andere Impul- Autorität verleihen.17 se, Ansprüche und Vorstellungen mit dem Konzept Inbrunst und Eklektismus halten sich in diesem Volksheim verbunden werden konnten. Für Lan- Programmentwurf die Waage und lieferten so Ger- dauer sollte das Volksheim ein Beispiel für „die Er- hard Scholem die willkommene Vorgabe, seinen neuerung der Völker aus dem Geiste der Gemein- Unmut über die „ganze Richtung“ zu formulieren: de“ werden. Nur durch neue gemeindliche Grup- „Was bei Buber falsch ist, ist bei ihnen lächerlich, pierungen konnte dem „Zwangsregiment des Staa- und was bei Buber – im Zusammenhang gesehen – tes“ und dem falsch verstandenen Sozialismus, dem richtig ist, wird bei ihnen in der Deutung aus zwei- „Polizeisozialismus“, entgegengetreten werden. ter Hand (sozusagen potenziert) zum Unsinn. Die Hier sollte ein neuer Kern für eine Gemeinschaft Charlottenburger [d. i. Ernst Joels Siedlungsheim] entstehen, die ursprüngliche Regsamkeit und indi- beten Fichte an, hier betet man zu Buber“, notiert viduelle Eigenheit nicht erstickt, sondern zu neuer er nach einem Besuch im September 1916 in sein Kraft entwickelt und fördert.22 Für Landauer war Ta g e b u c h. 18 Und in einem Brief an Lehmann selbst jedoch diese Verwirklichung, anders als für Leh- verurteilt er dessen Verhalten in sprachschöpferi- mann, nicht an einen bestimmten Raum – also auch schem Furor als „kugelrunde Unmoral“.19 Hier nicht an Palästina – gebunden. packte Scholem sein Opfer erbarmungslos an des- Der erste 16-seitige Rechenschaftsbericht des sen schwächster Stelle und ließ in seiner radikalen Volksheims aus der Feder Lehmanns vom Dezem- Kritik keinen Raum für die Anerkennung der Leis- ber 191623 bezeugt, dass es dem Volksheim nicht tungen und Verdienste, die Lehmann mit der prak- vordringlich um geistige Erbauung und Selbstfin- tischen Arbeit im Volksheim tatsächlich erbrachte dung ging, sondern die praktische Arbeit absolut und erwarb, und die mit seinem Handeln in späte- im Mittelpunkt stand. Die ebenda abgedruckten ren Jahren bei der Rettung Jugendlicher in Kowno/ Satzungen des Vereins nennen als Schwerpunkte Litauen und dann in Palästina bei der Errichtung die Einrichtung von Kinderspielstunden, die beruf- liche Ausbildung der heranwachsenden Jugend, ins- besondere auf dem Gebiet des Handwerks und der Landwirtschaft, die Schaffung von Unterrichtsklas- sen in hebräischer Sprache, jüdischer Geschichte und Tradition – und erst dann gesellige Veranstal- tungen für Erwachsene.24 Die Spielstunden für Drei- bis Sechsjährige wur- den am Vormittag wie ein Kindergarten nach Frö- belschen und Pestalozzi-Grundsätzen mit ca. 25 Kindern abgehalten. Eine der Erzieherinnen stammte aus Palästina und sprach nur hebräisch mit ihren Zöglingen. Das Gewicht lag auf der Betreu- ung der Heranwachsenden beiderlei Geschlechts im Alter von sechs bis 15 Jahren an den Nachmitta- gen. In Gruppen von 15–25 Teilnehmern wurden etwa 250 Schüler, nach Geschlechtern getrennt, an handwerkliche Berufe herangeführt. Die Abende waren den geselligen und für die Außenwirkung des Volksheims wichtigen Anlässen und Veranstal- tungen vorbehalten. Hier fanden die allgemeinen Diskussionsabende und anderen kommunikativen 6 Begegnungen statt, durch die das Volksheim in der WERKSTATT

