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Die Hamburger Polizei 1919–1933

Polizei an einer Barrikade in -Barmbek, 25. Oktober 1923. Im Oktober 1923 erstürmten kom- munistische Aufständische mehrere Polizeiwachen. Der sogenannte 1933 gehörten 5500 Beamte der Hamburger Polizei an; „Hamburger Aufstand“ wurde von Polizei ein heiten aus dem Großraum davon waren etwa 2100 Mann in Kasernen unterge- Hamburg niedergeschlagen. Neben bracht. Sie leisteten Dienst in den Polizeirevieren und 85 Aufständischen und unbeteiligten Personen kamen 17 Polizisten ums auf den Straßen und waren darüber hinaus als Bereit- Leben, 69 wurden verletzt. Dieses schaftspolizei in Stärken von jeweils 100 Mann einsetz- Ereignis bestärkte die je weils beste- henden Feindbilder bei der Polizei bar. Die Umwandlung der im Juni 1919 in Hamburg ein- und bei der KPD. An den Gräbern marschierten Freikorpseinheiten der Reichswehr in eine der getöteten Polizisten auf dem Ohlsdorfer Friedhof fanden auch kasernierte „“ und deren Integration während der Zeit des Nationalsozi- in die bereits bestehende uniformierte Schutzpolizei ab alismus regelmäßig Gedenkfeiern statt. (bpk/Kunstbibliothek SMB/ 1920 bedeutete eine Belastung für die junge Republik. Willy Römer)

Die Hamburger „Ordnungspolizei“ in der Weimarer Republik

Offi ziere und Mannschaften der „Ordnungspolizei“, so Lothar Danner Otto Grot, um 1931. die Bezeichnung dieser Polizeitruppe bis 1934, waren zum großen Teil antirepublikanisch und rechtsradikal Lothar Danner, geboren am 22. April 1891 in Der gelernte Tischler Otto Grot, Schöneberg/Kreis Teltow, gehörte zu jenen geboren am 17. Juli 1905 in Kastorf/ ein gestellt und standen in der Tradition der militärischen Hamburger Polizeioffi zieren, deren Karriere Kreis Herzogtum Lauenburg, war Niederschlagung sozialistisch-kommunistisch geführter in der kaiserlichen Armee begann. 1919 wech- in den Hamburger Polizeidienst selte er als Generalstabsoffi zier der Reichswehr getreten, um die Republik zu ver- Volks bewegungen. Sie bildeten den Kern der Hamburger zur Hamburger Polizei. Am 22. Oktober 1923 teidigen. Er war bereits aktives Polizei der Weimarer Republik. Die kasernierte Ordnungs- wurde Oberstleutnant Lothar Danner mit der Mitglied der SPD und des Reichs- die sich auf die Verteidigung der Leitung der Ordnungspolizei beauftragt, die in banners Schwarz-Rot-Gold, als Republik gegebenenfalls auch polizei war mit Kriegswaff en ausgestattet und wurde wie den darauff olgenden Tagen den „Hamburger er 1925 Hilfswachtmeister der mit Waff engewalt einstellten. 1933 ein militärischer Verband geführt; regelmäßig wurden Aufstand“ (23.–26. Oktober) niederschlug. 1924 Ordnungspolizei wurde. Nach er- aus dem Polizeidienst entlassen, wurde er zum Polizeioberst und Chef der Ham- folgreichen Lehrgängen wurde er organisierte Otto Grot den Wider- Übungen zur Bekämpfung lokaler Aufstände abgehalten. burger Ordnungspolizei befördert. Diese Funk- 1932 zum Polizeileutnant befördert. stand seiner Barmbeker Schufo- tion behielt Lothar Danner, seit 1919 Mitglied Während seiner Tätigkeit bei der Gruppe 11. Er überlebte KZ-Haft, der SPD, bis er sich am 4. März 1933 gesund- Ordnungspolizei vermittelte Otto Zuchthaus und Bewährungsbatail- Die etwa 200 Oberbeamten der Ordnungspolizei, die heitsbedingt beurlauben ließ. Grot seine berufl ichen Kennt- lon 999. 1946 kehrte Otto Grot aus Offi ziere, blieben bis 1933 mehrheitlich reaktionäre Im Nationalsozialismus arrangierte sich Lothar nisse an die Schutzformationen der Kriegsgefangenschaft nach Danner, der während seiner Amtszeit nachsich- („Schufos“) des Reichsbanners, Hamburg zurück und übernahm Republikfeinde und begrüßten 1933 den Machtantritt tig mit den rechtsradikalen und nationalsozia- innerhalb der Polizei leitende Funk- der Nationalsozialisten. Hingegen dürften die in spä- listischen Polizeioffi zierskollegen umgegangen tionen. 1952 wurde er Kommandeur war, mit den neuen Machthabern und über- der Hamburger Schutzpolizei. Otto teren Jahren der Weimarer Republik neu eingestellten nahm während des Krieges (1942/43) Leitungs- Grot starb am 10. September 1987 in Polizisten in ihrer Mehrheit der Republik positiv oder funktionen im Amt für kriegswichtigen Einsatz. Hamburg. (StA HH, 622-2/23, Nr. 72) Nach Kriegsende gehörte er für die SPD meh- neutral gegenüber gestanden haben. Im Rahmen der rere Jahre der Hamburgischen Bürgerschaft an. Professionalisierung der Polizeiarbeit erfolgte die Aus- Von 1950 bis 1953 war er Präses der Polizeibe- hörde. Lothar Danner starb am 2. Februar 1960 bildung junger Beamter an der Polizeischule; ihre Beför- in Hamburg. (StA HH, 131-15 A 68) derung war von fachlichen Qualifi kationen abhängig.

