Auf dem Weg zur Professur – Habilitationsvorgänge und Habilitanden an der Medizinischen Fakultät von 1918 bis 1960

Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med.

vorgelegt von Hannah Zimmermann

Als Dissertation genehmigt von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. med. Markus Neurath Gutachter: Prof. Dr. Karl-Heinz Leven Gutachterin: Prof. Dr. Katrin Schiebel

Tag der mündlichen Prüfung: 13. April 2021

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Danksagung

Die vorliegende Dissertation ist das Ergebnis fast vierjähriger umfangreicher Forschungsarbeit. Da eine solche Doktorarbeit nie ohne die wertvolle Unterstützung anderer Personen zu Stande kommen kann, möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mir bei diesem intensiven Prozess unter die Arme gegriffen haben. Einige Personen möchte ich dabei eigens hervorheben, sie waren mir in besonderer Weise eine Stütze. An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Karl-Heinz Leven. Er ermöglichte dieses Forschungsvorhaben und gab stets wertvolle Anregungen. Wann immer mir eine Frage auf den Lippen brannte oder eine besondere Formalie meinen Weg kreuzte, war er sofort mit Rat und Tat zur Stelle. Auch in den regelmäßig organisierten Doktorandentreffen hatte er immer ein offenes Ohr für seine Schützlinge. Die Betreuung der Dissertation hätte besser nicht sein können. Nicht missen möchte ich außerdem seinen lebhaften Enthusiasmus für das Thema dieser Doktorarbeit, der mich regelmäßig aufs Neue ansteckte und mich voller Tatendrang wieder ans Werk lockte. Ebenso bedanken möchte ich mich bei meiner Zweitbetreuerin Frau Dr. Susanne Ude-Koeller, die sich immer wieder tief in die Materie der vorliegenden Dissertationsschrift einarbeitete und mir so stetig wichtige Impulse zur Weiterentwicklung meiner Arbeit gab. Sie zeigte oft auch alternative Herangehensweisen auf und verhalf mir so dabei, die Arbeit auf ein neues Level heben zu können. Mein besonderer Dank gilt auch dem Archivar der Universität Erlangen-Nürnberg, Herrn Dr. Clemens Wachter. Bereitwillig unterstützte er mich bei jeder Anfrage und scheute auch die körperliche Anstrengung nicht, mir wiederholt hohe Stapel von Akten in den Sonderlesesaal der alten Universitätsbibliothek zu tragen. Im Labyrinth des Universitätsarchivs und der damit verbundenen Gesetze und Vorgaben war er mir immer ein zuverlässiger Wegweiser, ohne den ich mich hoffnungslos verlaufen hätte. Auch möchte ich Dekan Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Schüttler für das großzügige Überlassen wertvoller Quellen danken. Er ermöglichte es mir durch eine Verkürzung der archivarischen Schutzfrist essenzielle personenbezogene Sachakten einzusehen, die diese Arbeit erst entstehen ließen. Ebenso geht mein Dank an Frau Elisabeth Fischer, die mir durch die freundliche Bereitstellung privater Fotographien der Habilitandin Helene Weinland detailliertere Einblicke in deren Leben ermöglichte. Erst dadurch konnte ein rundes Bild dieser herausragenden Wissenschaftlerin entstehen. Des Weiteren möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die bereits vor mir auf diesem bisher noch wenig erforschten Gebiet der Habilitanden der Medizinischen Fakultät Erlangen gearbeitet haben und mich freundlicher Weise an ihren Forschungsergebnissen teilhaben ließen und mir Einblicke in ihre Datensammlungen gewährten. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle meinen Eltern und meinem Bruder. Sie ermöglichten es mir durch ihre bedingungslose, liebevolle Unterstützung, meinen eigenen Weg zu finden und ihn erfolgreich zu beschreiten. Sie ließen mir dabei stets

iii alle Freiheiten. Ein herzlicher Dank geht auch an alle anderen Verwandten und meine Kommilitonen und Freunde, die mich durch den Prozess dieser Arbeit begleiteten und mir immer wieder neuen Ansporn gaben. Besonderer Dank gilt dabei Stephan Otto für die stetige emotionale Unterstützung und konstruktive Kritik.

Hannah Zimmermann Nürnberg, im September 2020

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Abstract

Hintergrund und Ziele Die Habilitation als der Vorgang des „sich geeignet Machens“ für die Hochschullehre feierte vor Kurzem ihren 200. Geburtstag. Dabei ist diese besondere Qualifikation, mit der sich Dozenten nach wie vor beweisen müssen, eine Eigenheit des deutschen Universitätswesens. Im Ausland immer wieder mit Skepsis hinterfragt, steht das Verfahren auch im Inland regelmäßig in der Kritik. Und dennoch begegnet dem daraus hervorgehend Berufsstand der Professoren nach wie vor so viel Respekt und Ansehen wie wenigen anderen Betätigungen. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Habilitationsverfahren an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1918 bis 1960 und versucht dabei einerseits so umfassend wie möglich über einen statistischen Ansatz die Thematik zu bearbeiten, andererseits im Detail auf ausgewählte Persönlichkeiten des Untersuchungszeitraums einzugehen. Es ergibt sich somit eine dreigeteilte Forschungsfrage: Wie gestaltete sich die zahlenmäßige Entwicklung der Habilitationsvorgänge in all ihren Facetten zwischen 1918 und 1960? Welche Persönlichkeiten reüssierten auf ihrem Weg zur Erlangung der Venia legendi? Und welche Rahmenbedingungen ermöglichten diese Vorgänge in einem Zeitraum, der historisch vier grundlegende politische Systeme umfasste, vom späten wilhelminischen Kaiserreich über die Weimarer Republik und die NS-Zeit bis in die frühen Jahre der Bundesrepublik?

Methoden (Patienten, Material und Untersuchungsmethoden) Hauptmaterial für die statistische Aufarbeitung der Habilitationsvorgänge und ein erster Ausgangspunkt waren die Archivakten des jeweiligen Habilitationsverfahrens. Aus den insgesamt 128 Habilitationsakten entstand dabei unter Berücksichtigung von Schutzfristen und relevanten Todesdaten eine umfassende Datensammlung. Andere Quellen wie das Protokollbuch der Medizinischen Fakultät Erlangen, allgemeiner gehaltene Archivakten und Sekundärliteratur flossen ebenso ein. So gelang es, die Karrieren zu rekonstruieren und die gesammelten Daten zu ordnen und kategorisieren, um sie für eine statistische Auswertung verwenden zu können. Für die Jahrgänge ab 1958 lag ergänzend das Habilitationsbuch der Medizinischen Fakultät vor. Bezüglich der exemplarischen Habilitationsvorgänge ermöglichten neben den jeweiligen Habilitationsakten, oft samt persönlich verfasstem Lebenslauf, die Personalakten der Medizinischen Fakultät in vielen Fällen tiefere Einblicke in das Wirken der Habilitanden an der Universität Erlangen. Des Weiteren wurde Sekundärliteratur verwendet sowie Zeitungsartikel, Nachrufe und Jubiläumsschriften. Allgemeinere Informationen zu den einzelnen Persönlichkeiten bot auch Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender. Bildmaterial der exemplarisch behandelten Habilitanden stammt zudem teils auch aus Landesarchiven und Privatbeständen. Die Erarbeitung des historischen Hintergrunds von 1918 bis 1960 gestaltete sich dagegen als klassische Literaturrecherche. Dieser Abschnitt speist sich aus Sekundärliteratur und fokussiert sich auf die jeweiligen Wissenschaftsideologien und -

v konzepte der Zeit sowie die Situation der Universität Erlangen. In diesem Zuge wurden auch sämtliche für den Forschungszeitraum relevanten Habilitationsordnungen der Medizinischen Fakultät Erlangen analysiert.

Ergebnisse und Beobachtungen In insgesamt sieben verschiedenen Habilitationsordnungen war die Prozedur vom promovierten Mediziner zum habilitierten Hochschullehrer an der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1918 bis 1960 festgelegt. Dabei unterlag sie den vielfältigen Einflüssen der unterschiedlichen politischen Systeme, dem vorwiegenden Konservatismus in der akademischen Welt während der Weimarer Republik, dem Versuch der Gleichschaltung der Hochschullandschaft unter der NS-Regierung sowie dem oft vorschnellen Wiederaufbau des Universitätsbetriebs nach 1945. Die Universität Erlangen trat dabei vor allem vor dem Nationalsozialismus als früheste ‚braune Universität‘ bereits in den 1920ern in Erscheinung und gewann aufgrund ihrer Unzerstörtheit nach dem Nationalsozialismus unerwartet an Bedeutung und Studentenzahlen. Vor diesem Hintergrund sind die 97 Habilitationen, die an der Medizinischen Fakultät von 1918 bis 1960 erfolgten, zu betrachten. Verteilt über ein breites Fächer- und Themenspektrum emanzipierten sich in dieser Zeit nicht nur die Urologie und Orthopädie von der Chirurgie, neu war mit Helene Weinland auch die erste Habilitation einer Frau an der Medizinischen Fakultät. In einer zunehmenden Komplexität des Prozesses brachten zudem immer mehr Wissenschaftler ihre Habilitation auf den Weg, gleichzeitig stieg das durchschnittliche Alter bis zu diesem Schritt kontinuierlich an genauso wie der Zeitraum zwischen Promotion und Habilitation. Auch der Umfang der Habilitationsschrift nahm kontinuierlich zu und verlangte im Schnitt nach immer mehr Literaturquellen, welche zunehmend aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammten. Kontinuität zeigte sich jedoch bei Aspekten wie Religion, regionaler Verbundenheit und der Überzeugung bezüglich des Konzeptes der Ehe der Habilitanden. Die 13 exemplarisch behandelten Persönlichkeiten spiegeln diese Ergebnisse wider. Verteilt über ein breites Fächerspektrum finden sich einige Unterstützer bis hin zu aktiv Beteiligten des NS-Regimes sowie der einzige aus ‚rassischen‘ Gründen Ausgeschlossene aus der Medizinischen Fakultät, Pioniere neuer Fachrichtungen und Spezialisierungen, Vertreter alteingesessener Fächer, Zugewanderte und in Franken Geborene, ältere und jüngere Habilitanden und natürlich auch jene bereits erwähnte erste Habilitandin, Helene Weinland. Ihre Werdegänge geben Aufschluss über die Persönlichkeiten von Hochschullehrern, die verschiedenen Wege, die zu diesem Ziel führen können und die Rolle, die die unterschiedlichen politischen Einflüsse spielten.

(Praktische) Schlussfolgerungen Die Medizingeschichte als solche trägt in großem Maße zum Selbstverständnis der heutigen Medizin bei, hilft, Entwicklungen zu verstehen und kann im besten Fall vor zukünftigen Irrwegen bewahren. In diesem Kontext ist auch die vorliegende Arbeit zu sehen.

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Sie ist einerseits Teil der Forschung zu Medizin im Nationalsozialismus, auch wenn nicht ausschließlich die Spanne von 1933 bis 1945 behandelt wird. Durch den Blick sowohl auf die wegbereitende Zeit vor dem NS-Regime, als auch auf die Jahre danach, in denen versucht wurde, das Geschehene zu überwinden, werden ineinander greifende Mechanismen deutlich, bei denen es keinen großen Bruch zwischen den Epochen gab, wie oft vermutet wird. Die Entwicklung der Habilitationen lenkt dabei den Blick vor allem auf die Führer der geistigen Elite dieser Zeit. Gleichzeitig bereitet sie den Grund für das Verständnis noch folgender Entwicklungen in späteren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Andererseits ist die vorliegende Arbeit auch Teil der Geschichte der akademischen Emanzipation von Frauen und Zeugnis der vielen Hürden auf diesem Weg. 36 Jahre nach der offiziellen Genehmigung kam es an der Medizinischen Fakultät Erlangen das erste Mal zur Habilitation einer Frau. Darauf vorbereitet war die Fakultät dennoch nicht, obwohl sie Deutschlandweit einer der Nachzügler diesbezüglich war. Des Weiteren trägt diese Arbeit ihren Teil zur Komplettierung der Universitätsgeschichte bei. Dabei bildet sie den aus den Quellen bestmöglich extrahierbaren Status Quo ab ohne Anspruch auf absolute Vollständigkeit zu erheben. Gerade im Archivbereich muss immer mit gewissen Restriktionen umgegangen werden.

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Abstract

Background and goals The habilitation as a process of qualifying for the academic lecture recently celebrated its 200th birthday. This particular qualification by means of which lecturers still need to prove their abilities is a peculiarity of the German university system. Sceptically scrutinized abroad the proceeding is also regularly criticized at home. Yet, there hardly is any profession that is met with so much respect and credit as the one of professors. This work engages with the habilitation procedures at the Medical Faculty of the University of Erlangen between 1918 and 1960 and on the one hand tries to treat the subject as extensively as possible from a statistic point of view. On the other hand, it searches to go into detail on selected personalities of the investigation period. Thus, there is a threefold research question: How did the numerical development of the habilitation procedures evolve in all its facets between 1918 and 1960? What kind of personalities succeeded on their way to achieving the venia legendi? And what framework conditions enabled those processes in a period of time that contained four fundamental political systems, from the late Wilhelmine Empire to the Weimar Republic, the time of National Socialism and the early years of the German Federal Republic?

Methods (patients, material and research methods) The main material for the statistic revision of the habilitation processes and a first starting point were archive files set for each habilitation procedure. Respecting terms of protection and relevant dates of death an extensive data collection could be extracted from 128 habilitation files altogether. The minute book of the Medical Faculty of Erlangen, general archive files and secondary literature also constituted relevant sources. This way careers could be reconstructed and the collected data could be sorted and categorized in order to use them for a statistic analysis. For the years from 1958 on there additionally was the habilitation book of the Medical Faculty. Concerning the exemplary habilitation procedures, not only habilitation files – often including personal resumés – enabled deeper insights into the work of the assistant professors but also personal files. Moreover, secondary literature as well as paper articles, obituaries and anniversary publications were used. More general information about the characters was provided by Kürschers Deutscher Gelehrtenkalender. Photographic material showing the selected assistant professors furthermore also came from national archives and private portfolios. The elaboration of the historical background from 1918 to 1960 in contrast was conducted as classical literature research. This part was composed of secondary literature and focuses on the respective ideologies and concepts of science of each time as well as the situation of the University of Erlangen. In this context, the habilitation regulations relevant for this investigation period were analysed as well.

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Results and observations In seven habilitation regulations in total the procedure from a graduated medic to a habilitated lecturer was laid down at the Medical Faculty of Erlangen from 1918 to 1960. In the course of this, it was subject to multiple influences of the various political systems, the predominant conservatism in the academic world during the Weimar Republic, the attempt of bringing into line the academic landscape under the National Socialist government as well as the often hasty reconstruction of the German university system after 1945. The University of Erlangen particularly excelled before the time of National Socialism being the earliest ‘brown university’ in the 1920s and unexpectedly gained in importance after the time of National Socialism because of its undamaged buildings and thus growing number of students. Against this background the 97 habilitations which were conducted at the Medical Faculty between 1918 and 1960 must be looked at in detail. Spread over a broad range of fields and subjects in this time not only urology and orthopaedics emancipated from surgery, but with Helene Weinland there was also the first habilitation ever of a woman at the Medical Faculty. Becoming more and more complex the process of habilitating was undergone by more and more researchers, at the same time the average age to this step continuously rose as well as the time between graduation and habilitation. Also, the extent of the habilitation treatises kept growing and it demanded for more and more references, which increasingly originated from the Anglo-American language area. Continuity was shown in aspects such as religion, regional attachment and the positive conviction concerning marriage. The 13 exemplarily treated characters reflect these results. Spread over a broad range of subject there are supporters, even active participants of the National Socialist regime as well as the only one who was expelled from the Medical Faculty because of ‘racist’ reasons, pioneers of new disciplines and specialisations, representatives of long-established subjects, immigrants and people born in Franconia, older and younger habilitants and of course the already mentioned first woman in receiving the venia legendi, Helene Weinland. Their careers underline the personalities of lecturers, the different paths leading to this goal and the role the various political influences played.

(Practical) conclusions Medical history as such contributes to a great extend to the self-conception of contemporary medicine, helps to understand developments and – at best – is even able to prevent from future aberrations. In this context the present work is to be seen. On the one hand, it is part of the research field of medicine during National Socialism although it does not exclusively treat the period from 1933 to 1945. Because of the closer look both on the time before the National Socialist regime, which paved the way for it, and the years after, when people tried to overcome what has happened, connected mechanisms can be seen, which demonstrate that there was no deep rupture as often is assumed. The development of the habilitation process attracts attention to the leaders of the intellectual elite of this time. At the same time, it paves

ix the ground to understanding the upcoming development of later decades of the 20th century. On the other hand, this work also is part of the history of academic emancipation of women and testimony of the numerous obstacles on this way. 36 years after the official authorisation a woman succeeded in habilitating at the Medical Faculty of Erlangen for the first time. Yet, the faculty was not prepared for this although it was one of ’s latecomers in this regard. Furthermore, this work contributes to completing the university history of Erlangen. In this context it portrays the best possible status quo that can be extracted from sources without claiming absolute completeness. Especially in the archiving field one always has to deal with certain restrictions.

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Gliederung

1. Fragestellung und Forschungsstand ...... 1 2. Methodik ...... 4 3. Erlanger Wege zur Professur...... 5 3.1. Rahmenbedingungen ...... 5 3.1.1. Geschichte der Habilitation ...... 6 3.1.2. Habilitationsordnungen der Medizinischen Fakultät Erlangen ...... 7 3.1.2.1. Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Königlichen Universität Erlangen von 1907...... 8 3.1.2.2. Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1925 …………………………………………………………………………………………………………………………….9 3.1.2.3. Reichshabilitationsordnung von 1934 ...... 11 3.1.2.4. Reichshabilitationsordnung von 1939 ...... 16 3.1.2.5. Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 ...... 22 3.1.2.6. Undatierte Nachkriegshabilitationsordnung ...... 24 3.1.2.7. Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen- Nürnberg von 1954 ...... 27 3.1.2.8. Resümee ...... 29 3.1.3. Historische Gegebenheiten ...... 31 3.1.3.1. Die Universität Erlangen in der Weimarer Republik ...... 31 3.1.3.2. Wissenschaftspolitik und die Universität Erlangen im Dritten Reich ...... 36 3.1.3.3. Erlangen und die Hochschulen von 1945 bis 1960 ...... 44 3.2. Habilitationsvorgänge der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1918 bis 1960 ..... 51 3.2.1. Chronologische Übersicht über die untersuchten Habilitationsvorgänge ...... 52 3.2.2. Habilitationsvorgänge allgemein ...... 59 3.2.2 Fächerverteilung ...... 65 3.2.3 Soziale Faktoren ...... 79 3.2.4 Habilitationsschriften ...... 103 3.3. Exemplarische Habilitationen...... 118 3.3.1. Hermann Wintz ...... 118 3.3.2. Richard Wilhelm Greving ...... 124 3.3.3. Franz Ludwig Berthold Kihn ...... 126 3.3.4. Werner Lüttge ...... 131 3.3.5. Werner Hans Oskar Schuler ...... 134 3.3.6. Hermann Eyer ...... 137 3.3.7. Adolf Abraham Gustav Bingel ...... 141

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3.3.8. Johannes Schottky ...... 145 3.3.9. Walter Ritter von Baeyer...... 150 3.3.10. Wolf-Dieter Keidel ...... 154 3.3.11. Markus von Lutterotti ...... 157 3.3.12. Alfred Friedrich Sigel ...... 159 3.4. Habilitation von Frauen ...... 160 3.4.1. Geschichte der Akademisierung von Frauen in Bayern mit Schwerpunkt Erlangen ...... 161 3.4.2. Helene Weinland – die erste Habilitandin der Medizinischen Fakultät ...... 171 4. Fazit ...... 174 5. Ungedruckte Quellen ...... 177 6. Literaturverzeichnis ...... 181 7. Abbildungsverzeichnis ...... 198 8. Tabellenverzeichnis ...... 201 9. Grafikverzeichnis ...... 202

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1. Fragestellung und Forschungsstand Mit den Berliner Statuten von 1816 feierte die Habilitation dem modernen Verständnis nach vor wenigen Jahren ihren 200. Geburtstag. Bereits im 19. Jahrhundert fanden allerdings einige tiefgreifende Anpassungen statt und auch im 20. Jahrhundert ergaben sich mit beispielweise der Möglichkeit der kumulativen Habilitation seit den 1960ern noch Änderungen des Weges zur Dozentur. Diese besondere Qualifikation, mit der sich Hochschullehrer nach wie vor beweisen müssen, ist dabei eine Eigenheit des deutschen Universitätswesens und wurde seit jeher vom Ausland oft skeptisch aufgenommen.1 Auch unter deutschen Wissenschaftlern steht das Verfahren immer wieder zur Diskussion, sei es aufgrund mangelnder Transparenz, sehr hoher Arbeitsbelastungen während des Habilitationsvorgangs oder der Angst, das wissenschaftliche Niveau sinke im Hinblick auf die immer zahlreicheren Habilitanden.2 Magnus Klaue konstatiert sarkastisch, dass es dabei wenig verwunderlich sei, „dass die gegenwärtige Diskussion über die Bedeutung der schriftlichen Habilitationsleistung eher resignativ als substantiell geführt wird.“ Er hinterfragt vor allem den Zweck der Habilitationsschrift und den damit verbundenen Bildungsbegriff und erkennt gleichzeitig den Grund für die hartnäckige Beibehaltung deren guten Rufes: „Er bezieht seine Wirksamkeit nicht nur aus den Werken, in denen er sich sedimentiert hat, sondern auch aus einer bestimmten intellektuellen Praxis, aus dem vielfältigen geistigen Leben, an dem teilzuhaben seinen Exponenten versprochen ist. Verkörpert ist diese Praxis traditionell […] im Professor, dem seine Arbeitsbedingungen erlauben, Generationen von Studenten ebenso zu prägen wie eine interessierte bürgerliche Öffentlichkeit, an die sich sein Werk wendet.“3 Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Habilitationsverfahren an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1918 bis 1960. Wie viele Habilitanden beschritten den Weg zur Dozentur und wer waren sie? Welche Fächer waren am stärksten vertreten, welche wurde neu in den Kanon aufgenommen? Und wie veränderten sich die Habilitationsschriften in diesen 43 Jahren? Es ergibt sich somit für die vorliegende Arbeit eine dreigeteilte Forschungsfrage, die im Folgenden beantwortet werden soll: Wie gestaltete sich die zahlenmäßige Entwicklung der Habilitationsvorgänge in all ihren Facetten zwischen 1918 und 1960? Welche Persönlichkeiten reüssierten auf ihrem Weg zur Erlangung der Venia legendi? Und welche Rahmenbedingungen ermöglichten diese Vorgänge in einem Zeitraum, der historisch vier grundlegende politische Systeme umfasste, vom späten wilhelminischen Kaiserreich über die Weimarer Republik und die NS-Zeit bis in die frühen Jahre der Bundesrepublik? Der aktuelle Forschungsstand bezüglich der medizinischen Habilitationen von 1918 bis 1960 wird vor allem durch Renate Witterns und Astrid Leys Nachschlagewerk Die Professoren und Dozenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen aus dem Jahr 1999 abgebildet, welches sich im zweiten Band mit 290 Kurzbiographien der

1 Schubert (1993), S. 115-151; Bruch (2000), S. 69f. 2 Pabst und Schlaud (2004), S. 168f.; Weber, Lindner, Weltle und Lehnert (2000), S. 235-242. 3 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.01.2020. 1

Privatdozenten und Professoren der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1743 bis 1960 befasst. Der Fokus liegt dabei vor allem auf deren Erlanger Wirkzeit als Hochschullehrer, bezüglich der jeweiligen Habilitation wird alleinig das Fachgebiet genannt. Hierauf aufbauen gehen Renate Wittern und Astrid Ley wenig bis gar nicht auf die konkreten Abläufe des jeweiligen Habilitationsvorgangs ein, was den Schwerpunkt der nun vorliegenden Arbeit bilden soll. Auch finden sich bei ihnen keinerlei Hinweise auf Habilitationsthemen.4 Präziser auf biographische Details der Erlanger Hochschullehrer von der Universitätsgründung 1743 bis 1933 geht Olaf Willett in seiner Sozialgeschichte Erlanger Professoren von 2001 ein. Der Fokus liegt dabei auf der gesamten Friedrich- Alexander-Universität. Seine Monographie stellt vor allem eine statistische Aufarbeitung der sozialen Faktoren wie Herkunft, Konfession, Studienfach und -dauer, Familienstand, Kinderzahl, finanzielle Verhältnisse, Wohntopographie, etc. dar. Nicht abgebildet werden bei Willett die Zeit von 1933 bis 1960 oder genauere Details zu den Habilitationsvorgängen. Beides soll in dieser Arbeit geschehen.5 Eine weitere wichtige Referenz stellt Ernst Schuberts Die Geschichte der Habilitation in der Festschrift zum 250. Jubiläum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg dar. Er umreißt darin die allgemeine Entwicklung der Habilitation in Deutschland und geht, wann immer möglich, auf fächerübergreifende Erlanger Beispiele ein. Die vorliegende Dissertationsschrift versucht, sich noch detaillierter als Schubert mit den sozialen Faktoren der Kandidaten und der Fächerverteilung speziell der Medizinischen Fakultät zu befassen. Auch geht Schubert kaum auf die Habilitationsschriften ein, dies soll hier geschehen.6 Zudem zu nennen ist Alexander Buschs Werk Die Geschichte des Privatdozenten, welches sich der Entstehung, der sozialen Herkunft, der Entwicklung, der Besoldung und speziell auch der jüdischen Religionszugehörigkeit des Privatdozententums widmet. Bei Busch findet jedoch, anders als in der hier vorliegenden Arbeit, eine allgemeine Aufarbeitung der Thematik für den gesamten deutschen Raum statt. Auch begrenzt er seine Arbeit nicht auf eine spezielle Fakultät und befasst sich nicht mit exemplarischen Karrieren.7 Zu einzelnen Erlanger Hochschullehrern und damit auch deren Habilitation finden sich teilweise gesonderte Werke. So liegt zum Anatom Andreas Pratje (1892-1963) eine Arbeit von 2017 vor, die in einem gesonderten Kapitel dessen Habilitation im Jahr 1925 behandelt.8 Für die in der vorliegenden Arbeit näher betrachteten Habilitanden existieren solche aktuelleren biographischen Schriften jedoch nicht. Der aktuelle Forschungsstand über diesen Personenkreis speist sich hauptsächlich aus Jubiläumsschriften, Zeitschriftenartikeln oder Nachrufen. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass es zu den Habilitationen an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1918 bis 1960 zwar bereits Forschungsansätze gibt, diese jedoch in weiten Teilen zu wenig in die Tiefe gehen

4 Wittern (1999). 5 Willett (2001). 6 Schubert (1993). 7 Busch (1959). 8 Braun (2017). 2 bzw. nur teilweise den hier gewählten Untersuchungszeitraum abbilden. Ähnlich verhält es sich bezüglich der exemplarischen Habilitanden, über deren Leben und vor allem Habilitation bisher jeweils kaum gesammelte Informationen vorliegen. Als Untersuchungszeitraum für die vorliegende Arbeit wurde, wie bereits erwähnt, die ereignisintensive Spanne von 1918 bis 1960 gewählt, von der Gründung der Weimarer Republik also bis zur Epoche vor der Expansion der Fächer und Studentenzahlen in den 1960ern. Wie in kaum einer anderen Epoche veränderte sich das politische und gesellschaftliche Klima Deutschlands in diesen 43 Jahren mehrmals gravierend, wovon selbstredend auch das Hochschulwesen immer mitbetroffen war. In Bezug auf die Habilitationen wird dies vor allem anhand der verschiedenen Habilitationsordnungen deutlich. Dennoch glich sich die Grundidee von Hochschulen und Universitäten während dieser umwälzenden Jahre. So war es von etwa 1920 bis 1960 – wie Sylvia Paletschek resümiert – zuvorderst „die Bildungsaufgabe der Universität, der erhöhte Aufmerksamkeit zukam“9. Erst in den 1960er Jahren rückte dieser Grundsatz zugunsten der Forschungsfunktion von Hochschulen mehr in den Hintergrund.10 Bei allen Unterschieden kann dies also als verbindendes Glied angesehen werden. Als zentrales Element der Medizingeschichte gerade auch der Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg steht in dieser Arbeit zudem die Auseinandersetzung mit der Medizinischen Fakultät zur Zeit des Nationalsozialismus.11 Früher ein „Instrument und […] <> Beitrag zur Sozialisation junger Ärztinnen und Ärzte, zur historischen Selbstversicherung in ihrer von Fortschrittsgedanken beflügelten Disziplin“12, befasst sich die Medizingeschichte vor allem seit den 1980ern mit dem kritischen Rückblick auf die Geschichte des Mutterfaches.13 Dies spiegelt sich in dem hier gewählten Untersuchungszeitraum von 1918 bis 1960 wider: So bedingten die Entwicklungen der Weimarer Zeit den Aufstieg des Nationalsozialismus und so waren die Jahre nach 1945 weitestgehend geprägt von den Aus- und Nachwirkungen eben dieser Zeit. Die vorliegende Arbeit gliedert sich demnach in vier große Kapitel. Im ersten dieser Abschnitte werden die Rahmenbedingungen für die Habilitationen von 1918 bis 1960 abgesteckt. Zum einen geschieht das durch die Aufarbeitung der Geschichte der Habilitation, zum anderen durch die Analyse der verschiedenen Habilitationsordnungen, die für den Untersuchungsraum vorliegen, und die nähere Beleuchtung der historischen Gegebenheiten in den jeweiligen politischen Systemen. Der zweite Abschnitt befasst sich mit der zahlenmäßigen, das heißt statistischen Analyse der Habilitationsvorgänge im Untersuchungszeitraum. Hervorgehoben werden darin wichtige Erkenntnisse durch Grafiken zur besseren Anschaulichkeit. Das dritte und vierte Kapitel beleuchten dann ausgewählte Einzelfälle. Zunächst werden zwölf männliche Habilitanden bezüglich Lebenslaufes, Habilitationsvorgang und Karriere untersucht, bevor auf die Geschichte der weiblichen Akademisierung und

9 Paletschek (2002), S. 204. 10 Ebenda S. 204f. 11 Wittern und Frewer (2008); Leven und Plöger (2016); Leven, Rauh, Thum und Ude-Koeller (2018). 12 Eckhart (2011), S. 111. 13 Ebenda. 3 die einzige und erste Habilitation einer Frau an der Medizinischen Fakultät Erlangen bis zum Jahr 1960 eingegangen wird. Zunächst jedoch wird im Kapitel der Methodik dargestellt, wie die Daten für diese Arbeit generiert und das umfangreiche Quellenmaterial analysiert wurde.

2. Methodik Die Arbeit sucht die Habilitationsvorgänge qualitativ und quantitativ zu erfassen und zu analysieren. Am zeitintensivsten war dabei die statistische Aufarbeitung der Habilitationsvorgänge. Ausgangsmaterial dafür waren die vorliegenden Archivakten zum jeweiligen Verfahren. Diese wurden zunächst im Sonderlesesaal der Universitätsbibliothek Erlangen gesichtet und exzerpiert, um eine erste Datensammlung anlegen zu können. Für den Zeitraum von 1918 bis 1960 liegen insgesamt 128 Habilitationsakten vor, was gut einem Jahr Archivarbeit neben dem Studium entsprach. Die größte Hürde dabei waren unbekannte Todesdaten, welche für die Bestimmung von Schutzfristen allerdings von entscheidender Bedeutung sind. Deshalb wurde die Vereinbarung getroffen, Personen, die vor 1900 geboren wurden, als verstorben zu erachten. Eine Sondergenehmigung zur Schutzfristverkürzung ermöglichte zudem das Einsehen von personenbezogenen Sachakten, auch wenn der Betroffene vor weniger als 10 Jahren verstorben ist. Auch andere Quellen wie das Protokollbuch der Medizinischen Fakultät Erlangen und Archivakten, die für allgemeine Habilitationsangelegenheiten angelegt wurden, wurden in diesem Zuge ausgewertet. Anschließend galt es, die Karrieren zu rekonstruieren und die gesammelten Daten zu ordnen und kategorisieren, um sie für eine statistische Auswertung verwenden zu können. Für die Jahrgänge ab 1958 liegt zudem das Habilitationsbuch der Medizinischen Fakultät vor, welches Informationen vom Geburtsort des jeweiligen Habilitanden über das Datum des Abiturs bis hin zu Referent und Korreferent der Habilitationsschrift auflistet. So konnten umfangreiche Datensätze zu den Habilitationsvorgängen zwischen 1918 und 1960 entstehen. Ein wichtiges Kernstück für die vorliegende Arbeit stellt die dabei angefertigte Tabelle ab Seite 52, die eine chronologische Übersicht über sämtliche Habilitationen im Untersuchungszeitraum bietet. Aufgelistet sind darin die Habilitanden mit entsprechender Habilitationsschrift und Fachrichtung nach Habilitationsjahr.14 Bezüglich der exemplarischen Habilitationsvorgänge wurden erneut die jeweiligen Habilitationsakten zu Rate gezogen und genauer in Hinsicht auf Werdegang und Besonderheiten bei der jeweiligen Habilitation gesichtet. Oft fand sich hier ein von den Habilitanden persönlich verfasster Lebenslauf, der individuelle Eindrücke vermittelte. Zusätzlich ermöglichten die Personalakten der Medizinischen Fakultät in vielen Fällen tiefere Einblicke in das Wirken der Habilitanden an der Universität Erlangen. Auch hier fielen jedoch Schutzfristen an. Eine zusätzliche Zeitungsrecherche und die Sichtung von Nachrufen und Jubiläumsschriften lieferten weitere Details über die ausgewählten Habilitanden. Allgemeinere Informationen zu den einzelnen Persönlichkeiten bot teils auch Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender.15 Gesondert erwähnt sei an dieser

14 Eckhart (2011), S. 9. 15 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender. 4

Stelle ebenso die vereinzelt aufwändige Recherche bezüglich des Bildmaterials über die Personen, welches auch aus Privatbeständen zur Verfügung gestellt wurde oder in Landesarchiven außerhalb Bayerns gefunden werden konnte. Die Erarbeitung des historischen Hintergrunds von 1918 bis 1960 und der Geschichte der Habilitation gestaltete sich dagegen als klassische Literaturrecherche. Dieser Abschnitt speist sich aus der Sekundärliteratur und fokussiert sich auf die jeweiligen Wissenschaftsideologien und -konzepte der Zeit sowie die Situation der Universität Erlangen. In diesem Zuge wurden auch sämtliche für den Forschungszeitraum relevanten Habilitationsordnungen der Medizinischen Fakultät Erlangen analysiert, welche zum Teil in Archivakten eingeordnet sind, aber auch – zur Zeit des Dritten Reichs – veröffentlicht wurden, da sie für alle Universitäten des damaligen Reichs Gültigkeit hatten. Alles in allem bleibt, wie Reinhart Koselleck es bezeichnet, das Vetorecht der Quellen16: Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die im Moment verfügbaren Quellen, welche gerade im Archivbereich gewissen Restriktionen unterliegen, und kann daher keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit erheben. Gleichwohl ist mit der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, die Forschung zum Thema Habilitationen an der Medizinischen Fakultät auf ein neues Niveau zu heben.

3. Erlanger Wege zur Professur Wie bereits im Kapitel der Methodik beschrieben, gliedert sich diese Arbeit in die vier großen Abschnitte der historischen Einbettung und Rahmenbedingungen, der statistischen Analyse der Habilitationen an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1918 bis 1960 und dem detaillierteren Fokus auf ausgewählte Habilitanden, ihr Leben, ihren Habilitationsvorgang und ihre weitere wissenschaftliche Karriere getrennt nach Männern und Frauen. Als Ziel steht ein fundierter Überblick über das Habilitationsgeschehen an der Medizinischen Fakultät nach dem Ersten Weltkrieg und vor den großen Umwälzungen der 1960er Jahre.

3.1. Rahmenbedingungen Das folgende Kapitel bettet die Habilitationsvorgänge an der Medizinischen Fakultät Erlangen in ihre geschichtlichen Hintergründe ein. Zum einen wird genaueres Augenmerk auf die Tradition der Habilitation gelegt, auf ihren Ursprung, die Verbreitung und Entwicklungen. Zum anderen erfolgt eine Analyse aller für den Forschungszeitraum von 1918 bis 1960 relevanten Habilitationsordnungen der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen mit vergleichendem Resümee. Zudem werden die jeweiligen historischen Epochen detaillierter betrachtet. Für den Forschungszeitraum von 1918 bis 1960 werden deshalb die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus, sowie die unmittelbare Nachkriegszeit und die 1950er Jahre vor allem hinsichtlich Wissenschaft und Bildung und diesbezüglicher Konzepte, Politik und Ideologien analysiert. Eine gesonderte Rolle spielt dabei jeweils die Situation der Universität Erlangen.

16 Koselleck (1977), S. 44. 5

3.1.1. Geschichte der Habilitation Gut 200 Jahre ist die Tradition der Habilitation, also des „sich geeignet Machens“ (lat.), nun alt. Der Begriff an sich wurde bereits einige Jahrhunderte zuvor verwendet, allerdings für relativ undefinierte akademische Zwecke. In seinem heutigen Verständnis geht er dabei auf die eingangs im Kapitel 1. Fragestellung und Forschungsstand erwähnten Berliner Universitätsstatuten des Jahres 1816, eine Art Verfassung für die Berliner Universität, zurück und bezog sich zunächst nur auf die dortige Philosophische Fakultät.17 In diesen Festlegungen ging es jedoch weniger um konkrete Vorschriften bezüglich der Habilitationsleistungen, sondern vor allem um die „Ablehnung des Alten“18. Denn zuvor war bereits die Promotion mit einer „allgemeine[n] und freizügige[n] akademische[n] Lehrberechtigung (<>)“19 verbunden gewesen. Diese Doktortitel waren jedoch allzu oft schlicht erkauft worden, der akademische Grad damit nicht mehr aussagekräftig. Weber, Lindner, Weltle und Lehnert sprechen in diesem Zusammenhang vom „qualitativen Verfall der Promotion“20. Durch die Habilitation konnten nun wieder eine gewisse Exklusivität und Eliteanspruch geltend gemacht werden.21 Zudem gab es vor der Neuregelung eine regelrechte Konkurrenz zwischen Ordinarien und Privatdozenten um die Hörergelder der Studenten. Ein weiteres Novum war die Tatsache, dass man sich nun konkret für einen Fachbereich entscheiden musste, in dem man vorlesen wollte, und nicht mehr die generelle Erlaubnis erhielt, die Grundlagen aller Wissenschaften zu lehren. „Privatdozenten müssen […] sich in der Fakultät, in der sie lesen wollen, habilitieren und haben hierbei zugleich mit der Meldung zur Habilitation die Fächer anzuzeigen, über welche sie Vorlesungen zu halten gesonnen sind“22, zitiert der Historiker Max Lenz den Paragraphen vier des Abschnitts VIII der Berliner Universitätsstatuten. Somit fand nun in Gestalt der Habilitation eine Trennung von Doktorgrad und der Venia legendi, der Erlaubnis, Vorlesungen zu halten, statt. Vorgeschrieben dazu war laut den Statuten zunächst nur ein „freiere[r] Vortrag über ein Thema, welches von der Fakultät aufgegeben oder mit Bestimmung derselben von dem Aspiranten gewählt wird.“23 Auch in anderen Regionen Deutschlands wie Bayern und an der Heidelberger Universität gab es kurz nach 1800 Versuche, neue Regelungen der Vorlesungstätigkeit zu finden, welche allerdings konservativer waren und beispielswiese noch stark zwischen In- und Ausländern unterschieden.24 Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es anschließend erhebliche Unterschiede bezüglich der Anforderungen für die Habilitation: Manchen Fakultäten genügte ein bestandenes Examen und eine erfolgreiche Disputation, andere forderten eine gesonderte Habilitationsschrift und wiederum andere bestanden zusätzlich auf deren

17 Als entscheidende Vordenker der Habilitation als Qualifikation für die Lehre gelten der Philologe Wilhelm von Humboldt, der Theologe Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und der Philosoph Johann Gottlieb Fichte (Bruch (2000), S. 70). 18 Schubert (1993), S. 125. 19 Bruch (2000), S. 69. 20 Weber, Lindner, Weltle und Lehnert (2000), S. 235. 21 Wobbe (1996), S. 344. 22 Zitiert nach Lenz (1910), S. 458. 23 Lenz (1910), S. 459. 24 Schubert (1993), S. 126. 6

Drucklegung. Gemeinsam aber war den meisten Vorgaben, dass „[e]in Nachweis wissenschaftlicher Innovation […] nicht[!] erbracht werden [musste]“25. In Erlangen wurde von Beginn der 1743 gegründeten Universität an neben der Promotion eine Disputation pro loco zur Qualifikation für die Tätigkeit als Hochschullehrer gefordert. Dieser zusätzliche Nachweis der Eignung unterschied sich inhaltlich jedoch meist kaum von der Promotionsdisputation, weshalb der mündliche Vortrag zur Erlangung der Venia legendi als reine Formsache galt. Zudem wurde dessen Ableistung nur selten kontrolliert und konnte im Ernstfall schlicht nachgeholt werden. Erst ab 1842 gab es strengere Vorgaben für die Habilitation: Gefordert waren ein Doktorgrad der Fakultät, in der man dozieren wollte, eine „gehaltvolle, wissenschaftliche Abhandlung“26 in lateinischer oder deutscher Sprache, außerdem eine öffentliche Verteidigung ebenjener Abhandlung in lateinischer Sprache und ein mindestens 30minütiger Vortrag über ein von der Fakultät gewähltes Thema innerhalb von drei Tagen. Die Habilitationsschrift trat nun also mehr in den Fokus.27 Generell lagen die Anforderungen an diese aber unter denen an die Dissertation, weshalb es nicht verwundert, dass dieses schriftliche Werk bis zur Wende zum 20. Jahrhundert eine eher untergeordnete Rolle spielte und es auch eine zeitlich sehr enge Verbindung zwischen Promotion und Habilitation gab. Um 1850 habilitierte man sich im Schnitt zwischen 24 und 26 Jahren. Dennoch nahm die Relevanz der Habilitation immer mehr zu, sodass 1890 schon 90% der berufenen Akademiker ein solches Verfahren durchlaufen hatten. Um 1900 war das Habilitationsalter schließlich auf knapp 29 Jahre gestiegen und auch die Zeit zwischen Promotion und Habilitation hatte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts von 4,3 auf 5,9 Jahre erhöht. Mit zunehmender Relevanz ab 1900 wurden auch die Habilitationsschriften immer länger und umfassten zwischen 1886 und 1914 in etwa 60 bis 130 Seiten.28 Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich war das Konzept im Großen und Ganzen ausgereift und jede Fakultät gab sich mit einer eigenen Habilitationsordnung einen festen Rahmen für die Durchführung einer Habilitation. Diese trug jedoch nicht nur zu einer geregelten Überprüfung der Qualifikation von Hochschullehrern bei, sondern förderte im Laufe des 19. Jahrhunderts auch die Fächerdifferenzierung in den einzelnen Disziplinen. Privatdozenten konnten besonders dann auf eine Festanstellung hoffen, wenn sie einen Bereich abbildeten, der sich noch nicht im Lehrangebot der jeweiligen Universität befand. In der Medizin entwickelten sich so Fächer wie die Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde oder die Psychiatrie.29

3.1.2. Habilitationsordnungen der Medizinischen Fakultät Erlangen Auf welche Weise sich Akademiker für die Lehre von Studierenden an einer Hochschule qualifizieren können, ist in der jeweiligen Habilitationsordnung festgelegt. In einem Bericht in der Zeitschrift Forschung und Lehre von 1998 wird berichtet, dass Mediziner aus Köln in ihren Untersuchungen zu medizinischen Habilitationsordnungen

25 Schubert (1993), S. 132. 26 Zitiert nach Willett (2001), S. 160. 27 Ebenda, S. 158-161. 28 Bruch (2000), S. 70. 29 Schubert (1993), S. 115-151. 7 zu dem Schluss kamen, dass diese heutzutage keineswegs einheitlich sind, vor allem was die erforderlichen Voraussetzungen und Nachweise von Fähigkeiten angeht.30 Betrachtet man die Habilitationsordnungen, die für den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit von 1918 bis 1960 und allein für die Medizinische Fakultät Erlangens relevant waren, fällt ebenfalls auf, wie stark sich die Vorgaben über die Zeit veränderten und wie teilweise auch Prioritäten der Beurteilung verschoben wurden. Der nachfolgende Abschnitt befasst sich im Detail mit den Inhalten der einzelnen Habilitationsordnungen, den erforderlichen Leistungen der Habilitanden, den verantwortlichen Gremien, die diese beurteilten, und kleineren Änderungen wie Gebühren oder der Reihenfolge des Habilitationsvorgangs. Abschließend folgt eine zusammenfassende Übersicht der sieben untersuchten Ordnungen, die für Erlangen im Untersuchungszeitraum relevant waren.

3.1.2.1. Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Königlichen Universität Erlangen von 1907 Die erste relevante Erlanger Habilitationsordnung stammt aus dem Jahr 1907 und galt für die Medizinische Fakultät der Königlichen Universität Erlangen.31 In neun Paragraphen setzte sie die Regeln des Habilitationsverfahrens fest. Der erste Paragraph dieser Ordnung legte fest, dass Gesuche um Habilitation – hier gleichgesetzt mit der Venia legendi – an den jeweiligen Dekan zu richten waren. Außerdem regelte er die dem Gesuch beizufügenden Dokumente: Lebenslauf, Zeugnisse über die Vorbildung und Abiturzeugnis, ein Nachweis über ein „regelmässiges Studium der Medizin“, Approbations- und Promotionszeugnis.32 Außerdem wurde als minimaler Zeitraum zwischen Approbation und Bewerbung um die Habilitation eine Frist von zwei Jahren gefordert. Ausnahmen bestätigten hier die Regel. Zusätzlich wurden je eine Ausfertigung der Dissertationsschrift und aller anderen Veröffentlichungen verlangt. Auch Regelungen für ausländische Bewerber waren in Paragraphen eins festgelegt. Die Paragraphen zwei und drei beschäftigten sich mit der innerfakultären Bewertung der Habilitationsschrift. Zunächst wurde die Schrift einem Referenten und Korreferenten übergeben. Diese begutachteten sie und übersandten ihre Referate Abbildung 1: Habilitationsordnung von 1907 zurück an den Dekan. Eine Anmerkung wies in Paragraphen zwei darauf hin, dass auch der Dekan ein Gutachten verfassen durfte und in begründeten Fällen auch ein Experte, der nicht

30 Forschung und Lehre (12/1998), S. 619. 31 UAE C3/1 Nr. 319: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Königl. Universität Erlangen 1907. 32 Ebenda §1. 8

Mitglied der Fakultät war, ein Referat erstellen konnte. Anschließend zirkulierten Habilitationsschrift und Referate unter den Mitgliedern der Medizinischen Fakultät. Wer in diesem Verfahren 2/3 der Stimmen für sich gewinnen konnte, wurde offiziell zu den nächsten Schritten zugelassen. Laut Paragraphen vier wurden diese zugelassenen Anwärter nun zu einem „Colloquium coram facultate“33 eingeladen, einer mündlichen Prüfung, in der die Kandidaten beweisen mussten, dass sie sowohl in ihrem ausgewählten Fach, als auch in der Medizin generell über ausreichend fundiertes Wissen verfügten, um als Dozent lehren zu können. Befragt wurden die Bewerber dazu vom jeweiligen Fachvertreter und einem bzw. zwei anderen ernannten Fakultätsmitgliedern in Anwesenheit der gesamten Fakultät über vorher bereits festgelegte Themen des Fachgebietes und der Medizin allgemein. Auch die restlichen Mitglieder konnten Fragen stellen. Im Anschluss entschied die versammelte Fakultät, ob der Kandidat den Ansprüchen bisher genügt hatte.34 War dies der Fall, so hatte der Bewerber, laut Paragraphen sechs, 240 Exemplare der Habilitationsschrift bei der Medizinischen Fakultät vorzulegen. Der akademische Senat wurde darüber vom Dekan unterrichtet und die Probevorlesung festgesetzt. Den Ablauf dieser Probevorlesung regelte Paragraph sieben: Der ordentliche Vertreter des entsprechenden Fachgebietes schlug der Fakultät drei Themen vor, woraus diese eines auswählte.35 Vom Dekan erhielt der Habilitand daraufhin drei Tage vor der Probevorlesung Kenntnis über das festgelegte Thema. Während der Probevorlesung hatte der Kandidat dann 45 Minuten Zeit, das Thema möglichst einer Vorlesung gleich, das heißt verständlich36 und frei vorgetragen, aufzuarbeiten. Auch nach diesem Schritt beriet sich die Fakultät noch einmal über die Eignung des Habilitanden, wie Paragraph acht der Habilitationsordnung festlegte. „Der Kandidat ist erst dann als Privatdozent anzusehen, wenn die allerhöchste Bestätigung des Vorschlags erfolgt ist.“37 Der neunte und letzte Paragraph regelte dieses Verfahren für Privatdozenten, die sich bereits an anderen Universitäten habilitiert hatten und von dort an die Erlanger Medizinische Fakultät wechseln wollten. Es galten dieselben Bestimmungen, allerdings konnte die Fakultät in diesem Fall von einzelnen Schritten des Verfahrens absehen, wenn sie sie bereits als ausreichend erwiesen sah.

3.1.2.2. Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1925 Die nächste Habilitationsordnung stammt aus dem Jahr 1925, erschien also 18 Jahre nach der vorherigen Ordnung und enthielt mehrere kleine Änderungen, die über

33 UAE C3/1 Nr. 319: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Königl. Universität Erlangen 1907 §4. 34 Ebenda §5. 35 Auch aus auf anderem Weg vorgeschlagenen Themen konnte die Fakultät jedoch eines für die Probevorlesung auswählen (UAE C3/1 Nr. 319: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Königl. Universität Erlangen 1907 §7). 36 Es wurde hier jedoch auch die Verständlichkeit für Fachfremde gefordert (Ebenda §7). 37 Ebenda §8. 9 die Jahre angefallen waren.38 Grundlegende Änderungen wurden darin allerdings nicht vorgenommen. In die archivierte Version der Habilitationsordnung von 1925 sind nachträglich einige Vorschläge des Internisten, Pharmakologen und seinerzeitigen Dekans der Medizinischen Fakultät Franz Penzoldt (1849-1927), wegen seiner Körpergröße auch bekannt als ‚langer Franz‘39, eingefügt. Allerdings sprach er sich dafür aus, das Dokument nicht offiziell zu ändern, da dies einer nicht näher bezeichneten ministeriellen Genehmigung bedurft hätte. Er schlug vielmehr vor, die Neuerungen von der Fakultät genehmigen zu lassen und sie dann dem Handexemplar des Dekans anzuheften. Da keine abgeänderte Version der Habilitationsordnung von 1925 vorhanden ist, wurde diesem Vorschlag wohl Folge geleistet. Eine Änderung der Habilitationsordnung fand sich zu Beginn der Version von 1925. Vor dem ersten Paragraphen stand nun der einleitende Gedanke, dass frühzeitig vor Abgabe der Habilitationsschrift in der Fakultät über „die Persönlichkeit des Kandidaten“40 beraten werden sollte. Dies war laut dem ehemaligen Dekan Penzoldt bereits in der Fakultätssitzung vom 26. Januar 1914 beschlossen worden, also elf Jahre zuvor. Paragraph eins hingegen ist inhaltlich im Vergleich zu 1907 nicht verändert worden.41 Im zweiten Paragraphen fanden sich jedoch einige Neuerungen. Der Dekan legte nun nicht mehr einfach nur die Referenten der Habilitationsschrift fest, sondern schlug sie der Fakultät vor, welche sie dann auch ernannte. Als Erläuterung dafür sind drei Punkte angeführt: Einerseits sollten alle Fakultätsmitglieder schnellstmöglich über die Bewerbung des Kandidaten zur Habilitation erfahren. Andererseits sollte dem Dekan ein Stück weit die alleinige Verantwortung für die Wahl der Referenten abgenommen werden. Zudem wurde erwähnt, dass diese Änderungen nur die Interna der Medizinischen Fakultät Erlangens betrafen und eine Genehmigung durch das Ministerium deshalb nicht für nötig erachtet wurde.42 Dem dritten Paragraphen wurde der Zusatz hinzugefügt, dass für den Umlauf der Habilitationsschrift genug Zeit einzuplanen war, um jedem Mitglied der Fakultät das Studium der Arbeit zu ermöglichen. Als Begründung dafür wurde Fairness gegenüber dem Habilitanden genannt, welcher sich so besser auf eine längere Zirkulationsdauer einstellen konnte.43 Auch im vierten Paragraphen fanden sich einige Änderungen. Die Fakultät konnte nun den Zeitraum, den der Bewerber für die Vorbereitung der Themen für das Kolloquium hatte, frei festsetzen bzw. beschließen, ob die Themen überhaupt vorher bekannt gegeben wurden. Dies war von Fall zu Fall zu entscheiden. Begründend

38 UAE C3/1 Nr. 319: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1925. 39 Siehe dazu: Rath und Leven (2016), S. 503; Leven und Rath (2016), S. 517; Rauh (2018d), S. 83-85; Rauh (2018a), S. 86. 40 UAE C3-1 Nr. 319: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1925. 41 Ebenda §1. 42 Ebenda §2. 43 Ebenda §3. 10 wurde angegeben, dass durch spontane Äußerungen zu den Themen „selbst tüchtige Männer in der Verwirrung einen ungünstigen Eindruck machen“44 konnten. Außerdem konnte in der in Paragraphen drei erwähnten Sitzung festgelegt werden, ob extrafakultäre universitäre Zuhörer zum Kolloquium eingeladen wurden, was den Wünschen der Kollegen aus anderen Fakultäten entgegenkam. Zudem konnte der Habilitand so auch von objektiveren Beobachtern bewertet werden. Gegenüber einer festen Zulassung aller Dozenten der Medizinischen Fakultät zum Kolloquium wurde sich hier negativ ausgesprochen, da ein großer Hörsaal benötigt worden wäre und das Konzept des Kolloquiums nicht dem eines halb-öffentlichen entsprochen habe. Für eine solche Änderung der Ordnung hätte eine Genehmigung vom Ministerium eingeholt werden müssen. In Paragraphen fünf wurde eine Formulierungsänderung vorgeschlagen, die besagt, dass über den weiteren Verlauf des Habilitationsvorgehens nach Anhörung der Voten des Referenten und Korreferenten entschieden wurde und nicht wie vorher formuliert schlicht nach dem Votum des Referenten und Korreferenten. Es wurde hier also eine Demokratisierung des Verfahrens betont und hervorgehoben, dass nicht nur die Referenten entschieden. Paragraph sechs, sieben und acht wurden in der Habilitationsordnung von 1925 nicht verändert. Dem neunten Paragraphen folgte nun noch ein Zusatz, den die Fakultät in der Sitzung vom 18. Juli 1929 beschlossen hatte. Bei Umhabilitierungen wurden die bisherigen Arbeiten des Bewerbers mit kurzem Referat des Fachvertreters der antragsstellenden Universität zur Zirkulation an der Erlanger Medizinischen Fakultät gefordert. Außerdem wurde nun auf das Kolloquium verzichtet und nur noch eine Probevorlesung in Erlangen verlangt.

3.1.2.3. Reichshabilitationsordnung von 1934 Am 13. Dezember 1934 wurde von der NS-Regierung die Reichshabilitationsordnung eingeführt.45 Sie stellte einen großen Einschnitt in der Reihe der Habilitationsordnungen dar, da sie nun nicht mehr nur für einzelne Fakultäten galt, sondern zentralisierend für jede Universität des Deutschen Reiches.46 Sie kann somit als eines der Mittel zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Wissenschaftsideologie und des NS-Universitätsumbaus verstanden werden.47 Die Reichshabilitationsordnung von 1934 gliederte sich in drei Punkte: Der erste behandelte die Habilitation (§1-§7), der zweite die Dozentur (§8-§18) und unter dem dritten Punkt waren Übergangsbestimmungen geregelt (§19-§20). Paragraph eins legte die Bedingung fest, dass ein Habilitand entweder die Doktorwürde oder die theologische Entsprechung, den Lizentiatengrad, innehaben musste. Zudem war nun ein zeitlicher Mindestabstand von drei Jahren zwischen

44 UAE C3-1 Nr. 319: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1925 §4. 45 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934. 46 Olszewski (1989), S. 79. 47 Möller (1984), S. 73. 11

Hochschulabschluss48 und Habilitation gefordert, nicht mehr wie vorher zwei Jahre zwischen Promotion und Habilitation. Der zweite Paragraph regelte die akademischen Titel, die die Habilitation mit sich brachte: In der Medizin wurde der Habilitand zum Dr. med. habil., in der Theologie zum Lic. theol. habil. ernannt. „Die Zulassung zur Habilitation erfolgt ohne Rücksicht auf den Bedarf an Lehrkräften“49, lautete Paragraph drei und stellte somit eine der einschneidendsten Veränderungen der Reichshabilitationsordnung dar: „[V]enia legendi und Habilitation sind aufgrund der Verordnung vom 13. Dezember 1934 voneinander getrennt worden.“50 Begründend führte der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Unterricht in dieser Verordnung dazu an: „Der Hochschullehrer im nationalsozialistischen Staat muß als Erzieher, Lehrer und Forscher besonders strengen Anforderungen an fachliche Eignung, Persönlichkeit und Charakter genügen. Die Auswahl und Formung des Nachwuchses im akademischen Lehramt bedarf daher der denkbar größten Sorgfalt. […] Die bisher für die Habilitation gültigen Bestimmungen bieten indes keine ausreichende Grundlage zur Erreichung dieses Zieles. […] Nach den neuen Bestimmungen ist dagegen die Habilitation nur die Voraussetzung für eine Bewerbung um die Lehrberechtigung.“51 Im vierten Paragraphen waren alle neben dem Antrag einzureichenden Unterlagen aufgelistet. Gefordert wurden zunächst ein Lebenslauf mit einer eidesstattlichen Erklärung über eventuelle frühere Habilitationsversuche. An zweiter Stelle wurde der Fragebogen über die arische Abstammung des Habilitanden und gegebenenfalls seiner Frau aufgeführt. Weiterhin musste eine Auflistung aller Veröffentlichungen und die Habilitationsschrift eingereicht werden. Letztere musste, auch dies eine Neuerung, innerhalb eines Jahres publiziert werden. Eine Ausnahme waren hier Bewerber, deren bisherige Veröffentlichungen eine ausreichende Grundlage für eine Beurteilung bildeten. Mit Zustimmung der Landesunterrichtsverwaltung, der ehemaligen Hochschulbehörde, konnte bei ihnen auf die Veröffentlichung bzw. sogar die Einreichung einer schriftlichen Arbeit verzichtet werden. In Paragraphen fünf wurde die danach erforderliche Prüfung der Habilitationsschrift erwähnt, jedoch nicht näher erläutert. Nach diesem Schritt fand die wissenschaftliche Aussprache, früher Kolloquium genannt, statt, zu der jetzt auch der Rektor eingeladen werden musste. Durch die neue Hochschulverfassung wurde dieser zum Stellvertreter des Führers an der Hochschule, der nicht mehr wie früher aus dem Kreis aller Kollegen gewählt, sondern vom Staat eingesetzt wurde.52 Wenn sowohl Rektor als auch Fakultät mit dem Habilitanden einverstanden waren, unterrichtete der Rektor die Landesunterrichtsverwaltung. Laut Paragraphen sechs konnte die Fakultät anschließend – falls auch die Landesunterrichtsverwaltung zustimmte – die Habilitation aussprechen.

48 Ein Schreiben vom Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 09.12.1935 an die Hochschulverwaltungen der Länder legte den Zeitpunkt des Studienabschlusses bei Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten auf die Erlangung der Approbation fest (UAE C3/1 Nr. 320). 49 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934 §3. 50 Olszewski (1989), S. 80. 51 UAE A1/3a Nr. 951. 52 Reimann (1984), S. 51. 12

Falls jedoch Fakultät oder Landesunterrichtsverwaltung mit den Habilitationsleistungen nicht einverstanden waren, konnte frühestens nach einem Jahr erneut die Habilitation beantragt werden.53 Mit Paragraphen acht begann nun der Abschnitt über die Dozentur. Er besagte, dass nur Personen Dozenten werden konnten, die auch Beamte werden konnten. „Voraussetzung ist die Habilitation an einer deutschen Hochschule.“54 Die Bewerbung um eine Dozentur wurde an den Reichswissenschaftsminister geschickt. Das Fachgebiet, für das man die Dozentur erlangen wollte, musste laut Paragraphen neun genau begrenzt werden. Über die Landesunterrichtsverwaltung wurden die Bewerber dann passenden Fakultäten zugewiesen. Laut Paragraphen zehn hatte der Bewerber um die Dozentur anschließend eine öffentliche Lehrprobe an der zugeteilten Fakultät abzuleisten, welche auf drei verschiedene Tage einer Woche auf insgesamt drei Stunden aufgeteilt wurde. Auf eine Stunde begrenzt werden konnte die öffentliche Lehrprobe, wenn die Fakultät schon in vorangegangenen Vorträgen die Fähigkeiten des Bewerbers hatte beurteilen können. Der Bewerber schlug dazu drei voneinander und von der Habilitationsschrift unabhängige Themen vor, aus denen die Fakultät eines auswählte. Er konnte sich jetzt also aktiv in diesen Vorgang einbringen. Auch zur öffentlichen Lehrprobe war der Rektor einzuladen. Außerdem mussten Standesvertreter der Studenten und Dozenten einberufen werden. „Über ihr Ergebnis und über die Beurteilung der Persönlichkeit des Bewerbers“55 berichtete der Rektor dann an die Landesunterrichtsverwaltung. Unklar ist in diesem Kontext jedoch, wer mit ihr gemeint ist, ob nur der Rektor und die Standesvertreter oder auch die Fakultät über die Fähigkeiten des Bewerbers berieten. Eine weitere grundlegende Neuerung fand sich in Paragraph elf. Nach der stattgefundenen Lehrprobe musste sich der Bewerber bei der Landesunterrichtsverwaltung melden. Er wurde dann vom Reichswissenschaftsminister „zum Dienst im Gemeinschaftslager und zur Dozentenakademie“56 einberufen. Dieser Lagerdienst war allerdings keine explizite Neuerung der Reichshabilitationsordnung von 1934, sondern wurde schon durch einen Erlass der Preußischen Unterrichtsverwaltung vom 18.10.1933 in Form von einem Wehrsport- oder Arbeitslager mit anschließender Dozentenakademie eingeführt. Bayern folgte bald darauf dieser Verordnung.57 Im Gemeinschaftslager sollten die angehenden Dozenten zusammen mit „dem Arbeiter, Bauern, Handwerker und Kaufmann [leben]. Auf diese Art wird zweifellos am schnellsten mit etwaigen Standesvorurteilen aufgeräumt.“ Zudem verlangte der Nationalsozialismus „daß sie im Wehrsport sich Sinn für Mannestum, Gehorsam und Selbstzucht aneignen.“58 Die Möglichkeit zur Erlangung der Dozentur war also gebunden an den Lagerdienst oder an Geländesport.59 Olszewski fasst die Änderungen folgendermaßen zusammen: „Das

53 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934 §7. 54 Ebenda §8. 55 Ebenda §10. 56 Ebenda §11. 57 UAE A1/3a Nr. 884. 58 Beide Zitate: UAE A1/3a Nr. 951: Artikel aus dem Völkischen Beobachter von Dr. Harnapp vom 15.06.1935. 59 Möller (1984), S. 73. 13

Recht auf eine Dozentenstelle wurde mit außergewöhnlichen Kriterien verbunden: mit politischen Gutachten des Rektors, des NS-Dozentenbundes und des NS- Studentenbundes, mit einem Ariernachweis und schließlich mit der Absolvierung eines Dienstes im Geländesport oder in einem Arbeitslager.“60 Wer in diesem Lager versage, so der Erziehungsminister 1933 auf einer Kundgebung, der habe kein Recht darauf, Deutschland akademisch zu führen.61 Paragraph zwölf erläuterte, dass die Beurteilung über den Lagerdienst und die Dozentenakademie von den jeweiligen Vorstehern direkt an die Landesunterrichtsverwaltung zu schicken waren. Der Bewerber um die Dozentur erhielt Teilnahmebescheinigungen. Aufgrund dieser Urteile wurde laut Paragraphen 13 dem Reichswissenschaftsminister von der Landesunterrichtsverwaltung dann die Annahme oder die Ablehnung des Bewerbers vorgeschlagen. Wenn schließlich auch der Reichswissenschaftsminister zustimmte, erteilte die Landesunterrichtsverwaltung dem Bewerber die Lehrbefugnis.62 Paragraph 15 regelte eine eventuelle fachliche Erweiterung der Lehrbefugnis: Die Fakultät stellte einen Antrag bei der Landesunterrichtsverwaltung, diese reichte ihn an den Reichswissenschaftsminister weiter und bestätigte bei dessen Genehmigung auch die beantragte Erweiterung. Laut Paragraphen 16 war die Lehrbefugnis „für sämtliche Hochschulen des Deutschen Reiches“63 gültig. Allerdings war ein Wechsel der Hochschule nur mit Zustimmung des Reichswissenschaftsministers möglich. Ein solcher Wechsel konnte auch von ihm angeordnet werden.64 Zudem konnte der Reichswissenschaftsminister, so Paragraph 18, Dozenten die Lehrbefugnis aberkennen oder sie beschränken, „wenn es im Universitätsinteresse geboten ist.“65 Unter den letzten Punkt der Übergangsbestimmungen fielen die Paragraphen 19 und 20. Sie besagten, dass die Reichshabilitationsordnung mit dem Tage ihrer Verkündung galt und damit alle vorherigen Bestimmungen außer Kraft setzte. „Auf die nach den bisherigen Bestimmungen Habilitierten findet die Reichs-Habilitations- Ordnung sinngemäß Anwendung.“66 Auch wenn diese nicht mehr an deutschen Hochschulen lehrten, stand ihnen der akademische Grad eines habilitierten Doktors bzw. Lizentiaten zu. Unterschrieben war die Reichshabilitationsordnung vom Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust (1883-1945)67. Zusätzlich zur Reichshabilitationsordnung findet sich in der entsprechenden Archivakte noch ein Dokument mit dem Titel „Geschäftsgang bei der Bewerbung um den Titel Dr. habil. oder die Dozentur auf Grund der verschiedenen Ministerialentschließungen“, eine Ergänzung also der Reichshabilitationsordnung von

60 Olszewski (1989), S. 80f. 61 Möller (1984), S. 73. 62 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934 §14 63 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934 §16. 64 Ebenda §17. 65 Ebenda §18. 66 Ebenda §20. 67 Deutsche National Bibliothek: Bernhard Rust. 14

1934. Untergliedert ist das Schriftstück in die zwei großen Unterpunkte Habilitation und Dozentur. 68 Unter dem Punkt Habilitation waren noch einmal alle Unterlagen aufgelistet, die der Bewerber einzureichen hatte. Teilweise sind hier detaillierte Erklärung angefügt, wie beim Fragebogen über die arische Abstammung des Habilitanden und gegebenenfalls seiner Ehefrau. Dabei wurden nun explizit der Fragebogen, die Geburtsurkunden, sowie die Heiratsurkunde des Bewerbers und dessen Eltern und Schwiegereltern verlangt. Außerdem wurde zusätzlich Auskunft gefordert über die Mitgliedschaft einerseits in der NSDAP und andererseits in den der NSDAP ideologisch entgegenstehenden Organisationen der kommunistischen Partei, der Logen und der Schwarzen Front. Zudem wurde hier festgelegt, dass „Ausländer […] zur Habilitation zugelassen werden [können].“69 Das Dokument zum Geschäftsgang erläuterte außerdem, welche Unterlagen von der Fakultät einzureichen waren, dass auch die Fakultät Bewerber zurückweisen konnte bevor sie die Habilitationsschrift geprüft hatte und welche Schritte beim Habilitationsprozess einzuhalten waren. Dies überschnitt sich Großteils mit der Reichshabilitationsordnung. Des Weiteren wurde geregelt, dass die Habilitationsschrift in 53 gedruckten Exemplaren spätestens ein Jahr nach der Promotion zum Dr. habil., bzw. in Form von drei maschinengeschriebenen oder gedruckten vollständigen Habilitationsschriften und 50 Kurzfassungen eingereicht werden musste. Davon verblieb je ein Exemplar in der Staatsbibliothek, in der Universitätsbibliothek und bei der Fakultätsakte. Die restlichen 50 Drucke waren der „Universitätsbibliothek zu Tauschzwecken“70 auszuhändigen. Erst nach Abgabe dieser gedruckten Exemplare galt die Habilitation als vollzogen. Für die Ausstellung der Urkunde hatte der Habilitand drei Reichsmark ans Rentenamt zuzahlen. Außerdem wurde die Bezeichnung habil. seinem bisherigen Doktortitel angehängt. So wurde aus einem vorherigen Dr.med. ein Dr.med.habil, aber kein Dr.med. et Dr.med.habil., wie wohl fälschlicherweise von manchen angenommen worden war und deshalb explizit ausgeführt war.71 Der Unterpunkt der Habilitation endete mit der Bemerkung „Bezüglich Meteorologen besondere Bestimmungen.“72 Das Kapitel Dozentur war ebenso gegliedert wie das zur Habilitation. Zunächst wurden die Unterlagen aufgelistet, die der Antragssteller einzureichen hatte: den Antrag mit genauer Fachbegrenzung seiner Tätigkeit als Dozent, die Genehmigung seiner Habilitation durch die Fakultät, die Gutachten der Habilitationsschrift und sämtliche Unterlagen, die auch bei der Habilitation aufgelistet waren. Zudem wurde die „Meldung bei Landesunterrichtsverwaltung zum Dienst im [Ge]meinschaftslager [sic!] und Dozentenakademie (insgesamt 6 Wochen). Meldungen entsprechend über

68 UAE C3/1 Nr. 320: Geschäftsgang bei der Bewerbung um den Titel Dr. habil. oder die Dozentur auf Grund der verschiedenen Ministerialentschließungen. 69 Ebenda. 70 Ebenda 71 Die Regelung ist einem Schreiben des Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 10.09.1936 an die Hochschulverwaltungen der Länder zu entnehmen (UAE C3/1 Nr. 320). 72 UAE C3/1 Nr. 320: Geschäftsgang bei der Bewerbung um den Titel Dr. habil. oder die Dozentur auf Grund der verschiedenen Ministerialentschließungen. 15

örtliche Dozentenschaft an Deutsche Dozentenschaft.“73 gefordert. In einem Schreiben vom 11. Mai 1937 verkündete der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung jedoch die Zusammenlegung von Gemeinschaftslager und Dozentenakademie zum sogenannten Dozentenlehrgang mit einer Dauer von vier Wochen. Dazu melden konnten sich Bewerber jetzt schon ab Zulassung zur Habilitation durch den jeweiligen Dekan. Erläuternd fügte der Reichsminister noch hinzu: „Der Dozentenlehrgang hat den Zweck, die angehenden Dozenten mit den gegenseitigen zentralen Fragestellungen der Wissenschaft und Forschung vertraut zu machen. Es erscheint weiterhin notwendig, daß die künftigen Dozenten sich schon frühzeitig kennenlernen, wodurch der Gemeinschaftsgeist aller Dozenten über die Grenzen der Fakultäten und der einzelnen Hochschulen hinweg geweckt und gefördert wird.“74 Kurz nach Beginn des Krieges mussten jedoch die Dozentenlehrgänge ausgesetzt werden, wie die Habilitationsakten von Adolf Bingel, Kurt Denecke und Edmund Thiermann aus dem Jahr 1939 belegen. Nähere Gründe dafür wurden nicht angegeben. Den Habilitanden wurde gestattet, die Teilnahme am Lager nach Ende des Krieges nachzuholen.75 Zum Schluss des Unterpunktes zur Dozentur wurde konstatiert, dass Ausländer keine Dozenten werden konnten. Die Auflagen, die die Fakultät zu erfüllen hatte, folgten anschließend und entsprachen denen der Reichshabilitationsordnung. Die Dozentur wurde schließlich durch den Reichskulturminister „auf dem üblichen Dienstweg“76 verliehen.

