Die Budapester Aktion.Pdf
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«Seit ich aus Budapest zurück bin, habe ich das Gefühl, dass zwei verschiedene Menschen in mir wohnen. Einerseits mein wahres Ich, der humane Schweizer, der sich oft seines Schweizertums schämt; andererseits das zweite Ich, der zum Schweigen verurteilte Diplo- mat – ein Feigling, der widerspruchslos, diszipliniert, mit schweizeri- scher Präzision die ihm übertragenen Aufgaben durchführt, der vor- sichtig und sorgfältig darauf achtet, dass seine Vorgesetzten keinen Grund zur Unzufriedenheit haben. In Budapest kannte ich noch keine Furcht. Dort kam noch der Humanist in mir zur Geltung. Ich handelte nach bester Überzeu- gung, ohne Bern zu fragen oder von dort unterstützt zu werden.» Alexander Grossman Nur das Gewissen CARL LUTZ und seine Budapester Aktion Geschichte und Porträt Verlag Im Waldgut Die Saly Mayer Memorial Stiftung hat dieses Buch mit einem Beitrag unterstützt. Alle Rechte vorbehalten Copyright by Verlag Im Waldgut AG 1986 ISBN 3-7294-0026-6 Eingescannt mit OCR-Software ABBYY Fine Reader Verlag Im Waldgut CH-8636 Wald Inhalt Vorwort .......................................................................................................... 7 Carl Lutz ........................................................................................................ 9 I Ein Schweizer Diplomat in Budapest ................................................. 15 Ungarn und Hitlerdeutschland ............................................................... 17 Die Besetzung Ungarns und die Deportierung der Provinzjuden ..................................................................................... 33 Interventionen ................................................................................... 38 Durchbruch des Nazismus und verspätete Reaktionen . 41 II Gegen die eigene Regierung und die USA-Bürokratie .. 51 III Gründung der Auswanderungsabteilung und Lutz' Kollektivpässe ........................................................................................ 54 IV Deutsche Geheimdokumente ............................................................. 62 Vertrauliche Informationen von Botschaftsrat Feine ......................... 63 Die Endlösung ............................................................................................. 70 Lutz über Eichmann, Veesenmayer und Grell ...................................... 72 V Die Geschehnisse vor dem Sturm ....................................................... 77 Die Bürokratie in der Vadász-Gasse ...................................................... 77 Rettungsaktionen der Pionierbewegungen .......................................... 79 Späte Erkenntnis ....................................................................................... 95 Bemühungen um die Wiederherstellung der ungarischen Souveränität ...................................................................................... 98 Baranyais und Horthys Interventionen .................................... 100 VI Sturm nach der Scheinruhe .............................................................. 105 Neuorganisation der Abteilung für fremde Interessen .................... 105 Die Pfeilkreuzler-Regierung .................................................................... 127 Lutz’Auswanderungsbüro – einige seiner Mitarbeiter .................... 150 Versuch zur Befreiung von Gestapo-Häftlingen ............................... 156 Hilfe von aussen ......................................................................................... 168 Der Todesmarsch zur Grenze ................................................................. 179 Pfeilkreuzler .............................................................................................. 180 Terror ............................................................................................................ 181 Der Totengräber Ungarns........................................................................ 184 Das Ende ..................................................................................................... 185 5 VII Carl Lutz und der Faschismus .......................................................... 189 «Der Dank des Vaterlandes» .................................................................. 189 Wilhelm Gustloff – David Frankfurter ............................................... 195 Dr. Rothmund gegen die Verjudung ................................................... 198 Die schweizerische Flüchtlingspolitik .............................................. 200 «Wir alle wussten alles – wir alle aber schwiegen.» ....................... 204 Kollektivschuld ........................................................................................ 206 Lutz’ Budapest-Bericht ......................................................................... 