Die Polizeiführung lag in Hamburg während der Zeit der Weimarer Republik in der Verantwortung sozialdemokra- tischer Polizeisenatoren; auch der 1924 zum Chef der Ord- Schreiben des Hamburger Reichs- nungspolizei ernannte Lothar Danner gehörte der SPD an. banners Schwarz-Rot-Gold vom 1. Februar 1933, in dem Polizeischutz eingefordert wird. (StA HH, 331-1 I 908)

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Die reaktionäre Reichsregierung nutzte den sogenannten „Altonaer Blutsonntag“ vom 17. Juli 1932 als Vorwand für die staatsstreichähnliche Absetzung der sozialdemokratisch Die Hakenkreuzfahne am geführten preußischen Regierung am 20. Juli 1932. Sozial- Hamburger Rathaus, 5. März 1933. demo kratische Polizeipräsidenten wurden ihrer Ämter ent- Aus: Hamburg unterm Hakenkreuz. hoben, so auch in Altona/Wandsbek und in Harburg- Chronik der nationalen Erhebung in der Nordmark 1919–1933, Wilhelmsburg. Hamburg 1933, S. 71.

Die „Machtergreifung“ in Hamburg

Der von der SPD geführte Hamburger Senat betrieb eine Alfred Richter zunehmend repressive Politik gegenüber der KPD, um der Reichsregierung keine Handhabe für ein Eingreifen Alfred Richter, geboren am 12. Juli 1895 in Hamburg zu bieten. Zu den Maßnahmen gehörten ein in Wismar, kam von der Reichswehr 1920 zur Hamburger Polizei. 1930 er- weitgehendes Betätigungsverbot der KPD, ein Verbot der folgte seine Entlassung als Oberleut- KPD-Presse und die Verhaftung von 75 Kommunisten am nant wegen nationalsozialistischer Betätigung. Daraufhin wurde er im 2. März 1933. Gleichzeitig hob der Senat Anfang August 1932 selben Jahr als Geschäftsführer haupt- das Verbot der Zugehörigkeit der Beamten und Angestellten amtlich für die NSDAP Hamburg tätig. und Einrichtungen der Polizei an den Seit 1931 war er Bürgerschaftsabgeord- Reichsführer SS, , Hamburgs zu NSDAP, SA und SS auf. Das Verbot einer Mit- neter der NSDAP. Seiner Ernennung und das Reichsinnenministerium gliedschaft in der KPD blieb hingegen bestehen. zum kommissarischen Leiter der Ham- 1933–1936 schwand sein Einfl uss auf burger Polizei am 5. März 1933 folgte die Polizei. Während des Krieges war am 8. März 1933 seine Wahl in den Richter in der eingesetzt, Die Reichsregierung, ab dem 30. Januar 1933 von der NSDAP Senat. Als für die Polizei zuständiger zuletzt als Oberleutnant. Nach Kriegs- Senator stellte er ab 1933 systematisch ende war er bis 1948 interniert. Bis geführt, drängte den Hamburger Senat zu immer weiter Nationalsozialisten ein. Mit der zuneh- zu seinem Tod am 12. November 1981 gehenden Zugeständnissen. Als Reichsinnenminister menden Übertragung von Aufgaben lebte er in Oldenburg bei Bremen. In Telegramm des Reichsinnenminis- den 1950er-Jahren war er dort Vorsit- ters Frick an den Hamburger Senat (NSDAP) am 2. März 1933 schließlich forderte, zender der rechtsgerichteten Deut- vom 2. März 1933 mit der Auff or- die sozialdemokratische Zeitung „Hamburger Echo“ zu ver- schen Partei. 1958/59 gehörte er dem derung, das sozialdemokratische Niedersächsischen Landtag an. „Hamburger Echo“ zu verbieten. bieten, traten die sozialdemokratischen Senatsmitglieder, Aus: 50 Jahre Eimsbütteler Turnver- band e. V., 1889–1939, Hamburg 1939. (StA HH, 131-4 1933 A 178) darunter auch der Polizeisenator Adolph Schön felder, am folgenden Tag aus Protest geschlossen zurück.

Wilhelm Frick forderte am 4. März 1933 den neuen Polizei- senator Paul de Chapeaurouge (DVP) auf, dem SA-Stan- dartenführer Alfred Richter die Leitung der Hamburger Auszüge aus einem fünfseitigen Polizei zu übertragen. De Chapeaurouge forderte daraufhin Schreiben des Oberwachtmeisters den Kommandeur der Ordnungspolizei, Lothar Danner Ralf vom 24. April 1934. (SPD), zum Rücktritt auf; dieser ließ sich am 4. März 1933 Am 5. März 1933 hissten Angehörige der Hamburger Polizei Hakenkreuz- gesundheitsbedingt beurlauben. Am 5. März 1933, am Tag fahnen auf dem Kasernengebäude in der Reichstagswahlen, bei denen die NSDAP die relative der Bundesstraße in Hamburg-Eims- büttel. Einer der Initiatoren bewarb Mehrheit der Stimmen erlangte, ordnete Reichsinnen- sich mit diesem Schreiben um die minister Frick die kommissarische Übergabe der Polizei- Verleihung des von Senator Richter Schreiben der „Vereinigung der verliehenen Hakenkreuz-Ärmelabzei- Oberbeamten der Ordnungspolizei gewalt an Alfred Richter an. Der Rumpfsenat kam dem chens. (StA HH, 113-2 A III 3) Hamburg“ vom 1. März 1933. nach; damit hatten die Nationalsozialisten am Abend des Die „Vereinigung der Oberbeamten 5. März 1933 in Hamburg faktisch die Macht übernommen. der Ordnungspolizei Hamburg“ sym- pathisierte seit Beginn der 1930er- Jahre immer off ener mit der NSDAP und anderen rechten Parteien, die die Republik ablehnten. In diesem Schreiben wurden die Mitglieder zur Wahl „nationaler“ Parteien aufge- rufen. (StA HH, 31-1 I 262)