3.1.2.4. Reichshabilitationsordnung von 1939 Aufgrund der wirtschaftlichen Lage, des Nachwuchsmangels bei Hochschullehrern und der Angliederung der sudetendeutschen Gebiete und Österreichs an das Deutsche Reich sei 1939 nach fünf Jahren eine Änderung der Reichshabilitationsordnung nötig gewesen, so der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (im Folgenden abgekürzt mit RMfWEV), Rust, in Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, dem Amtsblatt des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der Unterrichtsverwaltungen der Länder. Am 17. Februar 1939 wurde schließlich eine aktualisierte Reichshabilitationsordnung veröffentlicht.77 Als neu beschrieb der Reichsminister nun die Verkürzung des Habilitationsverfahrens und die Tatsache, dass Dozenten mit Verleihung ihrer Lehrbefugnis außerplanmäßige Beamte auf Widerruf wurden, was finanzielle Sicherung bringe.78 Auch die Neufassung der Reichshabilitationsordnung war in die Punkte Habilitation (§1-§11) und Erwerb der Lehrbefugnis (§12-§22) gegliedert und auch zu dieser

73 UAE C3/1 Nr. 320: Geschäftsgang bei der Bewerbung um den Titel Dr. habil. oder die Dozentur auf Grund der verschiedenen Ministerialentschließungen. 74 UAE C3/1 Nr. 320. 75 Siehe dazu: UAE C3/4a Nr. 120, UAE C3/4a Nr. 121, UAE C3/4a Nr. 122. 76 UAE C3/1 Nr. 320: Geschäftsgang bei der Bewerbung um den Titel Dr. habil. oder die Dozentur auf Grund der verschiedenen Ministerialentschließungen. 77 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 126-134. 78 Ebenda, S. 126. 16

Reichshabilitationsordnung existierten Durchführungsbestimmungen, die genauere Details erläuterten. Diese unterschieden sich jedoch kaum von denen zur Reichshabilitationsordnung von 1934. Paragraph eins der Reichshabilitationsordnung von 1939, betitelt Dr.habil., legte fest, dass man durch die Habilitation den Titel eines Dr.habilitatus bzw. eines habilitierten Lizentiaten erlangte. Dieser Zusatz wurde in den ursprünglich schon vorhandenen akademischen Grad eingefügt. Unter Paragraphen zwei, Voraussetzung für die Verleihung, war vermerkt, dass eine wissenschaftliche Arbeit und Aussprache Voraussetzungen für die Erlangung dieses Grades waren. „Die Zulassung zur Habilitation erfolgt ohne Rücksicht auf den Bedarf an Lehrkräften“79, besagten die Durchführungsbestimmungen der neuen Ordnung. Die Voraussetzung für die Zulassung, die Paragraph drei beschrieb, war neben der Lizentiaten- bzw. Doktorwürde eine wissenschaftliche Tätigkeit von nun nur noch mindestens zwei Jahren nach Studienabschluss. „Deutsche Staatsangehörige müssen ferner die Voraussetzungen der §§25 und 26 des Deutschen Beamtengesetzes erfüllen“80, lautete eine weitere Vorschrift. Der vierte Paragraph erklärte den Antrag. Beschrieben wurde wie auch schon in der Version der Reichshabilitationsordnung von 1934, welche Dokumente dem Antrag beizufügen waren: Neben Lebenslauf, eidesstattlicher Erklärung über frühere Habilitationsversuche und die wissenschaftliche Tätigkeit und sämtlichen Dokumenten zur arischen Abstammung des Bewerbers sowie gegebenenfalls seiner Ehefrau wurde nun noch ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis verlangt. Zudem mussten auch alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Habilitationsschrift eingereicht werden. In einem Schreiben des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 20. Mai 1939 an die Rektoren der drei Landesuniversitäten, der Technischen Hochschule München und der Philosophisch-Theologischen Hochschulen wurden zusätzlich ein Auszug aus dem Strafregister und eine Übersicht über Einkommens- und Vermögensverhältnisse gefordert.81 Dies alles war Abbildung 2: Reichshabilitationsordnung bei einer Fakultät einzureichen, die das entsprechende von 1939 Fach vertrat. Dazu äußern sollte sich dann der örtliche Dozentenbundführer, über die Zulassung des Antrags zu entscheiden hatte der Dekan.

79 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 129. 80 Ebenda, S. 127 §3. Laut Paragraphen 25 und 26 des Deutschen Beamtengesetztes vom 26.01.1937 konnte nur derjenige Beamter werden, „wer deutschen oder artverwandten Blutes ist“ (Deutsches Beamtengesetz (1942), S.8 §25). Dasselbe galt für den Ehepartner eines Beamten. Weitere Voraussetzungen waren die Reichsbürgerschaft, eine entsprechende Eignung bzw. Ausbildung und die Gewähr dafür, „daß er jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintritt“ (Ebenda §26). 81 UAE C3/1 Nr. 320. 17

Paragraph fünf widmete sich der Habilitationsschrift, mit der der Habilitand beweisen sollte, dass er fähig war, wissenschaftlich und selbstständig zu arbeiten. Zudem sollte die Schrift „geeignet sein, die wissenschaftliche Erkenntnis zu fördern.“82 Genaue Bestimmungen zur Prüfung der Schrift fanden sich in den Durchführungsbestimmungen: Sie musste auf Deutsch verfasst worden sein, zwei Berichterstatter bewerteten die Arbeit und falls sie abgelehnt wurde, durfte sie nicht noch einmal eingereicht werden.83 Nachdem er den Fakultätsausschuss befragt hatte, entschied der Dekan, ob die Habilitationsschrift anerkannt wurde. Wurde sie abgelehnt, konnte der Habilitand sich nach mindestens einem Jahr noch einmal bewerben. Eine weitere Bitte um Zulassung wäre nur im Ausnahmefall und mit Zustimmung des RMfWEV genehmigt worden. Auf die Einreichung einer Arbeit konnte wie auch schon 1934 verzichtet werden, wenn der Habilitand durch seine vorherigen Veröffentlichungen schon ausreichend beurteilt werden konnte. Dazu war jedoch auch die Zustimmung des Rektors nötig. Nachdem die Habilitationsschrift angenommen worden war, wurde der Habilitand nun vom Rektor zu einer wissenschaftlichen Aussprache, so auch der Titel von Paragraphen sechs, aufgefordert. „Rechtfertigt die wissenschaftliche Aussprache die Überzeugung, daß der Bewerber sich über Fragen seines Faches befriedigend auszusprechen vermag, so veranlaßt der Dekan den Habilitanden zur Drucklegung der Habilitationsschrift.“84 Dieser Druck hatte innerhalb eines Jahres zu geschehen, die Frist konnte als Ausnahme vom Dekan einmal um ein weiteres Jahr verlängert werden. Von einer Auflage zur Publikation der Habilitationsschrift war in der Reichshabilitationsordnung von 1939 nicht mehr die Rede. Paragraph sieben trug den Titel Vollziehung der Habilitation. War nun auch die wissenschaftliche Aussprache befriedigend, stellte der Dekan die Urkunde aus und vollzog so die Habilitation. Dies musste dem RMfWEV gemeldet werden. Als ungültig galt die Habilitation, wenn die Druckexemplare der Schrift – die Durchführungsbestimmungen forderten vier Drucke der vollständigen Arbeit für die Staats- oder Landesbibliothek, die Hochschulbibliothek, für die Deutsche Bücherei in Leipzig und die jeweilige Fakultätsakte85 –nicht fristgerecht eingereicht wurden. Auch darüber musste der Reichsminister informiert werden. Zudem forderten die Durchführungsbestimmungen eine Stellungnahme des Rektors darüber, „ob die Erwerbung der Lehrbefugnis durch den Habilitanden im Hochschulinteresse erwünscht ist oder nicht.“86 Eine Zurücknahme des Habilitationsgesuches konnte nur mit Einverständnis des Dekans erfolgen, wenn der Kandidat bereits zugelassen worden war.87 So sollte

82 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 127 §5. 83 Ebenda, S. 130. 84 Ebenda, S. 127 §6. 85 Ebenda, S. 130. Ein zusätzlicher Erlass des RMfWEV vom 16.02.1940 forderte zwei weitere Drucke für die Preußische Staatsbibliothek und die Universitätsbibliothek in Berlin (UAE A1/3a Nr. 951). 86 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 130. 87 Ebenda, S. 127 §8. 18 vermieden werden, dass eine wahrscheinliche Ablehnung der Habilitation umgangen werden konnte.88 Im Gegensatz zur Reichshabilitationsordnung von 1934 wurde die Habilitation nun explizit als kostenfrei bezeichnet, wie Paragraph neun, Gebühren, festhielt. Trotzdem war die Ausfertigungsgebühr für das Diplom von drei Reichsmark einzuzahlen.89 Über die Entziehung des Dr.habil. führte Paragraph zehn aus. Dies war möglich, wenn der Titel nachweislich durch Täuschung erlangt worden war, oder man feststellte, dass erforderliche Voraussetzungen entgegen vorheriger Annahmen nicht erfüllt waren. Dazu zählten unter anderem die Fälschung eines Zeugnisses oder falsche eidesstattliche Versicherungen.90 Außerdem verlor man den Grad, „wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Inhaber der Verleihung des Grades unwürdig war“91, oder sich der Habilitand durch ein späteres Verhalten als unwürdig herausstellte. Dies war der Fall, wenn dem Kandidaten die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wurde.92 Drohte einem Mitglied der NSDAP die Aberkennung des Dr.habil., so musste der verantwortliche Gauleiter informiert werden und der örtliche Dozentenbundführer hinzugezogen werden. Der Habilitand konnte sich dann vor einem Ausschuss noch einmal zu den Vorwürfen äußern, außer ihm war bereits auch die Staatsbürgerschaft entzogen worden.93 Über eine Aberkennung entschieden generell Dekane und Rektor nachdem der Rektor den örtlichen Dozentenbundführer zur Persönlichkeit des Habilitanden befragt hatte. Innerhalb eines Monats konnte der Habilitand Beschwerde beim RMfWEV einlegen, was jedoch keine aufschiebende Wirkung hatte. Über die Zulassung von Ausländern verhielt man sich in Paragraphen elf nun eher zurückhaltend. Der Reichsminister hatte jeweils darüber zu entscheiden. Voraussetzung war beispielsweise laut Durchführungsbestimmungen zur Reichshabilitationsordnung ein Doktorgrad, der unter denselben Bedingungen erworben worden war, wie denjenigen, die damals im Deutschen Reich gefordert wurden. 94 Außerdem musste der Antragssteller versichern, dass er kein Jude war.95 Mit Paragraphen zwölf, Lehrbefugnis, begann nun der Abschnitt Erwerb der Lehrbefugnis. Er regelte die Berechtigung zur Lehrtätigkeit an einer Hochschule des Deutschen Reiches auf dem jeweiligen Fachgebiet durch Verleihung der Dozentur. Die Voraussetzungen für den Erwerb der Lehrbefugnis wurden in Paragraphen 13 erfasst: Erfüllung der Paragraphen 25 und 26 des Deutschen Beamtengesetzes – Ausländern war der Erwerb der Dozentur also nicht möglich96 –, Erwerb des Dr. bzw. Lic.habil. an einer deutschen Hochschule, die bestandene öffentliche Lehrprobe und die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang im Reichslager für Beamte. Außerdem verkündete der RMfWEV am 01. August 1942 in einem Schreiben an die drei

88 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 131. 89 Ebenda. 90 Ebenda. 91 Ebenda, S. 127 §10. 92 Ebenda, S. 131. Parallelfälle auf der Ebene der Promotion kamen in Erlangen vor (vgl. Wittern und Frewer (2008)). 93 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 131. 94 Ebenda, S. 129. 95 Ebenda, S.131. 96 Ebenda. 19

Landesuniversitäten, die Technische Hochschule München und die Hindenburg Hochschule Nürnberg, dass bei der Verleihung von Lehrbefugnissen vor allem Kriegsteilnehmer berücksichtigt werden sollten, auch wenn diese nicht sofort als Dozent tätig sein konnten. Es gehe unabhängig von aktuellem Bedarf darum, eine gute Reserve von qualifizierten Hochschullehrern zu schaffen, da besonders in der Nachkriegszeit hohe Anforderungen bevorstünden.97 Der Antrag für die Zulassung zur öffentlichen Lehrprobe sollte laut Paragraphen 14 unter genauer Begrenzung des Fachgebietes bei der Fakultät eingereicht werden, an der der Bewerber später auch hatte arbeiten wollen. Dazu wurden von der Fakultät, an der sich der Kandidat habilitiert hatte, Gutachten über das Habilitationsverfahren eingereicht.98 Über die Zulassung zur Lehrprobe entschied dann der Rektor nach Anhörung der Fakultät und Äußerung des örtlichen Dozentenbundführers. Im Falle einer Ablehnung konnte der Habilitand den Reichsminister um eine Entscheidung bitten. Der Reichsminister konnte den Bewerber auch an eine andere Fakultät verweisen. Wurde der Kandidat jedoch angenommen, so hatte er an drei verschiedenen Tagen innerhalb einer Woche über insgesamt drei Stunden eine öffentliche Lehrprobe, wie Paragraph 15 auch betitelt war, in seinem Wissenschaftsgebiet zu lesen. Wie bereits 1934 konnte diese auf eine Stunde beschränkt werden, wenn man den Bewerber schon in anderen Vorträgen hatte beurteilen können99. Ebenfalls gleich geblieben war die Regelung, dass der Dekan aus drei Vorschlägen des Kandidaten, die voneinander und von der Habilitationsschrift unabhängig zu sein hatten, einen auswählte. Zur Probevorlesung eingeladen wurden wie schon 1934 festgelegt neben der Fakultät auch der Rektor und die örtlichen Studenten- und Dozentenbundführer.100 Das Ergebnis der öffentlichen Probevorlesung, die Beurteilung des Charakters des Bewerbers und einen persönlichen Vorschlag zu Annahme oder Ablehnung sendete der Rektor dann an den RMfWEV. In Paragraph 16, Reichslager für Beamte, war festgelegt, dass sich Kandidaten schon nach Zulassung zur Habilitation durch den Dekan zum Lehrgang melden konnten. Eine Anmeldung musste der Dekan unmittelbar dem RMfWEV melden.101 Das letzte Wort über die Verleihung der Lehrbefugnis, so Paragraph 17, hatte der Reichsminister. Bei einer Verleihung wurde der Kandidat zum außerplanmäßigen Beamten auf Widerruf ernannt und war „als solcher verpflichtet, sein Fachgebiet an einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule zu vertreten.“102 Bewährte sich ein Dozent, so konnte er vom RMfWEV zum außerplanmäßigen Professor ernannt werden. „Vorschläge auf Ernennung zum außerplanmäßigen Professor sind in der Regel nach Ablauf einer sechsjährigen Dozentenzeit […] zulässig.“103 In einem Schreiben an die Unterrichtsverwaltungen der Länder mit

97 UAE C3/1 Nr. 320. 98 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 132. 99 Möglich war zum Beispiel die Anerkennung von Praktika oder Seminarübungen (Ebenda). 100 Ebenda, S. 132. 101 Ebenda, S. 133. 102 Ebenda, S. 128 §17. 103 Ebenda, S. 133. 20

Hochschulen vom 14. Mai 1943 erklärte der Reichsminister, dass diese Wartezeit für Wehrdienstleistende als Härteausgleich abgekürzt werde.104 Aus dieser Ernennung entstünden jedoch keine Ansprüche an den Staat, v.a. nicht auf einen planmäßigen Lehrstuhl.105 Dem Antrag auf Beförderung eines Dozenten musste der Dekan ein detailliertes Gutachten über die pädagogischen und schriftlichen Leistungen, die politische Einstellung und die Persönlichkeit des Kandidaten beifügen, außerdem etwaige Referenzen von außerhalb der Fakultät, sowie einen Lebenslauf und ein Verzeichnis der wissenschaftlichen Schriften.106 Paragraph 19 regelte, dass der Rektor Gesuche um Erweiterung der Lehrbefugnis an dem RMfWEV zu richten hatte. Wollte man die Hochschule wechseln, benötigte man ebenfalls die Zustimmung des Reichsministers. Ein Wechsel konnte jedoch auch vom Minister angeordnet werden.107 Auch Einschränkungen der Lehrbefugnis konnten vom RMfWEV veranlasst werden, „wenn es im Hochschulinteresse geboten ist.“108 Für die Kündigung des Beamtenverhältnisses galt Abschnitt VII des Deutschen Beamtengesetzes109, also die Ausscheidung aus dem Beamtenverhältnis unter anderem bei Umzug ins Ausland, Verlust des Reichsbürgerrechts, Verweigerung des Eides oder Übertreten in den Ruhestand.110 Entlassungen fanden hauptsächlich dann statt, wenn der Hochschullehrer ohne Genehmigung seine Dozentur für mindestens zwei Jahre unterbrach. Von Fall zu Fall entschied dann der RMfWEV, ob Dozenten ihre Amtsbezeichnung mit der Ergänzung a.D. weiterhin führen durften. Das Innehaben des Titels Dr.habil. wurde von einer Entlassung jedoch nicht beeinflusst.111 Auch der Erwerb der Dozentur war prinzipiell kostenfrei, wie Paragraph 22, Gebühren, festhielt. Unter III. wurde schließlich verkündet, dass die neue Reichshabilitationsordnung rückwirkend ab 01. Oktober 1938 galt und die vorherige Reichshabilitationsordnung und die Ordnungen der neu angegliederten Gebiete außer Kraft setzte. Die Paragraphen 17 und 18 galten nicht für Dozenten der alten Ordnung. Auf Antrag konnten diese aber innerhalb der Übergangsfrist von einem Jahr zu Dozenten neuer Ordnung ernannt werden. Unterzeichnet war die Reichshabilitationsordnung vom RMfWEV Rust. Zusammenfassend ergab die neue Reichshabilitationsordnung von 1939 mehrere kleine Änderungen. Da es laut Rust wie schon eingangs erwähnt an Nachwuchs der Hochschullehrer mangelte, wurden diesbezüglich einige Neuerungen vorgenommen: Es wurden nun nur noch zwei Jahre wissenschaftlicher Arbeit nach Studienabschluss statt drei gefordert und die Habilitation war explizit kostenfrei. Außerdem musste die Habilitationsschrift nicht mehr publiziert werden. Einige Verschärfungen der Ordnung

104 UAE C3/1 Nr. 320. 105 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 128 §18 Ernennung von Dozenten zu außerplanmäßigen Professoren. 106 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 133. 107 Ebenda, S. 128 §20 Wechsel der Hochschule. 108 Ebenda, S. 129 §21 Einschränkung der Lehrbefugnis, Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. 109 Ebenda. 110 Deutsches Beamtengesetz (1942), S.496-604 Abschnitt VII Beendigung des Beamtenverhältnisses. 111 Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 134. 21 gab es jedoch trotzdem. War ein Habilitationsantrag einmal genehmigt, konnte er nicht ohne weiteres zurückgezogen werden, nur um eine Ablehnung zu umgehen. Außerdem gab es nun genaue Ausführungen über den Entzug des Titels Dr.habil. bei Täuschung oder nach damaligem Ermessen unwürdigem Verhalten.

3.1.2.5. Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 Zum Wintersemester 1946/1947 trat die sogenannte Ordnung der Verhältnisse der Dozenten in Kraft.112 In einem Schreiben vom 16. Juli 1946 führte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus, dass sich Hochschulen und Ministerium darüber einig gewesen seien, dass sich die „Unterscheidung zwischen Habilitation und Erwerb der Lehrbefugnis nicht bewährt hat.“113 Daher wurde die Ordnung der Verhältnisse der Dozenten erstellt, welche an die Handhabung von vor 1933 anknüpfte. Darin geregelt waren neben Venia legendi, Bezügen und Stellung der Dozenten auch Details über die Bewerbung zur Habilitation. „Wesentlich ist vor allem, dass künftig keine Diäten mehr bewilligt werden, sondern nur noch Vergütungen nach Massgabe der neuen Ordnung“, wurde in dem Schreiben betont.114 So sollte verhindert werden, dass ungeeignete Dozenten weiterhin bezahlte Stellen innehatten. Die Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 war in die vier Kapitel Erteilung der Lehrbefugnis (§1-§12), Stellung des Dozenten (§13-§22), Bezüge (§23- 29) und Übergangs- und Schlussbestimmungen (§30-§31) unterteilt. Paragraph eins regelte die Voraussetzungen für die Bewerbung um die Venia legendi: Man musste zunächst die Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten erfüllen, welche hier nicht näher erläutert wurden, seine Promotion nun explizit mit den Noten summa cum laude oder magna cum laude abgeschlossen haben und schließlich mindestens zwei Jahre ausschließlich bzw. vier Jahre neben dem Hauptberuf wissenschaftlich gearbeitet haben, was durch entsprechende schriftliche Arbeiten nachgewiesen wurde. In Paragraphen zwei wurde festgehalten, dass sich die Habilitationsschrift, die anschließend einzureichen war, mit einem Fachgebiet zu befassen hatte, welches in der Fakultät vertreten war. Andernfalls musste der Antrag abgelehnt werden. Laut Paragraphen drei entschied die Fakultät, ob ein Bewerber angenommen wurde oder nicht. Falls eine Habilitationsschrift abgelehnt wurde, konnte die Fakultät einen Zeitraum festlegen, in dem die Schrift vom Habilitanden noch einmal geändert werden konnte. Falls die Habilitationsschrift jedoch anerkannt wurde, so Paragraph vier, musste der Anwärter vor Vertretern des Senats und der Fakultät einen sogenannten öffentlichen Probevortrag halten, der nicht abgelesen werden durfte und eine akademische Stunde dauern sollte. Dazu schlug der Bewerber der Fakultät zunächst drei Themen aus verschiedenen Bereichen seines Fachgebietes vor, woraus die Fakultät einen Vorschlag auswählte. Nach erfolgter Vorlesung fand das Kolloquium, vormals

112 UAE C3/1 Nr. 320: Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946. Der Umgang mit dem Nationalsozialismus nach 1945, sowie Entlassungen und ‚Entnazifizierungen‘ werden in Kapitel 3.1.3 ab Seite 31 behandelt. 113 Ebenda. 114 Ebenda. 22 wissenschaftliche Aussprache, statt. Hier wurden Fragen des gesamten Faches, für welches sich der Anwärter beworben hatte, über eine Dauer von mindestens einer Stunde behandelt. In Paragraphen fünf war festgelegt, dass die Habilitation nicht bestanden war, sobald eine der drei Teilleistungen nicht anerkannt wurde. Über die Ablehnung eines Anwärters mussten auch alle anderen Hochschulen informiert werden. Nach einem Jahr konnte sich der Habilitand erneut und ein letztes Mal bei der Fakultät oder an einer anderen Hochschule bewerben. Hatte der Bewerber jedoch alle drei Teilleistungen erfolgreich absolviert, beantragte die Fakultät beim Senat die Verleihung der Lehrbefugnis. Der Senat schickte den Habilitationsvorgang mit seinem Gutachten dann an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus.115 Die endgültige Entscheidung traf dann das Staatsministerium.116 Laut Paragraphen acht erhielten sowohl der Senat als auch die Fakultät vor einer Ablehnung die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu formulieren. Sah jedoch auch das Staatsministerium alle Bedingungen erfüllt, erhielt der Habilitand „unter Zuweisung zu einer bestimmten Fakultät die Lehrbefugnis“117 und wurde zum Dozenten unter Berufung in das Beamtenverhältnis ernannt, legte Paragraph neun fest. Laut Paragraphen zehn wurde der Habilitand bzw. jetzt Dozent mit seiner Antrittsvorlesung in die Fakultät aufgenommen. In Paragraphen elf war die Gebühr für die Habilitation geregelt, welche 100,- Reichsmark betrug. Der letzte Paragraph zwölf des Kapitels Erteilung der Lehrbefugnis besagte: „Die Ausführungsbestimmungen erlässt die Fakultät durch die Habilitationsordnung, die der Genehmigung durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus bedarf.“118 Anschließend folgte das zweite Kapitel über die Stellung des Dozenten, welches unter anderem regelte, dass die Titel Dozent oder außerordentlicher Professor verloren wurden, sobald ein Beamter aus dem Hochschuldienst ausschied. Festgelegt war hier auch die Berentung mit 65 Jahren bzw. stattdessen die Ermächtigung oder Anweisung, die Vorlesungstätigkeit niederzulegen. Zudem regelte dieses Kapitel in Paragraph 19 die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor, welche nach sieben Jahren Dozententätigkeit beantragt werden konnte, wenn sich der Dozent bewährt hatte. Anschließend folgten die Kapitel Bezüge und Übergangs- und Schlussbestimmungen. Letzteres setzt in Paragraph 30 fest, dass der Titel des Dr.habil. nicht mehr verliehen wurde, jedoch weiterhin geführt werden durfte. Abschließend hielt Paragraph 31 fest, dass diese Ordnung der Verhältnisse der Dozenten mit Anfang des Wintersemesters 1946/1947 in Kraft trat und damit die

115 UAE C3/1 Nr. 320: Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 §6. 116 Ebenda §7. 117 Ebenda §9. 118 Ebenda §12. 23

Reichshabilitationsordnung ablöste. Das Dokument schloss mit dem Satz „Diäten werden nicht neu bewilligt.“119 Der Habilitationsvorgang wurde somit wieder stark an die Verhältnisse der Weimarer Republik angeglichen. Habilitation und Lehrbefugnis wurden wiedervereint und es fanden keine Lehrgänge bzw. Lageraufenthalte mehr statt, die absolviert werden mussten, um sich für die Dozentur zu qualifizieren. Es zählte nun wieder hauptsächlich die fachliche und pädagogische Qualifikation des Bewerbers. Daraus resultierend fand ab jetzt zuerst die öffentliche Lehrprobe und dann das Kolloquium statt, nicht wie zu Zeiten des Dritten Reiches in umgekehrter Reihenfolge, der Trennung von Dozentur und Habilitation geschuldet. Zudem wurde der Titel des Dr.habil. 1946 wieder abgeschafft. Es gab nun auch wieder individuelle Habilitationsordnungen der einzelnen Fakultäten, obwohl die Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 grundlegende Regelungen für das ganze Land festsetzte. Einige Änderungen aus der Reichshabilitationsordnung wurden jedoch behalten. So lag es nicht mehr ausschließlich bei der Fakultät zu entscheiden, welche Bewerber akzeptiert wurden, sondern es mussten nun Wege über den Senat und das Staatsministerium für Unterricht und Kultus eingehalten werden. Letzteres hatte laut Paragraphen sieben auch das letzte Wort bei einer Bewerbung. Auch die Habilitationskosten waren weiterhin Bestand der neuen Ordnung.

3.1.2.6. Undatierte Nachkriegshabilitationsordnung Wie Paragraph zwölf der Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 besagte, wurden die Ausführungsbestimmungen eben dieser durch Habilitationsordnungen der Fakultäten erlassen.120 Es kann also davon ausgegangen werden, dass die in der Universitätsarchivakte C3-1 Nr. 319 vorliegende undatierte Habilitationsordnung, von welcher nur bekannt ist, dass sie „gültig bis 9.12.54“121 war und bereits die Deutsche Mark als Währung führte122, diese Ausführungen darstellt und auf die Zeit kurz nach der Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 geschätzt werden kann. Das Protokollbuch der Sitzungen der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1942 bis 1951 gibt darüber nähere Auskunft. Im Protokoll der Sitzung vom 6. September 1946 findet sich der erste diesbezügliche Eintrag: „Das Ministerium hat eine neue Habilitationsordnung herausgegeben. […] Herr Jamin wird gebeten, eine Geschäftsordnung auszuarbeiten.“123 Knapp zwei Jahre später, am 07. Juli 1948, wurde beschlossen, dass zur Ausarbeitung der fakultätseigenen Habilitationsordnung ein Ausschuss aus Josef Beck (1891-1966) als Dekan, dem Leiter der chirurgischen Klinik, Otto Goetze (1886-1955), dem zuvor schon beauftragten Internisten Friedrich Wilhelm Jamin (1872-1951) und dem Leiter des physiologischen Instituts, Otto Ranke

119 UAE C3/1 Nr. 320: Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 §31. 120 Ebenda §12. 121 UAE C3/1 Nr. 319: Undatierte Nachkriegshabilitationsordnung. 122 Eingeführt wurde die Deutsche Mark am 21. Juni 1948 (vgl. Klose (1999), S. 23f.). 123 UAE C3/1 Nr. 273: Protokolle über die Sitzungen der Medizinischen Fakultät Erlangen 1942-1951, S.33. 24

(1899-1959), eingesetzt wurde.124 Der daraus hervorgehende Vorschlag wurde schließlich am 29. November 1949 von der Fakultät mit Änderungen angenommen.125 Paragraph eins dieser neuen Habilitationsordnung besagte, dass die Venia legendi „unter Ernennung des Bewerbers zum Privat-Dozenten“ verliehen wurde126, sobald er die vorgeschriebenen Leistungen erbracht hatte. Diese waren in Paragraphen zwei erläutert. Die drei Habilitationsbedingungen waren zunächst die Habilitationsschrift, dann ein Kolloquium und die Probevorlesung. Bei Nichtbestehen einer der Teilaufgaben galt die Habilitation als unvollständig und somit als nicht bestanden. Jedoch konnte der Kandidat sich ein einziges weiteres Mal bewerben. Es folgte nun Kapitel eins, Voraussetzungen, welches von Paragraphen drei bis Paragraphen fünf reichte. Im dritten Paragraphen war festgehalten, wer zu einer Habilitation zugelassen werden konnte. Der Bewerber musste als Arzt approbiert sein und den Grad des Dr.med. besitzen. Falls ein Kandidat ein anderes abgeschlossenes Hochschulstudium mit Doktorgrad besaß, konnte in Ausnahmefällen von dieser Regelung abgesehen werden. Zudem musste sich der Habilitand nach seinem Examen „längere Zeit ernster wissenschaftlicher Arbeit gewidmet“127 haben, was durch Veröffentlichungen bewiesen wurde, die demonstrierten, dass der Bewerber selbstständig und kritisch auf seinem Gebiet arbeiten konnte, und seine Veröffentlichungen eine Bereicherung des Wissens darstellten. Er benötigte außerdem eine gute praktische Ausbildung in dem Fach, für das er sich habilitieren wollte. Für Zahnärzte war zusätzlich festgesetzt, dass zur Habilitation sowohl die zahnärztliche als auch die ärztliche Approbation und entweder der Grad eines Dr.med.dent. oder der eines Dr.med. von Nöten waren. Ausnahmen bestätigten hier die Regel. Die Bewerbung musste der Kandidat laut Paragraphen vier bei der Fakultät einreichen. Der Fachvertreter hatte ein Votum informativum über den Habilitanden einzureichen. Bevor der Antrag jedoch bearbeitet wurde, konnte sich die Fakultät über den Bewerber in einem wissenschaftlichen Vortrag ein genaueres Bild machen. Paragraph fünf listete alle einzureichenden Dokumente auf: Lebenslauf mit Erklärung über eventuelle vorherige Habilitationsvorgänge, Geburtsurkunde, letztes Schulzeugnis und Doktordiplom, die jeweiligen Approbationen, ein polizeiliches Führungszeugnis und ein Verzeichnis aller wissenschaftlichen Publikationen inklusive Sonderdrucke. Zudem hatte der Bewerber eine lückenlose Aufführung seiner Tätigkeiten nach Approbation, die Habilitationsschrift und die Quittung über Zahlung der 100,- DM Habilitationsgebühr einzureichen. Kapitel zwei setzte von Paragraphen sechs bis Paragraphen acht die Regelungen zur Habilitationsschrift fest. Laut Paragraphen sechs musste die Habilitationsschrift „eine eigene selbstentwickelte Problemstellung oder Methodik enthalten, die zu einem

124 UAE C3/1 Nr. 273: Protokolle über die Sitzungen der Medizinischen Fakultät Erlangen 1942-1951, S.85. 125 Ebenda, S.181. 126 UAE C3/1 Nr. 319: Undatierte Nachkriegshabilitationsordnung §1. 127 Ebenda §3. 25 wesentlichen wissenschaftlichen Fortschritt geführt hat.“128 Sie war in mindestens dreifacher Ausfertigung in Maschinenschrift einzureichen. Anschließend entschied die Fakultät, so Paragraph sieben, ob alle Habilitationsvoraussetzungen erfüllt waren und ließ die Schrift von einem Referenten und Korreferenten prüfen, die dafür je vier Wochen Zeit hatten. Diese schlugen nach ihrer Prüfung eine Annahme oder Ablehnung vor, entschieden wurde darüber letztendlich von der Fakultät nach einem Umlauf der Arbeit innerhalb einer Woche. Für eine Annahme war eine 2/3 Mehrheit erforderlich. Falls die Habilitationsschrift jedoch nicht angenommen wurde, konnte der Bewerber seine Arbeit innerhalb einer vorher festgesetzten Frist noch einmal ändern, führte Paragraph acht aus. Tat er dies nicht, galt die Schrift als abgelehnt. Der Dekan informierte anschließend den Habilitanden über die Entscheidung. Paragraph neun stellte das dritte Kapitel, Das Kolloquium, dar. Bei Annahme der Habilitationsschrift wurde der Zeitpunkt für das Kolloquium festgesetzt und das Thema bzw. die Themen dem Habilitanden 24 Stunden vor dem Termin mitgeteilt. Der Bewerber sollte dann in mindestens einer akademischen Stunde vor der weiteren Fakultät beweisen, „dass er ein wissenschaftliches Thema in freier Rede kritisch zu behandeln in der Lage ist und eine Auseinandersetzung über wissenschaftliche Fragen auf Grund guter fachlicher und allgemeiner Bildung formgerecht und sachlich zu führen weiss.“129 Auch hier bedurfte es wieder einer 2/3 Mehrheit der Fakultät für eine Bewertung der Leistung. Der Dekan teilte dem Anwärter die Entscheidung mit. Es folgte nun das letzte Kapitel, Probevorlesung. Wenn der Habilitand auch das Kolloquium bestanden hatte, wurde laut Paragraphen zehn der Termin für die öffentliche Probevorlesung angesetzt. Der Kandidat reichte dazu drei Themen ein, aus denen die Fakultät eines auswählte und ihm die Entscheidung acht Tage vor der Probevorlesung mitteilte. Zur Vorlesung eingeladen werden mussten der Rektor, der Lehrkörper der Universität und die Studentenschaft. Der Bewerber sollte dann in einer akademischen Stunde seine fachliche und pädagogische Kompetenz beweisen. Paragraph elf regelte, dass auch bei der Entscheidung über das Bestehen der Probevorlesung eine 2/3 Mehrheit der engeren Fakultät nötig war. Der Dekan teilte dem Kandidaten anschließend in Anwesenheit der Fakultätsmitglieder die Entscheidung mit. Dieser wurde zudem darüber informiert, dass auch Senat und Staatsministerium noch eine Entscheidung treffen mussten. Dazu schickte der Dekan laut Paragraphen zwölf eine Zusammenfassung über den Habilitationsvorgang an den Senat der Hochschule und bat damit um die Dozentur für den Habilitanden. Mit Umhabilitierungen befasste sich Paragraph 13. Dazu wurde geprüft, „wie weit die in den vorhergehenden Paragraphen genannten Voraussetzungen gegeben sind.“130

128 UAE C3/1 Nr. 319: Undatierte Nachkriegshabilitationsordnung §6. 129 Ebenda §9. 130 Ebenda §13. 26

Paragraph 14 legte abschließend fest, dass der Habilitand seine Habilitationsschrift innerhalb eines Jahres in zweihundertfacher Druckausfertigung an die Fakultät zu schicken hatte. Ausnahmen all dieser Paraphen, so der letzte Paragraph 15, bedurften wie bei den vorherigen Entscheidungen einer 2/3 Mehrheit der Fakultät. Mit ihrer Habilitationsordnung hielt sich die Medizinische Fakultät der Universität Erlangen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg also im Großen und Ganzen an die Bestimmungen der Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946. Es waren lediglich zwei größere Änderungen vorgenommen worden. Zum einen legte die Medizinische Fakultät keinen genauen Zeitraum fest, den man vor der Habilitation schon mit wissenschaftlicher Forschung verbracht haben musste. Im Gegensatz zu den zwei bzw. vier Jahren der Ordnung der Verhältnisse der Dozenten war in der Habilitationsordnung nur die Rede von einem längeren Zeitraum. Zum anderen wurde in der Habilitationsordnung die Reihenfolge im Habilitationsverfahren geändert: In Erlangen fand zuerst das Kolloquium statt und anschließend die öffentliche Probevorlesung, in der Reihenfolge also genau andersherum wie es 1946 festgelegt worden war. Was in der Habilitationsordnung zudem keine Erwähnung fand, ist der geforderte Doktorgrad mit der Note summa bzw. magna cum laude.

3.1.2.7. Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg von 1954 Die letzte für den Bearbeitungszeitraum von 1918 bis 1960 geltende Habilitationsordnung ist die der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen- Nürnberg vom 09. Dezember 1954.131 Paragraph eins ist inhaltlich gleich geblieben: Hatte ein Bewerber die erforderlichen Leistungen erbracht, erhielt er von der Medizinischen Fakultät die Lehrbefugnis und wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus zum Privatdozenten ernannt. Dem zweiten Paragraphen über die drei Habilitationsleistungen – Habilitationsschrift, Kolloquium und Probevorlesung –, welche alle bestanden werden mussten, wurde lediglich die Information hinzugefügt, dass die Habilitation keine Gebühren kostete. Paragraph drei wurde nicht verändert, die Zulassungsbedingungen waren gleich geblieben. Der alte vierte Paragraph wurde weitestgehend gestrichen und in die restlichen Paragraphen eingegliedert. Paragraph vier der Habilitationsordnung von 1954 listete nun die einzureichenden Dokumente auf. Es wurde hier lediglich gestrichen, dass eine Quittung über die 100,- DM Habilitationsgebühr mit der Bewerbung um Habilitation eingereicht werden musste, da die Habilitation nun gebührenfrei war. Die Habilitationsschrift musste laut Paragraphen fünf mindestens dreifach ausgefertigt in Schreibmaschinenschrift eingereicht werden. Innerhalb eines Jahres mussten zudem 175 Druckexemplare bei der Fakultät eingehen, bzw. 25

131 UAE C3/1 Nr. 321: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen- Nürnberg von 1954. 27

Sonderdrucke bei Veröffentlichung in einer Zeitschrift. Ausnahmen bezüglich einer Teilung oder Kürzung der Arbeit oder einer Verlängerung der Einreichungsfrist mussten durch die engere Fakultät bestätigt werden. Die Anforderungen an die Habilitationsschrift an sich hatten sich jedoch nicht geändert: Sie musste einen wesentlichen Fortschritt für die Wissenschaft darstellen und belegen, dass der Kandidat eigenständig an einer neuen Methodik oder einem eigenen Problem arbeiten konnte. Die Schrift war dann, so Paragraph sechs, mit den restlichen erforderlichen Unterlagen des Antrags beim Dekan abzugeben. Der Fachvertreter formulierte das Votum informativum und nach wie vor konnte sich die Fakultät vor der Bearbeitung der Bewerbung um Habilitation ein Bild vom Kandidaten in einem Vortrag machen. Die engere Fakultät entschied dann über Annahme des Habilitationsantrags und legte die Referenten fest, die die Schrift bewerteten und eine Annahme, Ablehnung oder erneute Bearbeitung der Habilitationsarbeit vorschlugen. Danach zirkulierte die Schrift unter den engeren Fakultätsmitgliedern. Der Bewerber konnte sein Gesuch nun solange zurücknehmen, wie „nicht eine ablehnende Stellungnahme eines Referenten bei der Fakultät schriftlich vorliegt.“132 Die Rücknahme allein der Schrift war nicht zulässig. Paragraph sieben regelte, dass eine 2/3 Mehrheit der Fakultät nach dem Umlauf der Unterlagen geheim darüber entschied, ob die Voraussetzungen zur Habilitation gegeben waren und ob sie die Habilitationsschrift annahmen. Nicht geändert worden war Paragraph acht: Bei Nichtannahme der Habilitationsschrift konnte diese innerhalb einer Frist geändert werden. Geschah das nicht, galt die Arbeit als abgelehnt und der Habilitand wurde vom Dekan über die Entscheidung informiert. Auch an den Bestimmungen über das Kolloquium wurde laut Paragraphen neun nichts verändert. Es entfiel lediglich die zeitliche Festsetzung von „mindestens einer akademischen Stunde Dauer“133. Auch Paragraph zehn über die öffentliche Probevorlesung und Paragraph elf waren gleich geblieben. Nach Ableistung der Vorlesung vor Fakultät, Rektor, Lehrkörper der Universität und Studentenschaft entschied erneut die engere Fakultät mit 2/3 Mehrheit. Bei Annahme wurde dem Habilitanden die Dozentur verliehen mit dem Hinweis auf die noch bevorstehende Ernennung des Kandidaten zum Privatdozenten durch das Staatsministerium. Eine Urkunde über die Venia legendi wurde ausgehändigt. Wenn nun sämtliche Leistungen anerkannt worden waren, schickte der Dekan eine Zusammenfassung an den Senat und bat damit um die Lehrbefugnis für den Habilitanden, so Paragraph zwölf. Die Regelungen bei der Umhabilitierung in Paragraph 13 und diese über Ausnahmen der vorliegenden Habilitationsordnung in Paragraph 14 waren bleiben gleich.

132 UAE C3/1 Nr. 321: Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen- Nürnberg von 1954 §6. 133 UAE C3/1 Nr. 319: Undatierte Nachkriegshabilitationsordnung §9. 28

Viel verändert wurde in der aktualisierten Version der Habilitationsordnung von 1954 also nicht. Neu war jedoch, dass die Habilitation von nun an gebührenfrei war. Außerdem wurde an Paragraphen sechs die Einschränkung angefügt, dass ein Habilitationsantrag nur solange zurückgezogen werden konnte, wie noch kein negatives Votum vorlag. Zudem war die zeitliche Dauer des Kolloquiums nun nicht mehr beschränkt. An der äußeren Form fällt auf, dass es keine Unterteilung mehr in Kapitel gab.

3.1.2.8. Resümee In der Zusammenschau der vorliegenden Habilitationsordnungen gab es einige Übereinstimmungen, jedoch auch viele Aspekte, die sie voneinander unterschieden. Die Grundvoraussetzungen zur Zulassung zur Habilitation veränderten sich im Zeitraum von der Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Königlichen Universität Erlangen aus dem Jahr 1907 bis zur Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg von 1954 nicht: Der Kandidat musste Medizin studiert haben, einen Doktorgrad in Medizin besitzen und die ärztliche Approbation erlangt haben. Zudem war ein gewisser Zeitraum an wissenschaftlicher Arbeit nach dem Studium, immer auch zu belegen durch Publikationen, essentiell. Die genaue Anzahl der Jahre variierte zwar, der Grundgedanke jedoch blieb. Auch die drei erforderlichen Bestandteile des Habilitationsverfahrens veränderten sich über die Jahre nicht. Zunächst war eine Habilitationsschrift einzureichen, die eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten nachwies und eine relevante Neuerung auf dem Fachgebiet darstellte. Außerdem mussten sich die Kandidaten spezifischen Fragen zu ihrem Fachgebiet und der Medizin allgemein unterziehen – wurde dies nun ‚Kolloquium‘ oder ‚wissenschaftliche Aussprache‘ genannt, inhaltlich entsprachen sie sich. Schließlich war eine öffentliche Probevorlesung abzuhalten. Zur Zeit des Dritten Reiches war dies nur zur Erlangung der Lehrbefugnis erforderlich, davor und danach war die Vorlesung fester Bestandteil des Habilitationsvorganges, da die Venia legendi hier nicht von der Habilitation getrennt war. Unterschiede gab es jedoch vor allem auf dem Gebiet der Zuständigkeiten. Während 1907 allein die Medizinische Fakultät über das Bestehen einer Habilitation entschied, wurden 1925 teilweise schon Zuhörer, die nicht der Fakultät angehörten, zum Kolloquium zugelassen. Einer der Leitgedanken dabei war eine objektivere Beurteilung des Bewerbers. In wie weit diese extrafakultäre Meinung jedoch gewichtet wurde, war nicht in der Habilitationsordnung vermerkt. Mit der Reichshabilitationsordnung von 1934 wurde das Hoheitsrecht der Fakultäten stark eingeschränkt. Die Fakultät konnte zwar noch über die Annahme einer Bewerbung entscheiden, jedoch musste zur wissenschaftlichen Aussprache bereits der Rektor der Universität eingeladen werden. Dieser beurteilte dann gemeinsam mit der Fakultät den Kandidaten und meldete die Entscheidung an die Landesunterrichtsverwaltung. Die Verleihung der Dozentur war noch stärker reglementiert. Die Bewerbung war direkt an den Reichswissenschaftsminister zu richten, der öffentlichen Probevorlesung wohnten nicht nur die Fakultät und der Rektor bei, sondern auch die Führer des örtlichen

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Dozenten- und Studentenbundes. Sie alle fällten ihr Urteil über den Kandidaten, welches dann zusammen mit einer charakterlichen Einschätzung des Bewerbers durch den Rektor an die Landesunterrichtsverwaltung geschickt wurde. Das letzte Wort bei der Entscheidung über die Verleihung der Venia legendi hatte der Reichswissenschaftsminister. Genauso beschrieben wurde der Prozess der Entscheidungsfindung in der Reichshabilitationsordnung von 1939. Auch nach dem Ende des Dritten Reichs erlangten die Fakultäten diesbezüglich nicht ihre volle Souveränität zurück. In der ersten Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät Erlangens aus der Nachkriegszeit war festgelegt, dass die Fakultät zwar über Annahme der Bewerbung, Habilitationsschrift und des Kolloquiums entschied. Zur Probevorlesung wurden aber wieder der Rektor der Universität, der gesamte Lehrkörper, die Fakultät und die Studentenschaft eingeladen. Die engere Fakultät konnte dann zwar eine Entscheidung über die Probevorlesung fällen und teilte diese dem Kandidaten auch mit, allerdings bestand die Einschränkung, dass auch Senat und Staatsministerium noch darüber zu urteilen hatten. Dieses Verfahren wurde auch 1954 so beibehalten. Schon angerissen wurden grundlegende Änderungen bei der Habilitation in der Zeit des Nationalsozialismus. Entscheidend war die Trennung von Habilitation und Dozentur. De facto fand eine erneute Selektion zwischen diesen beiden Schritten jedoch nicht statt, fast alle Habilitierten wurden auch zu Dozenten ernannt: „In der Personalrekrutierung zeigt sich somit eindeutig die Beharrungskraft des tradierten Hochschulsystems trotz gravierender struktureller Veränderungen und einer wahrnehmbaren Politisierung ab Mitte der 1930er Jahre.“134 Zudem gab es ab 1934 eine einheitliche Reichshabilitationsordnung für alle Fakultäten des gesamten Deutschen Reichs, welche auch den neuen Grad des Dr. habilitatus einführte. Grundlegende Voraussetzung für die Zulassung zur Habilitation war nun neben der akademischen Vorbildung auch die arische Abstammung nicht nur des Habilitanden selbst, sondern auch seiner Ehefrau. Zudem mussten Anwärter auf die Lehrbefugnis in Dozentenlagern ihre Eignung beweisen. Ausländer konnten sich zwar noch habilitieren, als Dozent tätig werden konnten sie jedoch nicht mehr. Von 1934 bis 1939 musste zudem die Habilitationsschrift publiziert werden. Als Lockerungen der Vorschriften ist zu bewerten, dass eine Habilitationsschrift nicht mehr zwingend eingereicht bzw. veröffentlicht werden musste, wenn der Bewerber ausreichend durch vorherige Publikation beurteilt werden konnte und dass auch die Probevorlesung abgekürzt werden konnte, wenn der Kandidat bekannt war. Zudem reichte nun der Bewerber die Vorschläge für die Themen der öffentlichen Probevorlesung ein. Ab 1939 waren zusätzlich die Paragraphen 25 und 26 des Deutschen Beamtengesetzes zu erfüllen, da man mit Ernennung zum Dozenten außerplanmäßiger Beamter auf Widerruf wurde, und ein Gesundheitszeugnis musste mit der Bewerbung eingereicht werden. Die Habilitation wurde außerdem explizit kostenfrei. Geregelt wurde nun außerdem die Entziehung des Grades des Dr.habil. bei Täuschung oder Unwürdigkeit. Mit der Ordnung der Verhältnisse der Dozenten von 1946 schließlich wurden Habilitation und Dozentur wiedervereinigt. Neu war außerdem, dass eine

134 Vossen (2009), S. 24. 30

Habilitationsgebühr von 100,- Reichsmark, in der ersten Nachkriegshabilitationsordnung der Medizinischen Fakultät Erlangens von 100,- Deutscher Mark, erhoben wurde, so wie die Abschaffung des während des Nationalsozialismus eingeführten Dr. habilitatus. Mit erfolgreicher Habilitation wurde man wie schon ab 1939 Beamter. Als einzig relevante Änderung in der Habilitationsordnung von 1954 wurde die Habilitationsgebühr wieder abgeschafft. Zudem war nun nicht mehr die Rede davon, dass man aufgrund der Habilitation in den Beamtenstand erhoben wurde.

3.1.3. Historische Gegebenheiten Die verschiedenen Habilitationsordnungen trugen also in der jeweiligen Epoche bereits ihren Anteil zu den Habilitationsverfahren bei. Für ein besseres Verständnis der Forschungssituation und teils auch der inhaltlichen Schwerpunkte, die von den Habilitanden gesetzt wurden, erfolgt die historische Einbettung des Universitätswesens in die jeweilige Zeit. Auch das Berufungswesen an den Hochschulen stand erheblich unter diesen außer- und auch inneruniversitären Einflüssen. Nicht zuletzt trug die spezielle Situation der Universität Erlangen in jeder Epoche ihren Teil zu Entwicklungen im Habilitationswesen bei.

3.1.3.1. Die Universität Erlangen in der Weimarer Republik Die nach der Niederlage des Ersten Weltkrieges neu gegründete Weimarer Republik löste in der Bevölkerung nur verhaltene Euphorie aus und diese Ablehnung prägte die Zeit von 1918 bis 1933 entscheidend. Neben sozialen und wirtschaftlichen Problemen wird für das letztendliche Scheitern dieser neuen Staatsform schließlich auch der mangelnde Rückhalt in der Bevölkerung verantwortlich gemacht.135 Sie galt vielen „allenfalls als Notdach, keineswegs als zu bejahende Staatsform, meist sogar als undeutsch und westliche Importware“136. Der Historiker Henryk Olszewski spricht in diesem Zusammenhang von einer „Republik ohne Republikaner“137 und betont, dass diese Haltung in besonderer Weise auf Akademiker zutraf.138 Da die Niederlage im Ersten Weltkrieg, so die Historikerin Sylvia Paletschek, auch auf Defizite im Erziehungssystem geschoben wurde, strebte man eine Reform des Hochschulwesens an. Bemängelt wurden unter anderem das zu geringe Interesse der Professoren an der Lehre, fehlende Struktur und Praxisnähe und die Masse an Spezialwissen im Studium, alles in allem also die „großbetriebliche Struktur“139 der Universitäten. Man erhoffte sich deshalb von einer Erneuerung des Hochschulsystems auch „die Erneuerung des Volkes“. Zunächst stießen diese Reformbestrebungen auf großen Zuspruch.140 Verwöhnt von der großzügigen staatlichen Förderung zu Zeiten des Kaiserreichs und der internationalen Führungsrolle Deutschlands auf wissenschaftlichem Gebiet

135 Rauh (2018d), S. 80. 136 Jasper (1993), S. 797. 137 Olszewski (1989), S. 59. 138 Ebenda. 139 Schleiermacher (2009), S. 7. 140 Paletschek (2002), S. 191. 31 waren zahlreiche Akademiker allerdings zunehmend irritiert von den neuen Bestrebungen des Staates, universitäre Hierarchien abzubauen und Gehälter anzugleichen und sich dabei auf immer wechselnde Regierungsparteien einstellen zu müssen. Neue Gesetze wie die Anhebung der Einkommenssteuer um ein Vielfaches erhitzten die Gemüter.141 Auch Einsparungen in den Bereichen Lehre und Forschung förderten die Skepsis gegenüber der neuen Republik.142 „Von den in den 1920er Jahren diskutierten Reformvorschlägen wurde kaum etwas umgesetzt.“143 Die wenigen wirklich demokratisch gesinnten Wissenschaftler hatten an den Hochschulen kaum einflussreiche Positionen inne, ergänzte sich die Professorenschaft doch „im Habilitationsverfahren meist durch junge Gelehrte, die durch Herkunft und Studium ähnliche Vorurteile mitbrachten oder sich bereits unverhüllt als <> bekannten.“144 Unterstützt wurde die Einstellung der Dozenten von den Universitätsleitungen, die unter anderem patriotische Feiern ausrichteten und so diese rückwärts gerichtete Sehnsucht förderten.145 Auch die Universität Erlangen beteiligte sich an diesen Praktiken. Eines der Feste war die jährlich am 18. Januar stattfindende Reichsgründungsfeier: Man verlas die Namen der Kriegsgefallenen und flaggte schwarz-weiß-rot. Damit protestierte die Universität gegen den Versailler Vertrag und die empfundene Lüge über die Kriegsschuld.146 Für viele Erlanger Professoren galt die Kaiserzeit als „<>, in das man sich zurücksehnte“.147 Die Enthüllung des Gefallenendenkmals im Schlossgarten durch die Universität 1930 unterstrich ebenfalls diese Haltung. Das Standbild stellte einen sitzenden Soldaten mit Stahlhelm dar, welcher trotzig mit Ketten an einen Block gefesselt war. Abbildung 3: Gefallenendenkmal im Schlossgarten bei der Der Versailler Vertrag wurde damit Einweihungsfeier am 01.07.1930 öffentlich kritisiert, was auch in der dazugehörigen Einweihungsrede anklang und in den Äußerungen des Vertreters der Erlanger Studentenschaft gänzlich offensichtlich wurde, als dieser forderte, „an die

141 Rauh (2018d), S. 82f. 142 Schleiermacher (2009), S. 8. 143 Paletschek (2002), S. 192. 144 Abendroth (1984), S. 22. Laut Wolfgang Abendroth traf diese antidemokratische Haltung auch auf viele Hochschullehrer zu, die später aus Deutschland aufgrund ‚nicht-arischer‘ Herkunft emigrieren mussten. Erst im Ausland entwickelten sie ihre demokratische Haltung (Ebenda, S. 23). 145 Olszewski (1989), S. 61; vgl. hierzu auch Maurer (2006). 146 Jasper (1993), S. 796f. 147 Rauh (2016b), S. 228. 32

Tradition des großen Krieges anzuknüpfen“ und, „daß die Beseitigung des derzeitigen Staates oberstes Gesetz für jeden bewußten Deutschen ist.“148 Die prekäre Situation der Stadt lässt eine solche Nostalgie und Wut jedoch auch nachvollziehbarer erscheinen. Erlangen hatte in der Nachkriegszeit rund 25.000 Einwohner, litt an akuter Wohnungsnot und im Januar 1919 auch unter einem Engpass an Kohle. Zudem waren Nahrungsmittel knapp, es wurde eine Mensa academica im Logengebäude der Universitätsstraße und im Keller der Universitätsbibliothek eingerichtet. Trotzdem kam es zu Plünderungen von Lebensmittelgeschäften und Gärtnereien. Immer häufiger wurden auch Diebstähle in den Räumen der Hochschule gemeldet.149 Auch die Studenten der Weimarer Republik waren geprägt vom Krieg – zwar nicht alle unmittelbar durch Fronterlebnisse, aber durch ihre Kindheit, die nicht länger unbeschwert war. Der Vater war oft an der Front oder gefallen, man musste der Mutter helfen und so gut es ging den Vater ersetzen. Und selbst wenn beide Eltern zu Hause waren, änderte sich mit der Kapitulation das gesamte vorher gewohnte Leben: Ziele und Ideale lösten sich plötzlich auf, es herrschte Hyperinflation, wodurch Sparen zum Irrsinn und Schuldenmachen zur klugen Strategie wurde. „War für viele Menschen in Deutschland durch das Abdanken der Monarchen, durch Kriegsniederlage, Revolution, Bürgerkriegswirren und Demokratie die Welt ehedem schon aus den Fugen geraten – durch die bodenlose Geldentwertung schien sie nun vollends verrückt geworden zu sein.“150 Die Eltern setzten alle ihre Hoffnungen in die Ausbildung der Kinder, konnten ihnen jedoch finanziell kaum noch unter die Arme greifen. Mehr als die Hälfte der Studenten kam somit aus sozial schwachen Verhältnissen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass diese Generation mit ihrem latenten Fanatismus und Misstrauen, der stummen Wut und einer Suche nach Schuldigen anfällig war für die Parolen des Nationalsozialismus.151 Diejenigen unter den Studenten, die den Ersten Weltkrieg noch selbst miterlebt hatten, sahen sich als „Elite der Nation“152. Die neue Staatsform, die zuließ, dass sie nun ihr Dasein unter solch existenzgefährdenden Umständen fristen mussten, konnte nur abgelehnt werden.153 Zumindest für die Erlanger Universität ging es jedoch nach dem Krieg langsam wieder bergauf. Sowohl das Schloss als auch das Kollegienhaus, die beide als Reservelazarett verwendet worden waren, konnten nach Befreiung von Ungeziefer und allgemeinen Renovierungen im Januar 1919 wieder an die Universität übergeben werden.154

148 Jasper (1993), S. 798f. 149 Liermann (1977), S. 34-83; siehe hierfür auch die Beiträge im Erlanger Stadtlexikon. 150 Rauh (2018d), S. 88. 151 Wendehorst (1993), S. 168-175. 152 Rauh (2016c), S. 208. 153 Ebenda, S. 209. 154 Liermann (1977), S. 34-83. 33

Außerdem fanden – wenn auch eingeschränkt – bauliche Neuerungen vor allem hinsichtlich der Medizinischen Fakultät statt: 1920 konnte der Neubau des Instituts für Angewandte Chemie in der Schuhstraße 19 bezogen werden155 und im Dezember 1921 wurde der Erweiterungsbau der Zahnklinik in der Turnstraße 5 eröffnet156. Auch die Universitätsfrauenklinik wurde von 1919 an baulich umgestaltet und erhielt so unter anderem neue Patientenzimmer, ein eigenständiges Röntgeninstitut und den gläsernen Abbildung 4: Erweiterungsbau der Zahnklinik in der Turnstraße um 1920 Verbindungsgang zwischen zweien der Gebäudeteile.157 Im Februar 1923 wurde im ehemaligen Garnisonslazarett die neue und nun eigenständige Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten eröffnet.158 Für ehemalige Kriegsteilnehmer wurden besondere Zwischensemester eingerichtet, um ihnen das Aufholen des Stoffes zu erleichtern. Neu war zudem die Veränderung der Zuständigkeiten, was Umbenennungen mit sich zog: Während bisher der Prorektor der Universität zwar das akademische Oberhaupt, aber dennoch dem König unterstellt war, hatte die betreffende Person in dieser Position ab dem Studienjahr 1920/21 formal niemandem mehr zu gehorchen und somit wurde der Mediziner Friedrich Jamin der erste Rektor der Universität Erlangen. Auch in der Universität war somit das Ende der Monarchie festgelegt.159 Ebenso ließ das seit 1918 allgemein anerkannte Frauenstudium über neue Titel nachdenken und führte zu einer Anfrage der medizinischen Fakultät darüber, ob man Frauen nun zum Doktor oder zur Doktorin promovieren solle.160 Ein weiterer Schritt in Richtung Gleichberechtigung fand unter den Dozenten statt: Nichtordinarien erhielten im Lehrkörper der Universitäten – bestehend aus ordentlichen und außerordentlichen Professoren und Privatdozenten – mehr Rechte. Dies jedoch „blieb den in ihrem Standesdünkel verhafteten Professoren zutiefst suspekt.“161 Außerdem wurden Technische Hochschulen und Bergakademien mit Universitäten gleichgestellt.162 Charakteristisch für diese Zeit waren jedoch auch weiterhin vereinzelte (Bürger-) Kriegshandlungen, wie der Kampf gegen die Münchner Räterepublik, an denen sich

155 Wachter (2018), S. 564. 156 Wachter (2016), S. 478. 157 Ebenda, S. 478-481. 158 Ebenda, S. 477. 159 Wendehorst (1993), S. 155. 160 Quelle zum gesamten Absatz: Liermann (1977), S. 34-83; Derichs und Metzger (2018), S. 47-63. 161 Rauh (2018d), S. 82. 162 Flaschendräger et al. (1981), S. 159f. 34

Studenten beteiligten.163 So fand auch im Sommer 1921 eine Mobilmachung unter Erlanger Studenten statt, die nach Oberschlesien zogen „um deutsches Land vor polnischem Zugriff zu sichern.“164 Auch zahlreiche Professoren „ermunterten die Studenten, sich diesen Freikorps anzuschließen und hatten gegen deren blutigen Terror, gegen die Morde an Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Leo Jogiches, an Kurt Eisner, an hunderten Funktionären des linken Flügels der Arbeiterbewegung und pazifistischen bürgerlichen Demokraten nichts einzuwenden. Das alles erschien ihnen keineswegs als Verletzung humanitären Denkens und deutscher Kultur.“165 Ebenso begann in der Zeit der Weimarer Republik der Nationalsozialismus Fuß in der deutschen Bevölkerung zu fassen. Die Republik wird von Helmut Heiber daher auch als „Geschichte des nationalsozialistischen Regimes und seiner Entstehung“166 bezeichnet. Dazu passten darwinistische und rassistische Strömungen – der Verband deutscher Medizinerschaften forderte bereits 1922 eine Einführung des Lehrfaches Rassenhygiene167 – genauso gut wie Forderungen, Deutschland müsse wieder eine Weltmacht werden.168 Im Jahr 1922 gründete sich in Erlangen die NSDAP-Ortsgruppe und bereits 1924 saßen vier Nationalsozialisten im Erlanger Stadtrat – einer von ihnen war der Physiologie-Professor Ernst Weinland (1869-1932), der Vater der späteren Habilitandin Helene Weinland.169 In Erlangen wurde schließlich im September 1923 auch die erste nationalsozialistische Studentengruppe gegründet, worauf sich zur Zeit des Dritten Reiches in Form der „älteste[n] studentische[n] Hakenkreuzfahne“170 stolz bezogen wurde. Bereits in den 1920er Jahre grüßte man sich auf der Straße und in der Universität mit ‚Heil Hitler‘ und jüdische Mitstudenten wurden ausgegrenzt und teilweise tätlich angegriffen, so der Zeitzeuge und jüdische Student Alfred Kantorowicz.171 Bei den Wahlen zum Allgemeinen Studentenausschuss im November 1929 erlangte der NS-Studentenbund in Erlangen erstmals an einer deutschen Hochschule die absolute Mehrheit. Obwohl der Anteil jüdischer Studierender in Erlangen mit weniger als zwei Prozent172 unter Reichsdurchschnitt lag, hatte der Studentenbund bereits vor seinem Wahlerfolg auf Flugblättern die Einführung eines Numerus clausus für ausländische und jüdische Studierende gefordert.173 Dieser Studentenbund setzte sich vor allem aus Mitgliedern von Korporationen zusammen und war bekannt für seine Krawalle, die von der Universitätsverwaltung jedoch toleriert wurden. Im Gegensatz dazu wurden schikanierte Anhänger des Republikanischen Studentenbundes, einer republiktreuen Gruppe, der auch viele Juden angehörten, vom Rektorat nicht geschützt. Beides unterstreicht „die Blindheit der Universität gegenüber den Gefahren eines aufkeimenden Antisemitismus“174. Alfred Wendehorst resümiert:

163 Jasper (1993), S. 797. 164 Deuerlein (1927), S. 86. 165 Abendroth (1984), S. 19. 166 Heiber (1991), S. 9. 167 Rauh (2016c), S. 210. 168 Olszewski (1989), S. 63. 169 Wittern und Frewer (2008), S. 37f. 170 Jasper (1993), S. 795. 171 Rauh (2016c), S. 208. 172 Wendehorst (1993), S. 166. 173 Wittern und Frewer (2008), S. 39f. 174 Jasper (1993), S. 800. 35

„In der Universität Erlangen konnte schon vor der Machtübernahme kein Zweifel darüber bestehen, daß nicht eine Minderheit der Studenten Jagd auf Andersdenkende machte, im Hörsaal und auf der Straße war die brüllende Mehrheit nicht zu überhören und nicht zu übersehen.“175 So organisierten studentische Verbindungen antisemitische Umzüge, es gab öffentliche Rempeleien gegen jüdische Studenten und auch jüdische Dozenten wurden angefeindet. Auf Einladung von Studenten hielt 1930 Adolf Hitler eine Rede im Kolosseum in der Henkestraße, der auch viele Professoren beiwohnten. Nicht nur die Studenten schienen also eine antisemitische Haltung zu vertreten. Es fanden sich auch im Erlanger Lehrkörper schon zu Beginn der 1920er Jahre kaum noch Anhänger des jüdischen Glaubens.176 Henryk Olszewski erinnert zudem an den 1922 vom akademischen Senat beschlossenen Arierparagraphen.177 Die nationalsozialistische Bewegung entsprach also zum Großteil den Vorstellungen der deutschen Universitätsangehörigen. Wolfgang Abendroth resümiert: „Der <> Professor der Weimarer Periode war also Gegner der Demokratie und auch der Weimarer Reichsverfassung. Er war kein Faschist oder Nationalsozialist. Aber er vermittelte seine Vorurteile an eine Studentenschaft, die sie in aktives Handeln umsetzte“178. Somit wurden die Dozenten „[d]urch ihre Haltung in den Jahren der Weimarer Republik zu Geburtshelfern des Dritten Reiches“179. Zwar waren einige Akademiker beunruhigt bezüglich des Ansehens der deutschen Wissenschaft im Ausland und sorgten sich um eine Prestigeschädigung, aber die Zahl der Parteieintritte in die NSDAP stieg unter den Ordinarien dennoch stetig, wenn auch langsam an.180 Die Medizinstudenten, so Philipp Rauh, bildeten bei dieser Ebnung des Weges für die Nationalsozialismus die „Speerspitze“181.

