Johann Wolfgang Goethe-Universität Seminar: Spurensuche. Projektarbeit im Geschichtsunterricht Herr Dr. Peter Adamski Wintersemester 2007 / 2008

Die alte St. Laurentiuskirche In Kleinostheim

Michaela Heier

siebtes Semester L3 Germanistik, Geographie L2 Geschichte Matrikelnummer: 2864736

Augsburger Str. 1 63801 Kleinostheim [email protected]

Inhaltsverzeichnis:

I. Arbeitsbericht……………………………………………………………...1-2

II. Vorgeschichte der St. Laurentiuskirche………………………………...3-5

1. Hubertuskapelle und Erweiterung zur Kirche...... …....……………………………………...3

2. Die Kirche in der Zeit des 2. Weltkrieges…………………………………………………...4

3. Kriegsgeschehen im Heimatgebiet: Militärische Situation in der Region………………...4-5

III. Die St. Laurentiuskirche im Wandel der Zeit………………………...5-12

1. Der 21. Januar 1945………………..…...... 5-9

2. Wiederaufbau der zerstörten Kirche ……………………………………...... 9-10

3. Kauf der alten Kirche durch die Gemeinde: Nutzung als Feuerwehrgerätehaus und Rathaus……………………………………………………………………………………10-12

IV. Die ehemalige St. Laurentiuskirche in ihrer aktuellen Bestimmung….…………………………………………………………….12-14

1. Musikschule und öffentliche Bücherei…………………………………………………12-14

2. Die Musikschule heute……………………………………………...... 14

V. Präsenz der alten St. Laurentiuskirche im Bewusstsein der Gemeinde …………………………………………………………………14-16

Anhang: - Literaturverzeichnis - Rechtsverbindliche Erklärung

I. Arbeitsbericht

Auf mein Thema „Die Laurentiuskirche Kleinostheim“ bin ich zunächst einmal durch ein Buch aufmerksam geworden. Dieses trägt den Titel „Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000“1. Hier wurde mitunter der Bombenangriff vom 21. Januar 1945 auf Kleinostheim thematisiert bei welchem, unter anderem, auch die alte Laurentiuskirche des Dorfes schwer beschädigt wurde. Beim weiteren Lesen wurde deutlich, dass die alte Kirche nach der Zerstörung wiederaufgebaut und zunächst als Rathaus und Feuerwehrhaus genutzt wurde. Seit dem Jahre 1979 wurde das Gebäude zur Musikschule und öffentlichen Bücherei umfunktioniert. Weitere Informationen erhielt ich durch das Recherchieren im Internet, bei dem ich auf eine informative Seite stieß, auf welcher die komplette Geschichte der Kirche Kleinostheims festgehalten wurde.2 Nachdem ich in meiner Anfangsquelle 3 über die verschiedenen Funktionen bzw. Nutzungsmöglichkeiten der St. Laurentiuskirche gelesen hatte, nahm ich mir vor über diese Stadien genauere und ausführlichere Informationen einzuholen. Da sich das Buch mit der kompletten Geschichte Kleinostheims, und nicht speziell mit der Kirchengeschichte, beschäftigt, musste ich nach weiteren Quellen Ausschau halten. Zunächst begab ich mich in die Stadtbibliothek von , um dort nach weiteren Informationen zu der Gemeinde Kleinostheim im Allgemeinen und der alten Kirche im Speziellen zu suchen. Leider wurde ich dort nicht fündig. Hier befanden sich keine Informationen über Kleinostheim, abgesehen von kurzen Erwähnungen und Eckdaten der Gemeinde, die mir für mein Thema hätten weiterhelfen können. Meine nächste Anlaufstelle war nun die öffentliche Bücherei Kleinostheims. Jedoch konnte mir dieser Besuch auch nicht sonderlich weiterhelfen, da in dieser Bücherei lediglich weitere identische Ausgaben meines Ausgangsbuches vorhanden waren. Ansonsten ließen sich keine zusätzlichen Materialien zur Kirchengeschichte Kleinostheims finden. Um an detaillierte Informationen zu gelangen, hatte ich mir vorgenommen, zunächst direkt im Pfarrhaus und anschließend beim Heimat- und Geschichtsverein Kleinostheims anzufragen. Bei meinem Anruf im Pfarrhaus erklärte ich mein Anliegen und wurde an den Archivverwalter Kleinostheims verwiesen, dessen Telefonnummer ich sogleich bekam. Der

1 Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000. 2 http://www.aids.bistum- wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/pfarreien/homepages/pfr/kleinostheim/pfarrei/kirchenchronik.pdf. 3 Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000.

Verwalter des Archivs, Herr Edwin Lang, verabredete gleich einen Termin mit mir, an welchem wir uns direkt vor dem Archivgebäude treffen wollten. So fand ich mich am 30.01.2008 gegen 13:30 Uhr am Treffpunkt in Kleinostheim ein und wurde in das Archiv mitgenommen. Herr Lang hatte bereits drei Kisten und weitere Infohefte für mich herausgesucht, die für meine Arbeit nützlich sein könnten. Gemeinsam fingen wir an diese durchzusehen und zusätzlich gab Herr Lang mir mündliche Erläuterungen und Informationen. Am Ende des Treffens durfte ich das Archivmaterial gleich mitnehmen. Herr Edwin Lang, der selbst Mitglied des Heimat- und Geschichtsvereins Kleinostheims ist, stellte mir auch Ausgaben des Vereins zur Verfügung und entließ mich mit der Versicherung, ich könne mich jederzeit melden, falls ich weitere Bilder oder Zusatzinformationen benötigte. Aus dem Archiv Kleinostheims wurden mir folgende Informationen und Materialien zur Verfügung gestellt:

- Ausgabe des „Kleinostheimer Mosaik“ (Mitteilungen des Heimat- und Geschichtsvereins) aus den Jahren 1997 – 2005. - Archivkiste: Katholische Gemeinde Sankt Laurentius Kleinostheim – Künstlerische Darstellungen Æ Bilder, Zeitungsartikel der regionalen Zeitungen die Kleinostheimer Gemeinde betreffend, künstlerische Darstellungen der Landschaft, Umgebung und Gemeinde Kleinostheims. - Archivkiste: Katholische Gemeinde Sankt Laurentius Kleinostheim – Inventurverzeichnis Kunst und Sakrales Æ Erfassung / Auflistung sakraler Gegenstände der Pfarrgemeinde St. Laurentius Kleinostheim, Inventarverzeichnis, Bilder, Zeitungsausschnitte regionaler Zeitungen. - Archivkiste: Katholische Gemeinde Sankt Laurentius Kleinostheim – alte Laurentiuskirche Æ Zeitungsartikel regionaler Zeitungen, Dokumentation des Orgelbaus der Kirche, Bilder der alten Kirche, Dokumentation des Kirchenbaus, Kirchenbaurechnungen. - Wegner, Günter: Kleinostheim Dokumente und Beiträge zu seiner Geschichte. Kleinostheim: 1975. - Hrsg. Gemeinde Kleinostheim: Musikschule (Infoheft). - Lang, Edwin: Biografie Pfarrer Joseph Hepp. Kleinostheim: 1999.

II. Vorgeschichte der St. Laurentiuskirche

1.) Hubertuskapelle und Erweiterung zur Kirche Die Geschichte der alten St. Laurentiuskirche Kleinostheims beginnt bereits mit dem Bau und der abschließenden Weihung einer spätgotischen Kapelle in der Ortsmitte Kleinostheims. Die Kapelle stammt aus dem Jahre 1489 und wurde dem heiligen Hubertus geweiht. Gestiftet wurde sie vermutlich von einem Gutsherrn aus Kleinostheim. Sie wurde zusätzlich zu der, sich außerhalb des Ortes befindenden, Pfarrkirche errichtet und stellte somit einen kleinen Gottesdienstraum im Inneren des Ortes dar. Die im Jahre 1953 gefundenen Fundamentreste lassen für den Chor auf eine Länge von ca. 8 Metern und eine Breite von ca. 7 Metern schließen. 1708 begann man damit die Kapelle zu erweitern. Im Grunde genommen konnte man dies als Neubau bezeichnen, da vom spätmittelalterlichen Bau nur ein Teil des Chores stehen blieb. Der Rest der Kirche wurde von Grund auf neu erbaut. Somit bekam die neue Kirche eine Länge von 18m mal 9m. Sie war dementsprechend auch größer als die eigentliche Pfarrkirche außerhalb des Dorfes. Zur Vollendung kam die Kirche im Jahre 1712. Aufgrund ihrer Größe wurde sie 1754 schließlich zur Pfarrkirche erhoben und bekam das Laurentius- Patrozinium von der alten Kirche übertragen.4 Die alte Kirche am Friedhof, außerhalb des Ortes, hatte nun endgültig ausgedient. Man riss sie ab und benutzte die verwendeten Bauteile zum Teil für die gründliche Erneuerung der Laurentiuskirche 1771.5 Nach dieser Renovierung im Jahre 1771 war das Gotteshaus um 1800 jedoch bereits zu klein geworden. Es kam zu einem erneuten Neubau, bei dem der Chor abgebrochen, das Langhaus verlängert und ein neuer Chorraum angefügt wurde. Die jetzt große Pfarrkirche in der Ortsmitte lag mit ihrer Bausubstanz, im Gegensatz zu der alten Hubertuskapelle, auf einem ca. 60cm höheren Bauniveau.6 Die Segnung der Kirche konnte dann im Jahre 1817 vorgenommen werden. Dieser Bau diente bis 1951 als Pfarrkirche Kleinostheims. Ein Gemälde, welches auf der einen Seite den Heiligen Hubertus und auf der anderen Seite die Mutter Gottes mit dem Heiligen Laurentius zeigt, erinnert im Hubertussaal der heutigen Musikschule an die beliebte Hubertustradition.7

4 http://www.aids.bistum- wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/pfarreien/homepages/pfr/kleinostheim/pfarrei/kirchenchronik.pdf. 5 Wegner, Günter: Kleinostheim Dokumente und Beiträge zu seiner Geschichte. Kleinostheim: 1975. 6 Hrsg. Gemeinde Kleinostheim: Musikschule. (Infoheft). 7 http://www.aids.bistum- wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/pfarreien/homepages/pfr/kleinostheim/pfarrei/kirchenchronik.pdf.

2.) Die Kirche in der Zeit des 2. Weltkrieges Durch die Wirren des 2. Weltkrieges wurde das Kirchengebäude stark in Mitleidenschaft gezogen. Wie in allen anderen Ortschaften war man verpflichtet die Turmglocken, sowie andere metallene Gegenstände einschmelzen zu lassen, um Kanonen daraus zu machen.8 Das Abholen der Kirchenglocken Kleinostheims erfolgte am 19. März 1943 und war für die Bevölkerung nur schwer mitanzusehen. Drei Monate später, am 08.06.1943, mussten sogar die Ewiglicht-Fassung, ein Kronleuchter und zwei Altarschellen abgeliefert werden. Nach der Dokumentation durch den „Meldebogen für Bronzeglocken der Kirchen“ musste der damalige Pfarrer Josef Hepp den Machthabern des Dritten Reiches die Existenz der zwei Kirchenglocken mitteilen. Diese sind mit einem Gewicht von 500kg und 350kg datiert und stammten beide aus dem Jahre 1870. Durch handschriftliche Aufzeichnungen Pfarrer Hepps kann die Auslieferung von 16 großen Leuchtern, 22 kleinen Leuchtern, des Taufsteindeckels, eines Weihrauchfasses, der erwähnten zwei Altarschellen, des Kronleuchters und der Ewig- Licht-Ampel nachgewiesen werden.9