Literatur bekannt geworden ist. Laut dem Rechen- ren ständig propagiert – sind nicht geglückt. We- „Zur Bekämpfung der schaftsbericht wurden diese durchschnittlich von sentliches aber blieb: jene Verbindung von Ost und Schundliteratur trägt unsere 60 Teilnehmern besucht. West, wie sie in Berlin in keinem anderen ähnlich sorgfältig ausgewählte 29 Die im Volksheim betreuten Kinder und Jugend- gearteten Kreis in gleicher Weise bestand.“ Jugendbücherei erheblich bei, lichen wurden als „Besucher“ bezeichnet, die Erzie- da die Kinder an den herinnen und Lehrerinnen als „Helfer“, die im üb- Innerhalb der zionistischen Vereinskultur gibt es Nachmittagen ... meist das rigen ausnahmslos ehrenamtlich arbeiteten. „Mit- keine Parallele zum Jüdischen Volksheim. Es war ei- Lesezimmer benutzen.“ glieder“ wurden auf Beschluß des Vorstandes zum ne an Ort, Zeit und Personen gebundene Erschei- Beitritt aufgefordert und mußten einen Beitrag von nung, die wiederzubeleben nirgendwo und zu kei- drei Mark monatlich zahlen. Zu den „außerordent- nem Zeitpunkt unternommen wurde. lichen Mitgliedern“ rechnete man die „Helfer“, die eine Mark monatlich entrichteten; ferner gab es die 1. Heute: Max-Beer-Straße. „Förderer“ mit einem halbjährlichen Beitrag von 2. Die erste grundlegende Darstellung stammt von mindestens 39 Mark und „unterstützende Mitglie- Shalom Adler Rudel, Ostjuden in Deutschland 1880– der“ mit mindestens zehn Mark halbjährlich.25 1940, Tübingen 1959. Steven Aschheim Brothers and Die Satzung ebenso wie andere Grundsatzerklä- Strangers – The East European Jew in German and Ger- rungen spiegeln ein Bekenntnis zu demokratischen man-Jewish Consciousness, Madison 1982, hat wohl Strukturen wider, was auf der pädagogischen Ebe- die abschließende Aufarbeitung . ne in antiautoritären Prinzipien und der Aufforde- 3. Aschheim, 1982, S. 193. rung zu Mitsprache und Eigeninitiative seinen Aus- 4. Scholem, Gershom, Von Berlin nach Jerusalem. druck findet. Sozialhygienische Grundsätze wie Jugenderinnerungen, Erweiterte Fassung, Frankfurt Körperpflege, Sport als Turnen, Schwimmen, Wan- a.M., 1994, S. 84. dern, Spielen und Landarbeit auf eigenem, ange- 5. Näheres zum Siedlungsheim nicht ermittelt. mieteten Ackerland waren darüberhinaus untrenn- 6. Salomon Lehnert (alias Siegfried Lehmann), Jü- barer Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. dische Volksarbeit, Der Jude I/2 (Mai 1916), S. 104– Das Volksheim bestand insgesamt zwölf Jahre 111. und entwickelte sich nach seiner anfänglich zionis- 7. Vgl. z. B. Scholem 1994, S. 83. In „Idee der jüdi- tisch inspirierten Aufbruchsphase nach 1923 hin zu schen Siedlung und des jüdischen Volksheim“ bezieht einer etablierten Einrichtung jüdischer Sozialarbeit. sich Lehmann auch auf das dänische Vorbild N. F. S. Unter der Leitung von Siddy Wronsky26 und Fried- Grundtvigs, des „Erweckers des fröhlichen Christen- rich Ollendorf27 wurde die Schaffung eines „Krei- tums“, vgl. den Teilabdruck des Artikels in: Reinharz ses jüdischer Sozialarbeiter“ initiiert, der der jüdi- 1981, S. 183 ff. (erstmals in: JR XXII/9, 1917, S. 76 f. schen Sozialarbeit in ganz Deutschland wertvolle und XXII/10, S. 83 f.). Impulse gab. In seiner letzten Phase wurden die 8. „Die Lehre des Herzens“ ist einer der berühmten Räumlichkeiten vom Jungjüdischen Wanderbund programmatischen Aufsätze von Achad Haam, deutsch (JJW)28 übernommen. Das Volksheim erhielt da- in: Am Scheidewege, Bd. 1, Berlin 1913, S. 96–110. durch nochmals eine eigene zionistische Ausrich- 9. Lehnert 1916, S. 107. 10. Ebenda, S. 108 f. tung. 11. Franz Kafka, Briefe an Felice, Berlin 1967, Nach dem Urteil von Shalom Adler-Rudel hatte S. 673, Postkarte vom 30. Juli 1916. das Jüdische Volksheim trotz seiner quantitativ ge- 12. Brief vom 11. September 1916, S. 695. ringen Ausbreitung und seiner relativ kurzen Exis- 13. Brief vom 12. September 1916, S. 696 f. tenz eine „geradezu schicksalhafte Bedeutung für 14. Berlin 1904. Hunderte jüdischer Menschen“. Zum Beweis für 15. Vgl. z. B. Briefe vom 18. September, S. 701, die Besonderheit des Phänomens führt er Franz vom 19. September, S. 702, 25. September, ebenda, Lichtensteins Zeugnis aus dem Jahre 1930 an, das S. 706 und öfter. hier erneut wiedergegeben sei: 16. Ebenda, S. 675. 17. Lehmann 1916, S. 111. Der stärkste Gegensatz „Die Versuche, den Rahmen des Volksheims zu dieser Geisteshaltung von zionistischer Seite ist wohl weiter zu spannen, aus dem Volksheim ein Volks- in den Äußerungen des Herzl-Bund Mitgliedes Isaak haus zu machen – in der Idee auch in späteren Jah- Feuerring zu finden, vgl. Schäfer, Barbara, Berliner Zio- 7 WERKSTATT