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Karl Kaufmann weitere Karriere vor allem von ihrer war selbst Polizeisenator Richter nicht politischen Zuverlässigkeit und Kauf- einbezogen. Kaufmann konnte seine manns Wohlwollen und weniger von Machtposition während des Zweiten NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann, ihren Fachkenntnissen abhing. Karl Weltkrieges bis 1945 noch ausbauen geboren am 10. Oktober 1900 in Kaufmann veranlasste im März 1933 und weitere wichtige politische Ämter Krefeld, gehörte ab März 1933 zu den die Aufstellung des „Kommandos zur übernehmen. Hauptorganisatoren der Verfolgung besonderen Verwendung“ („K. z. b. V.“), Nach Kriegsende war Karl Kaufmann politischer Gegner und Gegnerinnen dem er auch unmittelbar Befehle er- bis 1948 interniert. Er musste sich des Nationalsozialismus. Seit dem teilte. Im Herbst 1933 ließ Kaufmann jedoch nie vor einem Gericht verant- 16. Mai 1933 war er auch Reichsstatt- das Konzentrationslager Fuhlsbüttel worten. Ende der 1950er-Jahre war er halter und damit der Vertreter der einrichten, dessen Wachmannschaf- leitender Mitarbeiter eines Versiche- Reichsregierung in Hamburg. Er ten sich als Hilfskräfte des Gauleiters rungsunternehmens. Karl Kaufmann besetzte Schlüsselpositionen in der verstanden. Faktisch war Karl Kauf- starb am 4. Dezember 1969 in Ham- Polizei und anderen Behörden mit ihm mann der Polizeiherr Hamburgs, in burg. (SZ Photo, 260125) ergebenen NSDAP-Mitgliedern, deren zahlreiche Personalentscheidungen

Die Gleichschaltung der Hamburger Polizei 1933

Dr. Hans Nieland, 1941. Alfred Richter, der am 5. März 1933 zum kommissarischen Polizeiherrn ernannt worden war, schuf innerhalb der Der Staatswissenschaftler Hans Nie- Polizei umgehend personelle Fakten: Er beurlaubte den land, geboren am 3. Oktober 1900 liberalen Polizeipräsidenten Dr. Hugo Campe, der seit in , gestorben am 29. August 1976 in Reinbek bei Hamburg, begann 1921 im Amt war, und sozialdemokratische Polizeioffi ziere. nach seiner juristischen Prüfung beim Nach Erlass des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Be- Oberlandesgericht Celle 1928 ein Re- ferendariat bei der Staatsanwaltschaft rufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurden die beurlaubten Altona. Er war seit Januar 1926 NSDAP- Hans Nieland war nur kurze Zeit Ham- Beamten sowie alle als aktive Demokraten und Republikaner Mitglied und seit den Wahlen vom burger Polizeipräsident; schon im Mai 14. September 1930 Reichstagsabge- 1933 ernannte ihn Reichsstatthalter bekannten Polizisten – etwa 200 – entlassen. Ihre Stellen ordneter der NSDAP. Als hauptamtli- Karl Kaufmann zum Finanzsenator. wurden mit Nationalsozialisten besetzt. cher NSDAP-Funktionär gründete er in Sein Nachfolger wurde im Oktober Hamburg 1931 die Auslandsorganisa- 1933 der Führer der Hamburger Ma - tion der NSDAP, deren Leiter er auch rine-SA, Wilhelm Boltz. 1940 wurde Am 5. März 1933 wurde Ernst Simon Kommandeur der wurde. Hans Nieland – SS-Brigadeführer, Träger des goldenen Parteiabzeichens Ordnungspolizei. Am 6. März 1933 ernannte Richter den und des Ehrendegens des Reichsfüh- NSDAP-Reichstagsabgeordneten Dr. Hans Nieland zum rers SS – zum Oberbürgermeister von ernannt. Hans Nieland lebte kommissarischen Polizeipräsidenten, am 15. März 1933 nach Kriegsende als „beratender Volks- wurde Nieland Polizeipräsident. Ebenfalls am 6. März 1933 wirt“ in Hamburg. (HStA Dresden, 13471 NS-Archiv des wurde die Leitung der Staatspolizei und am 23. Mai 1933 die MfS, ZA VI 3190 A 02) Leitung der mit Nationalsozialisten besetzt.