3.) Kriegsgeschehen im Heimatgebiet: Militärische Situation in der Region In den ersten Kriegsjahren hatte der Luftkampf des 2. Weltkrieges zunächst noch keinerlei Auswirkungen auf Kleinostheim gehabt. Als es dann 1943 zu Großangriffen durch die Royal Air Force kam, welche vor allem auf deutsche Industriestätte vorgenommen wurden, hatte das Dorf bis zum Ende des Jahres 1943 ebenfalls noch relativ wenig unter den Luftangriffen zu leiden gehabt. Vor den direkten Luftangriffen schien man sicher zu sein, da sowohl in Obernburg als auch in Aschaffenburg die Flakgeschütze abgezogen worden waren. Eine Folge der Bombardierungen von Industriestädten war allerdings, dass zunehmend ausgebombte Bürger Aufnahme im Maingebiet fanden. Alleine in Kleinostheim brachte man 572 Personen aus Aschaffenburg, Frankfurt und anderen teilen Deutschlands unter. Mit dieser Luftverschickung entfloh man jedoch keinesfalls dem Krieg in der Luft. Gegen Kriegsende befand sich nämlich auch der Bahnhof Kleinostheims mit seinen an- und wegfahrenden Zügen immer wieder im Fadenkreuz der amerikanischen Jagdbomber.10 Natürlich traten durch

8 http://www.aids.bistum- wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/pfarreien/homepages/pfr/kleinostheim/pfarrei/kirchenchronik.pdf. 9 Lang, Edwin: Biografie Pfarrer Joseph Hepp. Kleinostheim: 1999. 10 Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000. die Unterbringung der Evakuierten logistische Probleme sowie sehr viel zusätzliche Arbeit für die Gemeindeverwaltungen auf. Am 10. September 1944 wurde die Gemeinde Kleinostheim von zwei Jagdflugzeugen angegriffen. Beschossen wurden ein Urlauberzug der Wehrmacht und eine Lokomotive im Kleinostheimer Bahnhof, welche schwere Zerstörungen davontrugen. Weitere zahlreiche Angriffe, die von britischen Jagdflugzeugen im Zeitraum vom 07. 09. 1944 bis zum 05. 11. 1944 vorgenommen wurden, richteten einige Schäden im Heimatdorf der Kleinostheimer an. Ein weiterer Jagdbomberangriff am 09.11.1944 hatte wiederum den Bahnhof des Ortes zum Ziel. Hierbei wurden zwei Lokomotiven eines fahrplanmäßigen Personenzuges in Mitleidenschaft gezogen. Das Jahr 1945 war militärisch durch die Luftüberlegenheit der Alliierten über das gesamte Reichsgebiet gekennzeichnet. Täglich erfolgten Großangriffe von alliierten Bomberverbänden. Am 04. Januar erschienen alliierte Bomber über Aschaffenburg, um den Hauptbahnhof und das Schienennetz zu zerstören. Bei diesem Angriff fielen insgesamt 270 Spreng- und 44 Brandbomben auf die Stadt nieder. Tägliche Angriffe von Jagdbombern auf die Verkehrswege und alle weiteren beweglichen Ziele des Heimatgebietes gehörten zur Tagesordnung. Eine Flakabwehr war nun nicht mehr vorhanden, was auch für Kleinostheim selbst zutraf.11 Bis 1945 war Kleinostheim als Dorf somit noch intakt. Die Zahl der Gefallenen betrug etwa 60, die Anzahl der Vermissten 45.12

III. Die St. Laurentiuskirche im Wandel der Zeit

1.) Der 21. Januar 1945 Bis zum Anfang des Jahres 1945 galt der Luftkrieg den Kleinostheimern vor allem in Form einer Zuschauerrolle als vertraut. Denn Angriffe auf Hanau, Aschaffenburg, Offenbach und Frankfurt hatte man, wenn auch aus der Ferne, bereits miterlebt. Die Angriffe auf Kleinostheim selbst waren bisher nicht gravierend gewesen. Vorbereitungen, falls das eigene Dorf direkt in den Blickwinkel alliierter Bombenangriffe gelangen sollte, hatte man zwar getroffen, allerdings völlig unzureichende. Der damalige Bürgermeister, Josef Eisert, hatte einen „Einsatzplan bei Katastrophen“ aufstellen lassen. Dieser ist datiert vom 03. April 1941 und verteilt bestimmte Aufgaben im Ernstfall auf zahlreiche Personen. Des Weiteren besteht eine Auflistung von im Rathaus gelagerten Materialien, welche bei Bedarf zur Anwendung

11 Hrsg. v. Margret Glaab, Mario Kullmann, Edwin Lang und Herbert Straub: Kleinostheimer Mosaik. Ausgabe Oktober 2004. 12 Lang, Edwin: Biografie Pfarrer Joseph Hepp. Kleinostheim: 1999. kommen sollten. Hierbei handelte es sich beispielsweise um Schippen, Hacken, Brecheisen, Eimer und Sturmlaternen. Mögliche Obdachlose waren nach einem Angriff in der Turnhalle, der alten und der neuen Schule sowie im Gasthaus „Zum Engel“ unterzubringen. Ebenfalls hatten viele Kleinostheimer ihre Keller luftschutzmäßig hergerichtet und für den Notfall Koffer mit dem Nötigsten gepackt.13 Diese Vorkehrungen konnten allerdings nicht verhindern, dass der 21. Januar 1945 zum furchtbarsten Tag der Geschichte Kleinostheims wurde. An diesem Sonntag war ein Luftangriff auf Aschaffenburg geplant, der von der 1. Air Division der 8. US - Air Force mit 260 Bombern ausgeführt werden sollte. Ein weiterer Bomberverband von ca. 67 Maschinen erhielt den Auftrag die Panzerreparaturwerkstätten im damaligen Seibert Werk anzugreifen. Diese Bomberverbände, so genannte „Fliegende Festungen“, wurden von „Pfadfinderflugzeugen“, welche mit einem Bordradar ausgestattet waren, zum Zielgebiet geleitet. Der Abwurf der Bombenladungen sollte nach Sicht erfolgen. Am 21. Januar 1945 herrschte allerdings um die Mittagszeit dichtes Schneetreiben. Infolge der schlechten Sichtverhältnisse wurde die Gemeinde Kleinostheim fälschlicherweise für Aschaffenburgs Fabrikanlagen gehalten, die ebenfalls am lagen. Der Befehl zum Abwurf der Bombenlasten wurde daraufhin von den führenden „Pfadfinder Flugzeugen“ erteilt. Der verfrühte Abwurf enthielt 400 bis 500 Sprengbomben, 200 bis 300 Minenbomben und 10.000 bis 12.000 Stabbrandbomben. Der Abwurf konnte ungehindert vorgenommen werden, da um 12.00 Uhr mittags keine deutsche Gegenwehr durch Jagdflugzeuge und Flakgeschütze erfolgte.14 Aus der Sicht der Angreifer wurde das Geschehen am 21. Januar 1945 folgendermaßen geschildert: Der Schneesturm habe für schlechte Sicht gesorgt und alles mit einer dicken Schneedecke bedeckt. Die Kleinostheimer seien gerade von der Sonntagsmesse auf dem Weg nach Hause gewesen, als um kurz vor 12:00 Uhr Geräusche von Flugmotoren zu hören waren. Da begann das Sirren und Pfeifen der herunterfallenden Bomben. Die Anwohner des Ortes flüchteten schnellstmöglich in ihre Keller und Unterstände, während ein furchtbarer Bombenhagel auf das Dorf niederhagelte. Bereits nach ca. zehn Minuten war alles vorbei. Die Folgen für Kleinostheim waren jedoch verheerend. Die 8. US – Air Force der Amerikaner war zu der Zeit in der Umgebung von London stationiert. Von diesem Stützpunkt aus wurden die Luftangriffe auf deutsche Städte und

