Transformer Transatlantische Beziehungen Im Wandel
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thema Neuerfindung: Der Journa- list Hannes Stein glaubt an die Zukunft der USA Entdeckung: Wie junge Aktivist*innen die Zukunft der USA gestalten wollen Aufruf: Zeit für eine transatlantische digitale 20–3 Agenda Das Magazin ung der Heinrich-Böll-Stift Transformer Transatlantische Beziehungen im Wandel 1 Editorial 1 Liebe Leserinnen und Leser, eine ungebremste Pandemie-Ausbreitung mit tausenden Toten, Proteste gegen Polizeigewalt, zerstörtes Ver- trauen in öffentliche Institutionen, gebrochene Verträge, Handelskriege, eine dysfunktionale Regierung, vom Präsidenten ganz zu schweigen. Das ist das USA-Bild, das sich uns vielfältig vermittelt. Wie gebannt richtet sich der Blick auf den scheinbar alles entscheidenden 3. November, den Tag der Präsidentschaftswahlen. Kann der amtierende 45. Präsident sein Amt trotz der verheerenden Bilanz verteidigen, oder wird Joe Biden, Ellen Ueberschär Vorstand der der Demokrat, gewinnen? Heinrich-Böll-Stiftung Aber die USA sind nicht nur das. Und es ist auch nicht der einzige Blickwinkel, unter dem die transatlan- tischen Beziehungen zu bewerten sind. Tiefe Verwur- zelung kultureller Gemeinsamkeiten und die von vielen diesseits und jenseits des Atlantiks geteilte Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie bleiben. «Transatlanti- sches Verhältnis» bedeutet mehr als das Verhältnis des Weißen Hauses zu Europa und zu uns. Dieses Heft möchte ein eingeengtes USA-Bild wieder erweitern und verändern – Leuchttürme der öko- logischen Transformation sind ebenso zu sehen wie Menschen, die sich für Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit, Klimaschutz und strengere Waffengesetze einsetzen. Was aber vor allem Zuversicht vermittelt, ist eine neue Generation von Transatlantiker*innen – eine, die jünger und weiblicher ist und die Pluralität unserer Einwanderungsgesellschaften widerspiegelt. Sie kommt hier zu Wort und wird Sie überzeugen: Die USA sind anders, als wir oftmals denken! Ihre Ellen Ueberschär 2 2 Inhalt Editorial In Bildern International 1 Von Ellen Ueberschär 22 Die Entdeckung Amerikas 40 Kolonialismus, Rassismus Eine Generation junger und Sklaverei: Es wird Amerikaner*innen ist auf dem Weg, Zeit, sich zu erinnern Wo wir stehen die USA zu einem besseren Ort Von Sam Fulwood III zu machen. Sie kämpfen gegen den 3 Ein Aufruf an die nächste Klimawandel und für Frauen- Generation rechte, gegen Rassismus und für Kurzinterview Von Rachel Rizzo den Schutz von LGBTQI. 42 «Klar machen, wofür man Text: Mohamed Amjahid steht» Fotos: Carolyn Drake Essay Die Politologin Célia Belin über die wachsende Gefahr des 6 Ein Blick auf die Bezie- Rechtspopulismus hungen Post-COVID-19 Essay Interview: Von Torrey Taussig 28 Und sie kämpfen weiter: Johanna Roth Die Rolle von Frauen in der Gespräch US-Politik Von Lara Putnam Das letzte Wort 8 «Das kriegt auch kein 44 Desto mutiger müssen Präsident kaputt» wir träumen Karen Donfried (German Marshall Begegnungen Von Lin Hierse Fund) und Omid Nouripour 30 Expats in Berlin (Sprecher der grünen Bundestags- Die deutsche Hauptstadt hat sich fraktion) zum Sehnsuchtsort junger Interview: Amerikaner*innen entwickelt. Johanna Roth Text: Philipp Brandstädter Dossier 10 Die Ökologische Trans- Besuch formation wächst – 34 Fritteuse statt Initiativen in den USA Tischkicker Text: Nora Löhle Das Pfizer Building in New York ist ein Inkubator der Food-Szene – und Vorbild Statement für Start-ups in Deutschland. 16 Aminata Touré über Verbün- Text: Jörn Kabisch dete auf der anderen Seite des Atlantiks Aufruf 36 Es ist Zeit für Großes Interview eine transatlantische 18 «Wir müssen uns neu digitale Agenda erfinden!» Von Julia Reda Der Journalist Hannes Stein wan- derte vor Jahren in die USA aus. Trotz Donald Trump hofft er auf Dialog eine bessere Zukunft für sein 38 «Wir blicken realistischer neues Heimatland. auf China» Interview: Jörg Wimalasena Die US-Sicherheitsberaterin Julie Smith diskutiert mit dem Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer über das Verhältnis zu China. Interview: Felix Lee Illustration: Jill SenftIllustration: Wo wir stehen 3 Ein Aufruf an die nächste Generation In Zukunft werden sich die USA und die EU noch stärker um die Beständigkeit und Vitalität ihrer Beziehung bemühen müssen. Am wichtigsten wird dabei sein, dass der künftige Dialog die gesellschaftlichen, demographischen und politi- schen Realitäten auf beiden Seiten des Atlantiks wider- spiegelt. Das bedeutet zum Beispiel, dass in Washington und Illustration: Jill SenftIllustration: Brüssel alle Teile der Gesellschaft vertreten sein müssen. 