Innerhalb der Polizei wurden zudem über Umbesetzungen und Abordnungen bestimmte Bereiche durch Be amte „ver- stärkt“, die aus Sicht der NSDAP als „zuverlässig“ galten, so insbesondere die Staatspolizei durch An ge hörige der Ord- nungs- und der Kriminalpolizei. Polizisten, die als politisch Auszüge aus einem Bericht über das Verhalten zweier „unsicher“ galten, wurden in politisch weniger wichtige Nationalsozialisten auf einer Polizeiwache, 1934. Arbeitsbereiche versetzt. 1933 und 1934 kam es zwischen Polizeibeamten auf unterer Ebene und Mitgliedern von SA, SS und NSDAP, die sich Polizeibefugnisse anmaßten, immer wieder Darüber hinaus stellte die Polizeibehörde 1933 vornehm- zu Auseinandersetzungen. Letztere betrachteten sich lich in der Staatspolizei und der Ordnungspolizei arbeits- durch ihre Verbands- und Parteizugehörigkeit als ge - schützt und gingen davon aus, dass ihre Führer bei der lose SA- und SS-Mitglieder ein. In der Personalpolitik Gauleitung der NSDAP oder bei den Vorgesetzten inner- der Polizei wurden in den folgenden Jahren konsequent halb der Polizei im Konfl iktfall intervenieren würden. (StA HH, 331-1 I 923, Bd. 2) Mitglieder der NSDAP und vor allem der SS bevorzugt.

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Am 15. März 1933 beschloss der Hamburger Senat die Aufstellung einer „“, wie sie bereits im Feb- ruar 1933 in Preußen geschaff en worden war; in den damals noch selbstständigen preußischen Nachbar- städten Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek existierten bereits Hilfspolizeieinheiten. Als Hilfspolizis- Abbildungen von Hamburger Hilfs- polizisten in der 1933 in Hamburg ten waren nur Mitglieder der Sturmabteilung (SA) und erschienenen Darstellung „Hamburg der Schutzstaff el (SS) der NSDAP sowie des reaktionä- unterm Hakenkreuz. Chronik der nationalen Erhebung in der Nord- ren „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ zugelassen. mark 1919–1933“, S. 85.

Die Hilfspolizei

Offi ziell wurde die Einrichtung der Hilfspolizei mit der Ich wurde im April 1933 zum ersten Mal durch 2 Gestapoleute […] verhaftet. […] Ich wurde angeblichen Bedrohung der öff entlichen Sicherheit zur Polizeiwache Vierländerstr. gebracht und begründet – tatsächlich ging es dem Senat um die kam dort in das Zimmer der Hilfspolizei. Ich wurde von den Hilfspolizisten auf einem Stuhl Sicherung der politischen Macht. Die in Straßenkämpfen, in der Zimmermitte mit den Armen auf den Saalschutz und illegalem Waff engebrauch „erprobten“ Rücken festgebunden und mit Gummiknüppel, Koppel, den Fäusten usw. schwer am ganzen Mitglieder der Organisationen erhielten jetzt offi ziell Körper geschlagen. Wenn ich mit dem Stuhl Waff en und wurden mit Polizeiaufgaben betraut. Am umfi el, wurde ich wieder hochgerissen. Von den Hilfspolizisten waren mir die ehem. Schul- 20. März 1933 begann der „ehrenamtliche“ Dienst von kameraden Walter Röhl und Walter Steff ens 155 SA-, 92 SS- und 63 Stahlhelm-Angehörigen als bekannt. Diese beiden haben sich auch an den Misshandlungen hervorragend beteiligt. […] Hilfspolizisten in der Hamburger Ordnungspolizei. Steff ens war SS- und Röhl SA-Angehöriger. Hermann Israel. Aussage im Ermittlungsverfah- Bis zur Aufl ösung der Hilfspolizei im Spätsommer 1933 ren gegen den ehemaligen NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann, 9.8.1948. durchliefen in Hamburg etwa 1200 Männer die dreitägige (StA HH, 213-11 12790/57, Bd. 1) Kurzausbildung zum Hilfspolizisten. Die Fluktuation war Erste Seite einer Aufl istung Hamburger hoch, sodass der Hilfspolizei nicht mehr als 500 Mann Hilfspolizisten („1. Zug“), 1933. gleichzeitig angehörten. Sie waren in den Polizeikaser- Der Einsatz dieser Hilfspolizisten be gann nen untergebracht und versahen den Dienst in ihren am 10. April 1933; die Liste wurde bis August 1933 aktualisiert. In der rechten Spalte sind SA-, SS- oder Stahlhelm-Uniformen, zu denen sie eine die Einsatzorte aufgeführt, darunter das KZ weiße Armbinde mit der Aufschrift „Hilfspolizei“ trugen. Wittmoor („Wittm.“) und wahrscheinlich das Polizeipräsidium an der Stadthausbrücke Die Hilfspolizisten wurden zu Patrouillengängen, zur („St. B. Neustadt“). (StA HH, 331-1 I 791) Bewachung öff entlicher Gebäude, aber auch bei Stra- Aufstellung der geplanten ßenrazzien in kommunistisch oder sozialdemokratisch Einsatzorte der Hilfspolizisten im Hamburger Stadtgebiet orientierten Wohngebieten und als Wachmannschaft vom 16. März 1933. des Konzentrationslagers Wittmoor eingesetzt. Viele (StA HH, 331-1 I 790) ehemalige Hilfspolizisten fanden nach dem Ausschei- den aus diesem Dienst eine Anstellung bei der Polizei, anderen Hamburger Behörden oder Staatsbetrieben.

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Ernst Vollstedt, 1925.