13 Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000. 14 Hrsg. v. Margret Glaab, Mario Kullmann, Edwin Lang und Herbert Straub: Kleinostheimer Mosaik. Ausgabe Oktober 2004.

Industrieanlagen geplant. Die Einheiten, welche Kleinostheim bombardierten und eigentlich Aschaffenburg treffen sollten, waren in Glatton Airfield und Umgebung in England stationiert. Die Flugroute führte über Frankreich nach Karlsruhe, dann nach Osten über Pforzheim und von dort aus Richtung Norden nach Aschaffenburg. Durch das schon erwähnte schlechte Wetter gab es keine Bodensicht und man war gezwungen sich bei der Zielbestimmung auf das Radar zu verlassen. Dieses war damals ganz neu, nicht sonderlich genau und schwer zu analysieren. Eigentlich lag Kleinostheim nämlich nicht mehr im Zielsektor. So kam es jedoch dazu, dass das Dorf, durch schlechtes Sicht und ungenaue Navigation, in den westlichen Rand des Zielsektors gelangte und zum Ziel der Brand- und Sprengbomben wurde.15

Im Folgenden zwei Zeitzeugenberichte über den Bombenangriff am 21.01.1945: „… der Angriff überraschte uns – wie so viele Einwohner Kleinostheims kurz vor dem Mittagessen. Die Brandbomben bohrten sich überall in Haus und Werkstatt. Selbst in den auf unserem Speicher gelagerten Säcken steckten sie. Durch den sofortigen Stromausfall bedingt, lief auch das Wasser nicht. In unserer Verzweiflung leerten wir den Suppentopf über den brennenden Säcken aus. Nachdem wir notdürftig gelöscht hatten, liefen wir in den uns zugeteilten Schutzraum, in den Keller des Marienhofes gegenüber unserem Haus. Wir waren kaum 5 Minuten im Keller, als auch schon dichter Rauch in den Raum drang. Das Treppenhaus war nicht mehr benutzbar und wir mussten durch ein kleines Kellerfenster wieder hinausklettern […].16 Friedel Geißler

„…beim Marsch durch Kleinostheim wurden die schweren Zerstörungen entlang der Hauptstrasse sichtbar: Der Marienhof brannte noch. Ein besonders großer Krater war auf der Strasse vor dem Anwesen Stock… Die letzten Sprengbomben fielen in unmittelbarer Nähe unseres Hauses und richteten gewaltige Schäden an und forderten viele Opfer. Einen grausigen Anblick bot das zerstörte Haus der Familie Sauer am Ende der Bayernstrasse. Aus dem Schutt ragte ein Arm heraus. Es war die älteste Tochter Thea. Im Keller dieses Hauses lag unter den Trümmern eine Kuh aus dem nahen Stall von August Wienand. Es wurde darüber gerätselt, wie die Kuh dorthin geschleudert worden war…“17 Hans Brenneis

Insgesamt kann durch eine Auflistung des Bürgermeisters Eisert von Kleinostheim das Ausmaß des Angriffs durch die alliierten Bomber wie folgt deutlich gemacht werden: Bei

15 Ebd. 16 Ebd. S. 22-23. 17 Ebd. S. 24. dem Angriff kamen insgesamt 61 Personen ums leben, davon waren 16 Männer, 23 Frauen und 20 Kinder, elf wurden schwer und 27 Menschen leicht verletzt. An Schäden waren in Kleinostheim folgende zu verzeichnen: Wohn- und Geschäftshäuser: - 44 Gebäude total zerstört; - 25 Gebäude mit Schaden von 40-80 Prozent; - 125 Gebäude mit Schaden bis zu 40 Prozent. Scheunen und Stallungen: - 71 Gebäude total zerstört; - 47 Gebäude mit Schaden von 40-80 Prozent; - 116 Gebäude mit Schaden bis zu 40 Prozent. Landwirtschaftliche Nebengebäude, Waschküchen usw.: - 47 Gebäude total zerstört; - 14 Gebäude mit Schaden von 40-80 Prozent; - 55 Gebäude mit Schaden bis zu 40 Prozent18. Bei den öffentlichen Gebäuden waren die Schule und das Gemeindebackhaus am stärksten betroffen. Sie hatten Volltreffer zu verzeichnen. Die Kleinostheimer St. Laurentiuskirche trug schwere Schäden von dem Angriff davon. Der Ort an sich war mit Bombentrichtern übersät. Es wurden durch den Angriff zunächst 308 Menschen obdachlos. Um bei den Bergungs- und Aufräumarbeiten zu helfen, kamen Soldaten aus Aschaffenburg und weitere Arbeitskräfte aus Stockstadt, und Dettingen, den umliegenden Ortschaften, nach Kleinostheim.19 Vor allem die Bergung der Toten stellte eine schwierige Aufgabe dar. Sie erforderte von den damit befassten Menschen Durchhaltevermögen und Schwerstarbeit. Durch die bittere Kälte und die ständige Behinderung des dichten Schneetreibens war dies schon ein schwieriges Unterfangen. Zusätzlich musste allerdings noch um die schwelenden oder wieder aufflackernden Brände herum gearbeitet werden, um die Opfer zu bergen. Ein großer Raum im Untergeschoss des Rathauses wurde zur Sammelstelle der Geborgenen bestimmt. Dort wurden sie zunächst mit Tüchern zugedeckt. Die Identifizierung der Leichen und das anschließende Einsargen stellte wiederum eine Schwierigkeit dar. Viele der Verstorbenen waren stark verstümmelt. Gegen Mittwochabend waren 55 Tote geborgen, am Donnerstagabend dann insgesamt 60. Gegen Freitagmittag waren alle Vermissten vollständig geborgen worden. Die Beisetzung der Opfer war für den