nistenkreise, Berlin, 2003, S.118. 26. Vgl. zu ihr Schäfer 2003, S. 98, Anm. 85. 18. Eintrag 10. September 1916, Scholem 1995. 27. Friedrich Ollendorf (1889–1951) zunächst ei- 19. Briefe 1994, Brief Nr. 16 vom 4.10.1916. ner der höchsten Beamten der preußischen Regierung 20. In seinen Erinnerungen ließ Scholem Lehmann für Jugendpflege und Wohlfahrt, wurde 1924 Leiter späte Gerechtigkeit erfahren und sprach ihm für sein spä- der „Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden“, sie- teres Wirken Anerkennung aus, s. Scholem 1994, S. 87. delte 1934 nach Palästina über, wo er hohe Regierungs- 21. Abdruck in: Die Arbeit II (Juni 1920), S. 50 ff. ämter in der Sozialarbeit bekleidete. 22. Vgl. Lehmanns Bericht: Gustav Landauer und 28. Siehe Schäfer 2003, S.45. das jüdische Volksheim, Die Arbeit II (Juni 1920), 29. Adler-Rudel 1959, S. 56. S. 44–47. 23. Felice Bauer hat ihn offensichtlich teilweise ge- Neben Beiträgen zur Geschichte des Zionismus ver- tippt, vgl. Kafka 1967, S. 708 mit Anm. 2. öffentlichte Dr. Barbara Schäfer die Anthologie 24. Das Jüdische Volksheim Berlin, 1. Bericht, Mai/ „Historikerstreit in Israel“, Frankfurt/M. 2000. – Dezember 1916, S. 19 f. Der vorstehende Beitrag ist ein Kapitel aus ihrem so- 25. Ebenda, S. 19. eben erschienenen Buch „Berliner Zionistenkreise“.

Buchlese

Eine deutsch-jüdische Biografie jüdischen Organisationen und Einrichtungen beein- Briefe, Reden und Aufsätze schließen die sechsteili- flusste er Politik und Kultur der jüdischen Gemein- ge Ausgabe von Leo Baecks Werken ab. schaft in und außerhalb Deutschlands. Drei Teile gliedern den Band: Leben und Wir- Er entschied sich gegen die Emigration als die ken, Übergreifendes sowie Korrespondenzen. Mi- Verfolgung im „Dritten Reich“ immer schlimmer chael A. Meyer zeichnet mit Bärbel Such in kurzen wurde, arbeitete weiter und half, so er konnte: „Der Einleitungen Baecks Biographie nach und stellt sie Kreis ist enger und einsamer geworden. Ich stehe in in den Kontext der zeitgeschichtlichen Ereignisse. der täglichen Arbeit, um zu helfen und zu nützen, wo Seine Positionen werden zusammengefasst, ihre es möglich ist, und ich bin dankbar, wann immer ich Leo Baeck: Werke. Bd. 6: Briefe, Entwicklung aufgezeigt. Anmerkungen ergänzen einem Menschen etwas sein kann“, schrieb er 1942 Reden, Aufsätze. Hrsg. von die Texte und erleichtern das Verständnis. Rudolfo Löb in Buenos Aires. Nach der Deportation Michael A. Meyer in Oppeln, Düsseldorf und Berlin, das Lager The- führte er seine Arbeit unter den Bedingungen und Zusammenarbeit mit Bärbel resienstadt, England und die USA der Nachkriegs- Erfordernissen des Lagers Theresienstadt fort. Such. Gütersloh: Gütersloher zeit waren einige der geographischen Stationen in Nach der Schoah schrieb Baeck vermehrt auf Verlagshaus 2003, 702 Seiten. Baecks Leben. Hier begnet er uns als Student, Do- Englisch. Die Sorge um Gegenwart und Zukunft des ISBN 3-579-02339-X. EUR 128 zent, Theologe und Rabbiner, der sich fortwährend Judentums ließ ihn nach Israel und durch die USA mit der Frage auseinandersetzt, was Judentum be- reisen, wo er, wie zuvor in Berlin, als Dozent wirkte: deutet und was es unter den geschichtlichen und „Meine Reise hat dieselbe Aufgabe: die Juden des politischen Entwicklungen Deutschlands bedeutet. Landes zur Religion aufzurufen, und dann: die Die Sorge um seine Gemeinde kommt immer wie- Menschen aus den lieben alten, vergessenen jüdi- der zum Ausdruck, viele auch von außerhalb such- schen Gemeinden Deutschlands wiederzusehen.“ ten Rat und Beistand. Als Feldrabbiner betreute er (An Gertrud Luckner, 1948). Er hat schließlich Kon- während des Ersten Weltkriegs jüdische Soldaten takte zum Nachkriegsdeutschland aufgenommen an der Front, berichtete der Gemeinde in Berlin und sich dafür eingesetzt, dass das deutsch-jüdische von den Ereignissen. Innerhalb der verschiedenen Erbe nicht in Vergessenheit geriet. Strömungen nahm Baeck eine liberale Position ein, Neben dem „Leben und Wirken“ Baecks ver- wurde 1938 Präsident der World Union for Pro- sammelt der Band seine Texte über Zionismus und gressive , ein Amt, das er bis zu seinem Tod Israel, Progressives Judentum und Amerika sowie 8 1956 behielt. In seinen zahlreichen Funktionen in eine umfangreiche Korrespondenz. Hier finden WERKSTATT

