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DVV-FRAUEN DER UNTERGA

Kaum Vorbereitung, Spielerinnen außer Form und ein indisponierter SIEGFRIED KÖHLER: Die deutsche Mannschaft versagte bei der WELTMEISTERSCHAFT IN JAPAN auf ganzer Linie

Als der letzte Ball im Spiel gegen Eine Niederlage, die ebenso bru- vorzuweisen hatte und im weite- Auch sonst waren die Vorausset- Brasilien zu Boden gefallen war, tal wie fatal war, bedeutete sie ren Turnierverlauf kein Spiel zungen für Köhler nicht erfolgver- und das Debakel bei der Weltmei- doch praktisch schon das Aus. mehr gewann. sprechend: Gerade einmal vier- sterschaft für die DVV-Frauen Denn niemand konnte von dieser Spielverständnis, mannschaft- zehn Tage bekam er von den Erst- endgültig seinen Lauf genommen deutschen Mannschaft ernsthaft liches Auftreten, Athletik, Kampf- ligisten eingeräumt, um sein hatte, war Siegfried Köhler kaum annehmen, daß sie gegen die bereitschaft und Leidenschaft – Team für die WM einzuspielen. noch wahrzunehmen. In sich zu- übrigen Vorrundengegner Ruß- die deutsche Mannschaft zeigte Die im Ausland beschäftigten Pro- sammengesunken saß der Bundes- land und Brasilien auch nur den keine dieser Tugenden. Nicht ein- fis stießen sogar erst zehn Tage trainer auf der Bank. Grau, blaß, Hauch einer Chance haben würde. mal, als sie im Tie-break die vor Turnierbeginn zur Mann- zu keiner Regung fähig. Es hätte Chance hatten, bei zwei Match- schaft. So wenig Zeit hatte kein wohl kaum jemanden im ,Matsu- Blamage gegen einen bällen die Katastrophe doch noch anderer Coach zur Verfügung. moto City Gymnasium’ gewun- international völlig abzuwenden, ergriffen die DVV- „Ich hatte vier Wochen mit mei- dert, wenn zwei Ordner gekom- bedeutungslosen Gegner Frauen diesen Strohhalm. nen Spielerinnen, und schon das men wären, und den 54jährigen Für Susanne Lahme war das Ver- hat vorne und hinten nicht ge- aufgehoben und ins Wachsfigu- Dabei hatte die Begegnung gegen sagen vor allem eine Frage der reicht”, sagte Brasiliens Trainer renkabinett getragen hätten. die Dominikanische Republik so Psyche: „Wir haben als Mann- ,Bernadinho’. Dessen russischer Aus Köhler war für kurze Zeit jeg- verheißungsvoll begonnen: 15:1 schaft kein Format, wenn wir un- Kollege Nikolai Karpol hatte für liches Leben gewichen, so sehr gewann die deutsche Sechs den ter Druck stehen.” Der Italien- die minimalistischen Deutschen hatten ihn die Darbietungen sei- ersten Satz und profitierte dabei Profi zeigte sich entsetzt, vom Zu- nur Hohn und Spott übrig. ner Spielerinnen mitgenommen. von der Schwäche eines total ver- stand ihrer Mitspielerinnen: „Pro- Tatsächlich war die Art, wie sich unsicherten Gegners. Warum die fessionalität und Einsatzbereit- Zu wenig: Mangelhafte die Mannschaft beim Gipfeltref- DVV-Auswahl in der Folgezeit das schaft mangelhaft”, lautete ihr Vorbereitung gegen fen der weltbesten Teams präsen- Spiel aus der Hand gab, blieb vernichtendes Urteil. schwache Gegner tierte, durchweg blamabel. Das allen Beteiligten unverständlich. Dazu kommt die fehlende techni- Desaster nahm seinen Lauf, als Und das gegen einen allenfalls sche Ausbildung. Susanne Lahme „Das ganze System stimmt die DVV-Frauen gleich die Auf- zweitklassigen Gegner, der als in- fand die „fehlende Ballsicherheit nicht”, hat auch Zuspielerin Tanja taktbegegnung gegen die Domi- ternationale Referenz bislang die erschreckend” und kritisierte die Hart erkannt. Dennoch reicht es