3.1.3.2. Wissenschaftspolitik und die Universität Erlangen im Dritten Reich „Nach dem derzeitigen Forschungsstand wurde von den Nationalsozialisten kein systematischer Neubau des Hochschulsystems unternommen“, erklärt Sylvia Paletschek, „[e]ine Modernisierung der Universitäten fand im NS […] nicht statt.“182 Auch Johannes Vossen teilt diese Meinung.183 Dennoch nahmen die Machthaber des Nationalsozialismus einige Änderungen bezüglich der Hochschulen vor, auch wenn sie dabei kein klares Reformkonzept besaßen.184 Es war eher eine politisch motivierte „Abfolge von mehr oder minder improvisierten Einzelmaßnahen“185, die im Wesentlichen darauf abzielten, auch an den Hochschulen den Rassengedanken durchzusetzen, Internationalität zu verhindern, sowie die Trennung vom Alltagsleben

175 Wendehorst (1993), S. 179. 176 Jasper (1993), S. 799-801; Siehe hierfür auch Kapitel 3.2.3. ab Seite 78. 177 Olszewski (1989), S. 62. 178 Abendroth (1984), S. 24. 179 Bleuel (1968), S. 8. 180 Olszewski (1989), S. 64. 181 Rauh (2016a), S. 214. 182 Paletschek (2002), S. 196f und S. 200. 183 Vossen (2009), S. 19. 184 Paletschek (2002), S. 195-200. 185 Vossen (2009), S. 19. 36 und Wissenschaft aufzuheben und somit eine neue ‚Ganzheitlichkeit‘ in der Wissenschaft zu fördern.186 Achim Thom teilt die Wissenschaftspolitik des nationalsozialistischen Regimes in seinem Artikel Die nationalsozialistische Hochschul- und Wissenschaftspolitik in der Medizin von 1993 in drei Phasen ein, um sie besser erfassen zu können. Auch wenn diese konzeptbasierte Betrachtung überholt ist, folgt dieses Kapitel eben jener dreiphasigen Gliederung, um die Veränderungen im Hochschulsystem chronologisch besser ordnen zu können. Zunächst identifiziert Thom einen Zeitraum von 1933 bis 1934, den er „Etablierung der Machtposition des neuen Regimes“187 nennt, dann den „Zeitraum der Ausprägung systemeigener Formen des Wissenschaftsbetriebs“188 in den Jahren 1935 bis 1939 und schließlich den Zweiten Weltkrieg als letzte Phase.189 Der Fokus des Universitätswesens lag bereits seit den 1920ern mehr auf Bildung als auf Forschung.190 Einerseits sollten Universitäten nun dazu dienen, die jungen Menschen umfassend im Sinne der Nationalsozialisten zu erziehen. Dies geschah bald über von der Studentenschaft organisierte politische Schulungen, eine Erweiterung des Lehrangebots um Fächer wie Wehrmedizin und auch die militärische Ausbildung der Studenten in Wochenenddiensten. Andererseits sollten auch auf diese Weise politische Gegner ausgeschaltet werden, was sich vor allem auf pazifistische, kommunistisch-geprägte und liberale Personen unter den Dozenten und Studenten bezog. An dieser ‚Säuberung‘ beteiligten sich zu einem Großteil Mitglieder der Deutschen Studentenschaft, die seit 1931 weitgehend vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund geführt wurde. Diese Studierenden drängten auf die Entlassung unliebsamer Hochschullehrer und starteten Boykotte. „Der Druck von seiten der Studentenschaft und deren Rolle in der Gleichschaltung der Universitäten können kaum überschätzt werden“191, kommentiert Henryk Olszewski die damalige Situation. Außerdem fanden schon im Mai 1933 Bücherverbrennungen von „antinationalen“192 Texten statt. In Erlangen wurde dadurch der Bestand der städtischen Volksbücherei auf etwa 9.500 Bücher halbiert, die Universitätsbibliothek blieb verschont.193 Bereits bis Ende des Jahres 1933 wurden auch über 500 Studenten vom Studium ausgeschlossen. Vor allem in der Medizin waren diese Bewegungen zu finden. Aufgrund des großen Konkurrenzdruckes und der daraus resultierenden Existenzangst194 schienen sich Medizinstudenten besonders bereitwillig an Aktionen

186 Vossen (2009), S. 19f. 187 Thom (1993), S. 2. 188 Ebenda. 189 Ebenda. 190 Paletschek (2002), S. 204. 191 Olszewski (1989), S. 77. 192 Thom (1993), S. 3. 193 Erlanger Stadtlexikon: Stichwort ‚Bücherverbrennung‘. 194 Ihren Anfang hatte diese „akademische Überfüllungskrise“ (Paletschek (2002), S. 192) bereits in den 1920ern genommen, als die Einschreibungszahlen an den Hochschulen rapide stiegen – Sabine Schleiermacher spricht von einer Zunahme um 74% (Schleiermacher (2009), S. 8). Somit entstand eine weit verbreitete Angst vor Arbeitslosigkeit unter den Akademikern und resultierte in einem negativen Zukunftsbild (Paletschek (2002), S. 192). 37 gegen Andersdenkende zu beteiligen.195 Die Dozenten hielten sich diesbezüglich eher im Hintergrund, nahmen die Handlungen der Studenten jedoch auch hin, da diese nationalistischen, antisemitischen und antipazifistischen Einstellungen wie bereits erwähnt zum Großteil auch den ihrigen entsprachen.196 Das Selbstbild der Professoren war dabei dennoch vermehrt ein unpolitisches, da sie sich zum Großteil mit öffentlichen Stellungnahmen bewusst zurückhielten. Indem sie ihre Einstellungen jedoch in ihr Denkrepertoire und die Lehre einfließen ließen, gaben sie ihrer so vermittelten Ideologie den Anstrich von wissenschaftlicher Erkenntnis, was vor allem für die Studenten noch verheerender war.197 Generell kam es ab 1933 „nicht darauf an, festzustellen, ob etwas wahr ist, sondern ob es im Sinne der nationalsozialistischen Revolution ist“198, fasste der bayerische NS- Kultusminister Hans Schlemm (1891-1935) die neue Wissenschaftsideologie zusammen. So sollten die Hochschulen nun auch nicht mehr nur forschen um der Forschung willen, sondern dem deutschen Volk dienen. Gefragt waren nicht mehr Objektivität und wertfreie Erkenntnis, sondern Ergebnisse im Sinne des Nationalsozialismus. Außerdem hatte sich die Wissenschaft einzugliedern in die nationalsozialistische Gesamtideologie und stand dabei zweifelsohne nicht an der Spitze der Rangordnung. Schon in Mein Kampf stellte Adolf Hitler klar, dass für ihn körperliche Fähigkeiten mehr zählten als geistige.199 An dieser Skepsis der Nationalsozialisten gegenüber den Ordinarien in ihrem ‚Elfenbeinturm‘ änderten auch die zahlreichen Unterstützungsbeteuerungen ebenjener nichts200, obwohl Johannes Stark, Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, 1934 dies als Auslandspropaganda abtat: „Die Feinde des Nationalsozialismus verbreiten die Unwahrheit, die nationalsozialistische Regierung habe kein Verständnis für die Eigenart und den Wert der wissenschaftlichen Forschung“201. Die erste offizielle Handlung nach der nationalsozialistischen Machtübernahme zur Etablierung dieser neuen Macht war schließlich am 7. April 1933 das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Vor allem war dieser Erlass gegen jüdische Akademiker gerichtet, wie Paragraph drei besagt: „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen; soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen.“202 Allerdings forderte das Gesetz auch die bedingungslose Aufopferung für den Staat von jedem ‚Arier‘ und ermöglichte die Entlassung von jedem, der diesem Grundsatz nicht folgte. Bis zum Wintersemester 1934/35 wurden so rund 1.100 Hochschullehrer, was rund

195 Generell zeigte sich die Medizinerschaft außerordentlich empfänglich für den Nationalsozialismus, war sie doch die Berufsgruppe „mit dem höchsten Organisationsgrad in NS-Parteigliederungen“. Auch hierfür war ein Grund die Verbesserung der beruflichen Situation in ökonomischer Hinsicht durch die Entwicklungen unter der NS-Regierung. Zudem erfuhr der Berufsstand während dieser Zeit eine soziale Aufwertung (Rauh (2016d), S. 221). 196 Thom (1993), S. 2-7. 197 Bleuel (1968), S. 198. 198 Möller (1984), S. 65. 199 Ebenda, S. 65-69. 200 Paletschek (2002), S. 196. 201 Stark (1934), S. 7. 202 Olszewski (1989), S. 76. 38

14% aller Dozenten entsprach, entlassen203, bis 1939 mussten über 3.000 Dozenten und etwa 800 Ordinarien aus dem Hochschuldienst ausscheiden. 45% aller Universitätsstellen waren bis dahin neu besetzt.204 Der preußische NS-Kultusminister Bernhard Rust kommentierte dieses Vorgehen in einer Rede am 6. Mai 1933 an der Universität Berlin: „Seien wir in diesen Tagen nicht unangebracht sentimental. Ich muß einen Teil der deutschen Hochschullehrer ausschalten, auf daß die deutsche Hochschule wieder in der Synthese von Forschung und Führung der Jugend ihre Aufgaben erfüllen kann. […] Denken Sie nicht immer an den einzelnen, denken Sie an die Nation.“205 In Erlangen jedoch hatte dieses Gesetz kaum Auswirkungen. Bereits in den zwanziger Jahren war eine so einseitige Einstellungspolitik betrieben worden, „daß die Möglichkeiten nationalsozialistischer Personalpolitik außerordentlich gering waren.“206 Nur ein einziger Privatdozent fiel damals persönlich unter den Arierparagraphen,207 da der Erlanger Lehrkörper schon seit der Weimarer Republik „judenfrei“208 war. Alles in allem verlor die Universität Erlangen zu dieser Zeit durch Entzug der Lehrerlaubnis oder vorzeitige Versetzung in den Ruhestand acht Dozenten, was 7% des Lehrkörpers entsprach und im Vergleich zu Dezimierungen um fast einem Drittel an anderen Hochschulen Deutschlands kaum ins Gewicht fiel.209 „Innerhalb der Medizinischen Fakultät [Erlangens, Anm. d. Aut.] kam es nach 1933 zu keinem personellen Umbruch“210, resümiert Philipp Rauh. Gegen nicht-arische Studierende richtete sich dann ab dem 25. April 1933 das Gesetz gegen die Überfüllung an deutschen Schulen und Hochschulen.211 Es setzte eine Höchstgrenze nicht-arischer Studenten von maximal 1% fest.212 Außerdem trug das sogenannte Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22. April 1933 zur ‚Reinigung‘ der Hochschulen bei und legitimierte die fanatisierten Studenten.213 Auch politisch links orientierte Studierende wurden durch Erlässe des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kultur und Volkswohlfahrt vom 29. Juni bzw. 9. August 1933 gezielt von den Universitäten ausgeschlossen.214 Zudem sollte durch die Kontingentierung von Studienplätzen die generelle Reichweite der

203 Reimann (1984), S. 46. 204 Olszewski (1989), S. 72. 205 Meier-Benneckenstein (1935), S. 263. 206 Jasper (1993), S. 829. 207 Dieser Privatdozent war der Halbjude Dr. Hans Kroepelin, der Physikalische Chemie lehrte. Er durfte jedoch zunächst an der Universität bleiben, da er einem Kriegsteilnehmer gleichgestellt wurde. Später ließ er sich in die Türkei beurlauben und wechselte 1937 in die Industrie. Trotz allem wurden seine Arbeiten in der Festschrift zum 200. Jubiläum der Universität 1943 noch positiv erwähnt. (Ebenda, S. 829). Zu Werner Schuler, der aus der Medizinischen Fakultät ebenfalls aus Rassengründen – wenn auch nicht ihn selbst betreffend – ausgeschlossen wurde, siehe Kapitel 3.3.5 ab Seite 134. 208 Wittern und Frewer (2008), S. 40; Siehe hierzu auch Kapitel 3.2.3. ab Seite 79. 209 Wendehorst (1993), S. 188 210 Rauh (2016d), S. 222. 211 Absatz: Olszewski (1989), S 76f. 212 Thom (1993), S. 3. 213 Bleuel (1968), S. 209. 214 Schagen (2009), S. 53. 39

Hochschulen beschnitten werden.215 Diese Maßnahmen führten letztendlich zu einer Abnahme der Studierendenzahlen um 65% von 1930 bis 1940.216 Beflügelt wurde dieser Prozess der Gleichschaltung von zahlreichen deutschen Hochschullehrern, die Hitler schon 1933 bei den Reichstagswahlen unterstützt hatten, indem sie zu seiner Wahl aufgerufen hatten. Unter den sechs Erlanger Professoren, die sich daran beteiligten, waren mit Albert Hasselwander, Gustav Hauser, Hans Albrecht Molitoris und Johannes Reinmöller vier Mediziner.217 Im darauffolgenden Juni verfasste der neue Vorstand des Hochschulverbandes eine „Ergebenheitserklärung“218, die sich bedingungslos zum Nationalsozialismus bekannte. Unterzeichnet war sie mit „Heil Hitler“.219 Auch an der Universität Erlangen klangen diese Töne an, als der Zahnmediziner und Rektor Johannes Reinmöller (1877-1955) am 4. November 1933 seine Antrittsrede hielt: „Wer jetzt noch nicht erkannt hat, daß der große Endsieg nur dann errungen wird, wenn wir unserem Volkskanzler Adolf Hitler ohne jedes ‚Wenn und Aber‘ in germanischer Treue Gefolgschaft leisten, hat keinen Hauch von dem großen Geschehen verspürt, das uns umrundet. Wer sich aber gar dagegen stellte, ist ein sündiger Mensch, am deutschen Gedanken, am deutschen Volkstum, am deutschen Vaterlande.“220 Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die „Rahmenbedingungen in Erlangen […] eine vergleichsweise rasche Weiterentwicklung ziemlich einheitlicher sozialer Strukturen und politischer Einstellungen“221 geradezu begünstigten: Schwächer als in jeder anderen deutschen Universitätsstadt waren hier gegenregulierende Elemente wie ein liberales Großbürgertum, die katholische Kirche mit ihren zahlreichen Organisationen oder linke Intellektuelle vertreten.222 So herrschte auch wie bereits erwähnt in der Weimarer Republik an der Universität Erlangen eine „eigentümliche deutschnationale Fixierung“223. Die Zahl der NSDAP-Mitglieder unter den Professoren stieg dann trotz deren initialer Abneigung gegen die als ordinär und roh empfundene Partei224 auch stetig. Henryk Olszweski betrachtet die Gleichschaltung seit Mitte des Jahres 1934 als abgeschlossen. Angesichts der kaum vorhandenen Barrieren an den Hochschulen gegen diesen Prozess wird sogar von „Selbstgleichschaltung“225 gesprochen. Gotthard Jasper beschreibt die Situation als „Übergang ohne Bruch“226. Als letzte Intervention des Prozesses der Etablierung der neuen Machtposition kann die Reichshabilitationsordnung vom 13. Dezember 1934 gesehen werden, die von

215 Möller (1984), S. 69. 216 Schleiermacher (2009), S. 8. 217 Jasper (1993), S. 815. 218 Olszewski (1989), S. 84. 219 Vgl. auch Reimann (1984), S. 46. 220 Reinmöller (1934), S. 4. 221 Wendehorst (1993), S. 179. 222 Ebenda. 223 Rauh (2016d), S. 227. 224 Rauh (2016d), S. 228. 225 Zitat: sowohl Olszewski (1989), S. 83 als auch Paletschek (2002), S. 195, Quelle zum gesamten Absatz: Olszewski (1989), S. 83-87. 226 Jasper (1993), S. 816. 40 jedem Habilitanden einen Ariernachweis sowohl für sich als auch die Ehefrau forderte und die Kandidaten auf charakterliche Eignung prüfen ließ.227 Was nun folgte, war der Versuch der Entwicklung einer Wissenschaft, die in das System des Nationalsozialismus passte. Als „‘Führer‘ der Universität“228 sollten die Rektoren der Universität im Hochschulbetrieb Adolf Hitler vertreten und dort in seinem Sinne handeln. Sie wurden ab Mai 1934229 nicht mehr von ihren Kollegen gewählt, sondern gezielt eingesetzt, und waren dementsprechend nur noch dem Staat verantwortlich. Der Senat der Hochschule nahm nur mehr eine beratende Rolle ein.230 Der Rektor wiederum ernannte sämtliche Dekane ‚seiner‘ Universität, welche ihm „soldatisch untergeordnet“ waren.231 Geregelt wurde diese Umgestaltung des Hochschulwesens durch die im Oktober 1933 erlassenen ‚vorläufigen Maßnahmen zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung‘ und die im April 1935 herausgegebenen ‚Richtlinien zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung‘.232 Im Mai 1934 wurde zudem als zentrales Steuerinstrument das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eingerichtet, mit dem den Ländern ihre Kulturhoheit entzogen wurde.233 Hochschulintern wurden alle Nicht-Ordinarien unter den Dozenten ab Ende 1933 in Dozentenschaften zwangsvereinigt, später wurde neues Personal dafür hauptsächlich unter NSDAP-Mitgliedern gesucht und ab 1936 repräsentierte die „Personalunion der Leitungen der Dozentenschaften mit den Führungen des NS- Dozentenbundes die NSDAP an den Hochschulen“234. Ebenso ersetzten Hitler-Gruß und NSDAP-Rituale bei wissenschaftlichen Veranstaltungen und in den Hörsälen die traditionelle akademische Symbolik. Des Weiteren waren Fragebögen zu verschiedensten Anlässen auszufüllen, Dienstreisen und Auslandskontakte wurden eingeschränkt und Vorträge und Texte zensiert. Ab Juli 1935 musste man zur Immatrikulation einen Ariernachweis erbringen235, am 20. Oktober 1939 folgte außerdem der Erlass, dass in Dissertationsschriften jüdische Autoren nur dann zitiert werden durften, „wenn es aus wissenschaftlichen Gründen unumgänglich war“236. Sie mussten dann aber im Literaturverzeichnis deutlich von deutschen Verfassern getrennt werden. Auch die Zulassung von weiblichen Studierenden wurde im Zuge des neuen NS-Wissenschaftsbetriebes beschränkt.237 Dieses „Deutschtum in den Wissenschaften“238 versuchte außerdem, Fächer zu fördern, die dem Regime nach bisher ungenügende Beachtung gefunden hatten. Dazu zählte die Naturheilkunde als Alternative zur als „entseelt“239 betrachteten

227 Olszewski (1989), S. 79. Für Näheres zu den Habilitationsordnungen siehe Kapitel 3.1.2. ab Seite 8. 228 Reimann (1984), S. 51. 229 Rauh (2016d), S. 234. 230 Reimann (1984), S. 51. 231 Olszewski (1989), S. 79. 232 Vossen (2009), S. 24. 233 Flaschendräger et al. (1981), S. 180; Vossen (2009), S. 25. 234 Vossen (2009), S. 25. 235 Flaschendräger et al. (1981), S. 176. 236 Zitiert nach Olszewski (1989), S. 79 237 Ebenda, S. 79-82. Für Näheres zur Beschränkung weiblicher Studierender siehe Kapitel 3.4.1. ab Seite 160. 238 Ebenda, S. 73. 239 Frobenius (2016b), S. 243. 41

Schulmedizin oder Rassenhygiene bzw. Rassenkunde.240 Immer wichtiger wurden vor allem aus rüstungstechnischen Gründen auch Fächer wie Raketenforschung, Chemie, Luftfahrt241, „Wehrgeographie“ und „Wehrpsychologie“242 oder betont nationale Wissenschaften wie die „arische Physik“243. Gipfeln sollte dieses neue System in einer Elitehochschule am Chiemsee, die „hochbegabte, rassische Edelmenschen, von deren enormen Geistes- und Willenskräften… man sich vorläufig noch gar keinen Begriff machen könnte“244, hervorbringen sollte. Auch das Medizinstudium sollte in diesem Zuge reformiert werden. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde deshalb der medizinische Lehrplan fünfmal verändert und es gab 130 ministerielle Verordnungen zu diesem Thema.245 Bereits 1933 gab es Versuche, wehrwissenschaftliche Veranstaltungen im Curriculum zu etablieren, die allerdings aufgrund fehlender finanzieller Mittel und Protesten aus dem Ausland aufgegeben wurden. Erst ab 1937 gab es die Auflage, Lehrveranstaltungen über chemische Kampfstoffe anzubieten. Bereits ein Jahr zuvor war Rassenhygiene als fakultatives Prüfungsfach eingeführt worden. Ebenso wollte man das Medizinstudium grundlegender verändern, auch um das Fach in die Richtung einer „Leistungsmedizin“246 zu treiben. Ziel dabei war die Steigerung der Leistung „des Einzelnen, ganzer Verbände oder des Volkes“247. 1934 forderte der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, die Pflichtveranstaltungen im Stundenplan um 30% zu reduzieren, was sich jedoch in der Praxis auf eine Kürzung der anatomischen Ausbildung beschränkte. „Eine wirklich bedeutende Wandlung der Inhalte und Formen der ärztlichen Ausbildung setzte erst mit der neuen Studienordnung des Jahres 1939 ein“248, was auch mit einem immer größeren Mangel an Medizinern zusammenhing, der aufgrund der Zulassungsrestriktionen und Aufhebung der Approbation von nicht-arischen Ärzten entstanden war. Obligatorisch waren ab 1939 Lehrveranstaltungen zu Naturheilmethoden, Berufskrankheiten, Wehrmedizin und zur Geschichte der Medizin. Auch Rassenhygiene war nun ein Pflichtfach. Aufgrund vermehrter Praktika, der Kürzung der vorlesungsfreien Zeit und der Durchführung von Trimestern in den Jahren 1939 bis 1941 waren die Studenten jedoch noch mehr belastet als vorher. Auch die geforderte intensivierte Ausbildung am Krankenbett konnte nicht realisiert werden.249 Die laut Achim Thom letzte Phase der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik umspannt den Zeitraum des Zweiten Weltkrieges. Mit Kriegsbeginn änderte sich die Situation an den Hochschulen merklich: Es wurden wieder mehr junge Menschen zum Studium zugelassen, gleichzeitig jedoch fehlte es an Hochschullehrern aufgrund von Mobilmachung und Entlassungen. Als Folge dessen wurde der Betrieb an kleinen

240 Thom (1993), S. 4. 241 Siegmund-Schultze (1993), S. 100. 242 Olszewski (1989), S. 74. 243 Möller (1984), S. 69. 244 Flaschendräger et al. (1981), S. 175. 245 Wittern (1993), S. 381. 246 Tröger (1984), S. 8. 247 Wittern (1993), S. 395. 248 Thom (1993), S. 8. 249 Ebenda, S. 6-8. 42

Universitäten vorübergehend eingestellt, was große Hochschulen wie Berlin oder München zusätzlich belastete. Die Studienbedingungen verschlechterten sich also zunehmend. Dies machte sich bereits 1939 in den Examens- bzw. Notprüfungen beispielsweise der Medizin bemerkbar, wo eine eklatante Leistungsschwäche festgestellt werden musste. Auch Rupprecht Matthaei äußerte sich in seinem Artikel Von Weg und Ziel unseres Hochschul-Unterrichts zum 200. Gründungstag der Universität Erlangen im Jahr 1943 unzufrieden über den Kenntnisstand seiner Studenten und kommentiert ungenügende Prüfungen mit dem Satz: „Solche Erlebnisse enttäuschen uns immer wieder“.250 Zusätzlich waren nur noch hochbetagte Dozenten verfügbar, die aufgrund „ihres hohen Alters nur noch partiell in der Lage [waren], die Lehrveranstaltungen selbst durchzuführen“251. Alle jüngeren waren eingezogen. Ab 1939 wurden zudem Lehrmittel kaum noch erneuert und ab 1943 die Gebäude und Einrichtungen der Hochschulen derart beschädigt oder zerstört, dass eine Ausbildung von Studierenden gegen Ende der NS-Zeit quasi nicht mehr möglich war.252 Die Nachwuchsprobleme wurden zusätzlich dadurch aggraviert, dass begabte Talente oft von der nationalsozialistischen Atmosphäre an den Hochschulen abgeschreckt wurden und bevorzugt in die Industrie oder sogar die Wehrmacht gingen, da sie dort vermeintlich eine politisch neutralere Umgebung erwartete.253 Trotz aller Bemühungen gelang es der NS-Regierung jedoch nicht, ihr Verständnis von Wissenschaft flächendeckend durchzusetzen. „Insofern war ihr Erfolg im ganzen also eher destruktiv als im Sinne des Systems konstruktiv.“254 Als Gründe dafür nennt Horst Möller das Fehlen einer strukturierten, geschlossenen Konzeption von Wissenschaft – bis zuletzt gelang es den NS-Ideologen nicht, zu definieren, was die NS-Wissenschaft darstellen sollte255 – und das chaotische Durcheinander bei Kompetenzen und Ämtern.256 Johannes Vossen spricht hier von einem durch die polykratische Organisation des NS-Staates verursachten „Ämterchaos“257. Einige Bereiche, gerade auf dem Feld der Naturwissenschaft oder Technik, waren den Machthabern zudem trotzdem wichtiger als die Ideologie und Wissenschaftler fanden Horst Möller zu Folge nicht selten Schlupflöcher, um sich dem System zu entziehen, sei es durch Lippenbekenntnisse oder durch den Rückzug in unpolitische Spezialgebiete bzw. aus dem öffentlichen Leben.258 Diese Sichtweise Möllers wird mittlerweile allerdings auch im öffentlichen Diskurs als unkritisch und nicht tiefgehend

250 Matthaei (1943), S. 246. 251 Thom (1993), S. 9. 252 Ebenda, S. 8f. 253 Siegmund-Schultze (1993), S. 94. 254 Möller (1984), S. 75. 255 Olszewski (1989), S. 71. 256 Dieser Meinung schließt sich Sylvia Paletschek an, die nur die völkische Idee und die Rassenlehre als konkrete Forderungen der NS-Wissenschaftspolitik ansieht: „Daß eine Neuordnung des Hochschulwesen trotz der Eingriffe der Nationalsozialisten in die universitäre Selbstverwaltung nicht durchgeführt wurde, lag an einer fehlenden Konzeption, an der Kürze der Vorkriegszeit und der Polykratie der vielen, für den Hochschulbereich zuständigen Stellen, die sich ständig Konkurrenz machten.“ (Paletschek (2002), S. 197). 257 Vossen (2009), S. 27. 258 Möller (1984), S. 75. 43 genug betrachtet: So hält Ernst Klee sie für „Standardargumente der Naziverharmloser“259 und zeigt sich gegenüber Aussagen wie beispielsweise einer Parteimitgliedschaft, um den persönlichen Widerstand zu tarnen, entrüstet.260 Gerade unter den Medizinern waren viele „aus der Mitte der Gesellschaft, bei Patienten und Kollegen hochgeschätzt, mitunter auch exzellente Wissenschaftler, die sich – teilweise mit einem hohen Grad an Eigeninitiative und Engagement – an den NS- Medizinverbrechen beteiligten.“261 So verlor die deutsche Wissenschaft durch ihre Beschränkungen viel: Führende Wissenschaftler emigrierten oder wurden vertrieben, die studentische Ausbildung sank entscheidend im Niveau und die Grundlagenforschung wurde vernachlässigt. Auch verweigerte Internationalisierung wie z.B. die Behinderung von Kommunikation mit Kollegen im Ausland trugen genauso ihren Teil dazu bei wie „‘auf Deutsch‘ getrimmte Einzeldisziplinen“262, dass die ehemalige Vorrangstellung Deutschlands auf dem Gebiet der Hochschulen und Wissenschaften verloren ging. „Zum Glück für die Wissenschaft […] hat das NS-Regime nur zwölf Jahre geherrscht“263, resümiert Reinhard Siegmund-Schultze. So konnten einige, denen es zuvor verboten war, schließlich noch studieren und es war möglich, wissenschaftlich wieder an die Zeit von vor 1933 anknüpfen – auch wenn dies bedeutete, dass einzelne Disziplinen, die ursprünglich aus Deutschland kamen, nach 1945 aus dem Ausland „reimportiert“ werden mussten.264

3.1.3.3. Erlangen und die Hochschulen von 1945 bis 1960 Am Nachmittag des 16. April 1945 rückte die US-Armee in Erlangen ein. Auch Dank Universitätsrektor Eugen Herrigel (1884-1955) übergab Oberstleutnant Werner Lorleberg (1894-1945)265 die Stadt kampflos und sie blieb unbeschädigt.266 Als Hauptgrund dafür führt Andreas Jakob die zahlreichen Verwundeten und Kranken an, die sich zu dieser Zeit in Erlangen aufhielten und die Stadt dadurch vor schlimmeren Kampfhandlungen und Angriffen bewahrten.267 Auch die Erlanger Bevölkerung ‚kapitulierte‘ mehrheitlich bereitwillig und hängte provisorische weiße Fahnen aus den Fenstern. Der Großteil der Erlanger zeigte sich erleichtert über die Ankunft der Amerikaner und freute sich angesichts der oft überraschenden Freundlichkeit, mit der ihnen begegnet wurde.268 Diese neue Zeit begann für das akademische Deutschland dennoch zunächst mit zahlreichen Einschränkungen. Viele der Hochschulen waren vollkommen oder zu einem Großteil zerstört, nur sechs der 32 Institutionen waren annährend noch intakt.269

259 Klee (2001), S. 281. 260 Ebenda. 261 Rauh (2018b), S. 115; Vgl. auch Oehler-Klein und Roelke (2007), Klee (2001). 262 Olszewski (1989), S. 73. 263 Siegmund-Schultze (1993), S. 91. 264 Ebenda, S. 91-99. 265 Plöger (2016c), S. 300. 266 Wendehorst (1993), S. 217; siehe dazu auch Thum (2018b), S. 158f. 267 Jakob (2018), S. 318-445. 268 Ebenda, S. 498-502. 269 Strübel (1984), S. 168f. 44

Da Bildung für die Besatzer jedoch zu dieser Zeit nicht an erster Stelle stand, blieben die Hochschulen zunächst geschlossen. Als aber die pragmatische Notwendigkeit der Bildungseinrichtungen erkannt wurde – Kriegsheimkehrer brauchten eine Perspektive und vor allem die medizinische und religiöse Versorgung der Bevölkerung mussten sichergestellt werden –, wurden die Hochschulen bereits am 15. Oktober 1945 wiedereröffnet270. Deutsche Akademiker sahen dabei keine Notwendigkeit, das bestehende universitäre System zu erneuern. Eine häufige Aussage lautete: „[D]er Kern unserer Universität ist gesund“271. Man wollte an die Zeit der Weimarer Republik anknüpfen, wieder von Zentralisierung und politischer Instrumentalisierung abkommen.272 Auch die westlichen Alliierten orientierten sich bildungspolitisch an der Weimarer Republik.273 Postuliert wurde dabei „wieder das Humboldtsche Ideal“, also reine Wissenschaftlichkeit und Humanität an den Hochschulen.274 Die Akademikergeneration der unmittelbaren Nachkriegszeit sah sich als unpolitisch.275 Die meisten Ordinarien waren in diesen Verhältnissen akademisch „groß geworden“. So vermittelten diese Dozenten, meist geboren in den Jahren zwischen 1870 und 1890, auch ein eher konservatives Weltbild in ihren Vorträgen.276 Von den amerikanischen Besatzern wurde „[d]er gesamte Bildungssektor, also Schule und Universität, […] zunächst als Bestandteil einer umfassenden Reeducation-Politik betrachtet“277, also als Möglichkeit der aktiven Vermittlung demokratischer und westlicher Ideale278. Die Grundlage dafür sollte die Entnazifizierung bilden. In der amerikanischen Besatzungszone, in der Erlangen lag, kann diese grob in zwei Phasen eingeteilt werden. Zunächst wollte man sich einen Überblick verschaffen und entfernte lediglich Personen, die auf der „schwarzen Liste der Amerikaner“279 geführt wurden, also als prominente Vertreter des Nationalsozialismus galten. Im Bildungsbereich achtete man dabei vor allem auf NSDAP-Funktionäre, die Schlüsselpositionen innehatten und als „aktive Nationalsozialisten“ galten.280 Von den Erlanger Medizinern betraf das den Gynäkologen Hermann Wintz (1887-1947), den Internisten Richard Wilhelm Greving (1887-1966) und den Physiologen Rupprecht Matthaei (1895- 1976).281 Auch der Pädiater Albert Viethen (1897-1978) wurde seines Amtes

270 Trotz dieser Motive wurden die Theologische und Medizinische Fakultät in Erlangen als letzte wiedereröffnet (Plöger (2016c), S. 320). 271 Paletschek (2002), S. 203. 272 Satz: Lengwiler (2010), S. 15. 273 Malycha (2009), S. 42. 274 Paletschek (2002), S. 200f. 275 Schlüter (1996), S. 451. 276 Satz: Strübel (1984), S. 171. 277 Paulus (2010), S. 99. 278 Wichtige Faktoren vor allem der Bildungspolitik im amerikanischen Sektor Westdeutschlands waren dabei die Gleichheit der Bildungschancen in allen Bevölkerungsschichten und Austauschprogramme unter anderem mit den USA (Malycha (2009), S. 47). 279 Paulus (2010), S. 106. 280 Zitat und Satz: Malycha (2009), S. 34. 281 Wendehorst (1993), S. 219; zu den insgesamt in Erlangen entlassenen Hochschullehrern siehe auch Leven und Rath (2016), S.514, S. 518 und S. 523.

45 enthoben.282 Dass in dieser Zeit andere, nicht ganz so schwer belastete Personen weiterhin in ihren Ämtern blieben, nahm man dabei in Kauf; dies wurde aber in einer „zweite[n] Säuberungswelle“283 Ende 1946 bzw. Anfang 1947 nachkorrigiert. In einer zweiten Phase wurde mit dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 die Entnazifizierung deutschen Spruchkammern übertragen, um unter anderem dezidierter nach Gesinnung und weniger nach bloßer Parteimitgliedschaft filtern zu können. Das Verfahren entlastete zudem die Militärregierung. Mit Hilfe eines deutlich reduzierten Fragebogens stufte sich die Bevölkerung dabei selbst ein und fand letztendlich genügend Raum für Selbstrechtfertigungen. So wurden bis zum von den Amerikanern gesetzten Abschlusstermin im Mai 1948 rund 75% der Bevölkerung lediglich als Mitläufer eingestuft, viele Verfahren eingestellt oder Amnestien gewährt.284 Es gab nun zudem zahlreiche Rehabilitationen, weil zuvor so viele Menschen entlassen worden waren und sich allerorts ein kritischer Personalmangel abzeichnete. Bereits in den Jahren 1947 und 1948 fanden die meisten Wiederernennungen statt.285 Andreas Malycha bezeichnet diese Situation „weniger als personelle[n] Bruch, denn als zeitweilige Unterbrechung“286. Letztendlich wurden bei diesem Vorgehen auch Belastete wiederverwendet, „die an den Hochschulen nicht mehr hätten auftauchen dürfen, und es wurden andere ausgeschlossen, für die – trotz ihrer nominellen Eingliederung in eine Parteiformation – hier durchaus wieder Platz gewesen wäre“287. Das Hochschulsystem Deutschlands hätte also in der unmittelbaren Nachkriegszeit grundliegend reformiert werden können. Da Westdeutschland jedoch schnell vom besiegten Land zu einem wichtigen Verbündeten gegen die Sowjetunion wurde und vor allem die Amerikaner den Deutschen eine selbstständige Entnazifizierung und Neugestaltung zugestanden, blieb es vorerst bei den alten Strukturen: „Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte das Wissenschaftssystem in Westdeutschland

282 Plöger (2016c), S. 303; Jakob (2018), S. 532. Albert Viethen, 1897 in Mönchengladbach geboren, arbeitete nach dem Medizinstudium in Freiburg, wo er sich im Alter von 34 mit einer Arbeit über Klinische, röntgenologische und bakteriologische Untersuchungen an Kindern der Tuberkulose-Fürsorge für Freiburg und das Badische Oberland habilitierte. Zum 01.10.1939 erfolgte der Ruf an die Universität Erlangen als erster ordentlicher Professor für Kinderheilkunde und Direktor der Kinderklinik. Die Pädiatrie hatte sich nun aus der Inneren Medizin herausgelöst. Wissenschaftlich befasste sich Albert Viethen auch hier vor allem mit Tuberkulose und Röntgendiagnostik bei Kindern. Bei Einmarsch der Alliierten im April 1945 wurde er verhaftet und am 19.11.1945 endgültig vom Dienst enthoben, da er unter anderem sowohl Mitglied der NSDAP als auch der SS gewesen war. 1948 wurde er als ‚entlastet‘ eingestuft und 1951 wurde ihm die Venia legendi wiederverliehen. Im Jahr 1963 jedoch holte Viethen die Vergangenheit ein und er wurde wegen Beihilfe zum Mord an bis zu 20 Kindern vor dem Landgericht Ansbach angeklagt. Von 1942 bis 1944 sollen diese Kinder im Rahmen des ‚Euthanasie‘-Programms aus der Kinderklinik in Erlangen zur gezielten Tötung in die Heil- und Pflegeanstalt Ansbach verlegt worden sein. Im Mai 1964 wurde er freigesprochen, da nicht bewiesen werden konnte, dass Viethen von den Vorgängen in Ansbach unterrichtet gewesen war. Es bestehen jedoch weiterhin Zweifel an seiner Unwissenheit. Er starb 1978 im Alter von 81 Jahren (Bussiek (2005), S. 125-205; Catalogus Professorum Halensis, Eulner (1970), S. 615). 283 Malycha (2009), S. 34. 284 Schleiermacher (2007), S. 31f. 285 Plöger (2016c), S. 303-316. 286 Malycha (2009), S. 38. 287 Zitat: Strübel (1984), S. 170. 46 keinen fundamentalen Umbruch.“288 Eine strukturelle Reform der Hochschulen fand in der Bundesrepublik Deutschland erst gegen Ende der 1960er Jahre statt.289 Die unmittelbar deutsche Vergangenheit wurde in der Nachkriegszeit auch an den Hochschulen meist „wie ein Nichtereignis behandelt“290, es wurde kaum darüber gesprochen und so getan „[a]ls ob nichts geschehen sei! Kein Stalingrad und kein Ausschwitz, keine eugenische Sterilisation und keine wissenschaftliche Nobilitierung des Antisemitismus“291. In den 1940ern wurden die Ereignisse dabei vor allem verleugnet und man beteuerte das Nichtwissen, während man in den 1950ern eher in die Strategie des Schweigens verfiel.292 Erst in den 1960ern stießen schließlich die Studentenbewegungen den Umbruch an den Hochschulen293 und eine Aufarbeitung der Vergangenheit an. Eben diese Studenten hatten auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit stark unter den eingeschränkten Gegebenheiten der deutschen Hochschullandschaft gelitten. Da die Jahrgänge von 1920 bis 1927 zuvor aufgrund von Kriegshandlungen und Einberufungen alle vom Studieren abgehalten worden waren, drängten sie nach dem Krieg geballt in die Universitäten. Es gab schließlich fünf- bis zehnmal so viele Bewerber wie die Numeri clausi der Militärregierungen an den Hochschulen zuließen. Ausgewählt wurde letztendlich nach Wohnsitz, nicht anerkannt wurde das Kriegsabitur und abgelehnt wurden sämtliche ehemaligen NSDAP- Parteimitglieder oder -Anwärter und Berufsoffiziere.294 Ebenfalls verwehrt wurde der Zugang zu Hochschulen beispielsweise Führern bzw. aktiven Mitgliedern der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel, Angehörigen der SS und SA und Kindern von durch die alliierten Besatzer festgenommenen Personen.295 Bevorzugt wurden dagegen „<<überalterte Studenten>>, höhere Semester, Geschädigte des NS- Regimes, Kriegsversehrte und bayerische Landeskinder“296, sowie Kinder von Landwirten und Personen, die sich aktiv an der demokratischen Entwicklung Deutschlands beteiligten. Eine strikte Durchsetzung dieser eindeutigen Vorgaben fand in der Realität allerdings nicht immer statt. 297 Vor allem in der Medizin gab es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Bruch, sondern weitestgehend Kontinuität. Die wachsende Gefahr von ansteckenden Krankheiten und Seuchen machte Ärzte in dieser Zeit, wie bereits kurz angerissen, unentbehrlich und

288 Zitat: Lengwiler, (2010), S. 15; Absatz: Paulus (2010), S. 95-110. 289 Schleiermacher (2009), S. 8. 290 Strübel (1984), S. 175. 291 Ebenda, S. 178. 292 Oehler-Klein und Roelcke (2007), S. 12. 293 Bereits Ende der 1940er und in den 1950ern hatte es Bemühungen um eine Reform der deutschen Hochschulen gegeben. Schwerpunkte in zahlreichen Konferenzen und Tagungen waren dabei unter anderem die Öffnung gegenüber sozial schlechter gestellten Schichten, die studentische Gemeinschaftserziehung und die Etablierung des Studium generale, welches „die Ausbildung bloßer Spezialisten“ (Paulus (2010), S. 149) verhindern sollte. Grundlegende Änderungen blieben jedoch aufgrund der zahlreichen Anforderungen des Wiederaufbaus noch aus (Ebenda, S. 147-168). Für die 1960er Jahre setzte man sich schließlich zum Ziel, die Hochschulpolitik an die moderne Industriegesellschaft anzupassen und nach dem universitären Wiederaufbau die Weichen für die Zukunft neu zu stellen (Ude-Koeller (2018b), S. 259). 294 Quelle zum gesamten Absatz: Strübel (1984), S. 168-179. 295 Schagen (2009), S. 57. 296 Thum (2018b), S. 162. 297 Schagen (2009), S. 57f. 47 so durften sie oft, zunächst noch mit Auflagen, weiterarbeiten.298 Zudem waren die Alliierten gezwungen, die medizinischen Fakultäten der Hochschulen mit möglichst vielen Studenten schnellstmöglich wiederzueröffnen. So kam es vor allem hier, wie für den gesamten Bereich der Hochschulen bereits erwähnt, zu einer Überalterung der Dozenten; eine jüngere Generation der Hochschullehrer war aufgrund von Krieg, Kriegsgefangenschaft und Entnazifizierung quasi nicht vorhanden. Letztendlich durften belastete aber für unentbehrlich gehaltene medizinische Wissenschaftler an den Hochschulen weiterhin forschen und behandeln, lediglich aus der Lehre mussten sie sich zurückziehen. Oft verhalf auch ein Wechsel der jeweiligen Besatzungszone zum Wiedereintritt in das akademische Leben und so war bereits im Mai 1950 ein Drittel der Hochschulangehörigen rehabilitiert. Da die deutsche Medizin auch nach dem Krieg über ein gewisses internationales Renommee verfügte und die alliierten Besatzer sich, wenn auch nicht immer offen, für die Ergebnisse der NS-Mediziner interessierten299, blieb das Eliteverständnis des Faches bestehen und eine Reflexion über das Handeln während des NS-Regimes wurde nicht als nötig erachtet. Einige terminologische Modifikationen wie die Änderung der Disziplin Rassenhygiene in Genetik oder Eugenik blieben die einzigen Bemühungen, genauso wie die Entlassung einiger weniger ‚Einzeltäter‘, auf die man sein Augenmerk richtete. Man distanzierte sich öffentlich vor allem von denjenigen, die wissenschaftlich unverdienterweise vom NS-Regime profitiert hatten, radikale antisemitische oder rassistische Positionen bezogen hatten oder deren inhumane Behandlung von Ausländern und Beteiligung an NS-Verbrechen öffentlich bekannt wurde.300 In diesem Zusammenhang sind vor allem die 23 im Nürnberger Ärzteprozess angeklagten Ärztinnen und Ärzte, Juristen und Verwaltungsangestellte zu nennen, die des hunderttausendfachen Mordes, der Durchführung von Menschenexperimenten und sadistischer medizinischer Quälerei beschuldigt wurden.301 Es bleibt also festzuhalten, dass zumindest die westliche „[m]edizinische Wissenschaft […] nicht der historischen Zäsur von 1945“ folgte.302 Der Erlanger Universitätsmedizin kam in dieser Zeit schnell wieder eine tragende Rolle zu, da Erlangen über kein städtisches Krankenhaus verfügte und das Städtische Klinikum Nürnbergs zerstört war.303 Auch einige der übergangsweise eingesetzten Ordinarien der Universität Erlangen wollten sich in dieser Zeit unabdingbar machen: Es handle sich um eine wahre „Erpresser-Psychose“, wurde dem Münchener Kultusministerium empört mitgeteilt, wenn einige Dozenten immer wieder versuchten, der Universität Erlangen mit Hilfe von angeblichen Berufungen an andere Hochschulen bindende Zusagen abzuringen.304 Über die spezielle Lage der Universität Erlangen wurde im Januar 1949 vom Universitätsbund ein Bericht verfasst. Die Universität hatte dabei mit ganz eigenen Gegebenheiten zu kämpfen: Aufgrund der Unversehrtheit der Stadt und Universität

298 Oehler-Klein und Roelcke (2007), S. 12f. 299 Ein Beispiel dafür ist das in Kapitel 3.3.7. angesprochene ‚Projekt Paperclip‘. 300 Oehler-Klein und Roelcke (2007), S. 16f. 301 Eckart (2017), S. 1524 f. 302 Schleiermacher (2007), S. 21-42. 303 Thum (2018b), S. 159. 304 Zitat und Satz: Thum (2018a), S. 188. 48 war Erlangen mit Kriegsende unversehens zu einer der größten Hochschulen Deutschlands geworden. „Allein von den sieben Universitäten und vier Technischen Hochschulen, die sich in der amerikanischen Besatzungszone, d. h. in Bayern, Hessen und Württemberg-Baden, befanden, hatten lediglich die Ruperto-Carola zu Heidelberg und die Erlanger Friedrich-Alexander-Universität den Krieg ohne größere Schäden überstanden.“305 Im Sommersemester 1946 immatrikulierten sich mit rund 5.500 Studierenden dreimal so viele Personen wie vor dem Krieg in Erlangen.306 Anderen Quellen sprechen von ‚nur‘ rund 4.500 Neuimmatrikulationen 1946 mit einem Anstieg auf 6.500 im Jahr 1948, was jedoch trotzdem einen beträchtlichen Zuwachs bedeutete.307 Zudem rechnete man damit, dass diese Situation auch eine Zeit lang weiterhin so bestehen bleiben werde. Gleichzeitig jedoch waren staatliche Fördermittel gestrichen worden, sodass man die Zukunft von Forschung und Lehre als bedroht ansah.308 Grund dafür war vor allem die Unversehrtheit der Hochschule; man fand wenig Argumente für finanzielle Unterstützung angesichts der Zerstörungen sowohl in München als auch Würzburg.309 Auch hatte die Universität mit personellen Engpässen zu kämpfen: Von ehemals 116 Dozenten befanden sich im Januar 1946 nur noch 72 im Amt.310 Erschwerend hinzu kam der materielle Mangel, der nicht nur die Patientenversorgung betraf – es fehlte an Medikamenten, Verbandsmaterial und Instrumenten – , sondern soweit ging, dass die Gebäude nicht adäquat mit Strom, Wasser und Gas versorgt werden konnten und Patienten teils für ihren Aufenthalt Kartoffeln mitbringen mussten.311 Zudem, so führte Rektor Friedrich Baumgärtel (1888-1981)312 aus, sah man sich gegenüber den anderen bayerischen Landesuniversitäten München und Würzburg finanziell benachteiligt und führte das vor allem auf den seiner Meinung nach ungerechtfertigten negativen, ‚braunen‘ politischen Ruf der Universität Erlangen zurück. Außerdem sei die Hochschule so stark überfüllt gewesen, dass das Ausbildungsniveau gezwungenermaßen habe sinken müssen. Gleichzeitig jedoch bestand eine Beschränkung von 50 Medizinstudenten pro Semester, obwohl Erlangen

305 Paulus (2010), S. 97. 306 Wendehorst (1993), S. 223. 307 Derichs und Metzger (2018), S. 60. 308 Universitätsbund Erlangen E.V. (1949), S. 4. 309 Plöger (2016b), S. 298. 310 Paulus (2010), S. 107. 311 Thum (2018b), S. 160. 312 Frobenius (2016c), S. 312. 49 laut Aussagen Baumgärtels problemlos die doppelte Anzahl hätte ausbilden können. Auch in diesen Ausführungen wird das Problem der in Rückstand geratenen deutschen Wissenschaft, welches seinen Anfang während des Dritten Reiches genommen hatte, angesprochen. Zwar war nach dem Krieg die Erlanger Bibliothek vollkommen unbeschadet, enthielt aber keine aktuellen Schriften mehr, was Forschung unmöglich

Abbildung 6: Sich drängende Studenten vor dem Physiologiehörsaal machte. „Wettbewerb mit dem Ausland [kam] schon gar nicht mehr in Frage“313. Erste Abhilfe verschafften Sachspenden vor allem aus dem Ausland.314 Verschärft wurde dieser Zustand Abbildung 5: Überfüllter Hörsaal im Wintersemester 1946/47 noch von der Raumnot vor allem im Jura- und Medizinstudium, der unter anderem durch die Beschlagnahmung von Universitätsgebäuden aber auch privaten Wohnungen durch die Amerikaner entstanden war315. Viele Studierende musste während der Vorlesungen stehen und konnten so nicht mitschreiben. Aufgrund des Büchermangels ließ sich nicht notierter Stoff dann jedoch auch im Nachhinein kaum aufholen. Zusätzlich sah sich die Universität von der Tatsache bedroht, dass eine vierte bayerische Landesuniversität in Bamberg oder Regensburg in Planung stand. Man fürchtete, noch weniger Fördermittel zu erhalten.316 Nachdem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund des starken Zulaufs noch eine offizielle Warnung vor Aufnahme des Medizinstudiums ausgesprochen worden war, erreichten die Immatrikulationen in den 1950ern „ein erträgliches Niveau“317. Nicht gebessert hatte sich zunächst allerdings die bauliche Situation der maroden Universitätsgebäude, da die weitestgehend unzerstörte Hochschule kaum staatliche Fördermittel erhielt. Erst durch die Ortsbegehung einiger Münchner Verantwortlicher 1949 bzw. 1952 hinterließen „die desolaten Zustände […] einen nachhaltigen

313 Universitätsbund Erlangen E.V. (1949), S. 21. 314 Thum (2018d), S. 209. 315 Paulus (2010), S. 111. 316 Universitätsbund Erlangen E.V. (1949), S. 6-39. 317 Thum (2018c), S. 199. 50

Eindruck“318 und der Etat wurde schließlich erhöht. So konnte sich die Universität Erlangen in dem noch jungen Jahrzehnt merklich weiterentwickeln. Entscheidend dafür war auch der Umzug von Siemens nach Erlangen, der unter anderem viele Neuerungen in der Elektrotechnik ermöglichte. Es entstanden zudem einige Neubauten wie das Bettenhaus der Chirurgie, um die gröbsten Notstände zu beseitigen. Als eine der ersten Kliniken setzte die Erlanger Kinderklinik zudem eine ‚Eiserne Lunge‘ bei Polio-Erkrankungen ein.319 Kontinuität hingegen herrschte bei den Ordinarien: Kaum ein Lehrstuhl der Medizinischen Fakultät wurde in den 1950ern neu besetzt. So waren nun einige Versäumnisse bereits aufgeholt, doch auch 1962 beklagten Studierende noch die unerträglichen Zustände der Bausubstanz und mangelnden Reformwillen in der Medizinischen Fakultät. Vor allem letzteres sollte in den 1960ern noch für einigen Zündstoff sorgen.320

3.2. Habilitationsvorgänge der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1918 bis 1960 Nach der Darlegung der Rahmenbedingungen für die Habilitationen von 1918 bis 1960 erfolgt nun eine detaillierte Analyse ebenjener. Da der Umfang von 97 erfolgreich durchlaufenen Habilitationsverfahren im Untersuchungszeitraum zu mannigfaltig für eine eingehende Betrachtung jedes einzelnen Vorgangs ist, bietet der folgende Abschnitt statistische Überblicke über allgemeine Details der Habilitationen wie beispielsweise Fachgebiet oder Habilitationsjahr. Außerdem werden soziale Faktoren der Habilitanden analysiert und auch die Habilitationsschriften vor allem bezüglich Umfang und Literatur eingehend dargestellt. Für eine bessere Übersicht dieser Details wurden diese auch graphisch aufgearbeitet und in Diagramme übersetzt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden einige der Ergebnisse dabei gerundet. Eine wichtige Quelle für die Habilitationsvorgänge an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen sind die Habilitationsakten aus dem Universitätsarchiv Erlangen-Nürnberg. Insbesondere da, wo Lücken bleiben, ergänzen Renate Witterns Standardwerk Die Professoren und Dozenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen 1743-1960321 und das Habilitationsbuch der Medizinischen Fakultät Erlangen Details322. Aus diesen gesammelten Informationen war es möglich, eine Übersicht sämtlicher Habilitationsvorgänge von 1918 bis einschließlich 1960 anzufertigen. Ein Zwischenstand dieser Ergebnisse findet sich bereits in der Vorabveröffentlichung im Jubiläumsband Die Medizinische Fakultät der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - Kontexte, Köpfe, Kontroversen (1743- 2018)323. Da jedoch zwischenzeitlich weitere Quellen hinzugezogen werden konnten, konnte der Forschungsstand aktualisiert und die Materialbasis wesentlich erweitert werden.

318 Thum (2018d), S. 203. 319 Plöger (2016c), S. 325. 320 Thum (2018c,d,e), S. 199-243, Ude-Koeller (2018a), S. 349-373. 321 Wittern (1999). 322 Habilitationsbuch der Medizinischen Fakultät Erlangen. 323 Zimmermann (2018a), S. 245-255. 51

3.2.1. Chronologische Übersicht über die untersuchten Habilitationsvorgänge Die folgende Tabelle stellt ein Kernstück der vorliegenden Arbeit dar. Sie listet sämtliche Habilitanden, den Titel der jeweiligen Schrift, sowie Fachrichtung und Jahr der Habilitation chronologisch auf und kann deshalb aus Gründen der Übersicht als ein wichtiges Nachschlagewerk verstanden werden.

Nachname Vorname Titel der Habilitationsschrift Fachrichtung Jahr 1. Pflaumer Eduard Titel nicht überliefert Urologische Chirurgie 1918 Ludwig Julius 2. Wintz Hermann Experimentelle Gynäkologie 1918 Untersuchungen aus dem Gebiet der Röntgentiefentherapie 3. Angerer, von Karl Untersuchungen über die Hygiene und 1920 Benno physikalische Chemie der Bakteriologie Friedrich bakteriologischen Nährböden mit besonderer Berücksichtigung der Wasserstoffionenkonzentration 4. Ewald Gottfried Die Abderhaldensche Psychiatrie 1920 Reaktion mit besonderer Berücksichtigung ihrer Ergebnisse in der Psychiatrie 5. Stettner Ernst Ueber die Beziehungen der Pädiatrie 1920 Melchior Ossifikation des Handskeletts zum Längenwachstum bei gesunden und kranken Kindern von der Geburt bis zu Pubertät 6. Busch Max Titel nicht überliefert Allgemeine Pathologie 1921 und Pathologische Anatomie 7. Greve Christian Nicht angefertigt, da nicht Zahnheilkunde 1921 Hans erforderlich 8. Greving Richard Die Anatomie, Physiologie und Innere Medizin 1922 Wilhelm Pathologie der vegetativen Zentren des Zwischenhirns 9. Haas Willy Ueber den Bakteriengehalt Chirurgie 1922 Robert des Pfortaderblutes und die Entstehung von Leberabszessen 10. Hauenstein Karl Titel nicht überliefert Zahnheilkunde 1922 Johann Wilhelm 11. Knorr Maximilian Untersuchungen über den Hygiene und 1923 Erreger der ägypth. Bakteriologie Augenentzündung (Koch- Weeksches Bakterium) und seine Beziehungen zum R. Pfeifferschen Influenza- Bakterium

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12. Bock Julius Titel nicht überliefert Zahnheilkunde 1924 Georg 13. Schneller Julius Das Luminal und sein Gerichtliche Medizin 1924 gerichtsärztlicher Nachweis 14. Friedrich Heinrich Allgemeine und spezielle Chirurgie 1925 Fragen zur Diagnostik der chirurgischen Tuberkulose beziehungsweise Allgemeine und spezielle Fragen zur Diagnostik der chirurgischen chronischen Gelenk- und Knochenerkrankungen 15. Gross Kurt Adolf Über das Purkinjesche Physiologie 1925 Phaenomen 16. Pratje Andreas Form und Lage der Anatomie und 1925 Speiseröhre des lebenden Anthropologie Menschen 17. Teschendorf Werner Der gesunde und kranke Innere Medizin, 1925 Zwölffingerdarm im Röntgenkunde Röntgenbild 18. Kihn Berthold Die Behandlung der Quartären Psychiatrie, Neurologie 1926 Franz Syphilis mit akuten Infektionen. Ihre Stellung in der Therapie, ihre Methodik und Klinik, ihre Beziehungen zur Pathologie und zum öffentlichen Leben 19. Dyroff Rudolf Experimentelle Geburtshilfe und 1927 Untersuchungen zur Gynäkologie, Physiologie des Genitaltraktes Röntgenkunde beim Weibe 20. Regelsberger Hermann Die klinische Bedeutung Innere Medizin, 1927 Friedrich fortgesetzter Messung der physikalisch-klinische Ludwig alveolaren Kohlensäure Untersuchungsmethoden 21. Dietel Friedrich Enuresis Dermatologie, 1928 Venerologie, Strahlenkunde 22. Flaskamp Wilhelm Ueber Röntgenschäden und Geburtshilfe und 1928 Schäden durch radioaktive Gynäkologie, Substanzen. Ihre Symptome, Röntgenkunde Ursachen, Vermeidung und Behandlung 23. Herzog Ernst Frage der Innervation der Pathologische Anatomie 1928 Geschwülste 24. Hoff Ferdinand Blut und vegetative Regulation Innere Medizin 1928 Hans Hinrich 25. Schmelzer Hans Pathologie und Therapie des Augenheilkunde 1928 Glaukoms 26. Lüttge Werner Der Geburtsmechanismus bei Geburtshilfe und 1930 Anwendung der Zange Gynäkologie

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27. Westhues Heinrich Über die Entstehung und Chirurgie 1930 Vermeidung des lokalen Rektum-Karzinom-Rezidivs 28. Bodechtel Gustav Gehirnveränderungen bei Innere Medizin und 1932 Herzkrankheiten Neurologie 29. Buchaly Julius Über Beziehungen der Allgemeine Pathologie 1932 Felix Serotoxine zur Anaphylaxie. und pathologische Serologische und Anatomie pathologisch-anatomische Untersuchungen im Tierexperiment 30. Richter Helmuth Die normale Entwicklung der Ohren-, Nasen- und 1932 Wilhelm menschlichen Nase, in Kehlkopfheilkunde Ludwig Sonderheit der Siebbeinzellen Karl 31. Schuler Werner Die Stellung der Harnsäure im Innere Medizin und 1933 Hans intermediären Stoffwechsel pathologische Oskar Physiologie 32. Peter Karl Die Wurzelspitzenresektion Zahnheilkunde 1934 Hermann der Molaren 33. May Friedrich Chemische und biologische Physiologie und 1935 Julius Untersuchungen über physiologische Chemie Galaktogen 34. Schmidt Karl Die postoperative Chirurgie 1935 Hermann Bauchdeckenfunktion nach Laparotomien 35. Brackertz Wilhelm Tierexperimentelle, klinische Chirurgie 1936 und röntgenologische Untersuchungen zur Entstehung der gemeinen Pseudarthrose 36. Eyer Hermann Eine medizinische Hygiene und 1937 Topographie eines Bakteriologie ausgewählten Landbezirks im Bereich der oberpfälzischen Grenzmark 37. Paschke Heinrich Der Einfluss der Zahnheilkunde, Zahn-, 1937 orthopädischen Behandlung Mund- und des deformierten Oberkiefers Kieferheilkunde auf den Gesichtsschädel 38. Bosch Hans Der Einfluss der Röntgen- und Gynäkologie und 1938 Radiumstrahlen und der Geburtshilfe Strahlen radioaktiver Substanzen auf das strömende Blut, seine Formelemente und ihre Bildungsstätten 39. Jeddeloh, zu Bruno Beiträge zur Physiologie und Innere Medizin 1938 Richard Pathologie der Johann Atembewegungen (Untersuchungen mit Pneumograph an Männern)

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40. Schlirf Karl Über die bakteriologische Nicht überliefert 1938 Diphtheriediagnose 41. Bingel Adolf Über die Tagesperiodik Neurologie und 1940 Abraham Geisteskranker dargestellt am Psychiatrie Gustav Elektrodermatogramm 42. Denecke Kurt Symptomatische Aufteilung Chirurgie 1940 der Endarteriitis obliterans 43. Thiermann Edmund Die Beziehungen des Urologie 1940 Rektumkarzinoms zum Urogenitalsystem 44. Engelhardt Albrecht Die Sicherung des Bestandes Physiologie 1943 an Blut und Erythrozyten und ihre Beeinflussung durch isotonische Blutersatzmittel 45. Schottky Johannes Nicht angefertigt, da nicht Psychiatrie, Neurologie 1943 erforderlich und Rassenhygiene 46. Bauer Helmuth Die Trichomoniasis des Haut- und 1944 Friedrich Urogenitaltraktes, besonders Geschlechtskrankheiten beim Manne 47. Linck Konrad Zur Pathologie und Allgemeine Pathologie 1944 Maximilian pathologischen Anatomie der und Pathologische Hugo akuten Alkoholvergiftung im Anatomie Kriege, unter besonderer Berücksichtigung von 125 sezierten Todesfällen aus den Jahren 1939 bis 1942 48. Reichel Christian Über das Wesen der Nicht überliefert 1944 Gerinnungsaktivität der Frauenmilch 49. Winklmair Otto Paul Die Eignung der bekannten Zahnheilkunde 1944 Wurzelfüllmaterialien (Guttapercha, Zement, Amalgam, Pasten) bei der Radikaloperation der chronischen Paradentitis (Wurzelresektion) (Ergebnisse 10jähriger röntgenologischer und histologischer Untersuchungen am Patienten) 50. Baeyer, von Walter Geistige Störungen bei Psychiatrie 1945 Ritter Fleckfieber. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den Konfabulationen 51. Keidel Wolf Die Indikatordiagraphie des Physiologie 1949 Dieter Schalls in der Physiologie, ein Beitrag zur Objektivierung der Auskultation 52. Scheiffarth Friedrich Rheumatismus und Innere Medizin und 1949 Nervensystem (die Klinische Immunologie meningealen Reaktionen des Rheumatismus)

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53. Gebauer Alfred Untersuchungen über ein Innere Medizin und 1950 Verfahren zur Herstellung Röntgenologie horizontaler Körperschichtaufnahmen 54. Rüd Hugo Histologische Chirurgie 1951 Gruppeneinteilung der Rektumkarzinome, zugleich eine Kritik der histologischen Malignitätsbestimmung nach Broders 55. Barth Gunther Radiologische Erfahrungen Strahlenheilkunde und 1952 Karl Albert und Ergebnisse der Physikalische Therapie Nahbestrahlung operativ freigelegter Tumoren 56. Dreßler Willy Die Hirnwasserräume unter Chirurgie und 1952 dem Einfluss des Traumas Neurochirurgie 57. Hengstmann Hermann Die Cytodiagnose des Innere Medizin 1952 Bronchialcarcinoms mit Hilfe der gezielten Bronchialabsaugung 58. Klopfer Fritz Die causale Genese der Orthopädie 1952 Hüftgelenksluxation und ihre Beziehungen zur angeborenen Hüftgelenksdysplasie 59. Moll Albrecht Digitalis und Innere Medizin 1952 Elektrokardiogramm 60. Stelzner Friedrich Titel nicht überliefert Chirurgie 1952 Reinhold 61. Wachsmann Felix Unterschiede in der Wirkung Physikalische 1952 verschieden dicht Grundlagen der ionisierender energiereicher Strahlenkunde, Strahlungen insbesondere Röntgenologie 62. Leonhardt Helmut Über die Blut-Gehirnschranke Anatomie 1953 nach experimentellen Eingriffen 63. Mechelke Kurt Heinz Untersuchungen über die Innere Medizin 1953 Helmut Beeinflussung des Kreislaufs durch die Atmung sowie durch Lagewechsel und Pressdruck bei gesunden Menschen und bei Personen mit nervösen Herz- und Kreislaufstörungen 64. Grosch Hans Die motivierten Depressionen Psychiatrie und 1954 und psychogenen Reaktionen Neurologie depressiver Färbung 65. Lutterotti Markus Elektrophoretische Innere Medizin 1954 von Eiweißverschiebungen bei Herzkranken mit besonderer Berücksichtigung der Herzinsuffizienz

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66. Wernsdörfer Robert Untersuchungen über Haut- und 1955 Heinrich Reizantworten der Haut, Geschlechtskrankheiten Andreas Verhalten des Serumeiweisses und des Wasserhausaltes nach unspezifischen Reizen (unspezifische Therapie) 67. Blümlein Hermann Zur causalen Pathogenese Hals-, Nasen- und 1955 Franz des Larynxcarcinoms Ohrenheilkunde Erich 68. Elster Kurt Morphologische und Allgemeine Pathologie 1955 histochemische und Pathologische Untersuchungen als Beitrag Anatomie zum Problem der sog. energetisch-dynamischen Herzinsuffizienz 69. Ilgner Gerhard Grundlagen der Kinderheilkunde 1955 Heinz pathologischen Anatomie des Herbert Darmes bei der akuten und chronischen Enteritis des Säuglings 70. Kinzlmeier Johann Untersuchungen über das Innere Medizin 1955 Baptist Säure-Basegleichgewicht bei (Hans) Gesunden und Kranken 71. Thiel Hans Zur topographischen und Augenheilkunde 1955 Lothar histologischen Situation der Ora serrata 72. Borneff Joachim Über die biologische Hygiene und 1956 Otto Wirksamkeit optischer Bakteriologie Strahlung unter besonderer Berücksichtigung des Leuchtstoffröhrenlichtes 73. Kabelitz Hans- Die Zytologie der Innere Medizin 1956 Joachim Defensivreaktionen im menschlichen Knochenmark 74. Maurer Hans- Beitrag zur biologischen und Röntgenologie und 1956 Joachim biochemischen Wirkung Strahlenheilkunde Walter ionisierender Strahlen 75. Thurau Rudolf Die Bedeutung der Kinderheilkunde 1956 Horst Aminosäureausscheidung für die Beurteilung der biologischen Wertigkeit der Nahrungseiweiße im Eiweißhaushalt des gesunden und dystrophen Säuglings 76. Weinland Helene Untersuchungen an Physiologische Chemie 1956 Galaktogen 77. Witte Siegfried Über Beziehungen zwischen Innere Medizin 1956 Blutgerinnung und Capillarpermeabilität 78. Frik Wolfgang Detailerkennbarkeit und Dosis Innere Medizin 1957 bei der Röntgendurchleuchtung

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79. Haug Herbert Quantitative Untersuchungen Anatomie, Histologie und 1957 Wolfgang an der Sehrinde Embryologie 80. Michalzik Kurt Vergleichende Geburtshilfe und 1957 Untersuchungen über Frauenheilkunde Morphologie und Genese des atypischen Epithels und des frühen Plattenepithelcarcinoms an der Portio 81. Otto Herbert Titel nicht überliefert Allgemeine Pathologie 1957 und Pathologische Anatomie 82. Schmidt Georg Die toxikologische Gerichtliche Medizin 1957 August Harnanalyse zum Nachweis von Barbitursäure- und Harnstoffabkömmlingen 83. Schwerd Wolfgang Der gerichtsmedizinische Gerichtliche Medizin 1957 Nachweis des Seifenabortes und der Seifenintoxikation 84. Thomas Johannes Untersuchungen über die Geburtshilfe und 1957 Beeinflussung der Frauenheilkunde Sauerstoffsättigung des venösen Blutes durch maligne Tumoren, ionisierende Strahlen und Gravidität 85. Fuhrmann Karl Über die eiweißspaltenden Geburtshilfe und 1958 Heinrich Fermente der weiblichen Frauenheilkunde Wilhelm Genitalorgane unter besonderer Berücksichtigung des Endometriums 86. Heinkel Klaus Untersuchungen über den Innere Medizin 1958 Georg Wert der Adolf Laboratoriumsdiagnostik bei Pankreaserkrankungen 87. Birnmeyer Georg Inhalationsnoxen und Hals-, Nasen- und 1959 Simon ortsfremdes Plattenepithel im Ohrenheilkunde Hans Larynx 88. Bock Oskar Über die Innervation des Zahn-, Mund- und 1959 Dentins Kieferheilkunde 89. Leuschner Fred Untersuchungen über die Pharmakologie und 1959 Wirkung des Vasopressins Toxikologie und analoger Polypeptide auf die Niere 90. Reiher Karl-Heinz Beiträge zur Frage der Gynäkologie und 1959 luteotrophen Wirkung der Geburtshilfe geonadotropen Wirkstoffe 91. Schönhärl Elimar Die Stroboskopie in der Hals-, Nasen-, Ohren- 1959 praktischen Laryngologie und Sprach- und Stimmheilkunde 92. Schmidt Josef Hämodynamik und Innere Medizin 1960 Elektrokardiogramm, erläutert an den Herz-Gefäß- Mißbildungen

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93. Schoberth Hanns Sitzhaltung – Sitzschaden – Orthopädie 1960 Ernst Sitzmöbel Friedrich 94. Sigel Alfred Die chirurgische Chirurgie und Urologie 1960 Friedrich Gefäßanatomie der Niere 95. Strobel Eberhard Beiträge zur Frage der Geburtshilfe und 1960 adrenocorticotropen Aktivität Frauenheilkunde der Placenta 96. Weishaar Julius Klinische und physikalische Röntgenologie und 1960 Studien zur Frage der Strahlenheilkunde Anwendung von Röntgenzusatzbestrahlungen des Parametriums, der Beckenwand und der benachbarten Lymphknotengruppen in Form von 2 Kurzzeitbestrahlungen im Abstand von 8 Wochen bei der Strahlenbehandlung des Kollum-Ca 97. Zettler Florian Operative Behandlung Chirurgie 1960 arterieller Durchblutungsstörungen der Beine Tabelle 1: Übersicht über die Habilitationsvorgänge an der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1918 bis 1960 3.2.2. Habilitationsvorgänge allgemein Nach diesem Überblick bietet der folgende Abschnitt einen detaillierten Einblick in das Thema der Habilitationen an der Medizinischen Fakultät. Im Zeitraum von 1918 bis 1960 fanden insgesamt 170 Habilitationsvorgänge an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen statt. 97 Vorgänge, also 57%, wurden davon für die Erlanger Habilitanden angelegt, die in dieser Zeit ein Habilitationsverfahren durchliefen und zu Privatdozenten ernannt wurden. 41 weitere Habilitierte wechselten ihre ursprüngliche Hochschule und erhielten nun in Erlangen die Venia legendi, habilitierten sich also um, und 29 zusätzliche Personen hatten sich in Erlangen habilitiert, dann die Universität verlassen und waren schließlich wieder in den Hochschuldienst in Erlangen zurückgekehrt. Von den Kandidaten Herbert Buschbeck und Robert Schwab ist lediglich bekannt, dass eine Habilitationsakte existiert und sie an der Universität Erlangen angenommen wurden, zu Hans Molitoris (1874-1972)324 wurde keine Akte angelegt.

