Motion Maissen
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Motion Maissen Antworten der SRG auf Fragen des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) Vorwort 2010 schlägt der ehemalige Bündner Ständerat Theo Maissen einen SRG-Fernsehkanal mit Sendungen aus allen vier Sprachregionen vor. In seiner Motion (10.3055) begründet er seinen Vorstoss wie folgt: «In den letzten Jahren sind die zentrifugalen Kräfte in der Schweiz stärker geworden. Das Bewusstsein, was auf der anderen Seite der Sprachgrenze geschieht, wird geringer.» Maissen ist der Ansicht, die SRG erfülle ihren Auftrag, «das Verständnis, den Zusammenhalt und den Austausch unter den Landesteilen, Sprachgemeinschaften, Kulturen» zu fördern (Art. 24 Abs. 1 Lit. b RTVG), nur ungenügend. Seine Motion wird vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Der Bundesrat warnt vor einer «‹Ghettoisierung› wertvoller integrativer Beiträge». Auch lasse sich ein zusätzlicher Kanal aus den bestehenden SRG-Mitteln nicht finanzieren. Er empfiehlt stattdessen, Beiträge zum sprachregionalen Austausch über die bewährten Kanäle laufen zu lassen, die bereits hohe Akzeptanz geniessen und dadurch auch die «notwendige Breitenwirkung» entfalten können. Entgegen der Empfehlung des Bundesrates nehmen National- und Ständerat die Motion an – jedoch mit einer Änderung: Sie verlangen keinen eigenen Fernsehkanal, sondern beauftragen den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass die SRG den interkulturellen Austausch und die Förderung der Verständigung zwischen den Sprachregionen verstärkt. Spätestens Ende 2012 solle der Bundesrat das Parlament über die erzielten Fortschritte informieren. Dieser Bericht ist derzeit am Entstehen. Einerseits stützt sich der Bundesrat auf die Programmbeobachtungen, die das Bundesamt für Kommunikation jährlich bei Schweizer Forschungsinstitutionen in Auftrag gibt (quantitative Programmanalysen), andererseits wurde die SRG in Form einer schriftlichen Befragung zu einer Stellungnahme aufgefordert. Die Fragen des Bakom und die Antworten der SRG sind im vorliegenden Dokument enthalten. Bern, 30. August 2012 Frage 1: Wie beurteilt die SRG SSR die vorliegenden Analysen der Medienforschung in Bezug auf den interkulturellen Austausch und die Förderung der Verständigung zwischen den Sprachregionen? Zur Methode: Untersuchungsanlage, Methodik und Realisierung der vom Bakom in Auftrag gegebenen Studien und Analysen entsprechen aus Sicht der SRG durchaus sozialwissenschaftlichen Standards. Allerdings sind Teile der Studien – namentlich der Radiostudie – praxisfern. Die SRG ist sich bewusst, wie anspruchsvoll es ist, die Erfüllung von Vorgaben der Konzession empirisch zu prüfen. Indessen wären die Ergebnisse aufschlussreicher, wenn die Studien massgeblichen Kriterien des Journalismus – allen voran Aktualität, Relevanz und Professionalität (letztere werden in der Konzession eingefordert) – besser Rechnung trügen. Zur Illustration dieses Hinweises ein Beispiel: Für eine Deutschschweizer Redaktion muss es zunächst einmal unerheblich sein, ob ein Ereignis im Kanton Thurgau (eigener Landesteil) oder im Kanton Tessin (anderer Landesteil) stattfindet. Ausschlaggebend sind Aktualität und Relevanz des Ereignisses und die journalistische Professionalität. Aus der Konzession lässt sich der Auftrag ableiten, Tessiner Entwicklungen aufmerksam und sensibel zu verfolgen, vielleicht sogar das Tessiner Geschehen nach Möglichkeit überproportional abzubilden. Eine leichte «positive Diskriminierung» des Tessins gegenüber dem Thurgau lässt sich dadurch rechtfertigen, dass Aktualitäten aus anderen Kulturkreisen schwieriger zu vermitteln sind. Der Ansatz der Redaktionen muss aber ein journalistischer sein und bleiben. In einer stärker qualitativ ausgerichteten Untersuchungsanlage wäre Kritik an der SRG angebracht, wenn wichtige Tessiner Ereignisse und Entwicklungen – wegen der Sprachbarriere oder der mentalen Distanz – ausgeblendet würden. In solchem Licht sind die Ergebnisse der vorliegenden Studien wenig aufschlussreich und recht zufällig, denn es kann tagelang keine Tessiner Aktualitäten mit Nachrichtenwert geben. Gerade weil der «courant normal» zu wenig Ansatzpunkte der Berichterstattung bietet, setzen die SRG-Unternehmenseinheiten vermehrt Schwerpunkte, etwa Spezialwochen über die italienische Schweiz oder die Romandie und gemeinsame Operationen. Doch dies wird bei der vorhandenen Untersuchungsanlage nicht oder höchst zufällig erfasst; der jetzige Ansatz der Studien ergibt einen Überblick über die Zusammensetzung des «courant normal» über mehrere Jahre, mehr nicht, und das ist zu wenig. Zwei weitere Aspekte sind zu erwähnen: - Immer stärker leistet das Online-Angebot seinen Beitrag zum eidgenössischen Zusammenhalt; in der Deutschschweiz und der Romandie (siehe auch Umfrage unten) ist es bereits ein gewichtiger Faktor, den