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„Wunderwaffen“ und „Endsieg“: Letzte Illusionen der NS-

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Maximilian Herbert Franz Mubi

am Institut für Geschichte Begutachter: Univ.-Dozent Dr. phil. Martin Moll

Graz, 2019

EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Datum Unterschrift

I

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei einigen Menschen bedanken, die mich im Laufe meines Studiums, aber auch während des Verfassens meiner Diplomarbeit unterstützt haben.

Univ.-Dozent Dr. Martin Moll…

…für die fachlich kompetente und umfangreiche Betreuung meiner Diplomarbeit. Sie hatten stets ein offenes Ohr für mich und antworteten in Windeseile auf E- Mails.

Mama und Papa…

…dafür, dass ihr mich in jeder Lebenslage unterstützt habt. Durch euren Halt und eure Unterstützung habe ich nie das Vertrauen in mich verloren. Ihr habt mich in schwierigen Zeiten motiviert, aufgerichtet und mir das Erlebnis „Studium“ ermöglicht.

Onkel Fritzi…

…du warst von klein auf mein bester Freund und engster Wegbegleiter. Nicht nur deine finanzielle Unterstützung, sondern dein Vertrauen in meine Entscheidungen sowie dein Rat in schwierigen Situationen waren für mich von großer Bedeutung.

Freunde…

…durch euch wurde mein Studium in Graz zu einer ganz besonderen Zeit. Auch im Endspurt meines Studiums wart ihr mit Rat und aufmunternden Worten immer zur Stelle. (Prost!)

Danke!

II

Kurzfassung

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Wunderwaffenpropaganda der Deutschen und der durch sie verheißenen Kriegsentscheidung bzw. dem „Endsieg“ im Zweiten Weltkrieg. Dazu wird ein Überblick über das Propagandaverständnis führender Nationalsozialisten sowie des Apparats dahinter gegeben. Zusätzlich werden Produktion, Forschung und Kriegseinsatz der Fernraketen näher beleuchtet. Der quantitativen Überlegenheit des Feindes versuchte man durch die Qualität der eigenen Technik entgegenzuwirken. Aus diesem Grund wurden führenden Wissenschaftlern und Ingenieuren Forschungsanlagen und Teststrecken zur Verfügung gestellt, wo sie frei von bürokratischen Hemmnissen an neuen Projekten arbeiten konnten. Geforscht wurde zu allen Bereichen der Massenvernichtung, allerdings setzten sich die Fernraketen durch. Die Fernraketen, die später als Vergeltungs- oder Wunderwaffen propagiert wurden, schafften im Zweiten Weltkrieg weder eine Vergeltung noch ein Wunder. Durch sie gelang es aber, die Moral der deutschen Bevölkerung aufrechtzuerhalten; bis kurz vor Kriegsende waren sie die größte und einzige Hoffnung auf eine Wende. Durch den Einsatz der Vergeltungswaffen konnten den Briten zwar schmerzhafte Nadelstiche zugefügt werden, die unter gewissen Umständen sogar größer ausfallen hätten können, eine Kriegsentscheidung war damit aber nicht möglich. Die Propaganda erlebte in der Zeit des Nationalsozialismus ihre größte Emotionalisierung und ihre Versprechungen verfestigten sich in der gesamten Bevölkerung. Wenngleich das Grundverständnis von Propaganda im Nationalsozialismus als eine einfache Lüge gesehen wurde, entsteht der Eindruck, führende Nationalsozialisten glaubten zeitweise selbst an die propagierte Kampagne. Für die Masse der deutschen Bevölkerung hat die Wunderwaffenpropaganda eine bedeutende Rolle gespielt. Die Propaganda war das Mittel zur Betäubung des gesunden Menschenverstandes und verhinderte logische Schlussfolgerungen der Bevölkerung. Nach dem Krieg erfolgten auf der technischen Basis der Wunderwaffen tatsächlich Wunder wie die Mondlandung.

III

Abstract

This diploma thesis deals with the miracle weapon propaganda of the Germans and the promised “Endsieg” (final victory) in the Second World War. In addition, an overview of the propaganda understanding of leading National Socialists and the apparatus behind it is presented. Further, the production, research and war operation of long-range missiles are examined in more detail. The Germans attempted to counter the quantitative superiority of the Allies by the quality of German technology. Leading scientists and engineers were provided with research facilities and test tracks, where they could work on new projects free of bureaucracy. Such research took place in all areas that allowed mass extermination, but long-range missiles prevailed. The long-range missiles, which were later propagated as retaliatory or miracle weapons, created neither retaliation nor a miracle during World War II. However, they managed to maintain the morale of the German population. Until shortly before the end of the war, they were the greatest and single hope for a turnaround. Using retaliatory weapons, the Germans were able to inflict painful needle punctures on the British, which under certain circumstances could have been even greater, but a war decision was not possible.

Propaganda experienced its greatest emotionalization during the National Socialist era and was consolidated throughout the population. Even if the basic understanding of propaganda in National Socialism was seen as a simple lie to convince the population, the impression arises that people believed in the propagated campaign. Wonder weapon propaganda played an important role for the bulk of the German population. Propaganda was the narcotic for common sense and prevented logical conclusions of the population. After the war’s end, engineers could actually perform miracles like the moon landing on the technical basis of former miracle weapons.

IV

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 1

1.1 Forschungsfrage ...... 2

1.2 Disposition der Arbeit ...... 2

2. Der Begriff „Propaganda“ ...... 4

2.1 Etymologie und historischer Werdegang des Begriffs ...... 4

2.2 Definition(en) von Propaganda ...... 5

2.3 Anfänge der Propaganda im Nationalsozialismus ...... 8

3. Der Propagandaapparat im Deutschen Reich ...... 11

3.1 Sprache im Nationalsozialismus ...... 11

3.2 Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) ... 13

3.3 Lenkung der Medien...... 16

3.3.1 Radio ...... 16

3.3.2 Presse ...... 18

3.3.3 Film ...... 19

4. Fertigung und Serienproduktion der Wunderwaffen ...... 21

4.1 Anfänge der Raketenforschung in ...... 21

4.2 Heeresversuchsanstalt Peenemünde...... 22

4.3 Kenntnisse der Briten über Peenemünde ...... 24

4.4 Das Unternehmen „Hydra“ ...... 25

4.5 /Mittelbau-Dora ...... 26

5. Die Vergeltungswaffen ...... 29

5.1 V-1 Rakete ...... 29

5.1.1 Entstehung ...... 29

5.1.2 Technische Informationen ...... 29

V

5.1.3 Produktion ...... 30

5.1.4 Kriegseinsatz ...... 31

5.1.5 Weiterentwicklung ...... 32

5.2 V-2 Rakete ...... 33

5.2.1 Entstehung ...... 33

5.2.2 Technische Informationen ...... 34

5.2.3 Produktion ...... 35

5.2.4 Kriegseinsatz ...... 37

5.2.5 Weiterentwicklung ...... 38

6. Nationalsozialistische Propaganda am Beispiel der V-Kampagne ...... 39

6.1 Ursprung des deutschen „V“: Die V-Aktion ...... 41

6.2 Neue Waffen und Vergeltung ...... 42

6.2.1 Geheimressort „Schwarz van Berk“ ...... 48

6.2.2 Das Versprechen einer nahen Vergeltung ...... 50

6.2.3 Schuldzuweisungen ...... 53

6.2.4 Enttäuschung zu Weihnachten 1943 und die Hoffnung auf das

nächste Jahr ...... 54

6.3 Die Propaganda zum Ersteinsatz der V1 ...... 57

6.3.1 Darstellung des Ersteinsatzes in den österreichischen Zeitungen .... 58

6.3.2 Konflikt mit Reichspressechef ...... 60

6.3.3 Berichterstattung im Ausland am Beispiel der NS-

Propagandazeitschrift „Signal“ ...... 62

6.4 Das Einbremsen der Propaganda ...... 63

6.4.1 Goebbelsʼ Sicht der Wirkung der ...... 64

6.4.2 Die bestehende Frage der Vergeltung ...... 66

6.5 Auf dem Boden der Realität ...... 67

VI

6.6 Die nächste Vergeltungswaffe, bitte! ...... 72

6.7 Die Propaganda zum Einsatz der V2 ...... 74

6.8 Das Ende der V-Kampagne ...... 76

6.9 Zeitzeugenberichte nach dem Krieg ...... 78

6.9.1 Hoffnungsvolle Stimmen ...... 78

6.9.2 Kritische Stimmen ...... 79

6.10 Darstellung der V-Propaganda in der Deutschen Wochenschau ...... 81

6.10.1 Deutsche Wochenschau Nr. 725 ...... 82

6.10.2 Deutsche Wochenschau Nr. 730 ...... 82

6.10.3 Deutsche Wochenschau Nr. 737 ...... 84

6.10.4 Deutsche Wochenschau Nr. 747 ...... 85

6.10.5 Deutsche Wochenschau Nr. 749 ...... 85

7. Fazit ...... 86

8. Quellen ...... 90

8.1 Zeitungen ...... 90

8.2 SD-Berichte ...... 92

8.3 Internetquellen ...... 92

8.3.1 LeMO ...... 92

8.3.2 Deutsche Wochenschau ...... 94

8.3.3 Sonstige ...... 95

9. Literaturverzeichnis ...... 96

9.1 Zeitschriften ...... 100

10. Abbildungsverzeichnis...... 100

VII

1. Einleitung

Im Zweiten Weltkrieg gab es für viele militärische und politische Instrumente eine Erstauflage. Im Konflikt mit den Alliierten war der deutschen Führung jedes Mittel zur Erlangung des gewünschten „Endsiegs“ recht. Deshalb investierte man viel Geld, Material und Personal in die Entwicklung sogenannter Wunder- bzw. Geheimwaffen. Man kaufte ganze Dörfer auf, errichtete dort Versuchsanstalten, Fabriken und Wohnstätten für das Personal und verlagerte in weiterer Folge die Produktion und Entwicklung in unterirdische Tunnelsysteme, in denen Zwangsarbeiter und Gefangene unter schlimmsten Bedingungen arbeiten mussten.

Lange Zeit hindurch forschte man auf zahlreichen Gebieten ohne wirklichen Fokus auf ein Projekt – in der Hoffnung, der quantitativen Überlegenheit des Gegners durch Wunderwaffen entgegenwirken zu können. Beispielsweise suchte man nach Massenvernichtungswaffen sowohl im chemischen als auch im biologischen Bereich. Zudem gab es Überlegungen für die Entwicklung der Atombombe, die den Deutschen allerdings aus materiellen Gründen verwehrt blieb. Am meisten versprach man sich deshalb von der Entwicklung von Fernraketen. Diese sollten Angriffe auf Ziele in Großbritannien und Amerika ermöglichen und den Krieg in den Westen verlagern. Der Entwicklung dieser Fernraketen, den sogenannten Vergeltungswaffen bzw. V-Waffen, kam im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle zu. Sie bildeten die wahre Grundlage, auf denen die Propaganda aufbaute, um ihre Lügen zu verbreiten. Man propagierte neue Waffen, die eine Vergeltung und eine schnelle Kriegsentscheidung herbeiführen würden. Je enger sich im Kriegsverlauf der Kreis um die Deutschen schloss, desto mehr sprach man von einem Wunder und den neuen Waffen, die dieses Wunder herbeiführen sollten. Wenngleich führende Ingenieure von einer Vergeltungskampagne abrieten und sich sicher waren, dass diese Waffen keine Kriegswende herbeiführen würden, entschloss man sich dazu, die technischen Entwicklungen für die eigene Propaganda zu verwenden.

1

„Warum haben die Deutschen so lange gekämpft? Weil man ihnen Wunderwaffen versprach, die angeblich auch die verzweifeltste Lage mit einem Schlage ändern würden. Wer hat dieses Versprechen gegeben? Die Propaganda.“1

Verantwortlich für diese Wunderwaffenpropaganda war vor allem Propagandaminister . Das Ziel seiner Propaganda bestand darin, die Feinde einzuschüchtern und die eigene Bevölkerung zu moralisieren und zu emotionalisieren. Für ihn war Propaganda ein Instrument, das für viele Massenmedien tauglich war, um gezielt Lügen unter der Bevölkerung zu verbreiten. Dies leitet zur Forschungsfrage über.

1.1 Forschungsfrage

Folgende Frage soll im Rahmen dieser Diplomarbeit beantwortet werden:

- Wie entwickelte sich die Wunderwaffenpropaganda im Kriegsverlauf und wie war die Wahrnehmung dieser Versprechen in der Bevölkerung und in der NS-Führung selbst?

1.2 Disposition der Arbeit

Im ersten Kapitel dieser Diplomarbeit erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Propaganda. Dieser Begriff hat eine lange Geschichte und viele Umwertungen erlebt. Vor allem aber in der Zeit des Nationalsozialismus vollzog sich die größte Umwertung dieses Begriffs, was ihn heute für einige Sprachwissenschaftler zu einem zu emotional besetzten Terminus macht. Außerdem sollen verschiedene Definitionen gegeben werden, um ein Verständnis für die Weite des Begriffs zu schaffen. Aus dieser Sicht ist es auch notwendig, das Verständnis des Begriffs innerhalb der nationalsozialistischen Führung zu besprechen. Das darauffolgende Kapitel geht auf die Sprache im Nationalsozialismus, vor allem aber auf den Propagandaapparat und die Lenkung der Massenmedien, ein. Es soll aufzeigen, welche Mittel der Massenkommunikation zur Verfügung standen und wie das Medienkonsumverhalten der deutschen Bevölkerung aussah. Anschließend wird

1 Springer: Fritzsche. S. 238. 2

im nächsten Kapitel auf die Produktion, Forschung und Herstellung der sogenannten Wunderwaffen eingegangen. Die Raketenforschung hatte ihre Anfänge lange vor dem Zweiten Weltkrieg und zog sich über mehrere Etappen bis in den Krieg hinein. Der Einblick in diese Produktions- und Forschungsstätten gibt Aufschluss über die Verhältnisse, unter denen die Entwicklung der Wunderwaffen stattfand. Danach werden die vermeintlichen Wunderwaffen, Vergeltungswaffe 1 und 2 (V1, V2), näher vorgestellt. Technische Informationen und militärische Operationen mit diesen Waffen zeigen weniger Wunder als erwartet. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf der sogenannten Vergeltungskampagne. Diese wurde mithilfe neuer Waffentechnologien geführt und täuschte dem Volk eine klare Überlegenheit mit sicherer Vergeltung und Kriegsentscheidung vor. Es soll dargestellt werden, wie man die Propaganda in Abstimmung mit den Waffen ausrichtete und welche Eindrücke man damit in der Bevölkerung Deutschlands hervorrief. Abschließend gibt ein kurzes Kapitel Aufschluss darüber, was mit den technologischen Wundern nach dem Krieg passiert ist und welche Wunder tatsächlich noch stattgefunden haben. Dies führt zu einem Fazit, das die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfasst.

3

2. Der Begriff „Propaganda“ 2.1 Etymologie und historischer Werdegang des Begriffs

Das Wort Propaganda (aus dem Lateinischen übersetzt: „ausstreuen“, „ausbreiten“) geht zurück auf eine Institution der Katholischen Kirche, die auch heute noch existiert: die Kongregation für die Verbreitung des Glaubens, im lateinischen Original: die „sacra congregatio de propaganda fidei“, die 1622 von Papst Gregor XV. gegründet wurde. Erstmals in der Geschichte wurde der Begriff Propaganda auf den Bereich der Kommunikation angewendet. Das Ziel dieser Gründung war es, eine Professionalisierung der Missionstätigkeit von katholischen Geistlichen während der Gegenreformation zu erreichen. Während der Begriff Propaganda aufseiten der katholischen Anhänger positiv konnotiert war, hinterließ er bei den Protestanten einen negativen Eindruck. Dieser Eindruck änderte sich aber spätestens, als die Protestanten ebenfalls den Begriff Propaganda für ihre Missionstätigkeit verwendeten.2

In der Epoche der Aufklärung wurde der Begriff Propaganda von aufklärerischen Publizisten mit den geheimen Machenschaften der Herrschaftseliten assoziiert, was den Begriff wiederum negativ besetzte. Eine erste Aufwertung der Kommunikationstechnik Propaganda vollzog sich während der Französischen Revolution als politischer Aktionsbegriff der Jakobiner. Unter ihnen war Propaganda das „Synonym für ein selbstverständlich in Anspruch genommenes revolutionäres Interventionsrecht, das von der Propaganda seinen Ausgang nehmen sollte.“3 Dadurch entstand in der Bevölkerung der Gedanke, was wäre, wenn auch andere Großmächte ihre politischen Überzeugungen und Grundsätze in einem anderen Land, womöglich noch im eigenen, propagieren würden. Schließlich hätte niemand das Recht, die Technik Propaganda exklusiv für sich zu beanspruchen.

Das nächste Beispiel einer positiven Besetzung des Begriffs Propaganda findet sich in der deutschen Arbeiterbewegung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurde laut Propagandatheoretiker Willi

2 Vgl. Bussemer: Propaganda. S. 25. 3 Ebda. 4

Münzenberg aufseiten der sozialistischen Bewegung der Begriff als „etwas Großes, Wertvolles, Geistiges, Wissenschaftliches“4 interpretiert. Parallel dazu entwickelte sich eine positive Bedeutung in den bürgerlichen Kreisen als Geschäfts- und Wirtschaftssprache. Propaganda wurde nahezu synonym mit den Begriffen Anzeige bzw. Reklame verwendet.5 Im Gegensatz dazu beschreibt Propagandaforscher Johann Plenge zur selben Zeit in seinem Werk Deutsche Propaganda eine weitere Etymologie des Begriffs Propaganda. Er sieht den Ursprung des Terminus im lateinischen pangere, gleichbedeutend mit „einschlagen“, „einstecken“ oder „Grenzpfähle weiterstecken“.6 Wenn man die Semantik der Wörter „einschlagen“ und „Grenzpfähle“ näher betrachtet, erkennt man, dass der Begriff Propaganda mit einem Anschlag auf eine Bevölkerung jenseits der eigenen Grenzen in Verbindung gebracht wird. Plenge verstand unter Propaganda die „Verbreitung geistiger Antriebe, die Handlungen auslösen sollen.“7

Erst im Zuge des Ersten Weltkriegs wurde der Begriff Propaganda wieder politisiert bzw. militarisiert. Es handelte sich dabei um eine kommunikative Technik, die von geschulten Militärs verwendet wurde, um von bestimmten Ereignissen auf dem Schlachtfeld oder an der Heimatfront gezielt zu berichten. Diese Politisierung und Militarisierung brachten ebenfalls eine Verengung des Propagandabegriffs mit sich und zeigten sich im Bereich von kurzfristigen und konkreten Zielen, das heißt der Diffamierung des Gegners bzw. der Rechtfertigung einer militärischen oder politischen Maßnahme. Eine endgültige Trennung zwischen Propaganda und Werbung etablierte sich aber erst in den 1930er Jahren auf Druck der Nationalsozialisten.8

2.2 Definition(en) von Propaganda

Nach Bussemer lassen sich (mindestens) vier Ausprägungen von Propaganda erfassen und unterscheiden:9

4 Münzenberg: Propaganda als Waffe. S. 10. Zitiert nach: Bussemer: Propaganda. S. 26. 5 Vgl. Bussemer: Propaganda. S. 26. 6 Vgl. Johann Plenge: Deutsche Propaganda. S.10ff. 7 Ebda. S. 13. 8 Vgl. Bussemer: Propaganda. S. 26. 9 Vgl. ebd. S. 35ff. 5

1. Kriegspropaganda. Sie wird zur Schwächung der gegnerischen Truppen und zur Moralstärkung der eigenen Truppen von Militärs als Teil der unmittelbaren Kriegsführung betrieben. Bei der Kriegspropaganda werden Techniken wie Täuschung und Desinformation als Mittel der Kriegsführung verwendet. Bei ihr handelt es sich um die häufigste Form in der Propagandageschichte. 2. Auslandspropaganda. Der Begriff public diplomacy setzt sich für Auslandspropaganda immer stärker durch. Diese Form behandelt die Propaganda als die Darstellung eines Staates auf der internationalen Bühne. Die Gründe für Auslandspropaganda sind ökonomische und strategische Interessen sowie Sicherheitsbedürfnisse und Auslandskulturarbeit. 3. Soziologische Propaganda. Damit bezeichnet man alle Versuche von Herrschenden, ihre Normen international auszubreiten, um so den Führungsanspruch zu behaupten. Sowohl die sowjetischen Kommunisten als auch die Nationalsozialisten propagierten das Ideal des „neuen Menschen“. 4. Politische Propaganda in Demokratien. Darunter versteht man strategische Formen der verschiedenen Parteien, um Zustimmung bei den nächsten Wahlen zu gewinnen.

Anne Morelli ist der Meinung, dass auch der kommende Krieg als Kampf zwischen Gut und Böse propagiert und am Ende die Tinte von Wissenschaftlern benutzt wird, um das Blut der Märtyrer fließen zu lassen. Unter den zehn Prinzipien der Kriegspropaganda versteht Morelli:10

1. Wir wollen keinen Krieg 2. Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld 3. Der Feind hat dämonische Züge (Teufel vom Dienst) 4. Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige Ziele 5. Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten. Wenn uns Fehler unterlaufen, dann nur versehentlich

10 Morelli: Prinzipien. S. 5. 6

6. Der Feind verwendet unerlaubte Waffen 7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm 8. Unsere Sache wird von Künstlern und Intellektuellen unterstützt 9. Unsere Mission ist heilig 10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter

Anhand dieser zehn Punkte Morellis lässt sich die Absicht der Kriegspropaganda schön aufzeigen. Einerseits ist man darum bemüht, das Volk für die eigenen Absichten zu gewinnen und zugleich die Absichten und Methoden der Feinde schlechtzureden. Andererseits möchte man durch Unterstützung von Religion, Kultur und Wissenschaft die Bevölkerung auf die Richtigkeit des eigenen Vorgehens einschwören und parallel dazu keine kritische Berichterstattung zulassen. Es verwundert daher nicht, dass es im 21. Jahrhundert Kommunikationswissenschaftler gibt, die dafür plädieren, den Begriff Propaganda aus dem wissenschaftlichen Wortschatz zu streichen:

„Es fragt sich daher, ob man überhaupt an einem allgemeinen Begriff der Propaganda festhalten soll, der so extrem unterschiedliche Sachverhalte betrifft wie die Verbreitung religiöser Überzeugungen und Wahrheiten an dem einen, revolutionär terroristischer Parolen an dem anderen Ende der Skala. In unserem heutigen Verständnis von demokratischer Politik haben Emotionen keinen legitimen Platz mehr, aber Propaganda arbeitet in erster Linie mit emotionalen Mitteln. Ich plädiere daher letztlich dafür, Propaganda als einen vorwissenschaftlichen und somit im strengen Sinn unbrauchbaren Begriff auf sich beruhen zu lassen.“11

Der Werdegang des Begriffs Propaganda zeigt, dass es sich um einen Terminus handelt, der aufgrund seiner vielen unterschiedlichen Verwendungen in der Vergangenheit leicht missverstanden werden kann. Dieses Missverständnis ist aber auch heute noch existent und erklärt sich durch die schwierige Abgrenzung zu vielen eng verwandten Begriffen wie Werbung, Public Relations (PR), Öffentlichkeitsarbeit, Persuasion oder politische Kommunikation.12 Für Bussemer gibt es aber nach wie vor einen Unterschied zwischen den Begriffen, vor allem in der zeitlichen Verwendung.13 Ob der Terminus Propaganda heute

11 Ronneberger: Besprechung. S. 100. 12 Vgl. Bussemer: Propaganda. S. 24. 13 Vgl. ebda. 7

noch die gleiche Bedeutung hat wie in der Vergangenheit, ist kritisch zu hinterfragen, allerdings muss er in seinem historischen Kontext betrachtet werden und benötigt daher eine allgemeingültige Definition, die dies ermöglicht:

„Bei Propaganda handelt es sich um die systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen.“14

2.3 Anfänge der Propaganda im Nationalsozialismus

Vor dem Zweiten Weltkrieg definierte der britische Schriftsteller Aldous Huxley die Propaganda wie folgt:

„Propaganda gives force and direction to the successive movement of popular feeling and desire; but it does not do much to create these movements. The propagandist is a man who canalises an already existing stream. In a land where there is no water, he digs in vain.“15

Die Propaganda im Dritten Reich war kein Prozess, der darauf abzielte, die gesamte Bevölkerung einzufangen und zu bekehren, vielmehr zielte die Propaganda NS-Deutschlands darauf ab, die Volksgemeinschaft zu etablieren und zu festigen.16 In weiterer Folge galt es auch, das eigene Volk zu manipulieren, zu lenken und zu besänftigen.

Schon nach dem Hitler-Ludendorff-Putsch 1923 war für die Propaganda von höchster Wichtigkeit, sie sei alles, was zählt. Er verfolgte nach dem gescheiterten Putsch eine Legalitätstaktik und baute seine breite Anhängerschaft durch gezielte Propaganda auf.17 In seinem Buch beschrieb er die Propaganda als Instrument der politischen Agitation. Vor allem bei sozialistisch-marxistischen Organisationen und dem Wiener Bürgermeister Karl Lueger habe er dieses Instrument beobachtet und dessen Einsatz schnell verstanden.18 Propaganda sollte nach Hitler in erster Linie „auf das Gefühl

14 https://www.duden.de/rechtschreibung/Propaganda. 15 Huxley: Notes on Propaganda, in: Harper’s Magazine 174 (Dezember 1936). S. 39. Zitiert nach Welch: Reich. S. 9. 16 Vgl. ebda. 17 Vgl. Balfour: Propaganda in War. S. 11. 18 Braun: Sprachstil. S. 203. 8

gerichtet sein und nur sehr bedingt auf den sogenannten Verstand“19; außerdem hatte sie „volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt.“20 Aus diesem Grund müsse „ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll“.21 Hitlers Theorien über Propaganda wurden erstmals im Jahr 1925 in der NSDAP- Zeitung „Völkischer Beobachter“ in kleiner Auflage in München in die Praxis umgesetzt. Die Nationalsozialisten hatten diese bereits um 1920 gekauft, allerdings wurde sie nach dem Putschversuch erst wieder am 26. Februar 1925 – dem offiziellen Datum der Wiedergründung der NSDAP – produziert und gelesen. Innerhalb von nur zwei Monaten begann die Auflage der Zeitung zu steigen, bis sie 1929 26.715 Stück erreichte. Die Themen dieser Zeitung waren im Gegensatz zu anderen Medien: Juden, Bolschewisten, die Erniedrigung durch den Versailler Vertrag, die Probleme des Weimarer Parlamentarismus sowie NS-Slogans wie „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“.22 Dementsprechend ist Hitlers Propaganda für die Massen leicht zu beschreiben: Sie musste einfach sein, oft wiederholt werden und der Schwerpunkt sollte auf der Emotionalisierung liegen. Diese Emotionalisierung appellierte vor allem an Gefühle wie Hass oder Rachsucht.