324 Leven (2018c), S. 623. 59

Grafik 1: Habilitationsvorgänge 1918-1960

Beleuchtet man nun die einzelnen Zeitabschnitte – analog der Archivnummerierung unterteilt in vor und nach 1945 – getrennt voneinander, so stellt man fest, dass von 1918 bis 1945 82 Habilitationsvorgänge stattfanden. Mit 49 Personen stellen den Großteil, nämlich knapp 60%, frisch habilitierte Privatdozenten dar, während 26 Habilitanden sich aus anderen Städten nach Erlangen umhabilitierten. Außerdem sind vier Vorgänge registriert, bei denen ursprüngliche Erlanger Habilitanden zunächst an eine andere Hochschule wechselten und sich dann wieder nach Erlangen zurückhabilitierten. Die drei erwähnten unbekannten Habilitationsvorgänge fallen in den Zeitraum von 1918 bis 1945.

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Grafik 2: Habilitationsvorgänge 1918-1945

Von Anfang 1946 bis Ende 1960 gab es in einem kürzeren Zeitraum von 15 Jahren mit 88 Habilitationsvorgängen etwas mehr Verfahren als in den 28 untersuchten Jahren zuvor: 48 Kandidaten, was rund 54,5% entspricht, habilitierten sich in Erlangen, 15-mal fanden Umhabilitationen von anderen Hochschulen statt und 25 Personen kehrten zurück an die Universität Erlangen, nachdem sie nach ihrer Habilitation fortgegangen waren.

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Grafik 3: Habilitationsvorgänge 1946-1960

Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass es in den 28 Jahren von 1918 bis 1945 drei abgelehnte Habilitationsverfahren an der Medizinischen Fakultät Erlangen gab: Georg Hensel wollte sich 1944 aus München für das Fach Pädiatrie umhabilitieren, wurde jedoch in Erlangen nicht angenommen, da es zum einen damals offiziell keinen Bedarf gab325, er zudem zu weit weg wohnte und man zum anderen das Gefühl hatte, Hensel sei mehr am Titel eines Professors als am Lehrbetrieb interessiert.326 Heinz Keilhack reichte ebenfalls 1944 eine schriftliche Arbeit Über die pathologischen Eiweißreaktionen im Blutserum und ihre Beziehung zum Serumeiweißbild ein, die jedoch als für eine Habilitationsschrift ungenügend bewertet wurde327, und Heinrich Höckers Habilitationsgesuch für Haut- und Geschlechtskrankheiten wurde 1945 ebenfalls abgelehnt. Er war 1934 als Facharzt aufgrund eines ‚nicht-arischen‘ Großelternteils seiner Ehefrau entlassen worden, jedoch später vom Ordinarius für Haut- und Geschlechtskrankheiten Leonhardt Hauck (1874-1945) wiedereingestellt worden. Dieser hatte Heinrich Höcker auch zur Habilitation vorbereitet, war jedoch dann verstorben und so verlief das Anliegen im Sande. Da Höcker aufgrund der ‚nicht-arischen‘ Abstammung seiner Frau spätestens seit der Reichshabilitationsordnung von 1934 zur Persona non grata geworden war,

325 In einem Schreiben des Leiters der Kinderklinik Albert Viethen an Georg Hensel erklärte ersterer, dass er den Hörerkreis aufgrund von Studienbeschränkungen und Krieg für zu klein hielt. Zudem warf er Hensel vor, sich durch die Bewerbung während des Krieges unfaire Vorteile gegenüber eingezogenen Kollegen verschaffen zu wollen und ihnen so ihren Platz wegzunehmen (UAE C3/4a Nr. 129). 326 Ebenda. 327 UAE C3/4a Nr. 130; Das Fach seiner Habilitationsbestrebungen ist nicht überliefert. 62 konnte er nicht auf die Förderung und Unterstützung eines anderen Ordinarius hoffen.328 Von 1946 bis 1960 wurden insgesamt acht Habilitationsverfahren abgebrochen. Zunächst wurden 1946 Georg-Heinrich Schneider, 1950 Pius Müller und 1954 Alfons Josef Anton Heidacher abgelehnt. Ersterer wollte sich im Fach Strahlenheilkunde habilitieren, das jedoch bereits zur Genüge durch Erlanger Dozenten abgedeckt wurde und zudem als nicht ausreichendes Fach galt, Pius Müller war von der amerikanischen Militärregierung als Chefarzt und Krankenhausdirektor in München entlassen worden und als ‚Mitläufer‘ eingestuft worden, was seiner späteren Karriere im Wege stand, und Alfons Heidachers Habilitationsschrift zur Geschichte der Chirurgischen Universitäts- Klinik Erlangen wurde zur Habilitation im Fach der Geschichte der Medizin nicht angenommen. Begründend führte der Gutachter Johannes Steudel (1901-1973), Leiter des Medizinhistorischen Instituts der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität in Bonn329, aus: „Das jedoch, was einen jungen, vor seiner Habilitation stehenden Wissenschaftler kennzeichnen sollte, ist in ihr [der Habilitationsschrift, Anm. d. Aut.] nicht zu finden: Die kritische, Ansätze zu eigener wissenschaftlicher Entwicklung zeigende Persönlichkeit und die Vertrautheit mit dem Wissensbesitz des Faches, wenigstens in seinen Grundzügen. […] Weil dem Verfasser diese Voraussetzungen fehlen, gelingt es ihm nicht, das reiche Material, das er gesammelt hat, fruchtbar zu machen.“ Die anderen Referenten schlossen sich dieser Meinung an.330 Auch Robert Heinrich Andreas Wernsdörfers schriftliche Arbeit wurde 1949 zur nochmaligen Überarbeitung zurückgegeben. Er habilitierte sich schließlich 1955 für das Fach Haut- und Geschlechtskrankheiten und dermatologische Strahlenheilkunde in Erlangen.331 Sowohl Rudolf Horst Thurau, als auch Hans-Joachim Max Kabelitz zogen 1954 ihre Habilitationsschriften nach negativ ausgefallenen Referaten zurück332. Beide habilitierten sich schließlich 2 Jahre später, in Kinderheilkunde bzw. Innerer Medizin.333 Außerdem wurde Hans-Wolfgangs Wünsches Umhabilitierung aus München abgelehnt334 und Josef Köstler zog seinen Habilitationsantrag zurück.335 Diese nicht vollzogenen Habilitationsvorgänge sind in die oben erläuterten Statistiken nicht eingearbeitet und spielen auch in den noch folgenden Grafiken und Auflistungen keine Rolle. Ebenfalls nicht mit berücksichtigt werden vier noch lebende Habilitanden und der Vorgang eines Dozenten mit unbekanntem Todesdatum, da ihre Akten laut Artikel 10 Absatz 3 des Bayerischen Archivgesetzes nicht eingesehen werden dürfen.336

328 UAE C3/4b Nr. 6; Siehe dazu auch Kapitel 3.1.2.3. Reichshabilitationsordnung von 1934 und 3.1.3.2. Wissenschaftspolitik und die Universität Erlangen im Dritten Reich. 329 Geschichte und Entwicklung des Instituts für Medizingeschichte in Bonn: https://www.medhum.uni- bonn.de/de/IMH/geschichte-und-entwicklung-des-instituts. 330 UAE C3/4b Nr. 7, UAE C3/4b Nr. 19, UAE C3/4b Nr. 31. 331 UAE C3/4b Nr. 10, UAE C3/4b Nr. 40. 332 UAE C3/4b Nr. 29, UAE C3/4b Nr. 26. 333 UAE C3/4b Nr. 49, UAE C3/4b Nr. 51. 334 UAE C3/4b Nr. 61. 335 UAE C3/4b Nr. 67. 336 Bayerisches Archivgesetz vom 22. Dezember 1989. 63

Betrachtet man nun die Jahre zwischen 1918 und 1960 einzeln und nur bezüglich der neuen Habilitationen an der Medizinischen Fakultät in Erlangen, ergibt sich untenstehende Grafik der Jahrgangsstärken.

Grafik 4: Jahrgangsstärken

Das Diagramm zeigt, dass sich im Jahr 1918 zwei Kandidaten habilitierten, 1919 keiner, 1920 drei usw. Die stärksten Jahrgänge stellen das Jahr 1928 und 1959 mit fünf Habilitationen, 1955, 1956 und 1960 mit sechs und 1952 und 1957 mit je sieben Habilitationen dar. In den Jahren 1919, 1929, 1931, 1939, 1941, 1942, 1946, 1947 und 1948 fanden hingegen keine Habilitationen an der Medizinischen Fakultät in Erlangen statt. Zum einen kann dies durch die Einberufungen zum Militär v.a. in den Jahren 1939, 1941 und 1942 erklärt werden. Zum anderen machten sich zu dieser Zeit die zahlreichen politisch motivierten Entlassungen an den deutschen Universitäten immer mehr bemerkbar. Für Erlangen spielte letzteres allerdings, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle.337 Die fehlenden Habilitationen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren 1946, 1947 und 1948 sind vor allem durch die quasi nicht vorhandene Generation junger Akademiker zu erklären, die aus der Wissenschaftspolitik und an der Universität Erlangen vor allem aus der Kriegspolitik des Nationalsozialismus resultierte.338 So blieb nach 1945 nichts anderes übrig, als mehr oder weniger belastete Ordinarien wiedereinzusetzen.339 Die orangefarbene Linie steht in dieser Grafik für den generellen Trend bei der Anzahl der Habilitationen. Sie verläuft in einer deutlichen Rechtsneigung, was die durchschnittlich steigende Anzahl der Habilitationen pro Jahr im Zeitraum von 1918 bis 1960 symbolisiert.

337 Siehe dazu Kapitel 3.1.3.2. ab Seite 37. 338 Siehe dazu ebenfalls Kapitel 3.1.3.2. ab Seite 37. 339 Siehe dazu Kapitel 3.1.3.3. ab Seite 44. 64

Eine weitere Eigenheit der medizinischen Habilitationen in Erlangen bezieht sich auf den Anteil an Habilitandinnen.

Grafik 5: Frauenanteil der Habilitanden 1918-1960

Mit nur einer Habilitation einer Frau im Zeitraum von 1918 bis 1960 liegt die Frauenquote für diese Zeit bei rund 1%. Diese Habilitandin war 1956 Helene Weinland, die auch insgesamt die erste weibliche Privatdozentin der Medizinische Fakultät Erlangens war. Kapitel 3.4.2. ab Seite 171 befasst sich im Detail mit ihrer Karriere.

3.2.2 Fächerverteilung Ein weiterer Aspekt, den es sich zu betrachten lohnt, ist die Verteilung der Habilitationsfächer. Diese Auflistung ist vor allem interessant bezüglich der Entwicklung der einzelnen Fachbereiche. In seiner Monographie Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer an den Universitäten des deutschen Sprachgebietes beschreibt Hans-Heinz Eulner die Geschichte der einzelnen Fachbereiche der Medizin und geht dabei vor allem auf die Zeit von 1800 bis in die 1960er ein, da in diesem Zeitraum wichtige Differenzierungen stattfanden. Diese Monographie gilt auch heute noch als „maßgebliche[s] Standardwerk“340 der Entwicklung medizinischer Spezialfächer. Die Spezialisierungen im Bereich der Medizin wurden jedoch im 19. Jahrhundert zunächst eher mit Besorgnis aufgefasst; man fürchtete den Menschen als Ganzes aus dem Auge zu verlieren. Letztendlich wurde jedoch klar, dass „Fortschritte in der Wissenschaft und in der Medizin nur noch durch die Konzentration auf einzelne Gebiete möglich“ waren.341

340 Leven (2016), S. 363. 341 Zitat: Wittern-Sterzel (2016b), S. 111.; Quelle zum gesamten Absatz: Ebenda, S. 110f. 65

Claudia Huerkamp sieht als wesentliche Grundlage für die Etablierung medizinischer Spezialfächer die endgültige Akzeptanz der sogenannten lokalistischen Krankheitsauffassung, die entscheidend von Rudolf Virchows Cellularpathologie von 1858 geprägt wurde. Ebenfalls entscheidend war die Entwicklung spezialisierter medizinischer Instrumente, die es ermöglichten, einzelne Organe genauer zu untersuchen, in der Anschaffung für

Abbildung 7: Die Ausdifferenzierung der klinischen Fächer nach Karl Eduard Rothschuh unspezialisierte Ärzte allerdings zu teuer waren, da sie sich nicht rechneten.342 Zudem bot die Etablierung neuer Fächer Privatdozenten die Möglichkeit, eine Festanstellung zu erreichen, wenn ihr Fachgebiet an der Hochschule noch nicht vertreten war. Diese Stellenpolitik stellte eine wichtige Dynamik bei der Ausdifferenzierung der einzelnen Gebiete dar.343 Im Folgenden werden nun die einzelnen Habilitationsfächer der Medizinischen Fakultät Erlangen genauer untersucht, um lokale Weiterentwicklungen der Fächer nachzuvollziehen.344 Lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit ist der Zeitraum 1918 bis 1960 bei der Analyse der einzelnen Habilitationsfächer dreigeteilt. Für die Zeitspanne von 1918 bis 1931 ergibt sich mit 27 erfolgten Habilitationen folgende Übersicht:

342 Huerkamp (1985), S. 177f. 343 Schubert (1993), S. 142f. 344 Für einen Abgleich des jeweiligen Habilitationsfaches mit dem dazugehörigen Habilitanden siehe Tabelle 1 Übersicht über die Habilitationsvorgänge an der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1918 bis 1960 ab Seite 52. 66

Grafik 6: Habilitationsfächer 1918-1931

Im Jahr 1918 fanden eine Habilitation im Fach Urologie, genauer in urologischer Chirurgie, und eine im Bereich der Frauenheilkunde statt. Die Urologie ist bei Hans- Heinz Eulner noch nicht als eigenständiges Fach aufgelistet345. Sie entwickelte sich weitestgehend nach 1950 aus der Spezialisierung der Chirurgie heraus, erst 1970 wurde Alfred Sigel (1921-2017)346 zum ersten Erlanger Ordinarius für Urologie ernannt.347 Dieser Prozess der langsamen Abspaltung wird beispielhaft durch seine Habilitation verdeutlicht. Maßgeblich für diese Verselbständigung vorheriger „Hilfs- oder Teildisziplinen der Chirurgie“348 wie eben der Urologie, aber auch Fächern wie der Anästhesie war in Erlangen Gerd Hegemann (1912-1999), Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik von 1955 bis 1977.349 Die Frauenheilkunde hingegen ist eines der ältesten Fachgebiete der Medizin und schon immer eng verknüpft mit der Geburtshilfe. Ihre Geschichte begann auch in Erlangen schon vor dem Jahr 1800.350 Bereits bei Universitätsgründung im Jahr 1743 wurde von Christian Samuel Gebauer (1716-1764) und Matthias Georg Pfann (1719-1762) über gynäkologische und geburtshilfliche Themen gelesen, auch wenn diese nicht explizit im Titel der Veranstaltungen erwähnt wurden. Seit 1796 gab es an der Universität Erlangen die außerordentliche Professur für Arzneikunde und Hebammenkunst, die Christian Friedrich Deutsch (1768-1843) als erster bekleidete. Der erste Ordinarius für Geburtshilfe wurde 1833 Eugen Rosshirt (1795-1872), 1869 verband die ordentliche Professur von Karl Ludwig Ernst Friedrich Schröder (1838-1887) erstmals in Erlangen Geburtshilfe und Gynäkologie.351

345 Eulner (1970). 346 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Sigel, Alfred 347 Wittern (1993), S. 415f. 348 Leven (2016), S. 362. 349 Ebenda. 350 Wittern (1993), S. 498 und S. 573. 351 Wittern-Sterzel (2016c), S. 102-109. 67

1920 gab es drei Habilitationen. Der erste dieser drei Vorgänge fand im Fach Hygiene und Bakteriologie statt. Zunächst befasste sich dieses Spezialgebiet nur mit Hygiene und entstand an den ersten Hochschulen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bekannte Vorreiter waren Max von Pettenkofer in München und Robert Koch in Berlin352. In Erlangen etablierte sich das Fach der Hygiene im Jahr 1897 mit der außerordentlichen Professur von Ludwig Heim (1857-1939).353 Die nächste Habilitation galt dem Bereich der Psychiatrie. Erst seit Ende des 18. Jahrhunderts verbreitete sich ausgehend von Frankreich die Erkenntnis, dass psychische Erkrankungen heilbar sein können.354 Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert etablierte sich zudem die Idee des Heidelberger Psychiaters Christian Friedrich Roller, psychisch Kranke von ihrer gewohnten, ‚pathologischen‘ Umgebung zu isolieren und sie in stadtfernen, idyllisch gelegenen Heil- und Pflegeanstalten zu behandeln. Als Vorbildmodell dafür entwickelte sich die von ihm konzipierte und geleitete Heil- und Pflegeanstalt Illenau, welche Anfang der 1840er eröffnet wurde.355 Neu war dabei auch der Ansatz, psychisch Kranke, die als heilbar oder unheilbar galten, nicht mehr getrennt voneinander unterzubringen.356 In der Folge entstanden in Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche Heil- und Pflegeanstalten, die sich wie auch die 1846 errichtete Kreis-Irren-Anstalt Erlangen dieser Kranken annahmen. Doch erst nach und nach setzte sich auch „die Verwissenschaftlichung der Psychiatrie“ und damit der Erklärungsversuch durch, dass psychische Leiden eine Krankheit des Gehirns darstellen.357 Deutschlandweit entwickelte sich die Psychiatrie ab den 1870ern zu einem eigenständigen Fachgebiet an Universitäten.358 In Erlangen war der Honorar-Professor August von Solbrig (1809-1872) der erste außeruniversitäre Vertreter der Psychiatrie359 und Gustav Specht (1860-1940) 1903 der erste ordentliche Professor für dieses Fach.360 Die dritte Habilitation im Jahr 1920 fand im Fach Kinderheilkunde statt, „ein[em] gewisse[n] Sonderfall in der Medizin“361, da sie weder mit Fokus auf ein spezielles Organ noch mit neuer Therapiemethodik oder Diagnostik aus der Inneren Medizin hervorging. Das einzig Neue war die Konzentration auf ein spezielles Lebensalter. Obwohl schon im 16. Jahrhundert über die Kinderheilkunde geschrieben wurde, wurde

352 Während von Pettenkofer, der ältere von beiden, sich über eine chemische Herangehensweise der Infektionslehre zu nähern versuchte, beschritt Koch einen eher biologischen Weg. (Eckart und Gradmann (2006), S. 193-195) Letzterer erwies sich schließlich als der zutreffende und es gelang Koch, erste Bakterien unter dem Mikroskop nachzuweisen und deren Lebenszyklus zu beobachten. Obwohl von Pettenkofer diese Forschungsergebnisse zeitlebens negierte, gilt auch er heute noch als wichtiger Vertreter der Hygiene und Infektiologie vor allem auf dem Gebiet der Seuchenkunde (Ebenda, S. 193- 195 und S. 257f.). 353 Eulner (1970), S. 502 und S. 607. 354 Wittern-Sterzel (2016a), S. 132. 355 Bühring (2001), S. 304. Die Daten der Einweihung der Heil- und Pflegeanstalt Illenau variieren von 1840 bis 1844 (Bühring (2001), S. 304; Kohl (2001), S. 124; Carius, Angermeyer und Steinberg (2003), S. 440). 356 Carius, Angermeyer und Steinberg (2003), S. 441. 357 Wittern-Sterzel (2016a), S. 131-133; Zitat: Ebenda, S. 132. 358 Kohl (2001), S. 121. 359 Eulner (1970), S. 510 und S. 672f. 360 Wittern-Sterzel (2016a), S. 131. 361 Wittern-Sterzel (2016b), S. 123. 68 mit Otto Heubner (1843-1926) in Berlin erst 1894 der erste Ordinarius ausschließlich für Pädiatrie berufen.362 An einzelnen deutschsprachigen Hochschulen wie Wien und Bern wurde sie allerdings schon in den 1830ern gelehrt. In Erlangen begann ihre Etablierung ab 1876 mit Franz Penzoldt (1849-1927), der eigentlich das Ordinariat für die medizinische Klinik bzw. Poliklinik und Pharmakologie innehatte.363 Renate Wittern-Sterzel bezeichnet jedoch schon Anton Max Wintrich (1812-1882) als den ersten Vorboten auf dem Bereich der Kinderheilkunde, welcher 1844 zum Privatdozenten für Perkussion, Auskultation und Kinderkrankheiten ernannt wurde. Abgelöst wurde dieser dann durch Franz Penzoldt, der auch maßgeblich für die Errichtung der ersten Erlanger Kinderklinik verantwortlich war, welche im Februar 1905 eröffnet wurde.364 Der erste Privatdozent, der sich speziell und ausschließlich in Erlangen für Kinderheilkunde habilitierte, war eben in diesem oben genannten Jahr 1920 Ernst Melchior Stettner (1885-1963)365, als erster Ordinarius für Pädiatrie übernahm 1939 Albert Viethen das Amt. Damit war Erlangen eine der zwei letzten Universitäten im deutschsprachigen Raum, die die Pädiatrie zu einem eigenständigen Fach erhoben.366 Zwei Habilitationen fanden 1921 in den Bereichen Pathologie und Zahnheilkunde statt. Bis auf einzelne Ausnahmen war die pathologische Anatomie an deutschsprachigen Hochschulen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vertreten, prominenter Begründer des Fachgebiets war Rudolf Virchow (1821-1902), der mit seiner Cellularpathologie 1858 ein Standardwerk veröffentlichte.367 Der erste Ordinarius dieses Faches in Erlangen war 1862 Friedrich Albert von Zenker (1825- 1898),368 im Jahr 1872 wurde das Pathologische Institut gegründet.369 Zahnheilkunde hingegen war in Wien und Prag schon um 1820 vertreten, die restlichen Hochschulen des deutschsprachigen Gebietes zogen gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach. So handhabte es auch Erlangen, wo der erste Vertreter dieses Faches Friedrich Schneider (1844-1899) noch die Bezeichnung Hofzahnarzt trug.370 1887 entstand das privat geführte Lehrinstitut für Zahnheilkunde, an welchem auch angehende Zahnärzte ausgebildet wurden. Allerdings war erst ab 1909 das Abitur Voraussetzung für die Aufnahme des Zahnmedizinstudiums, was auch eine akademische Aufwertung des Faches nach sich zog. Im Jahr 1910 wurde schließlich Hermann Rudolf Eulner (1878- 1961) als Extraordinarius Leiter der Zahnärztlichen Poliklinik in Erlangen, ab 1919 wurde reichsweit eine Promotion zum Dr. med. dent. möglich.371 1922 gab es ebenfalls eine Habilitation im Fach Zahnheilkunde. Zudem habilitierte sich je ein Kandidat in Innerer Medizin und in Chirurgie. Erstere wurde in Erlangen erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts durch Karl Friedrich Canstatt (1807-1850)

362 Wittern-Sterzel (2016b), S. 123-126. 363 Eulner (1970), S. 503 und S. 615. 364 Wittern-Sterzel (2016b), S. 127-129. 365 Ebenda, S. 130. 366 Wittern-Sterzel (2016b), S. 127. 367 Leven (2018b), S. 28. 368 Eulner (1970), S. 506 und S. 643. 369 Leven (2018b), S. 28. 370 Eulner (1970), S. 511 und S. 682. 371 Leven (2018b), S. 45. 69 vertreten, damals noch mit abweichenden Lehrstuhlbezeichnungen wie ‚Pathologie und medizinische Klinik‘.372 Chirurgie dagegen ist eines der ältesten Spezialfächer der Medizin, dessen Geschichte wie die der Frauenheilkunde vor 1800 begann.373 Dennoch betont Claudia Huerkamp, dass sich das Spezialfach Chirurgie seit den 1870er Jahren entscheidend verändert hatte. Während zuvor weitestgehend handwerklich gelernte Wundärzte dieser Tätigkeit nachgegangen waren, arbeiteten nun medizinisch ausgebildete Akademiker in diesem Bereich. Die Trennlinie zieht sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. 374 Der einzige erfolgreiche Habilitationsvorgang aus dem Jahr 1923 erfolgte auf dem Gebiet der Hygiene und Bakteriologie. 1924 gab es erneut eine Habilitation in Zahnheilkunde. Außerdem habilitierte sich ein Kandidat für die Gerichtsmedizin, welche vor allem in Wien auf eine lange Geschichte seit etwa 1800 zurückblicken kann. Die meisten der anderen Universitäten nahmen das Fach um das Jahr 1900 in ihren Lehrkatalog auf, wobei es in Straßburg, Rostock und Tübingen bis 1950 und teilweise darüber hinaus keine Vertretung der Rechtsmedizin gab. Der erste außerordentliche Professor der Gerichtsmedizin in Erlangen war 1909 Hermann Merkel (1873-1957), der sich 1903 für das Fach habilitiert hatte.375 Emil Weinig (1904-1979) wurde 1962 zum ersten planmäßigen Professor ernannt.376 Vier Habilitationen wurden 1925 vollzogen, darunter je eine in Chirurgie und Innerer Medizin. Zudem habilitierte sich ein Mediziner im Fach Physiologie, welches teilweise schon um 1800 gelehrt wurden, zum Großteil aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde. Die Abspaltung von der Anatomie vollführte in Erlangen Joseph von Gerlach (1820-1896), der 1850 noch zum Ordinarius für beide Fächer berufen worden war. Er führte auch moderne Methoden wie die Fotografie und Spezialfärbungen in die Forschung ein.377 Isidor Rosenthal (1836-1915) wurde 1872 der erste Erlanger Ordinarius der Physiologie.378 Die letzte der vier Habilitationen erfolgte im Fach der Anatomie, dessen Geschichte deutschlandweit und in Erlangen ebenfalls vor 1800 begann.379 1926 folgte eine Habilitation in Psychiatrie, die nun erstmals gleichermaßen auch für Neurologie galt. Bestrebungen der Verbindung von Psychiatrie mit Neurologie, die ursprünglich der Inneren Medizin angehörte, gab es schon Mitte des 19. Jahrhunderts. Nachdem auch diese mögliche Zusammenführung zweier Fächer für einige vorübergehende Kontroversen in der Fachwelt sorgte, wurde 1927 schließlich in Erlangen die Psychiatrie in Psychiatrische und Nervenklinik der Universität Erlangen umbenannt und auch der Lehrstuhl erhielt unter Fritz Eugen Flügel (1897-1971) nach

372 Wittern (1993), S. 359. 373 Eulner (1970), S. 497 und S. 564. 374 Huerkamp (1985), S. 178. 375 Eulner (1970), S. 499 und S. 582. 376 Wittern (1993), S. 407. 377 Leven (2018b), S. 36. 378 Wittern (1993), S. 508 und S. 657. 379 Eulner (1970), S. 495 und S. 546. 70

1951 die neue Bezeichnung Psychiatrie und Neurologie. Eigenständig wurde die Neurologie letztendlich im Jahr 1980.380 Im Jahr 1927 folgten zwei Habilitationen in Innerer Medizin bzw. Frauenheilkunde. Mit fünf Habilitationen stellt das Jahr 1928 einen starken Jahrgang an der Medizinischen Fakultät Erlangen dar. Je ein erfolgreicher Habilitationsvorgang fand in der Inneren Medizin, der Pathologie und der Frauenheilkunde statt. Außerdem gab es einen Habilitanden der Dermatologie. Vorreiter der Lehre der Haut- und Geschlechtskrankheiten waren die Universitäten München und Berlin, die das Fach bereits um 1830 lehrten. Die restlichen Hochschulen zogen gegen Ende des 19. Jahrhunderts bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts nach. So auch Erlangen, wo Leo Hauck (1874-1945) 1905 erster Privatdozent dieses Faches wurde.381 Die erste eigene Professur erhielt das Fach im August 1921 und zwei Jahre später konnte schließlich die erste Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten im ehemaligen Garnisonslazarett in Erlangen eröffnet werden.382 Die letzte Habilitation galt der Augenheilkunde. Aus der Chirurgie hervorgegangen383 kann die Ophthalmologie auf eine längere Universitätsgeschichte in Wien und Prag zurückblicken, wurde flächendeckend aber erst um 1850 eingeführt.384 Entscheidend dafür war die Entwicklung des Augenspiegels 1850 durch Hermann von Helmholtz (1821-1894).385 Das erste deutsche Ordinariat erhielt 1852 Christian Georg Theodor Ruete in Leipzig.386 Der erste außerordentliche Professor für Augenheilkunde in Erlangen war ab 1872 Julius von Michel (1843-1911)387, eine eigene Klinik erhielt die Ophthalmologie hier jedoch erst im Jahr 1893 in der Universitätsstraße 27, in deren ehemaligem Gebäude sich die heutige Strahlenklinik befindet.388 Ein Jahr später habilitierten sich zwei Anwärter im Fach Chirurgie, zudem gab es einen Habilitanden der Hygiene und Bakteriologie. 1930 folgte je ein Habilitand in Chirurgie und Frauenheilkunde. Im Jahr 1931 fanden keine Habilitationen statt. Betrachtet man nun den nachfolgenden Zeitraum von 1932 bis 1945 mit 23 Habilitationen, ergibt sich folgendes Bild:

380 Wittern-Sterzel (2016a), S. 139-141. 381 Eulner (1970), S. 501 und S. 599. 382 Deuerlein (1927), S. 88. 383 Wittern-Sterzel (2016b), S. 114. 384 Eulner (1970), S. 496. 385 Leven (2018b), S. 40. 386 Wittern-Sterzel (2016b), S. 114. 387 Eulner (1970), S. 556f. 388 Wittern-Sterzel (2016b), S. 117. 71

Grafik 7: Habilitationsfächer 1932-1945

1932 erfolgten insgesamt drei Habilitationen. Zwei wurde in Innerer Medizin bzw. Pathologie vollzogen, die dritte fand im Bereich der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde statt. Dieses noch relativ junge Fach entwickelte sich weitestgehend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an deutschen Hochschulen und wurde im Jahr 1880 in Erlangen durch die Privatdozentur von Wilhelm Kiesselbach (1839-1902) etabliert.389 Dieser wurde 1888 in Erlangen zum außerordentlichen Professor alleinig der Ohrenheilkunde ernannt, befasste sich jedoch bereits mit allen drei Disziplinen. Erster offizieller Vertreter der vereinten Fächer war 1902 Alfred Denker (1863-1941).390 Ursprünglich war die Spezialdisziplin durch die Otologie bzw. die Laryngologie eine Vereinigung von Chirurgie und Innerer Medizin, welche aus eher praktischen Gründen der Finanzierung einerseits und der Tatsache, dass ähnliche Instrumente verwendet wurden, andererseits geschah. Folglich war dieser Zusammenschluss über einige Jahre hinweg aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen von Querelen zwischen diesen Fächern begleitet.391 Letztendlich etablierte sich das neu geschaffene Fach dennoch und in Erlangen konnte 1914 mit dem Neubau der HNO-Klinik in der Waldstraße begonnen werden, welcher trotz der Umstände des Ersten Weltkrieges 1916 eingeweiht werden konnte.392 1933 folgte eine Habilitation in Innerer Medizin, 1934 je eine in Physiologie und in Zahnheilkunde. 1935 und 1936 habilitierte sich je ein Bewerber in Chirurgie. Den Fächern Zahnheilkunde und Hygiene und Bakteriologie entstammten die beiden Habilitationen aus dem Jahr 1937 und 1938 gab es je einen Vorgang in Innerer Medizin und Frauenheilkunde. Zudem wurde mit Karl Schlirf 1938 ein Kandidat habilitiert, dessen genaue Fachbezeichnung nicht bekannt ist. 1939 fanden keine Habilitationen statt.

389 Eulner (1970), S. 500 und S. 589. 390 Leven (2018b), S. 40. 391 Wittern-Sterzel (2016b), S. 118. 392 Liermann (1977), S. 58. 72

1940 hingegen habilitierte sich je ein Kandidat für Chirurgie bzw. Psychiatrie und Neurologie. Zudem gab es eine Habilitation auf dem Gebiet der Urologie, wobei die Bezeichnung nun auch Urologie lautete, die jetzt kein Spezialgebiet mehr der Chirurgie war. In den Jahren 1941 und 1942 fanden an der Medizinischen Fakultät in Erlangen ebenfalls keine Habilitationen statt. 1943 folgten je eine in Physiologie bzw. Psychiatrie und Neurologie. Im Jahr 1944 gab es je einen Habilitanden in Dermatologie, Pathologie und Zahnheilkunde. Außerdem kann auch die Habilitation von Christian Reichel aus dem Jahr 1944 nicht eindeutig einem Fach zugewiesen werden. 1945 schließlich erfolgte eine Habilitation in Psychiatrie und Neurologie. Im dritten Beobachtungszeitraum von 1946 bis 1960 fanden insgesamt 47 Habilitationen statt und ergeben folgendes Bild:

Grafik 8: Habilitationsfächer 1946-1960

Sowohl 1946 als auch 1947 und 1948 fanden keine Habilitationen an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen statt. 1949 erfolgten zwei, je eine in Physiologie und in Innerer Medizin. Auch 1950 habilitierte sich ein Kandidat für Innere Medizin. die Habilitation im Jahre 1951 erfolgte auf dem Gebiet der Chirurgie. Mit sieben Vorgängen stellt das Jahr 1952 nach 1928 eine weitere Spitze im Bereich der Habilitationen dar. Es fanden zwei Habilitationen in Chirurgie und zwei in Innerer Medizin statt. Zudem erfolgte die erste Habilitation im Fach der Orthopädie. In Hans- Heinz Eulners grafischen Übersichten findet das Fach zwar noch keinen Eingang, allerdings beschreibt er dessen bemerkenswert lange Entwicklung in einem kurzen Kapitel. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurden private orthopädische Institute gegründet, die allerdings nur finanziell gut gestellte Patienten behandelten. Der Begriff der Orthopädie findet sich dann in den Vorlesungsverzeichnissen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei das Fach von Privatdozenten aber auch Ordinarien der Chirurgie im Rahmen dieser Disziplin gelehrt wurde. 1876 entstand schließlich in Leipzig das

73 erste universitäre orthopädische Institut, doch aufgrund einiger Hürden, wie beispielsweise der Weigerung des Großteils der Chirurgen, die Orthopädie als eigenständige, von der Chirurgie unabhängige Disziplin anzusehen, dauerte es noch weit bis ins 20. Jahrhundert, bis die Orthopädie sich schließlich flächendeckend durchsetzte. Den Beginn der Universitätsorthopädie in Erlangen datiert Eulner auf 1969, also auf 17 Jahre nach der ersten Habilitation, als sowohl eine orthopädische Klinik gegründet als auch der erste planmäßige Professor berufen wurde.393 Zwei weitere Habilitanden erlangten die Venia legendi im Spezialfach der Strahlenkunde, welches ebenfalls bei Eulner nicht grafisch dargestellt ist. Auch diesem Fach widmet er allerdings ein eigenes Kapitel, jedoch nur beschränkt auf die Röntgenologie, also die Anfänge der Radiologie. Der Beginn dieser Fachdisziplin ist wie der keines anderen Gebietes genau datierbar auf die Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahr 1895. Bereits kurz darauf, im Wintersemester 1897/1898, wurde in Berlin ein Untersuchungskurs „mit Übungen an Kranken und Controllversuchen mittelst Röntgenstrahlen“394 angeboten. Einige Dozenten ließen sich die immer häufiger veranstalteten Röntgenkurse teuer bezahlen und verlangten ein Vielfaches des sonst üblichen Honorars. Trotz der Kostspieligkeit und den sehr bald bekannten Schäden durch die Strahlen setzte sich das Fach schnell im deutschsprachigen Raum durch. Angebunden war es dabei an neun Universitäten zunächst an die Innere Medizin, an acht weiteren Hochschulen an die Chirurgie, viermal wurde sie vom Physikalischen Institut angeboten und dreimal von der Dermatologie. Auch die Orthopädie und die gerichtliche Medizin boten Vorlesungen darüber an.395 Als eine der letzten Universitäten Deutschlands ermöglichte Erlangen der Strahlenkunde 1963 durch die Besetzung des neu geschaffenen Ordinariats die Souveränität.396 1953 folgte eine Habilitation auf dem Gebiet der Inneren Medizin, genauso wie 1954. In diesem Jahr gab es zudem noch einen Habilitanden in Psychiatrie und Neurologie. Sechs Habilitationen fanden 1955 statt. Diese wurden auf den Gebieten der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der Dermatologie, der Inneren Medizin, der Pathologie, der Kinderheilkunde und der Augenheilkunde vollzogen. Auch 1956 wurden sechs Habilitationen durchgeführt. Sie erfolgten in Strahlenkunde, Physiologischer Chemie, Hygiene und Bakteriologie, Kinderheilkunde und zweimal im Fach der Inneren Medizin. 1957 erfolgten sogar sieben Habilitationen in Innerer Medizin, Pathologie, Anatomie und je zwei in Gerichtsmedizin und Frauenheilkunde. Auch 1958 wurde eine Habilitation in Frauenheilkunde vollzogen. Zudem gab es einen Habilitanden in der Inneren Medizin. Ebenso habilitierte sich 1959 ein Kandidat in Frauenheilkunde. Zudem gab es einen Habilitanden in Zahnheilkunde und zwei in Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Eine weitere Habilitation fand auf dem Gebiet der Pharmakologie statt. Dieses Fach hatte um die Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen, sich an deutschsprachigen Hochschulen

393 Eulner (1970), S. 387-396. 394 Ebenda, S. 422. 395 Ebenda, S. 421-426. 396 Wittern (1993), S. 409. Siehe hierzu auch Leven (2018c), S. 611. 74 zu etablieren. Der erste außerordentliche Professor der Pharmakologie Erlangens war ab 1876 Wilhelm Filehne (1844-1927).397 Im letzten Jahr des Untersuchungszeitraums 1960 gab es noch einmal sechs Habilitationen: eine fand auf dem Gebiet der Orthopädie statt, eine in Strahlenkunde, Chirurgie, Innerer Medizin, Urologie und im vierten Jahr in Folge gab es einen Habilitanden der Frauenheilkunde. Letzteres lässt auf eine steigende Bedeutung des Faches Gynäkologie schließen. Alles in allem kam der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen bei der Entwicklung und dem Vorantreiben neuer medizinischer Spezialfächer keine Vorreiterstellung zu. Oft wurden – im Gegenteil – aktuell entstandene Disziplinen mit als letztes im deutschsprachigen Raum eingeführt, beispielsweise die Pädiatrie oder die Strahlenkunde. Begründend kann dafür angeführt werden, dass Erlangen jungen, aufstrebenden Karrieristen häufig als langweilig und wenig attraktiv galt. Der Internist Adolf Kußmaul (1822-1902) gewann beispielsweise „einen sehr deprimierenden Eindruck“398 der Stadt Erlangen und blieb nur wenige Jahre399, ein namentlich unbekannter Student stellte etwa 1845 fest, dass das Beste der Stadt Erlangen die Nähe zu Nürnberg sei.400 Auch der Internist Ludwig Robert Müller (1870-1962) beschrieb in seinen Memoiren aus dem Jahr 1957 Erlangen als klein, langweilig und wenig erheiternd.401 Die Universität war also oft wenn überhaupt eher ein Karrieresprungbrett, als die langfristige Wirkstätte innovativer Persönlichkeiten. Dennoch rückten so stetig junge und motivierte Forscher nach und Erlangen wurde auf diese Weise eine namhafte Hochschule zahlreicher Neuerungen wie der ersten Äthernarkose im Januar 1847. 402 Zusammenfassend ergibt sich für die Verteilung der Habilitationsfächer im Zeitraum von 1918 bis 1960 folgendes Bild:

397 Eulner (1970), S. 507 und S. 651. 398 Leven (2018b), S. 28. 399 Ebenda, S. 28. 400 Schubert (1993), S. 117. 401 Leven (2018a), S. 32. 402 Leven (2018b), S. 28-32. 75

Grafik 9: Fächerverteilung der Habilitationen von 1918-1960 76

Mit 20%, was 19 Habilitanden entspricht, fanden die meisten Habilitationen von 1918 bis 1960 auf dem Gebiet der Inneren Medizin statt, gefolgt von 11 Habilitationen, also 12%, in der Chirurgie und 10 Habilitationen, rund 10%, in der Frauenheilkunde. Auf Platz vier findet sich die Zahn- bzw. Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit 7%. Je 6 Personen habilitierten sich von 1918 bis 1960 in Psychiatrie bzw. Psychiatrie und Neurologie und Pathologischer Anatomie. 5% waren der Physiologie bzw. der physiologischen Chemie zuzurechnen. Im Bereich der HNO, der Hygiene und Bakteriologie und der Röntgenologie und Strahlenkunde403 gab es jeweils vier Habilitanden, was rund 4% entspricht. Die zwei unbekannten Fächer ergeben etwa 2% des Tortendiagramms. Die restlichen 20%, also 19 Habilitanden, entfallen auf die ‚sonstigen‘ Fächer, welche unter den Habilitanden vergleichsweise wenige Vertreter hatten und deshalb aus Gründen der Übersichtlichkeit hier gesondert dargestellt werden.

Grafik 10: ‚Sonstige‘ Fächer der Habilitationen von 1918-1960

Jeweils 16% dieser ‚sonstigen‘ Fächer, also je 3 Habilitationen, entfallen auf die Anatomie, die Rechtsmedizin, die Kinderheilkunde und die Dermatologie. Zwei Habilitanden gab es jeweils in Augenheilkunde, Orthopädie und Urologie. Dies entspricht rund 10% der ‚sonstigen‘ Fächer. Mit nur einem Habilitanden stellt die

403 Sowohl bei der Zahn- bzw. Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als auch bei der Röntgenologie und Strahlenkunde entsprachen sich die Bezeichnungen des jeweiligen Habilitationsfaches nicht immer vollständig. In die obenstehenden Grafiken sind deshalb alle Variationen eingearbeitet. 77

Pharmakologie das kleinste der Habilitationsfächer an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1918 bis 1960 dar. Eine andere Darstellung der Verteilung der 95 Habilitationen zwischen 1918 und 1960 auf die jeweiligen Fächer bietet die untenstehende Grafik einer umgedrehten Pyramide, bei der die Innere Medizin als Spitzenreiter der Habilitationsfächer ganz oben steht und die Pharmakologie mit nur einem Habilitanden den schmalen Sockel bildet.

Grafik 11: Fächerverteilung der Habilitationen von 1918-1960

Erwähnenswert sind außerdem die Fächerkombinationen, für die im Laufe der Zeit Habilitationen erfolgten. So wurde Innere Medizin zweimal mit Röntgenologie kombiniert, einmal im Jahr 1925 und einmal 1950. 1932 wurde dagegen eine Habilitation für Innere Medizin zusammen mit Neurologie ausgesprochen. Mit pathologischer Physiologie wurde sie 1933 kombiniert, sowie mit physikalisch- klinischen Untersuchungsmethoden im Jahr 1927. 1949 schließlich gab es eine Habilitation für Innere Medizin zusammen mit klinischer Immunologie. Auch das Fach der Chirurgie fand über die Zeit Kombinationspartner: 1952 gab es eine Habilitation zusammen mit Neurochirurgie, 1960 in Kombination mit Urologie. Wie für die Innere Medizin wurde auch für die Gynäkologie zweimal eine Habilitation zusammen mit Röntgenkunde ausgesprochen. Dies geschah in den Jahren 1927 und 1928. Psychiatrie und Neurologie wurde hingegen 1943 mit Rassenhygiene kombiniert, sowie Anatomie 1925 mit Anthropologie. 1957 gab es zudem eine Fächerkombination aus Anatomie mit Histologie und Embryologie. Schließlich erfolgte 1928 auch eine Habilitation der Dermatologie zusammen mit Strahlenkunde. Zusammenfassend fand der Großteil der 97 Habilitationen, 81 an der Zahl, also 83,5%, in einem klinischen Fach statt. 14 Habilitanden, dementsprechend 14,4%, wählten ein vorklinisches Fach. Zwei Habilitationen sind, wie bereits erwähnt, keinem Fach zuzuordnen.

78

3.2.3 Soziale Faktoren Im Folgenden werden die sozialen Indikatoren der Habilitanden der Medizinischen Fakultät Erlangens näher beleuchtet. Dazu zählen hier Alter, Geburtsorte, Religion, Studium, Familienstand und auch die politischen Aktivitäten.

Grafik 12: Alter der Erlanger Habilitanden bei Habilitation

Betrachtet man zunächst die Altersverteilung der 97 Kandidaten bei ihrer Habilitation, so stellt man fest, dass der Altersdurchschnitt zwischen 1918 und 1960 bei Abschluss der Habilitation bei 36,1 Jahren lag. Der Modalwert, also das häufigste Alter, war 34 Jahre, was zwölf Habilitanden bei Verleihung der Venia legendi entspricht. Der jüngste Habilitand war mit 28 Jahren Maximilian Knorr im Jahr 1923, der älteste Christian Hans Greve 1921 mit 50 Jahren. Das Alter eines Habilitanden der Medizinischen Fakultät ist unbekannt. Vergleicht man diese Zahlen mit den Analysen von Olaf Willett, so stellt man fest, dass der Altersdurchschnitt in den Jahren 1891 bis 1933 meist noch zwischen 26 und 30 Jahren lag. Dies entspricht den Vorstellungen von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, dem in Kapitel 3.1.1. Geschichte der Habilitation erwähnten entscheidenden Konzeptionisten der Habilitation als Qualifikation für die akademische Lehre, welcher „25 bis 30 Jahre […] als ideales Eintrittsalter für akademische Lehrer“404 empfand. Allerdings war auch in den Analysen Willetts schon gut ein Drittel der Habilitanden älter als 30 Jahre. Generell ist dort über den gesamten Beobachtungszeitraum eine steigende Tendenz des Habilitationsalters zu beobachten.405 Dies ist bedingt auch für Erlangen gültig:

404 Bruch (2000), S. 70. 405 Willett (2001), S. 168-171. 79

Grafik 13: Durchschnittliches Habilitationsalter Erlanger Habilitanden je Jahr

Bei der Analyse des durchschnittlichen Habilitationsalters pro Jahr lässt sich feststellen, dass es, wenn überhaupt, nur einen sehr geringen Trend zur Zunahme des Alters bei Habilitation gibt. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums im Jahr 1918 betrug der Altersdurchschnitt 38 Jahre, am Ende im Jahr 1960 38,7 Jahre. Jedoch ist zu erwähnen, dass bis etwa 1938 viele Habilitanden unter dem oben erwähnten durchschnittlichen Alter von 36,1 Jahren lagen, ab 1940 die Mehrzahl eher darüber. Da in den Jahren 1919, 1929, 1931, 1939, 1941, 1942, 1946, 1947 und 1948 keine Habilitationen stattfanden, sind diese in der Grafik nicht aufgelistet, um die Trendermittlung nicht zu verfälschen. Ebenfalls nicht mit eingerechnet sind zwei Habilitanden, von denen das Habilitationsalter, bzw. das Habilitationsjahr nicht bekannt sind. Auch die Untersuchungen von Alexander Busch zeichnen dieses Bild: Während das durchschnittliche Habilitationsalter zwischen 1737 und 1800 noch bei 26,8 Jahren lag, stieg es bis 1930 auf 33,3 Jahre und lag zwischen 1931 und 1945 bereits bei durchschnittlich 34,0 Jahren.406 Das Erlanger Durchschnittsalter von 36,1 Jahren bis 1960 passt also zu diesem Trend. Folgendes Bild ergibt sich beim Vergleich der Geburtsorte der Kandidaten:

406 Busch (1959), S. 107. 80

Grafik 14: Geburtsorte Erlanger Habilitanden

Mit 38%, was 36 Personen entspricht, wurde ein Großteil der Habilitanden in Bayern geboren. Für die Habilitation zogen sie also nicht weit vom Elternhaus, auch wenn sie während des Studiums oder für die Promotion teils vorübergehend an andere Universitäten gegangen waren. Elf Habilitanden kamen aus dem bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen beziehungsweise den Vorgängerregionen Nordrhein und Westfalen, was 12% ergibt. In der Rangliste folgen Baden-Württemberg auf Platz drei mit 7% und Rheinland-Pfalz mit 5% auf Platz vier. Je vier Personen wurden in Ostpreußen bzw. Sachsen-Anhalt geboren, je drei in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Niederschlesien und Sachsen. Die übrigen 14% verteilen sich auf je zwei Habilitanden aus Bremen, Oberschlesien, Pommern, Schleswig-Holstein und der Schweiz und je einen Habilitanden aus Berlin, Bosnien, Österreich, dem Saarland, Südtirol und Tschechien. Der Geburtsort eines Habilitanden ist unbekannt.

81

Grafik 15: Geburtsorte der bayerischen Erlanger Habilitanden

Betrachtet man nun die Geburtsorte der 36 bayerischen Kandidaten genauer, festigt sich die These, dass sich viele der Kandidaten nicht fern des Ortes ihrer Geburt auch habilitierten. Mit 42% kam der Großteil, nämlich 15 Personen, aus Mittelfranken, dem Regierungsbezirk Erlangens. Aus den beiden angrenzenden Regierungsbezirken Oberfranken und Unterfranken stammten 19% bzw. 14%. Dreiviertel aller bayerischen Habilitanden wurden also in der Region Franken geboren. Die restlichen 25% verteilen sich auf sechs Personen aus Oberbayern, drei wiederum davon aus München, sowie zwei aus Schwaben und einen Kandidaten aus der Oberpfalz. In Niederbayern wurde keiner der bayerischen Habilitanden der Medizinischen Fakultät Erlangens von 1918 bis 1960 geboren. Auch bei Olaf Willett werden die Geburtsorte analysiert. Er sieht diesen Aspekt „als wichtige[n] Faktor des individuellen Sozialisierungsprozesses“407 und interpretiert ihn als Maßeinheit der Freiheit. Während ihm bei der Betrachtung der gesamten Professorenschaft der Universität Erlangen auffällt, dass es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr zu einer „fortgesetzten Entregionalisierung“408 kam, stellte die Medizinische Fakultät eine Ausnahme davon dar. Zwar hatte auch sie sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts offener bezüglich der Herkunft gezeigt, fokussierte sich aber ab der Zeit um die Jahrhundertwende bis 1933 wieder verstärkt auf das nähere Umland: Franken war deutlich überrepräsentiert und auch der Rest Bayerns war

407 Willett (2001), S. 65. 408 Ebenda, S. 76. 82 verhältnismäßig stark vertreten. Preußen hingegen nahm eine nur schwache Stellung ein. Dieser Trend setzte sich im Untersuchungszeitraum von 1918 bis 1960 fort, wie die oben gezeigten Diagramme verdeutlichen. Willett interpretiert dies aber nicht als „<> in die soziale und territoriale Beengtheit der frühneuzeitlichen Landesuniversität“409, sondern vielmehr als Ausdruck der Integrationsfunktion der Universität Erlangen für die protestantisch geprägten Gebiete Bayerns, die sich bis 1960 hinzog. Gerade die alternierende Haltung der Medizinischen Fakultät bezüglich ihrer Berufungen im Fall der Herkunft der Habilitanden sieht Willett als ein verworrenes Geflecht vieler Faktoren wie Staatsnähe, Konfession und Spezialisierung.410

Grafik 16: Beruf des Vaters der Erlanger Habilitanden 1918-1960

Bei der Analyse der Herkunft spielt auch der Beruf des Vaters eine wichtige Rolle, da dieser oft den Weg für die Karriere des Sohnes und in einem Fall der Tochter vorgab und auch laut Ernst Schubert eine größere Rolle spielte als zunächst angenommen wurde.411 Im Fall der Habilitanden der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1918 bis 1960 hatten sich knapp ein Viertel, genauer gesagt 23% der Väter, beruflich mit ähnlichen Aufgaben befasst wie ihre Kinder: 16% der Väter, also 15 Personen, waren selbst Arzt oder Medizinalrat, 4% arbeiteten als Medizin-Professor an einer Hochschule und 3% als Professor in einem nicht-medizinischen Fach. Unter den restlichen 77% befanden sich vor allem Beamte, Lehrer, Juristen und Kaufmänner. Vier der Väter arbeiteten als Handwerker, einer war im Militär tätig und einer als Landwirt. Der Beruf dreier Väter ist nicht bekannt.

409 Willett (2001), S. 78. 410 Ebenda, S. 65-79. 411 Schubert (1993), S. 138. 83

Auch Olaf Willett ordnet der sozialen Herkunft einen richtungsweisenden Einfluss zu. So lässt sich feststellen, dass von 1891 bis 1933 im medizinischen Bereich soziale Mobilität immer mehr möglich wurde, dass auch Söhne von Handwerkern, Kaufmännern, nicht-akademischen Beamten, Lehrern an niederen Schulen und Bauern Professoren eines medizinischen Fachgebietes werden konnten. Diese sozialen Aufsteiger machten gute 31% der Ordinarien aus und hatten ihre Quote damit im Vergleich zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr als verdreifacht. Verantwortlich für diesen Wandel macht Willett die Spezialisierung der Hochschulmedizin, also die Herausbildung neuer noch ‚unbesetzter‘ Fachgebiete, und die „Vernaturwissenschaftlichung“412 der Medizin. Dennoch, so resümiert er, stammte die Mehrzahl der Professoren nach wie vor aus privilegierten Bevölkerungsschichten. Eindeutig nachweisen konnte Willett auch den Einfluss des Berufs des Vaters auf die Berufswahl des Sohnes, bzw. der Tochter.413 Dies erschließt sich auch aus obenstehendem Diagramm und wird auch durch persönliche Äußerungen der Habilitanden deutlich. Helene Weinland beispielsweise führt explizit die Erzählungen ihres Vaters Ernst Weinland, Professor für Physiologie, als Begründung für ihr eigenes medizinisches Interesse an.414 Alexander Busch stellt ebenso fest, dass es in den Jahren von 1890 bis 1919 selten Privatdozenten ohne vererbtes Vermögen gab. Vielmehr setzten sich die Nichtordinarien nun aus dem wohlhabenden Bürgertum zusammen, welches Wissenschaft oft zum Inhalt der Freizeitbeschäftigung machte und nach akademischen Titeln der persönlichen Bestätigung wegen strebte. Nach dem Ersten Weltkrieg jedoch kehrte sich diese Tendenz aufgrund der Inflation und zunehmenden Demokratisierung in der Bildung um. So fanden sich laut Busch vermehrt wirtschaftlich abhängige Dozenten im Lehrkörper.415 Für die Religionszugehörigkeit konnte folgendes Diagramm erstellt werden:

412 Willett (2001), S. 106. 413 Ebenda, S. 91-109. 414 UAE C3/6 Nr. 158: Lebenslauf vom 23.01.1945. 415 Busch (1959), S. 121-124. 84

Grafik 17: Religionszugehörigkeit der Erlanger Habilitanden

Mit 60% gehörte die überwiegende Mehrheit aller Habilitanden der protestantischen Konfession an. Katholisch war knapp ein Viertel der Kandidaten. Eine Person war konfessionslos und ein Habilitand gab unitarisch als Religionszugehörigkeit an. Von 15 Personen ist der Glaube nicht bekannt. Auffallend ist, dass sich auch im Zeitraum vor 1933 kein einziger Jude an der Medizinischen Fakultät Erlangen habilitierte. Auch diese Analyse entspricht den Beobachtungen von Olaf Willett bezüglich der Professorenschaft. Er hielt fest, dass bis 1933 nie mehr als ein Viertel der Lehrstuhlinhaber katholisch waren.416 Betrachtet man die Religionszugehörigkeit der Habilitanden bis 1960, so lässt sich vermuten, dass Willetts Aussage auch nach 1933 noch Gültigkeit hatte. Insgesamt sieht er die Konfession bzw. Religion als das wichtigste Berufungskriterium an, obwohl in seinen Untersuchungen nicht erfasst werden konnte, ob es sich jeweils um praktizierende Gläubige oder nur die formale Zugehörigkeit handelte. In den Jahren von 1743 bis 1810 waren sämtliche Professoren der Universität evangelisch. Danach begann eine leichte Lockerung bezüglich der Konfession, allerdings behielt der Protestantismus immer die absolute Mehrheit unter den Ordinarien, was auch von höheren Stellen so gewünscht war. Eine deutliche Vorherrschaft der Protestanten war bis 1933 auch bei den Medizinern zu beobachten: Vor allem die Innere Medizin und die Chirurgie wiesen „eine Art protestantisches Monopol auf“417. Andere Glaubensrichtungen außerhalb des Christentums hingegen waren quasi nicht vertreten. „So hatten insbesondere Angehörige der jüdischen

416 Willett (2001), S. 79. 417 Ebenda, S. 90. 85

Religionsgemeinschaft auch nach der staatsbürgerlichen Gleichstellung der Juden in Bayern (1861) so gut wie keine Berufungschancen.“418 Ernst Schubert hält es dagegen für schwierig, die genaue Rolle der Konfession bzw. Religion im Habilitationsverfahren zu definieren. Allerdings steht auch für ihn fest, dass eine Person jüdischen Glaubens sich nur dann habilitieren konnte, wenn sie sich taufen ließ. Ordinarius werden konnte sie jedoch trotzdem nie.419 Die Verteilung der Religionszugehörigkeit spiegelt vor allem in Bezug auf das Judentum auch die in Kapitel 3.1.3.1. Die Universität in der Weimarer Republik angesprochenen Verhältnisse wider. Bereits zu Beginn des hier gewählten Untersuchungszeitraums, also in der Weimarer Republik, herrschte ein konservatives Klima an den deutschen Hochschulen, Erlangen stellte hier keine Ausnahme dar. Durch das Habilitationsverfahren wurde der Lehrkörper meist um gleichgesinnte Dozenten ergänzt, was sich an der hohen Anzahl der Protestanten erkennen lässt. Unerwünschtes wurde nicht zugelassen, es fand sich folglich kein einziger Jude unter den Habilitanden. Größere Aufmerksamkeit ist auch dem Studienweg der Habilitanden zu widmen. Zunächst wird dabei die Hochschule betrachtet, an denen die Habilitanden mit der Promotion ihr Studium abschlossen bzw. die wissenschaftliche Karriere begannen:

Grafik 18: Promotionsorte Erlanger Habilitanden

Entsprechend der Tendenz, die sich auch schon bei den Geburtsorten zeigte, wird auch bei den Promotionsorten deutlich, dass viele Habilitanden ihr ursprüngliches Umfeld nicht verließen. Dies verdeutlichen die 38%, also 42 Kandidaten, die vor ihrer Habilitation auch in Erlangen promoviert wurden. Ergänzt wird dieses Bild durch die

418 Zitat: Willett (2001), S. 88; Quelle zum gesamten Absatz: Ebenda, S. 86-91. 419 Schubert (1993), S. 140f. 86

Tatsache, dass 12% ihren Doktortitel in München und 8% in Würzburg verliehen bekamen. Knappe 60% wurden also an einer der drei bayerischen Landesuniversitäten promoviert. Auf Platz vier folgt mit 7% der verliehenen Doktortitel die Universität Heidelberg. Je 3% der Habilitanden wurde in Tübingen, Leipzig, Frankfurt am Main und Berlin promoviert. Unter die 21% der ‚Sonstigen‘ fallen mit je 2% Straßburg, Münster, Königsberg/Pr., Kiel, , Göttingen, Breslau und Freiburg/Br. und mit je 1%, also einem Habilitanden, Marburg/Lahn, Innsbruck, Halle- Wittenberg, Greifswald, Gießen und Bologna. Bei zwei Habilitanden ist der Promotionsort nicht bekannt. Insgesamt kommt man also auf eine Anzahl von 109 Promotionen, die den Erlanger Habilitanden verliehen wurden. Bei nur 97 Habilitanden liegt das daran, dass einige Kandidaten zwei Doktortitel besaßen, wie folgende Abbildung zeigt.

Grafik 19: Promotionstitel Erlanger Habilitanden

Von den 109 verliehenen Promotionen stellen 84% die Würde des Dr. med. inklusive des Dr. med. univ., der in Österreich verliehen wurde, dar. In absoluten Zahlen entspricht das 92 Habilitanden, die diesen Titel trugen. Sieben Kandidaten trugen den Titel des Dr. phil., sechs den des Dr. med. dent. Zwei Habilitanden wurde der Titel des Dr. rer. nat. verliehen und einem der Dr. ing. Der Promotionstitel eines Kandidaten ist nicht überliefert.

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Grafik 20: Anteil der Erlanger Habilitanden mit mehreren Doktortiteln

Betrachtet man nun die Verteilung der Doktortitel, so stellt sich heraus, dass 88% der Habilitanden einen Titel trugen und 12% zwei Titel verliehen wurden. In den Untersuchungen von Olaf Willett stellte sich heraus, dass auch bei den Medizin-Professoren des frühen 20. Jahrhunderts Erlangen mit guten 28% weit vorne lag als Promotionsuniversität. Etwas mehr Ordinarien waren jedoch mit 31,3% in München promoviert worden. Auf Platz drei lagen die Universitäten Würzburg, Tübingen und Berlin mit jeweils rund 6%. Mit insgesamt gut 65% war also auch der Großteil der Professoren von 1891 bis 1933 an einer bayerischen Hochschule promoviert worden. Willett stellt in seinen Untersuchungen zu den Studienorten der Professoren außerdem fest, dass die Konfession im Laufe des frühen 20. Jahrhunderts bei der Wahl des Studienortes immer mehr an Bedeutung verlor. Wichtig waren nun vor allem Faktoren wie großstädtisches Leben und die Qualität des Hochschulunterrichts. Hochschulen außerhalb des deutschen Sprachraums waren jedoch kaum relevant.420 Dies wird auch durch die oben erläuterten Untersuchungen der Habilitanden der Medizinischen Fakultät Erlangens noch einmal unterstrichen. Zudem stellte Willett fest, dass sich im Zeitraum von 1891 bis 1933 62% aller Privatdozenten an ihrer Promotionsuniversität habilitierten. Bei den Medizinern habilitierten sich gut 40% auch in Erlangen und mehr als 70% in Bayern.421 Vergleicht man dies mit den vorliegenden Zahlen der Habilitanden an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen von 1918 bis 1960, so lässt sich eine leicht sinkende Tendenz feststellen: 38% der Habilitanden waren auch in Erlangen promoviert worden, nurmehr 58% an einer der drei bayerischen Landesuniversitäten. Ebenfalls interessant ist der Zeitraum, den Habilitanden der Medizinischen Fakultät nach ihrer Promotion brauchten, um sich zu habilitieren.

420 Willett (2001), S. 114-128. 421 Ebenda, S. 163-168. 88

Grafik 21: Durchschnittliche Dauer von Promotion bis Habilitation in Erlangen

Wie auch beim durchschnittlichen Habilitationsalter ist bei der Zeit zwischen Promotion und Habilitation ein in diesem Fall noch stärker ansteigender Trend zu beobachten. Die durchschnittliche Zeitspanne zwischen den beiden Ereignissen betrug von 1918 bis 1960 9,7 Jahre. Gerade zu Anfang des Forschungszeitraumes lag die durchschnittliche Zeit weit unter diesem Durchschnitt. Bei Willett ergibt sich ein ähnliches Bild: Der Zeitraum bis zur Ernennung zum Privatdozenten wurde kontinuierlich länger. Während er bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch in über 50% der Fälle bei unter zwei Jahren lag, betrug er schon im Zeitraum von 1891 bis 1933 bei fast der Hälfte aller Personen mehr als vier Jahre.422 Alexander Busch bestätigt dieses Bild für ganz Deutschland. Von 1850 bis 1869 wartete man nach der Promotion 2,7 bis 4,3 Jahre bis zur Habilitation, zwischen 1910 und 1930 waren es schon 7,0 Jahre und im Zeitraum von 1931 bis 1945 betrug der durchschnittliche Ernennungszeitraum 7,7 Jahre.423 Nach der Analyse des Beginns der medizinisch-wissenschaftlichen Karriere der Habilitanden von 1918 bis 1960, sollen nun noch die Fälle aufgezeigt werden, in denen sich die Kandidaten zusätzlich auf einem anderen Gebiet spezialisierten – sei es akademisch durch ein anderes Studium oder durch die Ausbildung für einen Lehrberuf. Aus den Habilitationsakten des Universitätsarchivs Erlangen-Nürnberg und der Arbeit von Renate Wittern lässt sich entnehmen, dass es sich dabei vorwiegend um abgeschlossene zusätzliche Qualifikationen handelte, die entweder vor, während oder nach dem jeweiligen Medizinstudium absolviert wurden.

422 Willett (2001), S. 168-171. 423 Busch (1959), S. 107. 89

Grafik 22: Anteil Zweitstudierender von 1918-1945

Betrachtet man den Zeitraum von 1918 bis 1945 bezüglich zusätzlicher Qualifikationen der Habilitanden der Medizinischen Fakultät Erlangens, so ergibt sich, dass 31%, also 15 Personen, ein Zweitstudium bzw. eine Lehre zusätzlich zu ihrem Habilitationsfach abgeleistet hatten.

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Grafik 23: Fächer des Zweitstudiums von 1918-1945

Zu einem Großteil wurden mit 44% die Naturwissenschaften als weitere Qualifikation ausgewählt. Einer der Hauptgründe dafür liegt darin, dass „[e]in Austauschverhältnis […] auch weiterhin zwischen Medizin und Naturwissenschaft“424 bestand und die beiden Studiengänge deshalb inhaltlich eng verknüpft waren. Bereits zu Beginn der Geschichte der modernen Hochschulen im 18. Jahrhundert stellten die Naturwissenschaften als Bestandteil der philosophischen Fakultäten eine Art Basisqualifikation für Studierende vieler Fachbereiche dar.425 Später emanzipierten sich die Naturwissenschaften zunehmend aus der nun Medizinischen Fakultät heraus und gewannen vor allem an selbstständiger Bedeutung, als die Medizin sich immer mehr auf naturwissenschaftliche Prinzipien gründete. Die Grenzen zwischen diesen beiden Disziplinen waren Ende des 19. Jahrhunderts dennoch eher lose umschrieben. Bis mindestens 1933 war dies nach wie vor spürbar und die beiden Fächer trennten sich nur langsam endgültig voneinander.426 Ein zusätzliches Studium im jeweiligen anderen Fachgebiet stellte folglich inhaltlich keinen sehr großen Sprung dar. Weitere 31%, also fünf Habilitanden, hatten zusätzlich zu Zahnmedizin Medizin studiert und 19%, also drei Personen, das Chemiestudium favorisiert. Ein Habilitand hatte außerdem eine Lehre abgeschlossen. Die Gesamtzahl von 16 ergibt sich aus der

424 Willett (2001), S. 136. 425 Das Studium der Chemie wird hier und im Folgenden gesondert von den Naturwissenschaften aufgeführt, weil es in diesen Fällen nicht so sehr Teil des allgemeinen naturwissenschaftlichen Grundstudiums an den Hochschulen war, sondern viel mehr ein eigenständiges Fach darstellte und auch von den Habilitanden so aufgelistet wurde. 426 Willett (2001), S. 129-136. 91

Tatsache, dass ein Habilitand sowohl ein weiteres Studium als auch eine Lehre gewählt hatte.

Grafik 24: Anteil Zweitstudierender von 1946-1960

Von 1946 bis 1960 ist im Vergleich zum Zeitraum vorher ein Rückgang der zusätzlichen Qualifikation zu verzeichnen. Nurmehr 12%, also sechs von insgesamt 48 Habilitanden, hatten diese vorzuweisen.

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Grafik 25: Fächer des Zweitstudiums von 1946-1960

Bei der Aufschlüsselung der einzelnen Fächer fällt dabei ins Auge, dass vor allem die Naturwissenschaften an Bedeutung verloren: Nur noch zwei Kandidaten widmeten sich deren Studium, während es im vorherigen Beobachtungszeitraum noch fünf Personen gewesen waren, was einem Rückgang von 44% auf 33% entspricht. Jeweils ein Habilitand hatte sich zudem in Chemie, Zahnmedizin zusätzlich zu Medizin und Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaften qualifiziert. Johann Baptist Kinzlmeier (1914-1981)427 hatte eine Werkzeugmacher-Lehre absolviert. In seiner Habilitationsschrift schlug sich diese spezielle Vorbildung allerdings nicht nieder, sein Thema waren Untersuchungen über das Säure-Basegleichgewicht bei Gesunden und Kranken.428 Im Kontext des Studiums lohnt es sich zudem, noch einmal einen Blick auf die 41 Umhabilitierten und 29 Zurückhabilitierten und deren ursprüngliche Habilitationsorte zu werfen.

427 Wittern (1999), S. 101. 428 Zu Johann Baptist Kinzlmeier: UAE C3/4b Nr. 36. 93

Grafik 26: Ursprüngliche Habilitationsorte der Umhabilitierten

Die Habilitationsorte der Umhabilitierten, also derjenigen, die im Laufe ihrer Karriere nach ihrer erfolgten Habilitation an die Universität Erlangen kamen, stellen ein relativ heterogenes Bild dar. Auffallend ist lediglich, dass auch hier eine leichte Tendenz zu den zwei anderen bayerischen Landesuniversitäten besteht: 12% der Umhabilitierten habilitierten sich ursprünglich in München, 10% ursprünglich in Würzburg. Zusammen entsprachen die beiden bayerischen Hochschulen also 22% der Habilitationsuniversitäten.