FOTOS (3): STEFFEN MARQUARDT nikanische Republik verloren. Plätze 21 und 19 bei den Welt- Arbeit der Klubs: „Die Bundesliga nicht, das Dilemma nur an den meisterschaften 1974 und ’78 bietet einfach viel zu wenig an.” mangelhaften Bedingungen fest-

Zeit der Depression: Nach der blamabelen Niederlage gegen die Dominikanische Republik herrschte im deutschen Lager Weltuntergangs- stimmung

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So energisch wie hier Hanka Pachale im Spiel gegen Rußland setzten sich die DVV-Frauen in Japan nur NG selten in Szene

zumachen. Mannschaft und Trai- Die nötige Entschlos- ner hätten einen Gegner wie die senheit lebte jedoch Dominikanische Republik auch auch Siegfried Köhler sei- ohne Vorbereitung in Straßenklei- ner aus Youngster und dung schlagen können, wenn Ein- Routiniers zusammenge- stellung und Betriebsklima ge- würfelten Truppe nicht stimmt hätten. Doch die Spiele- vor. Am 54jährigen schie- rinnen präsentierten sich in Japan den sich in Japan einmal ohne Biß und Ausstrahlung. Vor mehr die Geister. Sein Auf- allem Spielführerin Sylvia Roll war treten, die Vorbereitung, völlig außer Form. Taktik und Wechselstrategie Im so wichtigen Spiel gegen die – am Ende wurde alles, was der Dominikanische Republik versag- einst so erfolgreiche Coach an-

Warum nicht öfters? Kaum einmal zeigte sich das deutsche Team so einig wie gegen Rußlands Evguenia Artamonova

ten der ,Volleyballerin des Jahres’ packte, von seinen Spielerinnen die Nerven und sie traf kaum ei- kritisch beurteilt. Den Anfang nen Ball. Schon vor dem Tie-break machte Susanne Lahme, die entschuldigte sie sich bei ihren schon lange nicht mehr verheim- Mitspielerinnen, die sie nur un- licht, daß sie Köhler menschlich gläubig anstarrten. Ihre Mitspie- zwar schätzt, seine fachlichen lerinnen ließen jedoch auch nicht Qualitäten jedoch negativ beur- gerade das Gefühl aufkommen, teilt. Vor Jahren schrieb sie als daß sich hier eine Einheit präsen- Spielführerin einen Brief an die tierte, die den unbedingten Erfolg DVV-Spitze mit kritischen Anmer- sucht. Symptomatisch war die kungen zur Kompetenz des Bun- Aussage von Johanna Reinink destrainers, worauf sie ihres Po- vom USC Münster, die be- stens enthoben wurde. Nach den reits am Abend vor dem Olympischen Spielen in Atlanta Spiel gegen Brasilien das verkündete Grit Naumann, Köhler Fazit zog, eine WM sei zwar habe nicht mehr die Energie, um eine lohnende Erfahrung, die Mannschaft führen zu können. aber es sei „schade, daß alles So hätten sich die Spielerinnen so enden mußte”. weitgehend selbst trainiert. ̈