Obwohl die Mitgliederzahl der NSDAP 1927 deutschlandweit nur 72.950 Personen betrug, gründete Joseph Goebbels in eine Wochenzeitung namens „“. Wie der Titel der Zeitung schon verrät, wurden darin politische Gegner angegriffen und antisemitische Stimmungen erzeugt, um die Juden für die Übelstände der Weimarer Republik verantwortlich zu machen. Das Motto der Zeitung lautete: „Für die Unterdrückten, gegen die Ausbeuter!“ Ende 1930 erschien „Der Angriff“ täglich. Er führte eine Kampagne gegen Minderheiten, vor allem die Juden. Dies zeigt sich an einem weiteren, oft verwendeten Slogan: „Deutschland erwache, Juda verrecke!“23

19 Hitler: Mein Kampf. S. 197. 20 Ebda. S.198. 21 Ebda. 22 Welch: Reich. S. 12. 23 Vgl. ebda. S. 13. 9

Neben dem Antisemitismus und dem Antiparlamentarismus transportierte man über die nationalsozialistische Propaganda eines der wichtigsten Themen, den Führerkult. Dieser beschrieb Adolf Hitler als charismatischen Übermenschen sowie als Mann des Volkes. Die Reichweite der nationalsozialistischen Zeitungen war sehr begrenzt. „Der Angriff“ reichte nicht über die Grenzen hinaus und der „Völkische Beobachter“ war limitiert auf Berlin und München. Nachdem Alfred Hugenberg, der Pressebaron und Vorsitzender der DNVP, die Universum-Film- Aktiengesellschaft (UFA) gekauft hatte, die größte deutsche Filmgesellschaft, wurden die sozialen und politischen Aktivitäten der NSDAP regelmäßig in deren Kinos einer großen Zuschauerschar präsentiert.24 Die nationalsozialistische Propaganda war bis zu diesem Zeitpunkt durch den geschickten Einsatz von Rhetorik und die Manipulation von Versammlungen gekennzeichnet. Dabei wurden eigene Versammlungen gefördert und jene von politischen Gegnern gestört. Ein Beispiel dafür ist die Demonstration gegen den Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“. Da bei allen Vorstellungen von den Nationalsozialisten demonstriert wurde, strich man den Film aus dem Programm, um die Lage zu beruhigen. Die Umstände für den Aufstieg der Nazis wurden nach und nach günstiger. Nicht nur Hugenbergs Presse- und Filmimperium war ausschlaggebend für die Legitimation der Partei, sondern auch die deutsche Wirtschaft, die wertvolle Ressourcen zur Verfügung stellte, durch welche die Partei ihre Propagandakampagne intensivieren konnte. Auch die technische Entwicklung half bei der Verbreitung der Propaganda. So wurden beispielsweise Mikrofone und Lautsprecher Standard für Veranstaltungen der NSDAP.25 Die Nationalsozialisten schafften es mit ihrer Propaganda, alle Bürger, vor allem aber den Mittelstand, anzusprechen. Dieser fürchtete in der Weimarer Republik um seine Stellung und sah den Nationalsozialismus als Retter des Kapitalismus.

24 Ebda. 25 Ebda. 10

3. Der Propagandaapparat im Deutschen Reich 3.1 Sprache im Nationalsozialismus

Im Jahr 1880 erschien in Leipzig ein schmaler Band mit 187 Seiten und etwa 28.000 Stichwörtern, ein „Vollständiges Ortographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“. Der Verfasser dieses Buches war kein anderer als Konrad Duden. Das Buch erlebte Neuauflage auf Neuauflage und erfreute sich großer Beliebtheit in der Bevölkerung. 1934 veränderte sich der Duden unter dem Einfluss der Nationalsozialisten. Der Nationalsozialist Otto Basler ersetzte Theodor Matthias als Herausgeber und mit ihm kam die Veränderung. Zwar sind Titel und Untertitel beinahe gleichgeblieben, allerdings wurde das Wort „Deutschland“ durch „Deutsches Reich“ ersetzt. Wörter wie NSDAP, SA und SS fanden plötzlich ihren Platz im Duden und auch Neuwörter wie BdM, HJ, Kraft durch Freude und viele mehr wurden registriert. Die Auflage von 1934 wies jedoch erhebliche Lücken bei der Beschreibung des Wortes Propaganda auf. Dieser Begriff wurde durch Tributsabkommen oder Zinsknechtschaft erklärt. Der Fehler dürfte allerdings an der Unkenntnis des Verfassers liegen. Die politischen Tendenzen des Dudens zeigen sich auch an den verschiedenen Kompositabildungen mit Bestandteilen des nationalsozialistischen Sprachgebrauchs. Als Beispiel können die Wortbestandteile „Reich“ und „Volk“ gelten. Mit dem Wort „Reich“ wurden im Jahr 1929 nur 35 Wörter gebildet, 1934 bereits 60 und 1941 sogar 141 Wörter. Beispiele dafür sind „reichsdeutsch“, „Reichsamt“ oder „Reichswirtschaftsrat“.26 Fünf Typen des Sprachwandels sind insgesamt zu beobachten:27

1. Reaktivierung ungebräuchlicher Wörter („Reaktionslager“) 2. erstmals explizierte Wordbedeutungen („welschen“) 3. völlige Bedeutungsveränderung („Faschismus“, „Propaganda“, „Feminismus“) 4. teilweise Bedeutungsveränderung („Kommunismus“) 5. zusätzliche Nebenbedeutungen („Arier“)

26 Vgl. Sauer: Duden. S. 104-106. 27 Ebda. S. 112f. 11

In seiner zweiteiligen politisch-ideologischen Programmschrift Mein Kampf hat Adolf Hitler den Grundbaustein für eine nationalsozialistische Sprache gelegt und seine Weltanschauung dargestellt. Bei der Sprache des Nationalsozialismus handelt es sich um eine agitatorische Sprache, die nach dem Muster von Goebbels und Hitler für das Dritte Reich nachgebildet wurde.28 Um die eigene Ideologie zu verbreiten, forcierte man zudem die Verbreitung der deutschen Sprache. Wie stark dies gelang, zeigen die nächsten beiden Abbildungen:

Abbildung 1: Verbreitung der deutschen Sprache im Jahr 1933

Innerhalb von nur neun Jahren verbreitete sich die deutsche Sprache und damit die deutschen Ideen in Gesamteuropa. Ähnlich verhält es sich mit Deutsch als Schulsprache.29

28 Vgl. Braun: Sprachstil, S. 143. 29 Vgl. Scholten: Sprachverbreitungspolitik. S. 341f. 12

Abbildung 2: Verbreitung der deutschen Sprache im Jahr 1942

3.2 Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP)

Am 12. März 1933 wurde das RMVP durch ein Dekret des Reichspräsidenten gegründet. Die Aufgabe dieser Institution bestand darin, die Bevölkerung über die Politik der Reichsregierung und den Wiederaufbau Deutschlands aufzuklären sowie Propaganda zu verbreiten. Es ist unbestritten, dass Hitler und Goebbels noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit dem Gedanken spielten, ein eigenes Propagandaministerium zu schaffen. Goebbelsʼ Tagebucheintrag vom 22. Januar 1932 verdeutlicht dies:

„Mit dem Führer über die weitere Zukunft gesprochen. Besonders mein späteres Amt wird in Aufgaben und Kompetenzen näher umrissen. Gedacht ist an ein Volkserziehungsministerium, in dem Film, Radio, neue Bildungsstätten, Kunst, Kultur und Propaganda zusammengefasst werden.“30

In den Reihen der Führung war jedem bekannt, wie wichtig es ist, die eigene Propaganda dem Volk nahezubringen. Aus diesem Gedanken heraus entstand

30 Goebbels: Kaiserhof. S. 28. 13

1933 das Reichministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter der Leitung „eines begabten Redners und Journalisten, eines wendigen Geistes, der imstande war, immer neue Schlagworte, Bilder und Lügen zu erfinden“31 namens Joseph Goebbels. Goebbels wird nachgesagt, dass er im ersten Moment unglücklich über den offenen Gebrauch des Begriffs Propaganda war, da der Titel psychologisch kontraproduktiv sei.32

Hitler definierte im Juni 1933 den Wirkungsbereich des RMVP noch allgemeiner, was dazu führte, dass Goebbels durch das Ministerium die Kontrolle aller Massenmedien erhielt. Eine Analyse der Funktion der politischen Propaganda im Dritten Reich ist schwierig, da drei verschiedene Institutionen dafür verantwortlich waren: das RMVP, die zentrale Reichspropagandaleitung der NSDAP und die Reichskulturkammer (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Struktur der Propaganda im Dritten Reich

Zwei Tage nach seiner Gründung präsentierte Goebbels das neue Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Dabei handelte es sich um das erste Ministerium dieser Art in der Geschichte Deutschlands. Es ging Goebbels aber

31 Bramsted: Goebbels. S. 101. 32 Vgl. Welch: Reich. S. 23. 14

nicht nur um die Präsentation dieser neuen Institution, er wollte auch seine eigene Person als Politiker und Journalist der deutschen Presse vorstellen. Wichtig war ihm dabei vor allem, sich als „einer von ihnen“ zu präsentieren.33 In seiner Ansprache erklärte er seine Sicht des neuen Ministeriums wie folgt:

„We have established a Ministry for Popular Enlightenment and Propaganda. The two titles do not convey the same thing. Popular enlightenment is essentially something passive; propaganda, on the other hand, is something active. We cannot be satisfied with just telling the people what we want and enlightening them as to how we are doing it. We must replace this enlightenment with an active government propaganda that aims at winning people over. It is not enough to reconcile people more or less to our regime, to move them towards a position of neutrality towards us, we would rather work on people until they are addicted to us.“34

Im Nationalsozialismus fand die kommunikative Technik der Propaganda den Höhepunkt ihrer Emotionalisierung und Verwendung. Goebbels unterrichtete in Ministerkonferenzen, was Propaganda sei und wie man diese „Kunst“ zu verstehen habe, nämlich als:35

1. die Kunst der Vereinfachung, die Kunst, die primitivsten Argumente in volkstümlicher Sprache zu finden, weil nur sie zugkräftig und der Zustimmung der Massen sicher seien; 2. die Kunst der steten Wiederholung, des unaufhörlichen Einhämmerns von Propagandathesen, Parolen und Losungen, wenn auch nicht in demselben Wortlaut, jedoch solange, bis sie der Dümmste begriffen hat; 3. die Kunst, allein das Instinktive, das Emotionale, das Gefühl und die Leidenschaften im Volk anzusprechen und demgegenüber niemals das von vornherein Erfolglose zu versuchen, mit rationalen Argumenten Intellektuelle von den eigenen Ideen überzeugen zu wollen; 4. die Kunst, die Tatsachen mit dem Anschein von Objektivität, jedoch durch Auswahl und Art der Darstellung tendenziell gefärbt, wiederzugeben; 5. die Kunst, unangenehme Tatsachen zu verschweigen, sofern allerdings die Wahrheit nicht auf andere Weise an die Öffentlichkeit gelangt;

33 Ebda. S. 136. 34 Welch: Reich. S. 24. 35 Boelcke: Krieg. S. 15. 15

6. die Kunst, glaubwürdig zu lügen, wobei die stete Wiederholung der Lüge, der nur durch ihre Glaubwürdigkeit Grenzen gesetzt seien, oftmals Wunder wirke.

Aus der Sicht Goebbels habe Propaganda „mit der Wahrheit […] gar nichts zu tun. Sie habe ebenso wenig wie die Kunst die Aufgabe, argumentierte er bei anderer Gelegenheit, objektiv wahr zu sein. Ziel der Propaganda sei allein der Erfolg.“36

3.3 Lenkung der Medien

Presse, Radio und Film waren ein weiterer Faktor im nationalsozialistischen System, um ein unkritisches Publikum zu erreichen. Zwischen diesen Massenkommunikationsmedien herrschte eine kreisförmige Wechselwirkung. Der Staat verbreitete, regulierte und kontrollierte die Inhalte der Medien, der deutsche Bürger konsumierte, wurde informiert und gelenkt. In seinem Tagebuch schrieb Goebbels am 20. Juni 1941 sinngemäß übersetzt:

„Der Führer lobt die Überlegenheit unseres Systems gegenüber liberal-demokratischen Systemen. Wir bilden Menschen nach einer Weltanschauung aus, mit Hilfe von Film, Radio und Presse, die der Führer als die wichtigsten Instrumente der Volksführung betrachtet. Der Staat darf sie nie aus ihren Händen lassen.“37

Im Folgenden wird auf diese drei genannten Kommunikationsmedien näher eingegangen.

3.3.1 Radio

Als Goebbels Propagandaminister wurde, waren Zeitungen und Filmindustrie in Privatbesitz. Die Reichsrundfunkgesellschaft (RRG) hingegen war seit 1925 verstaatlicht. 51% gehörten dem Reichspostministerium, die anderen 49% gehörten den neun regionalen Rundfunkanstalten. Während die Opposition keinen Zugang zu diesem Medium hatte, erwies sich die Koordination des deutschen Rundfunks als relativ einfach. Goebbels war überzeugt, dass der Rundfunk ein

36 Ebda. 37 Taylor: Diaries. S. 419. Zitiert nach Welch: Reich. S. 48. 16

großes Propagandapotenzial hat. Für ihn war das Radio ein Instrument, die Bevölkerung dem nationalsozialistischen Staat näherzubringen.38 Außerdem führte er an, dass die Nationalsozialisten bereits einen Teil dazu beigetragen hätten, da

„our radio propaganda is not produced in a vacuum, in radio stations, but in the atmosphere-laden halls of mass gatherings. In this way every listener has become a direct participant in these events. I have a vision of a new and topical radio, a radio that really takes account of the spirit of our time … a radio that is aware of its great national responsibility.“39

Goebbels war überzeugt davon, dass das Radio das modernste und wichtigste Instrument der Massenbeeinflussung sei. Er führte außerdem an, dass der Rundfunk langfristig die Zeitung ersetzen werde. Um die Zahl der Zuhörer zu erhöhen, überredeten die Nazis die Hersteller dazu, eines der billigsten Rundfunkgeräte Europas, das VE 3031 bzw. den Volksempfänger, zu produzieren.40 Die Nationalsozialisten mussten im Rundfunkbereich zwei große Enttäuschungen hinnehmen. Die erste war, dass Hitler ein ineffizienter Sprecher im Studio war und das Mikrofon anschrie, anstatt es zu umwerben, im Gegensatz zu anderen Politikern wie Roosevelt oder Baldwin. Hitler hatte aber das Glück, dass die technischen Aufnahmemethoden sich verbesserten, sodass seine öffentlichen Versammlungen im Rundfunk übertragen werden konnten. Erst gegen Ende des Krieges meldete sich Hitler wieder aus dem Studio. Die zweite Enttäuschung war, dass der Durchschnittshörer durch zu viel Politik im Radio gelangweilt wurde. Deshalb reagierte man mit mehr Musik, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erhöhen. Gegen Ende des Krieges bestanden die Übertragungen zu zirka 70% aus Musik.41 Als größter Erfolg des nationalsozialistischen Rundfunks gilt die Schaffung eines so großen Publikums. Weder die Sowjetunion noch das faschistische Italien konnten das Radio in einem solchen Maße nutzen.42

38 Vgl. Welch: Reich. S. 30. 39 Ebda. 40 Vgl. ebda. S. 30-33. 41 Vgl. Balfour: War. S. 19f. 42 Vgl. Welch: Reich. S. 34. 17

3.3.2 Presse

Im Oktober 1933 wurde das Schriftleitergesetz veröffentlicht, als Maßnahme, die Presse zu regeln. In Deutschland gab es schon seit längerer Zeit eine Kontroverse über das Verhältnis zwischen Journalisten und Verlegern. Die Nationalsozialisten verlangten für jeden Abschnitt einer Zeitung einen eigenen Redakteur, den sogenannten Schriftleiter. Dieser war für die Inhalte der jeweiligen Abschnitte verantwortlich. Obwohl Schriftleiter laut Gesetz arisch sein mussten, konnte der Minister Ausnahmen zulassen, ohne hierfür nähere Gründe anzugeben. Das Schriftleitergesetz und die Reichspressekammer öffneten den Nationalsozialisten den Weg dazu, innerhalb der deutschen Presse viele Personal- und Eigentümerwechsel zu veranlassen.43 Fünf Jahre nach der Machtergreifung erklärte Dr. Otto Dietrich, Staatssekretär im Propagandaministerium und Pressechef der Reichsregierung, die Prinzipien der nationalsozialistischen Pressepolitik und -kontrolle. Unter diesen Prinzipien verstand er Folgendes:

„es sei die Aufgabe der Zeitung, das Volk über Ereignisse und Entwicklungen zu unterrichten und aufzuklären, das Wirken der Bewegung und des nationalsozialistischen Staates zu unterstützen und dem politischen Denken des Volkes Impulse zu geben.“44

Weiters äußerte Dietrich, dass die oben angeführten positiven Aufgaben auch eine Reihe von Einschränkungen mit sich bringen würden. Es könne daher

„nicht die Aufgabe der Presse sein, der Partei und dem Staate Lehren und Ratschläge zu erteilen oder öffentliche Einrichtungen und Persönlichkeiten zu kritisieren.“45

Diese Aussagen lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Presse als ein Instrument von Staat und Partei zu dienen hatte und die Verbreitung von Politik und Ideologie an vorderster Stelle stand. Außerdem sollte die Presse daran gehindert werden, Ratschläge und Kritik an den Machthabern zu äußern, und wurde deshalb einer permanenten Überwachung unterstellt. Durch eine ständige Lenkung wurde es dem Journalisten ermöglicht, seine Aufgabe „richtig“ zu

43 Vgl. Balfour: War. S. 25-26. 44 Tägliche Pressekonferenz 29. Januar 1938, ZSg 102/08. Zitiert nach Bramsted: Goebbels. S. 148. 45 Ebda. 18

erfüllen. Auch erläuterte auf der Täglichen Pressekonferenz vom 3. Juni 1939, weshalb eine Lenkung der Presse nötig sei:

„Sie werden in Ihrer eigenen Arbeit nicht gehindert, sondern gefördert werden. Sie werden vor Fehlern bewahrt, die für beide Seiten schmerzlich sein würden.“46

Bei der Täglichen Pressekonferenz handelte es sich um eine Konferenz, auf der zu Mittag, später auch abends, Weisungen und Informationen an die Journalisten weitergegeben wurden. Diese Konferenz war bereits vor dem Nationalsozialismus Usus, sie wurde aber ab 1933 Schritt für Schritt umgebaut, einzig der Name blieb bestehen. Es ist außerdem wichtig anzumerken, dass das Propagandaministerium die Presse nie zur Gänze in der Hand hatte. Dies lag daran, dass die Parteistellen und Funktionäre selbst nicht immer einer Meinung waren und unterschiedliche Parolen verbreiteten.47

3.3.3 Film

Hitler und Goebbels teilten eine gemeinsame Leidenschaft: Filme. Als Minister für Volksaufklärung und Propaganda war Goebbels besonders darum bemüht, das deutsche Kino noch vor den deutschen Truppen die Welt erobern zu lassen. Goebbels glaubte an die Macht des Kinos und wollte damit die Gedanken, Überzeugungen und sogar die Handlungen der Menschen beeinflussen. Zum Zeitpunkt der Machtübernahme stand bei den Nationalsozialisten das Kino als Propagandainstrument hoch im Kurs. Man verband mit ihm Entspannung und Unterhaltung, wodurch es so gefährlich war, dass hinter den Kulissen die Gleichschaltung der deutschen Filmwirtschaft durchgeführt wurde. Die Filmindustrie musste im Zuge der Gleichschaltung nach den Vorstellungen der NSDAP neu organisiert werden. Von außerordentlicher Wichtigkeit waren die transportierte Weltanschauung und die Einhaltung der eigenen Propagandaprinzipien.48 Nachdem das Filmwesen 1933 in Abhängigkeit von der gestellt worden war, sorgte Goebbels für weitere Maßnahmen

46 Ebda. 47 Vgl. ebda. S. 149. 48 Vgl. Welch: Reich. S. 39-48. 19

der Zensur und Kontrolle. Durch das Reichslichtspielgesetz (RLG) vom 16. Februar 1934 wurden diese Maßnahmen erheblich erweitert:49 - Filme konnten wegen der Verletzung des nationalsozialistischen oder des künstlerischen Empfindens verboten werden. - Es entstanden Prüfverfahren, die es dem Minister erlaubten, aus geschmacklichen Gründen einen Film zu verbieten. - Es entstand eine Prädikatisierung von Filmen durch staatliche Prüfstellen. Diese stuften die Filme als „staatspolitisch wertvoll“, „künstlerisch wertvoll“, „volksbildend“ oder als „kulturell wertvoll“ ein.

Des Weiteren sah das Gesetz die Einsetzung eines sogenannten Reichsfilmdramaturgen vor, der dafür verantwortlich war, alle Drehbücher und Entwürfe von Filmprojekten zu überprüfen.50 Goebbels kreierte mit seiner Filmpolitik ein monopolistisches Kontroll- und Organisationssystem, das stattliche Gewinne erzielte und zwischen 1933 und 1942 die Zahl der jährlichen Kinobesucher vervierfachen konnte.51

49 Longerich: Goebbels. S. 286. 50 Vgl. ebda. 51 Vgl. Welch: Reich. S. 48. 20

4. Fertigung und Serienproduktion der Wunderwaffen 4.1 Anfänge der Raketenforschung in Kummersdorf

Für eine kleine Gruppe von zivilen Arbeitern war es eine lebensverändernde Erfahrung, für die zu arbeiten. Plötzlich waren die Tage kurzfristiger Entwicklungen und knapper Mittel vorbei. Sie arbeiteten in einem Forschungszentrum in einem großen Kiefernwald in Brandenburg. Obwohl die Gebäude und die wissenschaftliche Ausrüstung eher bescheiden waren, erschien die Anlage den Wissenschaftlern luxuriös. Den Forschern musste allerdings erklärt werden, dass deren Schutzherr, die deutsche Wehrmacht, sich nicht für die Nebelmeere der Venus oder rätselhafte Marskanäle interessiere. Es gab nur einen Mars, der von Interesse war: der Kriegsgott.52 In der Kummersdorfer Anfangszeit waren die Geldbörsen der Forscher und Entwickler knapp bemessen, aber durch die Unterstützung hochrangiger Militärs und der von Hitler angeordneten erhöhten Aufrüstungsgeschwindigkeit war es nur eine Frage der Zeit, bis diese angemessen entlohnt wurden. Die erhöhten militärischen und technologischen Anforderungen vermischten sich mit der traditionellen Ausrichtung des Ingenieurberufs sowie den persönlichen und beruflichen Ambitionen der Entwickler. Im Tausch gegen die benötigten Ressourcen verständigte sich die kleine Gruppe von Ingenieuren darauf, methodisch, wissenschaftlich und vor allem leise zu arbeiten.53

Im Jahr der Machtergreifung Hitlers wurde die erste Militärrakete A1 abgeschossen. Auch das zweite Geschoss A2 war ein Erfolg. „Die Ära der Großtaten begann“.54 Hitler erkannte die Wichtigkeit der Geheimwaffenforschung und reagierte auf die zögerliche Bitte von um zehn Millionen Reichsmark mit der doppelten Summe. Nach und nach wurde die Anlage in Kummersdorf immer größer und durch den erzeugten Lärm der Motoren und der erhöhten Zahl der Bewohner, allesamt Forscher, zu einem offenen Geheimnis. Deshalb war es aus militärischen und technischen Gründen notwendig, einen abgelegenen Ort für tausende Forscher, Experten und Techniker zu finden, wo die Wissenschaft ungehemmt leben konnte. Dieser Ort war Peenemünde.55

52 Vgl. Berghaus: Braun. S. 88. 53 Vgl. Petersen: Missiles. S. 48. 54 Bar-Zohar: Jagd. S. 26. 55 Vgl. ebda. S. 28. 21

4.2 Heeresversuchsanstalt Peenemünde

Verantwortlich für den neuen Forschungsstandort war . Dieser war seit Dezember 1935 auf der Suche nach einem neuen Test- und Forschungsgelände, das er schließlich in Peenemünde auf der Insel fand. Für Peenemünde sprach ein nahezu ideales Schussfeld, das 400 Kilometer entlang der pommerschen Küste verlief.56 Außerdem boten viele kleine Inseln die

Abbildung 4: Peenemünder Schießbahn an der pommerschen Küste ideale Möglichkeit, Flugbeobachtungsstationen zu errichten; die nächste Großstadt, Stettin, war über 110 Kilometer entfernt.57 Da die Luftwaffe ebenfalls auf der Suche nach einem geeigneten Testgelände war, kam es zu einer Zusammenarbeit mit dem Heer. Die Kosten für den Ausbau von Peenemünde wurden nach einem Treffen der führenden Personen des Heereswaffenamtes und der Luftwaffe aufgeteilt. Das Gelände wurde in einen westlichen Teil für die Luftwaffe und einen etwas größeren östlichen Teil für das Heer geteilt. Dennoch war es der Luftwaffe erlaubt, mehrere Einrichtungen des Heeres zu benutzen. Die Verwaltung der „Heeresversuchsanstalt Peenemünde“ blieb beim Heer. Peenemünde wurde der Stadt Wolgast für 750.000 Reichsmark abgekauft.58 Das Gelände in Peenemünde entwickelte sich zur fortschrittlichsten Versuchsanstalt der Welt. Es wurden große Flächen von Kiefernwäldern entfernt, um Laboratorien und Werkstätten zu errichten. In Peenemünde wurde neben einem

56 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 18. 57 Vgl. Irving: Geheimwaffen. S. 15. 58 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 18. 22

Versuchsserienwerk für die A4-Rakete auch ein Windkanal für Überschallgeschwindigkeiten entwickelt und gebaut. Außerdem baute das deutsche Heer dort ein eigenes Kraftwerk für die Energieversorgung, eine Fabrik zur Herstellung von flüssigem Sauerstoff sowie viele andere Anlagen, um die Geheimhaltung der Anstalt zu gewährleisten.59

Hitlers bevorzugter Architekt Albert Speer stand seit dem Winter 1939 in enger Verbindung mit der Peenemünder Entwicklungsstelle und war für deren Bauwünsche verantwortlich.60

„Ich war gern in diesem Kreis unpolitischer junger Wissenschaftler und Erfinder, an deren Spitze, siebenundzwanzigjährig, der zielstrebige und auf realistische Weise in der Zukunft beheimatete Wernher v. Braun stand.“61

Es handelte sich aus Speers Sicht um etwas Außergewöhnliches, ein junges Team von Forschern und Entwicklern mit so viel Geld zu fördern – für ein Projekt, das noch in weiter Ferne lag. Die Leitung von Generalmajor Walter Dornberger ermöglichte es ihnen, frei von Bürokratie zu arbeiten und dabei utopische Ideen zu entwickeln.62

Nach dem Sieg über Polen 1939 brachte Hitler das Projekt Fernraketen in Peenemünde beinahe zum Erliegen. Er war sich sicher, den Krieg auch ohne Fernraketen zu gewinnen, halbierte deshalb die Stahlzuteilung und schränkte weitere Baumaßnahmen ein.63 Da sich Speer den Peenemünder Technikern so verbunden fühlte, baute er, da Hitler dem Raketenprojekt 1939 die Dringlichkeit absprach, in Eigenverantwortung die Anlagen weiter aus.64 Erst nachdem die Luftschlacht um England fehlgeschlagen war, erinnerte sich Hitler wieder an das A4-Projekt. Kurz darauf erhielt die Raketenentwicklung die höchste Dringlichkeitseinstufung „SS“.