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Grafik 27: Ursprüngliche Habilitationsorte der Zurückhabilitierten

Bei denjenigen, die schon einmal an der Universität Erlangen gelehrt hatten und nach einiger wieder Zeit zurückkamen, ist die Verteilung der Habilitationsorte umso deutlicher: 68%, also 19 Personen, hatten sich ursprünglich in Erlangen habilitiert und kehrten dorthin zurück. Je 7% hatten sich in München bzw. Halle an der Saale habilitiert und kehrten im Laufe ihrer Karriere, nachdem sie schon einmal an der Universität Erlangen gelehrt hatten, zurück nach Erlangen. Je eine Person, was gerundet je 3% beziehungsweise 4% entspricht, hatte sich zudem in Frankfurt/Main, Göttingen, Greifswald, Leipzig und Rostock habilitiert. Ebenfalls Teil der sozialen Faktoren der Habilitanden ist der Familienstand zur Zeit der Habilitation. Hierfür wurde der Untersuchungszeitraum erneut in zwei Teile geteilt.

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Grafik 28: Familienstand bei Habilitation 1918-1945

Von 1918 bis 1945 waren 78% der 49 Habilitanden dieses Zeitraums verheiratet. Von 10%, also fünf Kandidaten, ist bekannt, dass sie bei ihrer Habilitation ledig waren. Jedoch vermählten sich drei dieser Personen zu einem späteren Zeitpunkt, nur zwei blieben unverheiratet. Der Familienstand von sechs Habilitanden ist unbekannt. Vergleicht man diese Zahlen mit denen des Statistischen Bundesamtes, so erhält man Auskunft über die Gesamtzahl verheirateter Personen der Jahre 1910, 1925, 1933 und 1939. Bezieht man diese absoluten Zahlen nun auf alle Personen, die zum Erhebungszeitpunkt mindestens 20 Jahre alt waren – das durchschnittliche Heiratsalter lag deutschlandweit in diesem Zeitraum zwischen 25,7 und 30,6 Jahren und somit werden alle Altersgruppen ab der Kategorie 20-45 Jahre relevant429 - ergeben sich Vergleichswerte für die Erlanger Medizin-Habilitanden. Im Zeitraum 1910 bis 1911 waren 63,7% der sich im Heiratsalter befindlichen Personen, die in Deutschland gemeldet waren, vermählt, 1925 waren es 63,9%, in den Jahren 1933 bis 1934 62,9% und 1939 68,6%. Der nächste Erhebungszeitraum war das Jahr 1950 und spielt somit für diesen Beobachtungszeitraum keine Rolle. Es fällt nun also auf, dass die Habilitanden um gut neun bis 15 Prozentpunkte über dem deutschlandweiten Schnitt verheirateter Personen lagen, sich also häufiger vermählten.430

429 Statistisches Bundesamt Wiesbaden (1972), S. 105. 430 Ebenda, S.95f. und S. 105. 96

Grafik 29: Promovierte unter den Ehefrauen 1918-1945

Betrachtet man nun diese 78% der Verheirateten, insgesamt also 38 Personen, so fällt auf, dass zwischen 1918 und 1945 mindestens 16% der Ehefrauen promoviert waren. Da diese Informationen den persönlichen Lebensläufen der Habilitanden entnommen wurden, kann diese Zahl nur als Mindestgröße angenommen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass einige Habilitanden den akademischen Grad ihrer Ehefrau nicht angegeben haben. Trotz dieser unerwartet hohen Zahl von akademisierten Ehefrauen bedeutete das jedoch nicht, dass die Gattinnen von ihrer Vorbildung nach der Hochzeit über die Maße profitieren durften: „Trotz teilweise professioneller Ausbildung rückte die berufliche Verwendung der erworbenen Kompetenzen, sofern diese überhaupt je beabsichtigt worden war, mit der Hochzeit in den Hintergrund und wich den Bedürfnissen des Hausgebrauchs respektive einer umrahmenden Begleitung gehobener Geselligkeit.“431 Es gab zwar im Untersuchungszeitraum von Olaf Willett bis 1933 mit der Ehefrau des Hygienikers Karl von Angerer im Jahr 1929 eine Ausnahme von dieser Regel der „umrahmenden Begleitung gehobener Geselligkeit“, da diese ihren Beruf als Ärztin in Erlangen weiterhin ausübte. Allerdings lag der Entschluss, dass sie weiterarbeiten durfte, nicht einmal nur bei ihrem Ehemann, sondern auch das Kultusministerium und die Medizinische Fakultät berieten darüber. Alle anderen Gattinnen waren mehr oder weniger dazu angehalten, ihre Stellung aufzugeben.432

431 Willett (2001), S. 248f. 432 Ebenda, S. 248-251. 97

Grafik 30: Familienstand bei Habilitation 1946-1960

Für den Zeitraum von 1946 bis 1960 liegen fast identische Ergebnisse vor: Von 48 Habilitanden waren 79% bereits verheiratet und 11% ledig. Diese 11% repräsentieren fünf Personen, von denen sich drei nach der Habilitation noch vermählten und zwei nie heirateten. Der Familienstand von 10%, also fünf Personen, ist unbekannt. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes – wie auf Seite 96 erklärt ermittelt aus dem Quotienten aus allen westdeutschen Verheirateten und den Personen, die mindestens 20 Jahre alt waren433 – berichten von 65,9% verheirateter Bundesbürger im Heiratsalter im Jahr 1950 und 68% im Jahr 1961. Diese letzte Prozentzahl übersteigt zwar um ein Jahr den Beobachtungszeitraum, wird aber mangels anderer Zahlen für den Zeitraum von 1946 bis 1960 für eine detailliertere Aufschlüsselung der Entwicklung des Familienstandes trotzdem herangezogen. Auch hier zeigt sich schließlich, dass die Habilitanden der Medizinischen Fakultät Erlangens den bundesweiten Schnitt um gut 13 bzw. elf Prozentpunkte überschritten.434

433 Das durchschnittliche Heiratsalter lag von 1947 bis 1960 zwischen 25,2 und 31,1 Jahren. Bei der Einteilung der Bevölkerung in Gruppen durch das Statistische Bundesamt werden also die Gruppen ab der Kategorie 20-45 Jahre relevant. (Statistisches Bundesamt Wiesbaden (1972), S. 95 und S. 105.) 434 Ebenda, S. 95f. 98

Grafik 31: Promovierte unter den Ehefrauen 1946-1960

Der bekannte Anteil der promovierten Ehefrauen aber verdoppelte sich im Vergleich zum vorherigen Zeitraum. 32%, also zwölf Ehefrauen, trugen einen akademischen Grad. Auch hier lässt sich jedoch nicht mit Gewissheit die Vollständigkeit der Informationen annehmen. Auch Olaf Willett untersuchte den Familienstand der Erlanger Professoren. Laut seinen Analysen stellte „der verheiratete Professor, der zumindest nach außen eine intakte Ehe führte, während des gesamten Zeitraumes [1743-1933, Anm. d. Aut.] den Normalfall“435 dar: 94% der untersuchten Personen waren mindestens einmal verheiratet, nur 6% blieben ledig. Bezeichnend ist auch, dass er während seiner Untersuchungen von 299 Personen auf nur sieben Scheidungen stieß. Es sei außerdem erwähnt, dass auf diese „Sozialintegration des Mannes“436 größter Wert gelegt wurde und bei Handlungen, die die Integrität in Frage stellten, auch der Verlust des Lehrstuhls folgen konnte. Betrachtet man nun nur die Mediziner, so stellt man fest, dass keiner seit 1743 unter 26 Jahren geheiratet hatte, dafür häufiger als in anderen Fächer über 40. Dies hing vor allem mit der Tatsache einher, dass oft erst geheiratet wurde, nachdem der Mann eine besoldete Professur innehatte. Die meisten Mediziner vermählten sich über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg zwischen 26 und 35 Jahren, wobei ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die Hochzeiten ab 36 Jahren deutlich zunahmen. Zwischen 1891 und 1933 warteten jedoch nur noch 15,4% der Mediziner eine besoldete Professur ab, die meisten vermählten sich

435 Willett (2001), S. 225. 436 Ebenda, S. 225. 99 während ihrer Zeit als wissenschaftlicher Assistent.437 Diese Entwicklung erklärt schließlich auch die hohen Eheraten unter der Erlanger Habilitanden der Medizinischen Fakultät von 1918 bis 1960. Interessant wäre im Kontext des Familienstandes auch die Kinderzahl zum Zeitpunkt der Habilitation, da Hochzeit und die Familienplanung eng miteinander verbunden waren – erst wenn man ökonomisch in der Lage dazu war, für Kinder zu sorgen, wurde geheiratet. Im Untersuchungszeitraum von Olaf Wilett von 1743 bis 1933 sank die durchschnittliche Kinderzahl von 3,7 auf 2,5, bei Medizinern von 2,9 auf 2,7 und es fiel auf, dass Kliniker mehr Nachkommen vorweisen konnten als Dozenten der Grundlagenfächer.438 Da aufgrund der Quellenlage von einem Teil der Habilitanden die Kinderzahl zum Zeitpunkt der Habilitation, von einem anderen Teil jedoch nur die Kinderzahl gegen Ende ihres Lebens bekannt ist, ist ein einheitlicher Vergleich der einzelnen Habilitanden diesbezüglich leider nicht möglich. Zuletzt werden im Zusammenhang mit den sozialen Faktoren noch der abgeleistete Kriegsdienst und die politischen Aktivitäten der Habilitanden der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangens analysiert. In die Auflistungen eingegangen sind sämtliche Informationen über politische und militärische Betätigungen der Habilitanden aus den Habilitationsakten und Renate Witterns Untersuchung von 1999. Auch hier muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass eine Vollständigkeit nicht gewährleistet werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen politischen Ereignisse wurden auch hier die Habilitanden zeitlich getrennt.

Grafik 32: Kriegsdienst und politische Involvierung Erlanger Habilitanden 1918-1945

Der erste Untersuchungszeitraum umschließt wieder die Spanne von 1918 bis 1945. Hier ergibt sich, dass knappe 70% der Habilitanden militärisch am Ersten

437 Wilett (2001), S. 225-231. 438 Ebenda, S. 255-258. 100

Weltkrieg teilgenommen hatten. 14 Personen, also knappe 30% waren in den Zweiten Weltkrieg involviert. Mitglied im monarchistischen Kampfverband Stahlhelm waren vier Habilitanden. Zudem waren 17 Personen, also gute 34%, Mitglied in der NSDAP und zehn Habilitanden, was 20% entspricht, Mitglied der SA. In anderen NS- Organisationen, namentlich dem NS-Dozentenbund und -Ärztebund, dem Reichsbund deutscher Beamte, der Deutschen Arbeitsfront, der NS-Volkswohlfahrt, dem Reichsluftschutzbund, der Wehrmacht, der SS und dem Freikorps Oberland, aktiv waren acht Personen, als etwa 16%. Schlüsselt man diese Zahlen etwas genauer auf, so ergibt sich, dass neun Personen ausschließlich Mitglied der NSDAP waren, zwei ausschließlich Mitglied der SA, acht sowohl Mitglied der NSDAP, als auch der SA und dass neun Habilitanden ausschließlich am Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben. Die Mitgliedschaft in anderen NS-Organisationen erfolgte immer zusätzlich zu einem dieser aufgezählten Kriterien. Schließlich ergibt sich also, dass insgesamt 28 Habilitanden, also gute 57%, in irgendeiner Weise politisch oder militärisch das NS- Regime unterstützten.439 Etwas weniger Mitglieder des Lehrpersonals, nämlich 24 Habilitanden, wurden durch die Militärregierung entlassen. Dies war allerdings oft nur vorübergehend: 19 der 24 Entlassenen wurden später wiedereingestellt. Die fünf Personen, die ihren Dienst nicht wieder aufnahmen, waren Johannes Schottky, Helmuth Wilhelm Ludwig Karl Richter, Julius Schneller, Hermann Wintz und Bruno Richard Johann zu Jeddeloh. Damit ereignete sich auch an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen, was in Kapitel 3.1.3.3. Erlangen und die Hochschulen von 1945 bis 1960 für die gesamte amerikanische Besatzungszone erläutert wurde: Aufgrund des gravierenden Personalmangels fanden rasch nach den anfänglichen Entlassungen zahlreiche Rehabilitationen statt, teilweise ungerechtfertigt und unreflektiert. Lediglich von bekannten NS-Größen distanzierte man sich, wobei diese durch einen Wechsel der Besatzungszone oder den Rückzug aus dem Hochschulwesen durchaus noch ärztlich tätig sein konnten.440 Über Aktivitäten, die sich gegen das NS-Regime richteten, ist dagegen von keinem der Habilitanden der Medizinischen Fakultät Erlangen etwas bekannt. Allerdings verlor Werner Hans Oskar Schuler seine Anstellung an der Universität, da seine Ehefrau als Nichtarierin galt. Das Gutachten, das Dekan Richard Greving zu diesem Vorgang am 28. April 1938 verfasste, beurteilte Schuler jedoch durchweg positiv. Sein abschließender Satz lautet: „Der einzige Grund für seine Beurlaubung im Jahre 1936 war die Tatsache, dass er mit einer Nichtarierin verheiratet ist.“441 Werner Schuler verließ schließlich zusammen mit seiner Familie Deutschland und baute sich in der

439 Diese Angaben entstammen den persönlichen Lebensläufen der Habilitanden in deren Habilitationsakten und den Personalakten der Habilitanden und beruhen, soweit ersichtlich, auf freiwilligen Angaben. Da diese jedoch meist unmittelbar aus der Zeit des Dritten Reichs stammen, kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Habilitanden diesbezüglich vollständige Auskunft gab. 440 Siehe dazu exemplarisch Kapitel 3.3.8. zu Johannes Schottky. 441 UAE C3/4a Nr. 108. 101

Schweiz eine neue Existenz auf.442 Zu dem Habilitanden Otto Paul Winklmair findet sich nirgends ein politischer Vermerk.443 Auch Olaf Willett bemerkt, dass die meisten der Erlanger Professoren zu Beginn der 20. Jahrhunderts den Deutschnationalen nahestanden, „[p]olitischer Einsatz in anderen Richtungen war die Sache von Außenseitern, ein Engagement für die Sozialdemokratie kam dem totalen gesellschaftlichen Ausschluß gleich und unterblieb völlig.“ Die Unterstützung der NSDAP seitens einiger Ordinarien hingegen sah er als „Aufkommen einer neuartigen, in mancherlei Hinsicht moderneren Auffassung von Politik und Parteiwesen“444. Dennoch traten selbst nach der Machtergreifung im Jahr 1933 verhältnismäßig wenige Professoren der NSDAP bei. Trotzdem stellte laut Willett ein Parteibeitritt mehr als den nur üblichen Konformismus, der sich vor allem in Form einer Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Lehrerbund äußerte, dar. Alle in seinem Forschungszeitraum untersuchten Professoren hatte ihr Ordinariat nämlich schon vor 1933 inne, von Opportunismus der Karriere wegen lässt sich hier also eher weniger sprechen.

Grafik 33: Kriegsdienst und politische Involvierung Erlanger Habilitanden 1946-1960

Betrachtet man nun den Zeitraum von 1946 bis 1960, so stellt man fest, dass 37 der 48 Habilitanden am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatten. Dies entspricht knappen 80%. Zudem gibt es einige Vermerke zur Einstufung der Habilitanden durch die Militärregierung: Zwei Habilitanden, nämlich Fritz Klopfer und Robert Wernsdörfer, wurden als Mitläufer eingestuft, elf weitere als entlastet.445 Hierbei ist allerdings davon

442 Rauh (2018c), S. 106 und UAE C3/4a Nr. 108. Für Näheres zu Werner Schuler siehe Kapitel 3.3.5. ab Seite 134. 443 C3/4a Nr. 126; Wittern (1999), S. 219f. 444 Zitate: Willett (2001), S. 331f. und S. 333. 445 UAE C3/4b Nr. 11, UAE C3/4b Nr. 13, UAE C3/4b Nr. 17, UAE C3/4b Nr. 20, UAE C3/4b Nr. 21, UAE C3/4b Nr. 22, UAE C3/4b Nr. 24, UAE C3/4b Nr. 25, UAE C3/4b Nr. 27, UAE C3/4b Nr. 28, UAE C3/4b Nr. 32, UAE C3/4b Nr. 33. 102 auszugehen, dass die vorliegenden Informationen nicht vollständig sind und vor allem mehr Personen als Mitläufer eingestuft wurden.446 Nach der ersten großen Entlassungswelle im Sommer 1945 hatten alle Ordinarien außer der Pharmakologe Konrad Schübel (1885-1978) ihre Posten verloren. Dieser Kahlschlag war allerdings nur ein temporäres Phänomen. Vor allem nach Übertragung der Entnazifizierung an deutsche Sondergerichte kam es zu zahlreichen, oft hanebüchenen „Exkulpationsstrategie[n]“ und daraufhin ungewöhnlich milden Urteilen, sodass „das Wort einer <> die Runde machte“ an der Medizinischen Fakultät.447 Auch Akten von Personen, die als gering belastet eingeschätzt wurden, wurden dabei oft im Eilverfahren bearbeitet, um sie schnellstmöglich wieder einsetzten zu können.448 Bei sechs Habilitanden gibt es keinen Vermerk zu politischen Aktivitäten.

3.2.4 Habilitationsschriften Besonders aufschlussreich ist die Analyse der verfügbaren Habilitationsschriften, um Näheres über die Habilitationsvorgänge an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangens von 1918 bis 1960 zu erfahren. Diese sind zu einem Großteil den Habilitationsakten ab 1946, bezeichnet mit der Signatur UAE C3/4b und der jeweiligen Nummer, beigelegt.449 In einigen Fällen finden sich die Habilitationsschriften als Einzelwerke in der Bibliothek, manche sind in gekürzter Form in Zeitschriften erschienen. Verwendet wurden bei dieser Analyse, wenn vorhanden, die ungekürzten maschinengeschriebenen Versionen, die von den Habilitanden bei der Fakultät eingereicht wurden. Dies entspricht 57 Habilitationsschriften, die von den 97 Habilitanden des betreffenden Zeitraums auffindbar sind. In den Jahren 1919, 1929, 1931, 1939, 1941, 1942, 1946, 1947 und 1948 fanden keine Habilitationen statt, aus dem restlichen Zeitraum vor 1926 – mit Ausnahme von Hermann Wintz‘ Schrift aus dem Jahr 1918 –, sowie den Jahren 1930, 1933, 1935, 1936, 1950 und 1951 sind keine Schriften archiviert. Ein interessanter Aspekt der Habilitationsschriften ist die Quellenliteratur, die jeweils verwendet wurde.

446 Rund 75% der Gesamtbevölkerung wurden als ‚Mitläufer‘ eingestuft, eine starke Abweichung von dieser Tendenz bei Universitätsangehörigen vor allem nach unten ist äußerst unwahrscheinlich (Kapitel 3.1.3.3 ab Seite 44). 447 Thum (2018a), S. 183f. 448 Thum (2018a), S. 166-198. 449 Die Habilitationsschrift von Hans Bosch aus dem Jahr 1938 ist in der Akte UAE A1/3a Nr. 899a über Habilitationen von 1932 bis 1947 zu finden, die Schrift von Hermann Wintz findet sich in dessen Personalakte UAE A2/1 W 36a. 103

Grafik 34: Quellenliteratur der Habilitationsschriften im Durchschnitt nach Sprache

Analysiert werden hier nur 53 der 57 Habilitationsschriften, da in den Texten vor Hermann Wintz, Albrecht Engelhardt, Helmuth Bauer und Walter Ritter von Baeyer kein Literaturverzeichnis aufgeführt ist.450 Dementsprechend beginnt auch die Grafik erst mit dem Jahr 1926. Betrachtet man nun die Anzahl der verwendeten Literatur, so kommt man auf 650 angegebene Quellen im Jahr 1926, die jedoch nur aus einer auffindbaren Habilitationsschrift stammen. Berthold Kihn schrieb hier über die Quartäre Syphilis. Aus dem Jahr 1927 ist ebenfalls nur eine Schrift überliefert, in welcher 350 Quellen verwendet wurden. Sie wurde von Rudolf Dyroff über Experimentelle Untersuchungen zur Physiologie des Genitaltraktes beim Weibe verfasst. Aus dem Jahr 1928 jedoch liegen vier Texte vor, welche durchschnittlich rund 450 Literaturverweise enthielten. Darunter fallen die Arbeiten von Ernst Herzog über einen Beitrag zur Frage der Innervation der Geschwülste, von Friedrich Dietel über Das Bettnässen, von Wilhelm Flaskamp Über Röntgenschäden und Schäden durch radioaktive Substanzen und von Hans Schmelzer Zur Pathologie und Therapie des Glaukoms. Zwei Quellen liegen aus dem Jahr 1932 vor. Gustav Bodechtel schrieb über Gehirnveränderungen bei Herzkrankheiten und verwendete dafür 64 Quellen, Helmuth Richter schrieb über Die normale Entwicklung der menschlichen Nase, in Sonderheit der Siebbeinzellen und zog dabei 54 Literaturquellen zu Rate. Die Habilitationsschrift von 1934 von Karl Peter über Die Wurzelspitzenresektion der Molaren enthält 113 Literaturangaben. Im verfügbaren Text von 1937 von Hermann Eyer zur Gesundheitspflege und Bevölkerungspolitik in der Ostmark finden sich 147 Quellen und die durchschnittliche Anzahl der beiden Schriften, die aus dem Jahr 1938 vorliegen, umfasst rund 195

450 Bezüglich der Qualitätsansprüche an die Habilitationsschriften, wie beispielsweise das Auflisten von Literaturquellen, finden sich keine Hinweise in den jeweiligen Habilitationsordnungen (siehe Kapitel 3.1.2. Habilitationsordnungen der Medizinischen Fakultät Erlangen) 104

Literaturangaben. Bruno zu Jeddeloh schrieb in diesem Jahr Beiträge zur Physiologie und Pathologie der Atembewegungen und Hans Bosch verfasste eine Arbeit über Die Wirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen und die der radioaktiven Substanzen auf die Formelemente des Blutes und ihre Bildungsstätten. Der Text von Adolf Bingel Über die Tagesperiodik Geisteskranker dargestellt am Elektrodermatogramm aus dem Jahr 1940 listet 71 Quellen auf, derjenige von 1944 von Helmuth Bauer über Die urogenitale Trichomoniasis 18 Literaturhinweise. Aus dem Jahr 1949 ist ebenfalls nur eine Schrift überliefert, in welcher Wolf-Dieter Keidel für Die Indikatordiagraphie in der Physiologie rund 130 Quellen verwendete. Aus dem Jahr 1952 hingegen sind fünf Texte erhalten: Die Arbeiten von Gunther Barth über Radiologische Erfahrungen und Ergebnisse mit der Nahbestrahlung operativ freigelegter Tumoren, von Willi Dreßler über Die Hirnwasserräume unter dem Einfluss des Traumas, von Hermann Hengstmann über Die Cytodiagnose des Bronchialcarcinoms mit Hilfe der gezielten Bronchialabsaugung, von Albrecht Moll zu Digitalis und Elektrokardiogramm und von Felix Wachsmann über Unterschiede in der Wirkung verschieden dicht ionisierender energiereicher Strahlungen. Es wurden in den fünf Texten durchschnittlich 186,4 Literaturquellen angegeben. 1953 wurden zwei Habilitationsschriften verfasst, Helmut Leonhardt schrieb hier mit Hilfe von 163 Quellen Über die Blut-Gehirnschranke nach experimentellen Eingriffen und Kurt Mechelke über Untersuchungen über die Beeinflussung des Kreislaufs durch die Atmung sowie durch Lagewechsel und Preßdruck bei gesunden Menschen und bei Personen mit nervösen Herz- und Kreislaufstörungen, wofür er 116 Quellen verwendete. Auch 1954 wurden zwei Texte verfasst. Hans Grosch schrieb in diesem Jahr seine Arbeit über Die motivierten Depressionen und psychogene Reaktionen depressiver Färbung und gab 88 Quellenverweise an und Markus von Lutterotti schrieb seine Habilitationsschrift über Elektrophoretische Untersuchungen bei Herzkranken mit besonderer Berücksichtigung der Herzinsuffizienz. Dafür benötigte er 57 Quellen. Aus dem Jahr 1955 sind fünf Schriften erhalten, welche im Durchschnitt 172,4 unterschiedliche Literaturangaben enthielten. Darunter fallen die Arbeiten von Robert Wernsdörfer über Untersuchungen über Reizantworten der Haut, Verhalten des Serumeiweisses und des Wasserhaushaltes nach unspezifischen Reizen, von Hermann Blümlein Zur causalen Pathogenese des Larynxcarcinoms, von Kurt Elster über Morphologische und histochemische Untersuchungen der Herzmuskulatur als Beitrag zum Problem der sog. energetisch-dynamischen Herzinsuffizienz, von Gerhard Ilgner über Grundlagen der pathologischen Anatomie des Darms bei der akuten und chronischen Enteritis des Säuglings und von Hans Kinzlmeier zu Untersuchungen über das Säure- Basengleichgewicht bei Gesunden und Kranken. Die sechs Habilitationsschriften von 1956, darunter Joachim Borneffs Über die biologische Wirksamkeit optischer Strahlung unter besonderer Berücksichtigung des Leuchtstoffröhrenlichtes, Hans- Joachim Kabelitz‘ Die Zytologie der Defensivreaktionen im menschlichen Knochenmark, Hans-Joachim Maurers Beitrag zur biologischen und biochemischen Wirkung ionisierender Strahlen, Rudolf Thuraus Die Bedeutung der Aminosäureausscheidung für die Beurteilung der biologischen Wertigkeit der Nahrungseiweiße im Eiweißhaushalt des gesunden und dystrophen Säuglings, Helene

105

Weinlands Untersuchungen an Galaktogen und Siegfried Wittes Über Beziehungen zwischen Blutgerinnung und Capillarpermeabilität, hingegen verwendeten durchschnittlich rund 226 Quellentexte; die sechs verfügbaren Schriften aus dem Jahr 1957 309,1 Literaturquellen. In diesem Jahr schrieben Wolfgang Frik über Detailerkennbarkeit und Dosis bei der Röntgendurchleuchtung, Herbert Haug über Quantitative Untersuchungen an der Sehrinde, Kurt Michalzik über Vergleichende Untersuchungen über Morphologie und Genese des atypischen Epithels und des frühen Plattenepithelcarcinoms an der Portio, Georg Schmidt über Die toxikologische Harnanalyse zum Nachweis von Barbitursäure- und Harnstoffabkömmlingen, Wolfgang Schwerd über Den gerichtsmedizinischen Nachweis des Seifenabortes und der Seifenintoxikation und Johannes Thomas zu Untersuchungen über die Beeinflussung der Sauerstoffsättigung des venösen Blutes durch maligne Tumoren, ionisierende Strahlen und Gravidität. 1958 wurden für die Habilitationsschriften von Karl Fuhrmann Über die eiweißspaltenden Fermente der weiblichen Genitalorgane unter besonderer Berücksichtigung des Endometriums 163 Quellen und von Klaus Heinkel zu Untersuchungen über den Wert der Laboratoriumsdiagnostik bei Pankreaserkrankungen 65 Literaturquellen und 1959 im Durchschnitt von fünf Schriften 210,8 Quellenangaben verwendet. In diesem Jahr schrieben Georg Birnmeyer über Inhalationsnoxen und ortsfremdes Plattenepithel im Larynx, Oskar Bock Über die Innervation des Dentins, Fred Leuschner zu Untersuchungen über die Wirkung des Vasopressins und analoger Polypeptide auf die Niere, Karl-Heinz Reiher über Beiträge zur Frage der luteotrophen Wirkung der gonadotropen Wirkstoffe und Elimar Schönhärl über Die Stroboskopie in der praktischen Laryngologie. Im Durchschnitt der vier vorliegenden Texte aus dem Jahr 1960 finden sich 430,5 Literaturquellen. Josef Schmidt verfasste in diesem Jahr seine Arbeit über Hämodynamik und Elektrokardiogramm, Hanns Schoberth über Sitzhaltung – Sitzschaden – Sitzmöbel451, Eberhard Strobel über Beiträge zur Frage der adrenocorticotropen Aktivität der Placenta und Florian Zettler über Operative Behandlung arterieller Durchblutungsstörungen der Beine. Ein eindeutiger Trend der durchschnittlichen Anzahl zitierter Quellen ist folglich nicht zu erkennen. Allerdings ist eine leichte Tendenz zu einer steigenden Anzahl anzunehmen, vor allem, wenn man beachtet, dass die vergleichsweise große Menge verwendeter Literatur in den frühen Jahren des Beobachtungszeitraums, vor allem 1926, als Ausreißer nicht den Durchschnitt mehrerer Schriften bilden, sondern meist die Quellenzahl einer Habilitationsschrift darstellt. Des Weiteren ergibt sich bei dieser Analyse kein eindeutiger Zusammenhang zwischen gewähltem Thema der Habilitationsschrift und durchschnittlicher Anzahl der Literaturquellen. Dem Diagramm ist außerdem die Sprache der verwendeten Quellenliteratur zu entnehmen. 1926 wurden dabei 521 deutschsprachige Quellen aufgelistet, sowie 45 englischsprachige, 30 französischsprachige und elf italienischsprachige. 43 Literaturangaben konnten aufgrund uneindeutiger Abkürzungen nicht zugeordnet werden bzw. entstammen seltener angeführten Sprachen als den bereits genannten. Somit werden sie unter ‚Sonstige‘ eingeordnet. In den folgenden Jahren gewinnt vor

451 Vgl. dazu Thum (2018e), S. 240f. 106 allem die deutschsprachige Literatur an Bedeutung, bis 1944 von Christian Reichel in seiner Schrift Über das Wesen der Gerinnungsaktivität der Frauenmilch sogar ausschließlich Quellen aus dem deutschen Sprachraum verwendet werden. Ab 1949 steigt dann auch wieder der Anteil fremdsprachiger Literatur in den Habilitationsschriften: 126 der gut 130 Quellen sind deutschsprachig, vier der Literaturangaben entstammen dem Englischen, zwei dem Französischen und zwei weitere Quellen werden unter ‚Sonstige‘ eingeordnet. In den Jahren darauf gewinnt jedoch vor allem die englischsprachige Quellenliteratur zulasten der deutschsprachigen – mit Ausnahme des Jahres 1954 – immer mehr an Bedeutung. Vielmehr als einen direkten Zusammenhang mit den von den Habilitanden gewählten Themen bildet dies zunächst die Wissenschaftspolitik während des Nationalsozialismus ab, die eine Abschottung gegenüber dem akademischen Ausland zur Folge hatte452, hier deutlich an den Jahren bis 1944. Zum anderen spricht das Diagramm für eine zunehmende Internationalisierung der medizinischen Wissenschaft bzw. den Bedeutungsverlust deutschsprachiger Forscher respektive Veröffentlichungen im Vergleich zu vor allem denjenigen aus dem anglo- amerikanischen Sprachbereich in der Zeit nach dem Nationalsozialismus. Außerdem steht dieser Prozess für ein Nachholen der Entwicklung auf dem Bereich der Universitätsbibliotheken. Fast zehn Jahre war die deutsche Wissenschaft von internationaler Literatur ferngehalten worden, nun wurden diese Versäumnisse nach und nach aufgearbeitet; die Bibliotheken schafften verstärkt ausländische Werke an.453 Als wichtige Ursache für diese Entwicklung gilt, wie in Kapitel 3.1.3.2. Wissenschaftspolitik und die Universität Erlangen im Dritten Reich angeführt, die Bildungspolitik während des Nationalsozialismus, die die Forschung unter anderem durch Antisemitismus, mangelhafte Nachwuchsausbildung, vernachlässigte Grundlagenforschung und Behinderung internationaler Kommunikation stark bremste. Siegmund-Schultze zeigt sich erleichtert, dass einige der wissenschaftlichen Traditionen nach der relativ kurzen Zeit des NS-Regimes wiederaufgegriffen werden konnten. Allerdings, so bemerkt er, war das deutsche Wissenschaftssystem auch in den Jahren vor der Machtergreifung schon nicht mehr so ruhmvoll wie noch wenige Jahrzehnte zuvor und zehrte mehr von vergangenen Lorbeeren. Schon damals fand also ein Großteil der relevanten Forschung im Ausland statt. Schließlich mussten jedoch verschiedene Wissenschaftsdisziplinen „nach dem Krieg <> werden, obwohl sie ihren Ursprung in Deutschland gehabt hatten.“454 Auch Horst Möller beschreibt die Beeinflussung und gar Manipulation der Wissenschaft in Deutschland durch das nationalsozialistische Regime, wobei Forschung nun stets einem völkischen Zweck dienen sollte und Parteilichkeit und nicht mehr Objektivität das oberste Kriterium darstellte. Letztendlich kommt auch er zu dem Schluss, dass diese Ideologie „[k]eine bedeutende wissenschaftliche

452 Vgl. dazu Kapitel 3.1.3.2. ab Seite 36. 453 Paulus (2010), S. 99. 454 Zitat: Ebenda, S. 91, gesamter Absatz: Ebenda, S. 89-102. 107

Forschungseinrichtung, keine große wissenschaftliche Einzelleistung […] zu stimulieren“455 vermochte.456 So ist es also kaum verwunderlich, dass aufgrund der zu einem Großteil selbstverursachten Rückständigkeit die deutsche Wissenschaft an Bedeutung verlor und dies durch die verwendeten Quellen in den Habilitationsschriften ab 1946, wenn auch mit etwas Verzögerung, sichtbar wird.

Grafik 35: Quellenliteratur der Habilitationsschriften prozentual nach Sprache

Diese Tendenz wird vor allem deutlich, wenn man die Quellenliteratur prozentual nach den Sprachen aufgliedert. Dem Diagramm ist zunächst eher eine Zunahme deutschsprachiger Literatur und ab der Nachkriegszeit wiederum eine sinkende Anzahl deutschsprachiger Quellenangaben zu entnehmen. Lagen die deutschsprachige Quellen 1926 bei 80% – beziehungsweise bei rund 75% im Jahr 1938, um diesen kleineren Ausreißer miteinzubeziehen – so machten sie 1944 volle 100% der angegebenen Literatur aus. Ab 1949 begannen die deutschsprachigen Quellen wieder zu sinken, von knappen 95% in diesem Jahr auf etwas unter 50% im Jahr 1960. 1958 lagen sie sogar bereits deutlicher unter der 50% Marke. Das Jahr 1956 ist aufgrund des großen Anteils nicht zuzuordnender Literatur hierbei eher schlecht zu beurteilen. Eine augenscheinliche Zunahme in der Nachkriegszeit wird hingegen bei der englischsprachigen Literatur deutlich: Sie betrug etwa 6% im Jahr 1926 vor dem Nationalsozialismus, verschwand währenddessen im Jahr 1944 völlig und stieg von 3% im Jahr 1949 auf knapp 40% bis 1960. 1958 lag sie bereits bei 50%. Französisch und Italienisch war zwar fast kontinuierlich in den Quellenverzeichnissen vertreten, schwankte jedoch stets zwischen 0% und 9% bzw. 0% und 4%. Auch die Entwicklung der durchschnittlichen Seitenzahlen der Habilitationsschriften bietet einen interessanten Aspekt hinsichtlich des Anspruchs an die Habilitation

455 Möller (1984), S. 75f. 456 Ebenda, S. 65-76. 108 generell und der Komplexität der untersuchten Themen. Dabei wird nur die Länge des Haupttextes ohne Anhänge und Literaturverzeichnis betrachtet.

Grafik 36: Durchschnittliche Seitenzahl der Habilitationsschriften pro Jahr

Der Text aus dem Jahr 1918 umfasst 113 Seiten. Die Habilitationsschrift von 1926 ist 316 Seiten lang und sticht im Diagramm als höchster Balken hervor. Allerdings bezieht sich dieser Wert auf nur eine vorliegende Habilitationsschrift und bildet somit einen eher wenig repräsentativen Anhaltspunkt. Im Text aus dem Jahr 1927 wurden 93 Seiten geschrieben. Die vier Texte, die aus dem Jahr 1928 vorliegen, umfassen im Durchschnitt 126 Seiten, die beiden von 1932 51 und 39 Seiten. Im Jahr 1934 wurden 67 Seiten verfasst, 1937 199 Seiten. Die Seitenzahlen der beiden Schriften aus dem Jahr 1938 umfassen 155 beziehungsweise 32 Seiten, die Habilitationsschrift von 1940 ist 35 Seiten lang. 1943 wurden 51 Seiten geschrieben, 1944 24 Seiten und 1945 31 Seiten. Der Text von 1949 besteht aus 96 Seiten. Die durchschnittliche Länge der fünf Habilitationsschriften von 1952 beträgt 152 Seiten, die der zwei von 1953 85 und die der zwei von 1954 104 Seiten. Die fünf verfügbaren Texte von 1955 umfassen im Durchschnitt 97,6 Seiten, die jeweiligen sechs Schriften von 1956 und 1957 119,2 bzw. 160,5 Seiten. Mit durchschnittlich 86,5 Seiten der zwei Habilitationsschriften von 1958 stellt das Jahr einen kleinen Einschnitt dar. Die Seitenzahl steigt jedoch wieder in den fünf Texten von 1959 auf im Durchschnitt 112,4 Seiten und erreicht 1960 mit dem Durchschnitt von 230,25 Seiten aus vier Habilitationsschriften ein zweites Maximum im Diagramm. Auch die insgesamt längste Habilitationsschrift mit 403 Seiten stammt aus dem Jahr 1960 und wurde von Josef Schmidt über Hämodynamik und Elektrokardiogramm457 verfasst. Der kürzeste Text stammt von Christian Reichel aus dem Jahr 1944 und wurde auf 24 Seiten Über das Wesen der Gerinnungsaktivität der Frauenmilch458 geschrieben. Auch bei dieser Analyse fehlt eine eindeutige Tendenz der Entwicklung, wie die orangefarbene Linie, die den Trend darstellt, aufzeigt. Gegen

457 UAE C3/4b Nr. 74. 458 Reichel (1944). 109

Ende des Beobachtungszeitraums ist jedoch im Durchschnitt mehrerer Schriften pro Jahr ein leichter Anstieg der Textlänge zu beobachten. Vor allem die Ausreißer zu Beginn des Beobachtungszeitraums in den Jahren 1926 und 1937 sind Seitenzahlen einzelner Schriften und deshalb weniger repräsentativ. Auch Ernst Schubert beobachtete, dass Habilitationsschriften früher „noch von geringerem Umfang als heute“459 waren und attestiert ihrem Umfang immerhin „allenfalls eine allmähliche Steigerung“460 Somit bestätigt er die hier gemachte Beobachtung der steigenden Seitenzahlen. Erläuternd führt Schubert dazu aus, dass der von ihm seit etwa 1910 beobachtete Trend des steigenden Umfangs an Seitenzahlen zwei Gründe habe: Zum einen symbolisiere er den wachsenden Qualifikationsdruck auf die Habilitanden, zum anderen aber auch das wachsende Bewusstsein dafür, wie wichtig diese Qualifikation für die Forscherpersönlichkeit selbst ist.461 Auch die steigende Komplexität der untersuchten Themen und die immer längere Forschungszeit zwischen Studienabschluss bzw. Promotion und Habilitation trugen sicherlich ihren Teil zu länger werdenden Habilitationsschriften bei. Zur besseren Veranschaulichung seien hier zwei Beispiele gegenübergestellt. Helmuth Richter schrieb 1932 über Die normale Entwicklung der menschlichen Nase, in Sonderheit der Siebbeinzellen auf 39 Seiten. In seiner Arbeit untersuchte er 20 menschliche Präparate von Nasen, stellte verschiedene Schnitte von ihnen her und beschrieb, wie sich welcher Teil des Riechorgans in welchem Kindheitsalter entwickelt. Die Habilitationsschrift kann also als deskriptive Grundlagenforschung der Anatomie und Histologie verstanden werden, die sicherlich einen großen Zeitaufwand bedeutet hatte.462 Eberhard Strobel hingegen verfasste 1960 auf 185 Seiten Beiträge zur Frage der adrenocorticotropen Aktivität der Placenta und gliederte diese Arbeit in vier Teile. Zunächst widmete er sich der bereits existierenden Literatur zu diesem Thema und den darin enthaltenen Mängeln und Lücken. Anschließend führte er die eigenen biologischen und chemischen Untersuchungen zur hormonellen Aktivität der menschlichen Plazenta aus, die die ungeklärten Fragestellungen beantworten sollten, verglich dies im dritten Teil mit Untersuchungen der Plazenta-Hormone von Ratten und beschrieb weitere Experimente mit Ratten, bei denen er ihnen beispielsweise eine hormonproduzierende Hirndrüse, die Hypophyse, entfernte. Der vierte Teil diente als Zusammenfassung. Da zu diesem Thema 1960 offensichtlich bereits Untersuchungen stattgefunden hatten, kam dem Habilitanden zunächst die Aufgabe zu, diese kurz zu umreißen, um anschließend mit den eigenen Forschungen genau bei den aufgezeigten Mängeln anzusetzen. Je später ein Habilitand also eine Forschungsfrage behandelt, desto spezieller und kleinteiliger werden auch die Fragestellungen zum jeweiligen Thema und desto genauer muss er sich auch mit bereits erfolgten Untersuchungen auf dem jeweiligen Gebiet auseinandersetzen. Möglicherweise auch deshalb schien ein rein deskriptives Vorgehen, anders als bei der 1932 verfassten Arbeit über die menschliche Nase, hier nicht mehr auszureichen, was die zusätzlichen

459 Schubert (1993), S. 147. 460 Ebenda, S. 148. 461 Ebenda, S. 150. 462 Richter (1932). 110

Untersuchungen an Ratten und weitere experimentelle Veränderungen in deren Anatomie verdeutlichen. Zudem ist der Fortschritt des Wissensstandes über die 28 Jahre, die zwischen 1932 und 1960 liegen, zu berücksichtigen, welcher dem Habilitanden viele neue Details und Zusammenhänge, aber auch Widersprüche zu berücksichtigen gab, die sich in allen medizinischen Bereichen auftaten. Die Unterschiede bezüglich der Komplexität lassen sich also als eine Begründung für die verschiedenen Textlängen heranziehen. Ein zentraler Aspekt bei der Analyse der einzelnen Habilitationsschriften sind die darin bearbeiteten Themen, auf die großteils mit Hilfe des Titels der Schrift geschlossen wird.463 Aus Gründen einer besseren Vergleichbarkeit wurden die Texte anhand dieses Titels dabei jeweils in eine Überkategorie und zusätzlich eine darin enthaltende Unterkategorie eingeteilt. Die Arbeit Das Luminal und sein gerichtsärztlicher Nachweis von Julius Schneller aus dem Jahr 1924 beispielsweise wird dabei der Überkategorie ‚Vergiftung‘ zugewiesen, die Unterkategorie lautet ‚Medikament bzw. biochemische Substanz‘. Untersuchungen über den Wert der Laboratoriumsdiagnostik bei Pankreaserkrankungen von Klaus Georg Adolf Heinkel von 1958 wird kategorisiert in die Überkategorie ‚Diagnostik‘ und weiter in die Unterkategorie ‚Organsystem‘. Folgende Abbildung veranschaulicht diese Einteilung:

463 Vor allem die Arbeiten der eingehender betrachteten Habilitierten wurden natürlich genauer betrachtet. Siehe dazu Kapitel 3.3. ab Seite 118. 111

Grafik 37: Themengebiete der Habilitationsschriften der Erlanger Habilitanden laut Titel 1918-1945

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Das sogenannte Sunburst-Diagramm, benannt nach einem plötzlichen Sonnenschein, wird dabei von innen nach außen gelesen, da auch bei der Sonne die Strahlen vom Zentrum ausgehen: Die grüne Fraktion beispielsweise beschreibt diejenigen Habilitationsschriften, die sich mit Funktion bzw. Lage oder Aufbau einer Einheit befassten; sechs dieser Schriften behandelten die Funktion, Lage oder den Aufbau eines Organsystems, drei diese Kriterien bei Tumorerkrankungen, zwei beim Skelett usw. Die orangefarbene Fraktion hingegen steht für die Habilitationsschriften, die über Chemie oder Biochemie geschrieben wurden; drei dieser Schriften handelten von der (Bio-)Chemie einer bestimmten Substanz und jeweils ein Text behandelt die (Bio-)Chemie eines Organsystems, eines Krankheitsbildes oder befassten sich mit einem Methodikproblem in der (Bio-)Chemie. Aus Gründen der Übersichtlichkeit des jeweiligen Diagramms wurde für diese Darstellungsart wieder die zeitliche Aufteilung in den Zeitraum von 1918 bis 1945 und den Abschnitt von 1946 bis 1960 gewählt. Betrachtet man nun diese erste Zeitspanne von 1918 bis 1945 genauer, so erfährt man, dass der Großteil von 15 Habilitationsschriften, also knapp 35%, sich mit der bereits oben erwähnten Funktion oder Lage, bzw. dem Aufbau eines Teils des Körpers beschäftigten. Wiederum der Großteil davon, nämlich sechs Texte, beschrieben Funktion, Lage oder Aufbau eines bestimmten Organsystems, drei diese Kriterien bei einem Tumor, zwei beim Skelett und jeweils eine Habilitationsschrift bei der Schwangerschaft bzw. Geburt, einem Krankheitsbild, einer Funktionseinheit wie hier der Bauchdecke und dem Blut. Mit der ebenfalls schon genannten Chemie bzw. Biochemie befassten sich sechs wissenschaftliche Arbeiten, was knappen 14% entspricht. Die Hälfte davon, nämlich drei Habilitanden, interessierte dabei eine bestimmte biochemische Substanz wie etwa bestimmte Hormone. Jeweils einen weiteren Kandidaten beschäftigten die (Bio-)Chemie eines Organsystems, eines Krankheitsbildes und eine bestimmte Methodik. Die nächste Fraktion ist die der Strahlen, die in vier Habilitationsschriften, also bei rund 9% der Habilitanden, bearbeitet wurde. Zwei der Kandidaten befassten sich mit der Methodik der Arbeit mit Strahlen, beispielsweise der Vermeidung von Röntgenschäden, einer mit der Durchleuchtung eines Organsystems und ein weiterer mit Strahlen und Blut. Ebenfalls gute 9%, also vier Habilitationsschriften, handelten von Entzündungen und Infektionen. Zwei Texte gingen dabei auf gewisse Organsysteme ein, einer auf ein Krankheitsbild und ein weiterer auf einen bestimmten Erreger. Weitere rund 9% der Habilitanden schrieben über diagnostische Methoden: einer über Diagnostik am Skelett, einer über Diagnostik in der Schwangerschaft und ein Kandidat über bestimmte Diagnostik bei einem Krankheitsbild. Zu erwähnen ist hier, dass in dieser Kategorie die Diagnostik mithilfe von Strahlen nicht gemeint ist, welche ja schon oben erwähnt wurde, sondern andere Methoden wie die Laboratoriumsdiagnostik oder technische Analysen wie das Elektrokardiogramm im Vordergrund stehen. Eine zusätzliche Habilitationsschrift der Kategorie Diagnostik wurde außerdem unter ‚Sonstige‘ eingeordnet. Hierbei handelt es sich um eine Unklarheit in der Dokumentation des Habilitationsvorgangs von Heinrich Friedrich. Es ist nicht ersichtlich, ob das Thema seiner wissenschaftlichen Arbeit Allgemeine und spezielle Fragen zur Diagnostik der chirurgischen Tuberkulose oder Allgemeine und spezielle Fragen zur Diagnostik der chirurgischen chronischen

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Gelenk- und Knochenerkrankungen lautete, da in der Habilitationsakte beide Titel genannt werden. Die Schrift liegt zudem nicht vor, weshalb die Unklarheit auch auf diese Weise nicht ausgeräumt werden kann. Da aber beide Themen in die Überkategorie der Diagnostik einzuordnen sind, ist die Problemlage hier auf diese Art gelöst worden. Mit der nächsten Rubrik zum Thema Therapie befassten sich drei Habilitanden in ihren Texten. Dies entspricht knappen 7% der Habilitationsschriften von 1918 bis 1945. Eine Schrift handelte dabei von der Therapie eines Krankheitsbildes, eine von der eines Organsystems und ein Text befasste sich mit einer Therapiemethode bei der Geburt. Gute 4,5%, also zwei Habilitationsschriften wurden zum Thema Vergiftungen verfasst. Beide beschäftigten sich dabei mit bestimmten Substanzen, die zur Vergiftung führten. Die restlichen rund 9% verteilen sich über vier Kategorien. Die erste lautet Versorgung bzw. Krieg, in welche eine Arbeit, die sich mit Blut befasst, eingeteilt wurde. Die nächste Rubrik der Klassifikation enthält eine Habilitationsschrift über ein Krankheitsbild und eine weitere Kategorie befasst sich mit dem Symptom des Bettnässens und dessen Herkunft und Behandlung. Schließlich bleibt in der Kategorie Anthropologie mit Unterkategorie Region die einzige Habilitationsschrift, die sich mit ‚völkischen‘ Motive befasst. Der exakte Titel der Arbeit, die von Hermann Eyer 1937 vorgelegt wurde, lautet Eine medizinische Topographie eines ausgewählten Landbezirks im Bereich der oberpfälzischen Grenzmark. Die Fachrichtung der angestrebten Habilitation war dabei die der Hygiene und Bakteriologie. Bei eingehenderer Betrachtung bestätigt sich die Vermutung, die der Titel entstehen lässt: Untersucht werden drei Bezirke bezüglich der Merkmale ihrer Bevölkerung, auch Rasse spielt dabei eine Rolle.464 Insgesamt fallen in den Zeitraum von 1918 bis 1945 43 Habilitationstitel, die analysiert werden konnten. Vier weitere Titel sind unbekannt und zwei sind Anträgen zuzuordnen, bei denen der jeweilige Habilitand keine Habilitationsschrift vorlegen musste. Im Genauen sind das die Habilitationsvorgänge von Christian Hans Greve und Johannes Schottky.

464 Näheres über die Habilitationsschrift von Hermann Eyer findet sich in Kapitel 3.3.6. ab Seite 137. 114

Grafik 38: Themengebiete der Habilitationsschriften der Erlanger Habilitanden laut Titel 1946-1960

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In den Zeitraum von 1946 bis 1960 fallen 46 Habilitationsschriften. Der Titel von zwei weiteren Schriften ist unbekannt und kann deshalb hier nicht berücksichtigt werden. Erneut ist der Kategorie Funktion, Lage bzw. Aufbau der größte Anteil der Texte zuzuordnen: 16 Habilitationsschriften entstanden auf diesem Gebiet, was knappen 35% entspricht. Fünf dieser Arbeiten befassten sich dabei mit bestimmten Organsystemen, drei mit Tumoren, jeweils weitere drei mit einem Krankheitsbild bzw. dem Gebiet des Blutes, des Knochenmarks und der Gefäße und zwei Habilitationsschriften wurden zur Funktion, Lage bzw. dem Aufbau des Skeletts verfasst. An zweiter Stelle der Überkategorien steht nun die Diagnostik mit neun Schriften, also einem Anteil von rund 19,5%. Der Großteil davon wiederrum, nämlich vier Schriften, befasste sich mit der Diagnostik an bestimmten Organsystemen, jeweils eine Arbeit mit der Diagnostik von einem Krankheitsbild, einer chemischen Substanz, der Diagnostik an Nerven und an einem Tumor. Eine Arbeit der Überkategorie Diagnostik ist weiter in die Unterkategorie ‚Sonstige‘ eingeteilt. Es handelt sich hierbei um die Habilitationsschrift Die Indikatordiagraphie des Schalls in der Physiologie, ein Beitrag zur Objektivierung der Auskultation von Wolf Dieter Keidel aus dem Jahr 1949, die aufgrund ihrer Spezifität und ihrem gleichzeitigen Beitrag zu Grundlagen der körperlichen Untersuchung nicht in die bestehenden Kategorien eingeteilt werden kann. Die drittgrößte Kategorie ist von 1946 bis 1960 die der Strahlen. Sieben Texte entstanden zu diesem Thema, was rund 15% entspricht. Hauptsächlich befasste man sich dabei mit der Methodik der Strahlenuntersuchung, nämlich in fünf wissenschaftlichen Arbeiten. Je eine weitere Schrift handelte von der Bestrahlung eines Organsystems bzw. Strahlen und Tumoren. Ebenso viele Schriften wurden im Bereich der Chemie und Biochemie verfasst: Je drei Texte davon behandelten die Biochemie in einem Organsystem und die einer gewissen Substanz, eine Schrift befasste sich mit der biochemischen Funktionseinheit des Säure-Basen- Gleichgewicht. Rund 4% der Texte, also zwei Anfertigungen, entfallen auf die Beschreibung von Symptomen, in beiden Fällen die eines bestimmten Krankheitsbildes. Ebenfalls zwei weitere Habilitationsschriften sind der Kategorie Vergiftung zuzuordnen und befassten sich jeweils mit einer bestimmten Substanz. Die restlichen 6,5% entfallen mit je einem Text auf die Überkategorie Verletzung mit der Unterkategorie Organsystem, der Zuordnung Therapie, genauer der Therapie einer Funktionseinheit, hier der unteren Extremitäten, und der Klassifikation auf dem Gebiet der Tumoren. Zusammenfassend ergibt sich für den gesamten Zeitraum der Habilitationen von 1918 bis 1960 also folgendes Bild:

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Grafik 39: Themengebiete der Habilitationsschriften der Erlanger Habilitanden laut Titel 1918-1960

Mit 35% bildet die Funktion und Lage bzw. der Aufbau als Überkategorie den Großteil der Themen, mit denen sich die Habilitationsschriften beschäftigten. Gefolgt wird diese Kategorie von der Diagnostik mit 16%. Knapp dahinter liegt mit 15% die Chemie bzw. Biochemie, gefolgt vom Themengebiet der Strahlen mit 12%. Vergiftungen und Therapiemethoden machen als Forschungsgebiete jeweils 5% der Habilitationsschriften aus. Es folgen Entzündung und Infektion mit 4%, Symptome mit 3%, Klassifikationen mit 2% und mit jeweils 1% Verletzung, Krieg und Versorgung und Anthropologie. Insgesamt konnten so 89 Habilitationstitel kategorisiert und eingeordnet werden. Acht Arbeitstitel sind unbekannt bzw. mussten zur Vollziehung der Habilitation nicht vorgelegt werden. Von großem Interesse, wenn auch weniger statistisch verwertbar, sind zudem Widmungen und Danksagungen, die sich in den Habilitationsschriften finden. Von insgesamt 57 verfügbaren Schriften finden sich diese persönlichen Worte bei elf Habilitanden. Es ergeben sich dabei drei Gruppen. Die erste und mit Abstand größte, da zehn der elf Habilitationsschriften darin einzuordnen sind, besteht aus Worten an Lehrer, Dozenten und Professoren. Die Formulierungen reichen von einem einfacheren „Meinem verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Josef Beck in Dankbarkeit gewidmet“465 vor dem Text von Elimar Schönhärl oder „Herrn Professor Dr. med. et. phil. Hermann Wintz gewidmet“466 in der Schrift von Wilhelm Flaskamp bis hin zu über zehnzeiligen Dankesbekundungen für Unterstützung, Anregung, Einarbeitung und bereitwillige Hilfe, wie es Georg Schmidt in seiner Habilitationsschrift formulierte. Teilweise sind diese Danksagungen auch in ein Vorwort eingebettet. Eine privatere Art

465 UAE C3/4b Nr. 69. 466 Flaskamp (1930). 117 der Bekundung findet sich bei Wolfgang Schwerd, der die Schrift „[s]einer lieben Frau in Dankbarkeit“467 widmete. Er bedankte sich zudem nach dem Text erneut bei seiner Frau und einer gewissen Frau Ammon für ihre Hilfe bei der Niederschrift. Auch Karl Peter setzte vor seine Habilitationsschrift die Bekundung „Meiner lieben Frau zugeeignet“468. Als letzte Variante findet sich ein Zitat vor dem Text, welches der Habilitand wohl mit der Arbeit an seiner Schrift verknüpfte. So setzte Georg Schmidt vor seine Habilitationsschrift Die toxikologische Harnanalyse zum Nachweis von Barbitursäure- und Harnstoffabkömmlingen den Ausspruch „If there is any secret in toxicologic analysis, it is the knowledge of the limitations of the tests when applied to a toxic substance contaminated with normal tissue components“469 von C. J. Umberger aus dem Jahr 1954.

3.3. Exemplarische Habilitationen Nach diesem allgemeineren Überblick gilt es nun, den Fokus auf ausgewählte Habilitanden und deren Habilitationsvorgänge zu legen. Die zwölf im Folgenden behandelten Männer waren herausragende Erscheinungen der Universität Erlangen, allerdings aus verschiedensten Gründen: Einige waren auch aufgrund ihrer Persönlichkeit weit über die Stadt Erlangen hinaus bekannt und genossen regelrechten Prominentenstatus, andere trieben die Forschung in ihrem Fachgebiet entscheidend voran und waren Pioniere mit ihrer Arbeit. Wieder andere betätigten sich maßgeblich im Sinne der Nationalsozialisten oder wurden von ihnen in ihrer Karriere gestoppt. Ihnen allen gleich war jedoch die erfolgreiche Habilitation an der Universität Erlangen, welche es zu beleuchten gilt. Sie werden im Folgenden chronologisch nach Habilitationsjahr behandelt.

3.3.1. Hermann Wintz „Am Beispiel maßgeblicher »Köpfe«, darunter […] Hermann Wintz […], wird die strukturelle Anfälligkeit der Erlanger Hochschulmedizin für die nationalsozialistische Ideologie illustriert – bis hin zur bereitwilligen Beteiligung an Medizinverbrechen“470, heißt es in der Einleitung zum Jubiläumsband über die 275 Jahre der Medizinischen Fakultät Erlangen. Sprungbrett und Mittelpunkt seiner Karriere als „Prominentenarzt“471 und „Paradepferd der Nazis“472 war die Universität Erlangen. Zahlreiche Zeitgenossen beschreiben ihn als polarisierenden Charakter und wecken so Interesse auch an seinem akademischen Werdegang.

467 UAE C3/4b Nr. 56. 468 Peter (1936). 469 Zitiert nach UAE C3/4b Nr. 57. 470 Leven, Rauh, Thum und Ude-Koeller (2018), S. 15. 471 Rauh (2018d), S. 97. 472 Rauh (2018b), S. 108. 118

Hermann Wintz wurde am 12. August 1887 in Speyer473 in eine katholische Familie mit mehreren Geschwistern geboren. Sein Vater Michael Wintz arbeitete als Möbelfabrikant, seine Mutter war Katharina Wintz, geborene Holdermann. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Speyer, welches er 1907 abschloss. Anschließend begann er zum Wintersemester 1907/08 in Erlangen sein Medizinstudium und nebenher ein Studium der Mathematik, Physik und Chemie. Zum Wintersemester 1909/10 wechselte er an die Universität in Freiburg im Breisgau, ein Jahr später nach Heidelberg und schließlich kehrte er zum Sommersemester 1911 wieder zurück nach Erlangen. 1912 legte er hier die ärztliche Prüfung mit Bestnote ab. Sein praktisches Jahr begann Hermann Wintz im Dezember 1912 mit 25 Jahren an der Klinik in Heidelberg, wo er gleichzeitig auch im physiologisch-chemischen Abbildung 8: Hermann Wintz Laboratorium arbeitete. Im folgenden März wechselte er an die Universitätsfrauenklinik in Erlangen. Hier arbeitete er unter Ludwig Seitz (1872-1961) und erhielt am 27. April 1914 die ärztliche Approbation. Wenige Tage später wurde er mit der Arbeit Experimentelle Untersuchungen über Chemismus und Bakteriengehalt des Scheidensekrets sowie über die bakterisiden [sic!] Eigenschaften gegenüber dem Tuberkelbazillus zum Dr. med. promoviert. Auch als Assistenzarzt verblieb er anschließend in der Erlanger Frauenklinik und übernahm zusätzlich die Leitung des Labors. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges fiel ihm aufgrund des Personalmangels zudem noch die Betreuung der Poliklinik zu. Zu dieser Zeit fand unter seiner Mitarbeit der Aufbau der Röntgenabteilung statt. Die Röntgentiefentherapie fand sich daraufhin – zusammen mit der physiologischen Chemie – in den meisten seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen wieder.474 Ab 1914 leistete Wintz Kriegsdienst. Sein Einsatz war aufgrund einer chronischen Erkrankung allerdings nur von kurzer Dauer, bereits 1915 lehrte er stellvertretend an der Erlanger Hebammenschule, 1917 wurde er Oberarzt der Poliklinik.475 Anfang 1918 reichte Hermann Wintz seine Habilitationsschrift über Experimentelle Untersuchungen auf dem Gebiete der Röntgentiefentherapie ein, welche 113 Seiten umfasste. Wintz befasste sich darin mit der Problemstellung der Dosismessung von Röntgenstrahlen und wies diesbezüglich die Vorteile des unter Zusammenarbeit mit

473 In Speyer ist auch heute noch der Hermann-Wintz-Weg nach ihm benannt (Google Maps). 474 Bis zur Antragsstellung auf Habilitation im Jahr 1918 hatte er 28 wissenschaftliche Beiträge verfasst. Acht der 17 bereits veröffentlichten Arbeiten befassten sich mit Strahlenkunde und -therapie, sowie acht der elf sich damals noch noch im Druck befindlichen Schriften (UAE A2/1 W36a). 475 Quellen zum gesamten Absatz: UAE A2/1 W36a; UAE C3/4a Nr. 75; Wittern (1999) S. 220f.; Frobenius (2016a) S. 190; Flaskamp (1949), S. 3. 119 dem Oberingenieur von Reiniger, Gebbert und Schall (RGS), Leonhard Baumeister, entwickelten Jontoquantimeters nach. Zudem ging er auf die Verbesserung der Tiefendosierung von Röntgenstrahlen ein und führte seine Gedanken zur Sekundärstrahlung aus. Mit dem Referat beauftragt wurde Ludwig Seitz, Ordinarius für Frauenheilkunde476, welcher Hermann Wintz der Fakultät lobend empfahl: „Die ganse [sic!] Arbeit zeichnet sich durch grosse Selbständigkeit und Originalität der Gedanken aus. W. greift einen neuen Gedanken nicht nur auf, sondern er vermag ihn auch bis zu seinen letzten Folgerungen durchzudenken und daraus für Theorie und Praxis wichtige Schlüsse zu ziehen. Er hat durch seine Arbeit fraglos den Beweis erbracht, dass er vollauf geeignet und würdig ist, an einer Hochschule als Lehrer und Forscher tätig zu sein.“477 Fakultätsübergreifend schrieb Eilhard Wiedemann (1852-1928)478, Ordinarius der Physik, das Korreferat zu Wintz‘ Arbeit. Neben milder Kritik an „einige[n] physikalischen[n] Unebenheiten“479, die er jedoch bei Nicht-Physikern für fast schon selbstverständlich hielt, lobte Wiedemann vor allem die sachliche Kritikfähigkeit von Hermann Wintz, sowohl bei fremden Arbeiten, als auch seiner eigenen Forschung. Er hielt ihn für geeignet und konnte somit „die Arbeit sowohl mit Rücksicht auf die Art der Durchführung als auch auf das Resultat der medizinischen Fakultät auf das Wärmste zur Annahme empfehlen.“480 Folglich fand am 5. März 1918 das Colloquium statt, bei dem Wintz über Die Perforationsfrage und die Corpus-luteum-Frage, Die Perityphlitisfrage und Die septischen Erkrankungen von Neugeborenen sprach. Seine Probevorlesung hielt Wintz am 11. März 1918 über Die Indikationen zum künstlichen Abort. Interessant erscheint dabei vor dem Hintergrund der während des Dritten Reiches durchgeführten Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen an Wintz‘ Erlanger Frauenklinik seine entschieden ablehnende Haltung in seinem Kolloquium: „Zu der neuerdings aktueller gewordenen Frage der Unterbrechung einer Notzuchtsschwangerschaft wurde ein ablehnender Standpunkt eingenommen. Nachdem dann der Vortragende noch darauf hingewiesen, dass die zuvor laxere Auffassung über die künstliche Schwangerschaftsunterbrechung nunmehr infolge der Kriegsverhältnisse eine schärfere Gestaltung angenommen hat, schloss er mit der Hoffnung, dass durch die gemeinsame Arbeit der Aerzte in Verbindung mit der Aufklärung breitester Volksschichten nicht bloss der ärztlich indizierte Abort an Zahl geringer, sondern durch allgemeine Gewissensschärfung auch der kriminelle Abort mehr und mehr eingedämmt werde.“481 Nachdem er auch diesen Abschnitt zur großen Zufriedenheit der Fakultät abgeschlossen hatte, wurde ihm am 14. April 1918 im Alter von 30 Jahren die Venia legendi für Frauenheilkunde verliehen.482 Bereits zwei Jahre später wurde Hermann Wintz am 26. Juli 1920 in den Rang eines außerordentlichen Professors gehoben – und das obwohl der Antrag der Fakultät wenige Tage zuvor vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus aufgrund seiner kurzen Dienstzeit noch abgelehnt worden war. Ebenso wurde ihm am 3. November der Doktorgrad der Philosophie in Erlangen verliehen. Seine Karriere begann nun

476 Leven und Rath (2016), S. 514. 477 UAE A2/1 W36a: Referat. 478 Frobenius (2016a), S. 190. 479 UAE A2/1 W36a: Korreferat. 480 Ebenda. 481 UAE C3/4a Nr. 75. 482 Quellen zum gesamten Absatz: UAE A2/1 W 36a; UAE C3/4a Nr. 75; Wittern (1999), S. 221. 120

Fahrt aufzunehmen. Im selben Jahr publizierte er gemeinsam mit seinem Lehrer Ludwig Seitz die Monografie Unsere Methode der Röntgen-Tiefentherapie und ihre Erfolge483, zudem wurde er zum korrespondierenden Mitglied der königlich spanischen radiologischen Gesellschaft ernannt. Nicht einmal ein weiteres Jahr später war Hermann Wintz ordentlicher Professor der Geburtshilfe und Frauenheilkunde, sowie Leiter der Frauenklinik und der Hebammenschule. Zu diesem Zeitpunkt war er 33 Jahre alt und somit der „jüngste[…] Lehrstuhlinhaber seiner Fachrichtung“484. Die Entwicklung der Radiologie in der Universitätsfrauenklinik trieb er durch Verträge mit RGS voran. Besonders erwähnenswert scheint deshalb auch die Hochzeit von Hermann Wintz mit Pauline Zitzmann, der Tochter des damaligen RGS- Generaldirektors, im Jahr 1922. Die Ehe hielt allerdings nur wenige Jahre und blieb kinderlos. Auch einige Patente auf technische Neuerungen von Röntgenapparaten hielt Hermann Wintz mittlerweile. Er unternahm nun internationale Reisen auch über die Grenzen Europas hinaus, um Kongresse, Jubiläen und Vorträge zu besuchen und war leitendes Mitglied in zahlreichen internationalen Gesellschaften.485 Zudem wurden ihm einige Ehrungen, wie das Bayerische König-Ludwig-Kreuz zuteil und er wurde zum Ehrenmitglied vieler radiologischer Gesellschaften unter anderem in den USA, Mexiko, der Tschechischen Republik, Italien und Japan ernannt. Sein internationaler Ruf zog immer mehr Prominenz nach Erlangen, die sich von ihm behandeln lassen wollte.486 Später waren darunter auch NS-Größen, „ein Umstand, der Wintz nach 1945 als große Nähe zum Regime angelastet wurde.“487 Unter seinen Patienten waren unter anderem Verwandte von Rudolf Hess und dem fränkischen Gauleiter Julius Streicher. Diese guten Kontakte zur Partei, sowie sein glänzender Ruf werden als wichtige Beweggründe für seine Ernennung zum Universitätsrektor im Jahr 1938 angesehen. Hermann Wintz löste damit seinen Vorgänger, den Professor der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Fritz Specht (1890-1972) ab, welcher überzeugter Nationalsozialist und seit 1932 NSDAP-Mitglied war und dies auch in seinem Amt als Universitätsrektor durch Worte und Taten deutlich gemacht hatte. Wintz‘ Rektorat stand dazu im Kontrast und war „gemäßigter und weitgehend ideologiefreier“488. Dennoch war auch Hermann Wintz 1935 in die NSDAP eingetreten und arbeitete mit der fränkischen Gauleitung reibungslos zusammen. Zudem stand er den nationalsozialistischen Idealen von Rasse und Erbgesundheit durchaus positiv gegenüber: Er setzte sich für ein Institut für Rassenpolitik in Erlangen ein489 und unter seiner Leitung fanden an der Universitätsfrauenklinik über 500 Zwangssterilisationen vor allem bei Patientinnen der

483 Seitz und Wintz (1920). 484 Rauh (2016d), S. 237. 485 Unter anderem war Hermann Wintz Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, Vorsitzender der Bayerischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, korrespondierendes Mitglied der Academia Nacional de Medicina de Columbia, Bogotá, sowie der königlichen Akademie der Medizin des Instituto de España und Vorstandsmitglied der Gesellschaft zur Bekämpfung der Krebskrankheit, um nur einige zu nennen (Wittern (1999), S. 221). 486 Quellen zum gesamten Absatz: UAE A2/1 Nr. 36c; UAE C3/4a Nr. 75; Wittern (1999), S. 220f.; Frobenius (2016a), S. 189-199. 487 Dross und Frobenius (2016), S. 204. 488 Rauh (2018b), S. 110. 489 Rauh (2016e), S. 264. 121

Psychiatrischen Klinik und der Heil- und Pflegeanstalt und in diesem Rahmen auch 13 Schwangerschaftsabbrüche statt, sowie mindestens 136 Schwangerschaftsabbrüche bei NS-Zwangsarbeiterinnen. Erinnert sei an dieser Stelle noch einmal an seine ablehnende Haltung Abtreibungen gegenüber, die er 1918 in seiner Probevorlesung vertreten hatte. Diese Meinung, so Hermann Wintz 1946 gegenüber der Untersuchungskommission, die auf Betreiben der amerikanischen Behörden von der Universität eingesetzt worden war, habe er nach wie vor vertreten. Er habe seine Klinik allein deshalb zur Verfügung gestellt, um dieser „als unerhört empfundenen Maßnahme eine humane Lösung zu geben.“490 In seine Amtszeit als Rektor fiel auch seine zweite Heirat mit Emma Maria Vogler. Auch diese Ehe blieb kinderlos. Nach dem Sommersemester 1944 reichte Wintz schließlich seinen Rücktritt als Universitätsrektor ein. Mit ein Grund dafür waren seine gescheiterten Bemühungen um eine Fusion der Universitätsklinik Erlangen mit den Nürnberger Krankenhäusern, auch um die studentische Ausbildung zu verbessern. In den letzten Kriegstagen setzte er sich außerdem für eine kampflose Übergabe Erlangens an die Alliierten ein und trug so dazu bei, dass die Stadt und die vollbesetzten Krankenhäuser und Lazarette vor der Zerstörung bewahrt wurden.491 Hermann Wintz wurde unter anderem aufgrund seiner Amtszeit als Universitätsrektor noch im April 1945 interniert und am 6. Juni durch die Militärregierung aus all seinen Ämtern entlassen.492 Auch mehrere ‚Persil-Scheine‘ ehemaliger Kollegen und Schulkameraden, die Wintz attestierten, nur im Universitätsinteresse gehandelt zu haben, größeren Schaden seitens der Nationalsozialisten von der Universität abgewendet zu haben und sich keinesfalls nationalsozialistisch verhalten zu haben – sie führten dafür unter anderem die Erhaltung der Theologischen Fakultät und die Einstellung einer Nicht-Arierin an – änderten daran nichts. „Allein Heinrich Kuen traute sich“, so Andreas Jakob, „bestimmte Tatsachen beim Namen zu nennen. 22. Mai: […] Wenn auch das wissenschaftliche Leben der Universität von seiner Freundschaft mit den Parteibonzen profitierte, […] so muß man doch sagen, daß er letzthin nur seine eigene Ehre und seinen eigenen Vorteil in erster Linie suchte und darum seine Überzeugung verriet.“493

490 Ude-Koeller (2016c), S. 275. 491 Quellen zum gesamten Absatz: Rauh (2016e), S. 272-276; Rauh (2016d), S. 234-242; Ude-Koeller (2016c), S. 274f.; Rauh (2018b), S. 112ff. 492 Siehe hierzu Kapitel 3.1.3.3 ab Seite 44. 493 Jakob (2018), S. 531. 122

Am 11. Juni 1947 starb Hermann Wintz im Alter von 59 Jahren in Zusmarshausen bei Augsburg, der Heimat seiner zweiten Ehefrau.494 Er erlag wohl einer Nierenkrankheit.495 Eine wohl treffliche Beschreibung seines Charakters wurde von dreien seiner Kollegen verfasst, nachdem Wintz 1918 eine Affäre mit einer Patientin gehabt hatte und sich vor der Fakultät verteidigen musste: Abbildung 9: Die Wintz-Villa in der Burgbergstraße 70 - von Hermann Wintz selbst „Wir müssen mit entworfen – und bei Einmarsch der amerikanischen Truppen 1945 beschlagnahmt besonderer Betonung hervorheben, dass Herr Wintz nicht eine Durchschnittspersönlichkeit, sondern ein durchaus eigenartiger Mann ist, der allen Anspruch hat, auch als solcher betrachtet und eingeschätzt zu werden. Ueber seine ganz hervorragende wissenschaftliche Befähigung sind wir wohl alle einig. […] Herr Wintz hat etwa 8 Jahre mit einer erstaunlichen Arbeitskraft und Hingebung wissenschaftlich gearbeitet und hat dadurch den Ruf der Universität Erlangen nicht nur in Deutschland, sondern auch im Auslande wesentlich erhöht. […] Mit seiner ganz außergewöhnlichen wissenschaftlichen Entwicklung konnte die Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit nicht Schritt halten. Auch wir geben uneingeschränkt zu, dass er noch kein ganz ausgereifter Mann ist. Mit einer geradezu erstaunlichen Energie, die sich oft ohne allzu große Bedenken über ihm unbekannte Vorschriften des Geschäftsverkehrs hinwegsetzt, hat er in mancher Hinsicht noch etwas Unreifes, man darf vielleicht sogar sagen Kindliches in seinem Wesen. Er ist von einer großen Gutmütigkeit und […] freudigen Dienstbereitschaft für alle Anliegen der Kollegen. Er kann aber auch gelegentlich sehr schroff sein.“496 Auch sein ehemaliger Schüler Wilhelm Flaskamp schließt sich in seinem Nachruf auf Hermann Wintz im Jahr 1949 dieser Einschätzung an: „Wintz war keine jener <> oder einer jener <>, die man nach der Anzahl ihrer Titel oder Ehrenmitgliedschaften, nach Bändern und Orden, oder gar nach der Zahl ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichungen definieren kann. […] Um Wintz, seine Stärken und Schwächen, die Verehrung und Freundschaft, die er genoß und auch die Ablehnung, die er hie und da erfuhr, zu verstehen, muß man seine Entwicklung kennen.“497 Als Wintz‘ bedeutendste Verdienste sieht Flaskamp die Einführung und Durchsetzung der Dosimetrie in der Röntgenologie und die Entwicklung der Strahlentherapie von Tumoren. Für dessen größten Fehlschlag hält sein ehemaliger Schüler die Überschattung seines Lebensendes von der Politik.498

494 Quellen zum gesamten Absatz: UAE A2/1 Nr. W 36b; Wittern (1999), S. 221; Plöger (2016c), S. 303. 495 Jakob (2018), S. 530. 496 Zitiert nach Rauh (2018d), S. 95. 497 Flaskamp (1949), S. 3. 498 Ebenda, S. 10. 123

Da der Fokus dieses Kapitels hauptsächlich auf Hermann Wintz‘ Habilitation und der daraus resultierenden Universitätskarriere lag, wurden einige Facetten seines Lebens nur knapp behandelt. Eine vertiefende Arbeit zu Hermann Wintz könnte folglich noch viele Aufschlüsse liefern.