לשנה טובה תכתבו ותחתמו wünschen wir zum neuen Jahr 5764 sich Briefe Baecks an Albert Einstein, Franz Ro- Daseins, das Wort hobby wäre Hohn darauf.“ senzweig, Ismar Elbogen oder Gershom Scholem. Auch das ABC hat ein integrales Moment, die Dank der Zusammenstellung und Kommentie- zahlreichen Verweise. Unter ŠKlopapier findet man rung der Texte entsteht das eindrucksvolle Bild ei- ŠLeo Löwenthal. ŠDonald Duck verweist auf ner Persönlichkeit, welche die deutsch-jüdische Ge- ŠDialektik der Aufklärung, wer ŠGänsehaut nach- schichte von der Kaiserzeit bis nach der Schoah er- schlägt, landet bei ŠKunst, Entlegenes führt ins lebte und vor allem gestaltete. Die Privatperson Zentrum, jederzeit interessant annotiert. bleibt dabei im Hintergrund, was aber auch bezeich- Das schmucke Bändchen, früher erschienen als Roger Behrens: Adorno-ABC. nend ist. Das Buch mag zugleich als Einführung in andere Neuerscheinungen zum 100. Geburtstag, ist Leipzig: Reclam 2003. das religionstheoretische und seelsorgerische Werk kein Eingriff, eher ein Vorgriff, wo ein Nachgriff 248 Seiten. Leo Baecks gelesen werden. Petra Schmidt manches noch hätte berücksichtigen können. Denn ISBN 3-379-20064-6. was der Autor unter ŠNilpferd bringt, reicht in kei- EUR 11,90 Büro Wilhelmstraße ner Weise heran an das, was man neuerdings über „Allen Parteien, die den weltanschaulichen Kampf Adornos Tierleben wissen kann dank der „Briefe an gegen die NSDAP aufgenommen haben, Material die Eltern“ (Suhrkamp 2003); da wimmelt es von vermitteln“, war 1930 der Zweck des Anti-Nazi. Mammuts (den Horkheimers), Nilpferd- und Wild- schweinkönigen (Adorno und Vater), Nilstuten (der Walter Gyßling: Mein Leben in Mutter) und Giraffe Gazelle (Gretel Adorno). Deutschland vor und nach 1933. Und: Der Und auch unter ŠZwutsch geht er fehl. In Wien Anti-Nazi. Handbuch im Kampf gegen die hatte Adorno zwei junge Damen getroffen, die NSDAP. Hrsg. und eingel. von Leonidas E. „sich auskannten“. „Nachdem wir den süßen und Hill. Mit einem Vortwort von Arnold gewichtigen weißen Kaffee getrunken, beschlossen Paucker. Bremen: Donat Verlag 2003, 504 zögernd die beiden Mädchen, es sei gut, mir mehr Seiten. ISBN: 3-934836-45-3. EUR 25,40. noch von der Stadt zu zeigen.“ „Es ist von Adorno nicht bekannt,“ schreibt Behrens dazu, „dass er sich Dessen Autor, Walter Gyßling, hatte im Auftrag des jemals irgendwelchen exzessiven Abenteuern hin- Centralvereins Deutschland bereist, und im „Büro gegeben hätte ... Man wünscht ihm beinahe, dass er Wilhelmstraße“ ein umfangreiches Archiv über die wenigstens mit den beiden Mädchen einen zwit- NSDAP zusammengetragen. L. E Hill hat nun das schern war.“ Wahrscheinlich war er das, diese Sor- darauf basierende Handbuch, zusammen mit einer ge scheint nach den gleich drei biografischen Neu- Autobiografie Gyßlings, neu herausgegeben. Ein erscheinungen unbegründet – immerhin ist das der beeindruckendes, lange verschollenes Zeitdoku- Stoff, aus dem auch „Der Spiegel“ sich des Meisters ment, eine späte, um so erfreulichere Würdigung nochmal erinnern mochte. Gyßlings und der Abwehrarbeit des C.V. hl Sicher nicht ganz ernst gemeint und dadurch sehr vergnüglich, als Lektürehilfe und Geschichten- Adorno für dummies? fundus überzeugend; wer sich am selbstironischen, Die „Chance, in die kritische Theorie des Querden- amüsant geistreichen Stil erfreuen kann, dem noch kers quer einzusteigen“, verspricht der Klappentext ein tip zum Schluss: ŠAdorno lesen lesen. hl des Nachschlagewerks Adorno-ABC, das sich zu- gleich auch als Lektürehilfe und Geschichtenfundus Attraktiv neugestaltet kommt Aschkenas. Zeitschrift zu erkennen gibt. Also, auf geht’s. Das Stichwort für Geschichte und Kultur der Juden in ihrem 13. ŠHobby wird der Adorno-Freund wohl kaum gleich Jahrgang nun aus dem Max Niemeyer Verlag, Tü- aufsuchen, der Einsteiger ebensowenig – schade, bingen. Geschmackvolle Typographie und neuer man wäre gleich mittendrin: „Immer wieder wird Einband bilden den erfreulichen Rahmen für den man, in Interviews und Erhebungen, danach ge- Themenschwerpunkt von Band 13/1: Waffentragen fragt, was für ein hobby man habe. Ich erschrecke und Wehrhaftigkeit von Juden von der Antike bis Aschkenas. Zeitschrift für über die Frage, wenn sie auch mir widerfährt. Ich zur Aufklärung. Hinzutreten größere und kleinere Geschichte und Kultur der habe kein hobby.“ Unnachahmlich, wie Adorno hier Beiträge; zahlreiche Buchbesprechungen runden Juden, 13 (2003), Heft 1. klein schreibt! Nein, „Musik machen, Musik hören, die sehr empfehlenswerte Zeitschrift ab. Wir wün- 308 Seiten. konzentriert lesen ist ein integrales Moment meines schen dem erneuerten Aschkenas neuen Erfolg. red ISBN 3-484-98086-9. 54 EUR9 WERKSTATT