18 Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000. S. 201-202. 19 Ebd. folgenden Sonntag angesetzt.20 Die Trauerfolge fand um 8:00 Uhr mit der Aufbahrung der Leichen vor dem Rathaus ihren Anfang. Um 9:30 Uhr folgte die Aussegnung durch Pfarrer Joseph Hepp, um 10:00 Uhr wurden die Leichen zum Friedhof transportiert, wo um 15:30 Uhr die Trauerfeier stattfand.21Schon zwei Tage nach dem schrecklichen Bombenangriff hatten sich die Verantwortlichen daran gemacht das Massengrab für die Opfer auszuheben. Da die Bürgerinnen und Bürger Kleinostheims zunächst vor allem damit beschäftigt waren, die Bombenschäden an ihren Häusern und Stallungen zu beseitigen, wurde der Bürgermeister aktiv und bat um Hilfe aus den Nachbargemeinden, um das Grab auszuheben. Schwierigkeiten machte hierbei vor allem der tiefgefrorene Boden, sodass die Toten letztendlich übereinander, statt wie geplant nebeneinander, beigesetzt wurden. Später wurde die Umgestaltung des Massengrabes beschlossen und am 01.11.1953 vom Pfarrer Kleinostheims eingeweiht. 1993 wurde dann der Beschluss bestätigt das Massengrab in eine, für die durch den Bombenangriff getöteten Menschen, würdige Gedenkstätte umzuwandeln. 1995 erhielt diese unter großer Anteilnahme den kirchlichen Segen. Am Sockel des Kreuzes, welches sich über die Anlage erhebt, befindet sich eine Bronzetafel, welche an die Namen der in anderen Gräbern bestatteten Bombenopfer sowie an das tragische Geschehen vom 21.01.1945 erinnern soll.22

2.) Wiederaufbau der zerstörten Kirche Wie bereits erwähnt, wurde bei dem Bombenangriff auch das Kirchengebäude schwer beschädigt. Das Feuer, das die Kirche befallen hatte, konnte zwar gelöscht werden, jedoch waren alle Fenster, Türen und das Dach zerstört worden. Nach einer Kostenschätzung eines Architekten und Bauingenieurs aus Miltenberg wurde die Behebung der einzelnen Schäden folgendermaßen datiert: 1. Das gesamte Dach neu eindecken und ausbessern der Dachstuhlkonstruktion: 3.560,00 DM. 2. Decke neu latten, rohren, verputzen und tünchen: 1.500,00 DM. 3. Wände tünchen: 600,00 DM. 4. 10 Eisenfenster erneuern und einglasen: 2.500,00 DM. 5. 3 Eingangstüren ausbessern bzw. erneuern: 600,00 DM.

20 Hrsg. v. Margret Glaab, Mario Kullmann, Edwin Lang und Herbert Straub: Kleinostheimer Mosaik. Ausgabe Oktober 2004. 21 Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000. 22 Hrsg. v. Margret Glaab, Mario Kullmann, Edwin Lang und Herbert Straub: Kleinostheimer Mosaik. Ausgabe Oktober 2004.

Insgesamt entstanden also Kosten im Wert von 8.760 DM.23 Nach sieben Wochen war die alte Kirche soweit notdürftig hergestellt, dass wieder der Gottesdienst in ihr stattfinden konnte. Während dieser sieben Wochen hatte die Kinderschule im großen Saal als Übergangslösung gedient. Bedingt durch den enormen Bevölkerungszuwachs erwies sich die wiederhergestellte Kirche in den Nachkriegsjahren jedoch als viel zu klein, um die Fülle der Kirchgänger zu fassen. Zuletzt kam es sogar dazu, dass Pfarrer Joseph Hepp mit dem Kaplan Löffler sonntags vier Gottesdienste hielt und nur so die bedrückende Enge überwinden konnte. Bereits vor seinem Amtsantritt in der hiesigem Pfarrkirche im Jahre 1928 wurde Pfarrer Joseph Hepp vom Bischöflichen Ordinariat Würzburg darauf hingewiesen, dass der Neubau einer Kirche für Kleinostheim dringend erforderlich sei. Die Erweiterung der alten Kirche galt als nicht umsetzbar. Der Pfarrer hält in einer handschriftlichen Notiz fest: „Am Donnerstag, 28. März 1946 war Architekt Schädel hier. Erweiterung der alten Kirche kommt nicht in Frage. Pläne für Neubau werden bald erstellt.“24 Am 24.11.1951 wurde zum letzten Mal in der bisherigen Pfarrkirche und nunmehr alten Kirche der Gottesdienst gefeiert. Die Reliquien wurden anschließend aus den Altären entnommen und in die Altäre der neuen Laurentiuskirche eingemauert.25 Man errichtete in den Jahren 1948 bis 1951 am damaligen Ortsrand die neue St. Laurentiuskirche.