3.3.2. Richard Wilhelm Greving Ebenfalls als Sympathisant und Unterstützer des Nationalsozialismus gilt der Internist Richard Wilhelm Greving. Dennoch wurde er nach 1945 lediglich als ‚Mitläufer‘ eingestuft und in den Ruhestand versetzt. Sein wissenschaftliches Interesse galt zeitlebens der Neurologie, damals noch ein Teilgebiet der Inneren Medizin. Geboren wurde Richard Wilhelm Greving am 31. Januar 1887 in Amorbach in Unterfranken als Sohn des praktischen Arztes Dr. Alexander Greving und dessen Frau Berta, geborene Stenger. Er besuchte die humanistischen Gymnasien in Oldenburg, Frankfurt am Main und schließlich zu Fulda, wo er 1907 sein Reifezeugnis erhielt. Im Anschluss begann er das Medizinstudium in Würzburg. 1912 legte er dort sein Staatsexamen ab. Seine Medizinalpraktikantenzeit begann er in der Chirurgischen Poliklinik des Juliusspitals in Würzburg und setzte sie nach einer knapp fünfmonatigen Pause, während derer er beim 9. bayerischen Infanterie-Regiment diente, an der Medizinischen Klinik des Juliusspitals in Würzburg fort. Kurz nach Erhalt seiner Approbation am 11. August 1914 wurde Richard Greving mit 27 Jahren zum Heeresdienst Abbildung 10: Richard Wilhelm eingezogen. Er war dort vor allem im Lazarett und als Greving Truppenarzt tätig, wurde zum Oberarzt befördert und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Während der Kriegsjahre verheiratete er sich mit Elisabeth Diehm. Mit ihr hatte er zwei Töchter. Unmittelbar nach seiner Militärdienstzeit arbeitete er drei Monate am anatomischen Institut der Universität Würzburg und war anschließend bis Ende 1920 in der Medizinischen Poliklinik Würzburg unter Ludwig Robert Müller, dem späteren Direktor der Erlanger Universitätsklinik,499 als wissenschaftlicher Assistent tätig. Dort wurde er am 5. November 1919 mit der Bestnote ‚summa cum laude‘ über Die Innervation der Speiseröhre promoviert. Ab 1. Januar 1921 war er als zweiter Assistent an der Medizinischen Klinik in Erlangen angestellt. Während dieser Zeit tat er sich mit Vorträgen auf Kongressen der Neurologie und Inneren Medizin hervor.500 1922 reichte er seine Habilitationsschrift Die Anatomie, Physiologie und Pathologie der vegetativen Zentren des Zwischenhirns ein. Referent der Arbeit war Ludwig Robert Müller, der ihn zur Einreichung des Textwerks als Habilitationsschrift ermutigt hatte. Er empfahl Greving vor allem aufgrund dieser Erfolge als Dozent. Als Korreferent fungierte Albert Hasselwander (1877-1954), Ordinarius der Anatomie. Er summierte:

499 Ude-Koeller (2016a), S. 180. 500 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 86; UAE C3/5 Nr. 116; UAE A 2/1 G 38; Wittern (1999), S. 58f. 124

„Die Gediegenheit der in durchaus kritischer Weise durchgeführten, ausserordentlich mühevollen Untersuchung, nicht weniger auch die Klarheit, mit welcher der Ueberblick über die funktionelle Bedeutung des in Frage stehenden Gebietes gegeben wird, kennzeichnen die Arbeit Dr. Grevings als eine hochwertige wissenschaftliche Leistung“501. Im Kolloquium am 18. Juli 1922 sprach er über die von Ludwig Robert Müller gestellten Themen Das Wesen der perniciösen Anämie, Die Pathogenese des Ulcus ventriculi und Die Anatomie der Zentralganglien des Gehirns, was als „zufriedenstellend“502 bewertet wurde. Vier Tage später fand Grevings Probevorlesung über Die Pathogenese des Fiebers statt. Darin ging er vor allem auf die Physiologie der Wärmeregulation, also neuronale Vorgänge ein. Richard Grevings Habilitationsvorgang entspricht folglich einem Fachverständnis, demzufolge Neurologie und Innere Medizin noch zusammengehörten.503 Die Fakultät empfand seinen Vortrag als „sehr befriedigend“504 und verlieh ihm die Venia legendi in Innerer Medizin. Greving war zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alt. Gut vier Jahre später erhielt er Titel und Rang eines außerordentlichen Professors. Er hatte bis dato 20 Arbeiten veröffentlicht, neue Forschungserkenntnisse über das Gehirn und die nervale Versorgung innerer Organe gewonnen und hielt gut besuchte Vorlesungen. Auch „[d]ie Kranken schätz[t]en ihn als gewissenhaften, liebevollen Arzt und Berater.“505 Bereits nach acht Semestern wurde er befördert. Am 1. Juni 1931 begann er seinen Dienst als Chefarzt des Städtischen Krankenhauses in Schweinfurt und beantragte dafür seine Entlassung aus dem Staatsdienst. In Schweinfurt trat er im April 1933 in die SA und einen Monat später in die NSDAP ein. Philipp Rauh zählt ihn damit zu den sogenannten „<>, jener großen Gruppe also, die zunächst noch den Ausgang der Reichstagswahlen im März 1933 abgewartet und sich somit von der Konsolidierung der neuen Machtverhältnisse überzeugt hatte, bevor sie dann der NSDAP beitrat.“506 Er trat 1936 zudem aus der Kirche aus. In seiner Personalakte der Universität Erlangen gab er als Konfession ‚gottgläubig‘ an.507 Im April 1936 kehrte er als Lehrstuhlvertretung für Innere Medizin an die Universität Erlangen zurück und wurde schließlich am 17. Juli 1936 zum ordentlichen Professor für Innere Medizin ernannt. Er fungierte zusätzlich als Vorstand sowohl der Medizinischen Klinik als auch des Universitätskrankenhauses Erlangen. 1937 wurde er zum Dekan der Medizinischen Fakultät ernannt, was er bis zu seinem Gesuch um

501 UAE A 2/1 G38: Korreferat vom 02.07.1922. 502 Ebenda: Schreiben der Medizinischen Fakultät an den Akademischen Senat der Universität Erlangen vom 31.07.1922. 503 Siehe dazu auch Kapitel 3.2.2. ab Seite 65. 504 UAE: A 2/1 G 38: Schreiben der Medizinischen Fakultät an den Akademischen Senat der Universität Erlangen vom 31.07.1922. 505 UAE C3/4a Nr. 86: Brief von Hans Molitoris an den Akademischen Senat der Universität Erlangen vom 16.07.1926. 506 Rauh (2016d), S. 233. 507 UAE C3/5 Nr. 116. Die Begrifflichkeit ‚gottgläubig‘ wurde 1936 vom Reichsminister des Innern eingeführt und bezeichnete aus der christlichen Kirche Ausgetretene, „die sich zur artgemäßen Frömmigkeit und Sittlichkeit bekennen, ohne konfessionell-kirchlich gebunden zu sein, andererseits aber Religions- und Glaubenslosigkeit verwerfen.“ Hintergrund war eine Vermeidung des zuvor verwendeten, jedoch als „abwertend[…] und hässlich[…]“ empfundenen Begriffs ‚Dissident‘ (Schmitz- Berning (2007), S. 281-283). 125

Entlassung im Jahr 1944 blieb. An der Universität fiel er in dieser Zeit vor allem aufgrund seiner „angewandte[n] Rassenanthropologie“508 auf: Seit Anfang 1939 war an seiner Sekretariatstür der Schriftzug „Juden unerwünscht“ zu lesen.509 Außerdem gilt er neben dem Universitätsrektor Hermann Wintz (1887-1947)510 als einer der Mitwisser der ‚Euthanasie‘-Aktion T4, welche auch in Erlangen zu Krankenmorden führte.511 So war auch Richard Greving unter den ersten Fakultätsmitgliedern, die im Mai 1945 von der Militärregierung aus ihren Ämtern entlassen wurden.512 Als Gründe wurden „SA Sturmführer; early party nembership [sic!] and well known political activity“513 angegeben. Rupprecht Matthaei, Professor für Physiologie, schrieb in einem fakultätsinternen Nachruf kurz nach Grevings Tod, dass dieser in der Zeit nach der Kapitulation sein Haus verloren hatte und zum Lebensunterhalt als Holzarbeiter tätig gewesen war.514 Am 14. Juli 1948 wurde Greving schließlich in den Ruhestand versetzt, nachdem er von der Hauptspruchkammer Erlangen als ‚Mitläufer‘ eingestuft wurde. Ab diesem Zeitpunkt widmete er sich seiner wissenschaftlichen Tätigkeit im Privaten. Er befasste sich dabei vor allem mit der Histologie des Nervensystems, im Speziellen mit der Innervation der Magenschleimhaut und stand auch mit Kollegen dieser Fachgebiete im regen Austausch. Im Alter von 79 Jahren verstarb Richard Wilhelm Greving am 10. März 1966 in Erlangen.515

3.3.3. Franz Ludwig Berthold Kihn „Als symptomatisch für die lange Phase des Schweigens [nach 1945 über die „Euthanasie“-Aktionen während des Dritten Reiches, Anm. d. Aut.] kann die erfolgreiche Nachkriegslaufbahn des Psychiaters Franz Ludwig Berthold Kihn gelten“516. Einerseits wurde er nach 1945 als Begründer der modernen Psychotherapie und humanistischer Arzt gefeiert, andererseits enthüllte Der Spiegel 1961 seine Taten während des Dritten Reiches. Kihn hatte durch Markierungen von Patientennamen mit einem roten Plus- bzw. Kreuzsymbol, als T4-Gutachter Todesurteile ausgestellt. Eine solche Dichotomie war in Nachkriegsbiografien nicht selten anzutreffen.

508 Rauh (2016e), S. 264. 509 Vor der Spruchkammer erklärte er später, er habe mit dieser Aussage nicht die Absicht gehabt, nationalsozialistisches Gedankengut zu vertreten, er sei lediglich aus Kapazitätsgründen außer Stande gewesen, jüdische Patienten zu behandeln. Dies war schließlich ein Mitgrund, warum er vom ‚Hauptschuldigen‘ zum ‚Mitläufer‘ herabgestuft wurde (Thum (2018a), S. 181ff.). Er gehört damit zu jener Gruppe, die durch „hanebüchene Exkulpationsstrategien“ eine deutliche Abmilderung ihres Urteils erzielten (vgl. Kapitel 3.2.3., S. 79). 510 Leven und Rath (2016), S. 514. 511 Rauh (2016e), S. 282f. Zur Euthanasieaktion ‚T4‘ in Erlangen siehe auch Siemen (2012). 512 Siehe hierzu Kapitel 3.1.3.3. ab Seite 44. 513 UAE A 2/1 G38: Abschrift von DET H3B3 CO B, 3RD ECAR. 514 UAE C3/5 Nr. 116: Schreiben von Rupprecht Matthaei vom 12.03.1966. 515 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 86; UAE A 2/1 G 38; Wittern (1999), S. 58f.; Rauh (2016d), S. 233; Plöger (2016c), S. 303; Erlanger Tagblatt, 31.01.1957. 516 Thum (2018a), S. 196. 126

Als Sohn des praktischen Arztes Dr. Heinrich Kihn und seiner Frau Amalie, geborene Mölzer, wurde Franz Ludwig Berthold Kihn517 am 10. März 1895 in Schöllkrippen in Unterfranken geboren. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Aschaffenburg, musste aber aufgrund von Beförderungen des Vaters die Schule wechseln, zunächst nach Lohr am Main und anschließend nach Schweinfurt. Nach seinem Abitur im Jahr 1914 begann Kihn in Würzburg sein Medizinstudium. 1917 legte er die Zwischenprüfung ab, 1921 schloss er sein Studium mit guter Note ab. Unterbrochen wurde sein universitärer Werdegang jedoch mehrmals durch den Ersten Weltkrieg: Er meldete sich 1914 zunächst als Kriegsfreiwilliger, schied aufgrund einer Erkrankung 1915 jedoch vorzeitig aus und meldete sich ein dreiviertel Jahr später erneut freiwillig. Nachdem er wegen seines Medizinstudiums zum Sanitätsdienst wechseln musste, wurde er erst im März 1919 aus dem Militärdienst entlassen, weil er dort von seinem Abbildung 11: Franz Ludwig Berthold Kihn Vorgesetztem, dem Greifswalder Ordinarius für Dermatologie Walther Schönfeld (1888-1977)518, bis zu diesem Zeitpunkt benötigt worden war. Als Ausgleich dafür wurde Kihn das Praktische Jahr erlassen. 1920 wurde er Mitglied im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, einem antisemitischen Hochschulverband, der sich um den Ausschluss von Juden aus der Wissenschaft bemühte. Damit gehörte er zu der bereits in Kapitel 3.1.3.1. angesprochenen großen Gruppe an Studenten, die sich weit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu einer antisemitischen Einstellung bekannten. Nachdem er ein Jahr später mit 26 Jahren sein Studium vollendet hatte, wurde er mit einer bakteriologischen Arbeit am Hygienischen Institut der Universität Würzburg ‚magna cum laude‘ promoviert. Er arbeitete anschließend zunächst am Pathologischen Institut Würzburg und wurde im Frühjahr 1921 Assistenzarzt in der Heil- und Pflegeanstalt in Lohr am Main. Mit der Arbeit dort unzufrieden, verließ er Lohr am Main bereits im Januar 1922 und fand eine Anstellung am Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung, wo er anatomisch und neurologisch forschte. Im Januar 1923 wechselte er an die Psychiatrische Klinik in München, im Juli 1923 wurde er Assistent der Erlanger Psychiatrischen Klinik. Im gleichen Jahr trat er dem rechtsgerichteten Freicorps Oberland bei. Kurz darauf verheiratete er sich mit Erna Echterling, die in Erlangen ebenfalls Medizin studiert hatte. Mit ihr hatte er eine Tochter.519

517 Der Rufname ist hier unterstrichen hervorgehoben. 518 Hockerts (2007), S. 409f. 519 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 96; UAE C3/5 Nr. 133; Wittern (1999), S. 100f.; Rauh (2016a), S. 214-218. 127

1926 reichte Bertold Kihn seine Habilitationsschrift Die Behandlung der Quartären Syphilis mit akuten Infektionen. Ihre Stellung in der Therapie, ihre Methodik und Klinik, ihre Beziehungen zur Pathologie und zum öffentlichen Leben520 bei der Erlanger Medizinischen Fakultät ein, welche 316 Seiten umfasste. Er ging darin vor allem auf die Behandlung der psychischen Symptome der Syphilis durch die sogenannte Malariaimpfung bzw. die Rekurrensbehandlung521 ein, wodurch die Erlanger Psychiatrische Klinik eine der ersten war, die diese Behandlungsmethode systematisch überprüfte522. Dies war zwar, wie Kihn auch selbst beschrieb, keine neuartige Methode und es existierte bereits vielfältige Literatur darüber, dennoch hielt er das Thema für noch nicht erschöpfend behandelt. Zudem führte er einen zweiten, eher persönlichen Grund für sein Interesse an: In den ersten Jahren der Behandlung von Syphilis-Patienten mit der Malariaimpfung Abbildung 12: Kihns Habilitationsschrift über die durch Psychiater war er bei einer Obduktion von Behandlung der Quartären Syphilis einem Syphilistoten von den anwesenden Medizinern anderer Fachrichtungen geradezu ausgelacht worden ob der „spasshaft[en]“523 Therapie der Psychiater. Zufrieden stellte er nun fest, dass sich die allgemeine Einstellung diesbezüglich gewandelt hatte, aber noch weiterer Arbeit bedürfe. Dennoch warnte er vor unbedachten Therapieversuchen mit dieser Methode und den unterschätzten klinischen Auswirkungen, vor allem wenn dies aus reiner Geltungssucht der Ärzte geschehe. In seinen Schlussbetrachtungen resümierte er, dass er keinen Anlass sehe, „die Infektionstherapie der Paralyse als Zauberformel zu kennzeichnen“524, dass man aber – selbst wenn in einigen Jahren bessere und sicherere Methoden bekannt seien – „wird […] über Malaria und Rekurrens nicht anders urteilen können, als dass ihre Anwendung so wertvolle und bedeutsame Abschnitte in der Geschichte ärztlichen Denkens und Handelns gewesen sind, dass sich mit ihnen unter den psychiatrischen Heilbestrebungen der letzten Jahrzehnte nicht allzu vieles vergleichen lässt.“525

520 Kihn (1927a). 521 Bertold Kihn beschrieb diese Methoden auch 1927 in seinem Artikel Die Rekurrensbehandlung der syphilogenen Nervenkrankheiten und anderer Erkrankungen, mit Bemerkungen über die Behandlung der Paralyse durch Rattenbiss. Das Prinzip dieser Behandlungen fußte auf der Annahme, dass man Patienten mit Erregern infizierte, die der zugrundeliegenden Infektion sehr ähnlich sind, sodass neue Abwehrkräfte gebildet werden (Kihn (1927b), S. 244-273). Vorreiter auf diesem Gebiet waren der österreichische Psychiater Julius Wagner-Jauregg, der dafür 1927 den Medizin-Nobelpreis erhielt (Howes, Khambhaita und Fusar-Poli (2009), S. 409), bzw. F. Plaut und G. Steiner der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München im Jahre 1919 (Plaut und Steiner (1920), S. 103-120). 522 UAE C3/4a Nr. 96: Referat. 523 Kihn (1927a), S. 4. 524 Ebenda, S. 312. 525 Ebenda. 128

Der Erstgutachter Gustav Specht, Dekan der Medizinischen Fakultät und Ordinarius der Psychiatrischen und Nervenklinik526, zeigte sich in seinem Referat als begeisterter Anhänger dieser Infektionsbehandlungen und schrieb, dass es „kaum eine therapeutische Errungenschaft der letzten Jahrzehnte [gegeben habe], die derartiges Aufsehen erregt und eine solche Hochflut fachwissenschaftlicher Veröffentlichungen bewirkt hat“527. Kihn habe laut Specht einen wichtigen Beitrag zu dieser Therapie geliefert. So kam er zu dem Schluss, „dass die vorliegende Habilitationsschrift die überaus fleißige Arbeit eines sehr kenntnisreichen, mit kritischem Urteil und echtem Forschertalent begabten jungen Gelehrten ist.“528 Korreferent Leonhard Hauck (1874- 1945), Direktor der Poliklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten529, lobte die sachliche und objektive Kritikfähigkeit Kihns sowohl was fremde, als auch seine eigenen Forschungsergebnisse betraf. Er hielt die Habilitationsschrift „für jeden, der sich mit Fragen der Paralyse- und Tabestherapie beschäftigt, [für] ein wertvolles Nachschlagewerk“530. Einziger Kritikpunkt war für Hauck der Begriff ‚Metalues‘ im ursprünglichen Titel der Arbeit, welcher seiner Meinung nach in der Literatur nicht mehr verwendet werden sollte. Er riet Kihn zur Umbenennung der Arbeit. In seinem Kolloquium sprach Bertold Kihn über eineinhalb Stunden zu den Themen Zur Psychologie und Klinik der Depressionszustände, Ist es berechtigt, neurotrope Spirochäten anzunehmen? und Neuere Ergebnisse zur Epilepsieforschung. „Die Fakultät war von dem Ergebnis vollauf befriedigt“531, hieß es im dazugehörigen Bericht. Die Probevorlesung wurde für den 9. Dezember 1927 anberaumt, als Thema erhielt Kihn Das Paralyseproblem. Nachdem er auch hier durch seine Leistung überzeugte, wurde ihm im Alter von 32 Jahren die Venia legendi für Psychiatrie und Neurologie verliehen.532 Im selben Jahr wurde Bertold Kihn für verschiedene Studienaufenthalte in Breslau, Wien und Eppendorf in Hamburg bis 1930 beurlaubt. Bei seiner Rückkehr wurde er zum Oberarzt der Psychiatrischen und Nervenklinik in Erlangen befördert. Ende 1933 ersuchte die Direktion ebendieser Klinik die Verleihung des Titels und Ranges eines außerordentlichen Professors für Kihn. Begründend wurde dafür ausgeführt: „Ein gutes Zeichen für sein Lehrtalent ist es, dass er in den letzten Jahren mehr und mehr aus der Studentenschaft um die Zuweisung von Dissertationsarbeiten aus dem sonst so gemiedenen psychiatrisch-neurologischen Gebiet angegangen wurde und dass darunter selbst Zahmediziner in grösserer Zahl vertreten sind.“533 Dem Gesuch wurde stattgegeben, am 6. Februar 1934 erhielt er die Amtsbezeichnung eines außerordentlichen Professors. In diesem Zeitraum verheiratete sich Berthold Kihn mit Dorothea Perret, seine erste Frau war bei einem Sportunfall ums Leben gekommen. Er trat zudem in die SA ein. Im Wintersemester 1935/36 bot er eine

526 Rath und Leven (2016), S. 503; Leven und Rath (2016), S. 524. 527 UAE C3/4a Nr. 96: Referat. 528 Ebenda. 529 Leven und Rath (2016), S. 515. 530 UAE C3/4a Nr. 96: Korreferat vom 30.10.1927. 531 UAE C3/4a Nr. 96. 532 Quelle zum gesamten Absatz: Ebenda. 533 UAE C3/4a Nr. 96: Schreiben der Direktion der Psychiatrischen und Nervenklinik der Uni Erlangen an die Medizinische Fakultät der Uni Erlangen vom 30.12.1933. 129 studentische Arbeitsgruppe über Sterilisation, Kastration und Fragen der Eugenik mit Besuchen von Heil- und Pflegeanstalten an, die sich mit nationalsozialistischem Gedankengut befasste. Zwei Jahre später wurde er erneut beurlaubt und schließlich an die Universität Jena versetzt, da er nun die Direktion der thüringischen Landesanstalt in Stadtroda übernommen hatte. 1937 trat er in die NSDAP ein. Zum 1. Januar 1939 wurde er in Jena zum ordentlichen Professor ernannt. In dieser Funktion übernahm Bertold Kihn von 1940 bis 1941 Gutachtertätigkeiten für die „Aktion T4“. Auch einige seiner wissenschaftlichen Arbeiten hatten eindeutig rassenideologische Tendenzen, wie beispielsweise sein Artikel Die Ausschaltung der Minderwertigen aus der Gesellschaft, welcher bereits 1932 in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie erschienen war. Es folgte die Entlassung Kihns durch die Militärregierung am 8. Mai 1945. Er floh schließlich von Jena zurück nach Erlangen und wurde 1948 als ‚Mitläufer‘ eingruppiert, nachdem 1947 erste Vorwürfe gegen ihn, die ihn der gezielten Tötung von Menschen beschuldigten, ins Leere verliefen. Drei Jahre später ließ er sich als Facharzt in Erlangen nieder, ab dem 3. April 1952 arbeitete er erneut an der Universität Erlangen in der Funktion eines Honorarprofessors für Psychiatrie und Neurologie.534 Er galt vielen als „Vordenker der modernen Psychotherapie“, entwickelte neuartige Behandlungsmethoden und stand auch als Hobbyfotograf im Licht der Öffentlichkeit.535 Mit seiner Begeisterung für Fotographie hatte Kihn bereits Jahre zuvor seinen ebenfalls psychiatrisch tätigen Kollegen Johannes Schottky unterstützt, indem er Lichtbilder von Patienten für Schottkys Buch Rasse und Krankheit aus dem Jahr 1937 anfertigte, mit dem sich dieser dann 1943 in Erlangen habilitierte.536 Am 3. Mai 1961 erschien jedoch in der Zeitschrift Der Spiegel ein zehnseitiger Artikel, in dem Bertold Kihn als einer der Ärzte, die durch ihre Beurteilung über Leben und Tod der Patienten in den Heil- und Pflegeanstalten entschieden, namentlich erwähnt und mit Lichtbild abgebildet wurde.537 Daraufhin leitete das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ein förmliches Dienststrafverfahren gegen Kihn ein und er wurde am 1. August 1962 vorläufig seiner Ämter enthoben. Vorlesungen durfte er nicht mehr halten. Er selbst jedoch behauptete, nicht gewusst zu haben, dass er die Patienten durch Kennzeichnung mit einem roten ‚+‘, also einem ‚Kreuzel‘, in den Tod geschickt hatte. Als er davon erfahren hatte, so Kihn, habe er nie wieder das ‚+‘-Zeichen hinter einen Patientennamen gesetzt.538 Die eingeleiteten Ermittlungen wegen Beihilfe zum Mord wurden jedoch bald eingestellt, da kein Beweis dafür vorlag, „daß der Beschuldigte mit eigener Hand irgendwelche Tötungshandlungen an Geisteskranken vorgenommen hat.“539 Es wurde keine öffentliche Anklage erhoben. Andreas Thum und Philipp Rauh halten dieses Urteil für ein Verkennen der tragenden Rolle Kihns bei der Organisation und

534 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 96; UAE C3/5 Nr. 133; UAE F2/1 Nr. 2323a; Wittern (1999), S. 100f.; Derichs und Metzger (2018), S. 59; Thum (2018a), S. 196f. 535 Zitat und Satz: Thum (2018a), S. 197. 536 Kapitel 3.3.8. ab Seite 145 befasst sich näher mit der Habilitation von Johannes Schottky an der Universität Erlangen. 537 Der Spiegel, 03.05.1961. 538 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/5 Nr. 133; UAE F2/1 Nr. 2323a. 539 UAE F2/1 Nr. 2323a: Verfügung. 130

Vollstreckung der gezielten Tötungen von Kranken: „Hält man sich vor Augen, dass Kihn sogar an der Ausarbeitung eines geplanten <> beteiligt war, offenbart die Begründung der Staatsanwaltschaft gravierende Fehleinschätzungen“540. An die Universität Erlangen kehrte Kihn dennoch nicht zurück.541 Nach schwerer Krankheit starb Berthold Kihn am 19. Januar 1964. Er wurde 69 Jahre alt. Im Nachruf des Erlanger Tagblatts wird er als „humanistische[r] Typ des Arztes“ beschrieben, der an die Behandelbarkeit von psychischen Krankheiten glaubte – seine Rolle und Haltung im Dritten Reich wird nicht erwähnt, obwohl seine Tätigkeit als T4-Gutachter zu dem Zeitpunkt seit drei Jahren bekannt war.542 Wissenschaftlich hatte sich Berthold Kihn auch nach seiner Habilitation noch mehrmals mit der Syphilis und ihrer Behandlung befasst. Es finden sich aber auch andere psychiatrisch- neurologische Themen wie Chorea oder das periphere Nervensystem in seinen Arbeiten.543

3.3.4. Werner Lüttge Trotz in seinem Lebenslauf deutlich erkennbarer Sympathie für die Ideen des Nationalsozialismus, gelang es dem Gynäkologen Werner Lüttge, die vom nationalsozialistischen Regime geforderten Schwangerschaftsabbrüche an Zwangsarbeiterinnen zu umgehen. Er machte also möglich, was so viele im Nachhinein als unmöglich darstellten: Scheinbar Unabwendbarem konnte man durch das geschickte Nutzen von Handlungsspielräumen in einigen Fällen auch zur Zeit des Dritten Reichs entgehen. Werner Lüttge erhielt dafür 1944 vom Kultusministerium sogar offiziell die Erlaubnis.

540 Thum (2018a), S. 198, Rauh (2016a), S. 214-218. 541 UAE F2/1 Nr. 2323a. 542 Zitat und Satz: Erlanger Tagblatt, 21.01.1964. 543 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 96; UAE C3/5 Nr. 133; Wittern (1999), S. 100f. 131

Am 2. Oktober 1895 wurde Werner Lüttge als Sohn des Direktors Fitz Lüttge in Halle an der Saale in eine evangelische Familie geboren. Er ging auf das Stadtgymnasium in Halle, wo er 1914 sein Abitur schrieb. Im selben Jahr meldete er sich als Kriegsfreiwilliger zum Heeresdienst, wurde im November 1915 zum Offizier befördert und erhielt das Eiserne Kreuz I. Klasse. 1918 begann er sein Medizinstudium an der Vereinigten Friedrich-Universität Halle-Wittenberg und legte 1922 das Staatsexamen ab. Im August desselben Jahres wurde er über die Aetiologie der Varicocele promoviert und begann seine Arbeit als Medizinalpraktikant an der Frauenklinik in Halle an der Saale. Von März bis Oktober 1923 war er am Röntgeninstitut der Universitätsfrauenklinik in Erlangen unter Hermann Wintz tätig. Dann kehrte er aus familiären Gründen zurück nach Halle, wo er an der dortigen Frauenklinik arbeitete. Nach Berufung seines vorgesetzten Geheimrates Hugo Sellheim (1871-1936)544 nach Leipzig im Jahr 1926 folgte er diesem als erster Assistent und vertrat dort den Direktor der Klinik, hielt zweieinhalb Semester gynäkologische Vorlesungen und leitete Zangengeburts- und Schwesternkurse. Mit 32 Jahren heiratete er am 1. Mai 1927 Elisabeth Kalthoff, mit der er später einen Sohn hatte. Am selben Tag wechselte er an die Chirurgische Klinik in Frankfurt am Main und ein Jahr später erneut an die Erlanger Universitätsfrauenklinik. Zur Weiterbildung beantragte er dort Studienaufenthalte am Kaiser-Wilhelm-Institut, sowie am Physiologisch-chemischen Institut und dem Krebsforschungsinstitut der Charité in Berlin. Ab Mitte Januar 1929 arbeitete Lüttge als Stationsarzt an der Erlanger Frauenklinik.545 Während dieser Zeit forschte er auf dem noch jungen Gebiet der Serologie und wurde zum „<> unter den gynäkologischen Nachwuchsforschern.“546 Mit Abbildung 13: Werner Lüttge im Jahr 1961 zahlreichen Publikationen sorgte er auch für internationales Aufsehen. Dennoch trieb er diese serologischen Forschungen nicht weiter voran und widmete sich schließlich vor allem Themen der Geburtshilfe.547 Er stellte sodann auch seinen Antrag auf Habilitation. Zunächst begann er eine Habilitationsschrift mit dem Titel Beitrag zur Reactionskinetik homogener und heterogener Systeme des Organismus. Als endgültige Arbeit reichte er dann jedoch den Text Der Geburtsmechanismus bei Anwendung der Zange bei der Erlanger Medizinischen Fakultät ein. Schwerpunkt dieser Arbeit waren Untersuchungen an

544 Professorenkatalog der Universität Leipzig: Prof. Dr. med. Hugo Sellheim. 545 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 103; UAE C3/5 Nr. 138; Wittern (1999), S. 123. 546 Frobenius (2018), S. 128. 547 Ebenda, S. 129. 132 narkotisierten Gebärenden, bei denen die Geburt durch Zangenextraktion beendet wurde. Lüttge erforschte so unter anderem mit Hilfe von Röntgenbildern, die während des Geburtsvorgangs aufgenommen wurden, ob Geburten durch den Fruchtwirbelsäulendruck oder den allgemeinen Fruchtperipheriedruck ausgelöst werden und konnte anhand der Kindslage, -haltung und -bewegung ersteres beweisen.548 Zudem verfeinerte er die Methodik, mit der man die Geburtsmechanik einer Zangengeburt röntgenologisch darstellen konnte. Referent der Habilitationsschrift war der Leiter der Frauenklinik und Poliklinik Hermann Wintz. Dieser fasste abschließend zusammen, dass „jede Arbeit, welche eine Verfeinerung unserer Vorstellung über den Geburtsmechanismus bedeutet, als unbedingter Fortschritt [wird] anerkannt werden müssen, nicht nur in theoretischer Beziehung denn noch immer ist der Satz allgemein anerkannt: ohne Kenntnis der Geburtsmechanik keine einwandfreie Geburtshilfe.“549 Als zweiter Referent wurde Otto Goetze eingesetzt, Ordinarius der Chirurgischen Klinik. Er fasste in seinem Bericht die wichtigsten Inhalte der Arbeit noch einmal zusammen und schloss sich Wintz weitestgehend an: „Ich empfehle seine Schrift der hohen Medizinischen Fakultät aufs wärmste [sic!] und bitte sie, sie als Habilitationsarbeit anzunehmen.“550 Werner Lüttges Kolloquium wurde für Mitte Mai 1930 angesetzt, die Themen waren zum einem Der Schmerz in der rechten Bauchseite, zum anderen Berechtigung und Indikation zur Sterilisation. Seine Probevorlesung fand einen guten Monat später am 24. April 1930 statt. Er las über Die Diagnose der Schwangerschaft und ging dabei vor allem auf die ersten Schwangerschaftsmonate und verschiedene serologische Untersuchungsmethoden ein. „Die Fakultät äusserte einstimmig wiederum ihre vollste Zufriedenheit mit der gebotenen Leistung“551, resümierte der dazugehörige Bericht, in dem auch große Anerkennung für den frei gehalten Vortrag ausgedrückt wurde. Somit wurde Lüttge am 30. Juni 1930 im Alter von 34 Jahren die Venia legendi für Geburtshilfe, Frauenheilkunde und Röntgenologie verliehen.552 1932 trat Werner Lüttge in die SA ein. 1933 wurde er zum Oberarzt befördert und er übernahm die Leitung der Staatlichen Hebammenschule und der Frauenklinik in Bamberg – vornehmlich als „Statthalter“553 für Herman Wintz. Im gleichen Jahr trat er dem Kampfverband Stahlhelm bei, ein Jahr später dem Reichsbund der Deutschen Beamten, der NS-Volkswohlfahrt und dem NS-Ärztebund. Am 10. Juli 1934 erhielt er Titel und Rang eines außerordentlichen Professors, obwohl die übliche Sechsjahresfrist noch nicht abgelaufen war. Die Mitgliedschaft in der NSDAP seit 1935 sei, so seine spätere Schutzbehauptung, automatisch durch den NS-Ärztebund – also ohne seinen Beitrag – erfolgt.554 1943 wurde auch Werner Lüttge aufgefordert, in

548 Vgl. hierzu auch Lüttge (1930), S. 27-43. 549 UAE C3/4a Nr. 103: Referat von Hermann Wintz. 550 Ebenda: Referat von Otto Goetze. 551 UAE C3/4a Nr. 103. 552 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 103; UAE F2/1 Nr. 1383; Wittern (1999), S. 123. 553 Frobenius (2018), S. 129. 554 Ein ähnlicher Fall wird von Ernst Klee beim Gynäkologen Hans Naujok beschrieben: Dieser sagte aus, beim Eintritt in den NS-Ärztebund 1933 zum Unterschreiben des Aufnahmeantrags in die NSDAP genötigt worden zu sein. Ernst Klee verurteilt diese Aussage Naujoks scharf und bezweifelt deren Glaubwürdigkeit (Klee (2001), S. 282). 133

Bamberg Schwangerschaftsabbrüche bei sogenannten Ostarbeiterinnen durchzuführen. Er zögerte die Eingriffe allerdings so lange heraus, bis ein Abbruch medizinisch nicht mehr vertretbar war und argumentierte mit Raumnot. Später stellte er sich gegen die Abtreibungen mit der Begründung, dies vor seinen Hebammenschülerinnen und Studenten nicht vertreten zu können, und entging so der Verpflichtung. Im November 1944 wurde ihm unerwartet die offizielle Zustimmung für sein Verhalten von Seiten des Kultusministeriums mitgeteilt. Mit Einmarsch der Alliierten war allerdings auch Werner Lüttge 1945 aufgrund seiner Mitgliedschaft in mehreren NS-Organisationen von den zahlreichen Entlassungen durch die Militärregierung betroffen. Vier Jahre später wurde er zum außerplanmäßigen Professor wiederernannt, nachdem er am 1. April 1946 vom Office of Military Government rehabilitiert worden war. 1947 wurde er vor der Spruchkammer der Stadt Bamberg als ‚entlastet‘ eingestuft. Begründend wurden unter anderem die fürsorgliche Behandlung jüdischer Patientinnen trotz Verbotes, die Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen bei Ostarbeiterinnen und die Zulassung der verbotenen christlichen Taufen und Kreuze angeführt. 1950 wurde er zum Obermedizinalrat befördert. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1963 arbeitete er an der Universität Erlangen. Im Alter von 84 Jahren verstarb Werner Lüttge am 12. Juli 1979 in Bamberg.555

3.3.5. Werner Hans Oskar Schuler Werner Hans Oskar Schuler war, wie in Kapitel 3.1.3.2. bereits kurz erwähnt, einer der wenigen Dozenten und unter den Medizinern der einzige, der von der Säuberung der Hochschulen unter der nationalsozialistischen Regierung an der Universität Erlangen betroffen war. Er war verheiratet mit einer ‚Nichtarierin‘ und verweigerte die Scheidung, das brachte ihn um seine weitere wissenschaftliche Karriere in Deutschland.556 Geboren wurde Werner Schuler am 1. August 1900 als Sohn des Bankiers Oskar Schuler und seiner Frau Johanna, geborene Wessinger, in München. Er wurde katholisch erzogen. In München besuchte er das Maximiliansgymnasium. 1917 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und leistete bis Kriegsende Felddienst. Anschließend besuchte er einen Kriegsteilnehmerkurs des Münchener Realgymnasiums und konnte 1919 sein Abitur nachholen. Im Herbst 1919 begann er das Medizinstudium in München, wechselte zwischenzeitlich an die Universität Berlin und bestand im Dezember 1924 in München die ärztliche Prüfung. Seine Zeit als Medizinalpraktikant leistete er an der zweiten Medizinischen Klinik des Allgemeinen Städtischen Krankenhaues rechts der Isar in München. Ende Dezember 1925 erhielt er die ärztliche Approbation. Schuler arbeitete bis 1929 als Assistent an jener Klinik, promovierte währenddessen im Jahr 1926 und studierte zusätzlich Chemie bis zum zweiten chemischen Verbandsexamen, der Entsprechung des Staatsexamens im Fach der Chemie. Zum 1. September 1929 wechselte er an die Medizinische Klinik in

555 Quellen zum gesamten Absatz: UAE F2/1 Nr. 1383; Wittern (1999), S. 123.; Frobenius (2018), S. 129-133; Frobenius (2019), S. 243-245. 556 Quellen zum gesamten Absatz: Rauh (2016d), S. 230; Rauh (2018b), S. 105; Rauh (2018c), S. 106. 134

Erlangen und wurde dort zum Leiter des Chemisch-klinischen Laboratoriums. 1930 verheiratete sich Werner Schuler mit Irene Model, eben jener Frau, die dem nationalsozialistischen Regime später als ‚Nichtarierin‘ galt. Zusammen hatten sie eine Tochter.557 Seine Habilitationsarbeit schrieb Schuler über Die Stellung der Harnsäure im intermediären Stoffwechsel. Inhaltlich befasste er sich darin vor allem mit komplexen Experimenten zum Harnsäureabbau, an deren Ende er schließlich ein Äquivalent zum Abbau im menschlichen Körper fand. Ludwig Robert Müller, Direktor der medizinischen Klinik, verfasste das Referat dazu und resümierte: „Die vorliegende Habilitationsschrift von W. Schuler, die das Ergebnis von mehrjährigem, fleissigen Studium im chemischen Laboratorium ist, muss als wertvoll bezeichnet werden. […] Ich glaube, dass die Habilitierung von W. Schuler an der Universität Erlangen für den Lehr- und Forschungsbetrieb der medizinischen Fakultät einen Gewinn bedeutet.“558 Von Ludwig Robert Müller zu Rate gezogen, verfasste Rudolf Pummerer (1882-1973)559, der Vorstand des chemischen Laboratoriums, ein Sondergutachten zu Schulers Arbeit. Er bescheinigte Schuler „auch vom chemischen Standpunkt aus alle Anerkennung“560. Das zweite Referat erstellte Konrad Schübel (1885- 1978), Direktor des Pharmakologischen Abbildung 14: Werner Schuler Instituts561, welcher sich allerdings zurückhaltender verhielt. Er merkte an, dass der Abbau von Harnsäure im menschlichen Organismus nicht vollständig nachvollzogen wurde, sondern nur ein Zwischenprodukt identifiziert werden konnte. Dennoch erscheinen ihm die Ausführungen „bemerkenswert“562 und auch er empfahl Werner Schuler zur weiteren Habilitation. Somit wurde er zum Kolloquium zugelassen, welches am 17. Dezember 1932 stattfand. Die geprüften Themen waren zum einen Die Biermer’sche Anämie, zum anderen Die perorale Diabetesbehandlung; beide behandelte er zur „grösste[n] Zufriedenheit“563 der Fakultät. Auch seine Probevorlesung über Die Gicht vom 20. Dezember 1932 stellte die Mitglieder der Fakultät zufrieden und Werner Schuler wurde am 13. Januar 1933 mit 32 Jahren zum Privatdozenten für Innere Medizin und Pathologische Physiologie ernannt.564

557 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 108; UAE A 2/1 S 82; Wittern (1999), S. 177f. 558 UAE C3/4a Nr. 108: Bericht vom 08.12.1932. 559 Katalog der deutschen Nationalbibliothek: Pummerer, Rudolf. 560 UAE C3/4a Nr. 108: Rudolf Pummerer an Ludwig Robert Müller vom 06.12.1932. 561 Leven und Rath (2016), S. 523. 562 UAE C3/4a Nr. 108: Referat vom 27.11.1932. 563 UAE A 2/1 S 82: Schreiben der Medizinischen Fakultät an den Akademischen Senat der Universität Erlangen vom 22.12.1932. 564 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 108; Wittern (1999), S. 178. 135

Bis Ende September 1936 arbeitete Werner Schuler weiter als Assistent in der Medizinischen Klinik Erlangen und widmete sich in seinen wissenschaftlichen Arbeiten hauptsächlich chemisch-physiologischen Fragestellungen. Er galt der Fakultät als „exzellenter Nachwuchswissenschaftler“565. Unter seiner fachlichen Aufsicht entstanden zahlreiche Doktorarbeiten, in der Lehre konzentrierte Schuler sich vor allem auf die Pathologische Physiologie. Ab dem Wintersemester 1936/37 wurde Werner Schuler beurlaubt. Grund dafür war seine „nichtarische […] Versippung“566, also die Weigerung, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Als rechtliche Grundlage dafür wurde Paragraph 18 der Reichshabilitationsordnung von 1934 herangezogen, in dem es heißt, dass Dozenten die Lehrbefugnis aberkannt bzw. beschnitten werden kann, sofern dies im Universitätsinteresse liegt.567 Dieser Schritt wurde von vielen Kollegen Schulers, auch überzeugten Nationalsozialisten, bedauert: „Wissenschaftlich, als Lehrer, als Arzt und Mensch ist gegen Dr. Schuler kein Einwand zu erheben, es muß sogar zugestanden werden, daß er in dieser Hinsicht gewiß Vorzüge vor vielen anderen hat“568, resümierte der damalige Rektor der Universität Erlangen Fritz Specht. Im Mai 1937 emigrierte Familie Schuler nach Basel in die Schweiz, wo Werner Schuler bei einer pharmazeutischen Firma zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Leiter der Biochemischen Forschungsabteilung arbeitete. Richard Wilhelm Greving, Leiter der Medizinischen Klinik und der Dekan der Medizinischen Fakultät, der im April 1938 auf Bitten Werner Schulers ein Gutachten über ihn verfasste, fand darin hauptsächlich lobende Worte für den ehemaligen Erlanger Dozenten: „Als Lehrer war er bei seinen Studenten ausserordentlich beliebt, was sich in dem starken Besuch seiner Vorlesungen deutlich aussprach. Als Dozent, Forscher und Arzt hat Dr. Schuler der Klinik sehr wertvolle Dienste geleistet. Der einzige Grund für seine Beurlaubung im Jahr 1936 war die Tatsache, dass er mit einer Nichtarierin verheiratet ist.“569 Mit diesem Gutachten ebnete Greving Schuler den Weg für eine neue universitäre Karriere in der Schweiz, wo er ab 1937 Privatdozent für Physiologische Chemie an der Universität Fribourg war. 1938 erhielt er dort den Titel und Rang eines außerordentlichen Professors, 1945 wurde er zum ordentlichen Professor und zugleich zum Vorstand des Physiologisch-chemischen Instituts ernannt. In dieser Position arbeitete er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahr 1957.570 Zwischendurch durfte er sich Hoffnung auf eine Rückkehr an die Universität Erlangen machen. Zu einer Berufung konnte sich diese jedoch nicht durchringen.571 Wissenschaftlich hatte er sich vor allem mit dem Harnsäurestoffwechsel und dem Abbau bzw. der Synthese biogener Amine befasst, zudem war die Endokrinologie

565 Rauh (2018c), S. 106. 566 UAE C3/4a Nr. 108: Brief von Werner Schuler an das Dekanat der Medizinischen Fakultät Erlangen vom 11.06.1937. 567 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934 §18. 568 Rauh (2018c), S. 106. 569 UAE C3/4a Nr. 108: Gutachten von Dekan Richard Wilhelm Greving vom 28.04.1938. 570 Wittern (1999), S. 177f. 571 Rauh (2018c), S. 106; Thum (2018a), S. 187. 136 eines seiner Spezialgebiete.572 1966 verstarb Werner Schuler im Alter von 66 Jahren in der Schweiz.573

3.3.6. Hermann Eyer Hermann Eyers Habilitationsschrift ist die einzige im Untersuchungszeitraum von 1918 bis 1960, bei der bereits im Titel Gesundheitspflege und Bevölkerungspolitik in der Ostmark rassische Tendenzen anklingen. Karriere machte er später auch mithilfe von Menschenversuchen als Leiter des Instituts für Fleckfieber- und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres in Krakau. Kaum verwunderlich ist es deshalb rückblickend, dass Gaudozentenbundsführer und Dozentenschaftsleiter Hans Albrecht Molitoris (1905-1988) den ehrgeizigen Jungarzt unbedingt an der Universität Erlangen halten wollte.574 Hermann Eyer wurde am 29. Juni 1906 in Mannheim als Sohn des Direktors der Thyssen Rheinstahl AG Karl Friedrich Eyer und seiner Frau Margarete, geborene Linzmeier, in eine katholische Familie geboren. Er besuchte zunächst die Schule in Straßburg, aus welcher er jedoch nach Kriegsende 1918 von den Franzosen ausgewiesen wurde. Sein Abitur absolvierte er deshalb 1924 in Karlsruhe. Danach studierte er zunächst zwei Semester Maschinenbau, Hütten- und Bergfach und Stoffwirtschaft an der Technischen Hochschule in Karlsruhe bzw. Aachen. Schließlich entschied sich Hermann Eyer aber für ein Studium der Chemie, welches er an der Universität Heidelberg absolvierte und in welchem er am 18. Oktober 1929 promoviert wurde. Bis Anfang 1933 war er als Assistent Abbildung 15: Hermann Eyer am chemischen Institut Heidelberg tätig. Nebenher hatte er zudem von 1927 bis 1932 Medizin studiert und so wurde er am 13. Dezember 1932 mit der Arbeit Beitrag zur Chemie des Insulins zum Doktor der Medizin promoviert. Seine Zeit als Medizinalpraktikant verbrachte Eyer an der Medizinischen Klinik und im Serologischen Institut in Heidelberg, anschließend am Hygienischen Institut der Universität Erlangen. Ab 1. November 1933 war er dort als Assistent tätig. Die Approbation als Arzt wurde ihm im Januar 1934 verliehen, im Sommer 1934 besuchte er sehr frühzeitig noch vor Einreichung einer Habilitationsschrift das Dozentenwehrsportlager. Im Juli 1933 war Hermann Eyer der SA und dem NS- Ärztebund beigetreten, zudem war er Mitglied der NSDAP und Inhaber des SA- Sportabzeichens. Seit April 1936 arbeitete Eyer im aktiven Heeresdienst bei der Sanitätsstaffel Erlangen.575 Er hatte dafür um seine Entlassung aus der Assistentenbeschäftigung gebeten und diese auch erwirkt. Eine Dozentur für Hermann Eyer wurde nun von Dozentenschaftsleiter und Gaudozentenbundsführer Hans

572 M.,R. (1960), S. 833. 573 Wittern (1999), S. 177f. 574 Rauh (2018b), S. 105. 575 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 112; UAE: F2/1 Nr. 3259; Münchener Medizinische Wochenschrift (1976), S. 865. 137

Albrecht Molitoris explizit befürwortet, um den politisch und charakterlich als zuverlässig empfundenen Wissenschaftler an der Universität halten zu können.576 Seine 1936 eingereichte Habilitationsschrift Gesundheitspflege und Bevölkerungspolitik in der Ostmark - Eine medizinische Topographie eines ausgewählten Landbezirks im Bereich der oberpfälzischen Grenzmark577 umfasste 199 Seiten. Er bezog sich darin hauptsächlich auf die Grenzbezirksämter Vohenstrauss, Oberviechtach und Waldmünchen nahe der damaligen Tschechoslowakei, welche er im Sommer 1935 für seine Arbeit bereist hatte. Auf dieses „vergessene[…] Fleckchen deutscher Erde“578 aufmerksam gemacht hatte ihn der ehemalige dortige Gauleiter Hans Schemm. In seiner Schrift analysierte Eyer diese Gebiete bezüglich Geologie, Finanzen, Ernährung, Hygiene, Geschichte und vermeintlich rassischer und charakterlicher Merkmale der Bevölkerung und unterstrich seine Erkenntnisse durch zahlreiche Statistiken über die Abbildung 16: Habilitationsschrift Physiologie und Pathologien der "Gesundheitspfege und Bevölkerungspolitik in der Ostmark" Einheimischen. Dabei begnügte er sich seinen eigenen Worten zufolge nicht mit einer bloßen Beschreibung der Zustände, sondern strebte „Vorschläge von Verbesserungen, von Änderungen oder Beseitigungen ungünstiger Umweltbedingungen“ an.579 Er war sich auch bewusst, dass er damit Aufgaben übernahm, die eigentlich Amtsärzten bzw. Gesundheitsämtern oblagen, führte jedoch aus, dass er Hygieniker aufgrund ihrer Ausbildung dafür am geeignetsten hielt. Eyer schloss die Arbeit mit Verbesserungsvorschlägen für Wirtschaft, Gesundheit und Erziehung der ausgewählten Bezirke: Bloßes Ermahnen und Belehren der Bevölkerung hielt er dabei für aussichtslos, denn „[w]er es mit seinem Volk gut meint, der darf, wenn er es für richtig hält, auch vor einem gewissen Zwang zur Befolgung gesundheitlich dringlicher Maßnahmen nicht zurückschrecken und muß jeden Weg verstopfen, den die immer wieder versuchten Umgehungsmanöver zu nehmen versuchen. Es ist falsch, bei irgendwelchen Verbesserungsbestrebungen mit der voraussichtlichen Einsicht, besonders einer Landbevölkerung, zu rechnen“.580 Aufgrund der von ihm angenommenen mangelnden Kooperation der Bevölkerung empfand er also auch Zwangsmaßnahmen zur Einhaltung seiner Vorschläge als angebracht. Für essenziell hielt er dabei die Ausschaltung des Elternhauses und die

576 UAE C3/4a Nr. 112: Brief von Hans Albrecht Molitoris an das Rektorat der Universität Erlangen vom 08.10.1936. 577 Eyer (1937). 578 Ebenda, S. 8. 579 Ebenda, S. 7. 580 Ebenda, S. 197f. 138

Betonung der Erziehung in den Schulen. Er schloss seine Habilitationsschrift mit den Worten: „Der Zweck dieser unter Hintansetzung aller theoretischen Erörterungen ausschließlich auf praktischen hygienischen Erwägungen aufbauenden Untersuchung wäre hinreichend erfüllt, wenn […] willensstarke Männer sich dieser so sehr der Führung bedürfenden Bevölkerung annehmen wollten, um im Sinn der skizzierten Maßnahmen das Erziehungswerk zu beginnen […]; diesen Erziehern einer neuen deutschen Jugend würden sich die ärztlich geschulten jungen Kräfte der Universitäten Frankens mit Freude zugesellen, um gemeinsam mit ihnen an der Schaffung der Voraussetzungen für das Erstehen eines gesunden Volkstums auf dem Land mitzuarbeiten, und dadurch mitzuwirken, ein so lang vergessenes Stück alter deutscher Erde wieder eng an das Herzstück des Reiches zu ketten, dessen Stolz und Reichtum es schon vor 1000 Jahren gewesen war.“581 Das Referat zu seiner Habilitationsschrift wurde von Karl von Angerer (1883-1945), Leiter des Hygienisch-bakteriologischen Instituts, angefertigt. Er hob in seinem Bericht vor allem hervor, dass die Schrift „mehr als eine Laboratoriumsarbeit, die Persönlichkeit des Verfassers uns erkennen lässt: Ohne Ueberheblichkeit, ohne Phrasen, ohne Sentimentalität, ohne Utopien ist hier ein einsichtiger, energischer und warmherziger Mann am Werk, eine Notlage zu schildern und Abhilfe zu suchen.“582 Zudem attestierte von Angerer Hermann Eyer eine gute Organisationsfähigkeit und lobenswerte Nachvollziehbarkeit der Statistiken. Friedrich Jamin, Direktor der Medizinischen Poliklinik, verfasste das Korreferat und schloss sich Karl von Angerer und dessen positiver Bewertung an. Jamin betonte vor allem die „immer wieder anspornende und festhaltende schöne Form der Darstellung“583, die die Mühe, die in der Arbeit stecke, noch besser unterstreiche und in Szene setze. Abbildung 17: Die in der Habilitationsschrift untersuchte Region nahe Das Kolloquium Hermann Eyers der Tschechoslowakei wurde für den 22. Juni 1936 angesetzt und behandelte zum einen die Epidemiologie der Diphtherie, zum anderen die Bedeutung der Vitamine für die Hygiene der Ernährung. Auch hier gewann die

581 Eyer (1937), S. 199. 582 UAE C3/4a Nr. 112: Referat vom 08.05.1936. 583 Ebenda: Beibericht vom 15.05.1936 139

Fakultät den Eindruck, „dass Herr Dr. Dr. Eyer mit seiner Arbeit wie in der wissenschaftlichen Aussprache den Beweis einer a u s g e z e i c h n e t e n Leistung erbracht hat.“584 Am 29. Juli erhielt er somit seine Habilitationsurkunde. Ende Januar 1937 fand zur Vollendung des Antrags auf eine Lehrbefugnis zusätzlich die Probevorlesung über Die Bedeutung militärhygienischer Massnahmen bei der Seuchenbekämpfung im Frieden und im Krieg statt und am 4. März 1937 wurde Hermann Eyer die Dozentur für Hygiene und Bakteriologie erteilt. Dekan Friedrich Jamin fasste seinen Eindruck von Eyer folgendermaßen zusammen: „Die Fakultät war übereinstimmend von dem Ergebnis der Lehrprobe sehr befriedigt und fand dadurch den schon früher gewonnen Eindruck verstärkt, dass sie in Herrn Dr. med. habil. E y e r einen dank seiner Kenntnisse und seiner scharfblickenden, gründlichen und ungemein tatkräftig schwungvollen wissenschaftlichen Arbeitsweise, seines geschickten Vortrags und seines geschlossenen charaktervollen Wesens hervorragend befähigten Lehrer für den Hochschulunterricht gewinnen wird.“585 Schon im Mai 1936, also vor seiner offiziellen Lehrbefugnis stand er im Vorlesungsverzeichnis der Medizinischen Fakultät. Zusammen mit Karl von Angerer hielt er die Vorlesung über Lager- und Sporthygiene. Einen knappen Monat nach Erteilung seiner Dozentur erhielt Hermann Eyer vom Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Genehmigung eines zweijährigen Urlaubes, den er zur wissenschaftlichen Weiterbildung am Robert Koch-Institut verwenden wollte.586 Er arbeitete dort in der Abteilung für Virusforschung und befasste sich mit Vakzineinfektionen an Nagern.587 Am 1. April 1937 wurde er schließlich nach Berlin versetzt und war von nun an Mitglied der dortigen Medizinischen Fakultät.588 1938 verheiratete sich Hermann Eyer mit Trudl Decker, mit der er zwei Kinder hatte. Im Februar 1943 wurde er zum außerplanmäßigen Professor der Universität Berlin ernannt.589 Von 1939 bis 1944 arbeitete er im Rang eines Oberstabsarztes als Leiter des Instituts für Fleckfieber- und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres, welches in Krakau angesiedelt war.590 Dort brachte er anders als seine Kollegen „erbbiologische Gesichtspunkte in die Fleckfieberforschung ein“ und sah vor allem polnische Juden als Infektionsquelle an.591 Im Rahmen dieser Tätigkeit führte er laut Ernst Klees biographischem Eintrag im Personenlexikon zum Dritten Reich, welcher sich auf Tagebuchaufzeichnungen von SS-Hauptsturmführer Dr. Erwin Ding-Schuler (1912-1945) bezieht, auch Impfstoff-Experimente im Konzentrationslager Buchenwald an künstlich infizierten Häftlingen durch.592 Als sich 1960 die Limburger

584 584 UAE C3/4a Nr. 112: Brief von Dekan Friedrich Jamin an den Rektor der Universität Erlangen vom 30.06.1936. 585 Ebenda: Brief von Dekan Friedrich Jamin an den Rektor der Universität Erlangen vom 23.01.1937. 586 UAE C3/4a Nr. 112. 587 Werther (2004), S. 51. 588 UAE C3/4a Nr. 112. 589 UAE F2/1 Nr. 3259. 590 Klee (2013), S. 142; vgl. hierzu auch Klee (2002). Stellvertretender Direktor und Mitarbeiter Eyers in Krakau war Heinrich Mückter (1914-1987), der spätere Forschungsleiter der Firma Grünthal. Die Firma vertrieb zwischen 1957 und 1961 das Schlafmittel Contergan (Lenhard-Schramm (2016), S. 135). 591 Werther (2004), S. 51f. 592 Klee (2013), S. 142. 140

Staatsanwaltschaft der Vorgänge im KZ Buchenwald annahm, wurde auch gegen Hermann Eyer ermittelt. Das Verfahren wurde jedoch ein Jahr später eingestellt, die Staatsanwalt könne nach 19 Jahren kein eindeutiges Bild mehr über das Zustandekommen der Menschenversuche gewinnen. Von Eyer habe man laut Staatsanwaltschaft aufgrund der Befehlsstruktur nicht erwarten können, dass er anders hätte handeln können.593 Im August 1946 wechselte Hermann Eyer aus Berlin als Ordinarius für Hygiene an die Universität Bonn und im September 1957 an die Universität in München.594 Dort arbeitete er bis 1977 als Direktor des Max-von-Pettenkofer-Instituts für Hygiene und Mikrobiologie.595 Zu seinem 65. Geburtstag widmeten ihm dortige Kollegen und Schüler eine Festschrift mit gesammelten Beiträgen über Hygiene und Mikrobiologie. Sein Arbeiten und Wirken in Erlangen fand darin keine Erwähnung.596 Hermann Eyer war zudem Kuratoriumsvorsitzender der Bayerischen Akademie für Arbeitsmedizin und Mitglied des Wehrmedizinischen Beirats der Bundeswehr. Am 28. Februar 1997 verstarb Hermann Eyer mit 91 Jahren in München.597 Unter anderem hatte er die Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste, den Bayerischen Verdienstorden und 1986 das Bundesverdienstkreuz I. Klasse erhalten. Er war außerdem Mitglied der Leopoldina und des Bundesgesundheitsrates.598 Seit 1966 hatte er zudem als Vorsitzender des Ausschusses für die ärztliche und zahnärztliche Prüfung fungiert.599

3.3.7. Adolf Abraham Gustav Bingel Eine entscheidende Rolle für die Psychiatrie in Erlangen spielte der Internist, Psychiater und Neurologe Adolf Abraham Gustav Bingel.600 Als erstes Klinikum Deutschlands konnte Erlangen dank ihm die Methode der Elektrokonvulsionstherapie

593 Werther (2004), S. 215f. 594 UAE F2/1 Nr. 3259. 595 In dieser Funktion gab Hermann Eyer unter anderem ein Interview über die Verantwortung von Laboratoriumsärzten, welches 1977 im Deutschen Ärzteblatt erschien und in welchem er dafür eintrat, dass medizinische Labordiagnostik letztendlich immer von einem Facharzt interpretiert und in Kontext gesetzt werden sollte. (Deutsches Ärzteblatt, 01.09.1977). 596 Schierz (1971). 597 Quellen zum gesamten Absatz: Deutsches Ärzteblatt, 04.04.1997; Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Eyer, Hermann. 598 Klee (2013), S. 142. 599 Münchener Medizinische Wochenschrift (1976), S. 865. 600 Nicht zu verwechseln ist der hier gemeinte Internist und Psychiater Adolf Abraham Gustav Bingel (1901-1982) aus Wuppertal-Barmen mit dem Internisten Adolf Bingel (1879-1953) aus Koblenz (Müller, Hermes und Piepgras (1995)).

