Eine möglichst schnelle Verbindung 150-JÄHRIGES BAHNJUBILÄUM MÜNCHEN-INGOLSTADT

1 Die Strecke München-Ingolstadt nhalt Eine möglichst schnelle Verbindung unserer Landeshauptstadt mit der Festungsstadt Ingolstadt – Vorgeschichte und Bau der I Eisenbahnverbindung München-Ingolstadt von Andreas Sauer ...... 6 35 Pferde, 266 Ochsen, 143 Schafe und 17.110 Personen – Daten und Fakten rund um den Bahnbau 1867 von Heinrich Fitger ...... 14

Einige der obscursten Gegenden Bayerns – Wie ein Journalist 1867 die Bahnstrecke erlebte von Helmut Gröss ...... 20

Die Bahn im Landkreis Dachau Eine trostlose Ebene und erhabene Melancholie – Die Bahnstrecke durchs Dachauer Moos von Horst Pajung ...... 22

Bahnhöfe und ihre Geschichte • Dachau von Horst Pajung ...... 28 • Etzenhausen von Florian Hartmann ...... 29 • von Horst Pajung ...... 31 • Esterhofen von Helmut Gröss ...... 33 • Walpertshofen von Helmut Gröss ...... 34 • Röhrmoos von Helmuth Rumrich/Franz Thaler ...... 36 • von Lydia Thiel ...... 38

Bilder erzählen Geschichte(n) • Die Badeanstalt in „Bad Karlsfeld“ von Horst Pajung ...... 40 • Das Eisenbahnunglück von Röhrmoos von Norbert Göttler ...... 42 • Der Teufel in der Eisenbahn von Franz Schaehle ...... 43 • Das Kaisermanöver von Helmuth Rumrich ...... 44 • Aus dem Leben eines Eisenbahners Franz Thaler ...... 47 • Die Knorr-Villa in Petershausen von Lydia Thiel ...... 48 • Die Bahnhofswache in Röhrmoos 1914 von Ursula Katharina Nauderer ...... 49 • Der Bahnhofskiosk in Röhrmoos von Helmuth Rumrich und Franz Thaler ...... 49

Impressum, Abbildungsverzeichnis ...... 51

2 3 ls 1835 zwischen Nürnberg und Fürth die Den historischen Rückblick hat eine Gruppe von Heimat- it großer Selbstverständlichkeit nutzen wir Alles zusammen ergibt ein Bild davon, wie die Bahn das erste Eisenbahnstrecke in Betrieb genom- forschern in den Landkreisen Dachau und Pfaffenhofen heutzutage die beiden S-Bahnlinien im Leben längs der Schienenstränge beeinfusste. Es wurden men wurde, fürchteten sowohl Fachleute als unternommen. Ihre Beiträge wurden von der Kreishei- Landkreis Dachau. Die Züge bringen uns Siedlungen gegründet und enge Verfechtungen zur Wirt- Aauch Passagiere, dass die hohe Geschwindigkeit von bis matpfegerin des Landkreises Dachau, Dr. Birgitta Un- Mnach München und zurück; mit der westlichen Linie schaft geknüpft. Die Bahn veränderte die Landschaft und zu 25 km/h zu gesundheitlichen Schäden führen könne. ger-Richter, gesammelt und in der vorliegenden Bro- durch den Landkreis bis nach Altomünster und mit der die dort wohnenden Menschen; sie brachte neue Men- Ärzte warnten gar, dass bei den Passagieren die geistige schüre zusammengefasst. Ihr und allen ehrenamtlichen nördlichen nach Petershausen. Über den Landkreis hin- schen in den Landkreis aber führte sie auch aus der Heimat Unruhe, das „delirium furiosum“ auftreten könne. In den Forschern sei an dieser Stelle dafür herzlich gedankt: sie aus garantieren die beiden Strecken die Anbindung an weg an die Front zweier Weltkriege. Sie ermöglichte schnel- Zeiten von Hochgeschwindigkeitszügen und Flugzeugen spannen den Bogen von der Vergangenheit zur heutigen weitere Großstädte und überregionale Zuganbindungen. leres Reisen, war dabei aber auch nicht ungefährlich, wie mag man heute darüber lächeln – für die Menschen im Zeit und zeigen, wie spannend, informativ und unterhalt- die Zugunglücke auf der Strecke zeigen. Licht- und Schat- 19. Jahrhundert bedeutete diese neue Art zu reisen aber sam der Blick in die eigene Heimatgeschichte sein kann. Aber wie kam es zu diesen Verkehrswegen und wie lange tenseiten des neuen Transportwesens sind eng verknüpft einen radikalen Wandel im Vergleich zu den gemächli- bestehen sie schon? Das einhundertjährige Bestehen der mit dem Aufbruch der Menschen im 19. Jahrhundert vom chen Postkutschenfahrten jener Zeit. Den Lesern wünsche ich viel Freude beim Entdecken Bahnlinie nach Altomünster, die aus der „Bockerl-Bahn“ Agrarstaat ins moderne industrielle Zeitalter. von Bekanntem und Unbekanntem, überregionaler und entstanden ist, wurde 2013 gefeiert. Die S2 Petershausen 1867 wurde mit der Trassenführung München-Ingolstadt lokaler Geschichte. Mein Tipp: die Broschüre eignet sich kann auf eine noch ältere Geschichte verweisen: am 14. Ich danke allen Beteiligten für ihr Engagement und die auch im Bezirk Dachau eine wichtige Verbindung der auch bestens als Lektüre während einer Bahnfahrt! November 1867 rollten die ersten Züge von München nach Bereitschaft viel (Frei-) Zeit zu investieren, um die vorlie- Orte zur Stadt München und der Garnisonsstadt Ingol- Ingolstadt und zurück. Die damaligen Bahnstationen im gende Broschüre zu ermöglichen. Allen Leser wünsche stadt geschaffen. Gleichzeitig schuf man damit die nötige Stefan Löwl Landkreis sind auch heute noch bekannt, wobei die Halte- ich viel Freude beim Lesen. Infrastruktur für den Handel und die Wirtschaft in der Re- Landrat stelle Karlsfeld erst 1896 dazu kam. gion. Mit dem späteren Bau der Bahnlinie nach Alto- Dr. Birgitta Unger-Richter münster wurde 1913 dann auch das westliche Land- Eine rührige Gruppe von Heimatforschern aus dem Land- Kreisheimatpfegerin des Landkreises Dachau kreisgebiet erschlossen. kreis Dachau und Pfaffenhofen hat sich auf historische Spu- rensuche gemacht und dabei Interessantes zur Bahnlinie Der Rückblick auf die Geschichte macht die besondere München-Ingolstadt zu Tage gebracht. Pfaffenhofens Stadt- Pionierleistungen der Vergangenheit deutlich. Die heuti- archivar Andreas Sauer berichtet von den Vorbereitungen gen S-Bahnlinien fußen auf diesen historischen Stre- und Diskussionen um die Streckenführung und den Bau der ckenführungen des 19. und beginnenden 20. Jahrhun- Bahnlinie. Heimatforscher Hermann Fitger hat beeindru- derts. Früher lag der Schwerpunkt auf dem Güterverkehr, ckende Daten und Fakten zusammengetragen, die das Un- heute ist es vor allem die Beförderung von Fahrgästen. ternehmen „Bahn“ anschaulich machen. Seine Mitstreiter Angesichts des wachsenden Verkehrs im Großraum Horst Pajung, Helmut Gröss, Florian Hartmann, Helmuth München und der (Über-) Belastung aller Verkehrswege Rumrich, Franz Thaler und Lydia Thiel haben über die ge- und Verkehrsträger im Dachauer Land, fällt dem öffentli- planten und/oder gebauten Bahnhöfe ihrer Heimatgemein- chen Nahverkehr eine immer wichtigere Rolle zu, um die den recherchiert. Sie und viele weitere Autoren haben dabei Mobilität der Menschen auch im 21. Jahrhundert zu ga- noch Anekdoten und besondere Ereignisse gefunden, die in rantieren. einem eigenen Kapitel zusammengefasst werden.

4 5 ine möglichst schnelle Verbindung DER KAMPF UM DIE BESTE TRASSE Die Diskussion einer schnellen Verbindung zwischen E unserer Landeshauptstadt München und Ingolstadt gewann an Bedeutung. Die durch die verantwortlichen Personen aus Politik, Wirt- schaft und Militär angestrebte Verbindung der Haupt- mit der Festungsstadt Ingolstadt stadt des Königreichs, München, mit der strategisch Vorgeschichte und Bau der Eisenbahnverbindung München-Ingolstadt von Andreas Sauer wichtigen Festungsstadt Ingolstadt wurde ab 1860 kon- kret diskutiert. In den Jahren 1860 und 1861 entwickelte sich ein intensives Werben mehrerer Städte und Märkte um einen Platz als Bahnhofsstandort. Dabei kamen zwei Projekte zur Sprache, deren Vertreter mit allen Möglichkei- ten versuchten, bei der Realisierung bevorzugt zu werden.

Die Paartalbahn

Die Magistratsräte der Städte Augsburg, Fried- berg, Aichach und Schrobenhausen sowie die Gemeinderäte des Marktes Hohenwart propa- gierten die „Paartallinie“, die in der Nähe von Stierhof bei Friedberg von der bereits errichte- ten Linie München-Augsburg abzweigen und über die genannten Orte nach Ingolstadt führen sollte.

Die Vertreter der beteiligten Gemeinden wand- ten sich im Februar 1861 in einer 10seitigen Denkschrift an König Max II. „und nahen sich den Stufen des Thrones Euerer Königlichen Majestät, um Allerhöchst Ihrer Weisheit das Projekt einer Eisenbahn zwischen Ingolstadt und Augsburg durch das Thal des Paar-Flus-

6 7 ses allerehrfurchtsvollst zu unterbreiten.“ Besonders drei werbereicher und dichter bevölkert als das Territorium Argumente hoben sie hervor: entlang der Linie München-Ingolstadt.

Zuletzt untermauerten die Vertreter der Paartalbahn ihre 1. Militärischer Aspekt: Die Nähe zu den Argumente mit einem fünfseitigen Anhang, der zahlrei- militärischen Operationsgebieten im Kriegsfall che „statistische Notizen“ und Zahlen hinsichtlich Bevöl- kerung und Gewerbeleben enthält. Was hatte die Ge- Unter „Rückgriff auf die bayerische Kriegsgeschichte aller genseite in dieser Hinsicht zu bieten? Zeiten“, so die Anhänger der Paartalbahn, kam dem Drei- eck Augsburg, Rain/Donauwörth und Ingolstadt größte Die Verfechter der Direktverbindung Bedeutung zu. Nur hier sei ein Angriff von Westen oder Norden auf das Königreich zu erwarten und entsprechend Die geradlinig verlaufende Verbindung von München wichtig wäre hier der Streckenverlauf. Sie betrachteten über Dachau, Jetzendorf, Scheyern, Pfaffenhofen, Pörn- dabei bei einem Angriff Frankreichs auf das deutsche Ter- bach und Geisenfeld nach Ingolstadt war seitens hoch- ritorium die Lech-Donau-Linie als dritte Verteidigungsba- rangiger Regierungs- und Wirtschaftsvertreter die zu- sis und maßen der Stadt Augsburg mit ihrer Lage an 11 nächst favorisierte Verbindung. Als Vertreter der Städte Straßen, 4 Eisenbahnen und 3 Flusstälern hohe Bedeu- Dachau und Pfaffenhofen sowie des Marktes Geisenfeld tung zu. Zudem sei eine Verlängerung der Strecke über von der angedachten Alternative entlang des Paartals Eichstätt nach Nürnberg ohne weiteres möglich. erfuhren, verfassten sie Ihrerseits, wenige Monate nach der ersten Denkschrift der Gegenseite, ein eigenes Me- morandum mit ihren Argumenten. 2. Bautechnik Schon im Jahr 1860 waren in den Bezirken Dachau und Die Vertreter der Paartallinie argumentierten mit den Ter- Pfaffenhofen Terrainaufnahmen erfolgt, die für die Ver- rainverhältnissen der beiden Trassen. Die gerade Ver- treter der betroffenen Orte eine Trassenführung durch bindung müsse in einer diagonalen Verbindung die Täler ihren Bezirk erwarten ließen. Mit dem Vorstoß der An- der Zufüsse der Isar und zwei Wasserscheiden zwi- hänger der Paartalbahn bestand nun jedoch akuter schen Amper, Glonn und Ilm passieren sowie mehrere Handlungsbedarf. Die Vorzüge der geraden Linienfüh- Höhenzüge durchqueren. Die Alternative würde entlang rung mussten jetzt von den Vertretern der Städte Dachau des Paartales ohne derartige Schwierigkeiten verlaufen und Pfaffenhofen sowie der Märkte Geisenfeld und „… und das ganze Thal scheint wie zur Anlage einer Ei- Wolnzach vorgebracht und begründet werden. Im April Karte der Eisenbahnlinien in Bayern von 1862 senbahnlinie gemacht.“ 1861 ging eine gedruckte Petition an die Kammer der Abgeordneten, um gegen die vorangegangene Denk- und Pfaffenhofen wesentlicher günstiger als das zum wie es in der Denkschrift formuliert wurde. Entlang des schrift und darin teilweise enthaltene „pure Unwahrhei- Teil moorige Gelände des Paartals. Als falsche Informa- Ilmtals verliefe das Terrain ohnehin sehr gleichmäßig 3. Finanzierung ten“ zu argumentieren: tion betrachtete man auch die Behauptung, es müssten ohne irgendeine Erhebung. viele Schwierigkeiten hinsichtlich des Geländes über- Die Paartalbahnbefürworter bezeichneten den geogra- Die Geradlinigkeit der Strecke wurde hervorgehoben. wunden werden. Lediglich nach Petershausen käme ein In wirtschaftlicher Hinsicht bilde der aufstrebende Hopfen- phischen Raum entlang des Paartales wesentlich ge- Obendrein sei der Untergrund der Trasse über Dachau Höhenzug, der „fast gar nicht der Erwähnung werth ist“, anbau ebenso ein großes Plus für den Handel wie der

8 9 größere Waldreichtum im Norden des Landgerichts Pfaf- eine Entscheidung des vom 15. Juni bis 26. September DER BAU DER BAHNLINIE IN DEN schaftlichen Gründen gerne in die Bahnlinie einbezogen fenhofen. Demgegenüber erweise sich der Holzbestand 1863 versammelten Landtags demnächst zu erwarten JAHREN 1865 BIS 1867 worden wäre und sich schon seit 1861 mehrmals dafür des Paarraumes gegenüber dem Feilen- und Dürnber- sei. stark gemacht hatte, blieb außen vor. gerforst bei Geisenfeld „allein wie ein Tüpferl auf dem i.“, wie die Verfasser ironisch schrieben. Der Jetzendorfer Schlossherr sollte Recht behalten. Das Korrekturen bei der Streckenführung München- Die aufgrund der Einwände gezwungenermaßen ge- zuständige Gremium machte sich jetzt konkret an die Ingolstadt wählte Trassenführung hatte hinsichtlich des Bauauf- Beschlussfassung über die wichtige Verbindung der wandes Vorteile. Abgesehen von den Höhenzügen nörd- Nochmaliger Vorstoß der Städte Dachau und Städte München und Ingolstadt. Sie schlossen sich der Durch die Bildung von fünf Bausektionen (München, lich Petershausens hatte der Streckenverlauf entlang Pfaffenhofen Argumentation der Vertreter der direkten Linie an. Diese Dachau, Pfaffenhofen, Reichertshofen [1865 zu Pfaffen- der Ilm keine großen Höhenunterschiede und kritischen war vom baulichen Aufwand leichter auszuführen und hofen] und Ingolstadt) sollten die umfangreichen Arbei- Kurvenradien zu bewältigen, ein damals wichtiges Krite- Was sich in den beiden Denkschriften an Rivalitäten die Fahrdauer zwischen München und Ingolstadt war ten entlang der Trasse München-Ingolstadt koordiniert rium beim Bau von Eisenbahnlinien. Insbesondere der ankündigte, fand in einem wahren Federkrieg in der wesentlich kürzer als bei der über Friedberg verlaufen- werden. Die Bauarbeiten gingen nicht ohne Schwierig- Streckenabschnitt von Jetzendorf nach Scheyern hätte Augsburger Zeitung und weiteren Blättern seine Fortset- den Trasse. Verzögerungen brachten noch die Diskussi- keiten ab und hakten an verschiedenen Stellen. So sorgte erhebliche Einschnitte in die zwischenliegenden Höhen- zung. Ungeachtet des leidenschaftlichen Werbens für onen über den Ein- und Auslauf der Strecke bei Ingol- die geplante Erweiterung des Hauptbahnhofs München züge und umfassende Erdarbeiten erfordert. die eigene als die bessere Variante zeigten die Bemü- stadt, doch konnten 1864 die konkreten Vorplanungen in für Verzögerungen beim Bau der Einfahrschneise von hungen der Beteiligten vorerst keine Früchte. Im Mai Angriff genommen werden. Allach an Pasing vorbei in den Münchener Bahnkörper. Die ursprüngliche Überlegung, die Strecke bereits vor 1862 stellte der Nürnberger Bür- Die Festlegung der Trasse im Raum Pfaffenhofen ging Ingolstadt in Unsernherrn enden zu lassen, hätte die dor- germeister Maximilian von Wächter nicht ohne Diskussionen und Reibereien ab und führte in tige Errichtung eines Bahnhofs erforderlich gemacht. in Aussicht, dass bei der nächsten zwei Bereichen zu erheblichen Abweichungen von den Aus Kostengründen entschied man sich jedoch anders Ständeversammlung im bayerischen ursprünglichen Planungen. Zunächst musste die ange- und in Ingolstadt wurde ein provisorischer Bahnhof er- Parlament die Linie München-In- dachte Trassenführung über Jetzendorf und Scheyern richtet. golstadt behandelt werden könnte. wegen Widerständen innerhalb dieser Gemeinden auf- gegeben werden und durch eine Variante über Pe- Die Gesamtlänge der Strecke belief sich auf 21,75 Stun- Um die Diskussion über den Stre- tershausen entlang der Ilm ersetzt werden. Die neue Linie den. Sie erhielt in Allach, Dachau, Röhrmoos, Petershau- ckenverlauf anzuregen und die ei- lief an Paindorf vorbei, berührte Reichertshausen und sen, Reichertshausen, Pfaffenhofen Wolnzach-Bahnhof, gene Position nochmals in den Vor- lief von dort nach Pfaffenhofen weiter. Reichertshofen und Ingolstadt Bahnhöfe. Dazwischen dergrund zu schieben, fragten lagen 72 Bahnwärterhäuser, deren Abstand im Schnitt Vertreter von Dachau und Pfaffen- Auch der Streckenverlauf ab Pfaffenhofen musste auf- weniger als einen Kilometer betrug. hofen im Juli 1863 beim Landtags- grund massiver Proteste Pörnbachs, insbesondere des abgeordneten von Freyberg aus dortigen Gutsherrn von Törring, der Grundabtretungen Zahlreiche Kunstbauten wie Brücken und Durchlässe Jetzendorf an, ob es seiner Ansicht verweigerte, korrigiert werden. So musste von Pfaffen- mussten entlang der Strecke errichtet werden. Dabei nach sinnvoll erscheine, bezüglich hofen aus die geplante gerade Linie über eine nach Os- wurde vielfach der Verlauf der Bäche derartig verändert, der angestrebten Eisenbahnverbin- ten abknickende Trassenführung an Förnbach und Wal- dass die Brückenbauwerke einfacher und kleiner gestal- dung eine Abordnung nach Mün- kersbach entlang des Ilmlaufs vorbei über Rohrbach tet werden konnten. Allein im Bereich der Sektion Pfaf- chen zu entsenden. Von Freyberg geführt werden. Nördlich von Rohrbach schwenkte der fenhofen waren es 35 Durchlässe und 8 Durchfahrten. teilt jedoch mit, dass das Projekt be- Streckenverlauf wieder auf die ursprüngliche Trasse ein, Brücken überquerten den Pasing-Nymphenburger-Ka- reits bei der Kammer der Abgeord- die am Markt Reichertshofen und an Ebenhausen vorbei nal zwischen Pasing und Allach, die Würm bei Karlsfeld neten zur Besprechung liege und nach Ingolstadt lief. Der Markt Geisenfeld, der aus wirt- und Allach, die Amper bei Dachau, die Glonn bei Pe- Unter Dampf. Die Eisenbahn durchquert die Mooslandschaft.