59 Vgl. Irving: Geheimwaffen. S. 16. 60 Vgl. Speer: Erinnerungen. S. 375. 61 Ebda. 62 Vgl. ebda. 63 Vgl. Irving: Geheimwaffen. S. 17. 64 Vgl. Speer: Erinnerungen. S. 376. 23

4.3 Kenntnisse der Briten über Peenemünde

Ein britischer Spion namens Bernard Newman, getarnt als neugieriger Tourist, entdeckte eines Tages im Jahr 1938 mit Stacheldraht umwickelte Eisenbetonkonstruktionen gegenüber der Insel Rügen. Die Hoteliers der Gegend vertrauten ihm an, dass es sich dabei um Peenemünde handelt, wo Raketen gebaut werden. Man munkelte sogar, dass eine Rakete mit einem zum Tode verurteilten Verbrecher abgeschossen wurde. Auf britischer Seite fanden diese Gerüchte noch keinerlei Beachtung. Allerdings wurden ein ziviler kanadischer Pilot, Bob Niven, und ein Luftaufklärungsexperte, Sydney Cotton, damit beauftragt, diesen Ort bei der nächsten Luftaufklärung zu überprüfen. Eine Zwischenlandung in Berlin-Tempelhof am 1. August 1939 sorgte erneut für Aufregung. Bei einem Tankzwischenstopp wollten die beiden ihren Plan teilen, über Peenemünde einen Vergnügungsflug zu unternehmen. Daraufhin wurden sie zu einem hochrangigen Offizier geleitet, der verkündete, dass ab sofort das Überfliegen Deutschlands mit Privatflugzeugen verboten sei. Die beiden Piloten kehrten daraufhin wieder nach England zurück und berichteten über das Misstrauen der Deutschen und das Rätsel von Peenemünde. Einen Monat später lösten die Deutschen den Zweiten Weltkrieg aus und der Geheimdienst MI5 verfolgte die Gerüchte über Peenemünde nicht mehr. Duncan Sandys, betraut mit Spionageabwehr und dem Nachrichtendienst, ließ das Rätsel von Peenemünde aber nicht los. Er schloss sich mit V. R. Jones, einem Professor für Astrophysik, der die deutsche Entwicklung von Raketen mit flüssigem Treibstoff verfolgte, zusammen. Aufgrund einiger Zweifel, wie fehlende Berichterstattung der deutschen Wissenschaftler und Unklarheit ihrer Position, entwickelten die beiden den Plan, einen Agenten in Peenemünde einzuschleusen, um festzustellen, ob diese Wissenschaftler dort einer Arbeit nachgingen. Diese Maßnahme war allerdings nicht nötig, da wenige Tage später die Briten ein streng geheimer Brief aus Norwegen erreichte.65

Die Briten erfuhren am 4. November 1939 durch den anonymen Brief eines deutschen Wissenschaftlers von den technischen Entwicklungen und Zielen der Nationalsozialisten. Dieser sogenannte „Oslo-Bericht“ besagte, dass sich unter den Waffen, die in einer Versuchsanstalt in Peenemünde hergestellt werden,

65 Vgl. Bar-Zohar: Jagd. S. 135f. 24

verschiedene Arten von Fernraketen befinden. Neben dem Bericht über die Fernraketen wurden die neuen Radargeräte „Freya“ und „Würzburg“ genannt sowie ein Raketengleiter zur Schiffsbekämpfung, die Henschel HS 293. Der britische Nachrichtendienst war allerdings nicht in der Lage, den Wert dieser Informationen abzuschätzen. Man hörte innerhalb der britischen Abwehr bis Dezember 1942 nichts mehr von Fernraketen oder einer Versuchsanstalt in Peenemünde.66

4.4 Das Unternehmen „Hydra“

Die Versuchsanstalt Peenemünde konnte nicht ewig geheim bleiben. Am 17. und 18. August 1943 erfolgte durch die Royal Air Force (RAF) ein Luftangriff auf Peenemünde, der schwere Schäden an der Versuchsanstalt anrichtete. Die Peenemünder waren auf diesen Angriff nicht vorbereitet. Zwar hörten sie oft Luftwarnungen, als Bombereinheiten auf dem Weg nach Berlin waren, sie hegten aber durch das friedliche Leben in der Versuchsanstalt ein falsches Gefühl von Sicherheit. Selbst der Kriegsveteran Peter Wegener behauptete nach diesem Angriff von sich, dass „mir nie aufgefallen ist, dass ich für einen feindlichen Luftangriff an einem sehr attraktiven Ort lebte.“67 Beim Bau der Einrichtung wurden nur rudimentäre Vorbereitungen für etwaige Luftangriffe getroffen. Und diese Vorbereitungen waren weit davon entfernt, das Notwendigste zu leisten.

Das Ziel der RAF war es, die Prüfstände, Industrieanlagen sowie Mitarbeitersiedlungen zu zerstören. Mit dem Angriff wollten die Briten das Raketenprogramm der Deutschen zunichtemachen, indem sie die am Projekt beteiligten Experten ausschalteten. Die meisten Opfer des Anschlags stellten die ausländischen Arbeiter in den Hütten des Arbeitslagers. Während des einstündigen Angriffs starben 500-600 dieser Arbeiter. Der Siedlung erging es nur wenig besser. Dort wurden drei Viertel aller Wohnungen zerstört und 178 Bewohner verloren ihr Leben. Den geringsten Schaden erlitten die Produktionsstätten.68

66 Vgl. Irving: Geheimwaffen. S. 13-14. Zum Hintergrund: Bell: Feindaufklärung. 67 Petersen: Missiles. S. 161. 68 Vgl. ebda. S. 163. 25

Fast zur selben Zeit wurden außerdem die drei großen Fabriken (Wiener Neustadt, der Norden von Berlin und Friedrichshafen am Bodensee) der V2- Rakete durch die britische Luftwaffe zerstört und die Serienproduktion somit vorerst verhindert. Meldungen bestätigten, dass die Alliierten über die geheime V2-Entwicklung informiert waren. Hitler beauftragte daraufhin Dr. Hans Kammler69, bekannt für die Leitung mehrerer Konzentrationslager, die gesamte Raketenproduktion in unterirdische Fabriken zu verlegen. Speer beschreibt Kammler als „rücksichtsloser, kalter Rechner, als Fanatiker in der Verfolgung eines Zieles, das er so sorgfältig wie skrupellos zu kalkulieren wußte.“70 Dornberger hingegen war schwer beeindruckt von Kammler:

„One’s first impression was of a virile, handsome, and captivating personality. He looked like some hero of the Renaissance, a condottiere of the civil wars of Northern Italy. The mobile features were full of expression.“71

Aus einem alten Öllager bei Nordhausen im Harz entstand durch das rücksichtslose Antreiben von Häftlingen und anderen Arbeitskräften die größte unterirdische Fabrik Deutschlands, das sogenannte Mittelwerk.72

4.5 Mittelwerk/Mittelbau-Dora

Der unterirdische Komplex bestand aus zwei Haupttunneln, die beide etwa einen Kilometer lang waren, mit 44 senkrechten Galerien, die sie miteinander verbanden. Ende August 1943 wurde der Komplex vom Rüstungsministerium und der SS übernommen und schon eine Woche später, am 28. August, kamen die

69 Hans Kammler wurde am 26. August 1901 in Stettin geboren und war ein Mann der zweiten Reihe des NS-Regimes. Von 1908 bis 1919 besuchte er Schulen und Gymnasien in Bromberg, Ulm an der Donau und Danzig. Im Februar 1919 trat er in Danzig als Freiwilliger in den „Grenzschutz“ ein. Ab Oktober 1919 studierte er an der Technischen Hochschule Architektur. 1923 graduierte er als Diplom-Ingenieur. Nach seinem Abschluss arbeitete er als Regierungsbauführer und legte 1928 das Staatsexamen zum Regierungsbaumeister ab. Verheiratet war er mit Jutta Horn, einer Pastorentochter, mit der er mehrere Kinder hatte. 1931 trat er der NSDAP (Mitgliedsnummer: 1.011.855) und im Mai 1933 der SS (SS-Nr. 113.619) bei. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war Kammler noch Zivilist; am Ende des Krieges war er SS- Obergruppenführer und General der Waffen-SS. Sein Name wird zumeist in Verbindung mit dem Einsatz der V-Waffen genannt. Seinen Aufstieg erkaufte er sich durch eine bedingungslose Loyalität gegenüber Hitler, Himmler und der SS. Der „Technokrat der Vernichtung“ verkörperte wie kein anderer die technische Effizienz und moralische Skrupellosigkeit des Nationalsozialismus. Am 9. Mai 1945 verstarb er in der Nähe von Prag. Vgl. Fröbe: Kammler, S. 305f. 70 Speer: Erinnerungen. S. 383. 71 Dornberger: V2. S. 198. Zitiert nach Petersen: Missiles. S. 167. 72 Vgl. Bergaust: Braun. S. 100. 26

ersten Häftlinge an, um den Ausbau der Tunnel zu beginnen. Die zukünftige Fabrik sollte den Namen Mittelwerk tragen, der Fabrik- und Lagerkomplex wurde als Mittelbau-Dora bezeichnet. Nach fortgeschrittener Expansion wurde die schwere Produktionsausrüstung von Peenemünde in den Tunneln installiert. Auf Befehl Kammlers wurden immer mehr Gefangene unter schlimmsten Bedingungen nach Mittelbau-Dora gebracht und dort zur Arbeit verpflichtet. Bis zum Ende des Jahres arbeiteten bis zu 10.000 Gefangene in den Tunneln. Peterson schreibt, das Ausmaß der Misshandlung habe durch die nationalsozialistische Idee „Vernichtung durch Arbeit“ einen neuen Standard der Unmenschlichkeit etabliert.73

Um sich in den Berg hineinzuarbeiten, verwendeten die Gefangenen Dynamit, Presslufthämmer und Handwerkzeuge. Durch die Arbeit waren die Tunnel gefüllt mit Staub, Dreck und Ammoniakdämpfen, die die Kehlen und Lungen verätzten. Die Häftlinge mussten Steine und Felsbrocken mit den Händen wegschaffen und wurden von der SS nach vorne gepeitscht, unwissend, ob noch Teile der Decke und der Wände einstürzen würden. Nicht wenige Gefangene verloren durch einstürzende Felsen ihr Leben.74

Wernher von Braun beschrieb die Lage in Mittelbau-Dora nach dem Krieg als „teuflischen Alptraum“; er habe

„nie aufgehört, sich der Tatsache zu schämen, daß selbst in einem vom Krieg stark mitgenommenen und zerstörten Deutschland, das ums Überleben kämpfte, derartige Übergriffe geschehen konnten.“75

Noch Jahre später, als von Braun für seine Erfolge mit dem Satelliten Explorer I weltberühmt wurde, wurde er von Journalisten, die eine Gruppe von Überlebenden aus dem Lager Dora vertraten, öffentlich mit unfairen Vorwürfen konfrontiert. Er erstatte aber keine Verleumdungsanzeige, da er der Meinung war, es sei unentschuldbar, was damals in Dora passierte. Immerhin haben viele dieser Menschen an seinem geistigen Schaffen mitgearbeitet.76 Ehemalige Häftlinge beschrieben, dass der Staub in den Tunneln so dicht war, dass man nicht in der

73 Vgl. Petersen: Missiles. S. 168f. 74 Ebda. 75 Bergaust: Braun. S. 101. 76 Vgl. ebda. 27

Lage war, von einem Ende des Tunnels zum anderen zu sehen.77 Jean Michel, ein französischer Gefangener von Dora, beschrieb in seinen Memoiren den Zustand wie folgt:

„The noise bores into the brain and sheers the nerves. ... Over a thousand despairing men, at the limit of their existence and racked with thirst, lie there hoping for sleep which never comes.“78

Die Gefangenen schafften es, die ehemaligen Öltunnel so zu vergrößern, dass die gesamte Anlage eine Gesamtfläche von etwa 118.000 m² umfasste. Nach der Vergrößerung wurde unter denselben Bedingungen die nötige Ausrüstung in die Tunnel geschafft. Ende Dezember 1943 war der Großteil der Produktionsausrüstung von Peenemünde und den Rax-Werken in Wiener Neustadt in den Dora-Tunneln angelangt. Durch die schnellen Arbeiten war es möglich, zu Neujahr die Serienproduktion der V2-Rakete zu starten. Im September konnte der ursprüngliche Plan einer Produktion von 600-700 Raketen pro Monat realisiert werden.79

Die Verlegung von Peenemünde nach Mittelwerk verlangsamte den Produktionsprozess der Raketen um mehrere Monate. Wie wichtig aus Sicht der Alliierten diese Verzögerung der Produktion war, zeigt folgendes Zitat von Dwight D. Eisenhower:

„Hätten die Deutschen ihre neuen V-Waffen sechs Monate früher fertiggestellt, wäre die Invasion vielleicht unmöglich gewesen.“80

77 Vgl. Petersen, Missiles. S. 170f. 78 Michel: Dora. S. 68. Zitiert nach Petersen: Missiles. S. 170. 79 Petersen: Missiles. S. 170-173. 80 Irving: Geheimwaffen. Klappentext. 28

5. Die Vergeltungswaffen 5.1 V-1 Rakete

5.1.1 Entstehung

Der Anstoß für die Entwicklung der V1-Rakete, die außerdem mit den Namen Fi 103, „Kirschkern“, FGZ 76 und Krähe bezeichnet wurde, war die Notwendigkeit, England auf eigenem Boden angreifen zu können, da die damaligen artilleristischen Mittel keine größere Reichweite als rund 100 Kilometer hatten. Die erste V1-Rakete wurde im Dezember 1942 von einer FW 200 (Focke-Wulf- Flugzeug) über Peenemünde abgeschossen. Bei ersten Testungen stellte sich heraus, dass das Gerät bei Querwinden in der Luft instabil wurde. Dieses Problem konnte aber in kürzester Zeit behoben werden. Man hatte die Reichweite der V1- Rakete auf 250 km angesetzt, konnte diese in der späteren Entwicklung aber auf bis zu 370 km erhöhen. Der Abschuss dieser Rakete erfolgte mittels einer Katapultvorrichtung mithilfe der Eigenkraft. Kurs und Flughöhe wurden von einem automatischen Kreisel gesteuert.81

5.1.2 Technische Informationen

Die V1-Rakete war 8,03 Meter lang und hatte je nach Modell zwei Tragflächen mit etwa 4,9 m² Spannweite. Der Flugkörper wog in etwa 2.200 kg, wobei ca. 800 bis 1000 kg auf den Sprengstoffsatz und etwa 550 kg auf den Treibstoff entfielen. Die Geschwindigkeit der Rakete sollte im Lauf ihrer Entwicklung von anfangs 600 km/h auf 800 km/h erhöht werden. Die Flugrichtung der V1 konnte über eine Voreinstellung verändert werden; darüber hinaus war es möglich, die Drehzahl des Propellers anhand von Flughöhe und Geschwindigkeit zu eruieren. Die V1 kostete laut Lusar nur ein Zehntel des Herstellungspreises der V2; das bedeutet, dass die Herstellung einer V1-Rakete 280 Arbeitsstunden und etwa 3.500 Mark in Anspruch nahm.82

81 Vgl. Lusar: Waffen. S. 195. 82 Ebda. S. 196. 29

Abbildung 5: V1-Rakete am Titelblatt der Berliner Illustrierten Zeitung vom 10. August 1944

5.1.3 Produktion

Im Juli 1943 erfolgte erstmals ein vielversprechender Testflug einer Fi 103. Während die vorangegangenen Prototypen nur eine Reichweite bis zu 72 km und Höhen bis 1.300 m bei einer Geschwindigkeit von 603 km/h erreichten, erzielte dieser Testflug eine Reichweite von 241 km mit einer Abweichung von nur 1 km vom Zielgebiet. Dieses Ergebnis wurde als Beweis für den hohen Entwicklungsstand der Rakete gedeutet. Die Mehrzahl der Testflüge zeigte aber ein anderes Bild: Von 70 Testflügen gelangen in etwa nur zwei Drittel. Ein Drittel hatte Startschwierigkeiten, für die sich die Techniker gegenseitig die Schuld gaben. Die Gründe für die Startschwierigkeiten lagen am Katapult, dem Triebwerk oder der Steuerung der Fi 103.

Obwohl alle Zeichen gegen eine Serienproduktion sprachen, beschloss man sie am 29. Juli 1943 in einer letzten Besprechung im Reichsluftfahrtministerium (RLM). Hinzu kam, dass keine der getesteten Flugbomben mit dem vorgesehenen

30

Startgewicht von 2,1 t startete.83 Bei einer Bereitstellung von knapp 3.000 Arbeitskräften sah der Lieferplan der Raketen in Stückzahlen wie folgt aus:84

1943 August = 100 1944 Januar = 2.600 September = 500 Februar = 3.200 Oktober = 1.000 März = 3.800 November = 1.500 April = 4.500 Dezember = 2.000 Mai = 5.000 Juni = 5.000 In den folgenden Monaten sollte ebenfalls eine Stückzahl von 5.000 produziert werden.

5.1.4 Kriegseinsatz

Der Einsatz der V1 sollte bereits im Dezember 1943 erfolgen, allerdings machten französische Arbeiter, die am Bau beteiligt waren, dem einen Strich durch die Rechnung, da sie die Lokalität der Baustellen verrieten und diese von den Alliierten durch Bomben zerstört wurden. Dadurch wurde der Termin für den ersten Abschuss auf den 15. Februar 1944 verlegt. Aber auch dieser Termin konnte nicht eingehalten werden, da erneut die Abschussrampen von feindlichen Bombern zerstört wurden. Der erste Einsatz erfolgte schließlich am 13. Juni 1944. Die Briten haben an der Stelle des Einschlags an der Eisenbahnbrücke Grove Road in London eine Plakette angebracht, die daran erinnern soll (siehe Abb. 6).

Abbildung 6: Plakette an der Eisenbahnbrücke Grove Road in London

83 Vgl. Hölsken: V-Waffen, S. 47f. 84 Hölsken: V-Waffen, S. 48. 31

Innerhalb von 80 Tagen wurden mehr als 9.300 Geschosse abgefeuert. Von den abgeschossenen Raketen hatten 2.000 kurz nach dem Start einen technischen Fehler. Weitere 24% der Geschosse wurden durch britische Jäger zum Absturz gebracht, 17% erledigte die britische Flakartillerie und 5% endeten in Ballon- und Flaksperren. Letzten Endes konnten nur 2.400 V1-Raketen ihr Ziel, die Hauptstadt London, erreichen. Durch die Ungenauigkeit der Rakete gingen weitere 800 Stück in Vororten wie Suffolk oder Hampshire nieder.85 Laut einem Bericht der britischen Regierung wurden durch diese Angriffe 5.649 (bzw. 6.184) Menschen getötet und 16.196 (bzw. 17.981) verletzt. Zusätzlich wurden 23.000 Häuser zerstört und weitere 750.000 beschädigt.86

Ohne eine entscheidende Wirkung zu erzielen, wurde die V1-Rakete auch in den letzten Gefechten in den Ardennen und im Rheintal gegen die Alliierten eingesetzt. Die Abwehr des Gegners war aber bereits zu stark und zu gut organisiert, um einen wirklichen Schaden anzurichten. Eine verbesserte V1-Rakete mit einer erhöhten Reichweite und eine bemannte V1, auch Reichenberg genannt, entstanden gegen Kriegsende, allerdings kamen beide nicht mehr zum Einsatz.87

5.1.5 Weiterentwicklung

Die Siegermächte haben nach dem Krieg die V1-Rakete für ihre eigenen Zwecke weitergebaut und verbessert. Beispielsweise sind viele Fabriken der einstigen Sowjetunion auf Basis der V1-Rakete entstanden und dort weiterentwickelt worden. Ein anderes Beispiel sind die USA. Sie haben eine hohe Anzahl verschiedener Typen der V1 produziert, unter anderem mithilfe von ehemaligen deutschen Technikern und Forschern. Der Martin-B-61-Matador ist ein typischer Nachkomme der V1. Auch in Großbritannien sind Geschosse entwickelt worden, die zwar ein anderes Triebwerk verwendeten und somit eine höhere Geschwindigkeit und eine größere Reichweite hatten, doch der V1 sehr stark ähnelten.88

85 Ebda. S. 196. 86 Vgl. Lusar: Waffen. S. 196f. 87 Ebda. S. 197. 88 Vgl. ebda. S. 198. 32

5.2 V-2 Rakete

5.2.1 Entstehung

Die Rüstungschefs der drei Wehrmachtteile Luftwaffe, Kriegsmarine und Heer, Generalfeldmarschall Erhard Milch, Generaladmiral Karl Witzell und Generaloberst Friedrich Fromm, wurden nach Peenemünde eingeladen, um den Start der ersten Rakete zu verfolgen, wie Rüstungsminister Albert Speer nach dem Krieg beschrieb.

„Wernher v. Braun strahlte, ich dagegen war fassungslos über das technische Wunderwerk, seine Präzision sowie die Aufhebung aller Gesetze der Schwerkraft, durch die dreizehn Tonnen ohne mechanische Führung senkrecht in die Luft beschleunigt werden konnten.“89

Später wurde den Rüstungschefs von den Fachleuten erklärt, dass die Steuerung zwar nicht funktioniert habe, jedoch allein schon der Start ein riesiger Erfolg sei. Diesen Standpunkt teilte Hitler nicht und hegte weiterhin schwerste Bedenken gegen das Projekt. Als im Oktober 1942 die zweite Rakete erfolgreich startete und auch die Steuerung funktionierte – sie schaffte den vorgesehenen Weg von 192 Kilometern mit einer Abweichung von lediglich vier Kilometern – stieg die Begeisterung Hitlers für das Raketenprojekt.

Hitler war nach der ersten Präsentation der A4 so begeistert, dass er über Wernher von Braun schwärmte und Albert Speer die Frage stellte: „Haben Sie sich nicht getäuscht? Dieser junge Mann ist achtundzwanzig Jahre? Ich hätte ihn für noch jünger gehalten!“90 Außerdem meinte er, seine Idee werde die Zukunft verändern und zu einem Durchbruch führen. Er stellte Vergleiche zu Napoleon Bonaparte und Alexander dem Großen an, die ebenfalls in jungen Jahren die Welt verändert hatten.91 Daraufhin forderte Hitler für den ersten Masseneinsatz 5.000 Geschosse, die gleichzeitig zur Verfügung stehen sollten.92

89 Speer: Erinnerungen. S. 376. 90 Ebda. S. 378. 91 Vgl. ebda. 92 Vgl. ebda. S. 377. 33

5.2.2 Technische Informationen

Der Jungfernflug bescherte den Wissenschaftlern die Erkenntnis, auf dem richtigen Weg bei der Entwicklung der V2-Rakete zu sein. Das Geschoss legte nämlich eine Strecke von 192 Kilometern an der pommerschen Küste zurück.93 In weiterer Folge konnte die V2 auf eine Reichweite von 350-400 Kilometer optimiert werden. Die Geschwindigkeit eines Geschosses lag bei 5.470 km/h, das heißt 1520 m/s, in einer Höhe von 96 Kilometern. Der 14 Meter lange Flugkörper mit einem Durchmesser von 1,65 Metern wog 12,9 Tonnen. Dabei entfielen 69% des Gesamtgewichtes, genauer gesagt 7,92 Tonnen, auf Treibstoff und 975 Kilogramm auf die Sprengladung der Rakete. Das leere Geschoss wog 4 Tonnen. Zum Starten einer V2-Rakete benötigte man allein 3.965 Kilogramm Brennstoff, dieser bestand aus 75% Ethylalkohol und 25% Wasser (Kühlmittel), außerdem benötigte man 4.970 Kilogramm flüssige Luft als Oxydator. Die maximale Schubleistung an der Düse betrug 650.000 PS. Ein elektrischer Leitstrahl steuerte die Lenkung bis zum Brennschluss. Das Geschoss hatte auf eine Entfernung von 350 Kilometern eine Abweichung von bloß 4 Kilometern und eine Auftreffgeschwindigkeit von ca. 3.600 km/h, das heißt 1.000 m/s. Die Flugzeit eines Geschosses dauerte 320 Sekunden bzw. 5 Minuten 20 Sekunden. Im Schnitt kostete ein V2-Geschoss 12.950 Arbeitsstunden und etwa 170.000 Mark. Die Produktionszeit konnte im Lauf der Herstellung von 17.000 auf 3.500 Stunden reduziert werden. Im Vergleich zu einem modernen Jagdflugzeug, das etwa 500.000 Mark kostete, gab es eine große Ersparnis. Allerdings ist nicht zu vergessen, dass ein Jagdflugzeug mehrere Einsätze, eine V2 – genauso wie die V1 – nur einen einzigen Einsatz fliegen konnte.94 Die folgende Abbildung zeigt eine V2-Rakete mit ihren technischen Bestandteilen:

93 Vgl. Lusar: Waffen. S. 199. 94 Ebda. 34

Abbildung 7: V2-Rakete mit allen Bestandteilen

5.2.3 Produktion Abbildung 8: A4, später als V2 bezeichnetAbbildung 9: V2-Rakete mit allen Bestandteilen

Die Entwicklung der deutschen Flüssigkeitsrakete A4, später aus Propagandagründen V2 genannt, ist beispiellos in der Kriegsgeschichte. Erste Versuche wurden bereits 1925 unter unternommen. Vier Jahre später, 1929, bildete sich eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Hauptmann v. Horstig mit bekannten Mitgliedern wie Walter Dornberger und dem jungen Wernher v. Braun. Auf Anweisung des Reichwehrministeriums entwickelte diese Arbeitsgruppe schon 1932 ein Geschoss mit dem Ziel, alle bisherigen Geschosse zu übertreffen. Im Ernstfall sollte das Geschoss auch in der Lage sein, England unter Beschuss zu nehmen. Dornberger und v. Braun forcierten die Arbeit und konnten schon 1933 erste Ergebnisse liefern: das 1 (A1). Das A1 war allerdings kopflastig und somit flugunfähig. Schon im Dezember 1934 wurde mit dem Nachfolger von Aggregat 1, dem Aggregat 2 (A2), ein erfolgversprechendes Schießen auf der Insel Borkum durchgeführt. Dabei erreichten zwei der Apparate eine Steighöhe von rund 2.200 Metern. Auf der Grundlage dieses Erfolges schuf 35

man in Peenemünde das Aggregat 3 (A3), das mit einem Gyroskop- Kontrollsystem95 ausgestattet war. Dieses wurde aber wieder verworfen, um der Neuentwicklung A4 den Vorrang zu geben. Nach anfänglichen Fehlschlägen gelang es schließlich, 1942 die erste A4 starten zu lassen.96

Am 22. Dezember 1942 wurde der Befehl erlassen, die Raketen unter der Aufsicht Speers in Serienproduktion zu bauen. Speer war sich sicher, die Versprechungen von Peenemünde würden bis Juli 1943 Ergebnisse liefern. Am 7. Juli 1943 lud er deshalb Dornberger und Wernher v. Braun auf Weisung Hitlers ins Führerhauptquartier ein. Hitler wollte über die V2 unterrichtet werden und bekam einen Film zur Demonstration des Projekts vorgeführt, mit zusätzlichen Erläuterungen von Wernher v. Braun. Ab diesem Moment stieg der Enthusiasmus Hitlers ins Unermessliche. Hitler selbst wollte daraufhin Wernher v. Braun zum Professor ernennen.97

Hitler berauschte sich laut Speer an den Aussichten des Projekts wie folgt:

„Die A4, das ist eine kriegsentscheidende Maßnahme. Und wie wird die Heimat entlastet, wenn wir die Engländer damit angreifen! Das ist die kriegsentscheidende Waffe und dabei mit verhältnismäßig geringen Mitteln zu produzieren. Sie, Speer, müssen die A4 mit allem Nachdruck fördern! Alles was an Arbeitskräften und Material gebraucht wird, muß denen augenblicklich gestellt werden.“98

Außerdem fügte Hitler hinzu, „in dieser Fertigung können wir nur Deutsche verwenden. Gnade uns Gott, wenn das Ausland von der Sache erfährt.“99 Im Herbst 1943 musste man feststellen, dass die Erwartungen nicht erfüllt werden konnten und somit war das Projekt nicht bereit für die Serienproduktion. Es schlichen sich in den Arbeitsprozess zahllose Fehlerquellen ein; eine davon sorgte für eine frühzeitige Explosion beim Eintauchen in die Atmosphäre. Ein zusätzliches Jahr benötigte man, bis im September 1944 die ersten Raketen auf England abgeschossen wurden. Im Gegensatz zu den gewünschten 5.000

95 Dabei handelt es sich um ein Kontrollsystem, das über die Eigenrotation stabilisiert wird. 96 Vgl. Lusar: Waffen. S. 198. 97 Vgl. Speer: Erinnerungen. S. 377. 98 Ebda. 99 Ebda. S. 378. 36

Geschossen, die im Masseneinsatz abgefeuert werden sollten, wurden 25 Raketen im Lauf von zehn Tagen abgefeuert.100

5.2.4 Kriegseinsatz

Die V2-Rakete wurde bis März 1945 fast ununterbrochen abgeschossen. Ziele der V2 waren vor allem London sowie der Versorgungshafen Antwerpen und die Nachschubbasen Lüttich und Brüssel. Laut britischen Quellen wurden durch die V2-Rakete 2.724 Menschen getötet und 6.427 verletzt. Durch den ständigen Luftalarm kam es zu zahlreichen Ausfällen von Arbeitsstunden, Verkehrsstörungen, Nichterscheinen der Arbeiter am Arbeitsplatz usw. Der wirtschaftliche Schaden durch die V2 soll laut britischen Berichten größer gewesen sein als die zerstörende und tötende Wirkung der Rakete.101

100 Vgl. ebda. S. 378. 101 Vgl. Lusar: Waffen. S. 199. 37

5.2.5 Weiterentwicklung

Nach dem Krieg begannen die führenden Mächte damit, die deutsche V2 als Fundament für ihre eigene Entwicklung zu verwenden. Dafür wurden deutsche Experten in den USA wie auch in der Sowjetunion herangezogen. Die Weiterentwicklung der V2 führte in den USA zu den Raketen „Corporal“, „“ und „“. Außerdem gelangten die zweistufige Rakete „Bumper“ und die Versuchsrakete „Viking“ in die Entwicklung. Die Sowjetunion hat ebenfalls mehrere gelenkte Fernraketen entwickelt. Dazu zählen die „S8“ und die „S11“, die eine Reichweite von 620-750 Kilometern erreicht haben sollen. Es wurde außerdem an einer ferngelenkten Rakete mit einer Reichweite von über 5.000 Kilometern gearbeitet.102

Abbildung 10: A4, später als V2 bezeichnet

Abbildung 11: „Die Vergeltung setzte ein!“Abbildung 12: A4, später als V2 bezeichnet

102 Ebda. S. 201f. 38

6. Nationalsozialistische Propaganda am Beispiel der V- Kampagne

Ab dem Frühjahr 1943 entwickelte sich eine Propagandaoffensive vonseiten der NS-Führung. Die eindringlich beschworene „Haltung“ der Bevölkerung erwies sich trotz schwerer Bombardierungen, vor allem in den Industriezonen, als weitgehend kontrollierbar. Als Beleg dafür kann folgender Stimmungsbericht dienen:

„Die Haltung des größten Teiles der Bevölkerung ist gut und stur, obgleich bei vielen Frauen eine gesteigerte Nervosität und Ängstlichkeit in den Abend- und Nachtstunden zu beobachten ist.“103

Das Ziel der Propagandaoffensive in den ersten Kriegsjahren war es, eine passive Zustimmung der Bevölkerung zu erzeugen. Als die Kriegslage sich verschlechterte, wechselte Goebbels ab 1942/43 seine Strategie zu „Kraft durch Angst“. Durch Schreckensdarstellungen sollten, neben den ergriffenen Maßnahmen der Propaganda des „Totalen Krieges“, die Moral- und Kraftreserven der Bevölkerung aktiviert werden. An der Heimatfront propagierte man sowohl konstruierte Vorbilder, wie die Befreiungskriege von 1813/1815, als auch historische Personen, wie Friedrich den Großen. Dennoch blieb der Luftkrieg ein Thema der Massenmedien, über das nur mit großen Einschränkungen berichtet werden durfte. Aufgrund des verschärften Luftkrieges der Alliierten stieg im Frühjahr 1943 das Verlangen der deutschen militärischen und politischen Führung sowie der zivilen Bevölkerung nach Vergeltung. Am Tag nach dem ersten Großangriff auf , dem 5./6. März 1943, forderte Hitler unverzügliche Vergeltungsangriffe gegen britische Städte. Dazu wünschte er einen eigenen „Angriffsführer England“. Gegen die britische Luftwaffe war die deutsche Luftwaffe allerdings nicht in der Lage, eine wirkliche Schlagkraft zu entwickeln. Kleine sporadische Nachtangriffe gegen Großbritannien wurden der deutschen Bevölkerung als die große Vergeltung für die schweren Bombardierungen der Feinde verkauft.104

103 Schreiben des Kreisleiters von Essen an die Gauleitung Essen vom 28.6.1943 betr. Lagebericht über den Ablauf der Sofortmaßnahmen zum Beheben der Bombenschäden vom 23.6.1943. Stadt A Oberhausen, Akten der NSDAP, Bd. 2. Zitiert nach: Blank: Vergeltung. S. 433. 104 Vgl. Blank: Vergeltung. S. 433f. 39

Um eine Kriegswende im Zweiten Weltkrieg zugunsten des Deutschen Reiches zu erreichen, forcierte man die Entwicklung und Erforschung von neuen Waffensystemen, die einen Durchbruch im Kampf gegen die Alliierten bewirken sollten, beispielsweise moderne U-Boot-Typen, Fernraketen, verbesserte Panzer, Strahlflugzeuge oder Flakraketen. Im Lauf des Sommers 1943 begannen Goebbels und Hitler eine Vergeltung durch neue und geheime Waffen als Reaktion auf den feindlichen „Luftterror“ zu propagieren. Jede neue Entwicklung ermöglichte der Bevölkerung das Festhalten am Glauben bzw. der Hoffnung auf den versprochenen „Endsieg“. Diese Hoffnung muss offenbar auch die Führung des NS-Regimes geteilt haben, denn die letzte Phase des Krieges war gekennzeichnet durch die Realitätsferne der politischen und militärischen Führung des Reiches. Durch die Ankündigung von Wunderwaffen wollte man nicht nur die Moral der deutschen Bevölkerung stärken, sondern auch die gegnerischen Mächte beeindrucken. Selbst wenn die Wunderwaffenpropaganda zeitweilig die deutsche Bevölkerung blendete, blieb die Wirkung insgesamt jedoch gering.105 Da die Machthaber des Dritten Reiches mit ihrer Propaganda aber große Erwartungen geweckt hatten, war ihre Bringschuld für diese Wunder umso größer. Viele Jahre lang wurde den Deutschen die „Vergeltung“ für die Bombenangriffe der Alliierten versprochen, um die Moral und den Siegeswillen aufrechtzuerhalten. Durch die Ankündigung und den Einsatz der V-Raketen hob sich zwar für kurze Zeit die Stimmung im Reich, allerdings wurde diese schnell durch Skepsis vertrieben, da die gewünschten Ergebnisse bzw. die plötzliche Kriegswende ausblieben. Da die V-Kampagne die letzte Hoffnung auf den „Endsieg“ darstellte, mussten neue Wege gefunden werden, der sinkenden Moral gegenzusteuern.106 Das Volk wurde zunehmend kritischer und bemängelte, dass deutsche Piloten noch immer die gleichen Maschinen wie im Jahr 1940 fliegen müssten und die eigene Qualität der Quantität des Feindes unterläge. Die Mehrheit der Bevölkerung konnte nur mehr überzeugt werden, wenn die versprochenen Wunderwaffen in kürzester Zeit einsatzbereit wären. Auch in der obersten Führung ist die Kritik der Bevölkerung wahrgenommen worden; daraufhin wurde im Propagandaministerium die Gerüchteküche um sogenannte Wunder- bzw. Geheimwaffen weiter angeheizt.

105 Vgl. Müller/Ueberschär: Kriegsende. S. 68. 106 Vgl. Schabel: Wunderwaffen. S. 285. 40

Unvorsichtigerweise entwickelten sich diese Gerüchte zu einem Lauffeuer von Ideen über die sogenannten Wunderwaffen.107

6.1 Ursprung des deutschen „V“: Die V-Aktion

Die deutsche V-Aktion im Juli 1941 war eine Antwort von Goebbels auf die britische Propaganda, die ebenfalls von der V-Aktion bestimmt war. Einige Soldaten aus den Besatzungsgebieten berichteten vereinzelt, dass die Feinde unter anderem die Wände mit einem „V“ beschmierten. Auch Winston Churchill verwendete das Symbol der zwei gespreizten Finger für ein „V“, was victory bedeutete.108 Hans Fritzsche, späterer Ministerialdirektor im Reichspropagandaministerium, unterrichtete im deutschen Rundfunk in der Sendung „Es spricht Hans Fritzsche“ am 20. Juli 1941 erstmals das Volk von der sogenannten V-Aktion. Fritzsche erklärte bei seiner Einvernahme im Nürnberger Prozess, dass die V-Aktion „als Beispiel für Falschmeldungen, die ich nicht als Lügen, sondern als Kriegslisten bezeichne“, verstanden werden sollte.109 Seine Ausführungen über den bevorstehenden deutschen Sieg lösten Begeisterung unter den Volksgenossen aus, die diese Sondermeldung bis spät in die Nacht an ihren Rundfunkapparaten verfolgten. Dem Volk wurde aber weder der Sinn noch das Ziel dieser Propaganda erklärt und die Presse konnte diese Fragen ebenfalls nicht beantworten. Die Deutsche Allgemeine Zeitung titelte am 21. Juli 1941 mit „Das V als Zeichen europäischer Siegesgewißheit“. Einen Tag später durfte man nach einer Presseanweisung über das „V“ nur mehr im Inneren der Blätter berichten. Die V-Aktion führte durch mangelnde Kommunikation und Erklärung zu völligem Unverständnis. Große Teile der Bevölkerung lehnten deshalb diese Propaganda ab, der Rest kümmerte sich nicht wirklich darum. Das Volk stellte vor allem die Frage „Wozu der ganze Rummel?“ oder sprach von „Siegesgeheul“ und unnötigen „Vorschusslorbeeren“. Daraufhin wurde die V-Aktion teilweise mit Humor behandelt. In einigen Betrieben machten sich die Angestellten über diese Aktion lustig und begrüßten sich gegenseitig mit „Viktoria“.110

107 Vgl. ebda. S. 286. 108 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 163. 109 Springer: Fritzsche. S. 190. 110 Ebda. 41

Dennoch kann die V-Aktion als geschickter Akt der Umwertung von Goebbelsʼ und Fritzsches Propaganda gesehen werden:

„Die englischen Sender müssen zugeben, daß augenblicklich auf diesem Gebiet ein Riesendurcheinander herrscht, in dem sich niemand mehr ausfindet. Zum Teil geht auch die gegnerische Seite schon dazu über, das ominöse V wieder abzukratzen und abzuwaschen, ein Effekt, den ich mir selbst in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt hatte.“111

In seinem Tagebuch schildert Goebbels den Umstand, dass „V“ nun für die eigene Propaganda beansprucht und zugleich den Briten vorenthalten worden sei. Außerdem solle das „V“ eine noch größere Bedeutung erhalten, da die Mittel der Deutschen weit größer waren als jene der Briten. Es ist zu mutmaßen, dass Goebbels hier schon über die späteren V-Waffen und die folgende Propagandakampagne sprach:

„Die für den 20. Juli angesetzte Großaktion der englischen Propaganda ist vollkommen ins Wasser gefallen. Zähneknirschend muß das am Abend auch der englische Rundfunk eingestehen. Wir haben also erreicht, was wir erreichen wollten: Das V ist nicht mehr ein Siegeszeichen der englischen Kriegsführung, sondern heute höchstens ein von beiden Parteien jeweils für sich in Anspruch genommenes Zeichen der Fortführung des Krieges. Es wird nicht lange dauern, so wird es, weil wir natürlich ganz andere Mittel haben als die Engländer, es zu propagieren, eindeutig unser Zeichen sein.“

6.2 Neue Waffen und Vergeltung

Die katastrophale Niederlage der 6. Armee in Stalingrad Anfang Februar 1943 war der Ausgangspunkt der V-Propaganda. Um den Pessimismus und die Skepsis in der Bevölkerung aufzufangen, änderte sich der Schwerpunkt der Goebbelsʼschen Propaganda.112 Schon seit dem Kriegseintritt der USA Ende 1941 wurden die Befürchtungen einer materiellen Unterlegenheit immer größer, daher konzentrierte Goebbels seine Propaganda bereits auf neue Waffen und Waffenwirkungen. Bestärkt sah sich Goebbels in der Richtungsänderung seiner Propaganda durch die Zustimmung des Rüstungsministers Speer. Um der amerikanischen

111 Goebbels: Tagebücher. 21.7.1941, S. 101. 112 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 93. 42

Rüstungspropaganda entgegenzutreten und die Kriegsmüdigkeit der eigenen Bevölkerung einzudämmen, verfolgte Goebbels den Weg, nicht Fantasiezahlen und große Erfolge zu propagieren, sondern die Bevölkerung in Unwissenheit zu lassen und immer wieder auf die Neuheit der Waffen zu verweisen. Informationen, um welche Waffen es sich handelte und wie diese funktionieren sollten, blieben aus.113 Anlässlich des 10. Jahrestages der Machtübernahme wandte sich Goebbels am 30. Januar 1943 im Berliner Sportpalast an das Volk und versprach einen Gegenangriff mit den neuen Waffen:

„Wir sind mehr noch als bisher eine kämpfende und arbeitende Gemeinschaft, die sich mit fanatischer Entschlossenheit für den Krieg und seine Erfordernisse einsetzt und mit Sehnsucht auf die Stunde wartet, da der Führer mit unseren neuen Waffen seinen Truppen wieder den Befehl zum Angriff geben kann!“114

Unterstützt wurde die Aussage über die neuen deutschen Waffen bei der ersten semi-öffentlichen Ansprache Hitlers nach der Niederlage bei Stalingrad am 19. Februar 1943 an Soldaten der Luftflotte 4: „Unbekannte, einzigartig dastehende Waffen befinden sich auf dem Weg zu euren Fronten.“115 Aus Angst, das eigene Volk könnte aufgrund des zermürbenden Luftterrors der britisch-amerikanischen Luftwaffe auf Städte wie Düsseldorf, Bochum, Wuppertal sowie Köln in eine Art Resignation verfallen, scheute Goebbels vor dem Propagandabegriff Vergeltung zurück, da dieser in der Vergangenheit bereits seine Wirkung verloren hatte. Deshalb bat Goebbels die anderen Minister um eine vorsichtige Ausdrucksweise. Er konnte noch keine Vergeltung, sondern nur einen Gegenangriff versprechen.116 Das Versprechen eines schrecklichen Gegenangriffs wurde in den öffentlichen Reden des Propagandaministers in den folgenden Monaten deutlicher. Zwei Wochen nach seiner Rede im Sportpalast bereiste Goebbels die bombardierten Zonen im Ruhrgebiet und betonte, dass der Terror mit Antiterrormaßnahmen gebrochen werde.117 Im August ging er sogar soweit, zu sagen:

113 Ebda. S. 93f. 114 Lochner: Goebbels Tagebücher. S. 232. Zitiert nach: Hölsken: V-Waffen. S. 94. 115 Domarus: Reden. Bd. II, 2. Halbband. S. 1989. Zitiert nach: Hölsken: V-Waffen. S. 94. 116 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 94f. 117 Vgl. Kallis: Nazi Propaganda. S. 164. 43

„zu einem späteren Zeitpunkt werden wir über die zusätzlichen technischen und organisatorischen Mittel für einen massiven Gegenangriff verfügen. Bis dahin müssen wir den Terror ertragen.“118

Die persönliche Erfahrung der Bevölkerung durch das Bombardement der Alliierten und die damit einhergehende Unfähigkeit der deutschen Luftabwehr, dieses Bombardement einzuschränken bzw. zu stoppen, hatte kumulativ störende Auswirkungen auf das zivile Leben und erweckte den Eindruck, dass die Heimatfront völlig wehrlos sei. Berichte aus den betroffenen Gebieten unterstrichen die Verschlechterung der Lage und ließen die Glaubwürdigkeit des Regimes bröckeln. Als ein ermutigendes Zeichen konnte das NS-Regime die Tatsache sehen, dass die negative Stimmung nicht zu einer ähnlichen Erosion der Haltung in der Öffentlichkeit führte. Diese Haltung war bestimmt von einer Entschlossenheit für Vergeltung und einen verheerenden Rückschlag.119 Der Gedanke von Vergeltung war im Volk schon so weit verfestigt, dass Teile davon nur mehr nach dem „Wann?“ und „Wie?“ fragten. Einerseits wurden starke Zweifel gehegt, ob man überhaupt noch in der Lage sei, die angekündigte Vergeltung durchzuführen; andererseits glaubte der Großteil der Bevölkerung an eine Vergeltung in Kürze – man rechnete mit einer Vergeltung spätestens im Herbst 1943. Die Gewissheit dieser Vergeltung beruhte auf der Tatsache, dass führende Persönlichkeiten wiederholt diese Vergeltung propagierten sowie große Hoffnung auf die Gerüchte um die neuen Waffen gelegt wurde. Diese Gerüchte über neuartige Waffen verbreiteten sich in Windeseile und das ganze Volk sprach darüber. Im Reich wurde von neuen Geschützen gesprochen, die in der Lage wären, bis zu 600 Kilometer zu schießen und somit Vergeltung an England zu üben. Oft wurden diese Geschütze als „Stratosphärengeschütze“ oder „Raketengeschütze“ bezeichnet. Neben diesen Gerüchten, die eindeutig die V- Waffen beschrieben, gab es Erzählungen über eine neuartige Bombe, die nach dem Prinzip der Atomzertrümmerung konstruiert sei. Durch diese sei es möglich, eine Millionenstadt zu vernichten. Während die Gerüchte über die V-Waffen im Jahr 1944 bestätigt wurden, konnte man eine militärische Nutzung einer

118 Ebda. 119 Ebda. 44

Atombombe nicht erwarten. Deutschland hatte zwar die theoretischen Grundkenntnisse dafür, jedoch fehlte das spaltbare Material.120

Das Besondere am Vergeltungsdiskurs lag in seiner überraschenden Wirkung als Propagandainstrument während einer schwierigen Phase, die von militärischen Rückschlägen und einer zunehmenden materiellen Zerstörung im Reich geprägt wurde. Es gibt keinen Beweis dafür, dass Goebbels ursprünglich beabsichtigt hatte, die Vergeltung zu einer der systematischsten Kampagnen des Regimes zu machen, um das Vertrauen und die Moral der Bevölkerung wiederherzustellen. Der Zeitpunkt der Einleitung der Vergeltung deutete eher auf eine kurzfristige, reflexive Technik hin, welche die Aufmerksamkeit von den sich intensivierenden Luftangriffen in der ersten Jahreshälfte 1943 ablenken sollte. Hitler und Goebbels erkannten im Sommer 1943 die psychologische Wirkung dieser Kampagne und beschlossen, diese aufrechtzuerhalten, trotz der zweifelnden Einwürfe von Militärexperten, ob eine Vergeltung in naher Zukunft wirklich durchgeführt werden könne.121 Hölsken schreibt, dass der Begriff „Vergeltung“ in der NS-Propaganda zu früh verwendet worden sei, da man den Feinden mit Vergeltung drohte, als die eigene Bevölkerung noch nicht unter den Angriffen des Gegners zu leiden hatte und somit der Wunsch nach Vergeltung noch nicht so stark war. Eben deshalb, weil der Begriff Vergeltung nicht mehr so gut aufgenommen wurde, konsultierte Goebbels Hitler persönlich wegen der weiteren Verwendung in der Praxis.

Ein weiteres Problem der Propaganda Goebbelsʼ bestand darin, dass zwar Vergeltung und Zurückschlagen ständig versprochen wurden, allerdings kein genaues Datum dafür geliefert werden konnte. Der Grund dafür war, dass die Vergeltungswaffen noch in der Produktion bzw. Entwicklung feststeckten.122 Als Beispiel für die V-Propaganda dient folgender Ausschnitt des „Völkischen Beobachters“ vom 8. Juni 1943 mit dem Titel „Vergeltung wird vorbereitet“ (siehe Abb. 9).

120 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 414. 121 Vgl. Kallis: Nazi Propaganda. S. 164f. 122 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 94. 45

Abbildung 13: Völkischer Beobachter „Vergeltung wird vorbereitet“

Erneut wird von einer Vergeltung an den Feinden gesprochen, ohne weitere Details und ohne die Hauptfragen „Wie?“ und „Wann?“ der Bevölkerung zu klären. Dafür werden im Artikel die Gerüchte verstärkt, dass die Vergeltung mit den neuen Waffen einhergehe:

„Indessen tun wir alles, was in unserer Kraft steht, um diesen heiß ersehnten Tag der Vergeltung so nah wie möglich zu machen. Unsere Wissenschaftler in ihren Laboratorien, unsere Arbeiter in den Fabriken, unsere jungen Piloten auf unseren Flugfeldern treibt dieser Gedanke zur Rache an.“123

Goebbelsʼ Propaganda stellte zwischen den Wunderwaffen und der Vergeltung einen Konnex her und appellierte an die Emotionen Hass und Rachsucht. In der Folge achtete Goebbels streng darauf, nicht zu große Versprechungen zu machen, da die V-Propaganda dann ihre Wirkung verlieren würde.124 Die Ingenieure und Forscher zeigten sich mit der Vorgehensweise des RMVP unzufrieden. Sie sprachen von einem „unverantwortlichen Rummel“ um die Vergeltungswaffen. Da sie nicht davon ausgingen, Goebbelsʼ Propaganda in eine andere Richtung lenken zu können, wandten sie sich an das Oberkommando der Wehrmacht (OKW). Daraufhin „wurde auf Veranlassung des OKW eine Kommission gebildet, die sich aus sechs Vertretern des Luftfahrtministeriums, der Abwehr und der Abteilung für Wehrmachtpropaganda zusammensetzte.“125 Da man innerhalb dieser Kommission sofort erkannte, dass diese Waffen den Kriegsausgang nicht entscheiden würden, entschied man sich dafür, den Erwartungen entgegenzuwirken und Hoffnungen auf die Stärke der Waffen auf ein

123 Völkischer Beobachter, Nr. 159, 8. Juni 1943, „Vergeltung wird vorbereitet“. 124 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 99. 125 Ebda. 46

vertretbares Maß zu reduzieren. Man erreichte zwar, die Meldungen im Inland dementsprechend zu zügeln, im Ausland hingegen wurde die Vergeltungspropaganda im vollen Umfang weitergeführt.126 Die Sitzungen des Komitees für Wunderwaffenpropaganda dauerten bis weit in das Jahr 1944 hinein, sogar bis zum Einsatz dieser Waffen. Die Funktion dieser Kommission war zu dieser Zeit allerdings völlig irrelevant und wurde meist mit grimmig humorvollen Bemerkungen quittiert.127

Von einem Besuch in Westdeutschland am 18. Juni 1943 versprach sich Goebbels ebenfalls die Durchhaltekraft der Deutschen durch das Versprechen von „Wunderwaffen“ und eines „Endsiegs“ zu nähren. Der Höhepunkt seiner Reise war eine Großveranstaltung in Dortmund. Dort verwendete Goebbels erstmals den Begriff Vergeltung und erntete dafür großen Beifall. Zwar jubelte ihm die Menge zu, allerdings wusste Goebbels um die damit verbundene Erwartungshaltung Bescheid. Im Volk wurde ohnehin von der Vergeltung gesprochen, je häufiger und schwerer die feindlichen Luftangriffe wurden. Auch andere Redner verwendeten zu dieser Zeit bei Trauerfeiern und anderen Veranstaltungen den Begriff Vergeltung.128 Der Gauleiter von Westfalen-Nord sagte:

„So müssen wir, um nicht vernichtet zu werden, diesen Krieg auch als Vernichtungskrieg führen. Sie müssen es am eigenen Leibe spüren, wie es ist, wenn friedliche Städte in Schutt und Asche sinken und unter ihren Trümmern unschuldige Frauen und Kinder begraben. So muß es kommen, und wir wissen, daß der Krieg der Vergeltung kommen wird.“129

Goebbels erkannte daraufhin die Notwendigkeit, die verschiedenen Verweise auf Vergeltungsmaßnahmen abzuschwächen. Am 6. Juli kam aus dem RMVP die Anweisung, dass in der deutschen Presse von Vergeltung nicht mehr gesprochen werden darf, mit der Absicht, den Begriff nicht abzunutzen. Goebbels wollte den Begriff nicht komplett streichen, vielmehr wollte er ihn für den richtigen Moment aufsparen.130 Als sich im August 1943 die ausländische Presse mit den deutschen Geheimwaffen beschäftigte, durften die Zeitungen sich des Themas nicht

126 Vgl. ebda. 127 Vgl. Uziel: Warriors. S. 321. 128 Vgl. Blank: Vergeltung. S. 434. 129 Westfälischer Beobachter/Gladbecker Zeitung, 29.6.1943, „Gefallen an der Front“. 130 Vgl. Hano: Taktik. S. 70. 47

annehmen. In seinen Tagebüchern beschreibt Goebbels die Situation mit der ausländischen Presse wie folgt:

„Immerhin kann man aus der englischen Presse und auch aus Vertrauensmännerberichten entnehmen, daß man in London sehr viel Angst vor unserer neuen Geheimwaffe hat. Man weiß zwar nicht genau, wie diese beschaffen ist, immerhin hat man aber – und das ist ja auch ganz verständlich – schon sehr viel davon erzählen und munkeln hören. Ich glaube, daß die Engländer besser im Bilde sind, als wir ahnen.“131

Am nächsten Tag, dem 23. August 1943, kam Goebbels wieder auf die britische Presse und die Geheimwaffen zu sprechen:

„Die englische Öffentlichkeit spricht jetzt sehr viel von unserer neuen Geheimwaffe. Es scheint, daß die britische Regierung darüber ziemlich genau im Bilde ist. Das kann ja auch nicht verwundern, da so viele Arbeiter damit beschäftigt werden und früher sogar auch ausländische Arbeiter damit beschäftigt waren.“132