141 anwenden.601 Im November 1939 lieferten ihm die Siemens-Reiniger-Werke aus Erlangen die nötige Apparatur, die er dort zuvor in Auftrag gegeben hatte und bereits Anfang Dezember 1939 vermeldete Adolf Bingel positive Ergebnisse der Therapieform, die erst kurz zuvor auf dem Dritten Internationalen Kongress für Neurologie in Kopenhagen vorgestellt worden war.602 Kurz darauf konnte sich Bingel an der Universität Erlangen habilitieren. Adolf Abraham603 Gustav Bingel wurde am 5. Juli 1901 als Sohn des Kaufmanns Gustav Adolf Bingel und seiner Ehefrau Lisette, geborene Rockel, in Wuppertal- Barmen geboren. Er hatte einen Bruder und wurde evangelisch erzogen. Bis 1920 besuchte er das Gymnasium in Wuppertal-Barmen und begann zum Sommersemester 1920 sein Medizinstudium in Freiburg im Breisgau. Zum Wintersemester 1921/22 wechselte er an die Universität in Marburg an der Lahn und absolvierte dort 1925 sein medizinisches Staatsexamen mit Bestnote. In seiner Burschenschaft ‚Rheinfranken‘ hatte Bingel in Marburg bis zu diesem Zeitpunkt als ‚Paukarzt‘ Nachhilfe für Studenten in vorklinischen Semestern gegeben. Seine Medizinalpraktikantenzeit verbrachte Bingel in der Augenklinik und an der Medizinischen Klinik I in Marburg an der Lahn. Nach seiner Approbation, die er am 1. Juli 1926 erhielt, vertrat Adolf Bingel zunächst einen Monat in einer Landarztpraxis in Brilon in Westfalen. Im August trat Abbildung 18: Der Elektrokonvulsator er eine Stelle als klinischer Assistent in der Medizinischen Abteilung des Bürgerhospitals in Frankfurt am Main an, zum 1. Juli 1928 wechselte er an die Städtischen Krankenanstalten in Bremen, wo er auch seine Doktorarbeit fertigstellte und am 3. Mai 1930 promoviert wurde. Er vollendete dort ebenfalls seine Facharztausbildung in Innerer Medizin. Von Februar

601 Braun und Kornhuber (2013), S. 586. Bei der Elektrokonvulsionstherapie (EKT) wird mittels elektrischen Stroms ein generalisierter Krampfanfall bei Patienten vor allem mit affektiven oder schizophrenen Krankheitsbildern ausgelöst. Die EKT folgt Erkenntnissen, die bereits im 16. Jahrhundert gewonnen wurden und besagen, dass epileptische Anfälle Linderung bei psychischen Erkrankungen bringen können, und ist Nachfolger der pharmakologischen Konvulsionsbehandlung. Dabei stellte sich die neue Therapie mit Strom als wesentlich zuverlässiger und weniger quälend dar. Vor allem durch die Einführung der Muskelrelaxation während der Behandlung, eine unilaterale Elektrodenplatzierung und die Applikation des Stroms in Form von Rechteckimpulsen reduzierten die Nebenwirkungen der EKT entscheidend. Dennoch ist das Verfahren auch heute noch stigmatisiert und oft negativ konnotiert: Die Verwendung von Elektroschocks während des Dritten Reichs, die allerdings nicht gleichzusetzen sind mit der EKT, die sehr großzügige Indikationsstellung für die Behandlung in den 1940ern und 1950ern, sensationsheischende Medienberichte über halböffentliche Behandlungen, teilweise fehlende Zustimmung der Patienten und die Antipsychiatriebewegung der 1960er und 1970er Jahre trugen ihren Teil dazu bei. Seit Ende des 20. Jahrhunderts ist trotz großer Fortschritte bei der Entwicklung von medikamentösen Antipsychotika eine Renaissance der EKT zu beobachten und Wissenschaftler betonen immer wieder die evidenzbasierte hohe Wirksamkeit der Methode, wenn auch für den Einsatz als Ultima ratio (Reinke, Bertram und Grözinger (2013), S. 3-14). 602 Ude-Koeller (2016b), S. 254f.; Rzesnitzek und Lang (2017), S. 66-88, Lang (2013), S. 216-232. 603 Seinen hebräischen Vornamen ‚Abraham‘ erwähnte Adolf Bingel später wohl bewusst in offiziellen Dokumenten wie dem Nachweis seiner arischen Abstammung nicht mehr (UAE F2/1 Nr. 3212: Nachweis der arischen Abstammung). 142 bis Mai 1931 wurde er für einen Studienaufenthalt an der Neurologischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg beurlaubt. Im August 1931 begann Adolf Bingel seine Arbeit als Volontärassistent am Physiologischen Institut in Leipzig, zum 1. Oktober kehrte er an das Allgemeine Krankenhaus St. Georg in Hamburg zurück und arbeitete dort als klinischer Assistent in der Neurologischen Abteilung. Im November 1933 trat Adolf Bingel in die SA ein, wo er zum Obersturmführer aufstieg. Später wurde er zudem unter anderem Mitglied in der NSDAP, dem NS-Ärztebund und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Zum 1. August 1934 übernahm er die Stelle des kommissarischen Leiters der Neurologischen Abteilung des St. Georg Krankenhauses. An die Neurologische Klinik in Hamburg- Eppendorf wechselte er zum Februar 1935 und ab 1. März 1937 arbeitete der „sehr gut internistisch, psychiatrisch und insbesondere neurologisch vorgebildete“604 Adolf Bingel auf Empfehlung als Oberarzt an der Psychiatrischen und Nervenklinik in Erlangen. Er wurde damit Berthold Kihns Nachfolger. 1935 hatte er sich mit der Kinderärztin Dr. med. Elisabeth Gättsche verheiratet.605 In Erlangen reichte er 1940 seine Habilitationsschrift Über die Tagesperiodik Geisteskranker dargestellt am Elektrodermatogramm606 bei der Medizinischen Fakultät ein, worin er sich mit der damals neuen naturwissenschaftlichen Methode der Rhythmusforschung, in diesem Falle der Haut, v.a. im Tagesverlauf befasste. Die Schrift liegt in gekürzter Form als Sonderdruck der Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie auf 36 Seiten vor. Einige Jahre zuvor war die mahlzeitenunabhängige Tagesrhythmik der Leber entdeckt worden, ebenso wie die Tages- und Jahresschwankungen der Hypophyse. Bingel untersuchte nun Erlanger Patientenkollektive aus Manisch-Depressiven, Schizophrenen und Paralytikern bezüglich elektrischer Schwankungen der Haut und entwickelte Zusammenhänge zwischen dem jeweiligen psychischen Befund und der Tagesrhythmik des Patienten. Ergänzend zog er Blutzucker-, Blutbild- und Urin-pH-Werte zu Rate. Er kam zu dem Schluss, dass „bei schizoiden und schizophrenen Abbildung 19: Adolf Bingel ca. 1967 Menschen der Morgentyp, bei Cyclothymen und Manisch-Depressiven der Abendtyp vorherrscht“607, Erstere also in der Regel morgens aktiver sind, während bei Letzteren der Stimmungs- und Aktivitätsgipfel eher in den späteren Tagesstunden liegt. In dieser Erkenntnis sah er eine große Bedeutung für die Terminierung der Therapie dieser psychiatrischen Krankheitsbilder und die

604 Zitiert nach Braun und Kornhuber (2013), S. 587. 605 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 120; UAE C3/5 Nr. 53; UAE F2/1 Nr. 3212; Wittern (1999), S. 11f.; Braun und Kornhuber (2013), S. 587. 606 Bingel (1940). 607 Ebenda, S. 439. 143

Strukturierung des Tagesablaufs der Patienten.608 Vor allem bei affektiven Krankheitsbildern spielt das auch heute noch eine entscheidende Rolle. Der Erstgutachter Friedrich Meggendorfer (1880-1953), Leiter der Psychiatrischen und Nervenklinik609, hielt Bingels Arbeit für eine „ohne Zweifel […] sehr gute wissenschaftliche Leistung“610. Da er Bingel auch persönlich als sehr gebildet, engagiert und sein Verhalten für „in jeder Hinsicht einwandfrei“611 empfand, empfahl er der Fakultät seine Habilitation. Dekan Greving änderte diese Formulierung in seiner Empfehlung an den Rektor der Universität Erlangen später etwas ab, und empfahl Bingel aufgrund seines charakterlich eiwandfreien Verhaltens für die Venia legendi. 612 Das Korreferat wurde vom Leiter der Klinik und Poliklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten Leonhardt Hauck verfasst. Auch er lobte Bingels Arbeit als wertvoll, wichtig für die weitere Forschung und Nachweis seiner Eignung. Nach seinem Kolloquium, über das nichts Genaueres bekannt ist613, wurde er zudem zur öffentlichen Lehrprobe am 24. Mai 1939 zugelassen. Er sprach über Psychische Störungen bei endokrinen Erkrankungen und wurde ein gutes Jahr später am 29. Mai 1940 in Abwesenheit, da er Kriegsdienst leistete, zum Privatdozenten für Psychiatrie und Neurologie ernannt und der Universität Erlangen zugewiesen. Er war zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt.614 Während des Krieges war Adolf Bingel als Stabsarzt der Luftwaffe eingesetzt und in dieser Position lange Zeit in Norwegen gebunden. Es finden sich mehrere vergebliche Gesuche Friedrich Meggendorfers, ihn aus Personalgründen zurück nach Erlangen versetzen zu lassen. Nach Einmarsch der Alliierten wurde Adolf Bingel im November 1945 aus seinen Ämtern entlassen, fand allerdings fast zeitgleich eine Anstellung am luftfahrtmedizinischen Stab der Amerikaner in Heidelberg. Er wurde schließlich von der Militärregierung als ‚Mitläufer‘ eingestuft, die „im Zuge der Entnazifizierung bei den Spruchkammern einzureichenden sogenannten <> zeigen Bingel als verantwortungsbewussten, christlichen Traditionen verpflichteten humanen Arzt.“615 Kurz darauf wanderte Adolf Bingel im Zuge des sogenannten ‚Projekts Paperclip‘616 in die USA aus und arbeitete anschließend in Houston, Texas, für die US-Armee als beratender Neurologe an der School of Aviation Medicine. 1950 übernahm er die Funktion eines beratenden Neurologen am Brooke Army-Hospital in Fort Sam. In den USA verheiratete sich Adolf Bingel 1953 ein zweites Mal. Ein Jahr später fand er eine Anstellung als Chefarzt der

608 Quellen zum gesamten Absatz: Bingel (1940); Braun und Kornhuber (2013), S. 589. 609 Leven und Rath (2016), S. 524, Rauh (2016e), S. 269-271, Rauh (2018b), S. 117-119. 610 UAE C3/4a Nr. 120: Bericht von Friedrich Meggendorfer vom 28.01.1939. 611 Ebenda. 612 UAE C3/4a Nr. 120: Schreiben von Richard Greving an den Rektor der Universität Erlangen vom 11.12.1939. 613 Vgl. UAE C3/4a Nr. 120. 614 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 120; Wittern (1999), S. 12. 615 Braun und Kornhuber (2013), S. 587. 616 Im Rahmen des ‚Projekts Paperclip‘ wurden deutsche Wissenschaftler und Techniker nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die USA geholt, um sich deren Wissen und Fähigkeiten v.a. im militärischen Bereich zu Nutze zu machen. Teils hatten diese Personen während des Dritten Reichs hohe Positionen innegehabt und waren Parteimitglieder gewesen. Sie entgingen so in Deutschland der Strafverfolgung durch die alliierte Militärregierung (Gimbel (1990), S. 343–366). 144

Neurologischen Abteilung am Veterans Administration-Hospital in Houston und wurde gleichzeitig Associate Professor für Neurologie der Baylor-University in Houston. Die Universität Erlangen verlieh ihm im September 1957 den Titel eines Dozenten a.D. 617, er war außerdem Träger des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse. Adolf Bingel verstarb am 23. April 1982 im Alter von 81 Jahren in Houston in Texas.618

3.3.8. Johannes Schottky Johannes Schottky ist neben dem Zahnmediziner Christian Hans Greve (1870- 1955) im Jahr 1921619 der einzige Habilitand der Medizinischen Fakultät Erlangen, der im Untersuchungszeitraum von 1918 bis 1960 zur Vollziehung der Habilitation keine gesonderte Schrift einreichen musste. Gemäß Paragraphen vier der Reichshabilitationsordnung von 1934 bzw. fünf der Reichshabilitationsordnung von 1939 war dies möglich, wenn die verantwortlichen Instanzen zu dem Schluss kamen, dass sie den Bewerber durch bisherige Veröffentlichungen schon zur Genüge beurteilen konnten.620 Dieses Vorgehen fand in seinem Fall Anwendung. Geboren wurde Johannes Schottky am 17. September 1902 in Frankfurt an der Oder als Sohn des Kaufmannes Martin Schottky und seiner Frau Laura, geborene Tillig. Er wurde protestantisch erzogen. Von 1912 bis 1921 besuchte er das Friedrichs-Gymnasium in Frankfurt an der Oder und begann anschließend das Medizinstudium zunächst in Berlin. Dort legte er 1924 die Vorprüfung ab und studierte dann in Tübingen und schließlich in München, wo er 1928 auch zum Staatsexamen antrat. Laut seinem Lebenslauf war er zuvor aufgrund einer Pneumotyphuserkrankung zwei Jahre lang krankgeschrieben. Mit 27 Jahren heiratete Johannes Schottky im Jahr 1929 Dr. phil. et med. Hedwig Meyer, eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Für betonenswert hielt er in seinem Lebenslauf die Tatsache, dass sie jedoch seit Jahren nicht mehr arbeitete. Auch Frau Schottky zählte also zu jenen Ehefrauen, deren Aufgaben lediglich der bereits in Kapitel 3.2.3. Soziale Faktoren angesprochene „Hausgebrauch respektive die Abbildung 20: Johannes Schottky am 25. November 1936 umrahmende Begleitung gehobener Geselligkeit“ waren.621 Im gleichen Jahr begann Johannes Schottky Praktikantenzeit in Leipzig, während der er an das Krankenhaus München-Schwabing wechselte, wo er zuletzt in der psychiatrischen Abteilung tätig war. 1930 wurde Johannes Schottky an der Ludwig-

617 Wittern (1999), S. 12; Braun und Kornhuber (2013), S. 588. 618 Quellen zum gesamten Absatz: Ude-Koeller (2016b), S. 254; Thum (2018d), S. 208; UAE C3/5 Nr. 53; UAE F2/1 Nr. 3212; Braun und Kornhuber (2013), S. 588. 619 UAE C3/4a Nr. 83; Wittern (1999), S. 57f. 620 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934 §4; Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (1939), S. 127 §5. 621 Siehe hierfür S. 97. 145

Maximilians-Universität München mit einer Arbeit über Die Veränderung der Alkoholwirkung bei gleichzeitiger Aufnahme von Fett- oder Eiweissnahrung ‚cum laude‘ zum Dr. med. promoviert. Anschließend arbeitete er als Assistenzarzt von Februar 1930 bis Dezember 1933 in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses München-Schwabing und war gleichzeitig als wissenschaftlicher Assistent bei der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München angestellt. Im April 1933 trat er in die NSDAP ein, Ernst Klee listet ihn zudem als SS-Obersturmführer auf.622 Auf Ruf des Reichsbauernführers Richard Walther Darré (1895-1953)623 arbeitete Schottky ab Ende 1933 hauptamtlich im 1932 gegründeten Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) der SS in Berlin. Das RuSHA war vor allem für Heiratsgenehmigungen und Rassenuntersuchungen zunächst nur der SS, später der gesamten Bevölkerung der besetzten Gebiete sowie Prozesse der Ein- und Ausbürgerung zuständig, es war die „Koordinationszentrale der SS-Siedlungs- und Rassenpolitik“624. Im Frühjahr 1934 steig er dort zum Leiter der Abteilung für Erbpflege und Gesundheitsführung auf. Zuständig war er in dieser Position vor allem für die Entwicklung und den Ausbau der Neubauernauslese, also das Verfahren zur Akquirierung geeigneter, neuer Landwirte für die ländlichen Ansiedelungsprojekte des RuSHA. Ausschlaggebend für die Eignung zum Bauern waren laut RuSHA vor allem menschliche, will heißen rassische Aspekte. Am 1. Dezember 1936 übernahm Schottky dann auf Aufforderung des Thüringischen Innenministeriums die Leitung der Landesheil- und Pflegeanstalt Hildburghausen, wo er laut eigener Auskunft Gutachten erstellte und für Erbgesundheitsverfahren zuständig war.625 Christine Wolters beschreibt die Arbeit an der Landesheil- und Pflegeanstalt Hildburghausen als Zwangsasylierung von psychiatrischen Patienten, deren Ziel es war, in der Anstalt eine weite Verbreitung von Tuberkuloseinfektionen zu provozieren, um dort einerseits Medikamente testen zu können, andererseits aber auch die Patienten dann mit wiederum kaum stattfindender medizinischer Versorgung kostengünstig sterben zu lassen.626 In der Festschrift zum 150jährigen Jubiläum der Helios Fachkliniken Hildburghausen, so der heutige Name der ehemaligen Landesheil- und Pflegeanstalt Hildburghausen, aus dem Jahr 2016 schreibt Rainer Bayerlein zudem, dass aus den Strafakten Johannes Schottkys hervorgeht, dass unter seiner ärztlichen Leitung „in den Jahren 1940 und 1941 eine ganze Reihe von Kranken

622 Klee (2013), S. 558. 623 Bundesarchiv: www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei. 624 Heinemann (2003), S. 10. 625 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 124; Wittern (1999), S. 172, Heinemann (2003), S. 9-47 und S. 71-73. 626 Wolters (2011), S. 85f.

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<> wurden“ im Rahmen der ‚Aktion T4‘. ‚Verlegung‘ war hierbei ein bekannter Euphemismus für den Transport in Tötungsanstalten.627 1938 wurde Johannes Schottky zum Obermedizinalrat ernannt und war damit Beamter auf Lebenszeit. 1939 schied er auf eigenen Antrag wegen Militäruntauglichkeit wohl wegen eines versteiften linken Armes aus der SS aus. Da er jedoch weiterhin Mitglied in der Deutschen Arbeitsfront, der Nationalsozialistischen Wohlfahrt und dem Reichsluftschutzbund war, wurde seine politische Zuverlässigkeit im Sinne des Nationalsozialismus nicht angezweifelt.628 Bereits im Februar 1937 hatte Johannes Schottky Kontakt mit der Universität Erlangen aufgenommen, um über eine mögliche Habilitation zu korrespondieren. In einem ersten Schreiben führte er aus, dass er für eine Habilitationsschrift keine Zeit habe und es präferieren würde, wenn sein Buch Rasse und Krankheit aus dem Jahr 1937 anstelle einer neuen Schrift herangezogen werden würde. Schottky ging in dem Schriftstück in Zusammenarbeit mit 15 ärztlichen Kollegen – unter anderem dem Erlanger Oberarzt der Psychiatrischen und Nervenklinik Dr. Berthold Kihn629 – auf zahlreiche medizinische Einzelfächer ein und stellte Verbindungen zwischen Krankheitsbildern und dem Thema Rasse her. Untermalt wurden die Thesen durch Fotographien und Zeichnungen. Schottkys Beiträge in dieser Schrift waren der einleitende Abschnitt ‚Rasse und Krankheit‘, sowie die Artikel ‚Rasse und Geisteskrankheiten‘ und ‚Rassenfragen beim Schwachsinn und den Psychopathien‘. Er selbst sah das Buch als Versuch eines Überblickwerkes bisheriger Arbeiten zu diesen Themen an.630 Dekan Friedrich Wilhelm Jamin zeigte sich dem Vorschlag gegenüber, Rasse und Krankheit als Äquivalent einer Habilitationsschrift zu akzeptieren, nicht abgeneigt und beriet sich daraufhin mit dem Leiter der Psychiatrischen und Nervenklinik Friedrich Meggendorfer. Dieser verfasste am 9. Februar 1937 ein Gutachten über Schottkys veröffentlichte Arbeiten mit besonderem Augenmerk auf eben dieses Buch und stellte dabei fest:

627 Bayerlein (2016), S. 41-48; Zitat: Ebenda, S. 45. Bis zu 160 Patienten auf einmal wurden aus Hildburghausen unter Bewachung durch die SS in die Zwischenstation Zschadraß transportiert, um von dort in Tötungsanstalten in Brandenburg und nach Pirna / Sonnenstein gebracht zu werden. Der Begriff ‚verlegt‘ fand sich dabei in den Büchern vieler Kliniken als harmlose Bezeichnung für den Transport in die ‚T4‘-Tötungsanstalten. Konkret schreibt Bayerlein von 145 Patienten am 04.10.1940 in Hildburghausen, die über Zschadraß ‚verlegt‘ wurden, und von weiteren 122 Personen am 16. und 18.06.1941 mit Zielort Pirna / Sonnenstein. Als jedoch Angehörige und die Kirche protestierten, wurden die Transporte offiziell gestoppt. Das Töten ging nun in Form von ‚wilder Euthanasie‘, wie Bayerlein es nennt, weiter: Durch leichte Überdosierungen von Barbituraten, den Hungertod und schließlich das Leben in Notunterkünften, in welche die Patienten ausweichen mussten, um Platz für Reservelazarette für Kriegsverletzte zu machen. „Die Gestaltung dieser Unterkünfte ließ ein längeres Überleben der Insassen nicht erwarten" (Ebenda, S. 41-48). 628 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 124; Wittern (1999), S. 172. 629 Rauh (2016a), S. 214. 630 Schottky (1937). 147

„Die Arbeiten des Herrn Schottky liegen auf den verschiedensten Gebieten der Psychiatrie und Neurologie, insbesondere auf klinisch-psychiatrischem Gebiete mit starker Betonung von erbbiologischen und rassenhygienischen Gesichtspunkten.631 Sie stellen durchweg wertvolle, klare und kritische Leistungen dar. […] Nach alledem bin ich der Überzeugung, dass in den Arbeiten des Herrn Dr. Schottky, insbesondere in seinem Buch ‚Rasse und Krankheit‘ die Vorbedingungen für eine Habilitation, d.h. eine neue und selbstständige wissenschaftliche Arbeit erfüllt sind, so dass nach § 4,4 der RHO von der Einreichung einer neuen Arbeit Abstand genommen werden könnte.“632 Die dennoch abzulegende wissenschaftliche Aussprache jedoch überraschte Johannes Schottky, der dafür laut eigenen Angaben zunächst auch keine Zeit hatte. Im Dezember 1938 beriet sich Meggendorfer erneut mit dem Dekan, mittlerweile

Abbildung 21: Zwei Fotografien von Berthold Kihn zu Johannes Schottkys Text "Rasse und Geisteskrankheiten" Richard Wilhelm Greving, da Johannes Schottky in der Zwischenzeit andere Habilitationsangebote aus Abbildung 22: Als Habilitationsschrift anerkanntes Werk "Rasse und Krankheit" Bonn, Berlin und Jena erhalten hatte. Er bevorzugte aber nach wie vor ein vereinfachtes Verfahren in Erlangen, was Meggendorfer aufgrund des damaligem großen wissenschaftlichen Ansehens Johannes Schottkys stark befürwortete. Auch Bertold Kihn, ehemaliger Privatdozent und Oberarzt für Psychiatrie am Klinikum Erlangen und wie oben erwähnt Co-Autor von Johannes Schottky, meldete sich aus Stadtroda schriftlich zu Wort, um sich für ein unkompliziertes Verfahren im Falle Schottky stark zu machen: „Seien Sie also so gut und erleichtern Sie ihm sein Vorhaben, soweit es nur irgend möglich ist; es ist ja doch im wesentlichen [sic!] nur Formsache.“633 In einem Schreiben vom Dezember 1941 wurde Schottky schließlich mittgeteilt, dass auf eine wissenschaftliche Aussprache zur Vollziehung der Habilitation nicht verzichtet werden konnte. Nach einigen Terminverschiebungen, die teils wegen Johannes Schottkys Gesundheit und

631 In leicht abgewandelter Form erschien diese Aussage auch in dem Artikel der Erlanger Neuesten Nachrichten vom 03. September 1943, der die Zuweisung Johannes Schottkys an die Medizinische Fakultät der Universität Erlangen verkündete (Erlanger Neueste Nachrichten, 03.09.1943). 632 UAE C3/4a Nr. 124. 633 Ebenda: Brief von Bertold Kihn an Richard Greving vom 24.05.1937. 148

Arbeitsbelastung unternommen wurden, teils von Seiten Meggendorfers nötig waren, kam es am 5. Juni 1942 zum Kolloquium über Die konstitutionelle Disposition zu traumatischen und postoperativen psychischen Erkrankungen und Theorien über das Zustandekommen choreatischer Störungen. Johannes Schottkys Probevorlesung Um ein neues Bauerntum (über die Eignung zum Neubauern), bei der er lieber nur eine Stunde anstelle der üblichen zwei bis drei Stunden reden wollte, fand am 12. Februar 1943 statt. Er dozierte darin über die Geschichte des Bauernstandes und die Versuche des Nationalsozialismus, den Stand der Bauern zu erhalten und verbessern, da dieser für die Volksgesundheit von Bedeutung sei. Am 22. Juli 1943 schließlich wurde ihm mit 40 Jahren durch den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Dozentur für Psychiatrie, Neurologie und – als einzigem im Untersuchungszeitraum von 1918 bis 1960 – für Rassenhygiene verliehen und er wurde der Medizinischen Fakultät Erlangen zugewiesen. Mit seiner Frau Hedwig hatte er zu diesem Zeitpunkt vier Kinder. Im gleichen Jahr trat er in die physikalisch-medizinische Sozietät Erlangen ein, seine Arbeit in der Heil- und Pflegeanstalt Hildburghausen war durch die Dozentur jedoch nicht beeinträchtigt.634 Ein Jahr später wurde er von Adolf Hitlers Begleitarzt und dem Verantwortlichen der ‚Aktion T4‘ Karl Brandt635 (1904-1948) für den Lehrstuhl Rassenhygiene in München vorgeschlagen, wohin er jedoch nicht wechselte.636 Im April 1945 wurde Johannes Schottky von der alliierten Militärregierung interniert und schließlich seine Entlassung aus der Universität und dem Klinikum Abbildung 21: Postkarte der Heil- und Pflegeanstalt Hildburghausen von 1928 Erlangen erwirkt. Über weitere juristische Vorgänge zur ‚Entnazifizierung‘ ist nichts überliefert. Er gründete nach seiner Gefangenschaft eine nervenärztliche Praxis in Herford in Westfalen, der Heimat seiner Ehefrau, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1978 führte. Im Alter zog er mit seiner Frau nach Werneck in Unterfranken zu einem seiner Söhne. Dort starb er am 24. April 1992 im Alter von 89 Jahren.637 Die Habilitation von Johannes Schottky steht beispielhaft für die Möglichkeiten, die der Nationalsozialismus regimetreuen Anhängern gerade auch in Erlangen bot. Jeweils auf persönliche Empfehlungen hin stieg er die Karriereleiter empor und schließlich fand er einen vereinfachten Weg, eine Dozentur zu erlangen: Die Reichshabilitationsordnung ermöglichte ihm ein beschleunigtes Habilitationsverfahren ohne eine entsprechende Schrift anfertigen zu müssen mit zusätzlich verkürzter

634 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4a Nr. 124; Wittern (1999), S. 172. 635 Schmidt (2009). 636 Klee (2013), S. 558. 637 Quellen zum gesamten Absatz: Wittern (1999), S. 172; Brief von Albrecht Schottky an Astrid Ley vom 05.05.1997. 149

Probevorlesung. Dass diese inhaltlich mit der medizinisch-psychiatrischen Arbeit Johannes Schottkys kaum in Verbindung stand, sondern vielmehr auf seine Aufgaben im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS zurückgriff, weist ebenfalls auf seine Sonderstellung unter den Habilitanden hin. Warum sich Johannes Schottky allerdings nur in Erlangen habilitieren wollte, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Es bleibt eine Vermutung, die auch in der Tatsache anklingt, dass er Angebote von anderen größeren Universitäten erhielt und er trotz zeitlicher Verzögerungen an Erlangen festhielt: Angeregt von Berthold Kihn traf er hier in Form von Friedrich Meggendorfer und den Dekanen Jamin und Greving auf politisch Gleichgesinnte, die viel daran setzten, ihn für die hiesige Universität zu gewinnen. Einen ähnlich komfortablen Weg zur Habilitation hätte er anderswo wahrscheinlich nicht gefunden.

3.3.9. Walter Ritter von Baeyer Als wesentlichen Impulsgeber und Mitgestalter der Nachkriegspsychiatrie und Entwickler sowohl der Sozialpsychiatrie als auch der Psychotraumatologie bezeichnete 2004 das Deutsche Ärzteblatt Walter Ritter von Baeyer. Zudem sei er einer der führenden Kräfte gewesen, die die Missstände im Bereich der Psychiatrie in den 1970er Jahren öffentlich anprangerten. „Die ganze Fülle der von von Baeyer vertretenen Psychiatrie ist heute wohl kaum mehr zu erreichen“, resümierte der euphorische Artikel über das Wirken des gefeierten Psychiaters.638 Zu einem der bedeutendsten Vertreter der psychiatrischen Anthropologie, also der Verknüpfung von psychiatrischen Leiden und Lebensführung bzw. zwischenmenschlichen Beziehungen, erhob ihn auch der Artikel zu seinem 65. Geburtstag in der Zeitschrift Sozialpsychiatrie.639 Zweifelsohne war Walter Ritter von Baeyer also ein wichtiger Vertreter der Psychiatrie nach 1945 und, wie sein Lebenslauf zeigt, trotz Kompromissen und Rückschlägen während des nationalsozialistischen Regimes schließlich erfolgreich in der akademischen Welt.

638 Kretz (2004), S. 559f. 639 Häfner und Kisker (1969), S. 85f. 150

Walter Ritter von Baeyer wurde am 28. Mai 1904 in München in eine evangelische Gelehrtenfamilie mit drei Geschwistern geboren. Sein Vater war Hans Ritter von Baeyer, ordentlicher Professor für Orthopädie an der Universität Heidelberg, seine Mutter Hildegard von Baeyer, geborene Merkel. Auch seinen weiter entfernten Verwandten gebührt Erwähnung. Sein Urgroßvater Johann Jakob, Begründer der europäischen Gradmessung, gilt als einer „der bedeutendsten Geographen seiner Zeit“640. Sein Großvater väterlicherseits, Johann Friedrich Wilhelm Adolf von Baeyer (1835-1917), erhielt 1905 den Chemie-Nobelpreis641 für die Entdeckung der Indigosynthese, der Großvater mütterlicherseits arbeitete als Jura-Professor in Göttingen und ein Onkel war als Physik-Professor in Berlin tätig.642 Walter Ritter von Baeyer besuchte zunächst eine Privatschule, dann das Theresien- Gymnasium in München und von 1918 bis 1922 das Gymnasium in Heidelberg. Dort begann er 1922 auch sein Medizinstudium, wechselte später an die Universitäten in München und Berlin und schrieb 1927 sein Staatsexamen in Heidelberg. Obwohl er ursprünglich ausdrücklich beschlossen hatte, kein Psychiater zu werden, war er als Medizinalpraktikant zunächst an der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg tätig und arbeitete dann an der Medizinischen Klinik in Düsseldorf. Im Jahr 1928 wurde er mit der Arbeit Zur Psychologie verkrüppelter Kinder und Jugendlicher643 zum Dr. med. promoviert und trat eine

Stelle als Volontärassistent der Abbildung 22: Walter Ritter von Baeyer neurologisch-neurochirurgischen Abteilung im Wenzel-Hancke-Krankenhaus in Breslau an. An die Psychiatrische Klinik in Heidelberg wechselte er im Jahr 1929, wo er zum Neujahrstag 1931 wissenschaftlicher Assistent wurde. Mit 29 Jahren erhielt Walter Ritter von Bayer 1934 ein Stipendium am erb- und familienbiologischen Institut der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München unter Ernst Rüdin (1874-1952)644. Als er dort die Atmosphäre jedoch als immer weniger liberal empfand, trat er ein gutes Jahr später in die Wehrmacht ein und übernahm ab 1. Oktober 1935 die Leitung der Nervenabteilung des Standortlazaretts in Nürnberg. Er arbeitete in dieser Funktion auch als Gutachter für sogenannte Kriegsneurotiker bei Kriegsgerichten während des Zweiten Weltkrieges.645 In einer Stellungnahme dazu von 1947 betont er, in dieser

640 Häfner und Kisker (1969), S. 85. 641 Nobelprize.org: The Nobel Prize in Chemistry 1905; Nobelprize.org: Adolf von Baeyer – Facts. 642 Kretz (2004), S. 559. 643 Baeyer (1928), S. 229-292. 644 Roelke (2012), S. 304. 645 Klee (2013), S. 25. 151

Funktion versucht zu haben, Urteile zu mildern.646 Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges leistete er Heeresdienst. Er war kein Mitglied der NSDAP und engagierte sich auch sonst nicht politisch. Wenige Monate nach Kriegsende erhielt er den Posten des Vorstands der Psychiatrischen und Nervenklinik Nürnberg und zugleich den Lehrauftrag für Psychiatrie im Wintersemester 1945/46 in Erlangen. Er übernahm diesen kommissarisch für den 1945 entlassenen Leiter der Psychiatrischen und Nervenklinik Friedrich Meggendorfer.647 Im gleichen Zeitraum verfasste er einen Brief an Leutnant Ben Drew Kimpel (1915- 1983)648, in dem er betonte, dass er seine Universitätslaufbahn nun sehr gerne wieder aufnehmen würde. Zudem schrieb er: „Ich bin noch nicht habilitiert, da ich nach 33 wegen meiner Abstammung nicht zur Habilitation zugelassen wurde.“649 In der Tat findet sich in von Baeyers Habilitationsakte ein Auszug des Beiblatts Nr. II seines Fragebogens, in dem er zwei jüdische Großeltern anführte.650 Aufgrund dieser Abstammung habe er in den frühen 1930er Jahren von der Universität Freiburg im Breisgau eine Absage für seine Habilitation erhalten. Da er vermutete, auch als niedergelassener Arzt mit starken Problemen konfrontiert zu werden, schrieb er weiter: „Deshalb entschloss ich mich 1935 als Sanitätsoffizier zum Heere zu gehen. Bei der Wehrmacht waren damals die Rassebestimmungen milder als im Zivilleben.“651 1944 habe dann erneut ein Versuch zur Habilitation stattgefunden, dieses Mal in München. Auch dieser sei gescheitert. Aus dem Dokument geht auch hervor, dass er sich vor 1935/1936 verheiratet hatte.652 Seine Frau war Wanda von Katte, mit ihr hatte er zwei Söhne und eine Tochter.653 Im Rahmen seines nun aktuellen Habilitationsvorgangs reichte er 1945 die Schrift Geistige Störungen bei Fleckfieber. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den Konfabulationen bei der Erlanger Medizinischen Fakultät ein, in der er die bisherigen Erkenntnisse der Psycho- und Neuropathologien bei Fleckfieber bestätigen konnte und besonderes Augenmerk auf euphorische Konfabulationen nach Abklingen des Fiebers legte. In der Habilitationsakte von Baeyers findet sich der Bericht zu seiner Arbeit, welcher am 18. Februar 1946 von einem unbekannten Verfasser geschrieben wurde. Darin ist vermerkt, dass die Habilitationsschrift bereits 1942 in der Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie erschienen war.654 Von Baeyer führte darin auf 31 Seiten anhand von sieben Einzelfällen von Soldaten die verschiedenen psychiatrischen Auffälligkeiten aus, die er bei ihnen nach einer Erkrankung mit Fleckfieber beobachten konnte und grenzte sie von anderen geistigen

646 UAE F2/1 Nr. 2193a: Schreiben an den Rektor der Universität Erlangen vom 09.07.1947. 647 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 8; UAE C3/5 Nr. 177; Wittern (1999), S. 6f.; Häfner (2006) S. 19-27. 648 Leutnant Ben Drew Kimpel (1915-1983) fungierte als für das Erziehungswesen zuständiger Offizier der Militärregierung (Sandweg und Lehmann (1996)). 649 UAE C3/4b Nr. 8: Brief von Walter Ritter von Baeyer an Leutnant Ben D. Kimpel. 650 Walter Ritter von Baeyer fällt somit in die in Kapitel 3.1.3.2. angesprochene Gruppe derer, die aufgrund ihrer Abstammung während des Nationalsozialismus zwar benachteiligt wurden, aber von der relativ kurzen Dauer des Regimes letztendlich profitieren und sich nach 1945 profilieren konnten. 651 UAE C3/4b Nr. 8: Beiblatt Nr. II zum Fragebogen. 652 UAE C3/4b Nr. 8. 653 Häfner (2006), S. 20. 654 Quelle zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 8 152

Krankheiten ab.655 Der Verfasser des Referats hielt die Habilitationsschrift, welche in voller Länge nicht mehr vorliegt, zwar für relativ kurz, bemerkte aber auch: „Man sieht und fühlt, er ist kein Anfänger mehr, sondern eine selbstständige wissenschaftliche Persönlichkeit, die auch schon in früheren Arbeiten ihre Begabung und Leistungsfähigkeit erwiesen hat.“656 Ein Korreferat ist nicht überliefert. Von Baeyers Kolloquium fand am 10. April 1946 statt und beinhaltete die Neure Behandlung der Schizophrenie, seine Probevorlesung hielt er eine Woche später über Organische Persönlichkeitsveränderungen. Darin ersann er neue Fachbegriffe wie ‚Hypersozialität‘ und ‚Kontaktbeharrung‘, um besser über das Thema sprechen zu können. Kritisiert wurde, dass er weniger frei sprach als gewünscht. Am 8. Januar 1947 wurde ihm schließlich die Venia legendi für Psychiatrie und Neurologie verliehen. Er war zu diesem Zeitpunkt 42 Jahre alt.657 Ein gutes Jahr später wurde Walter Ritter von Baeyer zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Im Jahr 1949 reiste er zu Studienzwecken für drei Monate in die USA, was damals nur wenigen deutschen Psychiatern gestattet war.658 Dort erkannte er, dass für die deutsche Psychiatrie „die dringende Notwendigkeit einer Erneuerung“659 bestand. Ihm imponierte vor allem die Wichtigkeit des einzelnen Individuums, welche die US-amerikanische Psychiatrie vermittelte.660 Ab 1. November 1955 arbeitete er als ordentlicher Professor für Psychiatrie und Neurologie in Heidelberg und leitete dort die Psychiatrische und Neurologische Klinik. Eine psychiatrische Station ist heute in Heidelberg nach ihm benannt.661 Er war zudem Vorsitzender des Aktionsausschusses zur Verbesserung der Hilfe für psychisch Kranke, Mitglied des Exekutivausschusses der World Federation for Mental Health662 und von 1966 bis 1971 als erster deutscher Psychiater nach dem Zweiten Weltkrieg Vizepräsident der Psychiatrischen Weltvereinigung.663 Laut Ernst Klee fungierte von Baeyer auch als Gründungsmitglied des Fachausschusses VIII Psychobiologie (Katastrophenmedizin) der Schutzkommission beim Bundesinnenministerium.664 1972 wurde ihm das große Bundesverdienstkreuz verliehen, zudem war er Träger der Kraepelin-Medaille.665 Trotz seiner Verdienste und Fortschrittlichkeit hatte Walter Ritter von Baeyer auch in seinen späteren Jahren erneut mit politischer Verfolgung zu kämpfen: Aus einer Therapiegruppe der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg formierte sich zu Zeiten der studentischen Revolten auf Initiative des Mediziners Wolfgang Huber eine sozialistische Kampfgruppe, das sogenannte Sozialistische Patientenkollektiv (SPK). Diese Gruppierung „hatte sich Walter von Baeyer als Zielscheibe auserwählt“666,

655 Baeyer (1942), S. 225-255. 656 UAE C3/4b Nr. 8: Bericht vom 18.02.1946. 657 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 8; Wittern (1999), S. 6f. 658 Kretz (2004), S. 559. 659 Thum (2018f), S. 235. 660 Ebenda, S. 235f. 661 Uniklinikum Heidelberg: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Namensgebung.116009.0.html 662 Wittern (1999), S. 6f. 663 Häfner und Kisker (1969), S. 86. 664 Klee (2013), S. 25. 665 Häfner (1987), S. 224f. 666 Häfner (2006), S. 25. 153 nachdem ihr Gründer Wolfgang Huber wegen mangelhafter wissenschaftlicher Leistungen keine Vertragsverlängerung am Universitätsklinikum Heidelberg erhalten hatte. „Er zog sie [die Patienten, Anm. d. Aut.] in seinen Arbeitskonflikt und Rachefeldzug gegen Prof. von Baeyer hinein und missbrauchte einen Teil von ihnen als Kampftruppe für seine absurden Vorstellungen von den psychisch Kranken als revolutionäres Subjekt.“667 Dabei besetzte das SPK Klinikstationen, trat in Hungerstreik, verfolgte und beschimpfte von Baeyer auf der Straße. Die Aktionen gipfelten in einer Brandbombe vor dessen Haus. Zur Radikalisierung der Gruppe war es 1971 gekommen, als eine Patientin Suizid begangen hatte. Im Verlauf wurden unter anderem Waffen und Sprengstoff beim SPK gefunden, Wolfgang Huber wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.668 Mit 69 wurde Walter Ritter von Baeyer 1973 emeritiert, unter den radikalen Entwicklungen in seiner Klinik während seiner letzten Jahre hatte er sehr gelitten. Wissenschaftlich befasste er sich in seinem Ruhestand vor allem mit der Erforschung von Angst und Traumatisierung.669 Am 26. Juni 1987 verstarb er im Alter von 83 Jahren in Heidelberg.670

3.3.10. Wolf-Dieter Keidel Seine Technikbegeisterung machte Wolf-Dieter Keidel zum Pionier auf vielen Gebieten: Von der Untersuchung der Patienten mittels neuer Geräte, über die Computerisierung der ärztlichen Arbeit bis hin zur Möglichkeit, Taube wieder hören zu lassen. Dabei setzte der bei den Studenten beliebte Physiologe seine wissenschaftliche Karriere während des Nationalsozialismus bereitwillig aufs Spiel: Er galt als unangepasst. Letztendlich verhalf ihm wohl gerade diese Eigenschaft zum Erfolg. Geboren wurde Wolf-Dieter Keidel am 14. Dezember 1917 in Gaimersheim bei Ingolstadt. Seine Eltern waren Dr. phil. Georg Simon Keidel, ein Gymnasialprofessor, und seine Frau Fanny, geborene Dotterweich. Wolf-Dieter Keidel besuchte zunächst die Volksschule in Wassertrüdingen, anschließend bis 1936 das humanistische Gymnasium Fridericianum in Erlangen. Nach dem Abitur leistete er zwei Jahre Militär- und Arbeitsdienst. 1938 begann er sein Medizinstudium in Würzburg und besuchte später die Universität in Wien und die Technischen Universität München, wo er 1942 sein Staatsexamen ablegte. Während seiner Studentenzeit, so Keidel in seinem Fragebogen zur Vorlage bei der Spruchkammer, kam es Abbildung 23: Wolf-Dieter Keidel in zu einigen Schwierigkeiten mit dem NS-Studentenbund, jungen Jahren da er sich weder für dessen Arbeit interessierte noch der

667 Pross (2018), S. 827f. 668 Quellen zum gesamten Absatz: Häfner (2006), S. 25; Häfner (1987), S. 225; Pross (2018), S. 826- 831, Pross (2017), Forsbach (2011), S. 87-102. 669 Häfner (2006), S. 26. 670 Wittern (1999), S. 6f. 154

NSDAP beitreten wollte. Er war im Gegenteil „überall als Parteigegner bekannt“671. Zudem zeigte er sich öffentlich mit dem israelitischen Arzt Dr. Mose in Wien und ging regelmäßig mit ihm spazieren. Im Jahr 1942 wurde er mit der Arbeit Spektrometrische Durchlässigkeitsmessungen am Lebenden im Roten und Infraroten zwischen 0,72 und 2,5 Mü promoviert und trat in den Kriegsdienst ein. Ein Jahr später heiratete er Dr. med. Ursula Ludwig, mit der er drei Kinder hatte. Bis 1944 leistete Keidel Militärdienst, anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Luftfahrtforschungsanstalt in München-Ottobrunn bis er im Sommer 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Nach seiner Freilassung forschte er ab 1. August 1945 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Physikalisch-Medizinischen Laboratorium in Erlangen und wurde zum 1. Januar 1947 wissenschaftlicher Assistent am hiesigen Physiologischen Institut.672 Schließlich reichte er seine Habilitationsschrift Die Indikatordiagraphie des Schalls in der Physiologie, ein Beitrag zur Objektivierung der Auskultation bei der Erlanger Medizinischen Fakultät ein. Er untersuchte darin auf 96 Seiten physikalische Möglichkeiten, einen objektivierbaren Weg der Auskultation unabhängig von den Leistungsgrenzen des menschlichen Ohrs zu finden. Dabei ging er vor allem auf physiologische und pathologische Herz- und Atemgeräusche ein. Schließlich entwickelte er „eine vollständig neue Methode, die nach Ansicht des Verfassers die Forderungen erfüllt, die an eine physiologische Schallspektroskopie des Herz- und Lungenschalls gestellt werden müssen: die Indikatordiagraphie“673. Diese neue Untersuchungsform beruhte auf einem Zweikanalverstärker, der exakt im wichtigen Frequenzbereich die höchste Empfindlichkeit besaß und somit, wie in einigen Versuchen bewiesen wurde, oft präziser funktionierte als das menschliche Gehör. Erstgutachter der Arbeit war Otto Ranke, Ordinarius der Physiologie, der das ausführliche und übersichtliche Inhaltsverzeichnis und das gute Schriftdeutsch, welches die komplexe Thematik so gut es ging verständlich machte, lobte. Er hielt den Beweis für erbracht, dass Keidel zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit fähig war und empfahl der Fakultät die Schrift zur Annahme. Ein weiterer Referent war der Leiter der Medizinischen Klinik Karl Matthes (1905-1962). Auch sein Resümee fiel positiv aus: „Die originelle Arbeit, die eine souveräne Beherrschung der modernen Verstärkertechnik und der mathematisch physikalischen Analysen verrät, zeigt darüber hinaus ein überaus klares Verständnis der physiologischen Gegebenheiten und der klinischen Bedürfnisse.“674 Der Physiologe Kurt Adolf Gross (1887-1969)675 war der dritte Referent von Keidels Habilitationsschrift. Er attestierte Keidel „eine ganz ausgesprochene physikalisch-medizinische Begabung“676 und hielt die Arbeit für „vorzüglich geeignet“677 zur Habilitation. Folglich wurde Wolf-Dieter Keidel zum

671 UAE C3/4b Nr. 11: Auszug aus der Anlage zum Fragebogen zur Vorlage bei der Spruchkammer. 672 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 11; Wittern (1999), S. 98f. 673 UAE C3/4b Nr. 11: Habilitationsschrift, S. 93. 674 UAE C3/4b Nr. 11: Referat von Prof. Dr. Matthes vom 09.11.1948. 675 Lebensdaten Kurt Adolf Gross: UAE C3/4a Nr. 92; Thauer und Pleschka (1970), Eröffnungsansprache. 676 UAE C3/4b Nr. 11: Referat von Prof. Gross vom 19.10.1948. 677 Ebenda. 155

Kolloquium zugelassen. Er sprach über Das Weber-Fechner’sche Gesetz678 und Arbeit im Hunger. Seine Probevorlesung am 16. Juli 1949 hielt er über Diffusion als biologisches Grundgesetz, am 19. November 1949 wurde ihm im Alter von 31 Jahren die Venia legendi für Physiologie verliehen.679 1949 war Wolf-Dieter Keidel zudem weltweit der erste Mediziner, der mit der Einführung der Echokardiographie die Technik des Ultraschalls zur Diagnostik am Herzen einsetzte – fälschlicherweise wird diese Pionierarbeit oft dem Schweden Inge Endler und dem Deutschen Carl Helmuth Hertz zugeschrieben.680 1955 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt, zwei Jahre später ging er für einen Studienaufenthalt im Rahmen eines Postdoctoral Fellowships an das renommierte Massachusetts Institute of Technology in den USA. Zum ordentlichen Professor und Leiter des Physiologischen Instituts in Erlangen wurde er am 1. Januar 1961 befördert. Auf seinen Antrag hin wurde 1965 ein zweites Physiologisches Institut mit einem zweiten Lehrstuhl in Erlangen geschaffen, das heutige Institut für Zelluläre und Molekulare Physiologie. Mit 68 Jahren wurde Keidel am 31. März 1986 emeritiert. Zwei Jahre zuvor hatte er sich erneut vermählt mit der Professorin für Physiologie in Freiburg im Breisgau, Dr. med. Johanna Janke.681 Zu seinem 40-jährigen Dienstjubiläum im Jahr 1980 schrieb das Erlanger Tagblatt über seine wissenschaftlichen Errungenschaften. Besonders Abbildung 24: Keidel in späteren Jahren hervorgehoben wurde dabei die von ihm entwickelte objektive Audiometrie, eine Technik, um Taubheit frühzeitig feststellen und behandeln zu können.682 Auch andere Arbeitsmethoden wendete er schon weit vor deren Zeit an, etwa die diagnostische Sonographie in den 1940er Jahren oder Laborcomputer in den 1950ern.683 Er gilt also als eine der „Schlüsselfiguren in der Geschichte der Computerisierung der Universitätskliniken“684 und war zudem maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des Cochlea Implantats.685 Seine internationale Anerkennung wird in den zahlreichen Ehrungen deutlich, die ihm zuteil wurden: So erhielt er unter anderem die Pro-Meritis-Medaille der Universität Graz, den Internationalen Audiologie-Preis des Centro di Richerche e Studi Amplifon Mailand, das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und war Ehrenmitglied der Societá Italiana di Audiologia und der International Association of Physicians in Audiology, sowie ordentlicher

678 Das Weber-Fechnersche-Gesetz gilt als ein Grundgesetz der Psychophysik und besagt, dass es eine zahlenmäßige Beziehung zwischen der Intensität eines physikalischen Sinnesreizes und dessen Empfindungsstärke gibt (Spektrum Lexikon der Biologie). 679 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 11; Wittern (1999), S. 99. 680 Keidel (1949), S. 68-70, Nixdorff (2009), S. 48. 681 Quellen zum gesamten Absatz: Wittern (1999), S. 99; Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Keidel, Wolf Dieter; Geschichte des Instituts für Physiologie und Pathophysiologie Erlangen: http://www.physiologie1.uni-erlangen.de/de/History/index.shtml. 682 Erlanger Tagblatt, 29./30.03.1980. 683 Mediendienst FAU-Aktuell 1997: Zum 80. Geburtstag von Prof. Wolf-Dieter Keidel. 684 Plöger (2016a), S. 356. 685 Leven (2016), S. 353. 156

Professor h.c. der Universität von Concepción in Chile.686 Ihm wurde zudem das Silver Certificate as Fellow of the Acoustical Society of America verliehen.687 1982 erschien zudem eine Festschrift über das Akustikusneurinom zu Ehren seines 65. Geburtstages.688 International berühmt wurde Wolf-Dieter Keidel auch durch sein Physiologie- Lehrbuch, welches 1967 erschien. Bekannt als ‚Der Keidel‘ wurde es in viele Sprachen übersetzt. Seine Beliebtheit bei den Studenten und Kollegen fand Ausdruck in dem Fackelzug anlässlich seines Ruhestandes im Jahr 1986.689 Sein wissenschaftliches Interesse galt sein Leben lang vor allem biophysikalischen Techniken und später auch der Biokybernetik.690 Am 17. Januar 2011 verstarb Wolf-Dieter Keidel im Alter von 93 Jahren in Bayreuth.691

3.3.11. Markus von Lutterotti Als „Pionier der Hospizbewegung“692 und Wegbereiter der Palliativmedizin693 ist der Kardiologe Markus von Lutterotti bekannt geworden. Er gründete eine der ersten Hospizgruppen Deutschlands und machte es zu seinem Anliegen, Patienten einen würdigen, weitgehend schmerzlosen Tod zu ermöglichen. Sein Wirken fand dabei hauptsächlich in Freiburg im Breisgau statt. Den Anfang nahm seine wissenschaftliche Karriere jedoch in Erlangen.694 Markus von Lutterotti wurde am 10. August 1913 in Fontanasanta bei Trient, welches damals noch zu Österreich gehörte, geboren. Sein Vater war der Rechtsantwalt Dr. jur. Karl von Lutterotti und seine Mutter Annunziata Gräfin Consolati. Die Familie war katholisch. Markus von Lutterotti besuchte von 1923 bis 1931 das Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch in Vorarlberg. Anschließend begann er in Wien Medizin zu studieren. Zum Wintersemester 1933/34 wechselte er an die Universität von Bologna und erhielt dort 1937 die italienische Approbation. Im selben Jahr wurde er mit der Arbeit Cyanose, Anoxämie und Pneumonose bei Herzkrankheiten zum Dr. med. promoviert. Er arbeitete kurze Zeit als Volontärassistent in der Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses Trient bevor er im April 1938 zum italienischen Militär eingezogen wurde und von 1939 bis 1940 in Abessinien in Afrika Kriegsdienst leisten musste. Im September 1940 entschied sich von Lutterotti mit 27 Jahren für die deutsche Staatsbürgerschaft, erhielt die deutsche Approbation und durfte auch in Deutschland seinen Doktortitel führen. Er arbeitete bis Februar 1941 als klinischer Assistent am Hygienischen Institut der Städtischen Krankenanstalten in Bremen, besuchte einen Kurs im Tropeninstitut in Hamburg und wurde dann erneut zum Kriegsdienst eingezogen, diesmal allerdings von der deutschen Wehrmacht. Er

686 Wittern (1999), S. 99. 687 Mediendienst FAU-Aktuell 2007: Prof. Dr. Wolf Dieter Keidel zum 90. Geburtstag. 688 Koch (1982). 689 Erlanger Nachrichten, 19.02.1986. 690 Nixdorff (2009), S. 49. 691 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Keidel, Wolf Dieter. 692 Klinkhammer (2010), S. 869. 693 Badische Zeitung, 22.04.2010. 694 Klinkhammer (2010), S. 869. 157 wurde in Nordafrika als Truppenarzt eingesetzt. 1943 geriet von Lutterotti in amerikanische Kriegsgefangenschaft, wobei er in mehreren Lagern in den USA, unter anderem in Mississippi und Alabama, als Lagerarzt arbeitete. Im April 1946 wurde er entlassen und begann kurz darauf seine Arbeit als Assistent der Medizinischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten in Bremen. Zum 1. April 1950 wechselte er an das Zentralinstitut für Röntgenologie und Strahlenheilkunde in Bremen bevor er im September 1950 wissenschaftlicher Assistent an der Medizinischen Poliklinik in Erlangen wurde.695 Hier reichte er auch im November 1953 seine Habilitationsschrift Elektrophoretische Eiweißverschiebungen bei Herzkranken mit besonderer Berücksichtigung der Herzinsuffizienz ein. Sie enthielt auf 93 Seiten Beobachtungen der verschiedenen Fraktionen der Elektrophorese bei Herzkrankheiten wie Endokarditis, Herzinfarkt und Herzinsuffizienz. Bei letzterer gelang die Unterscheidung in Links- beziehungsweise Rechtsherzinsuffizienz vor allem anhand der chronischen Leberstauung, die in der Elektrophorese deutlich wurde. Neu war bei dieser Thematik vor allem die statistische Aufarbeitung der Forschungsergebnisse, sowie eine genauere Aufgliederung der einzelnen Globulin-Fraktionen der Elektrophorese. Zudem untersuchte von Lutterotti ein größeres Patientenkollektiv als man es zuvor in der Literatur hatte finden können. Referent der Arbeit war Carl Abbildung 25: Markus von Korth (1903-1972), Leiter der Poliklinik. Er bescheinigte von Lutterotti Lutterotti großen Fleiß und hielt die neuen Erkenntnisse für wichtig bei der Diagnostik von Herzkranken. Korreferent und Leiter der Medizinischen Klinik Norbert Henning (1896-1985) beschränkte sich in seiner Beurteilung auf die Kritik von Einzelpunkten der Habilitationsschrift und hob als besondere Leistung der Arbeit die statistische Aufarbeitung durch die Methodik der Streuungszerlegung hervor. Eine Stellungnahme schrieb auch Otto Ranke, Direktor des Physiologischen Instituts. Auch er fokussierte sich auf die statistische Leistung von Lutterottis und hielt die Arbeit diesbezüglich für einwandfrei. Von Lutterottis Kolloquium fand am 15. Juli 1954 über die Physiologie und Pathologie des Natrium-Stoffwechsels statt. Eine Woche später sprach er über die Entstehung und Behandlung der Fettsucht in seiner Probevorlesung. Am 24. September 1954 wurde Markus von Lutterotti mit 41 Jahren zum Privatdozenten für Innere Medizin ernannt.696 Sein Schwerpunkt war dabei vor allem die Kardiologie.697 Ein Jahr später verheiratete er sich mit Hannelore Gräber. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Zum Juli 1957 wechselte von Lutterotti als Chefarzt an die Innere Abteilung des Loretto-Krankenhauses in Freiburg im Breisgau. An der dortigen Universität wurde er 1962 nach seiner Umhabilitation zum außerplanmäßigen

695 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 30; Wittern (1999), S. 122f. 696 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 30; Wittern (1999), S. 122. 697 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Lutterotti, von Markus. 158

Professor befördert und dort fand auch seine Hospizarbeit ihren Höhepunkt. Mit 69 Jahren wurde Markus von Lutterotti 1983 in den Ruhestand versetzt.698 1985 erschien sein Buch Menschenwürdiges Sterben, in welchem er sich mit würdevoller Sterbebegleitung befasst.699 „[Ä]rtzlich begleiteten Suizid lehnte von Lutterotti dagegen stets ab.“700 Am 21. April 2010 verstarb er im Alter von 96 Jahren in Freiburg im Breisgau.701

3.3.12. Alfred Friedrich Sigel Als 1971 erstmals ein Buch über pädiatrische Urologie in Deutschland erschien, hatte Alfred Sigel die meisten der Beiträge darin verfasst. Zeit seines Lebens galt sein wissenschaftliches Interesse vor allem der Kinderurologie. Das beschreibt auch sein ehemaliger Student Wolfgang Rösch in seinem Nachruf: Für ihn war Alfred Sigel ein „great pioneer of German Pediatric Urology“.702 Für ihn liegt als einzigem der hier behandelten Habilitanden keine Habilitationsakte vor, da sie vermutlich verloren gegangen ist. In eine evangelische Familie wurde Alfred Friedrich Sigel am 31. Juli 1921 in Neidenfels in der Pfalz geboren. Seine Eltern waren der Prokurist Richard Sigel und Julie Sigel, geborene Kieser. Bis 1940 besuchte er das Leibniz-Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße, anschließend entschied er sich für ein Medizinstudium in Heidelberg. 1943 wechselte er an die Universität in Freiburg im Breisgau, wo er 1945 auch sein Staatsexamen ablegte. Seine Medizinalpraktikantenzeit verbrachte er an der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses in Mannheim. 1947 wurde er promoviert und im gleichen Jahr erhielt er seine ärztliche Approbation. Bis Mai 1953 arbeitete er weiter an der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Mannheim, zunächst als Volontärassistent, später als klinischer Assistent. Anschließend war er als Oberarzt an der Chirurgischen und Urologischen Klinik des Diakonissenkrankenhauses in Mannheim angestellt. Abbildung 26: Alfred Friedrich Sigel 1947 heirate er Elfriede Hauschild, mit der er zwei Kinder hatte. Bevor Alfred Sigel im Februar 1957 Leiter der Urologischen Abteilung der Chirurgischen Klinik in Erlangen wurde, hatte er verschiedenen Gastassistenzen unter anderem in München und Lyon inne.703 Mit 38 Jahren reichte er seine Habilitationsschrift Die chirurgische Gefäßanatomie der Niere bei der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen ein. Referent der

698 Quellen zum gesamten Absatz: UAE C3/4b Nr. 30; Wittern (1999), S. 122f. 699 Lutterotti (1985). 700 Klinkhammer (2010), S. 869. 701 Ebenda. 702 Zitat und Absatz: Rösch (2018), S. 311f. 703 Quelle zum gesamten Absatz: Wittern (1999), S. 184. 159

Arbeit war Gerd Hegemann (1912-1999), Ordinarius der Chirurgischen Klinik. Das Korreferat verfasste der Leiter des Anatomischen Instituts Karl Friedrich Bauer (1904- 1985). Sigels Kolloquium fand am 26. November 1959 über die Harnstauungsniere statt. Seine Probevorlesung am 3. Dezember 1959 hielt er über die Prostatahyperplasie. Nach zufriedenstellenden Leistungen wurde ihm am 1. April 1960 die Privatdozentur für Chirurgie und Urologie verliehen.704 Im Jahr 1961 reiste Alfred Sigel für einen Studienaufenthalt nach Paris. 1966 wurde er zum außerplanmäßigen Professor für Chirurgie ernannt, neun Monate später wurde er zum außerordentlichen Professor für Urologie und zum Vorstand der Abteilung für Urologie an der Chirurgischen Klinik in Erlangen befördert. Einen Ruf als Ordinarius an die Universität zu Köln lehnte er 1969 ab, wie auch bereits drei Jahre zuvor den Ruf nach Wuppertal als Chefarzt.705 1970 wurde er der erste ordentlicher Professor für Urologie in Erlangen706 und Vorstand der neuen Erlanger Urologischen Klinik. Es folgten weitere Studienaufenthalte in London, Houston und New York bevor Sigel am 31. März 1987 emeritiert wurde. Bis Ende 1987 fungierte er als eigene Lehrstuhlvertretung.707 Am 25. September 2017 starb Alfred Sigel im Alter von 96 Jahren.708 Sein wissenschaftliches Interesse galt neben der Kinderurologie auch urologischen Tumoren und der Nierentransplantation. Zudem setzte er sich für die Standardisierung operativer Techniken ein. 709 Nach seiner Emeritierung arbeitete er von 1993 bis 2000 als Patientenfürsprecher der Erlanger Universitätskliniken.710 1989 wurde ihm die Maximilian Nitze-Medaille der Urologie verliehen,711 zwei Jahre später das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.712

3.4. Habilitation von Frauen Die einzige Frau, die sich im Forschungszeitraum von 1918 bis 1960 an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen habilitierte, wird im folgenden Kapitel untersucht. Helene Weinland war allerdings nicht nur die einzige in diesem Zeitraum, sondern auch die erste Frau überhaupt an der Medizinischen Fakultät Erlangen, die diese Leistung vollbrachte. Um die Schwierigkeiten von Frauen im Hochschulwesen vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachvollziehen zu können, wird zunächst auf die allgemeine Historie der weiblichen Akademisierung eingegangen. Anschließend erfolgt die genaue Analyse von Helene Weinlands Werdegang und ihrer Habilitation im Jahr 1956.