Mitteilungen

soeben erschienen Zusammen mit anderen „An“-Instituten und außer- Fortsetzung bot sich an, hat doch das Interesse an universitären Forschungszentren in Nordrhein- der Erforschung der jüdischen Geschichte seit Öff- Westfalen ist auch das Sal. L. Steinheim-Institut von nung der östlichen Grenzen in den letzten Jahren radikalen Kürzungen, ja sogar Streichung der vom erheblich zugenommen. Der zweite Band hat mehr Land NRW gewährten „Mittel zur Förderung der als 3200 Einträge in deutsch, polnisch, englisch, Einwerbung von Drittmitteln“ bedroht. Sparen französisch, tschechisch, hebräisch und jiddisch. Er muss das Land, will gleichmäßig kürzen, auch Bil- bezieht nun auch den tschechischen Teil Schlesiens dung und Forschung. Es ist nicht mehr als ein Licht- ein und wertet eine Vielzahl älterer und neuerer Pe- blick, wenn der ehemalige Minister Chr. Zöpel for- riodika aus. Bisher wenig beachtet bildet die Zwi- dert, das Ruhrrevier müsse viel mehr außeruniver- schenkriegszeit 1922–1939 sowie der Neubeginn sitäre Forschung betreiben können, um eines Tages jüdischen Lebens in Schlesien nach 1945 einen mit London, Paris oder New York mitzuhalten. Wir neuen Schwerpunkt. Mit mehr als 6000 Titeln sind wollen wohl gern heute schon und auch morgen beide Bibliographien für die internationale Erfor- noch mithalten und wissen Schwerpunkte („Leucht- schung jüdischer Geschichte in Schlesien ein un- türme“, wie es noch vor kurzem hieß) zu setzen, die verzichtbares Hilfsmittel. Die Titel sind in der Rei- jene Lichterstädte nicht setzen ... Und das auch im he des Steinheim-Instituts „Bibliographien zur Bereich des wissenden, guten Miteinanders von Ju- deutsch-jüdischen Geschichte“ als Band 6 und 7 den und Nichtjuden, an dem doch allen Parteien in beim K.G. Saur-Verlag, München erhältlich. mh Carsten Wilke: „Den Talmud NRW ausdrücklich so sehr gelegen ist. und den Kant“ – Rabbiner- Wir bitten Sie daher, unsere sachliche Arbeit in Unsere junge Reihe, passend betitelt minima judaica ausbildung an der Schwelle Forschung und Vermittlung, wie auch unser Bemü- und im hauptstädtischen Metropol-Verlag erschei-

zur Moderne (Netiva 4). hen um ihretwillen zu überleben, nach Kräften zu nend, gewinnt an Fahrt. Nach dem beachteten Band Hildesheim: Olms 2003. unterstützen und danken Ihnen herzlich für jedes „Neuer Anbruch“, den durchweg quicklebendigen 726 Seiten. ISBN 3-487- Zeichen Ihrer Hilfe. Beiträgen junger Judaistinnen, sind nun die hier vor- 11950-1. EUR 69. gestellten „Berliner Zionistenzirkel“ greifbar. Vor In Kürze erscheint die „Bibliographie zur Geschich- ihrem Erscheinen stehen die Erträge unserer Konfe- Birgit E. Klein: Wohltat und te der Juden in Schlesien“ von Marcin Wodzinski renzen: „’Der Differenz auf der Spur’ – Frauen und Hochverrat – Kurfürst Ernst (Wroclaw).Sie bildet den zweiten Band der Biblio- Gender im aschkenasischen Judentum“ sowie „Ja- von Köln, Juda bar Chajjim graphie zu Schlesien, die Margret Heitmann, An- nusfiguren – Heimstätte, Exil und Nation im deut- und die Juden im Alten dreas Reinke und Harald Lordick im Projekt „Ge- schen Zionismus“, und nicht zuletzt ein Doppel-

Reich (Netiva 5). schichte und Kultur der Juden in Schlesien“ erar- band zur Erforschung gefährdeter und Rekon- Hildesheim: Olms 2003. beitet haben und die 1995 erschienen ist. Diese struktion zerstörter Berliner jüdischer Friedhöfe. 540 Seiten. ISBN 3-487- 11951-1. EUR 62. Unter http://nuremberg.law.harvard.edu stellt die IMPRESSUM „Harvard Law School Library“ Schriftsätze, Be- weismittel, Zeugenaussagen, Protokolle etc. aus Herausgeber Salomon Ludwig Steinheim-Institut für den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen ins deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg- Netz. Die Digitalisierung wurde erforderlich, weil Essen, in Duisburg ISSN 1436-1213 Redaktion Michael Brocke (V.i.S.d.P.), Harald Lordick die Dokumente, ca. eine Million Seiten, zu zerfal- Assistenz Alexandra Bertram Grafikdesign kommunika- len drohen. Das Nuremberg Trials Project. A Digi- tionsdesign thekla halbach und thomas hagenbucher, tal Document Collection im Internet ermöglicht

Düsseldorf Layout Harald Lordick nun den einfachen Zugang zum Material. Zur Zeit Anschrift der Redaktion Geibelstraße 41, 47057 Duisburg, Tel: 0203/370071-72; sind ca. 7000 Seiten aus drei Gerichtsverfahren als Fax: 0203/373380; E-Mail kalonymos@steinheim- durchsuchbare „Transcripts“ oder als Fotografien institut.de Internet www.steinheim-institut.de Druck der Originale mittels einer durchdachten Daten- Brendow Printmedien, 47443 Moers Versand Vierteljähr- bankoberfläche abrufbar. Das ist erst ein kleiner lich im Postzeitungsdienst, kostenlos Spendenkonto 238 000 343, Stadtsparkasse Duisburg, Teil, und oft heißt es noch „digitization is pen- 10 BLZ 350 500 00 ding“, aber dennoch – sehr willkommen. hl BENOTKALONYMOS