Auch bei Erfolgen der deutschen Luftwaffe gegen England gab es keine Erlaubnis, diesen Gegenschlag in eine Relation zum Begriff Vergeltung zu bringen.133 Nachdem im Sommer 1943 von keinen militärischen Erfolgen berichtet worden war, begann die Zivilbevölkerung – vor allem in den bombardierten Gebieten – zu verzweifeln. Sie empfand die deutsche Propaganda als Nervenkrieg gegen die eigene Bevölkerung. Während technische Probleme und die anhaltenden Angriffe der Alliierten einen Gegenschlag verzögerten, bemühte sich das RMVP mit allen Mitteln darum, das Propagandageflüster in der Bevölkerung voranzutreiben, wenn auch auf eine deutlich subtilere und vage Weise.134

6.2.1 Geheimressort „Schwarz van Berk“

Es zeigte sich, dass die Vergeltungsversprechen und die Propaganda um neue Waffen gezielt durch eine inoffizielle Propaganda von Goebbels, nämlich eine Flüsterpropaganda, intensiviert wurden. Heute lässt sich der Verlauf dieser

131 Goebbels: Tagebücher Bd. 9, 22. August 1943, S. 340. 132 Ebda. S. 345. 133 Vgl. Hano: Taktik. S. 70. 134 Vgl. Kallis: Nazi Propaganda. S. 165. 48

Flüsterpropaganda nicht mehr mit Sicherheit nachzeichnen. Allerdings deutet alles darauf hin, dass die Gerüchte ihren Ursprung im „Büro von Schwarz van Berk“ im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda hatten.135 Der Leiter dieses Büros war Hans Schwarz van Berk; dieser brach sein Studium der Geschichte und Zeitungswissenschaften in Leipzig ab, um sich dem praktischen Journalismus zu widmen. Auf Initiative Goebbelsʼ wechselte er 1935 nach Berlin, um für die Zeitung „Angriff“ zu arbeiten. Er leitete später eine Sonderredaktion, die internationale Nachrichten über Deutschland zusammenfasste. Walter Hagemann behauptete nach dem Krieg, das Büro van Berk sei eigens eingerichtet worden, um Gerüchte und Parolen zu verbreiten. Außerdem sei Schwarz van Berk jener Mann, der sich die Vergeltungswaffenpropaganda ausgedacht habe. Schwarz van Berk habe Goebbels vorgeschlagen, die neuen Geschosse als V-Waffen zu bezeichnen (V für Vergeltung) und aufgrund der Sensation mehrere dieser V- Waffen anzukündigen. Daraufhin habe Goebbels diese Idee Hitler als seine eigene verkauft.136

Ein weiteres Indiz für diese Gerüchtezentrale stammt von Hans Fritzsche, dem Chefkommentator Goebbelsʼ. Dieser stützte ebenfalls die Behauptung, es habe eine geheime Gerüchteküche gegeben, die auf der Grundlage der Wahrheit Unwahrheiten verbreitete.137 Fritzsche bestätigte Speer gegenüber erst während des Nürnberger Prozesses, dass es tatsächlich ein eigenes Ressort um Schwarz van Berk gab, um Gerüchte zu verbreiten.138 Selbst in den obersten Führerreihen war dieses geheime Büro also nicht jedem bekannt. Schwarz van Berk selbst stritt später jedoch ab, dass sein Büro diese Flüsterpropaganda betrieben habe.139 Der OKW-Sprecher Martin Sommerfeldt beschrieb das Rezept Flüsterpropaganda wie folgt:

„Niemals hat sie schneller, präziser und nachhaltiger gewirkt, als wenn sie Unmögliches behauptete. Sie arbeitete immer nach dem gleichen Rezept: Man nehme ein Körnchen Wahrheit, tue dazu ein Quentchen Wahrscheinlichkeit, vergesse auch nicht, mit zwei Prisen Personen- und Ortsangaben zu würzen, füge eine reichliche Menge von halben oder viertel Andeutungen hinzu, forme daraus einen handlichen Ball und reiche ihn weiter

135 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 96. 136 Vgl. Bramsted: Goebbels. S. 429. 137 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 96. 138 Vgl. Speer: Erinnerungen. S. 418. 139 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 96. 49

nach der Methode der Kettenbriefe – es wird mit Sicherheit eine Lawine daraus werden, und es kann wieder weitergehen. Weil es unmöglich ist, wird es das deutsche Volk glauben. Das war das Wunder der letzten Kriegsphase.“140

Die Hoffnung auf eine nahe Vergeltung festigte sich in der Bevölkerung einerseits aufgrund führender Persönlichkeiten und deren Versprechungen, andererseits aufgrund der Gerüchte, die in der Bevölkerung gestreut wurden. Ein SD-Bericht vom 1. Juli 1943 vermerkte im Hinblick auf diese Gerüchte:

„Diese Gerüchte über die neuen Waffen haben seit einigen Tagen im ganzen Reichsgebiet einen derartigen Umfang angenommen, daß fast jeder Volksgenosse in irgendeiner Weise davon berührt wird. Dabei werden nicht nur bei Gesprächen ,unter Freunden‘, sondern zum Teil offen in Verkehrsmitteln, Gasthäusern usw. auch sehr ins einzelne gehende Angaben über ,neue Waffen‘ verbreitet, die überall große Hoffnung auf das Gelingen der Vergeltung erweckt haben.“141

Aus diesem Bericht ist ersichtlich, dass das Volk nicht plötzlich den Glauben an die Wunderwaffen erfunden hatte, sondern dass es sich bei der Verbreitung dieser Gerüchte um eine systematische Aktion handelte. Die gelungene Verbindung von Vergeltung und neuen Waffen ebnete der Propaganda der Vergeltungswaffen den Weg, noch bevor der Begriff von offizieller Seite geprägt wurde.142 Die größte Übereinstimmung zwischen den Gerüchten von neuen Waffen und der Vergeltung sahen die Menschen in einer Rundfunkansprache Hitlers, der den gleichen Ton wie Goebbels anschlug. In dieser Ansprache vom 10. September 1943 teilte Hitler mit:

„Die technischen und organisatorischen Vorbedingungen sind im Begriff, geschaffen zu werden, nicht nur, um den feindlichen Terror auf immer zu brechen, sondern auch, um ihm mit anderen und wirksameren Mitteln zurückzuzahlen.“143

6.2.2 Das Versprechen einer nahen Vergeltung

Seit dem Frühjahr 1943 hatte die Vergeltung eine immer größere Bedeutung in der Bevölkerung. Der SD-Bericht vom 4. Oktober 1943 zeigte, dass das Volk sich

140 Sommerfeldt: Oberkommando. S. 145. Zitiert nach Krings: Pressechef. S. 434. 141 Hölsken: V-Waffen. S. 97. 142 Vgl. ebda. 143 Carroll: Persuade. S. 153. Zitiert nach Bramsted: Goebbels. S. 426. 50

akribisch mit den Gerüchten über die technischen Einzelheiten und deren Wirkung beschäftigte.144 Im SD-Bericht wird äußerst präzise die spätere V2-Waffe beschrieben als

„ein auf dem Raketenprinzip aufgebautes Geschoß von ungeheuren Dimensionen, welches sich durch eigenen Antrieb fortbewege und durch besondere Strahlen zum Ziel gelenkt werde.“145

Selbst über Probleme der Zielgenauigkeit sprach das Volk. Genauer gesagt, sprach man von Abweichungen bis zu 25 Kilometern bei Testungen der Vergeltungswaffe. Der Vergeltungsgedanke und die V-Propaganda fanden im Volk höchste Zustimmung. Nach der Einsicht, dass die eigene Flak und die Nachtjäger es nicht schafften, die Heimat zu verteidigen, beschränkte man sich auf die Vergeltung als Mittel des Gegenschlags. Durch diesen Gegenschlag sollte der Feind dazu gezwungen werden, vom praktizierten Luftterror abzusehen. Dem Vergeltungsgedanken räumte die deutsche Bevölkerung große Bedeutung ein, wenn auch keine für das gesamte Kriegsgeschehen entscheidende. Nach der Niederlage in Stalingrad reduzierte sich das von den Deutschen kontrollierte Gebiet sukzessive und der einzige Ausweg, um den Krieg für sich zu entscheiden, war ein Wunder. Jenes Wunder ging von der Vergeltung aus und beruhte einzig auf dem Glauben und der Hoffnung auf den Einsatz neuer Waffen und Kampfmittel. Die Hoffnung der deutschen Bevölkerung auf Vergeltung ging so weit anzunehmen, dass die Briten binnen weniger Tage oder Wochen aus dem Krieg gedrängt werden würden. Man erhoffte sich eine so massive Zerstörung der großen englischen Städte, dass die Briten einen Waffenstillstand anbieten würden. Die Amerikaner hätten anschließend kein Interesse mehr sich einzumischen und man könnte dadurch den Krieg gegen Russland ungestört weiterführen.146 Äußerungen der deutschen Bevölkerung zeigen das Festhalten an dieser Einstellung:

„Wenn die Vergeltung ausbleibt oder nicht so ausfällt, wie ich mir das denke, dann sehe auch ich keine Möglichkeit mehr, den Krieg zu gewinnen.“147

144 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 440. 145 SD-Bericht, 4.10.1943. 146 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 440f. 147 Ebda. S. 441. 51

Dass die versprochene Vergeltung nur ein Propagandamanöver zur Moralisierung des eigenen Volkes oder zur Entmoralisierung bzw. Einschüchterung des Gegners sei, glaubte im Volk kaum jemand. Vielmehr suchte die Bevölkerung selbst nach Gründen, warum die Vergeltung noch nicht eingesetzt habe. Beispielsweise argumentierte man, dass aufgrund der Verzögerung der Vergeltung diese hundertprozentig gelinge, da nach so langer Vorbereitung ein Fehlschlag auszuschließen sei. Die Kritik an der Vergeltungspropaganda seitens der Katholischen Kirche, die eine Vergeltung als „unchristlich“ bezeichnete, wurde selbst von streng katholischen Volksteilen abgelehnt.148 Bestärkt wurde das Volk in seinem Glauben immer wieder durch die Reden führender Persönlichkeiten. Eine dieser veröffentlichten Reden ist jene von Adolf Hitler in der „Marburger Zeitung“ vom 9. November 1943:

„Die Herren mögen es glauben oder nicht, aber die Stunde der Vergeltung wird kommen! Wenn wir auch im Augenblick Amerika nicht erreichen können, so liegt uns doch, Gott sei Dank, ein Staat greifbar nahe, und an den werden wir uns halten.“149

Unter großem Beifall sprach Hitler persönlich von der Vergeltung und meinte damit indirekt Großbritannien. Dass das Wort Vergeltung für die Massen ein gern gehörter Begriff war, wusste Hitler. Es störte ihn nicht, diesen Begriff gegen den Rat von führender militärischer Seite sowie von Wernher v. Braun und Dornberger zu verwenden. Dornberger befürchtete, dass durch die V-Propaganda eine zu hohe Erwartungshaltung geschürt werde. Nach dem Krieg erklärte er, in einem Gespräch mit Hitler am 7. Juli 1943 gesagt zu haben, dass diese nicht die alles zerstörenden Wunderwaffen seien, die eine Entscheidung herbeiführen würden.150 Die Reaktionen aus dem Volk nach Hitlers V-Ansprache lauteten wie folgt:151

„Wenn der Führer das sagt, glaube ich es auch.“ „Der Tommy wird sein Fett schon kriegen.“ „Jetzt wirdʼs doch was mit der Vergeltung, weil er’s selbst gesagt hat.“

Vor allem bei Betroffenen des feindlichen Luftterrors hatten die Worte Hitlers eine enorme Wirkung. Einem Hamburger Bericht zufolge habe die Ankündigung eine

148 Vgl. ebda. S. 441f. 149 Marburger Zeitung, Nr. 313, 9. November 1943, „Es gibt nur eines: unseren Sieg!“ 150 Vgl. Bramsted: Goebbels. S. 426. 151 Boberach: Meldungen. S. 443. 52

befreiende Wirkung auf das Volk gehabt. In Münster sei die Bevölkerung über die nahe Vergeltung am meisten beeindruckt gewesen. Eine Ansprache durch den Führer hatte eine viel größere Wirkung als alle anderen Erklärungen, die über Presse, Rundfunk und andere Kundgebungen vermittelt wurden.152 Wie tief die Versprechungen Hitlers griffen, zeigt sich in einer weiteren Äußerung aus der Arbeiterschicht:

„Wenn der Führer von Vergeltung spricht, dann muß sie auch kommen. Denn wir können uns nicht denken, daß der Führer sein Volk mit Phrasen hinhalten will.“153

Auch der Geheimdienst der Alliierten überzeugte sich von den neuen deutschen Waffen und wies prompt auf die Diskrepanz zwischen den Versprechungen und den Taten der Nationalsozialisten hin. Daraufhin antwortete Goebbels in einer Rede Anfang Oktober 1943 im Berliner Sportpalast:

„Was das im deutschen Volk mit so heißer Leidenschaft erörterte Thema der Vergeltung anbetrifft, so kann ich darüber aus naheliegenden Gründen nur aussagen, daß die Engländer einem außerordentlich verhängnisvollen Irrtum huldigen, wenn sie glauben, es handle sich dabei um ein rhetorisches oder propagandistisches Schlagwort, hinter dem keine Wirklichkeit stehe. England wird diese Wirklichkeit eines Tages kennenlernen.“154

6.2.3 Schuldzuweisungen

Die Propaganda zeigte 1943 zunehmend ideologische Züge. Neben der Vergeltung wurde auch die Suche nach Schuldzuweisungen und Vorurteilen zum Thema der nationalsozialistischen Propaganda. US-Piloten verglich man mit Gangstern und Berufsverbrechern; gegen farbige Soldaten wurde frei politisiert.155 Ein Artikel aus dem Sommer 1943 spiegelt diese ideologische und rassistische Komponente der Propaganda:

„Wie kann man von Menschen Achtung vor fremden Kulturdenkmälern erwarten, die selbst keine Kultur kennen, deren Helden Gangsterkönige und betrügerische Negerboxer sind. Das ist derselbe Schlag Mensch, der aus den USA über den Ozean herübergekommen ist,

152 Ebda. 153 Ebda. 154 Hamburger Fremdenblatt, 5.10.1943. Zitiert nach Bramsted: Goebbels. S. 427. 155 Vgl. Blank: Vergeltung. S. 437. 53

um durch Bombenterror den Ländern Mitteleuropas die Kultur zu bringen. Der Pöbel, ob weiß oder schwarz, sitzt in Roosevelts Flugzeugen. Dieser Mob ist kulturunfähig und wird es bleiben.“156

Aber auch das Feindbild der Juden wurde durch die Luftangriffe der Alliierten gestärkt. Ihnen wurde die Verantwortung für den Bombenkrieg zugeschoben. Vereinzelt wurden Bombardierungen als das Werk des „Judentums“ dargestellt. Allerdings verfehlte die Propaganda mit diesen Anschuldigungen ihr Ziel, da die Bevölkerung an der Glaubwürdigkeit dieser Meldungen zweifelte. Vielmehr erwartete man wirkliche Lösungen gegen den Luftterror.157

6.2.4 Enttäuschung zu Weihnachten 1943 und die Hoffnung auf das nächste Jahr

Kurz vor Weihnachten 1943 wurde die versprochene Vergeltung zum Hauptgesprächsstoff der Bevölkerung. Man ging allgemein davon aus, dass die Vorbereitungen abgeschlossen seien und man nur noch auf den richtigen Zeitpunkt warte. Aussagen von Soldaten bestärkten die Bevölkerung in ihrem Glauben, da von einer Umrüstung gesprochen wurde. Jene Aussagen der Soldaten deuteten auf die Vorbereitungen für den sogenannten „Baby-Blitz“ hin. Dabei handelte es sich um eine bloße Kulisse, in der Anfang 1944 eine Welle von Luftangriffen genehmigt wurde. Diese sollte laut Goebbels den ersten Schritt für den entscheidenden Sieg einleiten.158 Zudem bestärkte der Artikel von Schwarz van Berk „Die ungeahnten Folgen“ in der Zeitung „“ vom 5. Dezember 1943 diese Erzählungen. In diesem Artikel steht wörtlich:

„Die andere Frage, die über die Trümmer hinausragt, ist die schwebende nach der Vergeltung. Von ihr sehr frühzeitig zu sprechen, war so natürlich, wie einem Menschen angesichts eines persönlichen Unheils persönliche Hilfe zuzusagen. Die Frage nach dem Termin der Vergeltung hängt nicht mehr von der technischen Vollendung ab, sondern von dem Zweck, der mit ihr erreicht werden soll.“159

Des Weiteren führte Schwarz an, man wolle „der Zügellosigkeit des Massenmordens durch einen äußersten, sehr drastischen Schlag Einhalt

156 Berliner-Lokal-Anzeiger, 1.8.1943. Zitiert nach Blank: Vergeltung. S. 437. 157 Vgl. Blank: Vergeltung. S. 437. 158 Vgl. Kallis: Nazi Propaganda. S. 166. 159 Das Reich, Nr. 45, 5. Dezember 1943. 54

gebieten.“160 Laut Hölsken handelte es sich bei diesem Artikel um einen Geniestreich. Schwarz van Berk verschaffte der Führung eine Blankovollmacht im Hinblick auf den Zeitpunkt des Einsatzes der Vergeltungswaffen.161

Die deutsche Bevölkerung rechnete mit dem Einsetzen der Vergeltung noch vor Weihnachten. Trotz ernüchternder Berichterstattung der Medien hielt die Bevölkerung an einer nahen Vergeltung fest. Im Volk argumentierte man damit, man wolle mit dieser Berichterstattung das Ausland in die Irre führen. Die berichteten Umquartierungen und Evakuierungen deutete man als jene 60 Stunden, die man während der Vergeltung im Luftschutzkeller verbringen sollte, um nicht den letzten Großangriff der Alliierten erleben zu müssen, bevor sie sich ergeben würden. Nach diesen 60 Stunden könne man den Keller wieder verlassen und der Krieg sei gewonnen.162 Innerhalb der deutschen Bevölkerung entstand kein Konsens über eine nahe Vergeltung. Vorsichtige Teile der Bevölkerung machten eine nahe Vergeltung von den Wetterumständen abhängig und glaubten deshalb erst an einen Angriff im Frühjahr. Ein nicht kleiner Teil zweifelte völlig an der versprochenen Vergeltung. Es handle sich dabei um nicht mehr als ein Propagandamanöver, welches das Volk bei der Stange halten solle. Die Vergeltung des deutschen Volkes war eng im Zusammenhang mit den Luftangriffen der Gegner propagiert worden. Von der versprochenen Vergeltung erwartete man vor allem das Nachlassen der feindlichen Luftangriffe. Das Ausbleiben der neuen Waffen und die zunehmende Anzahl der gegnerischen Luftangriffe ließen Kritik und Erbitterung im Volk ansteigen. Kritische Stimmen aus der Bevölkerung lauteten beispielsweise:

„wenn die Vergeltung nicht kommt, trotz der vielfachen Ankündigungen unserer führenden Männer, wird aller Glaube an sie verloren, und das können sie nicht riskieren.“163

Die Erbitterung im Volk führte schlussendlich dazu, Witze über die Vergeltung zu machen. Man sprach von „üblichen Vergeltungsreden“ der führenden Männer. Die gängigsten Witze über die ausbleibende Vergeltung waren folgende:164

160 Ebda. 161 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 100. 162 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 473f. 163 RSHA 8.10.1944/DC. Zitiert nach Hano: Taktik. S. 76. 164 Boberach: Meldungen. S. 474. 55

- „Dr. Goebbels wurde in Berlin ausgebombt. Er rettet zwei Koffer auf die Straße und geht nochmals ins Haus, um andere Sachen zu bergen. Als er wieder herauskommt, sind die beiden Koffer gestohlen. Dr. Goebbels ist sehr unglücklich, weint und klagt. Als man fragt, was denn so Wertvolles in den Koffern gewesen sei, antwortet er: In dem einen war die Vergeltung und in dem anderen der Endsieg.“

- „Die Vergeltung kommt, wenn an den Altersheimen steht: Wegen Einberufung geschlossen!“

- „19:50 Uhr. Besprechung im Führerhauptquartier über den Termin der Vergeltung. Sie wird noch einmal vertagt, weil keine Einigkeit darüber zu erzielen ist, ob die beiden Flugzeuge neben- oder hintereinander fliegen sollen.“

- „Die deutschen Uhrmacher sind zu einer Tagung nach Berlin gerufen worden, um die Zeit für den Vergeltungsschlag reichseinheitlich festzusetzen.“

- „An der deutschen Uhrzeit fehlt eine Stunde: die Stunde der Vergeltung.“

- „Beim letzten Angriff auf Berlin haben die Engländer Heu für die Esel abgeworfen, die noch an die Vergeltung glauben.“

Der Vergeltungsbegriff entwickelte sich zum Symbol für die Unglaubwürdigkeit der Propaganda und anderer Prophezeiungen.165 Außerdem kam es regelrecht zu einer Überbietung an Fantasien und mutmaßlicher Techniken, die eine Vergeltung erreichen sollten. Beispielsweise sprach man von Gefrierbomben, die jegliches Leben im Umkreis von 5 km vernichten würden. Wie fantasiehaft die Gedanken waren, zeigte sich an der Begründung, die eigenen Leute könnten dadurch nicht getötet werden, da diese ja in den Häusern wären und die Kälte der Gefrierbombe dort nicht hineinkönne.166 Stimmung und Haltung der Bevölkerung charakterisierte der am 16. März 1944 wie folgt:

„In der tiefen Sorge und Angst über die Entwicklung des Krieges tragen zwar die Volksgenossen die Hoffnung mit sich herum, daß eines Tages etwas ganz Entscheidendes geschieht, das mit einem Schlag die Kriegslage völlig zu unseren Gunsten verändert, (jedoch) ohne daß man wüßte, wie dies erfolgen könnte. Es handelt sich um die vage

165 Vgl. Hano: Taktik. S. 77. 166 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 474. 56

Vorstellung von dem großen Wunder, die sich mit dem Begriff der Vergeltung verbunden hat.“167

Es brauchte erneut Hitler persönlich, der am 1. Januar 1944 bei seiner Neujahrsansprache versicherte: „Im Übrigen wird die Stunde der Vergeltung kommen.“168

6.3 Die Propaganda zum Ersteinsatz der V1

Der Ersteinsatz der V1 erfolgte in den frühen Morgenstunden des 13. Juni 1944. In den folgenden Tagen unterrichtete der Wehrmachtsbericht die Öffentlichkeit darüber, dass eine neue Waffe schwersten Kalibers gegen England im Einsatz sei. Da in den Wehrmachtsberichten stets von einem „Störungsfeuer“ durch die neue Waffe die Rede war, verunsicherte man damit die öffentliche Meinung. Aus militärischer Sicht handelte es sich dabei vermutlich um die beste Beschreibung der Wirkung der Waffe; von der versprochenen Vergeltung konnte keine Rede sein. Goebbels nahm die Stimmung des Volkes auf und veranlasste daraufhin Anfang Juli die Freigabe des Vergeltungsbegriffs. Nach dieser Freigabe wurde der Begriff „Vergeltungsfeuer“ von allen Medien für Bombenangriffe auf London verwendet. Diese Änderung verhalf zu einer sofortigen – wenn auch nur vorübergehenden – Besserung der öffentlichen Stimmung.169 In den Wehrmachtsberichten vom 1. Juli 1944 bis zum 6. September ist nahezu ununterbrochen von Vergeltungsfeuer auf England durch die V1 die Rede. Nach einer zweiwöchigen Unterbrechung wurde laut Wehrmachtsbericht am 17. September das V1-Feuer auf London fortgesetzt. Am 19. September 1944 war im Wehrmachtsbericht bereits wieder von einem „Störungsfeuer“ die Rede.170 Diese Berichte hielten bis etwa Januar 1945 an. Die Ausführungen im Wortlaut unterscheiden sich nur marginal.171

In Zeitungen wurde die Öffentlichkeit Anfang Juli über technische Details der V1- Rakete unterrichtet. Ein Beispiel für diese Berichterstattung ist der Artikel „V-1

167 RSHA 16.3.1944/DC. Zitiert nach Hano: Taktik. S. 76. 168 Domarus: Reden. Bd. II, 2. Halbband, S. 2072. Zitiert nach: Hölsken: V-Waffen. S. 101. 169 Vgl. Uziel: Warriors. S. 324f. 170 Vgl. Murawski: Wehrmachtsberichte. S.177-264. 171 Ebda. S. 279ff. 57

gegen England“ von Erich Wenzel im „Illustrierten Beobachter“. Am 3. Juli veranlasste Hitler einen 30-40 Filmmeter langen Beitrag für (siehe Kap. 6.9.1).172 Weiters wollte Hitler Bilder der V1 am Boden sowie im Flug zeigen. Zuständig für die Filmtätigkeiten war der Kameramann Leutnant Walter Frentz, der später auch die V2-Filme drehte. Inzwischen wurde nach weiteren propagandistischen Möglichkeiten der V1 gesucht. Man entschied sich schließlich Mitte Juli dazu, eine Broschüre herauszugeben, in der Informationen über die wirtschaftliche Bedeutung des Bombardements von London und Südengland angeführt wurden. Obwohl das Sonderkomitee für Wunderwaffen die Auswirkungen als gering vorhersagte, wurde die Propaganda immer irrationaler. Seit Juli 1944 behauptete sie, dass die Gebietsverluste im Westen wie im Osten für die eigene Wirtschaft vernachlässigbar wären. Gleichzeitig verschwieg man aber die katastrophale Situation bei der Ölversorgung.173

6.3.1 Darstellung des Ersteinsatzes in den österreichischen Zeitungen

Nach dem Ersteinsatz der V1-Raketen im Juni 1944 war Goebbels sowohl aufgeregt als auch besorgt. Die NS-Propaganda hatte die Macht der Fernraketen übertrieben und behauptet, dass diese Waffen ungeahnte Zerstörungen in den britischen Städten bewirken würden.174 Vorerst hatten Zurückhaltung und Geheimhaltung noch immer höchste Priorität. Erst nach einem Gespräch mit Hitler konnte Goebbels die Freigabe der Berichterstattung über den Erfolg des Beschusses erwirken. Das Wort „Vergeltung“ sollte dabei trotzdem vermieden werden. Der Wehrmachtsbericht sollte eine Richtlinie für die Presse darstellen und berichtete am 16. Juni 1944 wie folgt über den Einsatz:

„… Südengland und das Stadtgebiet von London wurden in der vergangenen Nacht und heute Vormittag mit neuartigen Sprengkörpern schwersten Kalibers belegt …“175

Wie streng sich die Zeitungen an diese Anweisungen hielten, wird aus der unten angeführten Tae ersichtlich. Darin ist eine Auflistung der auf ehemals

172 Vgl. Uziel: Warriors. S. 325. 173 Ebda. S. 326f. 174 Vgl. Kallis: Nazi Propaganda. S. 167. 175 Hano: Taktik. S. 70. 58

österreichischem Gebiet publizierten Zeitungen mit ihren jeweiligen Schlagzeilen zu sehen:

Zeitung Titel Agrarische Post „Harte Seegefechte vor der Invasionsküste“ Alpenländische Rundschau „Erbitterte Seegefechte vor der Invasionsfront“ Badener Zeitung „Für uns alle“ Vorarlberger Tagblatt „Neuartige Sprengkörper auf Südengland und London“ Das kleine Blatt „Unsere Gegenrechnung. Beschießung Südenglands und Londons mit neuartigen Sprengkörpern“ Das kleine Volksblatt „Antwort auf zehntausendfachen Mord. Neuartige Sprengkörper schwersten Kalibers auf London und Südengland“ Der Landbote „Harte Seegefechte vor der Invasionsküste“ Wiener Kronen Zeitung „Antwort auf zehntausendfachen Mord. Neuartige Sprengkörper schwersten Kalibers auf London und Südengland“ Innsbrucker Nachrichten „Die deutsche Antwort auf den Luftterror. Die britische Hauptstadt im Bombenhagel / Churchill England erlebte die gewünschte Kriegsverschärfung“ Volks-Zeitung „Schockwirkung in ganz England. Neuartige schwerste Sprengkörper auf London“ Kärntner Volkszeitung „London mit neuartigen Sprengkörpern schwersten Kalibers belegt“ Neues Wiener Tagblatt „Die deutsche Gegenrechnung. Südengland und London mit neuartigen Sprengkörpern belegt“ Oberdonau-Zeitung „Schwerer Feuerschlag von neuartigen Sprengkörpern schwersten Kalibers. Mit neuen Waffen gegen England!“ Oedenburger Zeitung „Die Vergeltung setzte ein! Neuartige deutsche Sprengkörper schwersten Kalibers im Einsatz gegen England“ Salzburger Zeitung „Neue Waffe macht unheimlichen Eindruck“ Vorarlberger Landbote „Im Kampf gegen den feindlichen Nachschub“ Völkischer Beobachter „Unsere neue Waffe wirkt. Die Gegenrechnung den britischen Luftbarbaren präsentiert“ Znaimer Tagblatt „Unsere Gegenrechnung. Zur

59

Beschießung Südenglands und Londons mit neuartigen Sprengkörpern“

Von 18 „österreichischen“ Zeitungen berichteten einen Tag später, am 17. Juni 1944, 13 nach der vorgegebenen Anweisung, den Begriff „Vergeltung“ nicht zu verwenden, vier berichteten gar nicht bzw. erst später über den Gegenschlag und eine, nämlich die „Oedenburger Zeitung“, verwendete den Terminus „Vergeltung“ (siehe Abbildung 9).