4 4 Wo wir stehen Text: Rachel Rizzo In den vergangenen siebzig Jahren waren die Vereinigten Staaten von Amerika und Eu- ropa engste Verbündete. Geeint durch ihre gemeinsame Geschichte und hervorgehend aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs bauten sie ihre Beziehung auf einem Funda- ment von Diplomatie, Wirtschaft, Sicherheit und gemeinsamen Werten auf. Heute steht die Zukunft dieser Beziehung jedoch auf dem Spiel. In den vergangenen Jahren ha- ben Donald Trump und seine Regierung die europäischen Verbündeten derart brüskiert, dass die Beziehung bis in ihre Grundfesten erschüttert scheint. Politische Führungsfi- guren und Bürger/innen auf beiden Seiten des Atlantiks stellen mittlerweile den Nut- zen der transatlantischen Partnerschaft offen in Frage. Wir stehen heute daher an einem Schei- depunkt. Dies ist zugleich eine Gelegenheit, der amerikanisch-europäischen Partner- schaft neues Leben einzuhauchen und sie so zu gestalten, dass sowohl politische Prioritä- ten als auch die Entscheidungsträger/innen auf beiden Seiten des Atlantiks aktuelle ge- sellschaftliche Realitäten widerspiegeln. Jahrelang hatten die Verfechter/innen der transatlantischen Beziehungen in Wis- senschaft, Politik und Regierungskreisen zu- Fotografie: Dawin Meckel (links), Tobias Kruse (rechts), Tobias Dawin Meckel (links), Fotografie: meist eine persönliche Verbindung zu ihren Ostkreuz (unten), Fotos: alle Weiss Maurice Verbündeten jenseits des Atlantiks. Oft hat- ten die Eltern oder Großeltern im Zweiten Außerdem stellen nach Angaben des US-Außen- Weltkrieg gekämpft, einige waren während ministeriums «Studierende der MINT-Fächer, also des Höhepunkts des Kalten Krieges in Euro- Landwirtschaft, Ingenieurwesen, Gesundheitswesen, pa bzw. in den Vereinigten Staaten gewesen Mathematik, Informatik und Physik oder Biowissen- und hatten dort aus erster Hand erlebt, wie schaften, mit 25 Prozent den größten Anteil der Studi- wichtig transatlantische Eintracht in Zeiten enaufenthalte im Ausland». Aus dem Bereich der So- globaler Unsicherheit ist. Nun aber rücken zialwissenschaften kommen hingegen nur 17 Prozent. geopolitische Ereignisse wie der Zweite Überdies ist diese Generation als erste in einer voll- Weltkrieg und der Kalte Krieg in den Ge- ständig digitalisierten und global vernetzten Welt auf- schichtsbüchern immer weiter nach hinten, gewachsen. Viele wollen einfach ins Ausland, um ihre und damit schwindet auch die Zahl derer, internationalen Freund/innen aus virtuellen Netzwer- die noch persönliche Verbindungen zu die- ken auch im realen Leben zu treffen. sen Ereignissen haben. In Zukunft werden Damit auch die nächste Generation Interesse daran sich die transatlantischen Partner daher zeigt, amerikanisch-europäische Beziehungen in ihre noch stärker darum bemühen müssen, die berufliche Laufbahn einzubeziehen, müssen sich die ihr Beständigkeit und Vitalität der Beziehungen zugrunde liegenden Prioritäten ändern. Zu lange war zu wahren. die transatlantische Partnerschaft von einer viel zu eng Die nächste Generation außenpoliti- gefassten Vision geprägt, die vor allem auf Sicherheit scher Denker/innen in den Vereinigten und Verteidigung abzielte. In den Gesprächen zwischen Staaten (in diesem Beitrag ist mit «nächster transatlantischen Partnern geht es oft um russische Ag- Generation» die Generation Z der Jahrgänge gression, militärische Strategien und Verteidigungsaus- 1996–2010 und die Millennials der Jahr- gaben. Doch das sind nicht die Themen, die die nächste gänge 1981–1996 gemeint) konzentriert sich Generation beschäftigen. Die Millennials (und die noch heute zunehmend auf andere geopolitische jüngere Generation Z) in den USA sind mit dem Schei- Brennpunkte wie den Indopazifikraum und tern des Irak-Kriegs groß geworden. Auf sie wirkt die den Nahen Osten. So wächst prozentual der Welt weniger bedrohlich als auf ihre älteren Mitbürger/ Anteil der US-Amerikaner/innen, die im innen, und sie stehen weitaus weniger hinter der Idee nichteuropäischen Ausland studieren. des «amerikanischen Exzeptionalismus». 5 Wo wir stehen 5 der EU-Bevölkerung ausmachen. In den Vereinigten Staaten sind nur 22 Prozent des 116. Kongresses People of Color. Dieser Wert ist zwar höher denn je, allerdings identifi- zieren sich 39 Prozent der US-Bevölkerung als nicht-weiß. Frauen stellten 2018 nur ein Drittel des außenpolitischen Personals der US-Regierung, deutlich weniger als ihr Anteil an der gesamten Erwerbsbevölkerung des Landes (47 Prozent). In der EU sieht es etwas besser aus, doch auch dort sind nur etwa 40 Prozent der derzeitigen Europapar- lamentarier/innen Frauen. Im vergangenen November verfasste eine Gruppe progressiver transatlantisch gesinnter Millennials vor diesem Hinter- grund einen offenen Brief. Darin ging es um die Notwendigkeit, den «Transatlantic so White»-Kreislauf aufzulösen. Es heißt dort: «Wenn die Beziehungen zwischen den USA und Europa das Vorankommen aller Menschen befördern sollen, müssen in den Gängen in Washington und Brüssel auch Laut einer Studie des Center for American Progress fühlen sich die Millennials in alle