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Ähnlich, allerdings nicht ganz so rinnen wie Judith Flemig bemän- Beatrice Dömeland. Allerdings kraß beurteilte Beatrice Döme- gelten zudem das Festhalten an muß zu Köhlers Ehrenrettung ge- land das Auftreten des Trainers in bewährten Kräften, auch als sagt werden, daß Türkei-Le- Japan. Die Zuspielerin aus Dres- längst zu sehen war, daß die ihrer gionärin Nancy Celis aufgrund ih- den hat beobachtet, daß Köhler Form meilenweit hinterherliefen. rer Rückenprobleme und einer „zuletzt müder wirkte als sonst”. Die 19jährige Münsteranerin fand Bänderdehnung im Fuß kaum ein- Zumindest ist dem Trainer-Stra- es „enttäuschend, daß beim Bun- setzbar war. Zudem erhielt Jo- tegen seine größte Fähigkeit ab- destrainer Namen offensichtlich hanna Reinink gegen die Domini- handen gekommen, Mannschaf- das Wichtigste sind.” kanische Republik ihre Chance, ten auf den Punkt für Großereig- doch sie versagte. nisse fit zu machen. Nach Olympia Erst als Susanne Lahme Was blieb war ein Haufen Ge- ’96und der Europameisterschaft Köhler anschrie, holte er scheiterter, der frustiert den lan- ’97 war die WM in Japan bereits Sylvia Roll vom Feld gen Heimflug gen Europa antrat das dritte große Turnier in Folge, und sich auf die Spiele in der hei- beim dem das deutsche Team ne- Tatsächlich blieb Sylvia Roll auch mischen Liga freute. Immerhin ben sich stand. auf dem Feld, als längst klar war, winken dort Erfolgserlebnisse, die Für Beatrice Dömeland war das daß sie das Team nicht nach vor- auf internationalem Parkett nicht Versagen auch die Folge des Vor- ne bringen würde. So reagierte zu erwarten sind. Siege, zwar auf bereitungsprogramms gegen der Bundestrainer im Tie-break niedrigem Niveau, aber immerhin schwache Gegner, die sämtlich des Auftaktspiels erst, als Susanne Siege. Das zumindest ist eine mit 3:0 geschlagen wurden: „Als Lahme aufgebracht zur Seiten- tröstliche Aussicht, wie nicht nur wir gegen die Dominikanische Re- linie lief und ihn anschrie, Sylvia Judith Flemig finden dürfte: „Ich FOTO: STEFFEN MARQUARDT publik einen Satz abgegeben ha- Roll endlich vom Feld zu holen. möchte endlich mal wieder Spaß Einer der wenigen Lichblicke ben, konnten wir doch gar nicht „Er hat sie auf dem Parkett ster- beim Spielen haben.” in der deutschen Mannschaft: damit umgehen.” Junge Spiele- ben lassen”, bemängelte auch Felix Meininghaus ˾ Angelina Grün WM-STATISTIK WELTMEISTERSCHAFT FRAUEN Kroatien – Thailand 3:0 (9, 13, 10) WELTMEISTERSCHAFT MÄNNER Südkorea – China 3:2 (13, 15, -6, -10, 9) Vorrundengruppe A in Tokio: TABELLE SÄTZE PUNKTE Vorrundengruppe A in Fukoka: Südkorea – Ägypten 3:0 (10, 6, 7) Niederlande – Kenia 3:0 (7, 1, 6) 1. Südkorea 9:4 6:0 Spanien – Japan 3:0 (11, 9, 13) Japan – Peru 3:0 (8, 6, 3) 2. China 8:5 4:2 Spanien – Südkorea 3:2 (-7, 6, -13, 13, 14) Niederlande – Peru 3:0 (3,6,14) 3. Kroatien 7:6 2:4 Japan – Ägypten 3:0 (9, 12, 9) Japan – Kenia 3:0 (5, 4, 2) 4. Thailand 0:9 0:6 Peru – Kenia 3:2 (9, -13, -6, 13, 10) Spanien – Ägypten 3:2 (-9, -13, 9, 1, 14) Japan – Niederlande 3:0 (9, 12, 6) Zwischenrunde Gruppe E in Nagoya: Japan – Südkorea 3:0 (8, 12, 2) TABELLE SÄTZE PUNKTE Rußland – Japan 3:1 (-16, 7, 5, 8) Vorrundengruppe B in Kobe: 