27. Jg. / Nr. 1 ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT März 2020 MITTEILUNGEN Preis: 1,50 Euro

Vom Reinelt-Steg zum Hirsch-Weg Nach KommunistInnen benannte Verkehrsflächen in Wien Peter Autengruber

eue Straßennamen entstehen oft kehrsfläche zur Otto-Bauer-Gasse Personen betrachtet, die nur sehr kurz zufälliger als man annimmt, weil mutierte. Eine Zuordnung zum Bezirk Parteimitglied waren, und deren KPÖ- Nes jeder Person frei steht, einen bzw. der Wirkungsstätte wären der im Bezug bei der Ehrung gewiss keine Rolle Antrag an den jeweiligen Wiener Bezirk Text näher ausgeführte Schöberweg, die spielte. Dass es in Wien auch Verkehrs - (oder auch direkt an die zuständige Ma - Mörth gasse, die Stipcakgasse oder bei - flächen gibt, die nach nicht-österreichi - gistratsabteilung, die MA 7) zu stellen. spielsweise die Viktor-Matejka-Stiege. schen KommunistInnen benannt sind, Naturgemäß ist es leichter, neue Ver - Lebendbenennungen wurden bereits wird am Ende eigens angeführt. kehrsflächen in den so genannten 1894 abgeschafft (mit Ausnahme des Flächenbezirken zu finden. In den inne - Kaiserhauses und des damaligen Bürger - Übersicht über die ren Bezirken werden häufig Verkehrs - meisters Karl Lueger). Die derzeit gülti - Verkehrsflächen inseln oder andere Flächen ohne Adresse ge einjährige Interkalarfrist hat einen Die Reihung erfolgt nach dem Benen - für eine Benennung herangezogen. einsichtigen Grund: Niemand kann abse - nungsdatum (in Klammer der Bezirk): hen, wie sich eine Person im Laufe des 23.10.1945 Franz-Reinelt-Steg (12) Kriterien für die Benennung Lebens entwickelt. Erst in der Rück - 6.5.1947 Goldhammergasse (23) 2013 wurden die bisherigen Benen - schau kann ein klareres Urteil gefällt 15.2.1949 Schöberweg (17) nungskriterien präzisiert und ergänzt: werden. 15.2.1949 Mörthgasse (21) Zusammengefasst wurden a) Erkennbar - Hinsichtlich der Gendergerechtigkeit 15.2.1949 Hedy-Urach-Gasse (13) keit, Unterscheidbarkeit, Prägnanz, Kür - fällt auf, dass von den 6.752 Verkehrs - 20.9.1951 Horeischygasse (13) ze, b) der Wien-Bezug, c) eine einjährige flächen 4.417 auf Personen bezogen sind 16.9.1954 Stipcakgasse (23) Interkalarfrist, sowie d) bei personenbe - (Stand 1. Dezember 2019), das sind rund 7.12.1955 Klostermanngasse (23) zogenen Straßennamen: objektivierbare 65 Prozent aller Verkehrsflächen (Ten - 7.11.1956 Johann-Teufel-Gasse (23) Verdienste, historische Vorab-Prüfung, denz steigend). Davon beziehen sich je - 20.1.1960 Matthias-Ernst-Pista-Gasse (21) Gendergerechtigkeit, Widerspiegelung doch 3.995 auf Männer und nur 483 auf 20.11.1963 Ernst-Burger-Gasse (14) der Diversität als Zuwanderungsstadt. 1 Frauen. Der Anteil der Frauen liegt also 19.11.1968 Jura-Soyfer-Gasse (10) Die Kriterien Erkennbarkeit und Un - bei rund zwölf Prozent. Betrachtet man 21.10.1969 Hubert-Gsur-Gasse (10) terscheidbarkeit haben einen einsehbaren die Benennungspraxis in den letzten 15 13.10.1988 Andreas-Morth-Weg (22) Grund: Einsatzkräfte (Rettung, Polizei, Jahren, so ist das Verhältnis von Män - 13.10.1988 Hermann-Plackholm-Gasse (22) Feuerwehr) können durch unklare Anga - nern und Frauen mit dem Gesamtkorpus 10.11.1988 Johann-Zak-Weg (22) ben der BewohnerInnen aufgrund wenig nicht zu vergleichen. Das