Ernst Vollstedt, geboren am 11. Sep- tember 1899 in Nindorf bei Meldorf, war einer der berüchtigten Schläger des K. z. b. V. Seit 1923 gehörte er der In der antifaschistischen Exilpresse Hamburger Polizei an, Anfang 1933 erschienen 1933 und 1934 mehrfach war er Oberwachtmeister in einem Berichte über die Misshandlungen Freihafenrevier. Nach Aufl ösung des politischer Häftlinge durch das K. z. b. V. kam er zur ; etwa 1938 Bis zu seiner Verhaftung im Februar K. z. b. V. und die Staatspolizei in war er dort im Rang eines Kriminal- 1949 arbeitete er in Schleswig-Holstein Hamburg. oberassistenten tätig. Während des als Schäfer und Gelegenheitsarbeiter. (Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, Zweiten Weltkrieges war Vollstedt bei Die Staatsanwaltschaft wies ihm über- Nr. 32/1934) der Gestapo in Troppau („Sudenten- wiegend schwere Körperverletzungen gau“) eingesetzt, von 1944 bis Kriegs- in 80 Fällen nach. Er hatte politische ende war er in den Ostsudeten im Häftlinge mit Gummiknüppeln, Och- „Partisaneneinsatz“. senziemern, Faustschlägen und Fuß- Am 24. März 1933 bildete der Chef der Hamburger Ord- tritten misshandelt, um Geständnisse zu erzwingen. Das Schwurgericht nungspolizei, Ernst Simon, aus 36 Polizeibeamten, die als Hamburg verurteilte Ernst Vollstedt im politisch zuverlässig galten und als skrupellos bekannt Februar 1950 zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren. waren, das „Kommando zur besonderen Verwendung“ (StA HH, 213-11 22511/50, Bd. 1) („K. z. b. V.“). Zum Führer des K. z. b. V. be stimmte er den Polizeioberleutnant Franz Kosa, einen fanatischen „alten Schreiben des Reichsstatthalters Karl Kaufmann vom 21. Juli 1933. Kämpfer“ der NSDAP. Verstärkt wurde das Kommando Das „Kommando zur besonderen durch mindestens 12 Hilfspolizisten. Das K. z. b. V. war ver- Verwendung“ war durch sein brutales mutlich in dem Verwaltungsgebäude Große Bleichen 23, Auftreten selbst in nationalsozialis- tischen Kreisen in die Kritik geraten. der „Kaisergalerie“, untergebracht. Zeitzeugen benennen NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann aber auch andere Adressen in den Großen Bleichen oder stellte sich demonstrativ schützend vor dieses Kommando. in den Hohen Bleichen. (StA HH, 131-4 1933 A 94)

Das „Kommando zur besonderen Verwendung“

Zu den Aufgaben des K. z. b. V. gehörten Razzien ganzer Adolph Schönfelder, 1960. Straßenzüge, Hausdurchsuchungen und Festnahmen Heinrich Tüxen und Werner Siemsen, politischer Gegnerinnen und Gegner. Das Kommando war Adolph Schönfelder, geboren am seit 1926 bzw. 1928 bei der Hambur- 5. April 1875 in Hamburg, gestor- gefürchtet, denn es verübte schwere Misshandlungen an ger Ordnungspolizei, gehörten 1932 ben am 3. Mai 1966 in Hamburg, zu den Gründern eines national- den Verhafteten und erpresste mit Gewalt erste „Geständ- war von 1926 bis zum 3. März 1933 sozialistischen Polizeiverbands Hamburger Polizeisenator. Er nisse“. Die offi zielle Befehlsgewalt über das K. z. b. V. hatte in Hamburg. Als Angehörige des gehörte zu den etwa 30 führen- K. z. b. V. misshandelten sie Adolph der Chef der Ordnungspolizei Ernst Simon. Das Kommando den Hamburger Sozialdemokra- Schönfelder im Juni 1933. ergänzte die Arbeit der politischen Polizei (Staatspolizei), die ten und Sozialdemokratinnen, die Adolph Schönfelder. Auszug aus der am 16. Juni 1933 während einer mit dem „Fahndungskommando“ über ein eigenes, ähnlich Aussage im Ermittlungsverfahren Besprechung im Redaktionsge- brutales Kommando verfügte. Befehle erteilte aber auch gegen Heinrich Tüxen und Werner bäude des „Hamburger Echos“ Siemsen, 10.5.1951. (StA HH, 213-11 vom „Kommando zur besonderen NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann; ihm standen ständig 19090/64) Verwendung“ verhaftet wurden. Angehörige des Kommandos, die Angehörige des K. z. b. V. für Sondereinsätze zur Verfügung. Heinrich Tüxen. Auszug aus der Aus- bereits vor 1933 der NSDAP ange- sage im Ermittlungsverfahren gegen Nachdem der Hamburger Senat am 24. November 1933 die hört hatten, demütigten ihren ihn und Werner Siemsen, 25.4.1951. vormaligen Dienstherrn, indem sie Hamburger Staatspolizei dem Reichsführer SS, Heinrich (StA HH, 213-11 19090/64) ihn mit einem Besen und mit auf Himmler, unterstellt hatte, löste der neu eingesetzte Leiter die Kleidung gehefteten schwarz- der Staatspolizei, SS-Sturmbannführer Bruno Streckenbach, rot-goldenen Fähnchen exerzie- ren ließen und mit Schlägen und das K. z. b. V. auf. 28 Angehörige des K. z. b. V. wurden am Fußtritten traktierten. (AdsD) 4. Januar 1934 zur Staatspolizei, die übrigen zurück zur Ordnungspolizei kommandiert.