10 11 tershausen, die Ilm bei Wolnzach-Bahnhof, die Paar bei seinen Höhenzügen und Tälern, die ausgeglichen wer- den einzelnen Bahnhöfen fanden Feste mit zahlreichen war maßgeblich für den nachfolgenden zweigleisigen Reichertshofen, die Brautlach bei Oberstimm, die San- den mussten, erforderten von den Arbeitern besondere Schaulustigen statt, Musikkapellen sorgten für feierliche Ausbau der Strecke in den Jahren 1891 und 1892, der drach bei Unsernherrn und den Altwassergraben der Do- Leistungen. Das Schlagen von Schneisen, das Auffüllen Stimmung. Wohl niemand ahnte damals, welch weitrei- einen wesentlichen Sicherheitsgewinn brachte. In den nau in Ingolstadt. des Terrains mit Schaufel und Pickel und die Errichtung chende Auswirkungen das neue Verkehrsmittel auf die ersten Jahren endete die Strecke in Ingolstadt. Voraus- stabiler Bahndämme erforderten hier ganze Region haben würde. setzung für die Fortsetzung über Eichstätt nach Treucht- besonders großen Einsatz. lingen war der Bau einer Eisenbahnbrücke über die Do- Die Strecke lief die ersten beiden Jahrzehnte eingleisig, nau, der bis 1870 vollendet war. n Der Bau der Bahnhöfe, Bahnwärter- weshalb die Bahnhofsvorstände und Weichenwärter häuser sowie der Brücken, Durch- sehr sorgfältig ihre Aufgabe erfüllen mussten. Das Weitere Informationen dazu können im ausführlichen Aufsatz von Andreas Sauer zu diesem Thema in Zeitschrift Amperland. Heft 3. 2017 nachgelesen lässe und weiterer Gebäude erfolgte schwere Eisenbahnunglück von Röhrmoos am 6. Juli 1889 werden. nach vorheriger Ausschreibung so- wohl durch einheimische Handwer- ker als auch durch auswärtige Fir- Ein Schnellzug mit Doppelfraktion verlässt das men. Die Bauarbeiten begannen im Etzenhausener Gemeindegebiet Frühjahr 1866 und dauerten bis Ok- tober 1867 und damit bis kurz vor Streckeneröffnung.

Ein Zug der Baureihe 18 auf der Brücke von Prittlbach

DIE ZWEIJÄHRIGE BAUPHASE ERÖFFNUNG DER STRECKE 1865 BIS 1867 MÜNCHEN-INGOLSTADT AM 14. NOVEMBER 1867 Die Planungen für den Streckenbau, die unter der Oberauf- sicht der Generaldirektion der kgl. bayer. Staatseisenbah- Nach einer Probefahrt acht Tage zuvor, rollte am 14. No- nen standen, begannen 1865. Die Erdarbeiten setzten ge- vember 1867 die erste Dampfokomotive von München gen Jahresende 1865 ein. Sie wurden von angeworbenen aus über die neue Trasse. Besetzt mit Ministern und Abge- Arbeitskräften durchgeführt, die bereits Erfahrung beim Ei- ordneten, Vertretern des Handelsministeriums als zustän- senbahnbau hatten. diger Behörde für das bayerische Eisenbahnwesen sowie ausgewählten Fahrgästen, fuhr der überfüllte Zug in einem Das schwierige Terrain im südlichen Teil des Bezirk- für damalige Verhältnisse atemberaubenden Tempo von samts zwischen Petershausen und Reichertshausen mit rund 30 Kilometern pro Stunde Richtung Ingolstadt. An

12 13 die Hochbauten. Sie stammten nicht nur aus der Umge- waren sie auf 111.039 Schwellen befestigt worden, von de- bung, sondern aus allen Teilen Bayerns, den benachbar- nen aber nur 14 % solide Eichenbohlen waren, die knapp ten deutschen Ländern, aus Böhmen und Italien.5 und teuer waren. Über 95.000 Schwellen bestanden aus Föhrenstämmen mit begrenzter Haltbarkeit.11 Vielfältige Versuche, sie durch Imprägnierungen haltbarer zu ma- Pferde, 266 Ochsen, Finanzierung chen, führten erst ab 1890 zu befriedigenden Ergebnis- 35 sen, als man Teeröl unter Druck in das Holz presste, was Die Gesamtkosten von 7.198.986 Gulden verteilten sich aber die Umwelt stark belastete. Bis dahin mussten Jahr 143 Schafe und 17.110 Personen – 12 Daten und Fakten rund um den Bahnbau 1867 von Heinrich Fitger zu 36 % auf das Baujahr 1866, zu 55 % auf 1867 und zu für Jahr mehrere Hunderttausend ausgetauscht werden. 9 % auf 18686. Die Finanzierung erfolgte im Rahmen der VIII. Finanzperiode (1861 - 1867) zu einem guten Teil aus Nachdem man anfangs noch mit Längsschwellen expe- Kreditmitteln, die man im Wege von „Eisenbahn-Anlei- rimentiert hatte, stellte sich sehr bald heraus, dass nur Bauarbeiten hen“ mit einem Zinssatz von 4,5 % aufgenommen hatte.7 mit Querschwellen der absolut wichtige Gleisabstand ge- Diese wurden über Banken beim breiten Publikum platziert sichert werden konnte.13 Er betrug damals in Bayern, wie Rund drei Jahre lang hatten in vier Bauabschnitten 16 Haupt- und Sub-Kon- und im Wege der Verlosung wieder getilgt. auch noch heute allgemein 1435 mm.14 Die Spurweite war trahenten mit weit über tausend Arbeitern geschuftet, um das Gelände zu anfangs in Deutschland durchaus nicht einheitlich, weshalb planieren, Schienen zu verlegen, 22 Brücken, 8 Bahnhöfe und über 90 König Max II. bei der Eisenbahnverwaltung 1852 anfragte, andere Gebäude zu bauen1: Gleisanlagen ob und wann er mit seinem schönen neuen Salonwagen- zug durch ganz Deutschland reisen könne.15 Im Abschnitt Dachau war die Fa. Karl Angermann (Bayreuth) tätig. Im Rund 60 km einspurige Gleise Abschnitt Pfaffenhofen die Firmen Andreas Brandner (Regensburg), waren verlegt worden. 609.267 Leonhard Kellermann und Joseph Pletz; ferner die Firmen Nikolaus Breitfuß-Schienen, sogenannte Sicherheitstechnik Ulrich (Nürnberg) und Christoph Müller und die ARGE Korbinian „Vignoles-Schienen“8, waren da- Schlemmer (Freising)/Anton Wallner. In der Sektion Reichertshofen für von den Werken der jungen Sämtliche Eisenbahntrassen in baute wiederum Angermann, jedoch gemeinsam mit Michael Sa- Maxhütte in Haidhof bei Regens- Bayern waren in weiser Voraus- ger (ab 1892 Teilhaber von Sager & Wörner, München); außerdem burg und Sulzbach-Rosenberg in sicht schon beim Grundstücks- die Brüder Anton, Georg und Martin Uhl (Kempten) sowie die Fir- der Oberpfalz produziert worden.9 kauf und bei der Anlegung des men Rudolf Weiß und Leonhard Schlemmer. Das Schlussstück Die Maxhütte entwickelte sich un- Unterbaus für Zweigleisigkeit vor- bis Ingolstadt lag in der Verantwortung der Firmen Adam Eder ter der Leitung von Josef Anton v. gesehen worden.16 Die Strecke (Passau) und Joseph Lenbach (Halbbruder des berühmten Maffei und ausländischen Ingeni- München-Ingolstadt wurde tat- Malers Franz v. Lenbach2) sowie der Fa. Bartholomäus Ram- euren in wenigen Jahren zum sächlich ab 1889 zweigleisig aus- melmeyr mit Georg Joa als Subunternehmer.3 führenden süddeutschen Herstel- gebaut17, wodurch eine wesentli- ler von Walzstahlschienen.10 che Gefahrenquelle beseitigt Der Bahnhof Ingolstadt lag übrigens damals noch weit vor wurde. Bis dahin konnte man der Stadt, was die Berichterstatter nicht zu erwähnen ver- Sie waren über die neue Bayeri- sich nur an den 6 Bahnhöfen zwi- gaßen, weil man den Rest nämlich zu Fuß gehen musste.4 sche Ostbahn und München gelie- schen Dachau und Ingolstadt Die Arbeiter waren größtenteils Ungelernte für die schwe- fert worden, also selbst schon per ausweichen. ren Erdarbeiten, dazu kamen Handwerker jeder Art für Bahn. Mit 511.886 Hakennägeln Weichensteller in Röhrmoos

14 15 Man musste auf den zunächst fast ausschließlich einglei- kommen würde. Er ging hinaus und ließ die Schranken sigen Strecken dafür sorgen, dass sich keine Züge begeg- herunter. 82 solcher „Barrieren“ gab es 1867 an der Stre- nen, aber auch kein ankommender Zug auf einen halten- cke München-Ingolstadt. Und 74 Bahnwärterhäuschen.22 den auffahren konnte. Es mussten also Systeme erfunden werden, mit denen man den Zugführern Signale bezüglich der vor ihnen liegenden Situation geben konnte, die aus Lokomotiven dem vorbeifahrenden Zug eindeutig zu erkennen und zu deuten waren. Und nicht nur die Zugführer mussten ver- Die ersten bayerischen Lokomotiven kamen noch aus Eng- ständigt werden, sondern auch die Bahnwärter der nächs- land. 1841 baute Joseph Anton von Maffei die erste bayeri- ten Gleisabschnitte und der nächste Bahnhof. sche Lokomotive, freilich mit Hilfe von englischen Ingenieu- Stationsvorsteher mit Familie aus ren, die er dem Pionier Stephenson abgeworben hatte.23 Esterhofen Zur Information der Zugführer versuchte man es zu- Kurioserweise baute er jahrzehntelang seine Lokomotiven in nächst mit Flaggen und Kugeln, die an Masten neben der Hirschau in München, nördlich des Englischen Gartens. Außerdem gab es noch zwei kombinierte Kohlen- und schützt bei Wind und Wetter statt. Unfälle und Krankhei- den Gleisen gehisst wurden.18 Später führte man Flügel- Bis 1901 mussten über 2000 von ihnen auf Spezialfuhrwer- Wasserhäuser an der Strecke München-Ingolstadt.28 ten blieben nicht aus. So wurde bereits 1877 für die Be- signale nach englischem Vorbild ein, wie sie auch heute ken durch München bis zur Zentralwerkstätte der Eisenbahn schäftigten ein bahnärztlicher Dienst eingerichtet. Der Ar- noch verwendet werden. Diese Signale mussten mit hinter der Donnersberger Brücke gefahren werden.24 beitsschutz wurde bei der Bahn ein wichtiges Thema und Seilzügen bedient werden.19 Das Personal später auch der Bau von Wohnungen.31 Sein Konkurrent Georg Krauss baute seine Fabrik gleich Für die Information der anderen Bahnhöfe und Bahnwär- in der Nähe der Gleisanlagen, nämlich auf dem soge- Der Betriebs- und der Verwaltungsdienst der Bahn ver- 25 ter benutzte man zunächst akustische Signale, wie sie nannten „Marsfeld“ an der Maillinger Straße 1867 und langte viel Personal, denn sehr viele Arbeiten mussten TRANSPORTWESEN heute noch bei Gleisbauarbeiten zur Warnung verwen- in den folgenden Jahren verkehrten auf der München- manuell erledigt werden. Die Aussicht auf einen festen det werden. Da solche Signale aber oft nicht weit genug Ingolstadt-Linie vermutlich Maffei-Lokomotiven der Bau- Posten beim Staat zog jedoch häufg mehr Menschen gehört oder gedeutet werden konnten, ging man zu elek- art B VI mit zwei gekuppelten Antriebsrädern.26 an, als Stellen zu vergeben waren. Der stark durchregle- Güterverkehr tromagnetischen Läutapparaten über, die den nahenden mentierte und zeitgebundene Dienst erwies sich für Zug ankündigten. Bis Ende 1867 waren an der Strecke manchen früheren Handwerker dann auch wieder als Die Statistik unterschied nach Reisegepäck, Fahrzeugen, München-Ingolstadt 73 derartige Läutwerke installiert20, Wagen sehr belastend.29 An unserer Strecke waren in den 8 Tieren und Gütern.32 Im ganzen Jahr 1868 wurden 5 Fahr- d.h. praktisch eins pro Kilometer. Die Bahnwärter waren Bahnhöfen inklusive Dachau sicher immer 8 - 10 Leute zeuge transportiert, wahrscheinlich Kutschen wohlha- zusätzlich durch Morse-Telegraphen verbunden.21 Für die Produktion von Eisenbahnwagen der verschie- tätig, als Schrankenwärter ca. 50, als sonstige Bahnwär- bender Herrschaften; 35 Pferde, die meisten (28) wohl densten Art qualifzierten sich im Lauf der Jahre dauer- ter sicher nochmals 30; zusammen also schätzungswei- Militärpferde; 266 Ochsen und Stiere, 299 Kühe und Rinder, haft nur drei Firmen: Die Firma Klett in Nürnberg, aus se 150.30 Genaue Zahlen sind mir nicht bekannt. In den 267 Kälber, 143 Schafe, 775 Schweine (74 % davon aus Schranken der die MAN hervorging, die Firma Noell in Würzburg Zügen fuhren Heizer und Bremser mit, sicher je 2 pro Petershausen, wo es noch in unserer Zeit Schweine- und die Firma Joseph Rathgeber in München.27 Zug. Die Eisenbahn war also ein personalintensiver Betrieb. mastbetriebe gab)33 und 844 (!) Hunde. Es ist noch nicht so lange her, dass es an der Strecke München-Ingolstadt beschrankte Bahnübergänge gab, Die Lokomotiven wurden mithilfe von Dampfmaschinen Die Güterverkehrsstatistik für 1868 lässt deutlich die allerdings ferngesteuert. 1867 wurden sie alle von Hand angetrieben, die mit Kohle befeuert wurden. An 15 Arbeitsschutz wirtschaftlichen Schwerpunkte erkennen. Die größte Ak- von einem Bahnwärter bedient, der neben der queren- schwenkbaren Wasserrohren bestand die Möglichkeit tivität herrscht in Ingolstadt, von wo 29.068 t Güter ver- den Straße ein kleines Häuschen bewohnte. Wenn es die Kessel aufzufüllen. An 5 Torf- und Kohlenremisen Der Dienst auf der Lokomotive, beim Beladen und Ran- sandt, wo aber 65.253 t abgeladen wurden, wahrschein- läutete, wusste er, dass in wenigen Minuten ein Zug konnte der Heizer seine Brennstoffvorräte ergänzen. gieren und an der offenen Strecke fand vielfach unge- lich vor allem Baumaterial für die Vervollständigung der