Avigaal und Sarah, Töchter des Herrn Kalonymos des Leviten

evor die über den „Heiligen Sand“ geführten dere all das aus frühen Epochen, dem nichts an die BGruppen ihn wieder verlassen, zeigt man ihnen Seite zu stellen ist (Prag beginnt erst 1434). Worms den „Buber-Blick“: Vom Wall aus lässt sich auf zählt Hunderte von Texten aus dem 11.–15. Jh., Hunderte von Steinen und hinüber zum Wormser die miteinander im Gespräch stehen und Unbe- Dom schauen, der unweit von ihnen aufragt, wäh- kanntes, ja Ungeahntes mitzuteilen hätten. Weniger rend die Stadtführerin vorliest, was Martin Buber von Namen und Daten ist hier die Rede, vielmehr vor 70 Jahren zum nie aufgekündigten Bund Gottes von ihrer Weltsicht und dem Miteinander und Ge- mit Israel, die niedrigen Steine und das hehre Got- genüber von Individuum und Gemeinde, der Kehil- teshaus vor Augen, bildmächtig auszudrücken la; eben das Verhältnis, das dem Aschkenas des wusste. Anders aber als der Dom, an dem die Ar- Mittelalters zu überleben erst ermöglicht hat. Wenn beit des Bewahrens und Wiederherstellens nicht Worms eine der gelehrtesten, frömmsten und lang- ruht, ist der Heilige Sand sich selbst überlassen – lebigsten Gemeinden war, von denen die Geschich- gärtnerisch gepflegt, wenn auch gelegentliche Be- te überhaupt weiß, was hätte nicht dieses ihr schädigung dadurch unvermeidlich scheint. Fast ein stumm-beredtes Zeugnis uns und denen nach uns Jahrtausend alt und der älteste Europas, bleibt der zu sagen! Friedhof wohl auch deswegen sich selbst überlas- sen, weil die abwegige Meinung, jüdische Grabstät- Ab und an widmet sich „Kalonymos“ seinen ten seien der Zeit auszusetzen und kennten keine Namensgebern. Heute suchen wir den Adel der konservatorischen Maßnahmen, immer wieder „Kalonymiden“ am rheinischen Stammsitz auf und nachgeredet wird. Jüdisch halachisch durch nichts blicken auf zwei Frauen, deren Wormser Denkma- zu belegen, fügt sie gerade ehrwürdigsten Orten in- le, ein Dutzend Schritte voneinander entfernt, noch direkt Schaden zu. Im 19./20. Jahrhundert dachten lesbar sind: Aviga(a)l bat Kalonymos haLevi und die jüdischen Gemeinden so historisch wie prak- Sarah bat Kalonymos haLevi. Die Schwestern sind tisch, haben inventarisiert, restauriert und konser- vor ihrer Heirat gestorben, die Steine ihr Lebenslob viert – die „Heilige Gemeinde Wormaisa“ schon geblieben. Die ihnen zugedachten Nachrufe gehen um 1850, noch vor den Frankfurtern oder Berli- diskret mit dem Verlust um; eine Zurückhaltung, in nern. Es