1. Japan 9:0 6:0 Brasilien – Niederlande 3:0 (5, 7, 3) Italien – Kanada 3:0 (10, 13, 2) 2. Niederlande 6:3 4:2 Peru – Dom. Republik 3:2 (-9, 12, 13, -8, 11) USA – Thailand 3:0 (3, 9, 1) 3. Peru 3:8 2:4 Brasilien – Japan 3:0 (10, 4, 7) Italien – Thailand 3:0 (0, 2, 3) 4. Kenia 2:9 0:6 Rußland – Peru 3:0 (2, 9, 6) USA – Kanada 3:1 (-6, 9, 14, 13) Vorrundengruppe B in Tokuyama: Niederlande – Dom. Republik 3:0 (8, 3, 7) Kanada – Thailand 3:0 (3, 7, 1) Italien – Bulgarien 3:0 (12, 10, 6) Japan – Dom. Republik 3:0 (1, 13, 0) Italien – USA 3:1 (4, 7, -12, 7) Kuba – USA 3:0 (7, 8, 10) Brasilien – Peru 3:0 (5, 5, 7) Vorrundengruppe C in Sendai: Italien – USA 3:0 (7, 4, 3) Rußland – Niederlande 3:0 (9, 5, 2) China – Ukraine 3:1 (-14, 13, 12, 8) Kuba – Bulgarien 3:1 (-13, 6, 8, 8) Zwischenrunde Gruppe F in Fukuoka Niederlande – Tschechien 3:1 (9, -13, 13, 4) Kuba – Italien 3:0 (7, 9, 11) Kroatien – Bulgarien 3:1 (9, 14, -11, 15) Niederlande – Ukraine 3:0 (7, 10, 8) Bulgarien – USA 3:0 (3, 7, 13) Kuba – Südkorea 3:0 (8, 2, 5) China – Tschechien 3:0 (9, 9, 10) Ukraine – Tschechien 3:0 (5, 6, 6) TABELLE SÄTZE PUNKTE China – Italien 3:0 (3, 8 ,5) Niederlande – China 3:1 (-9, 11, 7, 9) 1. Kuba 9:1 6:0 Bulgarien – Südkorea 3:1 (5, -12, 6, 12) Vorrundengruppe D in Sapporo: 2. Italien 6:3 4:2 Kroatien – Italien 3:2 (-10, 13, -8, 12, 12) Argentinien – Iran 3:0 (9, 3, 7) 3. Bulgarien 4:7 2:4 Kuba – China 3:0 (6, 8, 11) Kuba – Polen 3:0 (10, 9, 11) 4. USA 0:3 0:6 Italien – Südkorea 3:0 (14, 14, 8) Kuba – Iran 3:0 (2, 5, 7) Vorrundengruppe C in Matsumoto: China – Bulgarien 3:0 (12, 8, 2) Kuba – Kroatien 3:0 (11, 14, 6) Argentinien – Polen 3:1 (-14, 5, 7, 8) Dom. Rep. – Deutschland 3:2 (-1, 11, 6, -7, 15) Polen – Iran 3:0 (5, 2, 8) Rußland – Brasilien 3:0 (7, 6, 11) Runde um die Plätze 5 bis 8 in Osaka: Kuba – Argentinien 3:0 (7, 8, 9) Brasilien – Dom. Rep. 3:0 (1, 4, 4) Italien – Niederlande 3:0 (7, 4, 14) Vorrundengruppe E in Kawasaki: Rußland – Deutschland 3:0 (8, 4, 6) Kroatien – Japan 3:0 (13, 5, 9) Bulgarien – Algerien 3:0 (6, 12, 13) Rußland – Dom. Repubik 3:0 (3, 8, 1) Halbfinals in Osaka: Brasilien – Griechenland 3:0 (6, 13, 6) Brasilien – Deutschland 3:0 (1, 4, 3) China – Rußland 3:0 (4, 4, 9) Brasilien – Algerien 3:0 (2, 8, 6) TABELLE SÄTZE PUNKTE Kuba – Brasilien 3:1 (10, -4, 11, 10) Bulgarien – Griechenl.3:2 (11, -10, 14, -11, 9) 1. Rußland 9:0 6:0 Plazierungsspiele in Osaka: Griechenland – Algerien 3:1 (9, 11, -13, 12) 2. Brasilien 6:3 4:2 Spiel um Platz sieben: Brasilien – Bulgarien 3:0 (4, 8, 6) 3. Dominikanische Republik 3:8 2:4 Niederlande – Japan 3:1 (12, -3, 10, 8) Vorrundengruppe F in Uozu: 4. Deutschland 2:9 0:6 Spiel um Platz fünf: Jugoslawien – Australien 3:0 (14, 5, 4) Vorrundengruppe D in Kagoshima: Italien – Kroatien 3:0 (7, 10, 8) Rußland – Türkei 3:0 (6, 7, 6) Südkorea – Kroatien 3:2 (12, -9, 12, -7, 11) Spiel um Platz drei: Rußland – Australien 3:0 (4, 7, 9) China – Thailand 3:0 (9, 2, 5) Rußland – Brasilien 3:1 (-13, 5, 11, 13) Jugoslawien – Türkei 3:0 (7, 3, 6) China – Kroatien 3:2 (-9, 5, 4, -12, 11) Finale: Australien – Türkei 3:2 (8, -9, -9, 13, 10) Südkorea – Thailand 3:0 (0, 11, 10) Kuba – China 3:0 (4, 14, 12) Jugosl. – Rußland 3:2 (-14, -14, 6, 12, 14)