3.) Kauf der alten Kirche durch die Gemeinde: Nutzung als Feuerwehrgerätehaus und Rathaus Nachdem die neue Kirche fertig gestellt und eingeweiht worden war, konnte sich lange nicht über die Verwendung des alten Kirchengebäudes geeinigt werden. Die Frage über die weitere Nutzung beschäftigte nun die Verantwortlichen der Gemeinde Kleinostheims. Einige auswärtige Fabrikunternehmen unterbreiteten Pfarrer Hepp verschiedene Angebote. Da die Kirche jedoch bereits Jahrhunderte lang den Mittelpunkt des Dorfes darstellte und nicht zu privaten oder kommerziellen Zwecken genutzt werden sollte, drängte der Pfarrer in einem Schreiben vom 27.01.1952 den Bürgermeister die Kirche zu kaufen. Er schlug sogar einen niedrigeren Preis als den von den Industriellen gebotenen vor. Pfarrer Joseph Hepp wollte damit sicherstellen, dass das Gelände und das Haus an die Gemeinde übergehen und somit der Öffentlichkeit und dem allgemeinen Wohle zur Verfügung ständen. Am 17.12.1952 kam es

23 http://www.aids.bistum- wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/pfarreien/homepages/pfr/kleinostheim/pfarrei/kirchenchronik.pdf. 24 Ebd. 25 Hrsg. Gemeinde Kleinostheim: Musikschule. (Infoheft). dann zur Unterzeichnung des Kaufvertrages zu einem Preis von 18.000 DM. Hierbei wurde zusätzlich die Bedingung des Bischöflichen Ordinariats vereinbart, „dass das Gebäude niemals einem der Würde eines katholischen Gotteshauses zuwiderlaufenden Zwecke zugeführt werden darf.“26 Im Beschluss des Gemeinderats wurde ausdrücklich festgehalten, wie von Pfarrer Hepp erbeten, den Kirchturm als äußeres Wahrzeichen der Gemeinde Kleinostheims zu erhalten. Bei der Entscheidung des Gemeinderats vom 05.11.1952 die alte Kirche von der katholischen Gemeinde zu übernehmen, legte er sich noch nicht endgültig auf den Zweck fest, dem das alte Kirchengebäude nun dienen sollte. Nach dem Protokoll wurde jedoch folgendes festgehalten: Es sei „das Feuerwehrgerätehaus sowie ein Betsaal für die evangelische Kirchengemeinde unter allen Umständen im Gebäude unterzubringen.“ 27 Zunächst wurde von der jungen evangelischen Gemeinde auch Interesse bekundet. Da sich jedoch die Möglichkeit eines eigenen Kirchengebäudes ergab, wurde das Angebot der Gemeinde doch noch abgelehnt. Der zuständige Architekt, Peter Böll, machte dann zur Umgestaltung des Gebäudes den Vorschlag die oberen Räume zur Unterbringung des Rathauses zu nutzen. Die Umbaupläne wurden schließlich am 04.03.1953 vom Gemeinderat genehmigt. Der Baubeginn wurde sodann auf den 27.07.1953 festgesetzt. Als es zu den Ausgrabungen im Kircheninneren kam stieß man auf die Grundmauern der ehemaligen Hubertuskapelle aus dem Jahre 1487 und auf zwei Gräber der früheren Pfarrer Kleinostheims, welche hier bestattet worden waren. Dadurch kam es zu Verzögerungen. Die Skelette wurden zunächst in Särge umgebettet und wenige Tage später zum heimischen Friedhof überführt. Der erste Bauabschnitt, das Feuerwehrgerätehaus, konnte von der Freiwilligen Feuerwehr am Sonntag den 04.07.1954 in Besitz genommen werden. Verbunden mit der Einweihung des neuen Gerätehauses beging die Freiwillige Feuerwehr Kleinostheims ebenfalls ihr 75 jähriges Jubiläum. Das Feuerwehrfest nahm am Samstagabend bereits gegen 20:30 Uhr seinen Lauf. Am Sonntag wurde dann mit dem Festgottesdienst um 9:00 Uhr begonnen und anschließend erfolgte die feierliche Einweihung des Feuerwehrgerätehauses durch Pfarrer Joseph Hepp. Am Montag wurde abschließend den gefallenen und verstorbenen Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr mit anschließender Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal gedacht.28

26 http://www.aids.bistum- wuerzburg.de/bwo/dcms/sites/bistum/pfarreien/homepages/pfr/kleinostheim/pfarrei/kirchenchronik.pdf. S. 13. 27 Hrsg. Gemeinde Kleinostheim: Musikschule. (Infoheft). S.11. 28 Stadt und Stiftsarchiv Aschaffenburg, aus einer Ausgabe des „Main Echo“(ohne Datum). Schon drei Monate später, am Sonntag den 17.10.1954, konnten die Schlüssel für die Räume der Gemeindeverwaltung entgegengenommen werden. Die Einweihung des Rathauses wurde von fast allen Kleinostheimern gespannt verfolgt und gefeiert. Um 13:15 Uhr fand zunächst eine Andacht in der Kirche statt. Anschließend zogen die Kleinostheimer von Musik begleitet zum neuen Rathaus. Nach der Begrüßung durch den Bürgermeister, anschließender Ansprache durch den Gemeinderat und Bericht des Architekten erfolgte auch eine Ansprache Pfarrer Hepps, welcher das Gebäude weihte. Dieser erinnerte an die mehr als 500-jährige Tradition, in der die Kirche als Gotteshaus gedient hatte und betonte: „Gott braucht auch in Zukunft nicht auszuziehen.“29 Damit betitelte er die gefundene Lösung als vorbildlich. Nach Beendigung der Feierlichkeiten durfte die Bevölkerung das repräsentative Gebäude erstmals näher in Augenschein nehmen. „Es gefiel, man hatte nichts auszusetzen.“30 Bereits nach 15 Jahren bedurften die Räume der Gemeindeverwaltung einer Erweiterung. Dank einer Baugenehmigung vom 20.03.1969 kam es zur Einrichtung weiterer Amtsräume im Dachgeschoss des Gebäudes. Jedoch war dies nur eine kurzfristig genutzte Lösung. Im Jahre 1978 erwarb die Gemeinde Kleinostheim dann schließlich ein neues Rathausgebäude, welches auch heute noch Bestand hat. Nach dem Auszug standen die neuen Verwaltungsräume zum 30.09.1978 leer und für neue Zwecke zur Verfügung. Verschiedene Vorschläge kamen gemäß des Gemeinderatsbeschlusses vom 30.06.1978 in Frage. Durchgesetzt hatten sich letztendlich die Vorschläge die öffentliche Bücherei Kleinostheims und eine Musikschule im Gebäude unterzubringen.