209 Ein Brief von Dr. Heinrich Rothmund ............................................... 224 Nachwort ................................................................................................. 230 Quellennachweis ...................................................................................... 231 Fotos ........................................................................................................... 238 VIII Anhang ................................................................................................ 239 1 «Belle Epoque», Ritualmord – Prozesse und Pogrome .... 239 2 Gertrud Lutz ...................................................................................... 245 3 Die Fünfte Kolonne .......................................................................... 246 4 «Pester Lloyd» ................................................................................... 247 5 Kriegsverbrecher .............................................................................. 249 6 Die «Endlösung»: Das Besprechungsprotokoll der Wannsee-Konferenz ..................................................................... 255 7 Dr. Heinrich Rothmund................................................................... 264 8 Schweizer Ehrendoktorat für Mussolini .................................... 264 9 Der Fall des Professors Körösy ....................................................... 265 10 Die Toten .......................................................................................... 267 11 Die Überlebenden ........................................................................... 269 12 Friedrich Born – Ottó Komoly ...................................................... 271 13 Raoul Wallenberg .......................................................................... 272 14 «Tijul» – Flucht vor der Vernichtung .......................................... 273 15/16 Mitarbeiter ..................................................................................... 274 17 Lutz bei Horthy ............................................................................... 276 18 Die Gefallenen der Pionierbewegung .......................................... 277 19 Organisationsaufbau ...................................................................... 278 Namenregister .......................................................................................... 279 6 Vorwort Dieser Bericht könnte auch den Titel tragen: «So war es», denn er beinhaltet Tatsachen und Geschehnisse, an denen ich aktiv oder passiv teilhatte. Grundlagen dieses Buches sind mehr als zwei Jahr- zehnte der Freundschaft und des Gedankenaustausches mit Carl Lutz. Bei der ersten Sitzung der Dachorganisation der ungarischen Ju- den nach der Befreiung in Budapest wurde einstimmig mein Vor- schlag angenommen, ein jüdisches Ehrengericht zu konstituieren, das allein über jede Anklage gegen Juden im Zusammenhang mit Holocaust oder Kollaboration urteilen sollte – kein ehemals Ver- folgter sollte wegen solcher Anklagen vor ein öffentliches Gericht kommen. Vier Jahrzehnte vergingen, bis ich mich entschloss, die historischen Tatsachen in ihrer ungeschminkten Wahrheit an die Öffentlichkeit zu bringen. Dabei folgte ich nicht nur Lutz’ Meinung zu dieser Frage; von grossem Einfluss auf mich war auch die Hal- tung von Bundesrat Dr. Feldmann, mit dem ich bei zwei Gelegen- heiten ausführliche Gespräche führte. Seine Meinung war, dass wir im Hinblick auf die Zukunft verpflichtet wären, auch schmerzende Themen offen zu behandeln. Das legte er auch bei der Sitzung des Ständerates vom 6. März 1958 dar: Bundesrat Feldmann: Man kann ein Problem, wie es uns heute beschäftigt, auf zwei Arten behandeln. Man kann unangeneh- me Erinnerungen verdrängen, sie unwirsch beiseite schieben und sich fragen, was es überhaupt für einen Sinn habe, sich heute über eine «alte Angelegenheit», die zum Teil 20 Jahre zurückliegt, noch den Kopf zu zerbrechen. Man kann aber auch ein anderes Verfah- ren einschlagen; man kann sich bemühen, soweit es überhaupt möglich ist, die Tatsachen festzustellen, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen und aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Lehren für die Zukunft zu ziehen. Der Bundesrat hat den zweiten Weg gewählt, und er ist der Meinung, es sei keine Pedanterie und kein masochistisches Wühlen im eigenen Schuldgefühl, wenn wir uns heute ein Problem aus der Kriegszeit und Vorkriegszeit wieder vergegenwärtigen. 7 Thema dieser Ständeratsitzung war die Flüchtlingspolitik der Schweiz; bei dieser Gelegenheit wurde auch Carl Lutz (mit 13 Jah- ren Verspätung) moralisch rehabilitiert. Man hatte ihm vorher «Kompetenzüberschreitung» vorgeworfen, weil er seine grosse, er- folgreiche Rettungsaktion für verfolgte ungarische Juden ohne Zu- stimmung