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FRAUEN-WM Unbesiegbare Power-Girls Beeindruckende SERIE: Nach Olympia 1992 und ’96 und der WM 1994 erklommen KUBAS ASSE erneut den THRON

In der gläsernen Wartehalle am Gate 52 im seinen Spielerinnen noch immer nicht abgefal- Kansai-Airport der japanischen Millionen- len. Nach den Olympiasiegen 1992 und 1996 Metropole Osaka herrscht Stille. Nur ab und zu und dem WM-Titel 1994 wäre in Kuba, wo zerschneidet die schrille Lautsprecherstimme neben Boxen und Baseball der be- den Raum. Mitten zwischen japanischen Ge- liebteste Sport ist, alles andere als ein erneuter schäftsleuten und Touristen fällt eine Gruppe Triumph eine Enttäuschung gewesen. Erst von hochaufgeschossenen schwarzen Frauen wenn die Fans in der Heimat, die die Spiele auf. Doch daß dort auf den orangefarbenen mitten in der kubanischen Nacht live bei ,Ra- Sitzen die kubanische Weltmeistermannschaft dio Revelde’ verfolgten, ihre Stars empfangen, auf ihren Flug in die Karibik wartet, ahnt nie- können die Spielerinnen ihren Sieg genießen. mand. Die Powerfrauen von der Zuckerrohr- Die Kubanerinnen mußten im Finale 78 Minu- insel, die Volleyball in den 90er Jahren be- ten lang hart gegen das typisch chinesische herrscht haben wie kein anderes Team zuvor Abwehrbollwerk ankämpfen, um schließlich eine Dekade, bleiben unbehelligt. Keine Auto- nach dem 3:0 die mit 200.000 Dollar Preisgeld grammjäger, keine Fans weit und breit. dotierte Goldmedaille und den lange in der Im Gesicht von Altmeisterin sieht kubanischen Pampa verschollenen Pokal in man die Erschöpfung nach zwölf WM-Tagen in den Händen zu halten. Fern ost. Von ausgelassener lateinamerika- „Im ersten Satz konnten wir der Geschwindig- nischer Jubelstimmung keine Spur. „China keit Kubas nicht folgen”, sagte Chinas Traine- hatte nichts zu verlieren, aber wir mußten un- rin zum Blitzstart des Gegners. Wie seren Titel verteidigen”, sagt Kuba-Coach schon in den sieben vorherigen kubanischen Antonio Perdomo. Der Druck ist von ihm und Spielen – nur zwei verlorene Sätze – ließ Per- domo die 31jährige Mireya Luis auch im End- Body-Language: Kubas Sprungasse spiel zunächst in der Wechselzone. „Mireya hatten allen Grund zum Strahlen. Sie hat in ihrer langen Karriere viele Verletzungen bleiben im Frauen-Volleyball das gehabt, vor allem in den letzten zwei ̈ Maß aller Dinge FOTOS: SUEHIRO NISHIGUCHI