704 Quelle zum gesamten Absatz: Habilitationsbuch. 705 Sökeland (2001), S. 379f. 706 Wittern (1993), S. 416. 707 Quelle zum gesamten Absatz: Wittern (1999), S. 184f. 708 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Sigel, Alfred. 709 Mediendienst FAU-Aktuell 2001: Prof. Dr. Alfred Sigel zum 80. Geburtstag. 710 Fröhlich-Güzelsoy (2016), S. 342f. 711 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Sigel, Alfred. 712 Wittern (1999), S. 185. 160

3.4.1. Geschichte der Akademisierung von Frauen in Bayern mit Schwerpunkt Erlangen Man schätze an jungen Frauen andere Qualitäten als ihren Verstand, es seien andere Dinge, „die die Quintessenz des weiblichen Charmes ausmachten“713, soll Johann Wolfgang Goethe im Jahr 1824 geäußert haben. Aussprüche und Aufzeichnungen wie diese trugen maßgeblich zum Ideal deutscher Weiblichkeit bei, welches auch Jahrzehnte später noch vorherrschte und die Einbindung von Frauen in den höheren Bildungs- und Hochschulbereich unnötig erscheinen ließ. Auch Wilhelm von Humboldts Bildungsideal von Humanität bezog sich de facto nur auf das männliche Geschlecht. Dementsprechend brüskiert zeigte sich der Großteil der deutschen Akademiker als Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert tatsächlich begannen, auf Bildung zu drängen.714 In Bayern war eine Hochschule das erste Mal im Jahr 1869 mit Frauen konfrontiert: An der Julius-Maximilian-Universität Würzburg setzte sich eine kleine Gruppe, allen voran ein ehemaliger Hauptmann namens Philipp Anton Korn715, für die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium ein und befasste sich auch mit Details wie einer möglichen Kleiderordnung für Studentinnen. Getrieben wurden diese ersten Vorstöße der Frauen in Richtung der Hochschulen von vorgebrachten Argumenten, „die das Studium für die unglücklichen, nicht verheirateten bzw. nicht zu verheiratenden, Töchter aus <> ermöglichen sollten“716, sowie „der steigenden Unfähigkeit der bürgerlichen Familien, <>, sowie [vom] wachsenden Wertverlust[…] der körperlichen Arbeit, der mit der Verdrängung der produktiven Arbeit aus dem familiären Leben einherging.“717 Es gab für Frauen aus bürgerlichen Familien bis dato außer dem Beruf der Lehrerin keinen standesgemäßen Beruf, den sie erlernen durften.718 Dieses erste Gesuch in Bayern an der Universität Würzburg wurde jedoch abgelehnt. Im gleichen Jahr stellte die amerikanische Medizinstudentin Laura Reusch-Formes, die vorher in anderen Ländern Europas Hochschulen besucht hatte719, nun ebenfalls in Würzburg einen Antrag, Vorlesungen hören und dort auch promoviert werden zu dürfen. Auch diese Bitte wurde, trotz eingeholter Erkundigungen und positiver Rückmeldungen aus Österreich und der Schweiz, abgelehnt.720 Die Begründung lautete, dass „die

713 Zitiert nach Albisetti (2007), S. 25. 714 Ebenda, S. 25-37. 715 Hauptmann a.D. Philipp Anton Korn war unter anderem Redakteur der Allgemeinen Frauen-Zeitung und entwarf die Vorlagen für die erste deutsche Frauenkonferenz in Leipzig im Jahr 1865 (Deutsches Textarchiv: Korn, Philipp Anton). 716 Vogt (2011), S. 146. 717 Soden (1979), S. 11. 718 Derichs und Metzger (2018), S. 47. Aufgrund des Überschusses an Frauen war man folglich besorgt um die Selbstversorgung von potenziell unverheirateten Frauen – damals bekannt als ‚Jungfernfrage‘ (Bleker (1998), S. 19). 719 Im europäischen Ausland durften Frauen teilweise bereits seit den 1860ern studieren: Frankreich öffnete 1863 als erstes Land die Hochschulen für Frauen. Es folgten 1864 die Schweiz, 1869 England, 1870 Schweden, 1975 Dänemark und Finnland und 1878 Holland. Für viele Frauen war somit der Gang ins Ausland die einzige Möglichkeit einer Hochschulbildung (Burchardt (1994), S. 12f.). 720 Birn (2015), S.33f. 161

Verleihung der Universitäts-Matricel an die Voraussetzung des männlichen Geschlechtes geknüpft ist.“721 Wie Laura Reusch-Formes entschlossen sich zu dieser Zeit oft auch deutsche Frauen mit akademischen Ambitionen für ein Studium in der Schweiz. Ausländerinnen wurden dort im Vergleich zum europäischen Ausland relativ einfach angenommen und das Abitur war dort keine Zugangsvoraussetzung. Dieses wurde Frauen in Deutschland nämlich erst 1896 ermöglicht;722 in Erlangen dauerte es sogar bis zum Jahr 1919, bis es Mädchen und Frauen möglich war, an öffentlichen Schulen das Abitur abzulegen.723 In Erlangen erfolgte die erste Auseinandersetzung mit Frauen an der Universität im Jahr 1872, als die Zahnmedizinstudentin Anna Seethaler dort als erste Frau ihre Prüfung ablegen durfte. Vorlesungen besuchten Frauen in Erlangen jedoch erst ab dem Sommersemester 1897 und dies zunächst auch nur als Gasthörerinnen. Es war schließlich wie auch an anderen Hochschulen die naturwissenschaftliche Fakultät, die sich als erste für Frauen an der Universität aussprach. Die Medizinische Fakultät entschied sich in einer Sitzung 1898 dagegen724, konstatierte aber, „daß, falls trotzdem die Zulassung weiblicher Studierender zum medizinischen Studium beliebt werden sollte, von den letzteren dieselben Vorbedingungen, sowie genau derselbe Studiengang ohne jede Erleichterung wie von den männlichen Studenten verlangt werden müsse.“725 Gerade im Bereich der Medizin wurden tatsächlich immer wieder Forderungen nach weiblichen Beschäftigten laut726, da sich vor allem Frauen Ärztinnen für die eigene Behandlung und die ihrer Kinder wünschten.727 Im Jahr 1900 gab es schließlich die erste regulär immatrikulierte Studentin in Erlangen und ein Jahr später änderte das bayerische Kultusministerium, wenn auch zunächst sehr zurückhaltend, seine Bedingungen: Man durfte nun stillschweigendes Einverständnis für die Zulassung von Frauen zum Studium annehmen. Am 24. Februar 1903728 folgte dann der offizielle Ministerialentschluss, dass Frauen sich nun ordentlich in Bayern

721 Zitiert nach Meister (1997), S. 38. 722 Burchardt (1994), S. 12f. 723 Abele-Brehm (2004), S. 8. 724 Einer der Gründe für die breite Ablehnung der Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium war auch die enge Konnotation von Studenten mit Korporationen, in denen die ausschließlich männlichen Studenten unter anderem durch „alkoholische Exzesse und sexuelle Ausschweifungen“ (Brinkschulte (2011), S. 11), sowie die Mensur einen ‚Reifeprozess‘ durchliefen, der von den Universitäten geduldet wurde. Die Teilnahme von Frauen an derartigen Ritualen war undenkbar. Zudem kam im Medizinstudium der Umgang mit Nacktheit und Geschlechtsorganen bzw. -krankheiten vor, welchen man sich Frauen vor allem in Gegenwart von männlichen Kommilitonen nicht zuzumuten traute (Ebenda, S. 9-20). 725 Zitiert nach Birn (2015), S.38. 726 Die Frauenbewegung beschränkte ihre akademischen Forderungen zunächst nur auf die Berufe der Ärztin und der Lehrerin. Darin sieht Monika Meister taktische Überlegungen, zunächst ein realistisches Teilziel zu erreichen (Meister (1997), S. 41). 727 Derichs und Metzger (2018), S. 47. 728 Bayern war somit das zweite Land, welches das Frauenstudium offiziell genehmigte. Nur Baden war mit seiner Erlaubnis zum Wintersemester 1899/1900 schneller. Es folgten jeweils zum Sommersemester 1904 Württemberg, 1906 Sachsen, 1907 Thüringen, 1908 Hessen, zum Wintersemester 1908/1909 Elsass-Lothringen und Preußen und zum Sommersemester 1909 Mecklenburg (Burchardt (1994), S. 16). 162 immatrikulieren durften.729 Einschränkend jedoch ist zu beachten, dass in jedem Fall der zuständige Dozent entscheiden konnte, ob er eine Frau zu seiner Vorlesung zuließ oder nicht.730 Zurückgenommen wurde eine solche Erlaubnis vor allem dann, wenn die männlichen Kommilitonen durch „wiederholte <> beim Erscheinen der Studentin im Hörsaal“, die sich oft in verschiedenen Formen wie Pfiffen oder scharrenden Füßen, aber auch Stößen oder Tritten äußerte, einen normalen Vorlesungsbetrieb unmöglich machten.731 Zum Wintersemester 1903/04 schrieben sich dann in ganz Bayern 30 Studentinnen ein – an der Universität Erlangen davon nur eine einzige und zwar an der Medizinischen Fakultät.732 Als entscheidenden Grund für den schwachen Zulauf an den Hochschulen sowohl in Erlangen als auch Würzburg sieht Gisela Kaiser die Tatsache, dass die beiden Städte als Hochburgen von Studentenverbindungen und somit als sehr konservativ galten.733 Im Jahre 1908 betrug der Anteil weiblicher Studenten in Deutschland um 2,4%.734 Das entsprach 1.132 Studentinnen.735 Eine erste Höchstzahl an Medizin-Studentinnen in Erlangen wurde im Wintersemester 1910/11 erreicht: 15 Frauen ergaben rund 5% aller Immatrikulierten für das Fach Medizin. Reichsweit lag Erlangen damit auf einem der hintersten Plätze.736 Promoviert wurde die erste Frau an einer deutschen Universität in Heidelberg im Wintersemester 1894/95737. Die ersten Promotionen von Frauen in Bayern fanden im Jahr 1900 statt, zwei Abbildung 27: Anatomiesaal der Universität Halle im Wintersemester 1907/08, Schottinnen im Vordergrund drei Studentinnen erlangten den Doktorgrad. Dies geschah also noch vor der offiziellen Zulassung von Frauen zum Studium. Die erste deutsche Frau, die in Bayern promoviert wurde, war Margarete Heine im Jahr 1901. Sie bekam den Doktorgrad von der philosophischen Fakultät der Universität München verliehen. An der Universität Erlangen wurde 1904 als erste Frau die aus Kentucky stammende Amerikanerin Dixie Lee Bryant im Fach Geologie

729 Birn (2015), S. 38-41. 730 Soden (1979), S. 17. 731 Zitat und Satz: Brinkschulte (2011), S. 16f. 732 Wittern-Sterzel (2018), S. 454; Derichs und Metzger (2018), S. 49ff. 733 Kaiser (1997), S. 65. 734 Abele-Brehm (1996), S. 12. 735 Bleker (1998), S. 17. 736 Derichs und Metzger (2018), S. 50f. 737 Ebenda. 163 promoviert.738 Die erste deutsche Promovierende in Erlangen war 1908 Emmy Noether im Fach Mathematik.739 Auch der erste Professorinnentitel in der Medizin wurde in Deutschland wie schon die ersten Doktorinnengrade vor der offiziellen Genehmigung verliehen. 1913 wurde Dr.med. Rahel Hirsch (1870-1953) 740 an der Charité in Berlin zum Professor ernannt und war damit die dritte Frau in Deutschland, die diesen Titel führen durfte, und die erste im Fach Medizin.741 Der Erlass des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, der Frauen auch offiziell das Habilitationsrecht in Deutschland einräumte, erfolgte am 21. Februar 1920. Dies geschah auf Eingabe von Edith Stein (1891-1942)742, die zuvor mehrmals vergeblich Anträge auf Zulassung zur Habilitation in Pädagogik gestellt hatte. Letztendlich jedoch wurde festgestellt, dass die Tatsache, dass sie eine Frau war, kein

738 Birn (2015), S. 40. 739 Abele-Brehm (1996), S. 13. Am 23. März 1882 in Erlangen geboren besuchte Amalie Emmy Noether dort zunächst die Städtische Höhere Töchterschule und absolvierte im Frühjahr 1900 die Staatsprüfung zur Lehrerin in Französisch und Englisch. Dieser Abschluss erlaubte ihr, Vorlesungen an der Universität zu hören – vorausgesetzt, der jeweilige Professor stimmte zu. Sie besuchte Kurse in Romanistik und Geschichte und legte 1903 in Nürnberg in Abitur ab. Für weitere Vorlesungen, nun in Astronomie und Mathematik, ging sie nach Göttingen, bevor sie aufgrund der offiziellen Zulassung von Frauen zum Studium zum Wintersemester 1904/05 für ihr Mathematik-Studium nach Erlangen zurückkehrte. So konnte sie im Jahr 1908 mit ihrer Arbeit Über die Bildung des Formensystems der ternären biquadratischen Form bei Paul Gordan (1837- 1912) als erste deutsche Frau an der Universität Erlangen promoviert werden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie mit der Schrift Invariante Variationsprobleme zur Habilitation in Göttingen zugelassen, seit 1922 war sie außerordentliche Professorin, ab 1923 wurde ihr diese Stelle bezahlt. Wissenschaftlich befasste sie sich dabei hauptsächlich mit der Algebra. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verlor sie im April 1933 ihre Lehrbefugnis in Deutschland und emigrierte in die USA. Dort hatte sie eine Gastprofessur am Bryn Mawr College für Mädchen inne, hielt aber auch an der Universität von Princeton Vorlesungen. Am 14. April 1935 starb sie mit 53 Jahren an den Folgen einer Tumor-Operation in Bryn Mawr in den USA (Fritsch (1999), S. 320f.). 740 Rahel Hirsch wurde am 15.09.1870 in Frankfurt in eine jüdische Familie geboren. Nach ihrem Lehrerinnenexamen begann sie 1898 mit 28 Jahren ihr Medizinstudium und arbeitete anschließend 16 Jahre an der Charité in Berlin, wo sie jedoch trotz ihrer wissenschaftlichen Erfolge auf Skepsis stieß. Sie leitete schließlich die Poliklinik der II. Medizinischen Klinik der Charité und führte wohl auch schon während dieser Arbeit eine Praxis für Innere Medizin. 1938 musste sie schließlich aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach England fliehen, wo sie jedoch nicht mehr als Ärztin arbeiten durfte. Gebrochen von der Flucht und dem Berufsverbot wurde sie depressiv und litt an Wahnvorstellungen. Am 06.10.1953 erlag sie schließlich einer Erkrankung und starb einsam in London. (Brinkschulte (1994), S. 103-111). 741 In Europa generell „kamen die ersten Frauen […] seit Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts auf Professuren.“ (Paletschek (2012), S. 308) Auch hier gab es lange Zeit Vorbehalte, wie eine potenziell fehlende Unterrichtskontinuität, falls eine Dozentin schwanger würde (Brinkschulte (2011), S. 22). 742 Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891 in Breslau in eine jüdische Familie geboren. Sie konvertierte 1922 zur katholischen Kirche und trat dem Orden der Karmeliten bei. 1916 wurde sie in Freiburg zum Doktor der Philosophie promoviert und lehrte ab den 1920ern unter anderem die Fächer Pädagogik, Theologie und Philosophie ohne offizielle Genehmigung in ihrer Wohnung. Ihre angestrebte Habilitation erreichte sie trotz fünf Eingaben unter anderem in Göttingen und Breslau zwischen 1920 und 1931 jedoch nie. Unter der NS-Regierung verlor sie schließlich ihre Dozentenstelle in Münster. Am 10.August 1942 verstarb sie in einer Gaskammer des Konzentrationslagers Auschwitz (Bodecker und Meyer-Plath (1974), S.6; Wobbe (1996), S. 347f.). 164

Grund sei, der gegen die Habilitation spreche, und ihrer Eingabe wurde stattgegeben, auch wenn ihr dieser Vorgang persönlich nicht zur Habilitation verhalf.743 Hiltrud Häntzschel warnt davor, diesen Beschluss als Aufhebung eines Habilitationsverbotes für Frauen zu interpretieren, welches es de facto nie gab – sichtbar an sechs Habilitationen von Frauen bereits ab 1918. Untersagt war nun eine Ablehnung mit der Begründung durch das Geschlecht.744 Dennoch galt dieser Beschluss als Präzedenzfall und stellte schließlich den Durchbruch dar und machte Frauen zu „Vollbürgern der Universität“745. Entscheidend war dafür auch Artikel 109 der Abbildung 29: Edith Stein als Studentin Weimarer Verfassung, der die Gleichheit aller Bürger und explizit auch der Frauen festlegte.746 Zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1920 lag der Anteil von Studentinnen in Deutschland schon bei ca. 9%.747 Erlangen hingegen blieb hierbei weit unter dem Durchschnitt. 748 Bis 1929 habilitierten sich deutschlandweit an allen Fakultäten 46 Frauen, wovon jedoch lediglich zwei eine Professur innehatten, was wiederum eine starke Relativierung der Neuerung des Habilitationsrechts bedeutete.749 Im Jahr Abbildung 28: Margarethe von 1923 wurde mit Margarethe von Wrangell (1877-1932) auf dem Wrangell im Jahr 1905 Gebiet der Pflanzenernährung an der Universität Hohenheim750 zwar bereits der erste weibliche Ordinarius berufen, allerdings dauerte es bis 1966, bis eine Frau Universitätsrektorin wurde.751 Dennoch gehörten Wissenschaftlerinnen in den 1920er Jahren immer mehr zur Normalität und auch „weibliche Privatdozenten bildeten keine bestaunten Wesen mehr, sie waren keine Außenseiterinnen oder Ausnahmen.“752 Man hoffte bereits optimistisch, dass der Kampf der Frauen um ihre gleichberechtigte Rolle an den Hochschulen nun abgeschlossen sei.753

743 Bodecker und Meyer-Plath (1974), S.5f. 744 Häntzschel (1997), S. 87. 745 Brinkschulte (1994), S. 107. 746 Soden (1979), S. 18. 747 Abele-Brehm (1996), S. 12f. 748 Im Sommersemester 1914 waren 2,5% der Studierenden in Erlangen Frauen, im Reichsdurchschnitt waren es jedoch bereits 6,6%. Zum Wintersemester 1919/20 waren es 4,5% (reichsweit 8,9%), im Wintersemester 1923/23 4,3% (10,7%), im Wintersemester 1929/30 7,2% (16,4%) und im Wintersemester 1932/33 9% (18,5%) (Lehmann (1996), S. 27). 749 Brinkschulte (1994), S.105-108. 750 Szöllösi-Janze (2000), S. 40-48. 751 Paletschek (2012), S. 308f. 752 Vogt (2011), S. 158. 753 Ebenda, S. 162f. 165

Im geschichtlichen Verlauf zeigte sich, dass nach der Deflation Anfang der 1930er Jahre die Frauenquoten an den Hochschulen schneller zu steigen begannen als die Zahl der männlichen Anwärter. 1931 lag der Anteil von weiblichen Studenten deutschlandweit bei ca. 19%.754 Im Wintersemester 1932/33 war in Bayern der Höhepunkt der Studentinnenzahlen erreicht, 16,6% der immatrikulierten Studierenden waren weiblich.755 Somit waren Frauen in der nun herrschenden Wirtschaftskrise „nicht nur zusätzliche Konkurrenten auf einem ohnehin hoffnungslos überfüllten Arbeitsmarkt […], gleichzeitig brachte das massenhafte Frauenstudium und die anschließende Bewerbung von Frauen um die akademischen Arbeitsplätze die althergebrachte Geschlechterordnung durcheinander und stellte ihre universelle Gültigkeit in Frage.“756 Obwohl studierende Frauen um das Jahr 1930 nichts mehr außergewöhnliches waren, wurden sie teils immer noch von männlichen Professoren und Studenten, sowie auch der Öffentlichkeit diskriminiert.757 Und auch die prekäre ökonomische Situation zu Beginn der 1930er beunruhigte nun vor allem das traditionelle Bildungsbürgertum. Insbesondere bei der Berufsausübung von Ärztinnen – das Medizinstudium war bei Frauen überdurchschnittlich beliebt – wurden deshalb starke Kontingentierungen eingeführt, wie etwa eine 5%-Quote für Frauen.758 Auch während des Nationalsozialismus wurde die Akademisierung der Frau weiter eingeschränkt. 30 der 73 Wissenschaftlerinnen, die im Wintersemester 1932/33 Teil des akademischen Lehrkörpers Deutschlands waren, wurden entlassen, viele davon aus ‚rassischen‘ Gründen.759 Der Abiturjahrgang von 1934 wurde generell insofern reglementiert, als dass insgesamt nur 15.000 Schulabgänger einen Hochschulplatz bekamen. Zudem wurde jedoch eine Mädchenquote von nur 10% bei diesen 15.000 Schülern eingeführt.760 Dies bedeutete, dass nur jede siebte Abiturientin einen Platz an einer Hochschulen erhielt, während es bei den männlichen Abiturienten jeder zweite war.761 Außerdem mussten alle männlichen und weiblichen Abiturienten, die beabsichtigten zu studieren, sechs Monate in einem Arbeitslager Dienst leisten. Ab 1934 mussten Mädchen ein obligatorisches Hauswirtschaftsjahr absolvieren und ab 1935 auch den Volontärdienst. Wenn ein Mädchen ab 1937 studieren wollte, musste sie zunächst in einer Prüfung ihre Haushaltskenntnisse beweisen.762 Auch „[d]as Gesetz gegen das <>, 1932 zur Bekämpfung der hohen Akademikerarbeitslosigkeit erlassen, diskriminiert[e] ausnahmslos Frauen.“763 So wurden schließlich kontinuierliche Rückgänge der Immatrikulationen von Frauen vom

754 Abele-Brehm (1996), S. 12. 755 Kaiser (1997), S. 67. 756 Huerkamp (1996a), S. 78f. 757 Manns (1997), S. 34. 758 Soden (1979), S. 23. 759 Wobbe (1996), S. 351. Theresa Wobbe sieht im Machtwechsel von 1933 den Grund dafür, dass sich aus der ersten Generation von Akademikerinnen keine Tradition bilden konnte und die Frauen ihren Kampf nach 1945 erneut beginnen mussten (Ebenda, S. 353). 760 Da diese Quote in Erlangen jedoch auch zuvor nie erreicht wurde, hatte die neue Regelung keine praktischen Auswirkungen für die Universität Erlangen (Derichs und Metzger (2018), S. 56). 761 Huerkamp (1996b), S. 325. 762 Soden (1979), S. 29. 763 Abele-Brehm (1996), S. 13. 166

Sommersemester 1934 an erreicht.764 Als sich jedoch ab 1937 ein Akademikermangel abzeichnete bzw. 1939 der Krieg begann, warb man wieder verstärkt für das Frauenstudium,765 „Frauen mussten die Plätze der Männer einnehmen und den Herd, an dem sie weilen sollten, verlassen.“766 Seit dem Zweiten Weltkrieg war schließlich ein sowohl relativer, als auch absoluter Anstieg von weiblichen Studenten zu beobachten, „der ohne Zweifel darin gründet[e], daß nicht genügend männliche Aspiranten für akademische Berufe vorhanden [waren].“767 So stieg beispielsweise die Zahl der Medizin-Studentinnen auf bis zu 40% im Wintersemester 1943/44.768 Der Anteil der insgesamt immatrikulierten Frauen an der Universität Erlangen belief sich im selben Zeitraum auf 52%.769 Abgeleitet von der initialen Einstellung gegenüber Studentinnen, lässt sich vermuten, dass man während des Dritten Reichs auch weiblichen Habilitanden gegenüber eher abgeneigt war. Man empfand die Hochschulen zwar aufgrund der zunehmenden Emanzipation gezwungenermaßen als einen Ort der „ideologische[n] Schulung von Frauen […], gleichwohl hätten Ehe und Familie ihr endgütiger Tätigkeitsbereich zu bleiben“770. Eine Frau, die noch dazu eine akademische Karriere anstrebte und vor Studenten dozieren wollte, passte nicht in Abbildung 30: Frauenanteil der Studienanfänger in Bayern 1903-1940 diese Vorstellung. Erkenntlich wird das auch aus den Reichshabilitationsordnungen von 1934 bzw. 1939. In Paragraph vier wird dort ein „Fragebogen über die arische Abstammung des Bewerbers und seiner Ehefrau“771 verlangt. Die Formulierung lässt deutlich werden, dass weder mit Bewerberinnen, noch mit deren eventuellen Ehemännern gerechnet und geplant

764 Die Mehrheit der Studentinnen stimmte diesem neuen System sogar zu und verschloss dabei die Augen vor der erneuten „Minderbewertung des weiblichen Geschlechts“ (Manns (1997), S. 283) in der NS-Ideologie. Der Kampf der Geschlechter wurde nun als fehl am Platz empfunden; nationalsozialistische Akademikerinnen beschäftigen sich mit dem Aufbau der sogenannten ‚weiblichen Sphäre‘ und befanden sich auf „Kulturmission“ (Ebenda, S. 293), in der sie ihre eigenen Feindbilder konstruierten, wie beispielsweise Frauen, die ihren Haushalt ‚falsch‘ führten (Ebenda, S. 283-293). Auch Claudia Huerkamp sieht für den Rückgang der Studentinnenzahlen nicht nur die Reglementierungen der nationalsozialistischen Regierung verantwortlich, sondern spricht vielmehr von einer zunehmenden Studierunwilligkeit unter Abiturientinnen unter anderem aufgrund schlechter Berufsaussichten und mangelnder Stipendien (Huerkamp (1996b), S. 334-340). 765 Huerkamp (1996a), S. 78-90. 766 Vogt (2011), S. 166. 767 Abele-Brehm (1996), S. 14. 768 Derichs und Metzger (2018), S. 59. 769 Abele-Brehm (2004), S. 10. 770 Lehmann (1996), S. 29. 771 UAE C3/1 Nr. 320: Reichshabilitationsordnung von 1934. 167 wurde. Bis 1945 gab es folglich kaum habilitierte Frauen, viele brachen das Verfahren aufgrund von Diskriminierungen ab, weitaus mehr wurden von vornherein abgeschreckt.772 Nach Ende des Zweiten Weltkrieges ging der Anteil von Studentinnen schließlich wieder um rund 50% zurück, da die Männer nun an die Hochschulen zurückkehren konnten.773 Diese wurden dabei explizit bevorzugt: Eine Zulassung für den klinischen Abschnitt der studentischen Ausbildung erfolgte im Sommersemester 1946 für Studentinnen beispielsweise nur, wenn sie das Physikum mit Bestnote bestanden hatten, für männliche Studenten gab es keine Beschränkungen.774 Dementsprechend gestaltete sich auch die Entwicklung an der Universität in Erlangen.775 Trotzdem rückte sie mit 1.304 Studentinnen im Wintersemester 1947/48 auf den fünften Platz der deutschen Hochschulen, wozu auch der unzerstörte Zustand der Universitätsgebäude beitrug. In den 1950er und 60ern lag der Anteil von weiblichen Studenten deutschlandweit schließlich zwischen 16 und 19%.776 Der Anteil weiblicher Studierender fiel dabei von 23,5% im Jahr 1947 auf 17% im Wintersemester 1961/62.777 Die Urkunde, mit der Helene Weinland, der ersten Habilitandin der Medizinischen Abbildung 31: Helene Weinlands Habilitationsurkunde - die Bezeichnung 'Mann' musste händisch geändert werden Fakultät Erlangens, die Venia legendi verliehen wurde, ist ein Zeugnis dieser Zeit. Auf dem Vordruck musste das Wort Herrn ausgestrichen werden und mit der Schreibmaschine durch Frau ergänzt werden, um an die Verleihung an Helene Weinland angepasst zu werden. Mit weiblichen Habilitanden wurde auch in den 1950ern nicht gerechnet.778 Bemerkenswert ist auch, dass sich bis 1945 an allen Universitäten Deutschlands mindestens eine Frau habilitierte – außer in Münster, Rostock und Erlangen.779 Den ersten Versuch, eine habilitierte Frau an der Universität Erlangen zu verpflichten, gab

772 Wittern-Sterzel (2018), S. 454. 773 Abele-Brehm (1996), S. 14. 774 Schlüter (1996), S. 451. 775 Abele-Brehm (1996), S. 14. 776 Lehmann (1996), S. 31f. 777 Derichs und Metzger (2018), S. 61. 778 UAE C3/4b Nr.44. 779 Paletschek (2012), S. 317. 168 es im August 1947. Am Lehrstuhl der Gerichtsmedizin stand Prof. Dr. med. Elisabeth Nau von der Universität Berlin als Erstplatzierte auf der Berufungsliste. Ein Arbeitsvertrag kam jedoch nicht zustande.780 Die erste Habilitation einer Frau in Erlangen fand schließlich 1950 mit Gisela Freund in Ur- und Frühgeschichte statt. Die erste Ordinaria war 1963 Ingeborg Esenwein-Rothe am Lehrstuhl für Statistik der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.781 Eine Erklärung für diese erneut sehr niedrige Frauenquote bietet neben „finanzielle[n] Nöten[n] der Familien nach der Währungsreform einerseits, […] [und der] Erwartung mangelnder Chancen in akademischen Berufen andererseits“782 die Tatsache, dass Professuren erst ab den 1970ern öffentlich ausgeschrieben wurden und man davor vor allem über persönliche Kontakte und Beziehungen, das heißt das Einholen von Voten bei den Lehrstuhlinhabern anstelle von Bewerbungen an diese Positionen gelangte. „Dies begünstigte die Reproduktion der dominierenden und habituellen Struktur des Lehrkörpers.“783 Chancen hatten Frauen deshalb vor allem in neu gegründeten Hochschulen bzw. in neuen Wissenschaftsdisziplinen.784 Theresa Wobbe fasst die zahlenmäßige Entwicklung ab 1933 und das Fehlen universitärer Reformen nach 1945 gerade bezüglich Frauen als „Rückschlag in der erst jungen Geschichte von Wissenschaftlerinnen in Deutschland“785 zusammen und konstatiert, dass weibliche Wissenschaftler erst ab Ende der 1960er eine wahrnehmbare Gruppe in der akademischen Welt bildeten.786 Ein Bericht der UNESCO stellte in den 1950ern fest, dass die BRD mit nur 3,2% Frauenanteil am Lehrpersonal weltweit einen der hinteren Plätze belegte, in der DDR waren es immerhin 9,5%. Ähnliches zeigt die Erhebung von Charlotte Lenz 1952 an westdeutschen Hochschulen über den Frauenanteil beim Lehrpersonal: An neun Universitäten und drei Technischen Hochschulen arbeiteten nur zwölf planmäßige Professorinnen, drei von ihnen als Ordinarien, neun als außerordentliche Professorinnen. Somit lag der Anteil weiblicher Professoren bei insgesamt 0,6%, der von Privatdozentinnen bei 3,5% und der von Frauen am gesamten Lehrpersonal bei 4,6%. Während 40,7% der habilitierten Männer eine Professur bekleideten, waren es bei den Frauen nur 13,6%. Sylvia Paletschek führt zudem an, dass 1952 auf eine Professorin 6,3 Privatdozentinnen kamen, wohingegen es pro männlichem Professor lediglich 1,1 männliche Privatdozenten gab. Zusammenfassend waren die Berufschancen der Privatdozentinnen 1952 also fast sechsmal schlechter als die der Männer.787 Auch die Einstellung von Hochschullehrern gegenüber weiblichem Lehrpersonal Ende der 1950er Jahre wurde untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass nur 11% der Befragten Frauen als Hochschullehrern positiv gegenüberstanden, 40% lehnten dies

780 UAE C3/5a Nr. 37. 781 Abele-Brehm (1996), S. 15f.; zur Karriere von Ingeborg Esenwein-Rothe siehe auch Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Esenwein-Rothe, Ingeborg. 782 Lehmann (1996), S. 32. 783 Paletschek (2012), S. 312. 784 Ebenda, S. 318. 785 Wobbe (1996), S. 351. 786 Ebenda. 787 Paletschek (2012), S. 318-321. 169 grundsätzlich ab, weitere 40% bedingt. Als Gründe wurden dabei angegeben, dass es Frauen an intellektuellen Fähigkeiten mangele, genauso wie an abstraktem und schöpferischem Denken. Zudem wurde angeführt, dass der Beruf des Hochschullehrers dem Wesen der Frau widerspreche und außerdem ein Mangel an Autorität, Ausdauer und physischer Kraft anzunehmen sei. Insgesamt sahen also 80% aller Befragten den Grund einer fehlenden Eignung bei der Frau selbst, nur 20% bei den Hochschulen oder der Gesellschaft.788 Vor allem die Haltung Frauen gegenüber entsprach in den 1950ern also weitestgehend noch der aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Man hatte Frauen schon zu dieser Zeit einen Mangel an Körper- und Nervenkraft zugeschrieben und ihr natürliches Dasein in der Rolle als Ehefrau und Mutter gesehen, was durch ein Studium und vor allem einen Beruf gefährdet worden wäre. Ebenso hatte man Frauen ein „Vorwiegen des Gefühls über den Verstand, die geringere Fähigkeit zum logischen Denken und Handeln“789 bescheinigt. Auf geradezu legendäre Weise hatte 1872 der Münchner Anatom Theodor Bischoff die physiologische Studierunfähigkeit der Frau zu beweisen versucht: Er hatte mehrere hundert Gehirne von Männern und Frauen gewogen und daraufhin festgestellt, dass weibliche Gehirne im Durchschnitt 134 Gramm leichter seien, woraus er eine „geistige Minderwertigkeit“790 der Frau abgeleitet hatte. Derartige Vorstellungen wirkten selbst nach 1945 noch nach.791 So stieß „[a]uch nach dem Zweiten Weltkrieg […] die Frau als Wissenschaftlerin bei ihren Kollegen nach wie vor auf massive Ablehnung auf der Basis irrationaler Vorurteile.“792 Die Bedeutung von persönlichen Kontakten bei universitären Neubesetzungen und Beförderungen in der Nachkriegszeit und das „restaurative Klima der Adenauer-Zeit […], welches ein traditionelles Frauenbild favorisierte“793, erklärt also zur Genüge die niedrige Anzahl weiblicher Akademikerinnen. Insgesamt listet Eva Brinkschulte für die medizinischen Fächer bis 1960 36 Habilitationen von Frauen auf. In dieser Liste fehlt jedoch Helene Weinland, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Die Vollständigkeit dieser Liste ist also fraglich.794 Elisabeth Bodecker und Maria Meyer-Plath listen für den Zeitraum von 1920 bis 1959 fächerübergreifend insgesamt 119 weibliche Lehrkräfte mit Habilitation (in der BRD) auf. Bis einschließlich 1929 errechnen sie fünf weibliche Lehrkräfte mit Habilitation, von 1930 bis 1939 14, von 1940 bis 1949 41 und von 1950 bis einschließlich 1959 59.795 Der Anteil weiblicher Professoren lag im Jahr 1960 schließlich bei 2,3%, 18 Frauen in Deutschland hatten einen Lehrstuhl inne – sie warteten auf diese Position mit 17 Jahren dabei durchschnittlich doppelt so lange wie ihre männlichen Kollegen. Anne

788 Paletschek (2012), S. 324f. 789 Abele-Brehm (1996), S. 11. 790 Burchardt (1994), S.10. 791 Ebenda, S.10f. 792 Costas (1997), S. 34. 793 Lehmann (1996), S. 32. 794 Brinkschulte (1994), S. 111-113. 795 Bodecker und Meyer-Plath (1974), S. 365. 170

Schlüter zieht Bilanz: „Die wenigen Hochschullehrerinnen in den fünfziger und sechziger Jahren waren als Ausnahmefrauen an den Hochschulen kaum präsent.“796

3.4.2. Helene Weinland – die erste Habilitandin der Medizinischen Fakultät Sechs Jahre nach der ersten Habilitation einer Frau an der Universität Erlangen797 und 36 Jahre nach der offiziellen Zulassung von Frauen zur Habilitation in Deutschland wurde am 1. Februar 1956 mit Helene Weinland auch der ersten Frau an der Medizinischen Fakultät Erlangen der Titel einer Privatdozentin verliehen.798 Zwar ordnen Elisabeth Bodeker und Maria Meyer-Plath ihre Habilitation fachlich unter Chemie ein799, doch da Helene Weinlands Habilitationsakte als ein Vorgang der Medizinischen Fakultät aufgelistet ist und auch die Verleihungsurkunde ihrer Venia legendi von der Medizinischen Fakultät der Universität ausgestellt wurde, wird ihre Habilitation hier auch als solche behandelt.800 Eine Vorstellung von Helene Weinland als erste medizinische Habilitandin Erlangens findet sich auch im Gedenkband zum 275. Jubiläum der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen.801 Helene Weinland wurde am 5. Juni 1914 in Erlangen in eine protestantische Akademiker-Familie geboren. Ihr Vater war Dr.med. Dr.phil. Ernst Friedrich Weinland (1869-1932), der von 1913 bis 1932 die Professur für Physiologie in Erlangen innehatte. Er saß zudem von 1924 bis 1928 für die NSDAP im Erlanger Stadtrat802. Zusammen mit seiner Frau Maria, geborene Wurmb, hatte er neben Helene noch zwei weitere Kinder.803 Helene Weinland besuchte von 1925 bis 1931 zunächst das Maria-Theresia-Mädchenlyzeum und verbrachte ein weiteres Jahr an der Ohm- Oberrealschule in Erlangen. Von 1932 bis 1934 ging sie auf die Kepler-Oberrealschule in Reutlingen, Württemberg. Sie begann im Anschluss an die Schule ihr Studium der Naturwissenschaften, genauer der Botanik, Abbildung 32: Helene Weinland in jungen Zoologie, Chemie und Geographie in Tübingen. Jahren Später wechselte sie an die Universität in Königsberg und zum Wintersemester 1936/37 schließlich nach Erlangen. 1939

796 Quelle zum gesamten Absatz und Zitat: Schlüter (1996), S. 457. 797 Gisela Freund in Ur- und Frühgeschichte im Jahr 1950 (Abele-Brehm (1996), S. 16). 798 UAE C3/4b Nr.44. 799 Bodecker und Meyer-Plath (1974), S. 48f. 800 UAE C3/4b Nr.44. 801 Zimmermann (2018b), S. 54f. 802 Über die politische Einstellung bzw. Betätigung von Helene Weinland ist aus den Quellen nichts ersichtlich. 803 Wittern (1999), S. 212. 171 beendet sie ihr Studium mit dem Staatsexamen in Chemie, Biologie und Geographie und legte ebenfalls 1939 die pädagogische Lehramtsprüfung in München ab.804 Bereits im Jahr 1938 wurde sie im Alter von 24 Jahren mit einer Arbeit in Botanik zum Dr.rer.nat. promoviert.805 Zwei Jahre später, im Jahre 1940, begann sie in Erlangen zusätzlich ein Studium der Medizin, das sie 1945 mit dem Staatsexamen im April „mit der Note <>“806 abschloss. Ebenfalls 1940 begann sie ihre Arbeit als Volontärassistentin am Physiologisch-Chemischen Institut in Erlangen unter Friedrich Julius May (1898-1969). In seinem späteren Votum informativum zu ihrer Habilitation vom 6. Oktober 1955 erklärt May, dass er Helene Weinland an sein Institut geholt hatte, weil damals sämtliche seiner Assistenten eingezogen waren und er selbst zusätzlich als Dozent für Luftfahrtmedizin eine leitende Position bei der Fliegeruntersuchungsstelle in Erlangen einnehmen musste.807 Im Oktober 1947 wurde sie schließlich wissenschaftliche Assistentin an selbigem Institut und am 11. September 1948 zusätzlich mit ihrer Arbeit Über den Vorgang des Galaktogenabbaues durch Fermente der Weinbergschnecke (Helix pomatia L.) mit ‚summa cum laude‘ zum Dr.med. promoviert.808 Ein Jahr später trat sie der Phyikalisch- Medizinischen Sozietät Erlangen bei. 809 Im Jahre 1956 habilitierte sich Helene Weinland in Physiologischer Chemie mit einer wissenschaftlichen Arbeit über Untersuchungen an Galaktogen, einem Thema also, das sie schon in ihrer Dissertationsarbeit behandelt hatte. Der Hauptreferent ihrer Habilitationsschrift war ihr langjähriger Begleiter, der Leiter des Physiologisch- Chemischen Instituts Friedrich Julius May, der auch schon bei Helene Weinlands Vater am Physiologischen Institut als Assistent gearbeitet und in den 1920ern das Galaktogen, an dem nun auch sie forschte, entdeckt hatte810. In seinem Gutachten vom 20. Oktober 1955 konnte May „die Arbeit als Habilitationsschrift in jeder Hinsicht empfehlen“811. Er fügte in seinem Votum informativum vom 6. Oktober 1955 außerdem an, dass „[i]hre bisherigen Arbeiten […] auch im Ausland großen Anklang gefunden [haben].“812 Auch Korreferent Friedrich Heim (1910-1979), Leiter des Pharmakologischen Instituts, schloss sich bei seiner Bewertung vom 29. November 1955 dieser Meinung an: „Sie hat sich in ihrer Arbeit teils der klassischen chemisch-analytischen, teils neuer Methoden und Wege mit Erfolg und in überzeugender Weise bedient. Da die Arbeit großen wissenschaftlichen Wert besitzt und in jeder Hinsicht den Anforderungen an eine Habilitationsschrift gerecht wird, möchte ich sie der Fakultät zur Annahme vorschlagen.“813 Kaum gekürzt erschien die Schrift auch in vier Teilen in der Zeitschrift für Physiologische Chemie von Hoppe-Seyler. Helene Weinlands Colloquium fand anschließend Anfang 1956 zum Thema Die Wirkung der bisher bekannten

804 Wittern (1999), S. 212. 805 Bodecker und Meyer-Plath (1974), S. 48. 806 Mediendienst FAU-Aktuell Nr.4048 2005. 807 UAE C3/4b Nr.44. 808 Weinland (1948). 809 Wittern (1999), S. 212f. 810 Erlanger Nachrichten, 22.07.1966. 811 UAE C3/4b Nr.44. 812 Ebenda. 813 UAE C3/4b Nr.44. 172

Spurenelemente statt. Nach der Probevorlesung am folgenden 1. Februar über Aufbau und Bildung der Nukleinsäuren war sie schließlich habilitiert und durfte die Berufsbezeichnung Privatdozentin tragen. Zu diesem Zeitpunkt war sie 41 Jahre alt.814 Ihr akademischer Erfolg setzte sich fort, als sie nach 10 Jahren 1966 zur außerplanmäßigen Professorin ernannt und zudem wissenschaftliche Rätin wurde. Am 1. April 1972 wurde ihr der Titel einer außerordentlichen Professorin verliehen,815 1978 wurde sie zur C3-Professorin ernannt.816 Bei den Studierenden war sie aufgrund ihrer originellen Vorlesung zur Physiologischen Chemie beliebt.817 Wissenschaftlich befasste sie sich während ihrer Karriere vor allem mit der Struktur und der Verstoffwechslung von Galaktogen und anderen Polysacchariden, was auch die Liste ihrer Publikationen zeigt, die sie für ihre Habilitation einreichte.818 Zusammen mit Werner Fischer veröffentlichte sie 1965 zudem die Monographie Der Stoffwechsel der Galaktose und Ihrer Derivate, welche Friedrich May gewidmet ist.819 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender listet außerdem die Endokrinologie 820 Abbildung 33: Helene Weinland ca. 1958 als ihr Fachgebiet auf. Mit 65 Jahren wurde Helene Weinland 1979 in den Ruhestand versetzt.821 Bis zu diesem Zeitpunkt war sie im Physiologisch-Chemischen Institut Erlangen tätig. Schließlich starb sie im Alter von 90 Jahren am 26. Februar 2005.822 Sie war unverheiratet und hatte keine Kinder.823 Helene Weinlands akademische Karriere begann im Laufe der 1930er Jahre, also zu einer Zeit, in der Frauen aus ideologischen Gründen wissenschaftliche Karrieren nicht gerade erleichtert wurden. Zu Gute kam ihr die Tatsache, dass sämtlich männliche Kollegen von der Wehrmacht eingezogen waren und deshalb ein Mangel an qualifiziertem Personal herrschte.824 Sie bekam so die Gelegenheit, ihr Potenzial zu beweisen. Nicht unbedeutend wird dabei auch die Tatsache gewesen sein, dass ihr Vater lange Zeit den Lehrstuhl für Physiologie geleitet hatte. Inwieweit dessen Tod 1932 ihr berufliches Leben beeinflusste, ist nicht bekannt. Auch nach der Zeit des Nationalsozialismus mussten die wenigen Frauen in leitenden Positionen an den Hochschulen jedoch gegen die konservative Einstellung vieler kämpfen. Helene Weinland meisterte auch diese Herausforderung und erreichte als erste Frau in

814 UAE C3/4b Nr.44. 815 Wittern (1999), S. 213. 816 Mediendienst FAU-Aktuell Nr.4048 2005. 817 Ebenda. 818 UAE C3/4b Nr.44. 819 Fischer und Weinland (1965). 820 Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender: Weinland, Helene. 821 UAE C3/5 Nr. 220. 822 Mediendienst FAU-Aktuell Nr.4048 2005. 823 Wittern (1999), S. 212f. 824 UAE C3/4b Nr. 44: Schreiben von Friedrich Julius May an den Dekan der Medizinischen Fakultät vom 06.10.1955. 173

Erlangen die Habilitation an der Medizinischen Fakultät. Schließlich wurde ihr sogar der Titel einer C3-Professorin verliehen. Dass sie dafür private Opfer bringen musste, lässt sich anhand ihres Familienstandes vermuten. Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie stand damals noch kaum zur Debatte.

4. Fazit Das gut 200 Jahre alte Konzept der ‚modernen‘ Habilitation fand auch an der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen vielfache und interessante Ausprägungen. Zwischen 1918 und 1960 regelten insgesamt sieben Habilitationsordnungen die Prozedur vom promovierten Mediziner zum habilitierten Hochschullehrer. Dieser Vorgang unterlag dabei, kaum verwunderlich, den mannigfaltigen politischen und sozialen Einflüssen, ordnet er doch die Nachfolge in der Ausbildung der – vermeintlich – schlauesten Köpfe dieses Landes. In der Weimarer Republik stieß der Versuch der Neuordnung der Hierarchien an den Hochschulen auf ähnliche Konsternation wie die Neuordnung des Staatswesens. Die große Mehrheit der konservativen Professoren sehnte sich zurück in die wissenschaftlichen Glanzzeiten des Kaiserreichs und bereitete so – wenn auch selten aktiv – den Weg für den Nationalsozialismus. Dieser führte sodann zu einem massiven Eingreifen des Staates in die Hochschulpolitik: Zunächst kam es zu Entlassungen, einer Begrenzung der Studierendenzahlen und der Einrichtung verschiedenster Kontrollinstanzen, dann resultierten aus den Versuchen, eine ‚deutsche Wissenschaft‘ zu etablieren und die Hochschullandschaft ‚gleichzuschalten‘ landesweit einheitliche Habilitationsordnungen, die Übertragung des Führerprinzips auf die Universitäten und letztendlich wissenschaftlicher Rückstand, Isolation und Unfähigkeit zur Lehre. Die sogenannte ‚Stunde Null‘ nach 1945 brachte dann allerdings keine tiefgreifenden Veränderungen des Hochschulwesens mit sich, sondern führte vielmehr zu einem Wiederaufgreifen der Weimarer Strukturen und allzu oft zur vorschnellen Entlastung der Hochschullehrer. Der Universitätsbetrieb musste gerade im Medizinbereich schnellstmöglich wieder in Gang gebracht werden. Die Universität Erlangen tat sich im geschichtlichen Verlauf vor allem vor und nach dem Nationalsozialismus hervor: Mit der frühesten nationalsozialistischen Studentengruppe erlangte sie schon in den 1920er Jahren den Ruf als ‚braune Universität‘ und ließ Andersdenkende dies auch damals schon spüren. So gab es dann auch kaum zu entlassene Personen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Zur Einrichtung eines Lehrstuhls für Rassenhygiene kam es dennoch nie. Zu einer der bedeutendsten Hochschulen wurde sie schließlich nach 1945 – als eine der wenigen war die Universität Erlangen nahezu unzerstört. Man sah sich bald einer Vielzahl an Studenten gegenüber und hatte dennoch nur heruntergekommene Gebäude und kaum Lehrmaterial zu bieten. Die 1950er schufen mit einigen Neubauten und Fördermitteln erste Abhilfe. Vor diesem Hintergrund sind die 97 Habilitationen, die an der Medizinischen Fakultät von 1918 bis 1960 erfolgten, zu betrachten. Sie erstreckten sich über ein breites Fächer- und Themenspektrum. Neu waren in diesen 43 Jahren nicht nur die Emanzipation der Orthopädie und Urologie von der Chirurgie und deren erste ‚eigene‘ Habilitationen, sondern mit Helene Weinland auch die erste weibliche Privatdozentin

174 der Medizinischen Fakultät. Generell zeichnete sich eine zunehmende Komplexität des Prozesses ab: Immer mehr Wissenschaftler brachten ihre Habilitation auf den Weg, gleichzeitig stieg das durchschnittliche Alter bis zu diesem Schritt kontinuierlich an genauso wie der Zeitraum zwischen Promotion und Habilitation. Auch der Umfang der Habilitationsschrift nahm kontinuierlich zu und verlangte im Schnitt nach immer mehr Literaturquellen, welche zunehmend aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammten. Andere Dinge hingegen scheinen sich über die Zeit nicht grundlegend geändert zu haben. So machten nach wie vor Protestanten den Großteil der Habilitanden an der Medizinischen Fakultät Erlangens aus, gab der Beruf des Vaters oft noch die berufliche Laufbahn der Kinder vor und zogen die Wissenschaftler nicht weit weg von Geburts- bzw. Promotionsort, um ihre akademische Karriere weiter zu verfolgen. Erlangen blieb weitestgehend die Regionaluniversität, die sie auch schon im 19. Jahrhundert war. Auch die Ehe galt den meisten Habilitanden als bewährtes Konzept, sodass von 1918 bis 1960 knappe 80% bei Habilitation bereits verheiratet waren. Freilich wurde das von der Universität unterstützt. Bei dem Versuch, die Persönlichkeiten hinter diesen Habilitationsvorgängen zu erfassen, wurden in dieser Arbeit 13 exemplarische Einzelfälle genauer betrachtet. Diese bilden ein breites Spektrum an Fachspezialisierungen und Zeiträumen ab. So wird die Gynäkologie repräsentiert von Hermann Wintz, dem eigensinnigen Begründer der Erlanger Radiologie und gehätscheltem NS-Vorzeigearzt, sowie Werner Lüttge, der trotz Mitgliedschaft in einigen nationalsozialistischen Organisationen an seiner moralischen Einstellung festhielt. Für die Innere Medizin stehen der Kardiologe und Pionier der deutschen Hospizbewegung Markus von Lutterotti, Werner Schuler, der sich zusätzlich auf Pathologische Physiologie konzentrierte und als einziger Mediziner der Dozentenschaft aus rassischen Gründen Deutschland verließ, und der NS- Sympathisant Richard Wilhelm Greving, der sich vor allem auf die damals noch der Inneren Medizin zugehörigen Neurologie spezialisiert hatte. Diese wanderte später oftmals mit in das Fachgebiet der Psychiatrie, wofür der in den 1960ern wegen seiner ‚T4‘-Gutachtertätigkeiten auch in der Zeitschrift Der Spiegel angeprangerte Berthold Kihn, sowie Adolf Bingel, Mitbegründer der Elektrokonvulsionstherapie, Walter Ritter von Baeyer, der wesentliche Impulsgeber der Nachkriegspsychiatrie, und Johannes Schottky stehen. Letzterer hatte als einziger Habilitand im Untersuchungszeitraum auch den Lehrauftrag für Rassenhygiene inne. Das Fachgebiet der Hygiene und Bakteriologie wird hier repräsentiert von Hermann Eyer, der sich in seiner Habilitationsschrift mit einem rassenkundlichen Thema in einem deutschen Grenzgebiet befasste. Für die Erlanger Physiologie steht Wolf-Dieter Keidel. Er war nicht nur Vorreiter bei der Einsetzung bestimmter diagnostischer Verfahren, er verwendete auch mit als Erster bereits in den 1950ern Computer für seine Arbeit und half bei der Entwicklung des Cochlea Implantats. Alfred Sigels Fachgebiet war die Urologie, dabei konzentrierte er sich vor allem auf die pädiatrische Urologie. Gesondert wird schließlich Helene Weinland betrachtet, die als erste habilitierte Medizinerin an der Universität Erlangen arbeitete und den Kampf der Akademisierung von Frauen, der bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, fortführte. Ihr Fachgebiet war die Physiologische Chemie.

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Gesondert erwähnt seien an dieser Stelle noch einmal die Habilitanden Bertold Kihn, Hermann Eyer und Johannes Schottky, die auf ihrem Karriereweg maßgeblich im Sinne des Nationalsozialismus handelten und dementsprechend hohe Positionen innehatten. Kihn war als Gutachter der ‚Aktion T4‘ tätig und an der Ausarbeitung eines geplantes Euthanasiegesetzes beteiligt, Eyer führte Impfstoff-Experimente zur Fleckfieberforschung im Konzentrationslager Buchenwald durch. Beide leiteten Universitätsveranstaltungen über rassenideologische Themen. Unter Schottkys medizinischer Leitung wurden hunderte von Patienten in Tötungsanstalten der ‚Aktion T4‘ verlegt. Zudem arbeitete er für das für Vertreibungen und Rassenselektion zuständige Rasse- und Siedlungshauptamt. Seine Karriere und Habilitation unter anderem im Fach Rassenhygiene wurde bereitwillig von der Medizinischen Fakultät Erlangen gefördert: Die Einreichung einer Habilitationsschrift wurde nicht als nötig erachtet, sein Kolloquium fand verkürzt statt. Gemeinsam war den dreien auch, dass sie für ihre Beteiligung an den NS-Verbrechen kaum belangt wurden; alle konnten nach 1945 weiterhin als Arzt tätig sein. Bestätigt wird die Vermutung der Karriereförderlichkeit von NS-Nähe durch die Habilitationsakte von eben jenem Hermann Eyer. Dekan Friedrich Jamin empfahl ihn unter anderem aufgrund „seines geschlossenen charaktervollen Wesens“825 für die Tätigkeit als Dozent. Auffällig ist dies auch beim Habilitanden Adolf Bingel. Er wurde ebenfalls aufgrund seines einwandfreien charakterlichen Verhaltens von Dekan Richard Greving empfohlen. ‚Charakter‘ im Sinne von NS-konformem Verhalten konnte also ein entscheidendes Kriterium für die Verleihung der Venia legendi zur Zeit des Dritten Reiches sein. Wie bereits eingangs erwähnt, entspricht dieser Forschungsstand der aktuellen Aktenlage und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vor allem in dem Wissen, dass einige Archivmaterialien nicht einsehbar waren. Mit Beginn der 1960er und dem Ende des hier untersuchten Forschungszeitraumes sollte in Deutschland zudem ein Zeitalter der Umwälzungen und Reformen beginnen, welche sich mit Sicherheit auch auf die Habilitationsverfahren niederschlugen. Weitere Forschungen in diese Richtung wären demnach mit Sicherheit aufschlussreich. Dies gilt ebenso für die Lebensläufe der einzeln behandelten Habilitanden und all jene, die ihnen nachfolgten.

825 UAE C3/4a Nr. 112: Brief von Dekan Friedrich Jam den der Rektor der Universität Erlangen vom 23.01.1937. 176

5. Ungedruckte Quellen

- Brief von Albrecht Schottky an Astrid Ley vom 05.05.1997, Datensammlung im Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin - Habilitationsbuch der Medizinischen Fakultät, angelegt am 01.01.1958, 16/62- 16/586, Dekanat der Medizinischen Fakultät - Stadtarchiv Bamberg: D 1042 + 132: Anträge auf Wiedereinstellung nach "Gesetz Nr. 8 der amerikanischen Militärregierung" - Stadtarchiv Erlangen: XIV.10.B.30/1: Medizinische Fakultät bis 2004 - Universitätsarchiv Erlangen-Nürnberg (UAE): o UAE A1/3a Nr. 884: 1931 - 1944 / Habilitation; Wehrsportlager; Dozentenakademie o UAE A1/3a Nr. 899a: 1932-1947 / Habilitationen o UAE A1/3a Nr. 951: 1934 - 1945 / Reichshabilitationsordnung o UAE A1/9 Nr. 9: Lagebericht Studentenwerk 1947 o UAE A2/1 G 38: Personalakte Greving, Richard Wilhelm o UAE A2/1 S 82: Personalakte Schuler, Werner o UAE A2/1 W 36a: Personalakte Wintz, Hermann 1 o UAE A2/1 W 36b: Personalakte Wintz, Hermann 2 o UAE A2/1 Nr. 36c: Personalakte Wintz, Hermann 3 o UAE C3/1 Nr. 273: Protokolle über die Sitzungen der Medizinischen Fakultät Erlangen 1942-1951 o UAE C3/1 Nr. 319: 1899-1954 / Habilitationsordnung o UAE C3/1 Nr. 320: 1934-1948 / Reichshabilitationsordnung o UAE C3/1 Nr. 321: 1952-1974 / Habilitationsordnung o UAE C3/4a Nr. 75: Habilitationsakte: Wintz, Hermann o UAE C3/4a Nr. 76: Habilitationsakte: Pflaumer, Eduard Ludwig Julius o UAE C3/4a Nr. 77: Habilitationsakte: Stettner, Ernst Melchior o UAE C3/4a Nr. 78: Habilitationsakte: Ewald, Gottfried o UAE C3/4a Nr. 79: Habilitationsakte: Angerer, Karl Benno Friedrich von o UAE C3/4a Nr. 80: Habilitationsakte: Busch, Max o UAE C3/4a Nr. 83: Habilitationsakte: Greve, Christian Hans o UAE C3/4a Nr. 84: Habilitationsakte: Haas, Willy Robert o UAE C3/4a Nr. 85: Habilitationsakte: Hauenstein, Karl Johann Wilhelm o UAE C3/4a Nr. 86: Habilitationsakte: Greving, Richard Wilhelm o UAE C3/4a Nr. 87: Habilitationsakte: Knorr, Maximilian o UAE C3/4a Nr. 88: Habilitationsakte: Schneller, Julius o UAE C3/4a Nr. 89: Habilitationsakte: Bock, Julius Georg o UAE C3/4a Nr. 90: Habilitationsakte: Pratje, Andreas o UAE C3/4a Nr. 91: Habilitationsakte: Friedrich, Heinrich o UAE C3/4a Nr. 92: Habilitationsakte: Gross, Kurt Adolf o UAE C3/4a Nr. 93: Habilitationsakte: Teschendorf, Werner o UAE C3/4a Nr. 94: Habilitationsakte: Dyroff, Rudolf

177 o UAE C3/4a Nr. 95: Habilitationsakte: Regelsberger, Hermann Friedrich Ludwig o UAE C3/4a Nr. 96: Habilitationsakte: Kihn, Bertold Franz o UAE C3/4a Nr. 97: Habilitationsakte: Herzog, Ernst o UAE C3/4a Nr. 98: Habilitationsakte: Schmelzer, Hans o UAE C3/4a Nr. 99: Habilitationsakte: Hoff, Ferdinand Hans Hinrich o UAE C3/4a Nr. 100: Habilitationsakte: Flaskamp, Wilhelm o UAE C3/4a Nr. 101: Habilitationsakte: Dietel, Friedrich o UAE C3/4a Nr. 103: Habilitationsakte: Lüttge, Werner o UAE C3/4a Nr. 104: Habilitationsakte: Westhues, Heinrich o UAE C3/4a Nr. 105: Habilitationsakte: Richter, Hellmuth Wilhelm Ludwig Karl o UAE C3/4a Nr. 106: Habilitationsakte: Bodechtel, Gustav o UAE C3/4a Nr. 107: Habilitationsakte: Buchaly, Julius Felix o UAE C3/4a Nr. 108: Habilitationsakte: Schuler, Werner Hans Oskar o UAE C3/4a Nr. 109: Habilitationsakte: Peter, Karl Hermann o UAE C3/4a Nr. 110: Habilitationsakte: May, Friedrich Julius o UAE C3/4a Nr. 111: Habilitationsakte: Schmidt, Karl Hermann o UAE C3/4a Nr. 112: Habilitationsakte: Eyer, Hermann o UAE C3/4a Nr. 114: Habilitationsakte: Paschke, Heinrich o UAE C3/4a Nr. 115: Habilitationsakte: Brackertz, Wilhelm o UAE C3/4a Nr. 117: Habilitationsakte: Jeddeloh, Bruno Richard Johann zu o UAE C3/4a Nr. 120: Habilitationsakte: Bingel, Adolf Abraham Gustav o UAE C3/4a Nr. 121: Habilitationsakte: Thiermann, Edmund o UAE C3/4a Nr. 122: Habilitationsakte: Denecke, Kurt o UAE C3/4a Nr. 123: Habilitationsakte: Engelhardt, Albrecht o UAE C3/4a Nr. 124: Habilitationsakte: Schottky, Johannes o UAE C3/4a Nr. 125: Habilitationsakte: Bauer, Helmut Friedrich o UAE C3/4a Nr. 126: Habilitationsakte: Winklmair, Otto Paul o UAE C3/4a Nr. 127: Habilitationsakte: Linck, Konrad o UAE C3/4a Nr. 128: Habilitationsakte: Reichel, Christian o UAE C3/4a Nr. 129: Habilitationsakte: Hensel, Georg o UAE C3/4a Nr. 130: Habilitationsakte: Keilhack, Heinz o UAE C3/4a Nr. 131: Habilitationsakte: Bosch, Hans o UAE C3/4a Nr. 132: Habilitationsakte: Schlirf, Karl o UAE C3/4b Nr. 6: Habilitationsakte: Höcker, Heinrich o UAE C3/4b Nr. 7: Habilitationsakte: Schneider, Georg Heinrich o UAE C3/4b Nr. 8: Habilitationsakte: Baeyer, Walter Ritter von o UAE C3/4b Nr. 10: Habilitationsakte: Wernsdörfer, Robert o UAE C3/4b Nr. 11: Habilitationsakte: Keidel, Wolf Dieter o UAE C3/4b Nr. 12: Habilitationsakte: Gebauer, Alfred o UAE C3/4b Nr. 13: Habilitationsakte: Scheiffarth, Friedrich o UAE C3/4b Nr. 14: Habilitationsakte: Rüd, Hugo o UAE C3/4b Nr. 15: Habilitationsakte: Wachsmann, Felix

178 o UAE C3/4b Nr. 17: Habilitationsakte: Klopfer, Fritz o UAE C3/4b Nr. 19: Habilitationsakte: Müller, Pius o UAE C3/4b Nr. 20: Habilitationsakte: Barth, Gunther Karl Albert o UAE C3/4b Nr. 21: Habilitationsakte: Dreßler, Willy o UAE C3/4b Nr. 22: Habilitationsakte: Hengstmann, Hermann o UAE C3/4b Nr. 24: Habilitationsakte: Moll, Albrecht o UAE C3/4b Nr. 25: Habilitationsakte: Mechelke, Kurt Heinz Helmut o UAE C3/4b Nr. 26: Habilitationsakte: Kabelitz, Hans-Joachim Max o UAE C3/4b Nr. 27: Habilitationsakte: Leonhardt, Helmut o UAE C3/4b Nr. 28: Habilitationsakte: Grosch, Hans o UAE C3/4b Nr. 29: Habilitationsakte: Thurau, Rudolf Horst o UAE C3/4b Nr. 30: Habilitationsakte: Lutterotti, Markus von o UAE C3/4b Nr. 31: Habilitationsakte: Heidacher, Alfred o UAE C3/4b Nr. 32: Habilitationsakte: Thiel, Hans Lothar o UAE C3/4b Nr. 33: Habilitationsakte: Ilgner, Gerhard Heinz Herbert o UAE C3/4b Nr. 36: Habilitationsakte: Kinzlmeier, Johann Baptist o UAE C3/4b Nr. 39: Habilitationsakte: Elster, Kurt o UAE C3/4b Nr. 40: Habilitationsakte: Wernsdörfer, Robert Heinrich Andreas o UAE C3/4b Nr. 41: Habilitationsakte: Blümlein, Hermann Franz Erich o UAE C3/4b Nr. 44: Habilitationsakte: Weinland, Helene o UAE C3/4b Nr. 45: Habilitationsakte: Borneff, Joachim Otto o UAE C3/4b Nr. 47: Habilitationsakte: Maurer, Hans-Joachim Walter o UAE C3/4b Nr. 49: Habilitationsakte: Thurau, Rudolf Horst o UAE C3/4b Nr. 50: Habilitationsakte: Witte, Siegfried o UAE C3/4b Nr. 51: Habilitationsakte: Kabelitz, Hans-Joachim o UAE C3/4b Nr. 52: Habilitationsakte: Michalzik, Kurt o UAE C3/4b Nr. 54: Habilitationsakte: Haug, Herbert Wolfgang o UAE C3/4b Nr. 56: Habilitationsakte: Schwerd, Wolfgang o UAE C3/4b Nr. 57: Habilitationsakte: Schmidt, Georg August o UAE C3/4b Nr. 58: Habilitationsakte: Frik, Wolfgang o UAE C3/4b Nr. 59: Habilitationsakte: Thomas, Johannes o UAE C3/4b Nr. 61: Habilitationsakte: Wünsche, Hans-Wolfgang o UAE C3/4b Nr. 63: Habilitationsakte: Fuhrmann, Karl Heinrich Wilhelm o UAE C3/4b Nr. 65: Habilitationsakte: Heinkel, Klaus Georg Adolf o UAE C3/4b Nr. 67: Habilitationsakte: Köstler, Josef o UAE C3/4b Nr. 68: Habilitationsakte: Bock, Oskar o UAE C3/4b Nr. 69: Habilitationsakte: Schönhärl, Elimar o UAE C3/4b Nr. 70: Habilitationsakte: Birnmeyer, Georg Simon Hans o UAE C3/4b Nr. 71: Habilitationsakte: Leuschner, Fred o UAE C3/4b Nr. 72: Habilitationsakte: Reiher, Karl-Heinz o UAE C3/4b Nr. 74: Habilitationsakte: Schmidt, Josef o UAE C3/4b Nr. 76: Habilitationsakte: Zettler, Florian o UAE C3/4b Nr. 77: Habilitationsakte: Schoberth, Hanns Ernst Friedrich o UAE C3/4b Nr. 78: Habilitationsakte: Strobel, Eberhard

179 o UAE C3/5 Nr. 53: 1945-1974 / Personalnebenakte der Medizinischen Fakultät: Bingel, Adolf Abraham Gustav o UAE C3/5 Nr. 116: 1887-1966 / Personalnebenakte der Medizinischen Fakultät: Greving, Richard Wilhelm o UAE C3/5 Nr. 133: 1895-1945 / Personalnebenakte der Medizinischen Fakultät: Kihn, Berthold Franz o UAE C3/5 Nr. 138: 1895-1979 / Personalnebenakte der Medizinischen Fakultät: Lüttge, Werner o UAE C3/5 Nr. 177: 1904-1955 / Personalnebenakte der Medizinischen Fakultät: Baeyer, Walter Ritter von o UAE C3/5a Nr. 37: 1945 - 1947 / Rechtsmedizin (Lehrstuhl) o UAE C3/6 Nr. 158: Ärztlicher Prüfungsausschuss Weinland, Helene o UAE F2/1 Nr. 1383: Personalakte: Lüttge, Werner o UAE F2/1 Nr. 2193a: Personalakte: Baeyer, Walter Ritter von o UAE F2/1 Nr. 2323a: Personalakte: Kihn, Berthold Franz o UAE F2/1 Nr. 3212: Personalakte: Bingel, Adolf Abraham Gustav o UAE: F2/1 Nr. 3259: Personalakte Eyer, Hermann

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7. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Habilitationsordnung von 1907 ...... 8 Quelle: UAE C3-1 Nr. 319. Abbildung 2: Reichshabilitationsordnung von 1939 ...... 17 Quelle: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg. Abbildung 3: Gefallenendenkmal im Schlossgarten bei der Einweihungsfeier am 01.07.1930 ...... 32 Quelle: Erlangen sichtbar - unsichtbar. Station 9: Gefallenendenkmal der Universität. URL: http://www.er1900.de/gefallenendenkmal- der-universitaet.html letzter Zugriff: 09.09.2020 Abbildung 4: Erweiterungsbau der Zahnklinik in der Turnstraße um 1920 ...... 34 Quelle: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg. Abbildung 5: Überfüllter Hörsaal im Wintersemester 1946/47 ...... 50 Quelle: UAE A1/9 Nr. 9. Abbildung 6: Sich drängende Studenten vor dem Physiologiehörsaal ...... 50 Quelle: UAE. Abbildung 7: Die Ausdifferenzierung der klinischen Fächer nach Karl Eduard Rothschuh ...... 66 Quelle: Rothschuh, Karl Edmund: Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart. Stuttgart 1978, S. 441.

Abbildung 8: Hermann Wintz...... 119 Quelle: Flaskamp, Wilhelm: Hermann Wintz: Lebensbeschreibung eines bedeutenden Mannes. Berlin und München 1949, S. 1.

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Abbildung 9: Die Wintz-Villa in der Burgbergstraße 70 - von Hermann Wintz selbst entworfen – und bei Einmarsch der amerikanischen Truppen 1945 beschlagnahmt ...... 123 Quelle: Jakob, Andreas: Der Tod des Kampfkommandanten. Das Kriegsende in Erlangen 1945 im Spiegel von Augenzeugenberichten. Erlangen 2018, S. 506. Abbildung 10: Richard Wilhelm Greving ...... 124 Quelle: Erlanger Tagblatt vom 31.01.1957: Prof. Dr. Richard Greving heute 70 Jahre alt – Der frühere Ordinarius für Innere Medizin ist noch wissenschaftlich tätig. Abbildung 11: Franz Ludwig Berthold Kihn ...... 127 Quelle: Erlanger Tagblatt vom 21.01.1964: Prof. Dr. Berthold Kihn gestorben – Forschung für Therapie. Abbildung 12: Kihns Habilitationsschrift über die Behandlung der Quartären Syphilis ...... 128 Quelle: Kihn, Berthold: Die Behandlung der Quartären Syphilis mit akuten Infektionen. Ihre Stellung in der Therapie, ihre Methodik und Klinik, ihre Beziehungen zur Pathologie und zum öffentlichen Leben. Ergebnisse und Beobachtungen. München 1927a. Abbildung 13: Werner Lüttge im Jahr 1961 ...... 132 Quelle: Stadtarchiv Bamberg D 1042+132. Abbildung 14: Werner Schuler ...... 135 Quelle: M., R.: Werner Schuler zum 60. Geburtstag, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 90 (1960) S. 833. Abbildung 15: Hermann Eyer ...... 137 Quelle: Schierz, Günther (Hrsg.): Gesammelte Beiträge zur Hygiene und Mikrobiologie. Eine Festschrift für Hermann Eyer. München 1971. Abbildung 16: Habilitationsschrift "Gesundheitspfege und Bevölkerungspolitik in der Ostmark" ...... 138 Quelle: Eyer, Hermann: Gesundheitspflege und Bevölkerungspolitik in der Ostmark. Eine Medizinische Topographie eines ausgewählten Landbezirks im Bereich der oberpfälzischen Grenzmark. Erlangen 1937. Abbildung 17: Die in der Habilitationsschrift untersuchte Region nahe der Tschechoslowakei ...... 139 Quelle: Eyer, Hermann: Gesundheitspflege und Bevölkerungspolitik in der Ostmark. Eine Medizinische Topographie eines ausgewählten Landbezirks im Bereich der oberpfälzischen Grenzmark. Erlangen 1937, S. 9.

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Abbildung 18: Der Elektrokonvulsator ...... 142 Quelle: Rzesnitzek, Lara und Sascha Lang: ‚Electroshock Therapy‘ in the Third Reich, in: Medical History 61 (2017), S. 66-88. Abbildung 19: Adolf Bingel ca. 1967 ...... 143 Quelle: Braun, Birgit und Johannes Kornhuber: Adolf Abraham Gustav Bingel (1901-1982): Pionier der Elektrokonvulsionsbehandlung in Deutschland, in: Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie 81 (2013), S. 588. Abbildung 20: Johannes Schottky am 25. November 1936 ...... 145 Quelle: Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Personalakten aus dem Bereich Inneres Nr. 37r. Abbildung 21: Zwei Fotografien von Berthold Kihn zu Johannes Schottkys Text "Rasse und Geisteskrankheiten" ...... 148 Quelle: Schottky, Johannes: Rasse und Krankheit. München 1937, S. 192 und 196. Abbildung 22: Als Habilitationsschrift anerkanntes Werk "Rasse und Krankheit" ... 148 Quelle: Schottky, Johannes: Rasse und Krankheit. München 1937. Abbildung 23: Postkarte der Heil- und Pflegeanstalt Hildburghausen von 1928 ..... 149 Quelle: https://www.akpool.de/ansichtskarten/27858150-ansichtskarte- postkarte-hildburghausen-in-thueringen-heil-und-pflegeanstalt, letzter Zugriff: 29.05.2019. Abbildung 24: Walter Ritter von Baeyer ...... 151 Quelle: Biographisches Archiv der Psychiatrie: Baeyer, Walter Ritter von. URL: https://biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/51- von-baeyer-walter-ritter letzter Zugriff: 29.05.2019. Abbildung 25: Wolf-Dieter Keidel in jungen Jahren ...... 154 Quelle: Stadtarchiv Erlangen XIV.10.B.30/1; Fotos: MMW. Abbildung 26: Keidel in späteren Jahren ...... 156 Quelle: Nixdorff, Uwe: The inaugurator of transmitted echocardiography: Prof. Dr. Wolf-Dieter Keidel, in: European Journal of Echocardiography 10 (2009), S. 48. Abbildung 27: Markus von Lutterotti ...... 158 Quelle: Klinkhammer, Gisela: Markus von Lutterotti †: Pionier der Hospizbewegung gestorben, in: Deutsches Ärzteblatt 18 (2010), S. 869. Abbildung 28: Alfred Friedrich Sigel ...... 159 Quelle: Rösch, Wolfgang: Obituary: A tribute to Prof. Dr. Alfred Sigel, in: Journal of Pediatric Urology 14 (2018), S. 311.

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Abbildung 29: Anatomiesaal der Universität Halle im Wintersemester 1907/08, im Vordergrund drei Studentinnen ...... 163 Quelle: Glaser, Hermann und Walther Pützstück: Ein deutsches Bilderbuch 1870-1918 - Die Gesellschaft einer Epoche in alten Photographien, Frankfurt am Main 1982, S. 288. Abbildung 30: Margarethe von Wrangell im Jahr 1905 ...... 165 Quelle: Wikipedia: Margarethe von Wrangell. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Margarete_von_Wrangell letzter Zugriff: 29.05.2019. Abbildung 31: Edith Stein als Studentin ...... 165 Quelle: Wobbe, Theresa: Aufbrüche, Umbrüche, Einschnitte. Die Hürde der Habilitation und die Hochschullehrerinnenlaufbahn, in: Kleinau, Elke und Claudia Opitz (Hrsg.): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Band 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main 1996, S. 346. Abbildung 32: Frauenanteil der Studienanfänger in Bayern 1903-1940 ...... 167 Quelle: Abele-Brehm, Andrea: 100 Jahre akademische Frauenbildung in Bayern und Erlangen – Rückblick und Perspektiven: Festvortrag zum dies academicus aus Anlass des 260. Jahrestages der Gründung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am 4. November 2003. Erlangen 2004, S. 9. Abbildung 33: Helene Weinlands Habilitationsurkunde - die Bezeichnung 'Mann' musste händisch geändert werden ...... 168 Quelle: UAE C3/4b Nr.44. Abbildung 34: Helene Weinland in jungen Jahren ...... 171 Quelle: Privatbesitz von Elisabeth Fischer aus Erlangen. Abbildung 35: Helene Weinland ca. 1958 ...... 173 Quelle: Privatbesitz von Elisabeth Fischer aus Erlangen.

8. Tabellenverzeichnis

Quelle: Hannah Zimmermann

Tabelle 1: Übersicht über die Habilitationsvorgänge an der Medizinischen Fakultät Erlangen von 1918 bis 1960 ...... 59

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9. Grafikverzeichnis

Quelle aller Grafiken: Hannah Zimmermann

Grafik 1: Habilitationsvorgänge 1918-1960 ...... 60 Grafik 2: Habilitationsvorgänge 1918-1945 ...... 61 Grafik 3: Habilitationsvorgänge 1946-1960 ...... 62 Grafik 4: Jahrgangsstärken ...... 64 Grafik 5: Frauenanteil der Habilitanden 1918-1960 ...... 65 Grafik 6: Habilitationsfächer 1918-1931...... 67 Grafik 7: Habilitationsfächer 1932-1945...... 72 Grafik 8: Habilitationsfächer 1946-1960...... 73 Grafik 9: Fächerverteilung der Habilitationen von 1918-1960 ...... 76 Grafik 10: ‚Sonstige‘ Fächer der Habilitationen von 1918-1960 ...... 77 Grafik 11: Fächerverteilung der Habilitationen von 1918-1960 ...... 78 Grafik 12: Alter der Erlanger Habilitanden bei Habilitation ...... 79 Grafik 13: Durchschnittliches Habilitationsalter Erlanger Habilitanden je Jahr ...... 80 Grafik 14: Geburtsorte Erlanger Habilitanden ...... 81 Grafik 15: Geburtsorte der bayerischen Erlanger Habilitanden ...... 82 Grafik 16: Beruf des Vaters der Erlanger Habilitanden 1918-1960 ...... 83 Grafik 17: Religionszugehörigkeit der Erlanger Habilitanden ...... 85 Grafik 18: Promotionsorte Erlanger Habilitanden ...... 86 Grafik 19: Promotionstitel Erlanger Habilitanden ...... 87 Grafik 20: Anteil der Erlanger Habilitanden mit mehreren Doktortiteln ...... 88 Grafik 21: Durchschnittliche Dauer von Promotion bis Habilitation in Erlangen ...... 89 Grafik 22: Anteil Zweitstudierender von 1918-1945 ...... 90 Grafik 23: Fächer des Zweitstudiums von 1918-1945 ...... 91 Grafik 24: Anteil Zweitstudierender von 1946-1960 ...... 92 Grafik 25: Fächer des Zweitstudiums von 1946-1960 ...... 93 Grafik 26: Ursprüngliche Habilitationsorte der Umhabilitierten ...... 94 Grafik 27: Ursprüngliche Habilitationsorte der Zurückhabilitierten ...... 95 Grafik 28: Familienstand bei Habilitation 1918-1945 ...... 96 Grafik 29: Promovierte unter den Ehefrauen 1918-1945 ...... 97 Grafik 30: Familienstand bei Habilitation 1946-1960 ...... 98 Grafik 31: Promovierte unter den Ehefrauen 1946-1960 ...... 99 Grafik 32: Kriegsdienst und politische Involvierung Erlanger Habilitanden 1918-1945 ...... 100 Grafik 33: Kriegsdienst und politische Involvierung Erlanger Habilitanden 1946-1960 ...... 102 Grafik 34: Quellenliteratur der Habilitationsschriften im Durchschnitt nach Sprache ...... 104 Grafik 35: Quellenliteratur der Habilitationsschriften prozentual nach Sprache ...... 108 Grafik 36: Durchschnittliche Seitenzahl der Habilitationsschriften pro Jahr ...... 109

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Grafik 37: Themengebiete der Habilitationsschriften der Erlanger Habilitanden laut Titel 1918-1945 ...... 112 Grafik 38: Themengebiete der Habilitationsschriften der Erlanger Habilitanden laut Titel 1946-1960 ...... 115 Grafik 39: Themengebiete der Habilitationsschriften der Erlanger Habilitanden laut Titel 1918-1960 ...... 117

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