gäbe sonst keinen der alten Friedhöfe die man sich, seit Jahrhunderten an Ausdrückliche- mehr. res gewöhnt, erst finden muss. Das Individuelle Bei jedem Besuch erscheint der „gute Ort“ aufs bleibt überlieferten Formen eingebettet, wie die Ganze gesehen unverändert erhaben und schlicht, Gemeinde sie sich zurichtet, und lässt sich je und je Jahr um Jahr eine der bedeutendsten Gemeinden nur leise vernehmen, auch wenn biographische An- im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation be- spielungen erstaunlich häufig sind. Unwiderleglich zeugend, und unveränderlich auf das Lebensziel ge- klar wird Eines: Der Umgang mit den Toten, wie er richtet, wie es seine Inschriften abzuwandeln wis- hier zu lesen ist, war ein ausgeprägt persönlicher. sen: den „Garten Eden“, den „Baum des Lebens“, Erneut wundert man sich über die Zählebigkeit der und, „was kein Auge je gesehen“ – die Schau Gottes Burckhardtschen „Entdeckung des Individuums“ selbst. Als Ensemble unverändert eindrucksvoll, erst mit und in der italienischen Renaissance. löst jedoch der Zustand vieler einzelner Steine Er- schrecken aus. Hunderte von Steinen sind nicht Aviga(a)l aus dem Haus Kalonymos war noch länger mehr zu lesen und haben ihre vornehmste ledig, vielleicht 13, vielleicht 16 Jahre alt, bachura. Funktion verloren. Dürften sie sich nur ganz leicht Wir erfahren nicht, wann sie in welchem Monat vornüber neigen, statt Wind und Wetter zugewandt verstarb. Allein das Jahr ihres Todes und vielleicht trotzen zu müssen, so würde ihre Aufgabe um Jahr- auch die Form, in der ihr Name, Avigail, buchsta- zehnte wenn nicht um Jahrhunderte länger an ih- biert wurde, decken etwas von den Hoffnungen nen ablesbar bleiben. Denkmalpflegerische Auf- auf, die Tod und Verlust erträglicher machen, ja merksamkeit vermittels weniger schonender Maß- wenden könnten. Denn Aviga(a)l verstarb „im ers- nahmen – und dieses einzigartige Zeugnis des Le- ten Jahr des Sechsten Jahrtausends“ (1239/40) – ei- bens und Zusammenlebens mit einer nicht neutral ne Milleniumswende, deren Bedeutung uns nach gesonnenen Welt würde seiner Zukunft gelassener eigner Erfahrung nicht entgeht. An jene Wende entgegensehen. knüpfte sich erlösungsbange Hoffnung (und auch Spätere werden beklagen, dass wir nicht wahr- in christlichen Berechnungen war das Jahr 1240 genommen haben, welch reiche Einsicht aus gutge- apokalyptisch gestimmt). Die Nennung des Jahres meinter Vernachlässigung verloren geht, insbeson- 5000 war Aussage genug. 11 BENOTKALONYMOS