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Jahren. Sie muß geschont werden”, sagte Per- Chinesinnen kamen besser ins Spiel. Vor allem domo. Außerdem spiele die zehn Jahre jüngere durch die Asse der 22 jahre alten Außenangrei- PREISGELDER ebenfalls stark im Außenangriff. ferin Yan Li wurde China plötzlich zu einem Teams (in US-Dollar) Die von Lang Ping ausgegebene Taktik, die gleichwertigen Gegner und führte sogar mit 1. Kuba 200.000 harten von weit oben geschlagenen kubani- 8:5. Kuba kämpfte sich heran, und beim Stand 2. China 100.000 schen Schmetterbälle nicht zu stoppen, son- von 9:9 riß Perdomo der Geduldsfaden. Die 3. Rußland 75.000 dern nur abzubremsen, so daß die eigene Feld- junge Yumilka Ruiz mußte das Feld räumen 4. Brasilien 30.000 abwehr den Ball im Spiel halten kann, ging und unter dem Raunen der 4000 Zuschauer im 5. Italien 25.000 nicht auf. Osaka Municipal City Gymnasium schritt Mi- 6. Kroatien 20.000 reya Luis aufs Parkett. Mit ihren kraftvollen 7. Niederlande 15.000 Rußlands Riesen verzweifelten und fast ansatzlosen Schmetterschlägen 8. Japan 10.000 am chinesischen Abwehrbollwerk brachte sie wieder Druck und Sicherheit in das 9. Bulgarien 6.250 kubanische Spiel. Wie fit die Ausnahmeangrei- Südkorea 6.250 Mit dieser Blocktechnik hatten die Chinesinnen ferin noch ist, bewies sie, als sie bei einem Peru 6.250 die großen russischen Außenangreiferinnen Block den Ball mit dem Kopf abwehrte. Die Dominikanische Republik 6.250 Godina (1,94 Meter), Artamonowa (1,91) und 1,75 Meter kleine Mireya Luis war einfach zu 13. Deutschland 5.000 Sokolowa (1,90) noch im Halbfinale zur Ver- hoch gesprungen. Doch die chinesische Feld- Kenia 5.000 zweiflung gebracht, doch das kubanische An- abwehr ließ sich auch vom kubanischen USA 5.000 griffsspiel war zu schnell und variantenreich. Vol leyball-Denkmal nicht verunsichern. Bis Thailand 5.000 Auch mit ihrer zweiten Maßnahme hatte Lang zum 14:14 war der Satz offen, dann befreite Individualpreise (in US-Dollar) Ping in Osaka kein Glück. Völlig überraschend Kubas Kaptiän ihr Team mit zwei As- Jeweils 50.000 Dollar erhielten: hatte die 38 Jahre alte frühere Weltklassespie- sen aus der Bredouille. Beste Scorerin: Baraba Jelic (CRO) lerin die eher konservativ spielende Stellerin Der letzte Satz war ein Spiegelbild des zweiten. Bester Angriff: Ana Fernandez Valle (CUB) Yunying Zhu für das Finale nominiert. Damit Wieder ging China in Führung, wieder beein- Bester Block: (CUB) war vom Offensivgeist aus dem Semifinale druckte Kuba mit seinem Angriffsspiel und Chi- Bester Aufschlag: Elles Leferink (NED) kaum noch etwas zu sehen. „Ich mußte etwas na mit der Abwehr unmöglicher Bälle. Als die Beste Abwehr: Hiroko Tsukumo (JPN) verändern, weil Kuba viel schneller spielt als Volleyballerinnen aus dem Reich der Mitte Bestes Zuspiel: Mauricia Cacciatori (ITA) Rußland”, verteidigte Lang Ping ihre Entschei- 12:7 führten sah bereits alles nach einem vier- Beste Annahme: Hiroko Tsukumo (JPN) dung, zudem hatte China in der Vorrunde ten Satz aus. Doch drei zu durchsichtige Zu- Als beste Spielerin der WM erhielt deutlich gegen Kuba verloren. Doch der er- spiele hintereinander auf Yue Sun, deren 100.000 Dollar: Regla Torres (CUB). hoffte Überraschungseffekt blieb aus. Schmetterschläge für Kubas Block- Jeweils 25.000 Dollar erhielten: Im Gefühl des sicheren spielerinnen Regla Torres und Tai- Bester Coach: Antonio Perdomo (CUB) Sieges ließ die Kon- maris Aguero leichte Beute wur- Kreativster Coach: Nobuchika Kuzuwa (JPN) zentration bei Kuba den, brachten Kuba zurück. Den Für den Preis als modischstes Team erhielt im zweiten Satz Schlußpunkt setzte erneut Kuba noch einmal 10.000 Dollar. nach und die Regla Bell. Dreimal schlug die Linkshänderin mit