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Das Konzentrationslager Wittmoor

Paul Wilhelm Ziesemer Die Hamburger Polizei richtete im Norden Hamburgs ab Ende März 1933 ein Konzentrationslager für politische Paul Wilhelm Ziesemer, geboren am Gegner der NSDAP ein, eines der ersten Konzentrations- 2. März 1903 in Groß Machmin/Kreis lager im nationalsozialistischen Deutschland. Am 10. April Stolp, Pommern, war Gärtner, bis er 1923 in den Dienst der Hamburger 1933 trafen die ersten zwanzig Häftlinge im KZ Wittmoor Schutzpolizei trat. Er gehörte einer ein; im Mai 1933 waren etwa 100 Häftlinge dort inhaftiert. Wachbereitschaft an, die in der Poli- zeikaserne in der Bundesstraße in Die Wachmannschaft bestand aus 6 Beamten und 36 SA- Hamburg-Eimsbüttel stationiert war. Hilfspolizisten der Ordnungspolizei. Im März 1933 wurde er auf Anordnung des Chefs der Ordnungspolizei Simon Lagerführer des KZ Wittmoor. 1935 Die Inhaftierten waren überwiegend Kommunisten, von kam Ziesemer zur Wohlfahrtspolizei und 1937 zur Kripo, wo er im Rang denen angenommen wurde, dass sie im Widerstand eines Kriminalsekretärs tätig war. Nach aktiv werden würden. Sie mussten im Moor für die Firma Beginn des Zweiten Weltkrieges war er bei der Gestapo in Wesermünde „Gemko – Moorverwertung“ schwere körperliche Arbeiten „Rundschau im Bilde“ (Beilage des „Ham- eingesetzt. Ziesemer war NSDAP- burger Fremdenblatts“) vom 8. Juni 1933. verrichten. Mit diesem Arbeitseinsatz in der Torfgewin- Mitglied und bewarb sich 1942 um Die Hamburger Presse berichtete 1933 eine SS-Mitgliedschaft. 1948 wurde nung konnte die Polizeibehörde die Kosten für Unterbrin- ausführlich über das KZ Wittmoor. Die Ziesemer wieder in den Hamburger gung und Verpfl egung der Gefangenen niedrig halten. Berichte zeichnen ein verharmlosendes Polizeidienst eingestellt. Bild des Lagers, in dem „Zucht und Ord- (StA HH, 331-1 II Nr. 647 Paul Ziesemer) nung“ den „Erfolg einer planmäßigen Bis zu seiner Aufl ösung im Oktober 1933 waren im KZ Erziehung“ garantierten. Wittmoor etwa 140 Gefangene inhaftiert. Von Wittmoor Helmuth Warnke wurden sie in das im September 1933 eröff nete KZ Fuhls- büttel überstellt. Wie ehemalige Häftlinge nach Kriegs- Helmuth Warnke, geboren am ende berichteten, sei die Situation für die Gefangenen 31. Juli 1908 in Hamburg, gestor- ben am 18. März 2003 in Hamburg, im KZ Wittmoor im Vergleich zum KZ Fuhlsbüttel und gehörte dem Kommunistischen anderen Konzentrationslagern relativ erträglich gewesen. Jugendverband Deutschlands und der KPD an. Er wurde im Dennoch war die Errichtung dieses Konzentrationslagers März 1933 erstmals verhaftet und durch die Polizei ein erster Schritt auf dem Weg zu dem bis zum 22. Juni 1933 zusammen Zur Straße hin gab es ein großes Tor. Zwei Staat. Außerdem seien wir im Lager zum Zwe- mit seinem Vater im neu errich- menschenverachtenden und mörderischen KZ-System. große Hakenkreuzfahnen wehten an jeder cke der Umerziehung. Wir sollten uns ja nicht teten KZ Wittmoor inhaftiert. Seite. SS- und SA-Leute, viele Polizeioffi ziere einbilden, daß es hier Zuckerschlecken gäbe. Nach seiner Entlassung setzte bildeten ein Spalier, durch das wir hindurch Es müsse hart gearbeitet werden. Es wäre an er die Widerstands tätigkeit in ins Lager marschieren mußten. Wir wurden der Zeit, daß wir Volksverhetzer und Faulenzer Langenhorn fort. 1934 wurde nicht beschimpft, nicht geschlagen, es waren einmal wieder arbeiten lernen würden. Bei er erneut verhaftet. (GDW) nur eiserne Mienen bei allen zu sehen. Wir Fluchtversuchen werde sofort geschossen. Wir waren natürlich ziemlich verängstigt, weil wir sollten uns das hinter die Löff el schreiben. dachten, jetzt käme etwas Schlimmes. […] Wir Helmuth Warnke. Zitiert nach: Willy Klawe: „Im mußten uns zu einem Karree aufstellen, und übrigen herrscht Zucht und Ordnung …“ Zur der Lagerkommandant, ein Polizeioffi zier mit Geschichte des Konzentrationslagers Wittmoor, Namen Ziesener [Ziesemer], hat uns dann eine Hamburg 1987, S. 43–45. Ansprache gehalten, daß wir uns in Wittmoor in einem Lager befänden für Schutzhäftlinge. Inhaftiert seien wir zum Schutze von Volk und

Luftaufnahme des ehemaligen KZ Wittmoor, 1934. In den Gebäuden des Torfwerks (Bildmitte) waren die Häftlinge untergebracht. (StA HH, Plankammer)

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Das „Hüttengefängnis“, Zeichnung aus dem Bestand der Baubehörde, 1925. Das denkmalgeschützte ehemalige Hüttengefängnis heißt heute „Helmuth- Hübener-Haus“, benannt nach einem jugendlichen Widerstandskämpfer, der zeitweilig im Hüttengefängnis inhaftiert war und 1942 hingerichtet wurde. Es wird heute als Gemeinschaftsunterkunft für alleinstehende wohnungslose Männer genutzt. (StA HH, 720-1 388-23, 188-11)