die Studien nicht abbilden. - Darüber hinaus werden Bild und Kenntnis anderer Landesteile nachhaltig durch Unterhaltungssendungen («SF bi de Lüt» in Städten der Westschweiz, Nachwuchs aus allen Landesteilen bei Casting-Shows) und in fiktionalen Produktionen geprägt; zu erwähnen ist etwa die neue Politik von SRF, die 2 / 14 meisten Fernsehserien von RTS auszustrahlen. Dies kommt in den Studien nicht oder kaum zur Geltung. Wie im Treffen zwischen Bakom-Direktion und DRS-Leitung am 26. April 2010 und der Diskussion zwischen Vertretern der beteiligten Universitäten und SRG- Chefredaktoren am 26. April 2012 erwähnt, wünscht die SRG einen praxisnäheren Ansatz. Das verliehe der sehr willkommenen wissenschaftlichen Medienkritik noch mehr Gewicht; eine realitätsnähere Abbildung der energischen Anstrengungen der SRG würde dieselben zusätzlich stimulieren und die Redaktionen motivieren. Nicht ganz nachvollziehbar ist im Übrigen, dass im TV und im Radio unterschiedliche Kriterien für die Berücksichtigung der anderen Sprachregionen gelten: - In der Fernsehstudie wird mit dem Oberbegriff «Regionalbezüge» gleichwertig ein Zugang über Thema, Ort oder Akteur erfasst. Erst in der zweiten Stufe findet eine Wertung in Bezug auf die Vielfalt und Mehrdimensionalität der Regionalbezüge statt. - Die Radiostudie operiert mit den zwei Indikatoren Ereignisort und Regionalbezug, wobei dem Regionalbezug ein deutlich niedrigerer Stellenwert zugewiesen wird. Die Radiostudie berücksichtigt jedoch zusätzlich, als eigenes Thema, Erwähnungen des Austauschs zwischen den Landesteilen. Für die Frage, in welchem Mass die SRG die Anforderungen aus der Konzessionen erfüllt, scheint uns das weniger relevant. Schliesslich fallen in der Radiostudie polemische Formulierungen auf, die sich vom wissenschaftlichen Ansatz entfernen. Ein Beispiel: «Das Newsradio DRS 4 zum Beispiel strahlt über die gesamte untersuchte künstliche Woche während über vier Stunden Beiträge über Geschehen in den anderen Sprachregionen aus. Dies ist allerdings nicht mehr als die Zeit, die Jingles und Trailer in der Untersuchungswoche auf DRS 4 beanspruchen!» (S. 85). Zu den Ergebnissen Fernsehen: Wenig überraschend dominiert in der Inland-Berichterstattung aller Sprachregionen der Bezug auf die eigene Region und aufs Gesamteidgenössische. Das hat namentlich drei Gründe: 1. gilt die allgemeine Lebenserfahrung, dass Nähe Relevanz schafft. 2. müssen professionelle Redaktionen dem höheren Interesse des Publikums an Ereignissen und Entwicklungen «vor der Haustür» Rechnung tragen. 3. gilt: Je bevölkerungsreicher der Landesteil, desto höher die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Ereignissen mit Nachrichtenwert im eigenen Landesteil. Die Berücksichtigung der Deutschschweiz in TV-Beiträgen von RTS und RSI hat aus diesem dritten Grund einen hohen Stellenwert, die Studie spricht vom «Gravitationseffekt». Sie erfüllt die Anforderungen aus der Konzession. Zu tief ist der Anteil TV-Beiträge zur Svizzera italiana bei SRF und RTS. Ausgeprägt zeigt sich die Problematik einer «courant normal»-Berichterstattung über eine Region mit 350 000 Einwohnern und geringer Dichte von Ereignissen mit Nachrichtenwert. Trotz Schwerpunkten, welche die Studie ignoriert, und trotz des überproportionalen Abbilds der italienischen Schweiz in Unterhaltungssendungen: Weitere Efforts sind vorrangig. 3 / 14 Radio: Die Studie zur Berücksichtigung anderer Sprachregionen durch SRF (Radio DRS) ist differenziert zu erörtern. Beim Aspekt «Ereignisorte» erzielt SRF verhältnismässig niedrige Werte, hingegen weist SRF beim «Regionalbezug» Romandie verbesserungsfähige, aber akzeptable Ergebnisse aus. Dass die Svizzera italiana laut Studie kaum Nennungen verzeichnet, scheint uns ein Zufallsergebnis zu sein. In RTS-Radioprogrammen ergibt sich ein ähnliches Bild: Beim Aspekt «Ereignisorte» ist der Anteil Informationsbeiträge aus anderen Sprachregionen vergleichsweise niedrig. Beim «Regionalbezug» erreicht die Deutschschweiz beachtliche Werte, während die Svizzera italiana laut Studie kaum abgebildet wird. Die Radioprogramme von RSI erreichen beim Aspekt «Ereignisort» höhere Werte als SRF und RTS. Beim «Regionalbezug» ist der Anteil Informationsbeiträge zur Deutschschweiz sehr hoch, jener zur Suisse romande ansprechend. Bei Radio Rumantsch erreicht die Deutschschweiz beim Aspekt «Ereignisorte» sehr hohe Werte. Suisse romande und Svizzera italiana finden relativ wenig Beachtung. Beim «Regionalbezug» dominiert ebenfalls die Deutschschweiz. Zusammenfassend lässt sich aus SRG-Sicht festhalten: - Das TV berichtet zufriedenstellend bis gut über die deutsche und französische Schweiz. Die italienische Schweiz wird im «courant normal» von SRF und RTS verhältnismässig wenig abgebildet, weil diese kleinere Region eine geringe Dichte von Ereignissen mit Nachrichtenwert aufweist. Um dies wettzumachen,