16 17 1 Sechzehnte Nachweisung über den Betrieb der Kgl. Bay. Verkehrsanstalten für Festungsbauten. Sehr viel Warenverkehr hat auch Pfaf- erischen Eisenbahn in den Besitz des Deutschen Reiches das Etatsjahr 1867. München 1868. fenhofen mit 18.044 t abgehenden und 18.920 t ankom- im Jahre 1920 erhöhte sich der Fahrpreis auf 3 Pfennige. 2 Wikipedia, Artikel „Franz von Lenbach“. 3 Kosmas Lutz: Der Bau der Bayerischen Eisenbahnen rechts des Rheins. menden Gütern. Während diese Orte, wie auch Dachau, Am Kriegsende 1945 betrug der Fahrpreis 4 Pfennige pro München 1883, S. 300 ff. 4 34 39 „Der Sammler“ Nr. 134. Beilage zur Augsburger Abendzeitung vom 30.11.1867. eine „negative Handelsbilanz“ haben, weisen Wolnzach, Kilometer. 5 Emma Mages: Die Eisenbahn als Arbeitgeber im Bau- und Betriebsbereich. In: Reichertshofen und Röhrmoos deutlich „aktive Handels- Weichenstellungen. Eisenbahnen in Bayern 1835 - 1920. Bayr. HSTA München 2002, S. 409. bilanzen“ auf. In Wolnzach und Reichertshofen schlägt 6 Siebzehnte Nachweisung über den Betrieb der Kgl. Bay. Verkehrsanstalten für wahrscheinlich besonders der Handel mit Hallertauer Fahrpläne das Etatsjahr 1868. München 1869. 7 Jungmann-Stadler: Die Finanzierung des Eisenbahnbaus in Bayern bis 1870. In: Hopfen zu Buche. Weichenstellungen, Anm.5. Im Freisinger Tagblatt vom 30.07.1868 ist der Fahrplan 8 Sechzehnte Nachweisung über den Betrieb der Kgl. Bay. Verkehrsanstalten. Etatsjahr 1867. München 1868, Beil. 3. für die Strecke München-Ingolstadt und die Gegenrich- 9 Gekennzeichnet durch die Marke MH auf jeder Schiene. dazu: www. walzzeichen.de 10 Wikipedia, Artikel Maximilianshütte und Horst Weigelt: Bayerische Eisenbahnen. Personenverkehr tung veröffentlicht, gültig ab 1. Juni 1868. Demnach fuh- Stuttgart 1986, S. 136 ff. ren pro Tag in jeder Richtung zwei Züge: ab München 11 s. Anm. 8. 12 Weichenstellungen, Anm.5, S. 123/124. Schon in den ersten 1 ½ Monaten bewies die neue Bahn- morgens um 06:00 Uhr, Ankunft um 09:15 Uhr in Ingol- 13 Wikipedia, Artikel Bahnschwelle. strecke, wie notwendig sie war: 17.110 Personen reisten stadt; und mittags um 12:05 Uhr, Ankunft um 15:20 Uhr. 14 Wikipedia, Artikel Normalspur. 15 Weigelt, Anm. 10, S. 192. mit der Eisenbahn. Dazu kamen 4.531 Fahrgäste, die in Mit acht Zwischenhalten dauert die Fahrt 3 Stunden 15 16 Victor Frhr. v. Röll: Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens in alphabeti- Dachau einstiegen.35 Minuten. Zurück ging es ab Ingolstadt um 12:15 Uhr, scher Anordnung. 7 Bde. Wien1890-1895. Dort „Bayerische Eisenbahnen“ C III. 17 Röll: C III und Hugo Marggraff: Die Kgl. Bayerischen Staatseisenbahnen. wahrscheinlich mit derselben Garnitur, die vormittags München 1894, S.42. Die meisten Reisenden auf der neuen Strecke, nämlich von München gekommen war und um 15:30 Uhr in Mün- 18 Wikipedia, Artikel Eisenbahnsignale, Entwicklung. 19 a.a.O. 4.596, fuhren ab Pfaffenhofen; 3.638 fuhren ab Ingol- chen ankam. Der zweite Zug nach München fuhr nach- Petershausen; dieser wartete noch den Münchner Güter- 20 Weichenstellungen (s. Anm. 12), S. 143; Weigl, S.208 f. 21 Weichenstellungen, S. 142. stadt; wahrscheinlich meistens Militärangehörige. Ab mittags um 17:45 Uhr in Ingolstadt ab und kam um 21:00 zug ab, bevor er um 07:32 weiterfuhr. Nachmittags trafen 22 Lutz (s. Anm. 3). Wolnzach waren es 2.396, ab Röhrmoos 2.153, ab Rei- Uhr in München an. Auch dies wird dieselbe Garnitur sich der Münchner und der Ingolstädter Personenzug um 23 Karl Schmidt, Krauss-Maffei, in: Historisches Lexikon Bayerns; zit. In Wikipedia: Die Maschinenfabrik des Joseph Anton v. Maffei; Weigelt, Bayerische Eisenbahnen, S. 134. chertshofen 1.994, ab Petershausen 1.394; ab Reicherts- gewesen sein, die um 15:20 Uhr von München gekom- ca. 13:45 Uhr in Reichertshausen. Der Münchner Zug fuhr 24 Weigelt, a.a.O., S. 135f. hausen 939. Die erste Klasse leisteten sich gerade einmal men war. Auf der Rückfahrt brauchten die Züge trotz 155 m um 13:46 Uhr weiter; der Ingolstädter um 13:49 Uhr. 25 Wikipedia, Artikel Krauss & Comp.; Horst Weigelt, Bayerische Eisenbahnen (FN 15), S. 135/136 24 Personen. 2.130 Personen, das bedeutet 12,4 % der Steigung gleichfalls 3 Stunden und 15 Minuten. Der 26 Weigelt, Bayerische Eisenbahnen, S.160, 172, 185. Fahrgäste fuhren in der 2. Klasse. 14.956 Personen, Fahrplan begünstigte Reisende nach Ingolstadt: Sie Ab 1870, als man über Ingolstadt weiter nach Treuchtlin- 27 Tröger, Eisenbahntechnologie, in: „Weichenstellungen“ (s.FN 12), S. 120, 149 28 s. dazu Anm. 1 u. 6. also 87,4 % nahmen mit der „Holzklasse“ vorlieb.36 1868, konnten noch am selben Tag hin- und zurückfahren. Wer gen, Pleinfeld und Nürnberg fahren konnte, dürfte sich 29 Mages: Weichenstellungen, S. 413. 30 Bzgl. des Bahnhofspersonals bin ich von Fotos ausgegangen, z.B. Robert ein Jahr später, wurde deshalb aufgrund der geringen jedoch in München etwas zu erledingen hatte, musste das auch auf die Bahnhöfe an der Strecke von München Probst: Bahn und Bahnhof in Petershausen. In: Lydia Thiel und Elisabeth Mecking. Nachfrage die 1. Klasse eingespart.37 immer eine Übernachtung einplanen. Auch wer von Nor- nach Ingolstadt ausgewirkt haben. Erst recht, nachdem Chronik der Gemeinde Petershausen. Bd.1. Petershausen 2000, S. 185. 31 Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Bayerische Eisenbahnen, CII, 4.; den in die Bezirksstädte Pfaffenhofen oder Dachau fah- die Stationen Esterhofen, Walkersbach, Hög und Ober- Caroline Gigel, in: Weichenstellungen, S. 383 ff. Die Fahrgastzahlen für 1868 hielten sich nicht ganz auf ren musste, konnte erst den späten Zug nehmen, der um stimm eröffnet worden waren, erwiesen sich zwei Zug- 32 Sechzehnte u. Siebzehnte Nachweisung, wie Anm. 8 und Anm. 35. 33 Chronik der Gemeinde Petershausen, Bd. 1, S. 160f. demselben Niveau: Insgesamt stiegen an den 7 Statio- die Mittagszeit von Ingolstadt abfuhr. paare als nicht mehr ausreichend. So verkehrten zum 34 Wie Anm. 8, Beilage 12. nen der neuen Strecke (ohne Dachau) 123.993 Perso- Beispiel im Winterfahrplan 188940 vier Personenzugpaa- 35 Wie Anm.8, Beilage 12. 36 Siebzehnte Nachweisung über den Betrieb der Kgl. Bay. Verkehrsanstalten nen ein, das heißt 339 pro Tag. In der Begeisterung der Außer diesen vier Personenzügen fuhr regelmäßig täglich re mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit. Der erste Zug, 1868. München 1869, Beilage 14. ersten 46 Tage des Vorjahrs waren es 372 gewesen.38 ein Güterzug, jeweils um 05:00 Uhr ab Ingolstadt und um 05:45 Uhr ab München, 08:12 Uhr an Ingolstadt, brauchte 37 Wie Anm. 35. 38 Über das „Gedränge“ und die “ganz ungeschlachten Manieren“ am 1.Tag: Allg. 05:45 Uhr ab München. Beide brauchten wegen der länge- nur noch 2 Stunden und 27 Minuten. Außerdem verkehrten Zeitung München, Beil. Nr. 318 v.14.11.1867. 39 Die Zahlen stammen von Lydia Thiel, die über den Bahnhof in Petershausen Die Personenbeförderungstarife beliefen sich bei der ren Ladezeiten an den Stationen vier Stunden. Der Perso- drei Schnellzugpaare, die nach einem einzigen Halt in recherchierte. Königlich Bayerischen Staatseisenbahn im 19. Jahrhundert nenzug von München überholte den Güterzug um 07:06 Pfaffenhofen Ingolstadt schon nach 1 Stunde 34 bzw. 37 40 Der Fahrplan wurde mir freundlicherweise von Herrn Helmut Größ, Vierkirchen, auf 2 Pfennige pro Kilometer. Nach dem Übergang der Bay- Uhr in Röhrmoos; den Güterzug aus Ingolstadt traf er in Minuten erreichten. n zur Verfügung gestellt.

18 19 Die Bahn ist solid gebaut, was bei Pfaffenhofen, und „z’Pfahofa“ selbst Martinitag und Montag dazu, so daß inige der obscursten Gegenden Bayerns – dem unsicheren moorigen Terrain und in der Holledau sind die Gestal- selbverständlich in der ganzen gutka- Wie ein Journalist 1867 die Bahnstrecke erlebte von Helmut Gröss sehr in Anschlag zu bringen ist; vor- ten bekanntlich noch so urwüchsig, tholischen Gegend niemand ans Ar- E läufg ist nur ein einziges Schienen- daß es einem vor der „Gemüthlich- beiten dachte. Bei dem Gedränge Zu den Eröffnungsfahrten der „Königlich Bayerischen Berichterstatter beschränkte sich nicht nur auf die Eisen- geleise vorhanden, und werden keit“ dieser Leute manchmal bange das sich an jeder Station wiederholte, Staatseisenbahn“ von München nach Ingolstadt war auch bahnfahrt selbst, sondern beschrieb auch noch die Land- Fahrten mit großer Schnelligkeit bis werden könnte. Hier tritt zu dem Reiz konnte man ganz ungeschlachte Ma- die damalige Presse eingeladen. Der uns heute unbekannte schaft, die Orte und die Menschen, denen er begegnete.1 zur allseitigen Consolidierung des der Ebene noch die Poesie der Hop- nieren kennen lernen, und wir müs- Damms zu vermeiden seyn. Für fenstangen, um ein Bild zu schaffen sen wünschen daß bei künftigen Bayern ist die Einrichtung neu daß welches zwar keine Befriedigung für Bahnöffnungen diese Begünstigung So berichtete die Allgemeine Zeitung man endlich den Eisenbahnen auch auf welchem Finsternis und geistiger statt der optischen Telegraphen das Auge gewährt, aber doch ein Ge- wegfalle, welche bei aller Liberalität München am 14. November 1867: eine culturgeschichtliche Bedeutung Stillstand noch mit bedenklicher elektrische Glockensignale einge- fühl der Befriedigung erweckt über nur Veranlassung zu Unfug gibt. Übri- beilegt, so durchschneidet diese Schwere lasten. führt sind, welche einfacher zu hand- das wohlhäbige Aussehen der Orte, gens wünschen wir daß ein verhält- Die Ingolstädter Bahn. Bahn einige der obscursten Gegen- haben und den Einfüssen der Witte- unter denen sich namentlich Rei- nismäßiger Zudrang der Ingolstädter den Bayerns, die bis jetzt nicht zu ih- In technischer Beziehung bietet die rung weniger ausgesetzt sind als die chertshofen bemerklich macht. Die Bahn auch nach der Betriebseröff- Wir haben es vorgezogen, statt mit neue Bahn wenig interessantes dar; frühern. Die Stationen sind alle groß Bahn hält ein gutes Stück vor Ingol- nung am 14. Nov. zu Theil werden dem feierlichen Abgeordnetenzug zu das Maximum der Steigung beträgt 1: und auf einen bedeutenden künfti- stadt, wo feißig an den Befestigungen möge. n dampfen, einen bescheidenen späte- 200, doch waren sehr viele Durchläs- gen Verkehr berechnet; doch ist bis gearbeitet wird, welche wahrschein- 1 Aus Google: Allgemeine Zeitung München: 1867, ren Utensilientrain zu benutzen, um se und Brücken nöthig, so über den zur Vollendung derselben noch al- lich die künftige Eisenbahnbrücke 10-12, Seite 5084. Auch die Bekanntmachung zur die Ingolstädter Bahn genau in Au- Würm Canal bei Pasing, über die lenthalben viel zu arbeiten. über die Donau beherrschen sollen. Eröffnung der Bahn ist dieser Quelle entnommen. Dieser Artikel, erschien auch in ähnlicher Form in genschein zu nehmen. Die Bedeu- Würm bei Allach, über die Amper bei Ingolstadt selbst ist immer die alte einer anderen Münchner Zeitung dem „Sammler“: tung dieser Linie liegt zwar zunächst Dachau, über die Glon bei Petershau- Die Fahrt selbst durch eine trostlose Soldatenstadt, und wer kein großer http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver. pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10532619-7 Seite 534 ff. darin, daß sie die Hauptfestung des sen (mit zwei Öffnungen à 80 Fuß), Ebene bietet nichts dar als die erha- Freund von militärischen Spielereien 2 Fustanella, ital. = kurzer Männerrock der Albaner Landes in das Schienennetz zieht; über die Ilm, Paar, Brautlach, Sau- bene Melancholie und Langweile ei- und von fortwährendem Verkehr mit und Griechen. vielleicht noch wichtiger aber ist der drach und das Altwasser bei Ingol- ner Moorgegend. Eine einzige Aus- dem „ersten Stand der Welt“ ist, der Umstand, daß nun auch der „Nabel“ stadt. Die Länge der ganzen Linie be- nahme macht nur Dachau, dessen wird sich in Ingolstadt immer königlich Bayerns von einer Eisenbahn durch- trägt 21 ¾ Stunden, und enthält liebliche Lage es wohl zu einem be- langweilen. Bei meinem dießmaligen schnitten wird, und daß nach Vollen- folgende Stationen: Allach, Dachau, liebten Sommerausfug der Münchner Besuch machten mir jedoch die ab- dung der Bahn bis Gunzenhausen Röhrmoos, Petershausen, Reicherts- machen wird. Wenn nur nicht Dachau normen Ordonanzmützen viel Spaß, die alte Handelsstraße von Salzburg hausen, Pfaffenhofen, Wolnzach, das Vaterland jener scheußlichen welche ein ausgebildeter Sinn für das nach Frankfurt wiederhergestellt wird; Reichertshofen und Ingolstadt. Der Fustanellentracht2 wäre, die den Aes- „Erhabene“ beim zehnten Regiment der Verkehr liebt es bekanntlich die Bau begann im Jahr 1864, und hat thetiker wie den Arzt mit gleichem durchgängig eingeführt hat. Ein sehr alten Hauptstraßen festzuhalten. Ein sprüchwörtlich gewordene Stockun- Entsetzen erfüllen muß! In solchen lebendiges Bild gewährte die Abfahrt Hauptvorzug für den Verkehr nach gen erlitten, die manchmal ganz be- gewaltsam verkrüppelten Körpern von Ingolstadt; denn auf diesen Pro- Norden liegt darin, daß der große Um- sonderen Einfüssen zuzuschreiben kann kein gesunder Geist wohnen, befahrten kann in dritter Classe und weg über Augsburg und Nördlingen rem Vortheil von der Welt und ihrem waren. Die Kosten der Bahn, ein- und jede vernünftige Vorstellung wird Packwagen umsonst mitfahren was vermieden wird, was bei den ver- Fortschritt ganz abgelegen geblieben schließlich die Weiterführung nach diesen cretinhaften Gestalten gegen- da Platz fndet, und diese Gelegen- mehrten Beziehungen zum Süden waren; von Dachau bis zur Bischofs- Gunzenhausen, sind auf 19 Millionen über vergeblich seyn. Viel freier und heit wollte das biedere Landvolk mas- sehr in Anschlag zu bringen ist. Wenn stadt Eichstädt ist gar mancher Punkt veranschlagt. geweckter erscheint das Völklein um senhaft benützen. Es war gerade