den kurzgeschorenen und blondgefärbten Haaren auf, dreimal ging der bunte Ball im Feld der verdutzen Chinesinnen zu Boden. „Es war viel schwerer, als wir gedacht haben. Aber mit unserem guten Block und unserem Angriff haben wir sie bezwungen”, sagte Regla Bell. Diese Einschätzung belegt die Statistik: Regla Torres war die beste Blockerin des Tur- niers, Ana Fernandez die beste Angreiferin. Beide Titel sind mit je 50.000 Dollar dotiert. Zudem wurde Regla Torres vals beste Spielerin (100.000 Dollar), Perdomo als bester Trainer (25.000) und die knallengen Bodies der Spiele- rinnen als die schönsten Trikots (10.000) aus- gezeichnet. Insgesamt bringt die Nationalmannschaft 435.000 Dollar an Preisgeld mit auf die arme Karibikinsel. Die Spielerinnen dürfen davon je- doch nichts behalten, der sozialistische Staat kassiert alles. Für China blieb nur die Erkennt- nis, „daß wir im zweiten und dritten Satz mit- halten konnten, aber im nächsten Jahr noch

Abgeblockt: Kuba war im gewohnt emotionsgeladenen WM-Halbfinale für

FOTOS (2): SUEHIRO NISHIGUCHI Brasilien erneut eine Nummer zu groß

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härter arbeiten müssen”, sagte Lang Ping. Seit „Wir haben schon oft gegen Rußland gespielt, 1994, als der chinesische Verband sie aus den deshalb wußten wir, wie wir sie bekämpfen MEDAILLENSPIEGEL USA zurückholte, hat Lang Ping bereits viel be- können”, sagte Mittelblockerin Yongmei Wu. Teams Gold Silber Bronze wegt. Verteidigung ist zwar noch immer ober- Doch es war nicht nur die einfache Spielweise 1. UdSSR/Rußland 5 2 3 stes Gebot der Spielerinnen, die fast alle bei der 20 Jahre alten Zuspielerin Elena Vassile- 2. Japan 3 3 0 der Volksarmee des roten Reiches angestellt wskaia, die ganz nach der antiquierten Spiel - 3. Kuba 3 1 0 sind, doch vom ehemals unattraktiven Mauer- auffassung von Karpol immer wieder hoch auf 4. China 2 2 0 Volleyball ist nicht mehr viel geblieben. Die die beiden Außenangreiferinnen Elena Godina beiden Außenangreiferinnen Yue Sun und und Eugenia Artamonowa spielte, sondern wie Aihua Qiu hätten auch in anderen Weltklasse- bei Brasilien die fehlende Leistungsdichte in nig Hoffnung, daß die Dominanz Kubas in den mannschaften einen Platz sicher. der Mannschaft. „Elena Godina und Eugenia nächsten Jahren gebrochen werden kann. Der Weg ins Finale wurde für beide Teams Artamonowa sind Superstars, so etwas haben Selbst wenn Mireya Luis zurücktritt („Wenn unerwartet leicht. Die als Weltranglistenerste wir nicht. Aber wir haben ein Superteam, das die körperlichen Voraussetzungen stimmen, mit großen Erwartungen nach Japan gereisten wie eine Person zusammenspielt”, sagte Lang werde ich der Mannschaft auch weiterhin hel- Russinnen und Grand-Prix-Sieger Brasilien Ping. fen, auch wenn sie das eigentlich nicht nötig mußten sich in den Halbfinals geschlagen ge- hat”) dürften die Kubanerinnen auf Jahre an ben. „Brasilien hat mit Ana Moser und Leila Kollektiv statt Stars – in Japan der Spitze bleiben. Barros nur zwei sehr gute Spielerinnen, wir waren die besten Teams vorne Ein winziger Hoffnungsschimmer zeigt sich haben das bessere Kollektiv”, lautete Perdo- allerdings. Ab dem 1. Januar 1999 wird nach mos Analyse nach dem 3:1 im gewohnt emo- In Japan haben sich zwei Mannschaften durch- der Neuen Regel – jeder Ball ein Punkt – ge- tional geführten lateinamerikanischen Duell. gesetzt, die das ganze Jahr über zusammen zählt. Zumindest in der Anfangsphase haben Noch deutlicher setzte sich China, das nach der trainieren und trotz herausragender Spieler- die Mannschaften, die ihre Taktik schneller Tie-break-Niederlage gegen Kroatien in der persönlichkeiten wie Mireya Luis das Spiel umstellen, die Chance auch so übermächtige Zwischenrunde schon kurz vor dem Aus stand, nicht auf einzelne Personen zuschneiden. Für Gegner wie die Kubanerinnen zu überraschen. gegen das Team von Nikolai Karpol durch. den Rest der Volleyball-Welt besteht nur we- Tore Wendland ˾

