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>porträt<

Ungewohnt entspannt – Tool am Pool (von links): , , und

Tool Aber was bezwecken Tool damit? Tool-Hörer sollen die Dinge hinterfragen, sollen sehen, dass nicht je- de Botschaft auch der Wahrheit entspricht. So DIE KREATIVITÄTS- deuten es zumindest treue Fans. Die Band selbst verweigert seit je her konsequent Erklärungen zu ihren Texten, Bildern und Videos und legt lieber weiter falsche Fährten in Bezug auf deren Symbolik. Kein Wunder also, dass sich im Internet hunderte THERORIE Foren und Fanseiten neben der detaillierten Ana- lyse der Toolschen Musik auch immer wieder mit In 16 Jahren Bandgeschichte haben es Tool auf nur drei reguläre den abstrusesten Deutungen und Interpretationen Alben gebracht. Dennoch gelten sie als eine der kreativsten Rock- ihrer Albumtitel und Songtexte beschäftigen. bands ihrer Zeit. Jetzt erscheint das vierte . >Lars Schmeink „Glaub’ bloß nicht irgendwelchen Scheiß, der im Internet steht!“

„SCHEIN UND SEIN“ heißt das Spiel auf das allem Maynard J. Keenan, Kopf jener Rockinno- Als im Januar diesen Jahres dann die Ankündi- sich Tool schon immer gut verstanden haben. So- vation Tool legt seit dem Debütalbum „Undertow“ gung des neuen publik wurde, da über- wohl im Umgang mit der Musikindustrie als auch mit Vorliebe Fallen für Medien und Fans aus. So schlugen sich die Internetforen mit Spekulationen. in ihrem Selbstverständnis als Musiker haben sich etwa als er die Band als Vehikel für eine Philoso- Angeblich sollte das Album „Elephteria“ heißen, Maynard James Keenan, Adam Jones, Danny Carey phie namens Lacrymologie ausgab, die eine spiri- was sich vom griechischen Begriff für Freiheit ab- und Justin Chancellor stets mit Mysterien, Gerüch- tuelle Heilung durch das Weinen propagiert. Eine leiten lässt. Nach den letzten Albumtiteln „Aenima“ ten und Halbwahrheiten umgeben. Tool sind so et- Philosophie, deren Existenz nie belegt und die ver- und „“, beides Wortschöpfung aus anti- was wie das Bermuda-Dreieck der Musik – das mutlich von der Band selbst erschaffen wurde – ken Begriffen, nicht unwahrscheinlich. Doch Tool SONYBMG

Rätsel der Sphinx oder das Orakel von Delphi. Vor und mittlerweile sogar eine Menge Anhänger hat. wären nicht Tool, wenn sie es ihren Fans so leicht FOTO:

1 MAGAZIN 05/06 machen würden – und so trägt das Album nun den jede Konformität. Kein Song unter fünf Minuten, Wir sind traurig und sauer darüber. Vielleicht ist Titel „10,000 Days“. „Glaub’ bloß nicht irgendwel- die meisten sind eher zehn lang. Die Rhythmik der das Album deswegen ein wenig düsterer gewor- chen Scheiß, der im Internet steht! Das ist großer Stücke variiert so stark, dass es unmöglich scheint den. Wir haben wieder dieses Gefühl der Angst Mist!“ kommentiert Maynard und wird das einzige einen Beat mitzuzählen und die auf mehrere und das bringt die Schwere in die Musik, wie Mal im Gespräch laut. Ansonsten sitzt der Tool- Schichten gedoppelten Gitarren drücken mit der- schon bei ,Undertow‘, als sein Dad im Amt war.“ Frontmann scheu und in sich gekehrt im Sessel. artiger Wucht aus dem Lautsprecher, dass einem Doch an die klaren Strukturen von „Undertow“ Nur seine unruhigen Augen verraten die ständige angst und bange wird. erinnert „10,000 Days“ nicht. Die Songs sind deut- Beschäftigung in seinem Inneren. lich dichter, vollgepackt mit diversen Sounds und Aber nicht nur Fehlinformationen und Mysterien „Wir leben mit dem dümmsten Präsi- Einflüssen. Aggressivität und Kraft stehen im Kon- sind Teil des Toolschen Konzeptes. Es gehört auch denten in der Geschichte der USA“ trast zu ruhigen, in sich gekehrten Songteilen. Offen zum Stil der Band, sich als Gesamtkunstwerk zu wird hier Pink Floyd zitiert. „Ja, die Platte hat An- verstehen: Eigenständiges Denken, Innovation und Inhaltlich ist das neue Album eine Kampfansage leihen in dieser Richtung, obwohl wir nicht aus- Kreativität sind essentielle Bestandteile dieses an die Angepasstheit der amerikanischen Gesell- drücklich darüber nachgedacht haben. Aber da Kunstwerkes. „Es ist extrem wichtig für uns, unsere schaft. Es geht um den Widerstand gegen die Ak- sind definitiv Einflüsse vorhanden,“ sagt Danny und Vision umzusetzen und unseren Zielen und Glau- zeptanz vorgefertigter Meinungen. Und Maynard meint einige Gitarrenparts, die so psychedelisch benssätzen treu zu bleiben. Wir versuchen nicht, wehrt sich gegen inflationär benutzte Begriffe wie durch die Songs wabern, als hätte David Gilmour irgendwo rein zu passen,“ erklärt Danny Carey, der Freiheit und Heldentum: „Ein Wort wie Freiheit ist sie gespielt und nicht Adam Jones. Drummer der Band. Tool wehren sich gegen die so oft in den Raum geworfen worden, dass es jede Wieder einmal erschaffen Tool ihr eigenes konzep- kommerzielle Ausbeutung von Musik, was auch Bedeutung verloren hat.“ Wieder wandert sein tionelles Kunstwerk, das musikalisch beeindruckt die langen Abstände zwischen den Alben und die Blick unruhig hin und her, während er die Antwort und das inhaltlich viele Deutungen erlaubt, weil es zwanghafte Kontrolle jeder Äußerung erklärt. Von noch einmal abzuwägen scheint. Und wer ist Schuld nicht über Offensichtlichkeit verfügt. Das toolsche den auch in den USA sehr beliebten Casting- am Verlust dieser Ideale? „Anderen die Schuld zu Orakel hat auf „10,000 Day“ wieder gesprochen – Shows halten sie dementsprechend nichts. „Das ist geben ist ein Spiegel deiner eigenen Handlungen. nun schweigt es. Aber in den Fanforen im Internet keine Kunst und hat auch nichts mit Kreativität zu Etwas, das du in dir selbst erkennst. Mit dem Fin- darf noch eifrig im Weihrauch gedeutet werden. tun. Große Musiker wie Thom Yorke, Nick Cave ger zu zeigen ist nur eine Metapher, es verweist auf oder PJ Harvey würden bei diesen Shows nicht mal einen inneren Zustand“, erklärt Maynard nach Tool die erste Runde überstehen,“ verwirft Maynard langer Pause etwas kryptisch. „Wir machen keine 10,000 Days das „American Idol“-Konzept lakonisch. politischen Statements. Es geht nicht um die Über- Prog-Rock (Sony BMG) Nicht das man Tools Musik jemals in solchen TV- mittlung einer bestimmten Botschaft. Wir sind Fünf Jahre nach „Lateralus“ legen Tool Shows zu Gesicht bekommen würde. Selbst MTV aber alle ein Teil dieser Welt, auch ohne bewusste erneut ein Meisterwerk der experimen- tut sich mit den Stop-Motion-Videos von Gitarrist Anstrengung. Wir können uns der Beeinflussung tellen Rockmusik vor. Gitarrenwände, verschachtelte Adam Jones schwer und hatte den anrüchigen Titel nicht entziehen.“ Und Danny ergänzt: „Wir leben Rhythmen und abstrakte Texte aus dem Labyrinth der „“ 1996 kurzerhand in „#1“ umgewan- nun mal mit dem dümmsten Präsidenten in der Gehirnwindungen Maynard James Keenans. delt. Auch „10,000 Days“ verweigert konsequent US-Geschichte und das hat auch Einfluss auf uns. www.toolband.com

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