20 21 Der Streckenabschnitt durch das Dachauer Moos der Bewohner des Mooses waren beim Schulbesuch, bei neu gebauten Eisenbahnlinie München-Ingolstadt führte der Zugehörigkeit zum Kirchensprengel und sogar bei von Allach kommend auf einer Länge von 3,2 km über der Wahl des Friedhofes weitgehend nach Dachau, Grö- Augustenfelder (heute Karlsfelder) und auf 1,6 km über benried oder Eschenried orientiert. Auch die Gemeinde- Dachauer Fluren zur Bahnstation Dachau. Sie durch- politik hatte beim Aufbau der Infrastruktur das Ortsgebiet querte das damals noch nahezu unpassierbare, land- westlich der Bahn selten im Fokus. So wurde die erste ine trostlose Ebene wirtschaftlich ungenutzte und unbewohnte Obere Straße erst 1976 geteert und die Wasserleitung erst Dachauer Moos. Erst kurz vor der Station Dachau tauch- 1994 gelegt. Auch eine befriedigende Verkehrsverbin- E ten die kleinen Häuser der Mooskolonie Oberaugusten- dung für das neue Siedlungsgebiet Karlsfeld West hinter und erhabene Melancholie – feld auf. Ein Journalist äußert sich bei der Jungfernfahrt dem Bahnhof und den Ortsteil Waldschwaige wurde erst 4 Die Bahnstrecke durchs Dachauer Moos von Horst Pajung kritisch über die Fahrt durchs Moos: „Die Fahrt selbst 2006 fertiggestellt. durch eine trostlose Ebene bietet nichts dar als die erha- bene Melancholie und Langweile einer Moorgegend. Eine einzige Ausnahme macht nur Dachau, dessen lieb- Streckenbau liche Lage es wohl zu einem beliebten Sommerausfug der Münchner machen wird.“1 Der Bau wurde 1866/67 durchgeführt. Die Schwierigkei- ten beim Bau der Strecke dürften sich in erster Linie Da es bei der Eröffnung der Linie 1867 noch keine Hal- durch die Unwegsamkeit des Moosgebietes ergeben ha- testelle Karlsfeld gab, kann man ziemlich sicher sein, ben. So durchquerte die Bahntrasse zum einen den dass sowohl der Bau als auch der Betrieb der Bahnlinie Grundwasserstrom im nördlichen Langwieder Moos und von den Karlsfeldern zunächst kaum wahrgenommen zum anderen die Bachsysteme der Würm und des Re- wurde. Im Jahr 1867 hatte die Mooskolonie Karlsfeld mit schenbaches. Die günstigen geologischen Bedingungen Rothschwaige nur 88 Einwohner, die Zahl der Gebäude auf der Münchner Schotterebene ermöglichten die Kies- betrug 19. Die Anwesen standen ausnahmslos an der gewinnung für den Bau des Bahnkörpers unmittelbar ne- Staatsstraße von München nach Dachau und waren da- ben der Trasse. Die dadurch entstandenen Kiesgruben mit mehr als 2 km von der Bahn entfernt.2 wurden später mit allerlei Schrott und Abfällen verfüllt. Die Streckenführung erfolgte anfangs nur mit einem Lediglich die Bauern, die Grundstücke auf der geplanten Gleis. Lediglich die Brückenbauwerke und die Straßen- Trasse besaßen und Land an die Königlich Bayerische übergänge waren schon für den zweigleisigen Ausbau Staatseisenbahn abtreten mussten, waren mit dem Pro- vorbereitet.5 Dieser wurde dann 1890/91 im Rahmen der jekt konfrontiert. Sie wurden 1865 über die Bedingungen Einführung des Vorortverkehrs realisiert. informiert; die Beurkundungen fanden Anfang 1866 statt.3

Auf die Ortsentwicklung Karlsfelds hatte die Bahnlinie Bachdurchführungen bis in die Gegenwart gravierende Auswirkungen. Das westliche Gemeindegebiet, die heutige Waldschwaige, Die damals noch stark mäandernde Würm wurde auf entwickelte sich durch die trennende Wirkung der Bahn- Höhe des heutigen Bahnhofs Karlsfeld begradigt und Bahnwärterhaus in der Rothschwaige auf halber Strecke zwischen Karlsfeld und Dachau trasse weitgehend unabhängig vom Dorf Karlsfeld. Die derart verlegt, dass die Bahnlinie rechtwinklig gequert

22 23 wurde. Dadurch reduzierte sich die erforderliche Spann- Bahngräben Bahnwärterhäuser weite der Eisenbahnbrücke auf 15 m. Da die Würm in unmittelbarer Nähe einen Seitenarm ausgebildet hatte, Die Anlage von Bahngräben dient insbesondere dazu, Entlang der Strecke war für den damaligen Bahnbetrieb musste der Bahnkörper an dieser Stelle mit einer weite- den Bahnkörper vor Durchnässung und damit vor der zur Signalisierung und Streckenüberwachung etwa alle ren Durchleitung von 3 m Breite versehen werden.6 Gefahr einer Beschädigung des Bauwerks durch Was- 2 km ein Bahnwärterposten eingerichtet. Die Gebäude ser und Frost zu schützen. Durch die Bahngräben wer- waren nach einem identischen Standardbauplan der Etwa 2,5 km weiter nördlich kreuzte die Bahntrasse das den sowohl das Oberfächen- als auch das Grundwasser Staatseisenbahn errichtet und bestand aus einem Zie- Bachsystem des Reschenbachs, das dort in einem dich- kontrolliert entlang der Bahnkörper bis zur nächsten gelhaus mit Anbau, in dem der Bahnwärter mit seiner ten Gefecht von Nebenbächen und Seitenarmen auf Durchführung geleitet. Wegen der besonderen stark Familie wohnte. Praktischerweise war der Standort die- Höhe der Rothschwaige in West-Ost-Richtung foss. Um wasserhaltigen Bodenbeschaffenheit des Dachauer ser Posten so gewählt, dass der Wärter auch weitere die Anzahl der Durchleitungen zu reduzieren wurde der Mooses hatten diese Gräben immer eine besondere Be- Aufgaben wie den Betrieb eines Bahnhofes oder die Be- Reschenbach im Umkreis von ca. 300 m westlich der deutung; man fndet sie auch heute noch entlang der ge- dienung eines beschrankten Übergangs wahrnehmen geplanten Trasse zu einem einzigen Bachlauf zusam- samten Strecke Karlsfeld-Dachau beidseitig der Bahn. konnte. Mit zunehmender Technisierung des Bahnbe- mengefasst und unter einer 4,5 m langen Eisenbrücke triebs und dem Bau von Unterführungen wurden die hindurchgeführt.7 Die Durchleitung wird heute noch als Bahnwärterhäuser bereits in der ersten Hälfte des 20. Ausschnitt aus einer Karte des HSTA München mit Fuß- und Radweg genutzt. Das Bachbett mit seiner Tiefe Straßenüberquerungen Jahrhunderts nach und nach abgebaut. dem Verlauf der Bahnstrecke von Allach bis Dachau von ca. 30 cm diente noch lange als Durchfahrt für land- wirtschaftliche Fahrzeuge; ein verbrieftes Geh- und Da das Gebiet fast auf der gesamten Streckenlänge un- Auf der Strecke von Karlsfeld nach Dachau gab es 3 sol- 1 Beilage zur Allgemeinen Zeitung, München, 14.11.1867. Fahrrecht für den jeweiligen Inhaber des Gutes Roth- bewohnt war, gab es nur wenige Straßenverbindungen, che Posten. Einer stand am Bahnübergang der Land- 2 50 Jahre Politische Gemeinde Karlsfeld, Hrsg. Gemeinde Karlsfeld, 1989. schwaige besteht bis heute.8 die über die Bahntrasse geführt werden mussten. straße Karlsfeld-Allach auf Allacher Flur und war anfangs 3 Arbeitskreis Dorfgeschichte Etzenhausen, Ortsgeschichte Etzenhausen, 2012. 4 Horst Pajung, Kleine Geschichte der Waldschwaige, 2015. für die Bedienung der Schranke an der Landstraße, nach 5 Pläne der Brückenbauwerke, 1865, DB624 und DB 630. 900 m weiter nördlich, wo sich heute das Gewerbegebiet Der südlichste Übergang war die Landstraße zwischen der Einrichtung der Haltestelle Karlsfeld auch für den 6 Plan der Eisenbahnkreuzung Würm, 1865, DB 625. 7 Flurkarten 1:5000 NW V 4, 1881 und 1935. Dachau Süd befndet, gab es eine weitere, baugleiche Karlsfeld und Allach. Sie lag in der Nähe des heutigen Fahrkartenverkauf und die Fahrgastabwicklung an der 8 Email Wolfgang Offenbeck, 1.4.2017. Brücke. Der Durchlass existiert als kleiner Bachlauf und Karlsfelder Bahnhofes bereits auf Allacher Flur. Haltestelle zuständig. Ein weiteres stand in der Roth- 9 Adressbücher Augustenfeld, Rothschwaige, Bad Karlsfeld, 1927 und 1930. als Fußpfad in kleinerer Form heute noch. schwaige neben einer für Fußgänger begehbaren Auf dem Gemeindegebiet Dachaus lag der wichtigste Bahn- Bach-Durchleitung in der Nähe des Anwesens Furth- Auf Höhe des Anwesens Furthmayer kreuzte noch ein übergang an der Staatsstraße München-Dachau; zwei wei- mayer. Nach 1934 wurde das Haus nicht mehr für Zwe- kleiner rechter Zufuss des Reschenbaches die Bahnli- tere gab es an der Ortsverbindungsstraße nach Augusten- cke des Bahnbetriebes (wahrscheinlich im Zusammen- nie. Er wurde durch eine schmale, nur 2 m breite Durch- feld sowie an der Staatsstraße nach Schleißheim. hang mit der Elektrifzierung) benötigt und privat leitung geführt, die es auch Fußgängern ermöglichte, die vermietet. Es wurde 1959 gemeinsam mit der Aufas- Bahnlinie zu unterqueren. Neben dieser Durchleitung Beim Bau der Bahnlinie wurden alle Straßenüberquerun- sung der Bachdurchführung aufgegeben. stand ein Bahnwärterhaus mit der Adresse „Im Moos 6“, gen schienengleich ausgeführt. Ab 1900 wurden sie zu- wo in den 1920er und 30er Jahren der Bahnwärter Josef nehmend durch Unterführungen ersetzt. Weitere Bahnwärterhäuser standen auf Dachauer Flur Mühlbauer Dienst tat und mit seiner Familie wohnte. Das an den drei Bahnübergängen Münchner, Augustenfelder Bahnwärterhaus und die Unterführung wurden 1959 auf- und Schleißheimer Straße. Sie wurden in den 1920er gelassen.9 Jahren abgebaut. n

24 25 Bahnbedienstete vor dem Bahnhofs- Wer die Werbung der Bahn für ihre Bahnhöfe im Jahr 2017 liest, stellt fest, gebäude in Petershausen um 1910 dass Bahnhöfe heutzutage längst nicht mehr nur Orte für Reisende sind, die nahe oder ferne Ziele besuchen wollen oder müssen. Bahnhöfe sind heute auch Anlaufstellen für diejenigen, die Restaurants, Buchläden, Modege- schäfte oder Lebensmittelmärkte suchen. Großstädte werben für ihre Bahn- höfe inzwischen mit regelrechten Shoppingmalls und Veranstaltungsorten als „Eventlocations“.

Als 1867 die Bahnlinie München-Ingolstadt ihren Betrieb aufnahm, war ein Bahnhof vor allem der Ort, wo der Betriebsdienst angesiedelt war und wo Güter verladen wurden oder Personen ein- oder aussteigen konnten.

„Betriebsdienst“ bezeichnete, wie Victor Freiherr von Röll (1852-1922) in sei- nem Eisenbahnlexikon ausführte „die gesamte Tätigkeit, die die ordnungsmä- ßige Abwicklung des Eisenbahnbetriebs erfordert“. Dazu gehörten sowohl die technischen Anlagen als auch das umfangreiche Personal vom Bahnhofsvor- in Blickfang steher angefangen über die Weichensteller bis hin zu Streckenwärtern.“1 Für den Güterverkehr wurden unter anderem Laderampen und Lagergebäu- E für die Vorbeifahrenden... de benötigt, für den Personenverkehr Bahnsteige und Warteräume. Bahnhöfe im Landkreis Dachau von Birgitta Unger-Richter Doch auch bereits im 19. Jahrhundert gab es neben diesen zweckbestimm- ten Bauten und Anbauten an vielen Bahnstationen „Restaurationen“, um die Reisenden mit Speis und Trank zu versorgen. Seit dem 20. Jahrhundert bie- ten Bahnhofskioske neben Brotzeiten, Kaffee oder Süßigkeiten auch Zeit- schriften für die Fahrgäste an.

Vom heutigen Angebot der Großbahnhöfe waren und sind die regionalen Zwischenbahnhöfe jedoch weit entfernt. Die heutigen Bahnstationen verfü- gen sogar nicht einmal mehr an allen Orten über Bahnhofsgebäude. Sie sind mit ihren Park&Ride Parkplätzen vor allem für die zahlreichen Pendler im Landkreis Dachau der Ausgangspunkt, um vom Wohnort zur Arbeit oder zur Schule zu gelangen.

1 Victor Freiherr von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Band 1. Berlin, Wien 19122, S. 383. s. http://www.zeno.org/nid/20011405317, abgerufen am 29.07.2017.

26 27 DER BAHNHOF DACHAU waggone abgefertigt und mehr als 33.000 Personenfahr- ETZENHAUSEN von Horst Pajung karten verkauft. Im Jahr 1908 waren es zwischen Mün- von Florian Hartmann chen und Dachau schon fast 300.000 Einfach-Fahrkar- Die Pläne zum Anschluss des Marktes Dachau an die Ei- ten. Diese Erfolge führten bereits frühzeitig zu Die München-Ingolstädter-Bahn durchschneidet senbahnlinie München-Ingolstadt wurden seitens der Erweiterungen sowohl der Gleisanlagen (1884) als auch Etzenhausen Marktbewohner nicht nur mit Freude begrüßt. So gab es des Bahnhofsgebäudes (1887).3 einfussreiche Kräfte bei den Kaufeuten und Verkehrsbe- Der geplante Streckenverlauf der München-Ingolstäd- trieben, die verhindern wollten, dass Wirtschaftskraft aus Für die Einführung des Vorortverkehrs wurde das Emp- ter-Bahn durchschnitt das Etzenhausener Gemeindege- Dachau nach München abfießt. Sie erreichten, dass die fangsgebäude 1895 nochmals erweitert.4 Sowohl die Zunah- biet auf einer Länge von etwa 2,3 Kilometer. Die Ge- Bahnlinie mit dem Bahnhof relativ weit entfernt von der me des Eisenbahnverkehrs als auch des Straßenverkehrs meindewiesen und das Eisingertshofer Feld waren Ortsmitte gebaut wurde.1 Der Markt mit dem Rathaus und führte an den drei wichtigen Dachauer Bahnübergängen an davon besonders betroffen. St. Jakob war über den Karlsberg etwa 1,5 km entfernt. der Münchner Straße, der Augustenfelder Straße und der Schleißheimer Straße zu einer Reihe von tödlichen Unfällen, Am 21. August 1865 wurde vom königlichen Bezirksamt Als der Bahnhof 1867 gebaut wurde, stand dieser weitab so dass man 1905 an diesen Stellen die schienengleichen Dachau ein »Circular« an die Steuergemeinde Etzen- Der Bahnübergang Wotanstraße (Posten 9) jeglicher Bebauung auf der grünen Wiese. Erst im darauf Übergänge durch Unterführungen ersetzte.5 hausen gesandt, dass alle vom Eisenbahnbau betroffe- folgenden Jahr entstand mit der Bahnhofsrestauration, nen Grundstückseigentümer unterschreiben mussten. In Der Bauabschnitt der München-Ingolstädter-Bahn auf der heutigen Tafernwirtschaft Fischer, das erste Gebäude Im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 1972 wurde der diesem war folgendes zu lesen: „Bevor die Unterhand- dem Gemeindegebiet von Etzenhausen gehörte zur in der Umgebung. Der Bahnhof als Verkehrszentrum be- Vorortverkehr München-Dachau in das S-Bahnnetz Mün- lungen mit den einzelnen Grundbesitzern über den Be- „Section Dachau. III. Loos“. Auf diesem Abschnitt befan- wirkte dann, dass innerhalb der folgenden 30 Jahre etwa chen eingegliedert; der Bahnhof wurde zum S-Bahnhof mit trag der Entschädigung für die in der Eisenbahn-Linie den sich die Überfahrt Nr. 18 (Posten 9) an der Wotan- 25 Gebäude entlang der Frühlingsstraße, Bahnhofsstra- zwei neuen Bahnsteigen umgebaut. fallenden Flächen gepfogen werden, soll auf Ansuchen straße und die Überfahrt Nr. 19 (Posten 10) an der ße und Augustenfelder Straße gebaut wurden.2 des Commissärs der Generaldirektion der k. b. Verkehr- Dachau-Haimhauser-Straße in der Nähe der Leite. Bei- Im Laufe der 1970er Jahre erfolgte die Einstellung des sanstalten zu München eine Verhandlung zur Erledigung de Überfahrten waren mit einer sogenannten Schieb- Tatsächlich wurde das neue Verkehrsmittel sehr gut ange- Stückguttransports und der Güterabfertigung im Bahnhof der administrativen Frage im Hinblick auf Art. XVII des schranke ausgestattet. Über den korrigierten Bachver- nommen. So wurden bereits 1885 mehr als 3000 Güter- Dachau; 2005 wurden im Rahmen des ICE Streckenaus- Zwangsabtretungsgesetzes vom 17ten Nov. 1837, zur lauf des Webelsbaches wurde die Brücke Nr. XIV erbaut. baus zwei zusätzliche Gleise für die Vorbereitung des vorläufgen Bekanntgabe und Erklärung der allgemeinen Darüber hinaus befanden sich auf diesem Bauabschnitt S-Bahnbetriebs im 10-Minuten-Takt errichtet. Dabei wur- Verkaufsbedingungen usw. stattfnden. Die […] Grund- die Durchlässe Nr. XV, XVI und XVII. Die Strecke wurde den auch die Anlagen für den Güterverkehr wie Ladegleise, besitzer und die mit ihren Ehemännern in Gütergemein- zunächst eingleisig gebaut. Die Brückenbauwerke wur- Dieseltankstelle und Kleinfahrzeugschuppen abgebaut.6 schaft lebenden Ehefrauen werden daher hiermit veran- den jedoch für zwei Gleise trassiert.3 Das königlich bay- lasst mitsammen am Dienstage den 29. August erische Oberbahnamt Ingolstadt teilte am 1. Oktober Heute werden am Dachauer Bahnhof S-Bahnen und Re- vormittags 11 Uhr im Wirthshause zu Etzenhausen […] 1890 dem Bezirksamt Dachau mit, dass die Bauarbeiten gionalbahnen der Deutschen Bahn AG abgefertigt. Es zu erscheinen […].“1 Im Januar 1866 wurden die Grund- zur Herstellung des Doppelbahngleises in kürzester Zeit halten täglich etwa 190 Züge, davon 150 S-Bahnen.7 stücksabtretungen beurkundet. Laut Erwerbungsproto- in Angriff genommen werden würden.4 koll wurden in „summa totalis“ 148,72 Tagwerk auf Et- 1 Norbert Göttler, Die Sozialgeschichte des Bezirkes Dachau 1870 bis 1920, Schriften des Stadtarchivs, 1988. zenhausener Gemeindegebiet für den Bau der Auf dem Streckenabschnitt bei Etzenhausen ereigneten 2 August Kübler, Straßen, Bürger und Häuser in Alt-Dachau, Männerstadt 1934. München-Ingolstädter-Bahn abgetreten. Dies wurde sich viele Zwischenfälle und Unglücke, über die auch der 3 Wikipedia, Stichwort „Dachau Bahnhof“, Mai 2017. 4 Wikipedia, Stichwort „Dachau Bahnhof“, Mai 2017. durch das königliche Bezirksamt Dachau am 24. Februar Amper-Bote berichtete. So ist beispielsweise von einer Ausschnitt aus einer Postkarte: Der Dachauer Bahnhof und die 5 Amperbote, 18.2.1905. 1866 bestätigt.2 Kuh zu lesen, die dem Gütler Heindl am Bahnübergang 6 Wikipedia, Stichwort „Dachau Bahnhof“, Mai 2017. Bahnhofsrestauration um 1896 7 Wikipedia, Stichwort „Dachau Bahnhof“, Mai 2017.