KUBA Castros genialer Schachzug

Dank der Devisen aus dem Volleyball-Traumland ITALIEN kommen die Sprungwunder aus der KARIBIK in den Genuß eines angenehmen GELDSEGENS

Als Mireya Luis 1996 nach dem Olympyasieg in Castro, dank dessen karibischer Version des den die acht Spielerinnen allerdings aus- Atlanta gefragt wurde, ob sie nicht in einer Sozialismus auf Kuba bittere Armut herrscht, schließlich von den Vereinen. Profiliga außerhalb ihres Inselstaates spielen die Zukunft des kubanischen Volleyballs gesi- Hauptgewinner ist das kubanische Sportmini- würde, brach sie vor der versammelten Welt- chert. Drei Monate lang dürfen Kubas Natio- sterium. Während die Athletinnen lediglich presse in Tränen aus. Eine Szene, die wohl nalspielerinnen in der italienischen Profiliga 15.000 Dollar – für Kubaner ein Vermögen – auch bei Kubas Sportfunktionären bleibenden harte Devisen verdienen. Damit Trainer Anto- für die drei entscheidenden Monate der Saison Eindruck hinterlassen hat, denn knapp zwei nio Perdomo nur ein Minimum gemeinsamer bekamen, mußten die Klubs für die acht kuba- Jahre später begeistert sie mit ihren Kollegin- Trainingszeit, die der Garant für den dauerhaf- nischen Frauen und doppelt so viele Kollegen nen die Fans der italienischen Serie A. Und ten Erfolg ist, verliert, reisen aus dem Kader der Männer-Auswahl nach so wird nicht nur in der kubanischen der 55 Jahre alte Trainer, Schätzungen italienischer Journalisten rund Nacht, sondern auch am hellen Vormit- sein Stab und einige Nach- 3,5 Millionen Dollar in Castros Kassen über- tag in Italien Jubel ausgebrochen sein, wuchsspielerinnen gleich weisen. Perdomo wollte dieses Modell als Kapitän Regla Bell mit drei Aufschlag- mit. „In Italien haben wir zunächst in Deutschland durchführen, doch assen zum Weltmeister machte. Italien gute Verbindungen, wir weder vom Verband noch von den Vereinen darf sich seit vergangener Saison getrost trainieren dort regelmäßig kamen Reaktionen auf sein Angebot. Was für als größter Sponsor des kubanischen zusammen”, preist Perdomo, die Kubaner zur Optimallösung wurde, und in Volleyball-Systems bezeichnen. der einst in Bad Blankenburg der kommenden Saison noch ausgeweitet In einem genialen Schachzug hat beim Ableger der Deutschen werden soll, bedeutete für Susanne Lahme die der greise ,maximo lider’ Fidel Hochschule für Körperkultur kurzzeitige Arbeitslosigkeit. Denn als Mireya Leipzig sein Trainerhand- Luis bei Meister Bergamo anheuerte, war für Er hat gut werk erlernte, die Vor- die blonde Berlinerin kein Platz mehr. Lachen: Antonio teile. Unterstützt Angst, daß seine Spielerinnen die Freiheit in Perdomos wird das Konzept Südeuropa nicht mehr mit dem Alltag auf Kuba Zukunft ist vom italieni- eintauschen wollen, hat Perdomo nicht. „Das in Italien schen Verband. Leben bei uns ist anders als in Europa. Vor gesichtert Bezahlt wur- allem das Klima.” Tore Wendland ˾

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