Abbildung 14: „Die Vergeltung setzte ein!“

Ob es Konsequenzen aufgrund der Missachtung der Anweisung des RMVP gab, ist unbekannt.

6.3.2 Konflikt mit Reichspressechef Otto Dietrich

Ein ähnliches Beispiel für die Missachtung der Anweisung ist der Leitartikel der „Berliner Illustrierten Nachtausgabe“, die mit dem Satz „Der Tag, auf den 80 Millionen Deutsche sehnlichst gewartet haben, ist da“176 titelte. Dieser implizierte die Vergeltung, verwendete den Begriff aber nicht. Goebbels war außer sich und tobte: „Ja, bin ich denn ein Hampelmann, der nur so zum Spaß in der Konferenz vor sich hin quatscht.“177 Goebbels wollte in seinem Zorn sogar den Verantwortlichen dafür erschießen lassen, allerdings war Reichspressechef Otto Dietrich für diesen Artikel verantwortlich.178 Goebbels erklärte seinem persönlichen Pressereferenten Wilfred von Oven daraufhin:

„Sie werden jetzt mein Entsetzen und meine Wut verstehen, als die Presse, statt ganz vorsichtige Töne anzuschlagen, die man später getrost hätte steigern können, gleich von

176 Bramsted: Goebbels. S. 429. 177 Oven: Finale. S. 356. 178 Vgl. Bramsted: Goebbels. S. 429. 60

vorneherein mit voller Lautstärke ins Horn stieß. Die Stimmung des Volkes ist ein höchst kompliziertes Instrument. Auf manchen Saiten kann man mit voller Kraft hämmern, und es kommt kaum ein Ton dabei heraus. Andere dagegen braucht man nur ganz leise anrühren, um sie in stärkste Schwingungen zu versetzen. Man muß dieses Instrument sehr genau kennen, um darauf spielen zu können. Ein Stümper wie Dietrich wird das nie begreifen.“179

Neben einem Verbot des Wortes „Vergeltung“ in der Presse wurde dieses von Goebbels auch für alle anderen Massenmedien erteilt. Auch Otto Dietrich sah seinen Fehler ein und bemühte sich die folgenden Tage hindurch, ihn gutzumachen. Als ersten Schritt seiner Wiedergutmachung kündigte er an:

„In den Kommentaren ist vor allem gegenüber dem Ausland und als Drohung für die Engländer zum Ausdruck zu bringen, daß dies erst der Anfang der Vergeltung und der Überraschung ist, die wir in Vorbereitung haben. Gleichzeitig ist aber auch zum Ausdruck zu bringen, daß der Einsatzwille und die kämpferische Leidenschaft des deutschen Volkes angesichts der Härte der Kämpfe an allen Fronten durch solche Nachrichten nicht geschwächt werden dürfe, sondern nur noch gesteigert werden müsse. Wir wissen, daß wir überall noch hart und schwer zu kämpfen haben werden.“180

Wenig später, am 20. Juni, gab Dietrich der „Neuen Zürcher Zeitung“ ein Interview unter dem Titel „Die neue deutsche Waffe. Erklärungen des Reichspressechefs Dr. Dietrich“, in dem er den Einsatz der neuen deutschen Waffen verteidigte. Laut Dietrich sei nach den barbarischen Zerstörungen in Städten wie Berlin, Hamburg oder Köln der Abschuss von Fernraketen in Richtung England eine „absolute militärische Notwendigkeit“.181 Erneut verwendete Dietrich in diesem Interview den brisanten Begriff Vergeltung:

„Jeder gerecht denkende Mensch werde eine solche Vergeltung für jene Taten akzeptieren, die die Angloamerikaner an der deutschen Zivilbevölkerung begangen hätten.“182

Goebbelsʼ und Dietrichs Zugang zur Propaganda unterschied sich im Wesentlichen darin, dass Dietrich Schlagzeilen für eine kurze Zeit kreierte, während Goebbels das langfristige Resultat vor Augen hatte. Die Inhalte, die die

179 Oven: Finale. S. 360. 180 Sündermann: Tagesparolen. S. 270. 181 Vgl. Krings: Reichspressechef. S. 435f. 182 Ebda. S. 436. 61

beiden vertraten, waren grundsätzlich gleich. Der Minister orientierte sich mehr an der Stimmung des Volkes, während Dietrichs Schlagzeilen zur Besänftigung Hitlers dienten.183 Dietrich schätzte die militärische Lage nach dem Einsatz der Vergeltungswaffen ebenso falsch ein wie bei seiner verfrühten Siegesankündigung vom Oktober 1941.184 Goebbels konnte aus diesem erneuten Fehler von Otto Dietrich Profit schlagen und schaffte es durch den Streit um die V-Propaganda, bei Hitler ein Vetorecht für die Tagesparolen durchzusetzen. Bei persönlichen Gesprächen mit Hitler versuchte der Minister weiter am Stuhl des Reichspressechefs zu sägen. Letztendlich erreichte Goebbels durch die Unterstützung von Martin Bormann in den letzten Märztagen 1945 sein Ziel, als Otto Dietrich von Hitler in einem knappen Gespräch beurlaubt wurde:

„Sie sind mir zu weich, ich kann jetzt nur noch harte Männer gebrauchen. Ich beurlaube Sie. Verlassen Sie noch heute Abend Berlin.“185

6.3.3 Berichterstattung im Ausland am Beispiel der NS- Propagandazeitschrift „Signal“

„Signal“ war eine NS-Propagandazeitschrift, die in verschiedenen europäischen Ländern veröffentlicht wurde. Im Deutschen Reich war sie im Handel nicht zu erwerben. Die Signal-Berichterstatter sahen in den Wunder- bzw. Vergeltungswaffen einen Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges. Dieser Wendepunkt durch die V1-Rakete wurde in der Signal-Nummer 16/1944 näher geschildert. Darin heißt es, dass die neue Waffe, beschrieben als „Mischung zwischen Bombe und Geschoß“, die Großbomberflotten vermindern werde. Die Auslandspropaganda hätte verhaltener nicht sein können. Während „Signal“ 1940 noch von einer Überlegenheit der deutschen Waffen geschwärmt hatte, stellte man sich jetzt die Frage, ob man die gegnerischen Waffen nicht nur einholen, sondern überholen werde.186 Man fragte sich, ob „die fliegenden Bomben der V-

183 Vgl. ebda. S. 437. 184 Am 9. Oktober 1941 trat Otto Dietrich mit strahlendem Gesicht vor die Journalisten und berichtete, dass die Sowjetunion durch den letzten militärischen Einsatz erledigt sei. Diese Meldung habe der Führer ihm höchstpersönlich diktiert. 185 Dietrich: Hitler. S. 7. Zitiert nach: Krings: Reichspressechef. S. 439. 186 Vgl. Rutz: Signal. S. 242. 62

Serien in Verbindung mit den moralischen Qualitäten des deutschen Menschen das Uebergewicht ergeben“ werden, „das den deutschen Sieg bringt“.187

6.4 Das Einbremsen der Propaganda

Das Ziel von Goebbelsʼ Propaganda war es in diesem Fall, die Erwartungen abzuschwächen und nicht überhöhte Hoffnungen aufkommen zu lassen, als ob ein glückliches Kriegsende bevorstehe. Die Medien sollten kein Öl ins Feuer gießen. Der entstehenden Hoffnung der Bevölkerung auf einen schnellen „Endsieg“ durch den Einsatz der V1-Rakete wusste man durch eine nicht zu vielversprechende Propaganda entgegenzuwirken. Einerseits senkte man die Erwartungen des Volkes und andererseits wurde die Hoffnung auf die kriegsentscheidenden Waffen genährt. Die V-Kampagne zielte darauf ab, einen Appell an die Emotionen der Menschen zu richten. Dabei zielte man auf jene Emotionen ab, die durch die feindlichen Bombenangriffe ausgelöst wurden, und mobilisierte somit den Hass, die Rachsucht und die Aggressivität der Bevölkerung. Diese Emotionalisierung spiegelt sich auch in der Erläuterung zur Tagesparole vom 18. Juni 1944 wider. Hier heißt es, es gebe

„wohl keinen Deutschen, der nicht mit tiefster Genugtuung und heißen Herzens die Meldung aufgenommen hätte. Die Gefühle des Hasses und des glühenden Wunsches nach Vergeltung, die das deutsche Volk bewegen, haben unsere Feinde durch ihre gemeinen terroristischen Verbrechen selbst entzündet und genährt.“188

Zusätzlich wurde als Argumentationshilfe eine dreiseitige Aufzählung von Zitaten britischer und amerikanischer Zeitungen mitgeliefert, welche die „Bekenntnisse des Feindes zu Mord und Terror“ nachweisen sollten. Durch den Einsatz der neuen Waffen stieg aber auch die Angst davor, eine Reaktion der Feinde hervorzurufen, wie einen Giftgaseinsatz.189 Es sollte durch die Berichterstattung nicht das Gefühl einer schnellen Kriegsentscheidung entstehen, sondern vermittelt werden, dass die V-Raketen erst den Anfang der deutschen Überraschungen für die Feinde darstellen. Zugleich tat man sich schwer, der guten Stimmung entgegenzuwirken. Die Stimmung im Volk brauste auf und das zeigte sich in einem SD-Bericht des Abschnitts Frankfurt:

187 Signal 16/1944, „Neue Kampfformen“, S. 5-9. 188 Hano: Taktik. S. 74. 189 Vgl. ebda. S. 79. 63

„Es war ergreifend, einfache Arbeiter zu hören, die ihre Freude zum Ausdruck brachten, daß ihr unerschütterlicher Glaube an den Führer nun erneut seine Bestätigung gefunden habe. Ein älterer Arbeiter äußerte bei seiner Heimfahrt von der Arbeit im Zug: Wie oft habe ich mich mit Kameraden herumgezankt, weil sie nicht mehr an die Vergeltung, nicht mehr an unseren Führer, ja selbst nicht mehr an den deutschen Sieg glaubten.“190

Diesem Bericht zufolge spiegelte folgende Aussage die Gesamtstimmung im Deutschen Reich wider:

„Der Führer hat es immer richtig gemacht, auch wenn wir in den letzten Jahren manchmal daran gezweifelt haben. Er wird es auch jetzt wieder richtig machen.“191

Weitere Meldungen aus dem Reich bestätigen ebenfalls einen Aufschwung der Stimmung und der Moral der Bevölkerung. Der Grundoptimismus wuchs durch die Vergeltungskampagne und die ersten Schritte in Richtung dieser Vergeltung. Im gesamten Volk wurde Hoffnung geschöpft und man empfand diesen ersten Gegenschlag als Wendepunkt des Krieges. „Jetzt geht es wieder aufwärts‘“ oder „Nun sind wir mal wieder vorne“ waren geläufige Sprüche in weiten Teilen der Bevölkerung.192

6.4.1 Goebbelsʼ Sicht der Wirkung der Wunderwaffe

Die größte Freude über den gelungenen Einsatz der V1 empfand Joseph Goebbels persönlich. Für ihn war es eine schwere Geburt, dem Volk so lange Versprechungen von neuen Waffen und Vergeltung zu machen und nicht sicher zu sein, ob dies wirklich gelinge.

„Ich glaube, daß ich vielleicht im ganzen deutschen Volk die größte Genugtuung darüber empfinde, daß die Vergeltung nun endlich Tatsache geworden ist. Denn ich habe sie dem deutschen Volk versprochen. Und mich hätte man verantwortlich gemacht, wäre sie ausgeblieben. Sie kennen ja die Hunderte von Briefen, die oft nicht mehr als die eine Frage enthielten: Wo bleibt die Vergeltung?“193

Gleichwohl wusste er, dass die Ergebnisse der V1 weder den Erwartungen der letzten zwölf Monate entsprachen noch den aufgeflammten Hoffnungen der Bevölkerung. Noch am 16. Juni mahnte er alle Mitarbeiter zur Zurückhaltung. Für Goebbels war es bedrohlich, dass falsche Hoffnungen und Illusionen aufgrund der

190 Steinert: Hitler. S. 459. 191 Ebda. 192 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 105. 193 Oven: Finale. S. 354. Zitiert nach Hölsken: V-Waffen. S. 103. 64

neuen Lage entstehen. Er sah seine Person durch falsche Versprechungen am meisten gefährdet, da er mit der Vergeltung genauso wie mit den neuen Waffen in Verbindung gebracht wurde.194

Am 17. Juni 1944 hielt Goebbels in seinem Tagebuch fest:

„Ohne daß wir das Wort Vergeltung überhaupt gebrauchen, geht die Nachricht von der Vergeltung selbst wie ein Lauffeuer durch die Öffentlichkeit. Einer ruft es dem anderen zu. Man hat den Eindruck, als sei mit dem Einsetzen dieser neuen Geheimwaffe eine völlige Wende des Krieges eingetreten. Dabei ist das Kirschkernprogramm noch der harmlosere Teil unserer Vergeltung. Wenn erst das A4-Programm zum Einsatz kommt, dann werden die Engländer noch ihr blaues Wunder erleben.“195

Euphorisch betrachtete Goebbels die Wahrnehmung der Vergeltung in der Bevölkerung, wusste aber selbst, dass durch die V1 keine kriegsentscheidende Wirkung eingetroffen war. Dies sollte durch die V2-Rakete erfolgen. Am folgenden Tag erweiterte Goebbels seine Gedanken:

„Die Vergeltung ist in der ganzen Welt das Thema Nr. 1. Die Engländer bemühen sich zwar mit allen Kräften, die Wirksamkeit und Durchschlagskraft unserer neuen Geheimwaffe zu bestreiten, aber das gelingt ihnen in keiner Weise. In London ist man vollkommen kopflos und konsterniert. Man hat vonseiten der Regierung eine absolute Nachrichtensperre, insbesondere für die neutralen Korrespondenten, aufgerichtet, so daß es sehr schwer ist, authentische Mitteilungen über die Wirkungskraft unserer neuen Geheimwaffe zu erhalten. Trotzdem aber schmuggelt ein Reporter von United Press einen Bericht in die Vereinigten Staaten, der einen außerordentlich düsteren Überblick über die gegenwärtige Lage in London gibt. Es ist hier von beträchtlichen Opfern und Schäden die Rede, was die englische Regierung bisher kategorisch bestritten hat. Vor allem aber scheint es auf die englische Mentalität außerordentlich drückend zu wirken, daß die Londoner Bürger in einem Daueralarm im Keller sitzen müssen. Man kann sich vorstellen, wie die Nachricht von dem Einsatz unserer neuen Geheimwaffe in den neutralen Staaten gewirkt hat. Hier schlägt sie auch geradezu wie eine Bombe ein. Unsere Aktien sind also nicht nur im eigenen Volke, sondern auch in der Weltöffentlichkeit enorm gestiegen. Das deutsche Volk selbst befindet sich fast in einem Fieberrausch. Das kommt nicht nur daher, daß unsere Presse die Nachricht vom Einsatz nicht zu groß aufgemacht hat, sondern wohl auch daher, daß sich jetzt mit einem Schlage eine langaufgestaute Spannung entlädt. Trotzdem aber kann ich unsere Presse und unseren Rundfunk nicht von dem Vorwurf freisprechen, daß

194 Vgl. Longerich: Goebbels. S. 623. 195 Goebbels: Tagebücher Bd. 12, 17. Juni 1944, S. 480. 65

sie die Dinge zu stark dramatisiert und, anstatt die Volkserregung zu beschwichtigen, noch Öl ins Feuer gegossen haben.“196

Hervorzuheben ist insbesondere, dass Goebbels zu diesem Zeitpunkt von seiner eigenen Propaganda überzeugt war. Man könnte denken, er sei selbst der Meinung, es handle sich dabei um Vergeltung anstatt um einen Befreiungsschlag, wo er doch Propaganda als gelenkte Lügen für das Volk sah. Der von ihm zitierte Fieberrausch galt wohl auch für die Person Joseph Goebbels.

6.4.2 Die bestehende Frage der Vergeltung

Nach und nach gestaltete es sich schwieriger, den Optimismus der Bevölkerung einzubremsen und in einen Durchhalte- und Widerstandswillen umzuwandeln. Aus diesem Grund veranlasste Goebbels noch am 17. Juni 1944 eine Sonderrundfunksendung durch Hans Fritzsche. Fritzsche sprach an diesem Abend als Vertreter Deutschlands für ganz :

„In all diesen Monaten hat sich in Europa ein Haß angesammelt, ein Haß der größer ist, als jemals ein Haß in den Zeiten noch so erbitterter innereuropäischer Kriege war. Die Völker Europas lebten in diesen Monaten von diesem Haß und sie lebten von dem Willen, diesen Terror zu brechen, ja, diesen Terror zu vergelten.“197

Nach dem Einsatz der neuen Waffen wurde die Frage der Vergeltung einmal mehr gestellt. Deshalb bremste Fritzsche die aufkeimende Hoffnung auf eine schnelle Vergeltung wiederum ein:

„Was da in der vorletzten Nacht um 23:40 Uhr begann, das ist von uns aus betrachtet nur ein erster Anfang. Allein Narren glaubten, daß eine neue Waffe nur dann von Wert sei, wenn sie den Gegner in fünf Minuten samt seinem ganzen Land vom Erdboden wegwische… Was da in der letzten Nacht begann, das ist die erste Umdrehung einer Schraube – einer Schraube, die immer fester angezogen wird – so fest, wie es notwendig ist. In diesen Tagen ist nur die erste Umdrehung gemacht worden.“

Da aber Teile der Bevölkerung davon ausgingen, durch den Einsatz der neuen Waffen eine sofortige Kriegsentscheidung herbeiführen zu können, fasste Joseph Goebbels die Thematik eine Woche später in seinem Leitartikel vom 26. Juni 1944 in der Wochenzeitung „Das Reich“ selbst zusammen:

196 Goebbels: Tagebücher Bd. 12, 18. Juni 1944, S. 488f. 197 Hölsken: V-Waffen. S. 105. 66

„Was die Frage der Vergeltung anlangt, so ist dazu kaum noch etwas wesentlich Neues nachzutragen. Wir haben sie schon mehrmals für einen psychologisch und militärisch entscheidenden Zeitpunkt vorausgesagt, und sie ist auch wenigstens in ihrem heutigen Umfang zu einem solchen eingetroffen…“198

Zudem führte er aus:

„wenn wir erklären, daß die gegenwärtig laufende erste Phase der Vergeltung nur das Vorspiel der eigentlichen Aktion darstellt. Wir werden mit neuen noch stärker wirkenden Waffen auftreten, und zwar wieder in einem Augenblick, der uns dazu am geeignetsten erscheint.“199

Dass es eine Reihe von Vergeltungswaffen gäbe, sei durch die Benennung der Waffen ersichtlich:

„Während das V als Abkürzung von Vergeltung anzusehen ist, bedeutet die Ziffer 1, daß die jetzige Waffe die erste in einer Reihe der Vergeltungswaffen ist.“200

Diese Idee stammte von Schwarz van Berk, denn vor ihm waren biblische Namen wie „Höllenhund“, „Erzengel Michael“ und „Himmelsrächer“ für die Wunderwaffen des Deutschen Reiches im Gespräch gewesen.201 Damit erklärte man außerdem, dass der Vergeltungsprozess einer sei, der über mehrere Etappen erfolge und weitere Vergeltungswaffen in ihren Startlöchern stünden. Diese sollten V1, V2, V3 usw. durchnummeriert werden. Der „Völkische Beobachter“ meldete am 26. Juni ebenfalls die Zählung der Vergeltungswaffen:

„Diese Bezeichnung lüftet das Geheimnis nicht, das nach wie vor über der deutschen Waffe liegt, die dem Gegner kaum nach Gestalt und Erscheinung, gar nicht aber nach Prinzip und Zusammensetzung bekannt ist. Die neue Bezeichnung gibt einen einzigen Hinweis: Die Waffe, unter deren Störungsfeuer (!) Südengland und London seit acht Tagen liegen, ist der erste Teil der Vergeltung – daher V1.“202

6.5 Auf dem Boden der Realität

Nach der ersten Berichterstattung über die Erfolge der V1 war ein großer Stimmungsaufschwung zu beobachten. Als Reaktion auf die Invasion der Alliierten

198 Das Reich 25.6.1944, Leitartikel „Solange wir atmen“. 199 Ebda. 200 Ebda. 201 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 106. 202 Völkischer Beobachter, 25. Juni 1944. Zitiert nach Hölsken: V-Waffen. S. 106. 67

in der Normandie war der Zeitpunkt für den Einsatz der neuen Waffen besonders gut gewählt. Bereits am 16. April 1944 hielt Goebbels in seinem Tagebuch fest:

„Da wir uns unter Umständen unmittelbar vor der Invasion befinden, halte ich es auch für besser, wenn man den Einsatz der Vergeltungswaffe noch bis zum 22. April hinausschiebt; denn sollten die Engländer tatsächlich in dieser Zeit eine Invasion machen, dann wäre es ja eine sehr unangenehme Überraschung, wenn genau zu diesem Zeitpunkt die Vergeltung einsetzte. Sie würde vermutlich der Feindseite einen dicken Strich durch die Rechnung machen.“203

Man versuchte auch mit allen Mittel, die V-Propaganda den Feind spüren zu lassen und den größtmöglichen Profit für die eigenen Reihen zu schaffen. Dies zeigt ein Flugblatt aus dem Juni 1944:

„Alliierte Soldaten! Ihr seid in eine Falle gegangen. Warum wohl, glaubt Ihr, haben wir nach Eurer Landung zehn Tage gewartet, bis wir unsere Geheimwaffen einsetzten? Ihr kämpft jetzt auf einem engen Landesstreifen, dessen Ausmaße von uns voraus bestimmt waren. In der Zwischenzeit fliegen unsere Roboterflugzeuge… säen Tod und Verwüstung in Städte und Häfen, aus denen Ihr Eure Munition und Euren Nachschub erwartet. Auf Grund der Vernichtung und der Panik, die in Euren Stützpunkten herrschen, sind Eure Schiffe, sogar die Lazarettschiffe, jetzt unbeweglich, was bedeutet, daß Ihr bald keine Waffen und keine Munition mehr haben werdet. Es liegt an Euch, Wege und Mittel zu finden, Euch selbst aus dieser Falle zu retten. Denkt darüber nach!“204

Kurzfristig konnten ein militärischer und psychologischer Aufschwung in den eigenen sowie ein Dämpfer in den feindlichen Reihen beobachtet werden. Die NS- Propaganda hatte versprochen, dass sich die Auswirkungen der V1 nicht nur auf die Verwüstung britischer Städte beschränken, sondern auch zu einer Verringerung der Luftangriffe auf das Reich führen würden. Es geschah das Gegenteil: Die NS-Propaganda konnte ihr Versprechen nicht einhalten und die V1 war nicht in der Lage, die gewünschte Vergeltung herbeizuführen. Bestätigt wurde das Volk in seiner Annahme durch feindliche Luftangriffe, die häufiger und zerstörerischer als je zuvor wurden. Mangels konkreter Beweise für die Wirkung der V1-Raketen interpretierte die deutsche Bevölkerung die intensivierten Luftschläge der Alliierten als Beweis dafür, dass die Vergeltungswaffe 1 versagt

203 Goebbels: Tagebücher Bd. 12, 16. April 1944, S. 114. 204 Mader: Geheimnis. S. 264f. Zitiert nach Hölsken: V-Waffen. S. 106. 68

hatte.205 Innerhalb von zwei Wochen erfasste die Deutschen die Realität erneut und diese besagte, dass die feindlichen Truppen an der Westfront den eigenen überlegen waren.206 Am 27. und 28. Juni meldete der Sicherheitsdienst der SS eine weitverbreitete Enttäuschung und Ernüchterung der Bevölkerung. Schon Anfang Juli sprachen nahezu alle SD-Berichte über einen Tiefflug der Stimmung.

„Die früher oft beobachtete Meinung, daß allein der Einsatz der Vergeltungswaffe den Krieg beende würde, höre man kaum noch.“207

Trotzdem hielten die deutsche Propaganda sowie die deutsche Bevölkerung an den Vergeltungswaffen fest, um ein Gegengewicht in der Stimmungsbildung zu schaffen. Deshalb wurde das Wort Vergeltung im Juli für die Massenmedien wieder freigegeben und man berichtete vor allem über die Situation in England. Eine Chronologie der Berichterstattung im Juli lässt sich im „Völkischen Beobachter“ in folgender Tabelle aufzeigen:

Völkischer Beobachter Datum Schlagzeile

1. Juli 1944 „V.1 rüttelt englisches Phlegma wach. Muss London evakuiert werden?“ 3. Juli 1944 „Trotz Jäger, Bomber, Flak: V.1 schlägt in den Aufmarschraum Südengland“ 4. Juli 1944 „Die Wut der ertappten Verbrecher. Wirkung der V.1: Britische Angst- und Haßausbrüche“ 6. Juli 1944 „Die Vergeltung macht Churchill verhaßt. Noch immer kein Mittel gegen V.1. Ratloser Grimm bei den Erfindern des Terrorluftkrieges“ 10. Juli 1944 „London zwischen Illusionen und Ernüchterung. Englische V.-1-

205 Vgl. Kallis: Nazi Propaganda. S. 167. 206 Vgl. Hano: Taktik. S. 77. 207 Tätigkeitsbericht 10.7.1944. Zitiert nach Hano: Taktik. S. 77. 69

Geständnisse. Die meisten Einschläge in Groß-London – Sachschaden – sehr bedeutend – Behörden versagen“ 29. Juli 1944 Verzweifelte Versuche mit veralteter Waffentechnik. V.-1-Abwehr dreifach ergebnislos.“

Sechs Mal schaffte die V1-Rakete es auf das Titelblatt des „Völkischen Beobachters“. In dieser Zeit beschrieb man vor allem die Unterlegenheit der Briten. Zugleich entwickelte man die eigene Propaganda weiter und verwies auf den Beginn der Vergeltungsaktion und weitere V-Waffen. Aus diversen Teilen der Bevölkerung berichtete man unterschiedlich über den Einsatz der V1. Nachfolgend einige Beispiele:208

Sachsen: Man war der Meinung, die Kapitulation Englands würde innerhalb von 14 Tagen nach Einsatz der V1 erfolgen. Schnell änderte sich diese Meinung, als man bemerkte, dass die Wirkung der V1-Rakete nicht groß genug und sie daher wohl doch nur als ein Propagandamittel zu werten war. Man mutmaßte, dass ein früherer Zeitpunkt der V1-Angriffe besser gewesen wäre, da man durch die Invasion einige Abschussstellen verlor.