28 29 auskam und von der Lokomotive eines Schnellzuges er- Errichtung des Haltepunktes (mindestens 12.000 RM) und DER „BAHNHOF“ KARLSFELD Mit der Einrichtung der Haltestelle setzte in der Umge- fasst und über den Bahndamm hinunter geschleudert die laufenden Kosten für das Anhalten der Züge und den von Horst Pajung bung eine rege Bautätigkeit ein und es entwickelte sich wurde.5 Ferner schreibt der Amper-Bote sogar von einer Fahrkartenverkäufer zu decken.“7 ein eigener Ortsteil. Angefangen mit dem Schloss des „Selbstmörderstrecke“, nachdem erst ein Liebespaar Beim Bau der Bahnlinie 1867 war noch keine Haltestelle Millionenbauers Lorenz Hauser am Würmkanal 1899, und kurz darauf ein junger Mann auf dem Streckenab- Die Gemeinde Etzenhausen wollte sich jedoch damit für Karlsfeld vorgesehen. Es gab weit und breit noch kei- folgte der Bau von fünf stattlichen Jugendstilvillen zwi- schnitt bei Etzenhausen Selbstmord begangen hatten.6 nicht zufriedengeben. Am 19./20. Mai 1929 berichtete ne Besiedelung; lediglich die Distriktstraße von Karlsfeld schen Würm und Allacher Straße zwischen 1900 und der Amper-Bote von einer Besprechung beim Gastwirt nach Allach kreuzte die Bahnlinie. 1905. Im Jahr 1901 baute der Zamdorfer Bauunterneh- Burgmeier zwischen den beiden Herren vom Verband mer Sebastian Mayer eine Bahnhofsgaststätte und seine Nächster Halt: „Etzenhausen“? der Vorortsgemeinden Dr. Kölbl und Oberinspektor Hof- Erst als nach dem zweigleisigen Ausbau 1890/91 neben von der Würm gespeiste Badeanstalt, dessen Badegäs- mann aus München, den beiden Bürgermeistern, dem dem Fernverkehr nach Ingolstadt auch der Vorortverkehr te besonders an Wochenenden zu einem großen Teil mit In einem Schreiben vom 25. Oktober 1928 erbat das Be- Bezirksvertreter Rhein sowie einigen Gemeinderäten. zwischen München und Dachau im Jahr 1896 eingeführt dem Zug anreisten. Auf der westlichen Bahnseite folgte zirksamt Dachau die Eisenbahndirektion München um Dabei erhielten die Etzenhausener Volksvertreter „Richt- wurde, errichtete man einen Haltepunkt Karlsfeld und 1909 das Anwesen von Karl Bieringer, das Otto Gath- eine „wohlwollende Prüfung“ zur Errichtung einer Halte- linien und Anweisungen für die künftigen Bemühungen nahm ihn mit jeweils sechs Abfahrtszeiten in beide Rich- mann, der Vater von Edeltraud Klapproth, 1917 erwarb. stelle in Etzenhausen. „Bei der letzten Sitzung des Bezirk- zur Erreichung des Zieles, eine Bahnstation zu erhal- tungen in den Fahrplan auf, vorerst noch als Bedarfshal- Um 1920 ließen sich dann an der heutigen Südenstraße stages Dachau am 16. Oktober 1928 wurde das Bezirk- ten“.8 Zu diesem Zweck wurde auch von Ottmar Oefner testelle.1 die Familien Kurz, Bogner und Flingelli nieder. Einen wei- samt ersucht, die von den Bewohnern der Gemeinde am 18. September 1929 ein Übersichtsplan angefertigt. teren Schub bekam die Besiedelung im Umfeld des Halte- Etzenhausen und Umgebung angestrebte Errichtung ei- Alle Anstrengungen für eine eigene Bahnstation in Et- Der Haltepunkt lag am Bahnübergang der Distriktstraße punktes mit der Ansiedlung der Bayernwerk AG, die 1923 nes Haltepunktes in Etzenhausen bei Posten 9 für die zenhausen waren jedoch vergebens, was die nachfol- und bestand nur aus einem „Warteunterstand mit einem eröffnete. Sie brachte eine Vielzahl von Angestellten mit, Nahpersonenzüge zu unterstützen.“ Begründet wurde die gende Anekdote veranschaulicht. winzigen Wellblechhäuschen, in dem der Sta- Notwendigkeit einer Haltestelle damit, dass das Sied- tionsvorsteher Steidl die Fahrkarten verkaufte. lungsgebiet Etzenhausen bereits 1.500 Einwohner um- Davor befand sich auch die Kurbel zum Herab- fasse, von denen ein großer Teil in München und Allach Erzwungener Halt lassen der Straßenschranken beim Nahen ei- beschäftigt wäre. Deshalb „könnte mit einer sehr erhebli- nes Zuges, denn eben hier überquerte die Di- chen Frequenz des angestrebten Haltepunktes gerechnet Der Zimmerei- und Sägewerksbesitzer Anton Mayer striktstraße Pasing-Dorf Karlsfeld die Geleise.“ 2 werden.“ Außerdem sei mit einer „beträchtlichen Steige- (1837-1899) erkannte schon sehr viel früher die Notwen- rung der Bevölkerungszahl“ aufgrund „der in der Gemein- digkeit einer eigenen Haltestelle für Etzenhausen. Es wird Der Bahnwärter bediente den Haltepunkt de herrschenden regen Bautätigkeit“ zu rechnen. berichtet, dass er bei einer Heimfahrt aus München nicht von seinem Bahnwärterhaus, einem „klei- am Dachauer Bahnhof ausstieg, sondern auf Höhe Etzen- nen Ziegelhaus etwa hundert Meter weiter Im Antwortschreiben der Reichsbahndirektion München hausen die Notbremse zog und den Zug auf diese Weise am Bahndamm, dort wo die Würm den vom 16. Januar 1929 wurde dem Bezirksamt Dachau mit- verließ. Somit dürfte er wohl der einzige Fahrgast der Bahndamm unterläuft. Ein Blickfang für die geteilt, dass der Antrag auf Errichtung eines Haltepunktes München-Ingolstädter-Bahn gewesen sein, der in den Vorbeifahrenden war sein Gärtchen, wo er in Etzenhausen nicht weiterverfolgt werden würde. Es „ste- Genuss der (Not-)Haltestelle Etzenhausen kam! Gemüse, Obst und Sonnenblumen züchtet. hen vor allem betriebsdienstliche Bedenken“ dem Vorha- Dort lebte er mit seiner Familie, wobei oft- 1 StAM: LRA 131156. ben entgegen. „Jede Vermehrung der Haltepunkte auf der 2 BayHStA: Verkehrsarchiv 56343. mals auch seine Frau den Dienst versah. stark belegten Strecke München-Röhrmoos erschwert die 3 StAM: DB 626 und DB 645. Die Hände an der Schürze trocknend, kam 4 StAM: LRA 131155. Aufstellung und die Durchführung des Fahrplans […].“ Da- 5 StadtADAH: Amper-Bote vom 30.10.1923. sie herbeigelaufen, wenn das Signal den rüber hinaus „genügt das Verkehrsaufkommen auch im Be- 6 StadtADAH: Amper-Bote vom 18.01.1933 und 31.01.1933. Zug meldete. Der wartete dann, bis sie die 7 StAM: LRA 131155. 3 harrungszustand nicht, um die einmaligen Kosten für die 8 StadtADAH: Amper-Bote vom 19./20.05.1929. Karten geknipst hatte.“ Der Bahnhof in Karlsfeld 1935-1938

30 31 die mit ihren Familien in werkseigenen Wohnhäusern leb- Nach dem Krieg nahm die Bedeutung der Haltestelle ten. Durch den Bau der Badeanstalt bekam der Ortsteil Karlsfeld immer mehr zu. Zum einen lief der Betrieb im den klangvollen Namen „Bad Karlsfeld“, der auch offziell BMW-Werk, das nun unter dem Namen „Karlsfeld Ord- in den Adressbüchern und den Sitzungsprotokollen der nance Depot“ amerikanische Militärfahrzeuge reparierte, Gemeinderatssitzungen um 1930 Verwendung fand. (s. fast lückenlos weiter und es mussten täglich bis zu 7000 dazu S. 40) Mitarbeiter zur Arbeit gebracht werden. Darüber hinaus wohnten mittlerweile mehr als 2000 Menschen in Karls- Um 1934 wurde, wahrscheinlich im Zusammenhang mit feld mit stark steigender Tendenz; zusätzlich lebten wei- der Elektrifzierung der Strecke München-Dachau, auch tere 2000 in der BMW-Wohnsiedlung direkt neben dem der Bahnhof umgebaut. (s. Foto vorherige Seite). Er wirk- Bahnhof, die zum Teil nach München oder Dachau zur te immer noch familiär mit seinen Blumenampeln und Arbeit fahren mussten. dem Pumpbrunnen. Der Warteraum war nun mit einem Kanonenöfchen ausgestattet.4 Im Jahr 1972, Karlsfelds Einwohnerzahl hatte nun die 12.000er-Marke überschritten, wurde der Vorortverkehr Diese Idylle hielt jedoch nicht lange an, denn 1938 begann als Linie S2 in das S-Bahn-Netz Münchens integriert und im Allacher Forst der Bau des BMW-Flugmotorenwerkes, mit einem 20-Minuten-Takt ausgestattet. Detail einer Postkarte von G. Beinrucker mit Bahnhofsrestauration und Bahnhof um 1900 das als rüstungswichtiger Betrieb eingestuft wurde.5 Seine bisher letzte große Umgestaltung erlebte der Karls- Dazu musste auch der Karlsfelder Bahnhof zu einem felder Bahnhof zwischen 2005 und 2007. Im Zuge des DER BAHNHOF ESTERHOFEN Güterbahnhof ausgebaut werden. Der Bahnübergang ICE-Streckenausbaus wurden zwei zusätzliche Gleise von Helmut Gröss der Landstraße wurde 250 m weiter in Richtung Allach gebaut, der Bahnsteig verlängert und um etwa 100 m verlegt und das Bahnhofsgebäude abgerissen. Auch die nach Norden verlegt. Es wurde auch eine zweite, nun- Die Bahnstrecke Ingolstadt-München wurde in den Jah- zu Vierkirchen: „Pfarrei mit 1.107 Seelen in 209 Häusern direkt neben der Bahnstrecke liegende Badeanstalt von mehr fahrradtaugliche Unterführung mit Zugang zum ren 1866/68 nahe an der kleinen, aus fünf Bauernhöfen (…). Nächste Eisenbahnstationen Petershausen (1 ¼ Std.) Bad Karlsfeld, die erst 1934 renoviert und erweitert wur- Bahnsteig auf Karlsfelder Flur gebaut.8 bestehenden Ortschaft Esterhofen, vorbeigeführt. Drei- und Röhrmoos (1 Std.)“. de, fel dieser Baumaßnahme zum Opfer. ßig Tagwerk (13,15 ha) Felder und Wiesen mussten da- Auf der Strecke nach Dachau entstand 2004 auch eine für zum Bahnbau übereignet werden. Die Gemeinden Es war damals beschwerlich zum nächsten Bahnhof zu Für den Güterbahnhof wurden auf einer Länge von bis neue Unterführung für eine Ortsverbindungsstraße nach Weichs und Vierkirchen hatten sich gegen eine Trassie- kommen. So sollen der damalige Bürgermeister Hans zu 1000 m sechs weitere Gleise, ein Stellwerk und ein Karlsfeld West und in die Waldschwaige auf Höhe der rung durch ihre Dörfer ausgesprochen, weshalb Ester- Mayr und der „Bräu“ Jakob Mayr mit dreckigen Stiefeln in Anschlussgleis zum BMW-Werk gebaut. Der Zugang Hochstraße. Die Reschenbach-Unterführung wurde hofen so im doppelten Sinn des Wortes „zum Zug“ kam. der Reichsbahn-Direktion vorstellig geworden sein, um zum nunmehr überdachten Bahnsteig erfolgte von Osten 2002 ebenfalls erneuert. Anfänglich gab es hier nur einen Streckenposten, der die den weiten Weg auf schlechter Straße zum Bahnhof 6 durch eine Unterführung von der Allacher Straße. Wäh- 1 Amperbote vom 2. Mai 1896, Gratisbeilage mit Sommer-Fahrplan, gültig ab 1.5.1896. Schranken am Bahnübergang bediente. Eine Unterfüh- nach Röhrmoos zu demonstrieren. Weil sie nicht gleich rend der Baumaßnahmen ermöglichte eine behelfsmäßi- 2 Edeltraud Klapproth: Am Unterlauf der Würm. Fauna Verlag 1991, S. 126. rung gab es, vermutlich aus Kostengründen, nicht. Drei erfolgreich waren, erzählt man sich, sollen sie bei der 3 7 Klapproth, S. 126. ge Fußgängerbrücke den Zugang zum Bahnsteig. 4 Klapproth, S. 126. weitere Bahnübergänge Richtung Petershausen wurden Heimfahrt aus Wut darüber in Esterhofen die Notbremse 5 Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW. München 2006. von eigenen Bahnwärterhäusern aus bedient. gezogen haben. 6 Luftbild Januar 1937, Hansa Luftbild GmbH, München. Während der letzten zwei Kriegsjahre, als die Produktion 7 Klapproth, S. 126. der Flugmotoren ihren Höhepunkt erreichte, war der 8 Wikipedia, Stichwort „Schnellfahrstrecke Nürnberg-Ingolstadt-München“, Mai 2017. Als um 1889 der zweigleisige Ausbau in Planung war, Im Sommer 1889 kam es tatsächlich zu einem probeweisen Bahnhof mit Güterzügen stark frequentiert. bemühte sich die Gemeinde Vierkirchen um eine Halte- Betrieb einer Haltestelle Esterhofen, dem im Zuge des Gleis- stelle in Esterhofen. In einer Statistik von 1874 hieß es ausbaues die Einrichtung eines kleinen Bahnhofes folgte.