IV. Die ehemalige St. Laurentiuskirche in ihrer aktuellen Bestimmung

1.) Musikschule und öffentliche Bücherei Bereits mit Beginn des Schuljahres 1979 / 1980 wurden ohne die Vornahme jeglicher Umbauarbeiten vier Räume im Obergeschoss und fast alle Räume im Dachgeschoss der Musikschule zur Verfügung gestellt. Seit 1930 hatte die katholische Gemeinde St. Laurentius bereits eine öffentliche Bücherei vorzuweisen, sodass der Gedanke einer gegenseitigen Unterstützung nahe lag. Somit nahm man Verhandlungen auf, die auch schon am 05.03.1979 zur Unterzeichnung eines Vertrages führten. Festgehalten wurde hier, dass sich die Gemeinde dazu verpflichtet geeignete Räume für den Zweck der Bücherei zur Verfügung zu stellen. Übergeben wurden die Räume der neuen Bücherei den verantwortlichen Kleinostheimern am

29 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 233, 18.10.1954. 30 Main Echo, Nr. 241, 18.10.1954. 02.03.1980. Dadurch konnte das alte Rathaus weiterhin der Öffentlichkeit und dem allgemeinen Wohle nutzbar gemacht werden. Auch das Feuerwehrgerätehaus fand eine neue Unterkunft und ließ die leeren Räume für die Sanitätskolonne zurück. 1986 wurden die Räume der Erdgeschosswohnung dem Foto- und Filmclub sowie dem Vereinsring zur Verfügung gestellt. Das Obergeschoss teilten sich die Bücherei und die Musikschule. 1995 fanden dann die Sanitätskolonne und der Foto- und Filmclub sowie der Vereinsring ebenfalls neue Unterkünfte. Auch die Bücherei fand bald ein neues Quartier. Nach dieser langjährigen Nutzung für solch vielfältige Zwecke bestand nun die Möglichkeit die alte St. Laurentiuskirche komplett für die Musikschule zur Verfügung zu stellen. Das Gebäude schien geradezu ideal für den Umbau zur Musikschule. Es hatte eine zentrale Lage vorzuweisen und würde als Musikschule eine weiterhin würdige Nutzungsweise erfahren. Da bisher noch keine Umbauarbeiten stattgefunden hatten, befand sich das Gebäude ja gewissermaßen noch im Zustand von 1953, das Dachgeschoss im Zustand von 1969. Der zuständige Architekt veranlasste folglich die vollständige Entkernung des Gebäudes. Der Keller wurde aufgefüllt. So entstand ein ebener und behindertengerechter Zugang zum Gebäude. Der Eingang wurde verlegt, das Treppenhaus neu gebaut und durch einen Aufzug optimiert. In den früheren Fahrzeughallen des Erdgeschosses wurde der Hubertussaal in Erinnerung an den Grundriss der Hubertuskapelle von 1489 errichtet. Er dient bis heute Veranstaltungen kultureller Art. Die festliche Ausgestaltung des Saaleingangs soll die frühere Nutzung als Kirche in Erinnerung rufen. Die Geschichte wird ebenfalls auf einer Bronzetafel im Türgewand des alten Eingangs festgehalten. Die verschiedenen Unterrichtsräume erfuhren eine Ausgestaltung, welche den akustischen Gesichtspunkten der Charakteristik der jeweiligen Instrumente Rechnung trägt. Hierbei seien die Schallschutzfenster und –türen, die Doppelwandkonstruktion, die Verwendung von Teppichware in den Unterrichtsräumen sowie die Anordnung spezieller Schallflächen an Wänden und Decken erwähnt. Die äußere Kirchenform ist übrigens bei allen Umbauarbeiten gleich geblieben. Baudaten: Baubeginn: September 1995. Richtfest: 13. Juni 1996. Einzug: 16. September 1997. Einweihung: 11. Oktober 1997. 1980 war die Musikschule Kleinostheims bereits Mitglied im Verband deutscher Musikschulen (VdM) und im Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen.31 Geweiht und

31 Hrsg. Gemeinde Kleinostheim: Musikschule. (Infoheft). übergeben wurde die alte umgebaute Kirche am 11. Oktober 1997. Der Bürgermeister lobte in seiner Ansprache den gelungenen Umbau der Musikschule. Unter vielen musikalischen Darbietungen und Erinnerungen an die Anfänge des mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes wurde der Eröffnungstag zu einem großen Erfolg.

2.) Die Musikschule heute Die Musikschule in Kleinostheim besteht auch heute noch und wird von vielen, einheimischen sowie auswärtigen Kindern und Jugendlichen besucht, um ihr Trauminstrument zu erlernen. Somit bestehen die Förderung kultureller Bedürfnisse und die Funktion der öffentlichen Zugänglichkeit, also die Grundgedanken des Gebäudes, auch weiterhin. Auch der Hubertussaal im Erdgeschoss steht immer noch für Veranstaltungen kultureller Art zur Verfügung. In den beiden Obergeschossen befinden sich die Unterrichtsräume für Schlagzeuge, Bläser, Streich- und Zupfinstrumente, das Ensemblespiel und Tasteninstrumente sowie im Dachgeschoss die Verwaltung und die Nebenräume.32 Aufnahmen erfolgen immer zum 1. August eines Jahres und das Ende des Schuljahres stellt der 31. Juli dar. Die Unterrichtstunden sind frei wählbar, nach Einzel- oder Gruppenunterricht. Auch der zeitliche Rahmen der Unterrichtsstunden ist variierbar.