Oberschlesien: Entgegen den Stimmen aus Sachsen berichtet man, die Engländer seien bereits beim Papst gewesen, dass dieser intervenieren möchte, die Beschießung durch die V1 zu stoppen. Anderen Gerüchten zufolge habe er dies bereits getan und ganz England befinde sich im Generalstreik. In Massendemonstrationen verlange die englische Bevölkerung einen schnellen Frieden um jeden Preis. Deshalb beabsichtige die englische Regierung einen Rückzug von der Invasionsfront.

Kattowitz: Es wurden Gerüchte gemeldet, eine Antwort auf den V1-Beschuss seien Gasbomben der Engländer auf die deutsche Zivilbevölkerung. In Oberschlesien sprach man von Geschossen, die eine Fläche von 2 km² dem

208 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 520f. 70

Erdboden gleichmachen könnten. Von diesen Raketen sei ein Vorrat von über 1 Million vorhanden und täglich würden 500 davon abgefeuert. Auch über eine bessere Waffe, den Nachfolger der V1, wurde gerätselt. Man dachte bei der V2 an Zwerg-U-Boote, die schon in den nächsten zwei Wochen gegen die Invasionsflotte eingesetzt werden könnten.

Westfalen: Hier stellte man sich die Frage nach der technischen Beschaffenheit der V1-Rakete. Man war wenig informiert und rätselte, es könnten primitive Segelflugzeuge sein, die ihre Bomben über dem Ziel ausklinken. Dieses Segelflugzeug, das ebenfalls mit neuartigem Sprengstoff gefüllt sei, stürze anschließend selbst ins Ziel.

Am 8. Juli meldete man aus Würzburg und Nürnburg, dass eine Evakuierung Londons sowie das Lamento über die Völkerrechtswidrigkeit der Beweis für die starke Wirkung der Waffe seien. In Köln spekulierte man über die Meinung Stalins zum Einsatz der V1.209 Zeitungsberichten zufolge sprach man über eine „unfaire Waffe“210 der Deutschen, die „ganze Luftflotten allein zersplittert.“211 Außerdem verdichteten sich in der Bevölkerung die Gerüchte über die V2 durch angebliche Äußerungen des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine, Großadmiral Karl Dönitz:

„Ich werde dem Feinde eine U-Boot-Waffe vorsetzen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Ich warte nur auf den Befehl zum Auslaufen. Der Feind hat damals 50 Prozent unserer U-Boote durch seine Erfindung vernichten können. Bei dem heutigen Stand wird er uns nicht mehr finden.“212

Eine weitere Woche später, am 13. Juli, meldete der SD, dass die große Enttäuschung über die geringe Wirkung der V-Waffen bereits überwunden sei. Man sei sich einig, man benötige mehr Zeit, um eine entscheidende Wirkung zu erzielen. Anfang August hielt Goebbels in seinem Tagebuch fest:

„Unsere V1-Geschosse, die in ununterbrochener Folge nach London wandern, haben in der englischen Öffentlichkeit wiederum eine außerordentliche Besorgnis ausgelöst. Es

209 Vgl. Boberach: Meldungen. S. 529. 210 Alpenländische Rundschau, Folge 27, 8. Juli 1944. 211 Wiener Kronen Zeitung, Folge 15.981, 8. Juli 1944. 212 Boberach: Meldungen. S. 530. 71

werden jetzt in der Londoner Presse Bilder und Berichte über die furchtbaren Wirkungen, die diese Geschosse nach sich ziehen, veröffentlicht. Die Londoner Bevölkerung ist über die Untätigkeit der Regierung in der Abwehr unseres V1-Bombardements sehr ungehalten. So wird Churchill beispielsweise von mehreren Blättern stark kritisiert. Es wird ihm geradezu eine nationale Pflichtverletzung vorgeworfen. Morrison gibt in einer Unterhausrede ein etwas abstruses Warnsystem für London bekannt, das die völlige Hilflosigkeit der englischen Regierung unserer V1-Beschießung gegenüber sehr drastisch zum Ausdruck bringt.“

Bestätigt sah sich Goebbels durch Aussagen von Feinden wie dem britischen Botschafter Lord Halifax, aber „auch britisch-amerikanische Piloten, die in unsere Gefangenschaft geraten sind, sagen aus, daß die V1-Beschießung furchtbar sei und zu katastrophalen Folgen in der englischen Öffentlichkeit führe.“213 Selbst lobte Goebbels seine Arbeit:

„Die größte Hoffnung des Volkes wird jetzt auf den totalen Krieg und auf den Einsatz unserer Geheimwaffen gesetzt. Man fragt sich immer wieder, warum wir überhaupt einen Atlantikwall errichtet haben, wenn er uns nur so geringe Dienste in der Kriegsführung leisten konnte. Die V1-Waffe wird jetzt im Publikum etwas höher bewertet als bisher. Das machen vor allem unsere Berichte aus London. Meine eigene Arbeit, insbesondere die publizistische Art, wird außerordentlich hoch veranschlagt. Man bringt mir im Volke das größte Vertrauen entgegen, glaube auch, daß es mir gelingen wird, den totalen Krieg nun wirklich durchzusetzen.“214

6.6 Die nächste Vergeltungswaffe, bitte!

Der nächste Schritt der V-Propaganda war das Hinhalten. Man hielt an einem gerade erst begonnenen Anfang der Vergeltung fest und erklärte am 26. Juli in einer Rundfunksprache erneut, dass der Einsatz der V1 erst der Anfang der deutschen Vergeltung sei. Gleichzeitig verwies man auf eine neue Waffe, „bei deren Anblick nicht nur das Herz höherschlug, sondern einen Augenblick stehen blieb.“215 Durch die Ankündigung einer neuen Vergeltungswaffe und einer gewissen Realität, die Goebbels in dieser Rundfunkansprache durch die Bemerkung der Qualität der eigenen Reihen und der Quantität des Feindes machte, konnte er selbst Kritiker auf seine Seite ziehen. Durch das Bestätigen einer gewissen Unterlegenheit in bestimmten Bereichen erhöhte sich die

213 Goebbels: Tagebücher Bd. 13, 2. August 1944, S. 191. 214 Goebbels: Tagebücher Bd. 13, 18. August 1944, S. 259. 215 Hölsken: V-Waffen. S. 108. 72

Glaubwürdigkeit von Goebbelsʼ Propaganda erneut. Er wusste um die Umstände der fehlenden Begeisterung im vorherigen Monat Bescheid und machte am 30. Juli in einer Rundfunkansprache klar, dass der Krieg nicht von Politik, Militär oder Technik, sondern allein von der Moral entschieden werde.216 Um die Stimmung trotz aller Enttäuschungen aufrechtzuerhalten, klammerte man sich an die Hoffnung auf ein Wunder. Die Wunderwaffen stellten in einer aussichtslosen Situation einen letzten Halt dar:

„die Bevölkerung treibe immer mehr dem Glauben entgegen, daß der Krieg nicht mehr gewonnen werden könne, wenn nicht ein Wunder geschehe.“217

Noch realistischer sah Albert Speer die Situation. Da Speer bei unterschiedlichen Truppenbesuchen stets nach dem Eintreffen der Wunderwaffen gefragt wurde und ihm diese Illusion unangenehm war, da er von einer Enttäuschung überzeugt war, richtete er Mitte September folgende Worte an Hitler persönlich:

„Der Glaube an den kurz bevorstehenden Einsatz der neuen kriegsentscheidenden Waffen ist in der Truppe allgemein verbreitet. Sie erwartet den Einsatz in den nächsten Tagen. Diese Meinung wird auch von hohen Offizieren ernsthaft geteilt. Es ist fraglich, ob es in einer derart schweren Zeit richtig ist, durch die Erweckung einer Hoffnung, die in so kurzer Zeit nicht erfüllt werden kann, eine Enttäuschung zu bereiten, die sich auf die Kampfmoral ungünstig auswirken muß. Nachdem auch die Bevölkerung täglich auf das Wunder neuer Waffen wartet und Zweifel daran hegt, ob wir davon wissen, daß es bereits einige Minuten vor 12 sei und eine weitere Zurückhaltung dieser neuen – aufgestapelten – Waffen nicht mehr verantwortet werden kann, kommt die Frage auf, ob diese Propaganda zweckmäßig ist.“218

Hitler bestätigte ihm diese Ansicht unter vier Augen, dennoch verzichtete er nicht darauf, dem Volk die Wunderwaffen weiterhin in Aussicht zu stellen.219 Am 10. Januar 1945 bestätigte Hitler auch gegenüber Göring, dass die V1 den Krieg nicht entscheiden werde.220 Eine weitere Bestätigung erhielt Speer durch den SD- Bericht vom September. Erneut witzelte das Volk und verwendete die V1 im

216 Vgl. ebda. 217 Tätigkeitsbericht 28.8.1944. Zitiert nach Hano: Taktik. S. 80. 218 Speer: Erinnerungen. S. 418. 219 Vgl. ebda. 220 Vgl. Heiber: Lagebesprechungen. S. 818. 73

Zusammenhang mit „Versager Nr. 1“ oder „Volksverdummer Nr. 1“.221 Durch die hervorgerufenen Emotionen kam es zu einer verstärkten Einsatzbereitschaft. Diese Moralisierung hielt auch Goebbels in der Ausgabe der Zeitung „Das Reich“ vom 3. September 1944 fest:

„Wir gehören nicht zu denjenigen, die in der Technik den allein ausschlaggebenden Faktor der modernen Kriegsführung sehen; aber sie gehört nun einmal in entscheidender Weise dazu. Moral und Technik zusammen führen zum Sieg. Bisher war der Feind uns in der Technik überlegen, wir ihm in der Moral. Wir können und werden ihn in der Technik, er jedoch kann und wird uns nicht in der Moral einholen. Das ist der Vorteil, auf den wir bauen müssen.“222

6.7 Die Propaganda zum Einsatz der V2

Da man durch die negative Erfahrung im Hinblick auf die Propaganda der V1 gelernt hatte, veröffentlichte man erste Berichte über die V2 erst einen Monat nach ihrem Ersteinsatz. Obwohl die Waffe bereits seit 7. September eingesetzt wurde, genehmigte Hitler entsprechende Veröffentlichungen im Wehrmachtsbericht erst am 8. November. Beim 8. November handelte es sich um den Gedenktag des Münchner Putsches von 1923. Hitler versprach sich von diesem Datum einen Aufschwung der Moral und der Hoffnung der deutschen Bevölkerung. Wiederum wurde eine kurzfristige Besserung festgestellt, allerdings schloss die Bevölkerung durch den bereits einmonatigen Beschuss der neuen Waffe eine plötzliche, ersehnte Kriegsentscheidung aus.223 Der vom 8. November 1944 schrieb über den Einsatz der V2 Folgendes:

„Nachdem seit dem 15. Juni der Großraum von London mit nur kurzer Unterbrechung und wechselnder Stärk unter dem Feuer der ‚V1‘ liegt, wird dieser Beschuß seit einigen Wochen durch den Einsatz eines noch weit wirksameren Sprengkörpers, der ‚V2‘ verstärkt.“224

Am 3. Oktober verbreitete Goebbels erneut Hoffnung. Er wusste bereits, dass weder Moral noch Technik die Entscheidung bringen, sondern höchstens gravierende Fehler des Feindes etwas bewirken könnten:

221 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 109. 222 Das Reich, 3.9.1944. Zitiert nach Hano: Taktik. S. 75. 223 Vgl. Uziel: Warriros. S. 327f. 224 Murawski: Wehrmachtsberichte. S. 356. 74

„Es wird die Stunde kommen, wo wir mit neuen Waffen und neuen Divisionen wieder auf dem Schlachtfeld erscheinen. Es wird die Stunde kommen, wo wir dann Gelegenheit nehmen werden, die von unseren Feinden gemachten Fehler zu unsren Chancen auszuweiten! Es wird die Stunde kommen, wo aus diesen Chancen dann wieder unsere Siege werden.“225

Daraufhin wandte sich Speer am 2. November persönlich an Goebbels, um klarzustellen, dass es „unzweckmäßig erscheint, der Öffentlichkeit Hoffnungen zu machen, ohne daß für absehbare Zeit mit Sicherheit deren Erfüllung gewährleistet ist.“226 Die öffentlichen Meldungen verringerten sich danach, allerdings brodelte die Gerüchteküche um Schwarz van Berk umso stärker.227 Stimmungsberichten zufolge war die Aufnahme der V2 sehr unterschiedlich. Einerseits herrschte eine Begeisterung, da durch die V2 alle Häfen im Westen zerschlagen werden konnten; andererseits zweifelte man an der Offensivkraft der Waffe. Am stärksten verbreitet war aber die generelle Meinung, dass man nur den Zorn der Alliierten wecke und man noch wuchtigere Angriffe zu erwarten habe.228 Der SD-Tätigkeitsbericht vom 14. November 1944 zeigt die negative Stimmung des Volkes:

„da sich die Volksgenossen allgemein sagten, wenn der Beschuß schon seit Wochen erfolge, ohne daß jemand etwas gemerkt hätte, könne es mit der Wirkung nicht allzu weit her sein.“229

Da von britischer Seite eine Nachrichtensperre verhängt wurde, konnte Goebbels sich nur in Umrissen ein Bild über die Wirkung der V2 machen. Er hielt Meldungen für glaubwürdig, nach denen London nicht mehr bewohnbar sei und 900.000 Häuser zerstört wären. Davon konnte allerdings keine Rede sein, da die Streuung der Einschläge viel zu groß war. Churchill nahm erst Mitte November öffentlich zum V2-Beschuss Stellung und Goebbels schloss daraus, dass die Wirkung der Waffe verhängnisvoll sei.230

225 Goebbels-Reden, Bd. 2, S. 428. Zitiert nach Hölsken: V-Waffen. S. 109f. 226 Speer: Erinnerungen. S. 418. 227 Vgl. ebda. 228 Vgl. Bremer u.a.: Jahr. S. 149. 229 Tätigkeitsbericht 14.11.1944. Zitiert nach Hano: Taktik. S. 78. 230 Vgl. Longerich: Goebbels. S. 647. 75

6.8 Das Ende der V-Kampagne

Am 1. Dezember 1944 verdeutlichte Speer nochmals seine Meinung zur V- Waffen-Propaganda, indem er seine Zweifel an der Wunderwaffe gegenüber seinen Mitarbeitern äußerte. Eine Woche später stellte er jedoch seine persönliche Meinung in den Hintergrund und verkündete vor einer Versammlung von Wehrmachtsoffizieren den nahenden Tag der neuen Waffen. Aufgrund dieser Aussagen sah sich auch Schwarz van Berk darin bestärkt, weitere Hoffnungen in die deutsche Waffentechnik zu setzen. Er verkündete:

„Es sind aber bereits andere Dinge im Spiel, die dem Feinde Kopfzerbrechen machen und die so lange nicht behandelt werden können, bis das Geheimnis um sie gelüftet ist. Jedenfalls stehen wir nicht mit leeren Händen und Hirnen da.“231

Bereits zwei Tage später wurde Schwarz van Berk von Speer unter dem Vorwand, interne Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben zu haben, von allen Veranstaltungen des Ministeriums Speer ausgeladen. Anfang 1945 häuften sich übertriebene Schilderungen des Einsatzes der Wunderwaffen. Die Neujahrsrede Hitlers machte keine großen Versprechungen betreffend neue Waffen oder Ähnliches. Am 3. Januar 1945 meldete man eine immer wieder auftauchende Frage: „Warum [ist] die Abschussziffer der deutschen Luft- und Bodenabwehr in letzter Zeit so gering.“232 Am 18. Januar herrschte eine allgemeine Zuversicht, dass Deutschland den Krieg für sich entscheiden werde. Man sah der Entwicklung der Westoffensive mit Ruhe entgegen. Man hoffte auf einen Einsatz der V-Waffen gegen die Sowjets. Es tauchte immer wieder die Frage nach dem Einsatz der neuen Waffen auf, über die in Reden und Zeitungsartikeln berichtet wurde. Außerdem wollte man bereits wissen, dass die neue V3 schon im Einsatz gegen London sei. Diese wirke beinahe so wie Gas, dementsprechend werde es nicht mehr lange dauern.233 Laut SD entstand nach und nach aber eine leichte Verstimmung, die vom RMVP allerdings wieder ausgeräumt werden konnte.234 Dass diese Verstimmung im Volk nicht von geringer Bedeutung war, zeigt sich an der Rundfunkrede von Goebbels am 28. Februar:

231 Das Reich, Nr. 50, 10. Dezember 1944, „Wegen der Bomben“. 232 Bremer u.a.: Jahr. S. 193. 233 Ebda. S. 210f. 234 Vgl. Hölsken: V-Waffen. S. 111f. 76

„Aber auch sie bekommen von uns Schläge über Schläge. Auch sie halten den ununterbrochenen Einsatz unserer V-Waffen, der sich in nächster Zeit noch wesentlich verstärken wird, für unerträglich.“235

Nach dem Motto „Gleiches mit Gleichem vergelten“ versuchte Goebbels noch einmal zu überzeugen. Wie schwach seine Argumentation war, zeigt sich in folgendem Satz aus der gleichen Ansprache:

„Ein einziges Gramm Erfolg oder Mißerfolg kann dann oft die Waagschale des Sieges beziehungsweise der Niederlage nach dahin oder nach dorthin zum Sinken bringen!“236

Damit sprach er selbst den V-Waffen die tragende Rolle der Entscheidung ab und auch Hitler wusste am 11. März bei einem Besuch im Hauptquartier der 9. Armee keine bessere Argumentation:

„Es geht um jeden Tag, um jede Stunde, um jeden Meter. Wir besitzen noch Dinge, die fertig werden müssen, und wenn sie fertig sind, das Schicksal wenden. Das ist der Sinn hinter dem Sinn dieser kommenden Schlacht.“237

Das letzte Mal, als die V-Waffen im Wehrmachtsbericht erwähnt wurden, war am 27. März 1945. Es wurde gemeldet, dass „das Störungsfeuer unserer Vergeltungswaffen auf London andauert“. Dies war der letzte offiziell veröffentlichte Punkt zum Thema Vergeltungswaffen und damit das Ende der V- Propaganda.238 Nur noch Fanatiker glaubten im März 1945 an einen „Endsieg“ durch „Wunderwaffen“. Sie schenkten Gerüchten über den Einsatz der neuen Waffen V3 und V4 Glauben. Gesehen wurden vermutlich Testflüge der A9 bzw. A10.239

235 Goebbels-Reden, Bd. 2, S. 438. Zitiert nach Hölsken: V-Waffen. S. 112. 236 Ebda. 237 Sillner: Scherben. S. 95. Zitiert nach: Hölsken: V-Waffen. S. 112. 238 Vgl. Murawski: Wehrmachtsberichte. S. 540. 239 Vgl. Bremer u.a.: Jahr. S. 314. 77

6.9 Zeitzeugenberichte nach dem Krieg

Um zu zeigen, wie stark die V-Propaganda bzw. die Illusion der Wunderwaffen und eines „Endsieges“ in der Bevölkerung verankert waren, sollen Ausschnitte aus Zeitzeugenberichten zitiert werden. Diese zeigen aus unterschiedlichen Sichtweisen, wie sehr die Propaganda verinnerlicht und wie groß die Hoffnung auf eine Kriegswende war. Zusätzlich werden kritischere Stimmen und Stimmungen aufgezeigt. Insgesamt spiegelt sich das Ergebnis der Wunderwaffenpropaganda ohne Wunder wider.

6.9.1 Hoffnungsvolle Stimmen

Joachim Rumpf

„Noch aber war Krieg. Und solange er währte, waren meine Eltern fest vom Endsieg Deutschlands überzeugt. Wir saßen abends um den Tisch, stellten den Drahtfunk ein und hörten auf die Durchhalte-Parolen. Ständig wurden Gerüchte über die alles entscheidende ‚Wunderwaffe‘ verbreitet, die nun zum Einsatz käme. Und obwohl wir inzwischen im Hinterland der Front lagen und amerikanische Besatzungstruppen die Regierungsgewalt übernommen hatten, glaubten wir daran, dass alles das bald vorüber sein würde. Wir hofften auf eine Wende.“240

Friedhelm Weihe

„Mit 16 Jahren gehörten wir jungen Kameraden zum ‚letzten Aufgebot‘ Hitlers. Die Front stand bereits tief in Deutschland, als ich im April 1945 ohne Heimaturlaub nach meinem abgeleisteten Reichsarbeitsdienst am Flugplatz Nordholz direkt zur Infanterie-Division Schlageter in Munster-Lager einberufen wurde. Vier Tage später wurden wir mit dem Ziel Berlin in Marsch gesetzt – zu Fuß, in Nachtmärschen, denn tagsüber griffen die Tiefflieger ständig an. Es waren unglaubliche Strapazen. Den Gedanken an Fahnenflucht verwarfen wir, da wir von der drohenden Todesstrafe wußten und immer noch an die versprochene, kriegsentscheidende Wunderwaffe glaubten.“241

240 Rumpf, Joachim: „Wo bleibt der Endsieg?“ 241 Weihe, Friedhelm: „Brennnesseln gegen den Hunger“. 78

Werner Frischholz

„Bis in diese letzten Märztage glaubten wir noch alle an die immer wieder propagierte Wunderwaffe und damit an eine Wende des Kriegsgeschehens.“242

Josepha von Koskull

„Ich erzählte ihm einiges von dem Inhalt der ausländischen Zeitungen, von dem raschen Fortgang der Invasion, er hielt das alles nicht für wichtig und war überzeugt davon, daß die Wunderwaffe den Endsieg bringen werde.“243

6.9.2 Kritische Stimmen

Alfred Müller

„Die feindlichen Flugzeuge hatten die Lufthoheit über das Reichsgebiet. Die deutsche Luftabwehr war nahezu zusammen gebrochen. Die viel propagierten Wunderwaffen V 1 und V 2 vermochten nicht den Erfolg zu bringen, den man sich von ihnen versprach.“244

Dietrich Schwanke

„Sie sahen es in ihrer Verblendung, durch die Indoktrination der Nazis als ihre vaterländische Pflicht an, bis zu dem von Goebbels propagierten Endsieg zu kämpfen. Halbe Kinder und Greise sollten den Zusammenbruch des Regimes abwenden helfen; denn allein mit den immer wieder angekündigten geheimen Wunderwaffen, schien der Endsieg wohl doch nicht erreichbar.“245

Helene Bornkessel

„Rückzüge an allen Fronten mit hohen Verlusten, Tieffliegerangriffe auf die Flüchtlingstrecks aus dem Osten – später aus allen Richtungen. In den Städten kein Stein mehr aufeinander. Durchhalteparolen mit Sicht auf die ‚Wunderwaffe‘. Attentat auf Hitler verfehlt! Nicht nur die Täter werden hingerichtet. Alte Kommunisten und Widerstandskämpfer kommen ins KZ – und nicht wieder. Den Krieg verlieren? Nicht

242 Frischholz, Werner: „Letzte Kriegstage in Norddeutschland und Dänemark“. 243 Koskull, Josepha von: „General Lindemann und der 20. Juli 1944“. 244 Müller, Alfred: „Die Edelweißpiraten von Beesedau an der Saale 1944“. 245 Schwanke, Dietrich: „Kampf um Berlin 1945“. 79

auszudenken. Wer es offen sagt, ist ein Volksverräter und kann mit der Todesstrafe rechnen.“246

Josef Ulrich

„Über den Führer und Goebbels wurde nur abfällig gesprochen. An die geheimen Wunderwaffen, die den Endsieg bringen würden, glaubte keiner in unserer Familie. Von den großen Jungs (HJ) hörte ich das und verstand nicht, warum mein Vater das anders sah.“247

Dorothea Günther

„Wir hörten, trotz des strengen Verbots, jeden Abend BBC und waren daher gut informiert. Der Unterschied zu den Berichten des ‚Völkischen Beobachters‘ war immens, der gesamte Westen bis Fulda war bereits von den Westalliierten erobert, im Osten hatte die Rote Armee Oder und Neiße überschritten und näherte sich Berlin. Martin sagte Vater auch, dass das Gerede von der deutschen Wunderwaffe, die den Endsieg bringen sollte, ein Täuschungsmanöver sei. Damit schwand Vaters letzte Hoffnung, er sah nun nur noch die ‚Unterwerfung unter den Bolschewismus‘ vor sich und meinte, damit würde das deutsche Volk untergehen.“248

Ilse Steffen

„Als nun jeder mitbekam, der Krieg sei verloren, nicht mehr an die Wunderwaffe glaubte, drehte ein Pärchen im hohen Rang durch und erschoss sich. Ein Loch in die Wand hatte die Kugel gerissen. Man sagte, der Offizier sah keine Möglichkeit mehr für ein neues Leben, zumal er natürlich Frau und Kinder hatte.“249

Rudolf Herz

„Im Frühjahr 1945 hatte der Krieg die Grenzen des Deutschen Reiches bereits überschritten. Die Fronten rückten unaufhaltsam in das Innere Deutschlands hinein. Von Osten her stieß die Rote Armee über die Oder auf Berlin vor. Vom Westen her näherten sich die Amerikaner dem mitteldeutschen Raum. Im Radio ertönten immer noch Durchhalteparolen und Prophezeiungen über Wunderwaffen und große Wenden zum

246 Bornkessel, Helene: „Zwölf Jahre und drei Monate“. 247 Ullrich, Josef: „Das Kriegsende bei uns“. 248 Günther, Dorothea: „Das Kriegsende in Potsdam 1945“. 249 Steffen, Ilse: „Flucht, Kriegsende und Neuanfang“. 80

Endsieg. Die Menschen waren desillusioniert, enttäuscht und hatten Angst vor dem Ungewissen, was ihnen nun bevorstand. Die meisten hofften, dass der Spuk bald vorbei sei. Zu viel Leid, Entbehrung und Ängste hatte der Krieg den Menschen gebracht.“250

Hans Mendgen

„Woher die Leute das so genau wussten, wird der Uneingeweihte fragen: nun, sie hörten ebenfalls die Nachrichten der so genannten ‚Feindsender‘. Freilich war das bei schwersten Strafen verboten, aber immerhin eine echte Alternative zu dem propagandistischen Geschwätz der offiziellen Sender. An das, was die sagten, glaubte inzwischen sowieso niemand mehr, so wenig, wie an die Wunderwaffen.“251

Gisela Richter

„Schon in den ersten Kriegsjahren wurde viel von Deutschlands Wunderwaffen gesprochen. Wir wussten ja, dass sie in der Versuchsanstalt Peenemünde entwickelt und erprobt wurden. Es waren die V-Waffen 1 und 2 (V = Vergeltung). Jetzt, 1944/45, wo sich die Lage so dramatisch verschlechterte, warteten wir sehnsüchtig auf den angekündigten Einsatz als Entlastung für das bedrohte Reichsgebiet. Aber er kam nicht! Ganz wenige V-2 Bomben wurden über England abgeworfen, den Krieg haben sie für uns nicht beeinflusst.“252

6.10 Darstellung der V-Propaganda in der Deutschen Wochenschau

Bei der „Deutschen Wochenschau“ handelt es sich um eine Wochenschau aus dem Dritten Reich, die unter diesem Namen von Juni 1940 bis März 1945 produziert und publiziert wurde. Darin wurden politische, militärische, kulturelle und sportliche Ereignisse aus Deutschland und dem Ausland gezeigt. Sie erschien einmal, vereinzelt auch zweimal, pro Woche als Beiprogramm zwischen dem Kulturfilm und dem Hauptfilm im Kino. Die Länge variierte zwischen 10 und 25 Minuten (200-300 Filmmeter). Bereits im Ersten Weltkrieg gab es Wochenschauen. Ihren Einsatz als Propagandainstrument erlebte die Wochenschau erst unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. 1940 wurden die

250 Herz, Rudolf: „Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Annarode/Südharz bei Mansfeld“. 251 Mendgen, Hans: „Als Flaksoldat im Raum Mannheim 1945“. 252 Richter, Gisela: „Der Krieg kam nach Berlin“. 81

vier bestehenden verschiedenen Wochenschauen zur „Deutschen Wochenschau“ fusioniert.253

In lediglich sechs Wochenschauen spielten die Vergeltungswaffen eine Rolle. Die Wochenschau Nr. 723 beinhaltet laut dem Findmittel des deutschen Bundesarchivs unter anderem die Erstankündigung der V1 in einer Ansprache von Reichspropagandaminister Goebbels. Diese Sequenz ist in den Online-Archiven nicht aufzufinden. Nachfolgend werden die vorhandenen Wochenschauen im Hinblick auf die Darstellung der Vergeltungswaffen detailliert besprochen.