32 33 Der Gastwirt Johann Georg Großmann versprach sich DER BAHNHOF WALPERTSHOFEN raunzte nur mürrisch „Ist es jetzt schon so weit, dass wir gen am Bahnhof gab, wie in Petershausen oder Röhr- mit dem Bau einer „Bahnhofsrestauration“ ein Geschäft UND DIE RESTAURATION HERZOG an jedem Misthaufen halten müssen?“ und gab das Sig- moos, konnten auch sperrige oder schwere Güter mit der Bewirtung der Reisenden. In seinem Bauantrag von Helmut Gröss nal zum Abfahren. Das Festkomitee trat verärgert den transportiert werden. So kam z. B. Grieskohle, also Koh- begründet er das „Bedürfnis“ u. a. so: „…wäre ein lebhaf- Rückzug an und die Goldmünze blieb in Familienbesitz. legranulat von Penzberg oder Peissenberg nach Röhr- ter Personenverkehr vorherzusehen, da am 1. und 2. Juni Ähnlich wie in Esterhofen verlief die Entwicklung in Wal- moos, wo es abgeholt wurde, um in den um 1890 ent- 1889 schon 140 Fahrgäste die Züge bestiegen hätten.“ pertshofen. Einige Jahre nach dem Bahnhof Esterhofen Der „Amperbote“ berichtete am 8. August 1891: standenen Ziegeleien zum Brennen der Ziegel verwendet Gegen Ende 1889 wurde das Gasthaus bereits eröffnet. bekam am 15. August 1891 Walpertshofen den Bahnan- „Eröffnung des Bahnhofs Walpertshofen. Am Samstag zu werden. Auch die Milchlieferungen der Dachauer Bau- schluss. Volkstümlich wurde die Bahnstation auch den 15. August l. Js. wird die Haltestelle Walpertshofen ern nach München per Bahn brachten große Vorteile. Dieser Bahnhof bestand mit kleineren, technisch beding- „Schiefhausen“ genannt, weil der Zug aufgrund der über- zwischen Dachau und Röhrmoos für die Abfertigung von ten Änderungen bis zur Einführung der Münchner höhten Kurve schräg stand, was im Winter zu Anfahrpro- Personen, Reisegepäck und Hunden eröffnet.“ Die Per- Im Zuge der Ertüchtigung für den ICE-Fernverkehr wur- S-Bahn 1972. Mit dieser Erweiterung des Nahverkehrs blemen bei den Dampfokomotiven kam. Der „kurvige“ sonenzüge kommen nach Walpertshofen von Röhrmoos de die gesamte Trasse zwischen Röhrmoos und verschwand auch eine äußerst unglückliche, unfallträch- Streckenverlauf, der den Ort Unterweilbach weit umfuhr, um 5.39, 8.48, 1.15, 3.56, 5.45 und 12.21 Uhr und von Dachau verändert, der Ort Unterweilbach wird jetzt öst- tige Verkehrssituation, nämlich der beschrankte Bahn- kam folgendermaßen zustande: Dachau um 6.27, 11.06, 1.31, 2.40, 5.28 und 8.08 Uhr. lich umfahren. Dazu wurde auch das Bahnhofsgebäude übergang, der durch eine Unterführung ersetzt wurde. abgebrochen und ein neuer Bahnsteig für den Für diese sogenannte „Unterfahrt“ hatte die Gemeinde Ursprünglich war von Seiten der Bahn nicht an eine Weiter wird am 27. Februar 1892 berichtet, dass auch S-Bahn-Verkehr errichtet. Eine Unterführung ersetzt Vierkirchen fast 100 Jahre lang gekämpft. Bahnstation Gut Walpertshofen, sondern an eine Station Kleinvieh zur Verladung angenommen wird, das jedoch den beschrankten Bahnübergang. Seitdem heißt die am benachbarten Schloss Unterweilbach gedacht. Der einen Tag vorher angemeldet werden müsse. Am 4. Au- Haltestelle der S-Bahn „Hebertshausen“, wie einstmals Im Zuge des Trassenausbaus für die ICE-Strecke wurde dortige Schlossherr Graf Spreti weigerte sich aber, gust 1892 wurde das zweite Gleis in Betrieb genommen. geplant. auch der Bahnhof abgerissen. Heute wird die im Jahre Grund und Boden zu verkaufen, mit dem Argument: Im April 1909 wurde der unbeschränkte Güterverkehr 1996 umbenannte Haltestelle Vierkirchen-Esterhofen „Erstens fahren dann meine Bediensteten ständig nach aufgenommen. der S2 eingleisig bedient. Auf zwei weiteren Gleisen ver- München und geben ihr Geld aus, und zweitens kommt läuft der Fernverkehr. Die damalige Umbenennung stieß dann das ganze Gschwerl (Gesindel) aus der Stadt zu Um 1909 entstand wie in Ester- auf den Widerstand der Bewohner Esterhofens, wie aus uns heraus!“, soll er gesagt haben. hofen eine Bahnhofswirtschaft einem Flugblatt zu entnehmen ist, auf dem gefordert auf Initiative des Hebertshauser wurde: „Hände weg von Esterhofen“. Der Widerstand Das sah der Gutsbesitzer Ökonomierat Johann B. Wester- Wirtes Anton Herzog, die 1910 äußerte sich auch dahingehend, dass die alten „Esterho- mayr anders. Er befürwortete den Bau einer Station, gab auch eine Postagentur erhielt. fen-Schilder“, die vorläufg mit Folie „Vierkirchen-Ester- Grund und Boden dafür her und holte die Station auf diese Die Post wurde ja bereits seit län- hofen“ überklebt worden waren, in einer nächtlichen Ak- Weise nach Walpertshofen. Seine Bedingung war, dass gerem mit der Bahn transportiert. tion abgerissen wurden. die Station „Walpertshofen“ und nicht „Hebertshausen“ Die Postsäcke wurden von den heißen sollte. Sein Sohn Benno ließ an der hofeigenen Ka- jeweiligen „Posthaltern“ zu einem pelle später dafür extra eine Tafel anbringen, die dem „Er- bestimmten Postzug gebracht, richter der Bahnstation Walpertshofen“ gewidmet war. oder die Postkunden warfen sie in einen Briefschlitz am Postwagon. Als der erste Zug in Walpertshofen planmäßig halten musste, versammelten sich mehrere Honoratioren, dar- Der Gütertransport auf der Bahn unter Ökonomierat Westermayr, der dem Zugführer fei- eröffnete ganz neue Möglichkei- erlich eine Goldmünze überreichen wollte. Der aber ten. Wenn es Verladeeinrichtun- Ausschnitt aus einer Postkarte: der Bahnhof Walpertshofen und die Gaststätte Anton Herzog um 1910.

34 35 DER BAHNHOF IN RÖHRMOOS Der Wald erstreckte sich vom heutigen Sportheim süd- nen wie heute hatte. Die meiste Arbeit musste man mit Der Bahnhof Röhrmoos wurde etwa 1884 erbaut. Für die von Helmuth Rumrich/ Franz Thaler lich vorbei an Kleininzemoos bis nach Röhrmoos-Dorf. Schaufel und Schubkarren vollbringen. Der Erdaushub Schrankenwärter gab es im Gemeindebereich Röhr- Zunächst erwarb die Eisenbahn Gelände und schlug zur aus dieser Schneise wurde zum Bahndammbau bei moos vier Bahnwärterhäuschen: „Heckenhofer“ ca. 1 km Der Ort „Röhrmoos Dorf“ wird in einer Schenkungsur- Errichtung der geplanten Bahnlinie in den Wald eine Schillhofen und Riedenzhofen verwendet. Der Bahn- südlich von Schillhofen, Dillitz bei Schillhofen, eines un- kunde im Jahr 774 erstmals urkundlich als „roraga mus- Schneise in Nord-Süd Richtung. Bei diesen Arbeiten ent- damm musste aufgrund der moorigen und sumpfgen mittelbar beim Palmberger/Weinsteiger und in Riedenz- sea“ erwähnt. Der Ortsteil „Röhrmoos Station“ entstand deckte man zufällig den Backenzahn eines Europäi- Böden des Schillhofener und Riedenzhofener Moores hofen. Das letzte Bahnwärterhäuschen, das sogenannte aber erst mit dem Bau der Eisenbahnstrecke München- schen Waldelefanten (126. 000 bis 115. 000 v. Chr.). Der relativ hoch aufgeschüttet werden. „Dillitzhaus“, wurde ca. 1965 abgebrochen. Ingolstadt. Das Gelände, auf dem sich heute „Röhrmoos Aushub dieser Schneise zwischen Walpertshofen und Station“ befndet, war vor Beginn des Eisenbahnbaues Schillhofen war für damalige Verhältnisse eine großartige Der erste Siedler in Röhrmoos war Josef Palmberger, Röhrmoos war eine Ausweichstelle für Züge. Langsam (1864-1867) unbewohntes bewaldetes Gebiet. technische Leistung, da man keine modernen Maschi- der um 1867 vom „Zinsmeisterbauer“ Märkl bewaldetes fahrende Züge mussten auf ein Ausweichgleis, wenn Gebiet kaufte, das er rodete und darauf nach und nach sich ein Schnellzug näherte. Auch bei Gegenverkehr eine Landwirtschaft, ein Gasthaus mit Metzgerei und ein wurde ein Zug auf das Ausweichgleis geleitet. Am 7. Juli Fuhrunternehmen aufbaute, mit dem er Kurgäste zur 1889 kam es auf diesem Ausweichgleis zu einem furchtba- „Doktorbäuerin“ Amalie Hohenester nach Mariabrunn ren Unglück. (s. dazu S. 42). Insgesamt sind in Röhrmoos und auch zurück zur neuen Bahnstation Röhrmoos noch zwei weitere Zugunglücke bekannt, bei denen glück- brachte. Die nächsten Anwesen entstanden ab 1868 auf licherweise niemand ums Leben kam. einem Areal, das die Händler-, Krämer- und Maurerehe- leute Bücherl aus Eichhofen in der Nähe der neuen 1959 wurde die Bahnstrecke elektrifziert und 1972 wur- Bahnlinie ab 1868 kauften und an auswärtige Siedler de Röhrmoos zur S-Bahn-Station. verkauften. Diese kamen in der Hoffnung, Arbeit bei der Bahn zu fnden, was allerdings nicht allen gelang. Viele Schon nach dem ersten Weltkrieg, vor allem aber nach verschuldeten sich und lebten in bitterer Armut. Die f- dem 2. Weltkrieg und nach der Währungsreform 1948 nanziell etwas besser gestellte Bevölkerung von „Röhr- entstanden in Röhrmoos-Station viele Neubauten. Durch moos-Dorf“ nannte die Neue Siedlung deshalb „Elend“. die Bebauung des „Stögenfeldes“ sind die „Röhrmoos „Elend“ bedeutete so viel wie die „Neuen“, aber auch die Station“ und das „Röhrmoos Dorf“ ab etwa 1985 mehr „Armen“. Diese Bezeichnung war auch um 1950 noch im und mehr zusammengewachsen. Im Jahr 2005 wurde regen Gebrauch. Georg Bücherl hingegen konnte sein das Bahnhofsgebäude in Röhrmoos wegen schlechter Unternehmen ausbauen, war zudem in der Landwirt- Fundamente abgerissen. Es bestand durch den nahen schaft tätig und besaß des weiteren ein Gasthaus, eine Gleisverlauf nach dem Ausbau der Bahnstrecke zum Metzgerei, eine Zieglelei und ein Sägewerk. ICE-Betrieb Einsturzgefahr.

Weitere Informationen zur Geschichte der Gemeinde Röhrmoos bieten die Röhr- Bis etwa 1901 verlief die Kreisstraße unmittelbar vor mooser Heimatblätter, die seit 1996 jährlich erscheinen. Herausgeber ist der För- dem Gasthaus Palmberger/Weinsteiger höhengleich derverein Röhrmooser Heimatblätter e.V. über das Bahngleis, dann wurde die Unterführung ge- baut, welche 1984 durch einen Neubau ersetzt wurde. Um 1973 wurde das Wirtshaus Weinsteiger geschlossen und abgerissen. Die Bahnstation um 1900

36 37 DER BAHNHOF PETERSHAUSEN Nach der öffentlichen Bekanntmachung durch den Ge- Pfaffenhofen verbunden werden konnte. Es wurden Gewerbebetrieben. Bis zur Jahrhundertwende siedelten von Lydia Thiel meindevorsteher und einer Ortsbesichtigung wurde sie auch Gespräche entgegengenommen und die Nachricht sich viele neue Betriebe entlang der heutigen Bahnhof- noch im selben Jahr errichtet. Die heutigen Weiher am an die betreffenden Personen übermittelt. straße und der Lagerhausstraße an, wo zugleich Wohn- Nachdem die Entscheidung für die Streckenführung über Höckhof waren die Lehmgruben für die Ziegelei. Für die häuser errichtet wurden. Insgesamt haben der Bahnhof Petershausen gefällt worden war (s. dazu auch den Beitrag Arbeiter entstanden einige Häuser am Wendelstein. Es ist und die Gleisführung die Entwicklung des Ortes Pe- von Andreas Sauer ab S. 7) wurde auch mit dem Bau der anzunehmen, dass auch am Standort der späteren Ziege- Die Bahn im zweiten Weltkrieg tershausen nach Nord-Osten vorausbestimmt. Für die Trasse in Petershausen begonnen. Hier galt es zahlreiche lei Schneider Ziegel hergestellt wurden. Es wurde dort Gewerbebetriebe in der Nähe des Bahnhofs wurde spä- Hindernisse zu beseitigen. So traf man bei Obermarbach von Ludwig Mooseder aus Ebersbach 1868 ein Wohn- Seit 1939 gibt es Münchner Vorortzüge mit der Endstation ter ein eigenes Industriegleis eingerichtet. auf extreme Höhenunterschiede, die ausgeglichen werden haus errichtet, das damals außerhalb des Ortes lag. Petershausen. Während des Zweiten Weltkriegs waren es mussten. Zwischen Asbach und Petershausen wurde die jedoch nie mehr als zwei Züge am Tag. Gegen Ende des Noch Jahrzehnte später konnte man am Dialekt den Un- „Eiserne Brücke“ mit einer Weite von 23,30 Meter über die Zweiten Weltkriegs wurde auch der Bahnverkehr zuneh- terschied zwischen dem alten Dorfkern und dem Bahn- Glonn gebaut. Überführungen der Eisenbahn über Straßen Die Poststation mend in Mitleidenschaft gezogen. Ab dem 22. April 1945 hofsviertel, das sich ab dem 19. Jahrhundert entwickelte wurden in Asbach und in der heutigen Jetzendorfer Straße wurde der Zugverkehr wegen der drohenden Fliegerangriffe und den stärkeren Einfuss der Großstadt München erken- in Petershausen und in Obermarbach erstellt. Wie andernorts auch wurde im Bahnhofsgebäude eine auf die Nachtzeiten beschränkt. Während der Wochen vor nen. Man sprach dort städtisch-kultiviertes Bayerisch. n Poststation eingerichtet. Vierzehn Tage vor der Eröff- der Kapitulation war die Strecke zeitweise völlig lahmge- Der Aufsatz basiert auf den Forschungen zur Chronik der Gemeinde Petershau- nung der Eisenbahnstation nahm die Post- und Bahnex- legt. Einmal schlugen drei Fliegerbomben in der Nähe der sen. Lydia Thiel und Elisabeth Mecking: Chronik der Gemeinde Petershausen. Das Bahnhofsgebäude pedition am 1. November 1867 ihren Dienst auf. Den Glonnbrücke bei Asbach ein. Dabei wurden die Gleisanla- 4 Bde. Petershausen 2000. Postbetrieb hatten die Bahnbeamten mit zu versehen. gen auf 50 Meter aufgerissen, sodass drei Tage lang keine Das Bahnhofsgebäude wurde in der Zeit zwischen 1864 Der erste Post- und Bahnexpeditor war Johann Baptist Züge verkehren konnten. Bei dem Fliegerangriff, der am und 1867 außerhalb des Ortskerns erbaut. Damals en- Schmidt aus Thalham. Zur Entwertung der „Francomar- 25. April 1945 die Ziegelei Schneider zerstörte, wurde dete das Dorf schon am Pertrichplatz; die heutige Bahn- ken“, wie die seit 1849 eingeführten Briefmarken zu- auch der Bahnhof Petershausen in erheblichem Maße be- hofsstraße existierte nicht. Im Hauptgebäude mit dem nächst hießen, verwendete die Expedition in Petershau- schädigt. Gleisanlagen und Gebäude wurden stark in Mit- Vorplatz und einer repräsentativen Treppe gab es drei sen einen sogenannten offenen Mühlradstempel mit der leidenschaft gezogen – darunter auch die Toilettenanlage, Wartesäle für die I. II. und III. Klasse sowie Räume für Ordnungsnummer 902. die erst 1949 wiederaufgebaut wurde. den Bahnhofsvorsteher. Zur weiteren Einrichtung gehör- ten eine Waage, eine Laderampe, eine Ladehalle, ein Am 1. Oktober 1931 wurde in Petershausen der Bahn- Nach Kriegsende 1945 fungierten als Zubringer zum Bahn- Lagerschupfen für Maschinen und eine Holzlege. Für die und Postbetrieb getrennt und eine eigene Postagentur hof einige Autobuslinien, die die Menschen aus Kollbach, Passagiere gab es einen Abort in einem Nebengebäude eingerichtet. Mit der Eröffnung der Postexpedition in Pe- Hohenkammer und Jetzendorf zum Bahnhof brachten. und sogar eine kleine parkähnliche Grünanlage. Im tershausen wurden schon bald danach die Postgüter Bahnhofsbereich befanden sich zwei Ausweichgleise. von und bis Petershausen ausschließlich mit der Bahn Der Zugang zum Bahnhof erfolgte über die heutige befördert. Die umliegenden Orte mussten jedoch durch Entwicklung bis heute Lagerhausstraße. Das Bahnhofsgebäude und auch die Pferdepostkutschen versorgt werden. An der Südseite Nebengebäude waren aus Backstein. Heute ist der des Bahnhofsplatzes waren die Pferde der Postexpediti- Die Elektrifzierung der Strecke Dachau-Reichertshau- Bahnhof verputzt. Das Baumaterial steht mit Sicherheit on untergebracht. sen wurde erst 1959 vollendet. Der erste elektrisch be- mit dem Bau der Ziegelei am Höckhof in Verbindung. triebene Zug passierte Petershausen am 22. Mai 1960. 1865 reichte der damalige Landwirt Georg Daurer bei Im Bahnhof richtete die Post für die Allgemeinheit eine Petershausen kam durch den Bahnbau erstmals inten- der Gemeindeverwaltung in Kollbach ein Baugesuch auf gemeindliche öffentliche Fernsprechstelle ein, wo man siv mit der industriellen Revolution in Berührung. An Errichtung einer Ziegelbrennerei mit Trockenstadel ein. rund um die Uhr nach Aichach, Dachau, Freising und der Bahnlinie entstanden eine Reihe von Industrie- und Der Bahnhof in den 50er Jahren.