In den Strafanstalten Hamburg-Fuhlsbüttel befand sich ab September 1933 ein Konzentrationslager, das ab Dezember 1933 der Polizei unterstand. 1936 wurde es in „Polizeigefängnis Fuhlsbüttel“ umbenannt. Die Lagerleitung bestand aus zum Teil langjährig aktiven Polizeibeamten, die Wachmannschaften setzten sich Die Strafanstalten Fuhlsbüttel, um 1929. aus 1933 eingestellten SA- und SS-Angehörigen zusam- Die Polizei nutzte die beiden gekenn- zeichneten Gebäude während der men. Das Polizeigefängnis mit seinen gegenüber dem gesamten Zeit des Nationalsozialismus Konzentrationslager unveränderten menschenverach- als Konzentrationslager bzw. ab 1936 als Polizeigefängnis für Männer und tenden Haftbedingungen bestand bis Kriegsende. Frauen. (ANg)

Die Polizeigefängnisse Fuhlsbüttel und Hütten

Terror gehörte zum Haftalltag der Gefangenen im Poli- Gustav Leo zeigefängnis Fuhlsbüttel. Durch brutale Misshandlungen Zu den mehr als 250 Frauen und mit Ochsenziemern, Peitschen, Gummiknüppeln, Stuhl- Johannes Rode, um 1946. Männern, die die Polizeihaft im beinen und Stahlruten wurden Gefangene erniedrigt und Polizeigefängnis Fuhlsbüttel nicht gequält und zu „Geständnissen“ gezwungen. Einzelne Johannes Rode, geboren am 12. Mai 1889 überlebten, gehört der Oberbau- in Bad Segeberg, war seit dem 1. Okto- direktor i. R. Gustav Leo, geboren Gefangene wurden systematisch in den Tod getrieben. ber 1919 im Hamburger Polizeidienst. am 3. Mai 1868 in Hamburg. Da das Personal des Polizeigefängnisses Fuhlsbüttel der Am 1. November 1933 wurde er als Kri- Ende September 1944 wegen minalassistent zur Staatspolizei versetzt angeblicher Widerstandstätigkeit Gestapo angehörte und die meisten Häftlinge Gestapo- und im Sommer 1934 im Rang eines verhaftet, wurden dem 76-Jäh- Gefangene waren, wird Fuhlsbüttel in vielen Berichten Kriminalsekretärs Nachfolger des ersten rigen während der Polizeihaft Kommandanten des Konzentrations- notwendige Medikamente gegen ehemaliger Häftlinge als „Gestapogefängnis“ bezeichnet. lagers Fuhlsbüttel, Paul Ellerhusen. Ab sein Nierenleiden verweigert. 1937 leitete er das Polizeigefängnis Fuhls- Er starb am 8. Dezember 1944. Ella Schulz, büttel – bis zu seiner Versetzung in das Seine Frau und sein Sohn, die um 1946. Das „Hüttengefängnis“ in der Straße Hütten in Hamburg- „Arbeitserziehungslager Wilhelmsburg“ ebenfalls verhaftet worden waren, Neustadt war dagegen bis 1939 der Kriminalpolizei und 1943. Er schikanierte und schlug die Häft- blieben bis unmittelbar vor linge persönlich. Sein Hass richtete sich Ella Schulz, geboren am 27. August 1901 Kriegsende in Haft. danach der Schutzpolizei (ehemals Ordnungspolizei) insbesondere gegen Juden, Transvesti- in Hamburg, trat eigenen Angaben (StA HH, 131-15 C 277) unterstellt; „Kripo“ und „Schupo“ stellten auch das Be - ten und Homosexuelle. Allein im ersten zufolge im Mai 1922 in den Polizeidienst halben Jahr seiner Amtszeit kamen fünf ein. 1935 kam sie zur Gestapo und wachungspersonal. Die Geschichte dieses Gefängnisses Häftlinge im KZ Fuhlsbüttel ums Leben. wurde in der Frauenabteilung des KZ ist bis heute weitgehend unerforscht. Johannes Rode wurde im Mai 1946 ver- Fuhlsbüttel als Aufseherin eingesetzt. haftet und gegen ihn wegen seiner im Während des Zweiten Weltkrieges lei- KZ und im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel tete sie diese Abteilung. Sie galt als eine Beide Gefängnisse wurden sowohl von der Kriminal- begangenen Verbrechen ermittelt. Er der brutalsten Wachtmeisterinnen. 1947 verstarb am 23. September 1947 im Inter- wurde Ella Schulz von einem britischen polizei als auch von der Geheimen Staatspolizei genutzt, nierungslager Fischbek. Militärgericht wegen Gefangenen- um Gefangene vorübergehend unterzubringen. (TNA, WO 309/451) misshandlungen im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in den Jahren 1943 bis 1945 zu sieben Jahren Haft verurteilt. 1951 wurde sie aus der Haft entlassen. (TNA, WO 309/1155)

1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 72 8 2 Die Hamburger Polizei 1933–1937