6.10.1 Deutsche Wochenschau Nr. 725

Bei der Deutschen Wochenschau Nr. 725 vom 27. Juli 1944 handelt es sich um die erste Wochenschau, die über den Einsatz der V1 berichtete. Bei einer Gesamtlänge von 17:18 Minuten stellen die letzten 38 Sekunden die Berichterstattung zur V1 dar. Den Schlussteil der Wochenschau bildet ein Blick durch eine Fernkamera auf die Südküste Englands. Nach einem Schnitt sieht man den Start einer V1, die mit hoher Geschwindigkeit in diese Richtung unterwegs ist. Die Audiospur beschreibt die Waffe genauer:

„Das ist V1 im Einsatz! Die unerwartete deutsche Waffe, die eine erste Antwort der deutschen Luftrüstung auf den angloamerikanischen Bombenterror ist. Unter den orgelnden unheimlichen Tönen von V1 leben London und die angegriffenen Teile Südenglands in ständiger Furcht und Nervosität einer ungewissen Zukunft entgegen.“254

6.10.2 Deutsche Wochenschau Nr. 730

Die Deutsche Wochenschau Nr. 730 vom 30. August enthält die zweite Berichterstattung über den Einsatz der V1. Die Sequenz von Minute 8:18 bis 9:40 aus der 13:13 Minuten langen Wochenschau zeigt eine Karte des Deutschen Reiches mit Fokus auf die Invasionsfront. Nach einem Schnitt wird der Flug einer V1 gezeigt, während der Sprecher kommentiert:

253 Vgl. Seidel-Dreffke, Björn: Ein Spiegel der Zeitgeschichte. Die deutsche Wochenschau. URL: https://www.filmportal.de/thema/ein-spiegel-der-zeitgeschichte-die-deutsche-wochenschau [zuletzt abgerufen: 25.6.2019]. 254 Deutsche Wochenschau Nr. 725, 27. Juli 1944, Zeit: 16:52 – 17:13. 82

„Nahezu pausenlos liegen London und Südengland unter dem schweren Beschuss der deutschen Fernwaffe V1.“255

In dieser Wochenschau wurden angebliche Bilder aus einer amerikanischen Wochenschau gezeigt, um darzustellen, wie sich der Beschuss der V1 auf die Bevölkerung auswirkt. Der Film zeigt die Rakete diesmal von links nach rechts, anstatt von rechts nach links fliegend. Mithilfe dieses Kameratricks wird ein Wechsel der Perspektive dargestellt. Der Kommentator führt dazu an:

„Diese Bilder aus einer amerikanischen Wochenschau zeigen, wie unsere Gegner die deutsche Vergeltungswaffe sehen. V1 setzt zum Sturzflug an.“256

Man sieht den vermeintlichen Sturzflug einer V1, der durch ein Aufhellen des Bildes und eine Explosion endet. Durch einen geschickten Perspektivenwechsel gewinnt man als Zuschauer den Eindruck, gegen die V1 gebe es kein Mittel zur Verteidigung. Selbst die größte Flakansammlung der Alliierten könne die V1 nicht stoppen. Die aussichtslose Lage der Gegner wird durch das erfolglose Flakfeuer dargestellt:

„Tag und Nacht steht die britische Abwehr im Einsatz. Eine Vielzahl von Methoden der Abwehr kann die Wirkung dieser Waffe nicht ausschalten. Im Raum von London ist nach ausländischen Stimmen die stärkste Massierung von Flak festzustellen, die jemals auf so geringem Raum zusammengezogen war. Unaufhörlich geht der Sturm der V1 über Südengland hin.“257

Nach einer kurzen Pause wird unter dramatischer Musik in etwa 20 Sekunden der Flug der V1 gezeigt. Zwar hört man ständigen Beschuss, trotzdem sieht man die Rakete bis zu ihrem Ziel weiterfliegen. Die Wirksamkeit der neuen Waffe beschreibt der Kommentar wie folgt:

„Unaufhörlich zehren das Geräusch der Bombe und das Schießen der Flak an den Nerven der Engländer. Unaufhörlich trägt V1 Tod und Vernichtung nach England.“258

255 Deutsche Wochenschau Nr. 730, 30. August 1944, Zeit: 8:18 – 8:24. 256 Ebda. 8:24 – 8:30. 257 Ebda. 8:34 – 9:00. 258 Ebda. 9:17 – 9:31. 83

Die Berichterstattung zur V1 endet mit Bildern von Explosionen auf vermeintlich englischem Boden, begleitet von heroischer Musik.

6.10.3 Deutsche Wochenschau Nr. 737

In der Deutschen Wochenschau Nr. 737 vom 18. Oktober 1944 spielt die V1 nur eine kleine Rolle. Von insgesamt 13:57 Minuten erhält die Berichterstattung über den Einsatz der V1 gegen England nur 48 Sekunden. Man weist auf den Verlust der nordfranzösischen Stützpunkte hin und berichtet, dass der Beschuss trotzdem weiter stattfinden kann:

„Der Glaube der Briten, dass durch die Besetzung unserer Stützpunkte in Nordfrankreich das Feuer der V1 weichen werde, war ein Irrglaube. Täglich meldet der innere Nachrichtendienst, dass in der vergangenen Nacht deutsche Flugbomben eingetroffen sind.“259

Erneut findet ein Perspektivenwechsel statt. Der Weg der V1 durch eine große Zahl von Sperrballonen hindurch wird gezeigt, begleitet vom Feuer der gegnerischen Flak:

„Diese Bilder aus einer englischen Wochenschau zeigen es: V1 lässt sich weder durch Sperrballone noch schwerstem Flakgeschütz auf ihrem Weg beirren.“260

Dennoch findet die V1 ihr Ziel und der Kommentar zeigt nach einem kurzen Bild von London den Einschlag einer V1 mit den Worten „V1 setzt zum Sturz an!“261 Diesmal sehen die Bilder von Teilen des zerstörten Englands original aus:

„Ungeheuer sind die Verwüstungen, die diese Vergeltungswaffe, wie diese Originalbilder aus London zeigen, täglich hervorruft.“262

259 Deutsche Wochenschau Nr. 737, 30. August 1944, Zeit: 4:27 – 4:40. 260 Ebda. 4:40 – 4:48. 261 Ebda. 4:54 – 4:56. 262 Ebda. 5:00 - 5:15. 84

6.10.4 Deutsche Wochenschau Nr. 747

Die Wochenschau Nr. 747 vom 4. Januar 1945 zeigt in nur einem Bild die V1- Raketen. Diese werden über den Köpfen der Soldaten und deren guter Stimmung im sechsten Kriegsjahr gezeigt.263

6.10.5 Deutsche Wochenschau Nr. 749

Die fünfte und letzte Berichterstattung zu den Vergeltungswaffen in der Deutschen Wochenschau findet sich in der Nr. 794 vom 18. Januar 1945. In dieser wird erstmals der Flug einer V2 der Bevölkerung präsentiert. Dies erfolgt ähnlich der Erstvorstellung der V1 am Ende des Beitrages in der Wochenschau. Man sieht eine senkrecht startende V2 aus weiter Entfernung. Der Kommentar erklärt die große Entfernung mit der Geheimhaltung. Ebenfalls wird erklärt, dass die tatsächliche Größe aufgrund der Entfernung nicht erkennbar sei.264 Dargestellt wird das Eintauchen der V2 in die Stratosphäre, begleitet von heroischer Musik. Dazu erklärt der Kommentar die Sichtweite der Rauchschwaden der Rakete. Zum Abschluss des Beitrags sieht man denselben Start der V2 noch einmal. Eine kriegsentscheidende Wirkung dieser Waffe wird in diesem Beitrag allerdings nicht erwähnt.

263 Vgl. Deutsche Wochenschau Nr. 747, 4. Januar 1945. 264 Vgl. Deutsche Wochenschau Nr. 747, 18. Januar 1945, Zeit: 9:05 – 9:08. 85

7. Fazit

Adolf Hitler erkannte während seiner Inhaftierung im Festungsgefängnis Landsberg den Wert der Propaganda und hielt in seinem Manifest „Mein Kampf“ erste Überlegungen dazu fest. Nach seinem gescheiterten Putsch vom November 1923 wollte er mit einer Legalitätstaktik an die Macht kommen und dafür eine pointierte Propaganda einsetzen. Nach seiner Machtergreifung im Jahr 1933 errichtete er erstmals in der deutschen Geschichte ein Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und ernannte Joseph Goebbels zu dessen Minister. Goebbels und Hitler ließen nationalsozialistische Ideen in die deutsche Sprache einfließen und formten somit eine agitatorische Sprache. Durch die Lenkung und Gleichschaltung der Medien bestimmte man genau, was, wann und wie es dem Volk präsentiert wurde.

Einer der ersten Erfolge der deutschen Auslandspropaganda zeichnete sich durch die sogenannte V-Aktion aus. Darunter versteht man die Umwertung des britischen „V“ für victory für deutsche Zwecke. Man etablierte das „V“ deutscherseits als Zeichen des fortzuführenden Krieges und nahm es zugleich den Feinden weg. Das „V“ sollte noch eine stärkere Bedeutung in der nationalsozialistischen Propaganda erhalten.

Neue Waffen, Vergeltung und Wunder waren die Schwerpunkte der deutschen Propaganda im Zweiten Weltkrieg. Noch vor dem Einsatz der Vergeltungswaffen verstand es Reichspropagandaminister Goebbels, mit seiner Propaganda den Ängsten der Bevölkerung wegen der sich abzeichnenden Niederlage entgegenzuarbeiten. Durch das Versprechen neuer Waffen und einer Vergeltung stärkte er den deutschen Durchhaltewillen und schüchterte zugleich seine Feinde ein. Durch das Geheimressort Schwarz van Berk wurden gezielt Gerüchte über die neuen Waffen gestreut, um eine zu hohe mediale Wirksamkeit und Ermüdung der Bevölkerung zu verhindern. Insgesamt kann aus der Sicht Goebbelsʼ seine Propaganda dennoch nicht zielführend gewesen sein, da ein Großteil der Bevölkerung durch diese Versprechungen und Gerüchte eine schnelle Kriegsentscheidung vor Augen hatte, die allein durch den Einsatz der Wunderwaffen erfolgen würde. Dies zeigt sich vor allem nach 86

dem ersten Beschuss Englands durch die V1. Die Erwartungshaltung der deutschen Bevölkerung entsprach der Propaganda eines schnellen Sieges. Als es zum Einsatz der ersten Wunderwaffe, der V1, kam, hob sich die Stimmung in ganz Deutschland. Selbst Kritiker der Propaganda wurden durch den Zeitpunkt des Einsatzes, kurz nach der Invasion in der Normandie, zufriedengestellt. Nach den ersten Angriffen der V1 wurde im ganzen Deutschen Reich von einer Vergeltung gesprochen, obwohl dieser Begriff laut Presseanweisung nicht verwendet werden sollte. Nach einem Monat erkannte man aber, dass Haltung und Stimmung im deutschen Volk wieder sanken, da die erwartete und versprochene Kriegsentscheidung durch den Einsatz der neuen Waffe nicht herbeigeführt wurde. Man ruderte in der Propaganda zurück und verwies auf eine Serie der Vergeltung, die mit der V-Waffe mit der Ziffer 1 begonnen habe. Man propagierte weitere Vergeltung durch neue Waffen, die noch stärker und noch unberechenbarer für die Feinde wären. Die Propaganda der V2 verlief wesentlich schlechter als jene der V1. Man berichtete in den Medien erst einen Monat nach dem Ersteinsatz der V2, worauf das Volk mehr als enttäuscht reagierte. Da man wiederum keine Besserung spürte, half man sich mit Humor über die schwierige Zeit hinweg. Man witzelte über den Endsieg und die Vergeltung sowie über Goebbels und seine Propaganda, die als reine Lügen entlarvt wurden.

Dass die Propaganda eine sehr starke Wirkung hatte, zeigte sich vor allem an der Furcht der Alliierten, die Deutschen könnten noch stärkere Waffen haben. Zwar glaubten sie nicht an eine kriegsentscheidende Waffe, sie fürchteten jedoch Waffen, die den konventionellen Charakter des Krieges verändern könnten. Beispielsweise fürchteten sie sich vor dem Einsatz von Giftgas mehr als vor dem realen Einsatz der Fernraketen. Deutschland forschte zwar auch an biologischen und chemischen Waffen, konnte damit aber keinen „Endsieg“ anstreben.

Durch die Vergeltungswaffen-Propaganda wurde innenpolitische Stabilität geschaffen, die den führenden Persönlichkeiten des NS-Regimes dabei half, bis zur endgültigen Niederlage ihr Gesicht zu wahren und die Bevölkerung bei der Stange zu halten. Die Bevölkerung bemängelte zwar den zu späten Einsatz der

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neuen Waffen, in Wirklichkeit wurden diese aber zu früh in Serienproduktion hergestellt und hatten dadurch keine hohe Treffgenauigkeit.

Zwar konnte Hitler mit den Fernraketen V1 und V2 den Briten schmerzhafte Nadelstiche zufügen, allerdings reichten diese neuartigen Waffen für eine Wende des Krieges nicht aus. Dies prophezeiten zwar führende Ingenieure und Wissenschaftler, allerdings wollte man sich in gewisser Weise der Realität verschließen. Schon gar nicht konnten die Vergeltungswaffen den Versprechungen der deutschen Propaganda und den damit einhergehenden Erwartungen des Volkes standhalten. Die Qualität der Waffen war unbestritten, dennoch reichte der technische Vorsprung allein nicht aus, um die Quantität des Feindes auszugleichen. Für den Großteil der Deutschen hat die Wunderwaffenpropaganda eine bedeutende Rolle gespielt. Die Propaganda war das Narkotikum des gesunden Menschenverstandes und verhinderte logische Schlussfolgerungen der Bevölkerung. Wunder, die man sich versprach, traten auf der Grundlage der deutschen Raketentechnik erst Jahre später ein.

Als der Krieg sich seinem Ende näherte, waren die Siegermächte sich noch nicht im Klaren, welche technischen Entdeckungen sie in Deutschland machen würden. Neben hypermodernen Fabriken unter der Erde fanden sie in versteckten Kisten Dokumente, Apparate, Waffen und andere wundersame Erfindungen. Ehemalige Zwangsarbeiter, die über Wissen zu diesen Erfindungen verfügten, zeigten ihren Befreiern die vielen Verstecke und erklärten die Technik dahinter. Aufseiten der Siegermächte empfand man einerseits Bewunderung für diese Entwicklungen; andererseits fürchtete und beneidete man das deutsche Volk für das Hervorbringen solcher Maschinen.

Unter dem Titel „16.000 nazistische Tricks“ veröffentliche die Zeitung „Times“ 1946 eine Reihe von Technologien, welche die Deutschen verwendet hatten. Einer dieser Tricks war ein Apparat, mit dem man mithilfe eines magnetischen Bandes Musik und Worte aufnehmen konnte, das sogenannte Tonband. Des Weiteren wurden Erfindungen wie synthetischer Glimmer, synthetischer Kautschuk, elektromedizinische Apparate und ein System zur Herstellung

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ionisierter Luft genauer beschrieben.265 Im Pentagon, in Whitehall und im Kreml zögerte man keine Sekunde: Man benötigte diese Reichtümer, und zwar sofort. Junge Nachrichtenoffiziere stürmten daraufhin die Trümmer des Dritten Reiches, um diese Schätze für das eigene Land zu beanspruchen. Wichtiger, als die technischen Errungenschaften in die Hand zu bekommen, waren aber jene Männer, die für die Herstellung dieser Wunderwerke verantwortlich waren.266 1946 schrieb eine New Yorker Zeitung:

„Seit dem Tag, an dem die Armeen der vier Großmächte in Deutschland eindrangen, haben Rußland und die westlichen Alliierten einen geheimen und verzweifelten Kampf ausgefochten, um möglichst viele bekannte deutsche Wissenschaftler und technische Erfindungen in die Hand zu bekommen… Die Vereinigten Staaten erreichten erfolgreich ihr Ziel. Sie konnten Reparationen in Geld oder Sachwerten in den Wind schlagen, aber die Gehirne haben sie richtig in ihrem Wert eingeschätzt.“267

265 Vgl. Bar-Zohar: Jagd. S. 152. 266 Ebda. S. 153. 267 Ebda. S. 183. 89

8. Quellen 8.1 Zeitungen

Agrarische Post, Nr. 25, 17. Juni 1944, „Harte Seegefechte vor der Invasionsküste“

Alpenländische Rundschau, Folge 24, 17. Juni 1944, „Erbitterte Seegefechte vor der Invasionsfront“

Badener Zeitung, Nr. 48, 17. Juni 1944, „Für uns alle“

Berliner-Lokal-Anzeiger, 1. August 1943

Das kleine Blatt, Folge 165, 17. Juni 1944, „Unsere Gegenrechnung. Beschießung Südenglands und Londons mit neuartigen Sprengkörpern“

Das kleine Volksblatt, Nr. 165, 17. Juni 1944, „Antwort auf zehntausendfachen Mord. Neuartige Sprengkörper schwersten Kalibers auf London und Südengland“

Der Landbote, Folge 484, 17. Juni 1944, „Harte Seegefechte vor der Invasionsküste“

Innsbrucker Nachrichten, Nr. 141, 17. Juni 1944, „Die deutsche Antwort auf den Luftterror. Die britische Hauptstadt im Bombenhagel“

Kleine Volks-Zeitung, Nr. 165, 17. Juni 1944, Schockwirkung in ganz England. Neuartige schwerste Sprengkörper auf London“

Kärntner Volkszeitung, Folge 70, 17. Juni 1944, „London mit neuartigen Sprengkörpern schwersten Kalibers belegt“

Neues Wiener Tagblatt, Nr. 165, 17. Juni 1944, „Die deutsche Gegenrechnung. Südengland und London mit neuartigen Sprengkörpern belegt“

90

Oberdonau-Zeitung, Nr. 165, 17. Juni 1944, „Schwerer Feuerschlag von neuartigen Sprengkörpern schwersten Kalibers. Mit neuen Waffen gegen England!“

Oedenburger Zeitung, Folge 135, 17. Juni 1944, „Die Vergeltung setzte ein!“

Salzburger Zeitung, Nr. 165, 17. Juni 1944, „Neue Waffe macht unheimlichen Eindruck“

Vorarlberger Tagblatt, 141. Folge, 17. Juni 1944, „Neuartige Sprengkörper auf Südengland und London“

Vorarlberger Landbote, Folge 48, 17. Juni 1944, „Im Kampf gegen den feindlichen Nachschub“

Völkischer Beobachter, Nr. 159, 8. Juni 1943, „Vergeltung wird vorbereitet“

Völkischer Beobachter, Nr. 169, 17. Juni 1944, „Unsere neue Waffe wirkt. Die Gegenrechnung den britischen Luftbarbaren präsentiert“

Völkischer Beobachter, 1. Juli 1944, „V.1 rüttelt englisches Phlegma wach. Muss London evakuiert werden?“

Völkischer Beobachter, 3. Juli 1944, „Trotz Jäger, Bomber, Flak: V.1 schlägt in den Aufmarschraum Südengland“

Völkischer Beobachter, 4. Juli 1944, „Die Wut der ertappten Verbrecher. Wirkung der V.1: Britische Angst- und Haßausbrüche“

Völkischer Beobachter, 6. Juli 1944, „Die Vergeltung macht Churchill verhaßt. Noch immer kein Mittel gegen V.1. Ratloser Grimm bei den Erfindern des Terrorluftkrieges“

91

Völkischer Beobachter, 10. Juli 1944, „London zwischen Illusionen und Ernüchterung. Englische V.-1-Geständnisse. Die meisten Einschläge in Groß- London – Sachschaden – sehr bedeutend – Behörden versagen“

Völkischer Beobachter, 29. Juli 1944, „Verzweifelte Versuche mit veralteter Waffentechnik. V.-1-Abwehr dreifach ergebnislos“

Wiener Kronen Zeitung, Folge 15.960, 17. Juni 1944, „Antwort auf zehntausendfachen Mord. Neuartige Sprengkörper schwersten Kalibers auf London und Südengland“

Znaimer Tagblatt, Folge 141, 17. Juni 1944, „Unsere Gegenrechnung. Zur Beschießung Südenglands und Londons mit neuartigen Sprengkörpern“

8.2 SD-Berichte

RSHA 16.3.1944

RSHA 8.10.1944

Tätigkeitsbericht 10.7.1944

Tätigkeitsbericht 28.8.1944

Tätigkeitsbericht 14.11.1944

8.3 Internetquellen

8.3.1 LeMO

BORNKESSEL, Helene: „Zwölf Jahre und drei Monate“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/helene-bornkessel- zwoelf-jahre-und-drei-monate.html

FRISCHHOLZ, Werner: „Letzte Kriegstage in Norddeutschland und Dänemark“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der

92

Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/werner- frischholz-letzte-kriegstage-in-norddeutschland-und-daenemark.html

GÜNTHER, Dorothea: „Das Kriegsende in Potsdam 1945“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/dorothea-guenther-das- kriegsende-in-potsdam-1945.html

HERZ, Rudolf: „Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Annarode/Südharz bei Mansfeld“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/rudolf-herz-das-ende-des-zweiten- weltkrieges-in-annarode-suedharz-bei-mansfeld.html

KOSKULL, Johanna von: „General Lindemann und der 20. Juli 1944“, in: LeMO- Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/josepha- von-koskull-general-lindemann-und-der-20-juli-1944.html

MENDGEN, Hans: „Als Flaksoldat im Raum Mannheim 1945“, in: LeMO- Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/hans- mendgen-als-flaksoldat-im-raum-mannheim-1945.html

MÜLLER, Alfred: „Die Edelweißpiraten von Beesedau an der Saale 1944“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/friedhelm-weihe-brennesseln-gegen-den- hunger.html

RICHTER, Gisela: „Der Krieg kam nach Berlin“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/gisela-richter-der-krieg-kam-nach- berlin.html

RUMPF, Joachim: „Wo bleibt der Endsieg?“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/joachim-rumpf-wo-bleibt-der- endsieg.html

93

SCHWANKE, Dietrich: „Kampf um Berlin 1945“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/dietrich-schwanke-als-kindersoldat-im- kampf-um-berlin-1945.html

STEFFEN, Ilse: „Flucht, Kriegsende und Neuanfang“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/ilse-steffen-flucht- kriegsende-und-neuanfang.html

ULLRICH, Josef: „Das Kriegsende bei uns“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/josef-ullrich-das-kriegsende-bei- uns.html

WEIHE, Friedhelm: „Brennesseln gegen den Hunger“, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/friedhelm-weihe- brennesseln-gegen-den-hunger.html

8.3.2 Deutsche Wochenschau

Deutsche Wochenschau Nr. 725, 32, 1944 URL: https://archive.org/details/1944-07-27-Die-Deutsche-Wochenschau-725

Deutsche Wochenschau Nr. 730, 37, 1944 URL: https://archive.org/details/1944-08-30-Die-Deutsche-Wochenschau-730

Deutsche Wochenschau Nr. 737, 44, 1944 URL: https://archive.org/details/1944-10-18-Die-Deutsche-Wochenschau-737

Deutsche Wochenschau Nr. 747, 2, 1945 URL: https://archive.org/details/1945-01-04-Die-Deutsche-Wochenschau-Nr.747

Deutsche Wochenschau Nr. 749, 4, 1945 URL: https://archive.org/details/1945-01-18-Die-Deutsche-Wochenschau-Nr.749

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8.3.3 Sonstige

SEIDEL-DREFFKE, Björn: Ein Spiegel der Zeitgeschichte. Die deutsche Wochenschau. URL: https://www.filmportal.de/thema/ein-spiegel-der- zeitgeschichte-die-deutsche-wochenschau

95

9. Literaturverzeichnis

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99

9.1 Zeitschriften

RONNEBERGER, Franz: Besprechung des Buches „Propaganda. Grundlagen, Prinzipien, Materialen, Quellen“ von Carl Hundhausen, in: Publizistik 22. Jg., Heft 1 (1977), S. 100.

10. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verbreitung der deutschen Sprache im Jahr 1933,

Scholten, S. 341 ...... 12

Abbildung 2: Verbreitung der deutschen Sprache im Jahr 1942,

Scholten, S. 342 ...... 13

Abbildung 3: Struktur der Propaganda im Dritten Reich, Bramsted S. 12 ...... 14

Abbildung 4: Peenemünder Schießbahn an der pommerschen Küste, Irving, S. 25

...... 22

Abbildung 5: V1-Rakete am Titelblatt der Berliner Illustrierten Zeitung vom 10.

August 1944 ...... 30

Abbildung 6: Plakette an der Eisenbahnbrücke Grove Road in London, URL:

https://www.londonremembers.com/memorials/first-flying-bomb ...... 31

Abbildung 7: V2-Rakete mit allen Bestandteilen, Lusar S. 198 ...... 35

Abbildung 8: A4, später als V2 bezeichnet ...... 38

Abbildung 9: Völkischer Beobachter „Vergeltung wird vorbereitet“ ...... 46

Abbildung 10: „Die Vergeltung setzte ein!“ ...... 60

100