V. Präsenz der alten St. Laurentiuskirche im Bewusstsein der Gemeinde

Zur Präsenz der St. Laurentiuskirche in Kleinostheim bei der Bevölkerung ist zu sagen, dass die Kirche wohl ständig, mal stärker mal schwächer, im Bewusstsein der Gemeinde verankert ist. Durch die langjährige Geschichte und die unterschiedlichen Funktionen des Gebäudes erhielt die Kirchengeschichte immer wieder bei Ansprachen oder Zeitungsartikeln, eine gewisse Aktualität. Da der Grundbau der alten St. Laurentiuskirche, die Hubertuskapelle, schon um 1489 eine beliebte Betstätte darstellte, sind die Kleinostheimer stolz auf die lange zurückreichende Tradition und Historie des Gebäudes. Bereits 1708 hatten die Grundmauern der Kirche mehr Gottesdienstteilnehmer angelockt als die zugegebenermaßen außerhalb liegende eigentliche Pfarrkirche des Dorfes. Deshalb kam es zur Erweiterung und 1754 schließlich zur Einweihung der nun ersten St. Laurentiuskirche. Auch ein erneuter Anbau und die Segnung im Jahre 1817 lohnten sich und die Kirche konnte bis zur teilweisen Zerstörung

32 Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000. durch den Bombenangriff im Januar 1945 optimal genutzt und ihrer Aufgabe gerecht werden. Selbst nach dem schrecklichen Ereignis zum Ende des 2. Weltkrieges hin blieb die Kirche ein wichtiger Bestandteil der Gemeinde Kleinostheims und wurde in ihrer Bestimmung erst 1951 von der neuen St. Laurentiuskirche abgelöst. Diese Ablösung erfolgte jedoch vor allem deshalb, weil ein Anbau zur Vergrößerung des ehemaligen Gotteshauses nicht möglich war. Hauptsächlich dem Einsatz des damaligen Pfarrers, Joseph Hepp, ist es zu verdanken, dass das Gebäude, welches so lange als Kirche diente, keinem kommerziellen Zweck zum Opfer fiel, sondern weiterhin seiner Bestimmung gerecht wurde, nämlich der Öffentlichkeit und dem allgemeinen Wohle zur Verfügung zu stehen. Von der Gemeinde wurde das Gebäude erworben und vielen verschiedenen Zwecken zur Verfügung gestellt. Vom Feuerwehrgerätehaus und Rathaus wurde das Gebäude zur Sanitätskolonne und dem Foto- und Filmclub, dann zur Bücherei und Musikschule. Vor allem mit den unterschiedlichen Einrichtungen, welche meist Umbauarbeiten und Einweihungen sowie Segnungen mit sich brachten, gelangte das Gebäude immer wieder ins Bewusstsein und Interesse der Bevölkerung und der Öffentlichkeit. Bei der Einweihung des Feuerwehrgerätehauses sowie des Rathauses fanden Gottesdienste, Feierlichkeiten, Ansprachen und Blicke in die Vergangenheit des Gebäudes statt. Hier wurde immer wieder der langen und tief verwurzelten Tradition der alten St. Laurentiuskirche gedacht und diese gebührend gewürdigt. Auch die regionale Zeitung erwähnte in ihren Artikeln stets die Geschichte des Gebäudes, von den Anfängen der Hubertuskapelle bis zu den entsprechenden, gefeierten Tagen der Einweihungen. Ebenfalls stieß man bei den Umbauarbeiten 1953 ja direkt auf die Vergangenheit des Gotteshauses, als die Grundmauern der Kapelle und die Überreste zweier ehemaliger Pfarrer des Ortes zum Vorschein kamen. Auch hier waren Artikel mit Bildern in der regionalen Zeitung veröffentlicht und Hinweise zur Historie der Kirche erläutert worden. Es gab also ständig bzw. immer wieder Zeiten in denen die alte St. Laurentiuskirche und ihre Geschichte deutlicher in das Bewusstsein der Bevölkerung gerieten. Ebenfalls trugen veröffentlichte Chroniken des Ortes sowie Mitteilungen des Heimat- und Geschichtsvereins mit Informationen, unter anderem über das einstige Gotteshaus, zur Präsenz dieses historischen Ortes bei. Ebenfalls die Funktionen der öffentlichen Bücherei und gerade der Musikschule erinnerten mithilfe von Einweihungsfeiern erneut an die Geschichte der Kirche. Das äußerliche Bild der heutigen Musikschule der Gemeinde Kleinostheims zeigt des Weiteren deutlich noch die Merkmale eines Gotteshauses mit dem charakteristischen Kirchturm und der Kirchturmuhr. Diese Merkmale plus die Gedenktafel aus Bronze im Inneren der Musikschule können die Bürger die Vergangenheit des Gebäudes gar nicht vergessen lassen. Somit ist festzuhalten, dass die Präsenz der alten St. Laurentiuskirche im Bewusstsein der Gemeinde Kleinostheims stets verankert ist und die Erinnerungen an die Vergangenheit immer wieder aufgefrischt werden. Sicherlich wird diese Historie niemals in Vergessenheit geraten.

Literaturverzeichnis

Bus, Erhard: Kleinostheim Fortschritt und Tradition - Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800-2000. Kleinostheim: 2000.

Lang, Edwin: Biografie Pfarrer Joseph Hepp. Kleinostheim: 1999.

Wegner, Günter: Kleinostheim Dokumente und Beiträge zu seiner Geschichte. Kleinostheim: 1975.

Hrsg. Gemeinde Kleinostheim: Musikschule. (Infoheft)

Hrsg. v. Margret Glaab, Mario Kullmann, Edwin Lang und Herbert Straub: Kleinostheimer Mosaik. Ausgabe Oktober 2004.

Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 233, vom 18.10.1954.

Main Echo, Nr. 241, vom 18.10.1954.