In den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft Gliederung der Hamburger Schutz- wurden die Strukturen der Hamburger Polizei stark ver- polizei, März 1937. ändert. So wurden im Sommer 1933 2100 Angehörige der Die gesamte uniformierte Polizei kommandos waren jeweils mehrere wurde nach einer Verfügung von Abschnittskommandos untergeord- Ordnungspolizei in eine militärisch gegliederte Landes- Reichsinnenminister Frick vom net, die wiederum Befehlsgewalt polizei überführt und diese 1935 in die Wehrmacht inte- 12. Oktober 1934 als „Schutzpolizei“ über bis zu zehn Reviere hatten. Die bezeichnet. In dem Organigramm sind Gruppenkommandos hatten ihren griert. Etwa 1900 Beamte verblieben in Hamburg für den die übergeordneten Befehlsstrukturen Sitz in oder bei den Polizeikasernen. nunmehr unterbesetzten Revierdienst. Noch vor Beginn nicht dargestellt. Das Kommando Die dort kasernierte Polizei verstärkte der Schutzpolizei hatte seinen Sitz im den Revier- und Straßendienst bzw. des Zweiten Weltkrieges wurde dann mit dem Aufbau Polizeipräsidium. Die Schutzpolizei bildete die jederzeit einsetzbaren neuer, in Kasernen untergebrachter „Hundertschaften“ war in drei Gruppen mit gesonderten Überfallkommandos. Gruppenkommandos und in einen (StA HH, 331-1 I 327) mit jeweils 108 Beamten begonnen. Abschnitt eingeteilt. Den Gruppen-

Die Hamburger Polizei bis 1937

SS- und NSDAP-Mitglieder wurden bevorzugt neu einge- Hans Kehrl, um 1937. stellt; nach Wiedereinführung der Wehrpfl icht 1935 wurde vor allem um jene jungen Männer geworben, die freiwillig Zu den personellen Veränderungen in der SS die Wehrpfl icht erfüllt hatten. Nachdem 1936 der nach der Zusammenlegung von Polizei und SS gehörte Anfang 1937 Reichsführer SS, Heinrich Himmler, zum Chef der Deut- die Ernennung Hans Kehrls zum schen Polizei ernannt worden war, erfolgte reichsweit die Hamburger Polizeipräsidenten. Hans Kehrl, geboren am 6. August 1892 in Zusammenlegung von SS und Polizei. Die Polizei war damit Jüterbog, seit 1931 NSDAP-Mitglied, ein reichsweit zentral gelenktes Hilfsorgan der SS geworden. war bereits 1932 vom damaligen thü- Am 5. Mai 1945 wurde Hans Kehrl auf ringischen Innenminister Wilhelm Veranlassung der britischen Besat- Frick zum Leiter der Polizeiabteilung zungsmacht in Lagern in Neumünster, In Hamburg standen 1937 an der Spitze der Befehlsstruk- des thüringischen Innenministeriums Fischbek und Neuengamme interniert. ernannt worden. Kehrl war bis zur Im Mai 1948 verurteilte ihn das Berge- turen neben NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann der Leiter Befreiung Hamburgs durch britische dorfer Spruch gericht zu einer Haftstra- der Abteilung 3 (Polizeiabteilung) der Hamburger Staats- Truppen am 3. Mai 1945 im Amt. Neben fe von vier Jahren. Im September 1950 zahlreichen anderen Verbrechen war aus der Haft entlassen meldete er sich verwaltung, SS-Gruppenführer Hans-Adolf Prützmann, er insbesondere für die Verfolgung der beim Personalamt des Hamburger Se- der im November 1938 zum Höheren SS- und Polizeiführer Sinti und Roma verantwortlich. nats für seine Wiederverwendung, die ihm allerdings verwehrt wurde. Hans Nordwest ernannt wurde, Polizeioberst Rudolf Querner Kehrl erhielt eine reduzierte Pension. als Inspekteur der Ordnungspolizei sowie der Anfang 1937 Er starb am 22. April 1961 in Hamburg. (BArch, BDC/SSO, Kehrl, Hans, 6.8.1892) zum Polizeipräsidenten ernannte Hans Kehrl. Die Insti- tutionen des „Höheren SS- und Polizeiführers“ und des „Inspekteurs der Ordnungspolizei“ waren von der SS ab 1936 zur Koordination und Kontrolle der Polizeiarbeit in den Wehrkreisen Deutschlands geschaff en worden. Das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 brachte mit der Aufl ösung der Polizeipräsidien von Altona/Wandsbek und Harburg- Wilhelmsburg und der Erweiterung des Stadtgebiets Ham- „Hamburger Fremdenblatt“ vom burgs weitere tief greifende strukturelle Veränderungen 11. Januar 1937. Text, der während der Fahnenappelle der Polizei- wachen anlässlich des Geburtstags von Adolf Der in dem Artikel erwähnte Kom- der Polizei mit sich. Hitler am 20. April 1937 verlesen wurde. mandeur der Hamburger Schutzpo- lizei, Oberst Rudolf Querner, wurde Die Polizeiführung nutzte Anlässe wie diesen, In der Verwirklichung eines auf Rassismus und Antikom- 1937 Inspekteur der Ordnungspolizei um die „nationalsozialistische Polizei“ auch ideo- und 1941 Höherer SS- und Polizeifüh- logisch zu formen. Wichtiger jedoch als solche munismus beruhenden großdeutschen „Führerstaates“ rer Nordsee mit Sitz in Hamburg. Appelle waren die von der SS bestimmten Lernin- erhielt die Polizei die Aufgabe, diese Pläne im Innern halte an den Polizeischulen sowie die Ausbildung für den späteren Kriegseinsatz. Deutschlands abzusichern und die „“ (StA HH, 331-1 I 838, Bd. 2) mit polizeilichen Mitteln durchzusetzen. Hierzu gehörten Maßnahmen, die von der Ausgrenzung über die Inhaftie- rung in Konzen trationslagern bis zur Ermordung aller reichten, die als „Volksfeinde“ und „Gemeinschaftsfremde“ aus der „Volksgemeinschaft“ ausgestoßen wurden.

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