38 39 Toiletten bei der Ortsbegehung durch den Wachtmeister „Das Bad war eine große Anlage mit weitem Schwimm- Röttner in einem derart desolaten Zustand, dass das Be- becken und darum gelegenen Badekabinen, Liegewiese zirksamt die Schließung des Bades androhte.2 Auch wurde und einem schönen kastanienbestandenen Biergarten. beanstandet, dass Umkleidekabinen an Personen bei- Sonntags entleerten die Vorortzüge von München dort derlei Geschlechts vergeben werden, ohne darauf zu wahre Völkermassen badehungriger Gäste. Wir hörten achten, dass die Kabineninhaber verheiratet sind. den fröhlichen Lärm der Badeanstalt dann bis zu uns he- rüber in den Garten.“4 Im darauf folgenden Jahr waren die baulichen Mängel ilder erzählen offensichtlich beseitigt und es gab keinerlei Beanstan- 1934 erweiterte Michael Irber das Bad, indem er einen B dungen. Bezüglich Sitte und Moral zog sich der Streit mit über 170 m langen Abschnitt der Würm von der Eisen- Geschichte (n) dem Bezirksamt noch eine Weile hin, bis Irber schließ- bahnbrücke bis zum alten Bad zusätzlich zum Schwimm- lich die sogenannten „Familienkabinen“ in „Männer“- und becken ausbaute. Die Beckenränder und das Flussbett Die Badeanstalt in „Bad Karlsfeld“ von Horst Pajung „Frauenkabinen“ umwidmete. Sein zwischenzeitlicher wurden betoniert; das neue Becken erhielt eine Breite Kompromiss, Ehepaare an Hand ihrer Eheringe zu über- von 6 m und eine Tiefe von 1,20 m.5 prüfen, war amtlicherseits nicht akzeptiert worden.3 In der Pasinger Tageszeitung „Würmtalbote“ wurde 1935 Der Badebetrieb wurde von der Bahnhofsgaststätte aus in Pasing und Umgebung für einen Badeausfug nach überwacht. Damit das Bad von allen Seiten her erreich- „Bad Karlsfeld“ geworben. Man könne das Bad in nur 17 bar war, führten zwei hölzerne Stege über die Würm. Bis Minuten mit dem Vorortzug für billiges Geld erreichen. zu 100 Personen tummelten sich im Sommer in dem 50 Vom Landungsbahnhof Bad Karlsfeld habe man bereits Detail aus einer Postkarte: x 12 m großen, bis zu 1,5 m tiefen Bassin. Dieses wurde die ganze Anlage vor sich, zu welcher der ausgedehnte Die Bahnhofsgaststätte Irber mit Biergarten um 1930 über eine Rohrleitung, die stromaufwärts Wasser aus Allacher Forst den für das Auge wohltuenden Hinter- der Würm ausleitete, dem Schwimmbecken zuführte und grund abgäbe.6 stromabwärts wieder einleitete, versorgt. Das Wasser In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffneten, Zu dem Bad gehörte ein Gasthaus mit Biergarten, das wurde einmal pro Woche ausgetauscht, was aber nicht Als man 1938 die Haltestelle Karlsfeld zum Güterbahnhof dem Zeitgeist folgend, eine Vielzahl von Flussbädern an auch als Bahnhofsgaststätte diente. immer funktionierte, wenn der Vorfuter zu viel Wasser für das BMW-Werk im Allacher Forst ausbaute, musste der Würm. Auch auf Augustenfelder Flur baute der Zam- führte. das Bad schließen. Schwimmbecken und Liegewiese dorfer Bauunternehmer Sebastian Maier an der Grenze Sebastian Maier selbst hatte nicht viel Glück mit seinem waren der Erweiterung des Bahnhofs nach Osten mit dem zu Allach im Jahr 1901 eine Badeanstalt. Investment, denn schon ein Jahr später musste er Insol- Leider passierten auch immer wieder Unfälle, wenn „Mu- Bau von sechs weiteren Gleisen im Weg. Außerdem war venz anmelden. Aus der Konkursmasse ersteigerte Georg tige“ von den über drei Meter hohen Kabinendächern in mit dem Betrieb der Güterzüge in unmittelbarer Nachbar- Der Zeitpunkt für die Eröffnung eines Bads war sicher gut Hammerschmid im Jahr 1902 die Badeanstalt und die das etwa 1 m tiefe Wasser sprangen. Das Bezirksamt schaft die ländliche Idylle endgültig vorüber. n gewählt, denn seit 1896 gab es in der Nähe eine Bahnhal- Bahnhofsgaststätte. Dachau verpfichtete daraufhin den Betreiber, mit einem 1 Bayerisches Staatsarchiv München, LRA 130165. testelle und es entstand im Umfeld eine kleine Ansied- Hinweisschild auf die „Gefahr des Herunterspringens 2 Bayerisches Staatsarchiv München, LRA 130166. lung. So ist der Werdegang beider Einrichtungen eng mit- Nach 1918 kaufte Therese Reis die Anlage und betrieb von den Dächern“ aufmerksam zu machen. 3 Bayerisches Staatsarchiv München, LRA 130166. 4 1 Edeltraud Klapproth, Am Unterlauf der Würm, Fauna Verlag, Karlsfeld, 1991. einander verknüpft. Das Bad wäre wohl nicht entstanden, sie bis 1925. In dieser Zeit wurde offensichtlich wenig 5 Amperbote, 30.Mai 1934. wenn es keine Haltestelle gegeben hätte. Und die Bade- für den Erhalt des Schwimmbades getan, denn als der Die Karlsfelder Malerin Edeltraud Klapproth, die nur 200 m 6 Würmtalbote vom 13./14.Juli 1935, Monacensia, München. anstalt sorgte besonders an den Wochenenden mit sei- neue Eigentümer Michael Irber 1926 das Bad übernahm, entfernt wohnte, erinnerte sich besonders an die Bade- nen Ausfugsgästen für die rege Nutzung der Haltestelle. befanden sich Schwimmbecken, Umkleidekabinen und gäste von außerhalb:

40 41 DIE FALSCHEN WEICHEN GESTELLT: der ein Passagier aus Unachtsamkeit aus einem der Wag- DER TEUFEL UND DIE EISENBAHN DAS EISENBAHNUNGLÜCK IN RÖHRMOOS 1889 gons gefallen war. von Franz Schaehle von Norbert Göttler Trotz allem ließ sich der Siegeszug der neuen Technik Das neue Verkehrsmittel, das Rauch und Feuer spuckte, nicht aufhalten. Nachdem 1867 die Linie München-Ingol- war den Röhrmooser Bauern damals nicht ganz geheuer, Dass die „gute alte Zeit“ auch im Zeitalter der Königlich werk zur Unfallstelle geeilt war, „sofortige Gehirnläh- stadt mit den Stationen Dachau, Röhrmoos und Pe- wie auch eine überlieferte Sage aus dem Gemeindege- Bayerischen Eisenbahn alles andere als gemütlich und mung“ als Todesursache. tershausen eröffnet worden war, nahm die Beliebtheit des biet deutlich macht: risikolos war, belegen Meldungen über ein Eisenbahnun- neuen Verkehrsmittels dermaßen zu, dass man bereits glück, das sich im Juli 1889 bei Röhrmoos ereignet hat- Um künftige Unfälle zu vermeiden, wurde unter anderem 1889 zwei weitere Stationen – Walpertshofen und Ester- te. Es prallten dort ein Schnellzug und ein Personenzug in der Presse gefordert: „In der Eisenbahnwelt ist es eine hofen – errichtete und 1897 ein „Bürger-Comité“ gründete, aufeinander, beide Züge entgleisten und hinterließen ein längst anerkannte Thatsache, daß es nur ein Mittel hiezu das sich die Planung der Linie Dachau-Altomünster auf die Bild der Verwüstung. Die Ursache dafür war, dass der gibt: „die centrale Weichen= und Signalstellung.“ (...) Fahnen schrieb. Bis der erste Zug aus Dachau allerdings Weichenwärter vergessen hatte, die Weiche zum Sack- Dieselbe ist zu solcher Vollendung gelangt, daß dadurch in Altomünster einfuhr, sollten noch sechzehn Jahre verge- gleis zu schließen.1 Neun Passagiere konnten nurmehr jede falsche Weichenstellung vollständig ausgeschlos- hen. Im „Ruepp“ schreibt Ludwig Thoma bissig: „Die Ei- tot geborgen werden, zahlreiche wurden verletzt. Viele sen ist. Sie gipfelt in der Hauptsache darin, daß Weichen senbahn macht von Schwabhausen einen langen Umweg, der Betroffenen waren auf dem Weg zur Primiz des Am- und Signale in einem Abhängigkeitsverhältnis sich befn- um den altberühmten nicht auf der Seite permochinger Lehrersohnes Ludwig Merk. Da die Toten den, und ein Signal erst dann gezogen werden kann, liegen zu lassen. Die Bedeutung des Ortes kommt jedem kaum äußere Verletzungen aufwiesen, vermutete Be- wenn die hiezu gehörige Weiche richtig steht.“2 Fahrgast zum Bewusstsein, wenn der Zug dort dreimal so zirksarzt Dr. Heinrich Engert, der mit dem Pferdefuhr- lange hält, wie auf den kleinen Stationen […]. Endlich trägt Der Unfall schien den zahlreichen Kriti- der Zug dazu bei, den fernen Markt Altomünster mit der Zeichnung von Adalbert R. Bartek kern Recht zu geben, die in der neuen Welt zu verbinden, von der er so lange abgeschieden ge- Eisenbahntechnik unübersehbare Risi- wesen war!“ „Besonders hübsch ist es, dass der Teufel auch den mo- ken für Passagiere und Anwohner sehen dernen Verkehrsmitteln nicht aus dem Wege geht. So wollten. So gab es medizinische Gutach- Das Zugunglück von Röhrmoos war der Anlass zur lässt er in der dunklen Nacht feuerspeiende Dampfoko- ten, die behaupteten, der Mensch würde Gründung einer freiwilligen Sanitätskolonne, um Verun- motiven mit ihren Waggons durch das Röhrmooser Ge- bei Geschwindigkeiten über 30 km/h in glückten und Kranken schnell Hilfe leisten zu können. meindegebiet keuchen! Wer da unerschrocken bleibt, den Wahnsinn getrieben. Andere fürchte- Die Gründungsmitglieder waren zwölf beherzte und tat- dem schenkt der Teufel bisweilen einen Sack voll Gold. ten, ihre Milchkühe würden beim Anblick kräftige Dachauer Handwerker und Papierfabrik-Beam- Nur wer ausreißt, den holt er sich! Glaubten doch die alten der vorüberfahrenden Dampfrösser un- te, darunter der Maurermeister Josef Reischl, der Rot- Röhrmooser allen Ernstes, im Kessel der Lokomotive sit- fruchtbar. 1877 legten Unbekannte bei gerbermeister Xaver Rößler und der Lebzelter Xaver ze der Leibhaftige und nur die Quaste seines Schwanzes Petershausen gar Hopfenstangen über Altherr. Der Buchdruckereibesitzer und Verleger Franz rage unten heraus. Auf diesem trete der Heizer im Takt, die Eisenbahntrasse und verursachten Mondrion wurde zum ersten Kolonnenführer ernannt. während der Teufel selbst durch sein zischendes, damp- mehrere Notbremsungen. Tatsächlich Die Erste-Hilfe-Ausbildung der ehrenamtlichen Rotkreuz- fendes Pusten den Zug in Bewegung setze!“ n kam es in den Anfangsjahren der Eisen- ler übernahm der Bezirksarzt Dr. Heinrich Engert.3 n bahn auch im Bezirk Dachau zu einer 1 Allgemeine Zeitung, Montag, 8. Juli 1889 Nr. 187 Morgenblatt : „Nachschrift. Wie Quelle: Studienrat a.D. Franz Schaehle, Dachauer Aberglaube. In: Altheimatland Reihe von Unfällen. Pferde scheuten, verlautet, ist die falsche Weichenstellung darauf zurückzuführen, daß vergessen vom 13. März 1927, Nr.50, 3.Jg., Seite 199. Kühe wurden gerammt und nicht selten worden war, die Weiche zum Sackgeleise geschlossen zu halten.“ 2 Allgemeine Zeitung, Freitag, 12. Juli 1889 Nr. 191 Morgenblatt Das Zugunglück in einem zeitgenössischen Holzstich von G. Franz stand in der Presse zu lesen, dass wie- 3 zitiert nach Dachauer Nachrichten vom 23. September 2014, Nr. 219: Das Zugunglück vor 125 Jahren. Todesursache „sofortige Gehirnlähmung“.