Aber die Schreibung des Namens macht stutzig: Jh. auf die genaue Angabe dessen. Waren Kalony- Muss es nicht Avigail heißen? Worms kennt keine mos und seine Gattin „altfromm“ Konservative, de- orthographischen, keine Rechtschreibfehler – Avi- nen eine Jahrzeit-Datierung nichts bedeutete? Oder gail, kluge Retterin und Gattin des Königs David, war auch 5008 noch messianisch bedeutungsgela- schreibt sich zwar biblisch zweimal ohne zweites den? Aus dem Fehlen des Datums ist jedenfalls jod / i – „Avigal“, aber doch ohne alef dazwischen, nicht zu schließen, dass man dem jungen Mädchen das nur „auf deutsch ausgesprochen“ hier zu lan- Sarah weniger Aufmerksamkeit gewidmet hätte. gem a würde. Eher verwiese dieses eingeschobene Beide Steine tragen vergleichsweise lange Inschrif- alef – „Aviga'al“ – auf die große Erwartung, die sich ten, Sarah gilt die längere. Sie wird ob ihres vorzüg- auf die Wende zum 6. Jahrtausend richtete: die lichen Tuns gelobt, und ihr ganzer Nachruf reimt Wurzel g. a. l. spricht Befreiung und Erlösung aus. sich auf -rah, ihren Namen umrankend, was in Mit dieser leicht veränderten Schreibung und der Worms eher rar bleibt. ausschließlichen Hervorhebung des Jahrtausendbe- Was wird man erst den um die Gemeinde ver- ginns mochte sich der Trost in Hoffnung und die dienten und bedeutenden Personen nachgerufen Hoffnung in Trost kleiden, die zu versiegen und haben, wenn schon die Ehrung noch unbeschriebe- neu zu entspringen nie aufgehört haben. ner junger Frauen vornehmer Abkunft ihr Gedächt- Aber auch die Jüngere, Sarah Tochter Kalony- nis so nachhaltig der Nachwelt einzuprägen sucht? mos' des Leviten, „im Jahr sechstausend und acht Wissen wir solch schlichte Nachrufe nicht zu schät- der Schöpfung“ (1247/48) gestorben, als na'ara, zen, so werden uns auch die der Großen nichts (im 12./13. Lebensjahr?), erhält kein Tages- und mehr zu sagen haben. Der „Martin Buber-Blick“ Monatsdatum, wie es doch seit längerem üblich bleibt leer ohne den Ort und sein Wort, das ihm war. Nur selten verzichtet Worms im 12. und 13. seinen Sinn verleiht. mb

Sarah bat R. Kalonymos haLevi Avigaal bat R. Kalonymos haLevi

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