42 43 DAS KAISERMANÖVER IN RÖHRMOOS 1891 Der Kaiser beim Geiger von Helmuth Rumrich und Franz Thaler Die Geigers bewohnten Kaisermanöver damals noch, wie die meisten Röhrmooser, ein Beim sogenannten „Kaisermanöver“ handelt es sich um auch das Essen bringen müssen“, erinnerte sich Frau Holzhaus. Die armen Leu- ein Militärmanöver, das in Gegenwart des Kaisers im Katzl. Flurschäden, unzählige Soldaten und harte Arbeit – te vom Geiger-Haus wa- Deutschen Reich jedes Jahr abgehalten wurde. Es dien- das waren die Folgen des Manövers. ren vom Auftreten des ho- te nicht nur der militärischen Übung, sondern auch der hen Herren geblendet. Machtdemonstration des Kaiserreiches, weshalb diese Nicht, dass der Mann, der Art der Wehrübung nicht unumstritten war. Der Kaiser kommt da plötzlich im Garten vor ihrem alten Blockhaus Warum wurde Röhrmoos dafür ausgewählt? Im Gemein- Ein Höhepunkt war die Ankunft des Kaisers höchstper- stand, durch eine stattli- degebiet Röhrmoos vernichtete im Sommer 1891 ein sönlich, wie die Neuesten Nachrichten am 10. Septem- che Figur oder machtvol- schlimmes Unwetter die gesamten Felder. Die Bauern ber schrieben: „Röhrmoos, 10. Sept. Vorm. 10 Uhr. Der les Wesen die Röhrmoo- standen ohne Ernte und Saatgut für das nächste Jahr Kaiser, der Prinz-Regent und Prinz Ludwig sind mit Ge- ser Familie beeindruckt da. So entschloss sich Prinzregent Luitpold, das Manö- neralfeldmarschall Blumenthal und dem übrigen Gefolge hätte – seine große leicht ver mit Kaiser Wilhelm II hier abzuhalten und den Bauern soeben hier eingetroffen, begrüßt vom Bezirksamtmann füllige Gestalt, die blonden eine Entschädigung für die durch das Manöver zertram- von Dachau, dem Kammerherrn Grafen Spreti, dem Ve- Haare, die grauen Augen pelten Felder zu bezahlen. Ein weiterer Grund war, dass teranenverein, der Gemeindevertretung und der Schulju- und das formelle Gesicht, Detail aus einer Ehrentafel beim „Bast“ in Arzbach von 1891 Röhrmoos einen Bahnhof hatte, zu dem man die Soldaten gend von Röhrmoos. Von Mädchen wurden den hohen auf dem sich neben einem und Gerätschaften transportieren konnte. So wurden in Herren Bouquets überreicht. Ein Sohn des Grafen Spreti pomadigen Zwirbelbart leichte Ansätze eines Vollbartes zynisch, dankte der Kaiser und wandte sich schon wie- Röhrmoos zwei bayerische Armeekorps, eine Kavallerie- trug ein Begrüßungsgedicht vor.“ zeigten, wirkten nicht eben majestätisch. Nein, seine der zum Gehen. Vielleicht nur eine oder zwei Minuten division und eine Luftschifferabteilung einschließlich ganze Erscheinung ließ den Atem der armen Leute sto- mag das gedauert haben, doch niemals wollten die Offzieren und Leutnants untergebracht und dort auch Es folgte nun eine Kutschfahrt vom Bahnhof Röhrmoos cken, das Funkeln der Knöpfe an seiner blauen Uniform, Röhrmooser Armen diesen 10. September 1891 verges- verpfegt. Ab Anfang August errichtete man deshalb in nach Röhrmoos Dorf. „Bei unserem Haus hat er ange- das Blitzen der goldenen Spitzen der Pickelhaube, die sen, an dem Kaiser Wilhelm II, Kaiser der Deutschen, Röhrmoos eine „improvisierte Baracken- und Zeltla- halten, weil sie warten mussten, bis die anderen nachge- bunt leuchtenden Orden am Revers hypnotisierten die bei ihnen im Dorf war. gerstadt“ (so der Amper-Bote vom 8. August 1891) ein- kommen sind, bis die Rösser ihr Wasser gekriegt ha- Röhrmooser. „Jessas, der Kaiser ...“, stammelte die Mutter schließlich Manövermagazin mit Feldbäckerei und ben“, erzählte Maria Katzl: „Eine solche Hitze war ja von Maria Katzl und sank halb ohnmächtig, halb ehr- -schlachterei. Die umliegenden Gastwirte hatten für die damals ...“ fürchtig in die Knie. Die Kaiserstraße Versorgung der Offziere zu sorgen, die Bauern wurden zu harten Spanndiensten herangezogen. Das Wasser für die Pferde bekam man damals übrigens Wie in Trance nahmen die einfachen Leute kaum die Of- Danach ging die Kutschfahrt des Kaisers mit seinen Be- aus dem Löschweiher gegenüber vom Hagn-Wirt. Da fziere und die hohen Herrschaften, darunter Prinzregent gleitern aber weiter nach Schönbrunn, über die Kaiser- „Wir haben damals zwölf Soldaten auf dem Hof gehabt, nun bei der Kutschfahrt zur Manövergegend bei Biber- Luitpold wahr, die sich um Wilhelm II, Kaiser der Deut- straße, die damals extra für den Kaiser gebaut worden und in der ganzen Gegend ist’s so zugegangen“, schil- bach ein wenig Verzögerung entstand, stieg der Kaiser schen, beim Geiger in Röhrmoos versammelten. Der Fa- war, damit er schnell von Röhrmoos zu seinem Beob- derte 1971 Maria Katzl, letzte, inzwischen verstorbene, aus und wollte einmal sehen, wie seine Untertanen leb- milienvater reagierte am schnellsten, nahm den Krug achtungsposten für das Manöver kam. Bis heute trägt Röhrmooser Augenzeugin. „Die großen Madeln haben ten. Spontan und höfich verlangte er Einlass beim Nach- vom Fensterbrett und gab Seiner Majestät gestöckelte die Straße diesen Namen. mit raus müssen zum Mitarbeiten. Wir haben denen ja barn von den Katzls, beim Geiger. Milch zum Essen. Mit einem Lächeln, halb gütig, halb

44 45 Schaulustige Der nackerte Kaiser AUS DEM LEBEN EINES EISENBAHNERS – DIE UNGELIEBTE AUFGABE MEINES GROSSVATERS Die Menschen schien die Hitze nicht zu stören. Für ihren Als der Kaiser während des Manövers im Gasthof Hagn von Franz Thaler Kaiser und zum friedlichen Kriegsspektakel waren die wohnte, soll sich in der Tür zu seinem Schlafgemach ein „Schlachtenbummler“ zu Tausenden nach Röhrmoos Astloch befunden haben. Eine Magd, die beim Hagn Johannn Thaler, der Großvater des Verfassers, bekam Särge mit den Verstorbenen wurden in der Regel am spä- gekommen. Seit Wochen gaben die Zeitungen Tipps zur Dienst tat, hat es sich nicht verkneifen können, den ge- 1923 eine Festanstellung bei der Eisenbahn in Röhrmoos. ten Nachmittag, häufg aber erst am Abend eingeladen. besten Beobachtung der Waffenhandlungen: „Es emp- liebten Kaiser ganz nah und allein zu betrachten. Doch Er war darüber sehr erfreut, denn nun hatte er für seine fehlt sich, hinter den Truppen zum Manöver anzumar- als sie heimlich und in einem unbeobachteten Moment zwölfköpfge Familie (die Eltern, neun Kinder und ein Neffe) Zur Aufgabe des „Weichenwärters“ gehörte es, den je- schieren (...), es wird damit nichts versäumt werden“, riet durch das Astloch blickte, schreckte sie mit einem unter- ein festes Einkommen. Zuvor verdiente er den Unterhalt für weils beladenen Güterwaggon zu versiegeln (plombie- der Amper-Bote. „In der Nähe des Manövers kann nie- drückten Schrei jäh zurück. Sie hatte nämlich just in dem seine große Familie als „Taglöhner“ bei örtlichen Bauern ren). Vor der Anbringung der Plombe musste der Bahn- mand auf Unterkunft hoffen, da der letzte Winkel mit Ein- Augenblick durchs Astloch gelurt, als sich der Kaiser ge- und als Gelegenheitsarbeiter bei der Bahn, wenn diese ge- bedienstete aber das Schiebetor des Wagons nochmals quartierung belegt ist.“ Die Münchner Neuesten Nach- rade entkleidet hatte und splitternackt im Zimmer stand. rade mal Gleisarbeiten im Bereich Röhrmoos ausführte. öffnen und sich überzeugen, ob der Sarg auch drinnen richten berichteten: „Schon von drei Uhr früh an brachten Etwas enttäuscht erzählte sie – im Vertrauen – ihrer Nach der Festanstellung war er zunächst noch einige Jahre war. Vor allem in der Winterzeit fel diese Arbeit meistens Sonderzüge (...) viele Hunderte von Neugierigen nach Freundin, daß der Kaiser eigentlich ganz genauso aus- als Streckenarbeiter im Einsatz, dann bekam er die Anstel- in der Dunkelheit an. Sie war bei dem jeweils dienstha- Röhrmoos.“ Feldstecher waren der Verkaufsschlager. sah, wie ein ganz normales Mannsbild! Diese Geschichte lung als „Weichenstellwärter“. Seine Arbeitsstelle war das benden Weichenwärter, so auch bei meinem Großvater, Das Dachauer Textilgeschäft Trinkgeld hoffte gar, „Bett- wußte die Röhrmooser Bürgerin Maria Katzl zu erzählen. Weichenstellwerk in der Nähe der damaligen BayWa, ca. eine sehr unbeliebte Aufgabe. decken, Bettücher und Strohsackzeug zum Manöver“ 400 Meter südlich vom einstigen Bahnhof. Dieses Gebäude abzusetzen. Das Schauspiel, das die beiden Armee- Am Mittag des 11. September war der Kaiser-Zauber für wurde von den Eisenbahnern als „Turm“ bezeichnet. Gearbeitet wurde damals in zwei Schichten zu je zwölf korps in Angriffsübungen lieferten, der Beobachtungs- Röhrmoos vorbei. Wilhelm fuhr im Sonderzug von Röhr- Stunden, beginnend um 6.00 Uhr morgens oder 18.00 ballon über Schönbrunn und der kaiserliche Prunk faszi- moos aus in den Urlaub. Noch einige Tage lang schwelg- Diese Arbeit versah er bis Juni 1945. Dann ging er, inzwi- Uhr abends. Wenn es irgendwie ging, dann hat Großva- nierten die Besucher und ließen sie über Makel am ten die Gazetten in der Erinnerung an die ruhmreichen schen zum Beamten befördert, in Pension. Als Eisenbah- ter seinem „Ablöser“ um 18.00 Uhr abends erzählt: „Da Glanz hinwegsehen. So fragte niemand nach den merk- Kaisertage, die „wir als unverlierbares Gut auch in trüben ner bekam er an der heutigen Schillhofener Straße bald ist jetzt vor kurzer Zeit ein Sarg eingeladen worden, der würdigen Gräben, die ausgehoben wurden, damit die Tagen hochhalten wollen“, so die Münchner Neuesten ein kleines Wiesengrundstück von der Bahn. Nun konnte Waggon muss noch versiegelt werden.“ n Hoheiten leichter aufs Pferd steigen konnten. Nachrichten. Allein der Amper-Bote urteilte weitblickend: er sich vier bis fünf „Eisenbahnerkühe“ (Ziegen) halten. „Von den verschiedensten Augenzeugen ist das gerade- Er war „Eisenbahner“ mit Leib und Seele, aber eine Tätig- Das Stellwerk „Turm“ bei der Baywa in Röhrmoos “Nicht im geringsten war zu bemerken, dass allenfalls zu unheimliche Gefühl in gleicher Weise constatiert wor- keit an seinem Arbeitsplatz versah er ungern. mit dem Großvater des Autors Johann Taler der Kaiser schwer aufgestiegen wäre“, konstatierte das den, das den Zuschauer in Hinblick auf die Wirkung der (2.v.r.) oben genannte Münchner Nachrichtenblatt. Dass Wil- heurigen Waffen im Ernstfalle (...) namentlich die durch In der Anstalt Schönbrunn, heute Franziskuswerk, lebten helm wegen eines verkrüppelten linken Armes Schwie- das rauchschwache Pulver geschaffene Möglichkeit des damals mehr behinderte Heiminsassen als heute. Zudem rigkeiten beim Aufsitzen hatte, durfte natürlich nicht pub- Schützen, sicher zu zielen, beschleicht.“ Und weiter: waren in Schönbrunn gegen Kriegsende ein aus Mün- lik werden. Statt dessen war man stolz auf des Kaisers „Darum wird die Ernte grauenhaft sein, welche der Tod in chen ausgelagertes Krankenhaus und ein Wehrmachts- Worte an den Prinzregenten: „Ich beglückwünsche Dich zukünftigen Kriegen hält“. n lazarett untergebracht. zu dieser Armee!“ So manche in diesen Einrichtungen verstorbenen Personen wurden in ihren Herkunftsort zur Bestattung überführt. Lei- chenautos gab es damals kaum und es fehlte für solche Fahrzeuge auch oft der Treibstoff. So wurden die zu über- führenden Verstorbenen im Güterwaggon transportiert. Die

46 47 DIE KNORR-VILLA IN PETERSHAUSEN DIE BAHNHOFSWACHE von Lydia Thiel IN RÖHRMOOS 1914 Das Landhaus wurde 1890 als repräsentativer Landsitz von Ursula Katharina Nauderer des Münchner Verlegers Thomas Knorr (1851-1911) erbaut. Knorr war Herausgeber der „Neuesten Nachrichten“. 1894 Am 1. August 1914 wurde die Mobilmachung auch in der gründete er zusammen mit seinem Schwager Georg Dachauer Presse angekündigt. Hirth (1841-1916) den bekannten Verlag „Knorr & Hirth“. Deren Unternehmen gehörte zu den renommiertesten Der Bahnhof wurde zum Knotenpunkt für alle einberufe- Verlagen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Zahlrei- nen Reservisten und Rekruten aus dem Bezirk Dachau. che Kunstbücher und die bekannte Zeitschrift „Jugend“ Mit Sonderzügen wurden die Uniformierten und das wurden bei „Knorr & Hirth“ herausgegeben. kriegswichtige Material nach München transportiert. Später, im Verlauf des Krieges, folgten beschlagnahmte Für Thomas Knorr war die gute Bahnverbindung nach Pe- Güter aller Art und Lebensmittelzuweisungen. tershausen ein Grund, sich ein Landhaus in Petershausen zu errichten. Von hier aus konnte er seiner Leidenschaft, Wie in Dachau wurden auch in den Gemeinden entlang der Jagd, frönen. Es wird von häufgen Besuchen illust- Villa Knorr, wahrscheinlich mit Familie Knorr um 1900 der Bahnstrecke München-Ingolstadt ebenfalls Wach- rer Personen aus Kunst- und Hofkreisen berichtet, die mannschaften aufgestellt. Der Vierkirchner Pfarrer be- ihn in Petershausen aufsuchten. merkte dazu: „Wochenlang wird die Bahnstrecke von Der Kiosk in Röhrmoos in den 60er Jahren. zurückbleibenden Männern scharf bewacht. Alle Züge Um 1900 brachte die Bahn viele Städter aufs Land. Sie waren mit Militär besetzt oder Kriegsmaterial, die Wagen DER BAHNHOFSKIOSK kamen zur Sommerfrische oder ließen sich auch länger- prangten in provisorischen Girlanden, die Außenseiten fristig vor allem im Voralpenland nieder und bauten Villen mit humoristischen Aufschriften beschrieben, z.B: ‚Hier IN RÖHRMOOS und Jagdhäuser. Bekannte Architekten der Zeit wie werden Kriegserklärungen entgegengenommen’ oder von Helmuth Rumrich und Franz Thaler Emanuel oder Gabriel von Seidl, Theodor Fischer oder ‚Jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Brit, jeder Schuß August Thiersch bauten Landhäuser für vermögende ein Ruß.’ Für Civil war die Beförderungsmöglichkeit auf Der Eisenbahnangestellte Georg Schallmair und seine Kaufeute, Professoren, Architekten, Ärzte und Künstler. der Eisenbahn anfangs unsicher und langsam.“ n Frau Therese eröffneten 1950 einige Meter nördlich des Ausschlaggebend für die Ansiedlung im Münchner Um- Bahnhofs (beim großen Baum) einen Kiosk. Die Eisen- Das Zitat des Pfarrers aus der „Chronik der Pfarrei Vierkirchen 1892-2011“ ist bahnfahrgäste, aber auch die übrigen Bürger konnten land waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entnommen: Ausstellungskatalog Bezirksmuseum Dachau. 1914. Erinnerungen an die erweiterten Bahnstrecken von München über Starn- den Ersten Weltkrieg im Dachauer Land, S.17. hier vom frühen Morgen bis zur späten Abendstunde ih- berg nach Garmisch und die Linie von München nach ren Bedarf an Zeitungen, Rauchwaren oder auch Süßig- Salzburg. So befndet sich auch heute noch eine der be- keiten decken. Als die Schallmairtöchter im Laufe der kanntesten Villenkolonien in Feldafng am Starnberger Zeit heirateten, wurde für die Eltern allein der Zeitauf- See. n wand für die Arbeit im Kiosk zu groß. Sie gaben ihn auf. n

Die Bahnhofswache 1914 in Röhrmoos

48 49 Das Team der Heimatforscher Impressum

Die Broschüre erscheint anlässlich des 150jährigen Jubiläums der Bahnstrecke München-Ingolstadt, die am 14. November 1867 in Be- trieb genommen wurde.

Herausgeber: Landkreis Dachau Redaktion: Birgitta Unger-Richter Lektorat: Silke Lein, Birgitta Unger-Richter, Horst Pajung

Gestaltung: graphitdesign, Dachau Herstellung: Onlineprinters GmbH, Neustadt a. d. Aisch

Bildnachweis

Titel, S. 6, 21 Sammlung Gröss S. 4 Landratsamt Dachau S. 5, 50 B. Unger-Richter S. 7 DB Museum Nürnberg, MG-18-14.52-1862 S. 10 Stadtarchiv Pfaffenhofen an der Ilm, Fotonachlass Wagenknecht S. 12, 13 Stadtarchiv Dachau, Sammlung Inge Wagner S. 14 Rudolf Hagn, Röhrmoos S. 15 Anton Kölbl, Röhrmoos S. 17 aus: „Wie’s war im Dachauer Land“, hrsg. von Klaus Kiermeier, Dachau 1979 (Bayerland) S. 19 Stadtarchiv Dachau, online S. 20 Sammlung Robert Gasteiger, Dachau S. 24 Archiv der Münchner Arbeiterbewegung e.V. S. 25 HSTA München, Kriegsarchiv, Signatur Generalstab 438/2, Übersichtspläne der Königl. Bayer. Staatseisenbahn, 1. Band S. 26 Chronik Petershausen: Lichtbildstelle der Bundesbahn Nürnberg, Neg.Nr. 49168 S. 28 Stadtarchiv Dachau S. 29 Stadtarchiv Dachau, Sammlung Vitus Kraut S. 31, 40 Heimatmuseum Karlsfeld S. 33 Sammlung Herzberg S. 35 Sammlung W. Winkelmann S. 36, 45, 47, 48 unten, 49 H. Rumrich/F. Thaler, Chronik Röhrmoos S. 39, 48 oben Sammlung L. Thiel S. 42 Bezirksmuseum Dachau S. 43 Adalbert R. Bartek Von links nach rechts: Horst Pajung, Heinrich Fitger, Andreas Sauer M.A., Helmut Gröss, Lydia Thiel, Franz Thaler, Helmuth Rumrich, Rudolf Hagen

50 51 Landkreis Dachau

Geschichte und Geschichten zum Bahnjubiläum der Strecke München-Ingolstadt 1867-2017 mit Beiträgen von Heinrich Fitger, Norbert Göttler, Helmut Gröss, Florian Hartmann, Ursula Katharina Nauderer, Horst Pajung, Helmuth Rumrich, Andreas Sauer, Franz Schaehle, Franz Taler, Lydia Tiel, Birgitta Unger-Richter.

52