Verhältnis bei 14.9.1989 Mastnygasse (14) unterscheidbarer Straßennamen in die Ir - Neubenennungen gibt manchmal ein 18.1.1996 Schipanygasse (2) re geleitet werden. So würde es eine Übergewicht bei Frauenbenennungen, 11.4.1997 Mira-Lobe-Weg (22) Franz-Glaser-Gasse (Wien 17) und eine manchmal ist es ausgewogen. Z.B. wur - 17.4.1998 Viktor-Matejka-Stiege (6) Glasergasse (Wien 9) heute nicht mehr den im Jahr 2014 19 Verkehrsflächen 5.3.2002 Hermine-Jursa-Gasse (2) geben. Ebenfalls in diese Kategorie, nach Männern benannt, aber 45 nach 1.4.2003 Erwin-Puschmann-Gasse (14) wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt, Frauen. Im Jahr 2016 war das Verhältnis 9.9.2003 Franz-Pixner-Weg (22) fallen Doppelbenennungen, die tunlichst 16 Männer zu 31 Frauen, 2018 19 Män - 9.9.2003 Hermann-Langbein-Weg (22) vermieden werden. Jene, die es noch gibt ner zu 39 Frauen. 2017 waren es acht 3.12.2004 Rudolf-Friemel-Gasse (10) (z.B. zwei Sterngassen), rühren aus der Männer zu sieben Frauen. 2 3.12.2004 Käthe-Odwody-Gasse (10) Vergangenheit her. Bei der Eingemein - In diesen Beitrag wurden all jene Per - 6.3.2007 Ludwig-Kralik-Weg (11) dung der Vorstädte (die heutigen Bezirke sonen aufgenommen, die in der KPÖ en - 7.10.2008 Anna-Hand-Weg (3) 2 bis 9) und Vororte (die heutigen Bezir - gagiert waren. Einige von ihnen waren 1.12.2009 Franz-Sebek-Straße (21) ke 10 bis 19) hat man einige wenige dies nur für einen bestimmten Zeitraum. 4.5.2010 Leopoldine-Padaurek-Straße (21) Doppelbenennungen übersehen. Zahlreiche der hier angeführten Kommu - 28.2.2012 Agnes-Primocic-Gasse (22) Zum Wien-Bezug sei ergänzend be - nistInnen stießen nach den Februar - 4.11.2013 Schütte-Lihotzky-Weg (11) merkt, dass es eine geübte Praxis ist, Per - kämpfen des Jahres 1934 von der Sozial - 26.11.2013 Tausigplatz (4) sonen auch dem Bezirk bzw. dem Wohn - demokratie zur KPÖ, andere verließen 6.11.2017 Ida-Margulies-Platz (4) ort zuzuordnen. Bekannt ist etwa, dass die KPÖ nach den Ereignissen in Ungarn 6.11.2017 Ferdinand-Platzer-Gasse (21) Otto Bauer in der Kasernengasse 2 in 1956 oder in der Tschechoslowakei 6.11.2017 Selma-Steinmetz-Gasse (21) Mariahilf wohnte und eben diese Ver - 1968. Als „Sonderfälle“ werden jene 8.5.2018 Anni-Haider-Weg (22) 2 Beiträge 5.6.2018 Antonia-Bruha-Gasse (22) gasse hieß vorher Eduard-Fischer-Gasse 5.6.2018 Maxie-Wander-Gasse (22) und war von den lokalen Bezirksbehör - 4.6.2019 Antonie-Lehr-Straße (21) den schon 1945 umbenannt worden. 4.6.2019 Hermi-Hirsch-Weg (12) Über Fischer konnten keine Unterlagen gefunden werden, aber es war eine mit 1940er Jahre Sicherheit NS-belastete (örtlich veran - Auffallend in der hier angeführten Sta - kerte?) Person, zumal in derselben Sit - tistik ist die große Anzahl von Verkehrs - zung auch die Adolf-Hitler-Plätze in flächen, die nach kommunistischen Inzersdorf, Kalksburg und Mauer sowie WiderstandskämpferInnen benannt sind. die Adolf-Hitler-Straße in Siebenhirten Dies ist der Tatsache geschuldet, dass im Nachhinein für bereits 1945 als an - der antifaschistische Widerstand der nulliert betrachtet wurden (sowie einige KommunistInnen zahlenmäßig der mit weitere Namen wie z.B. Horst Wessel). 7 Abstand stärkste von allen politischen Goldhammer wurde gemeinsam mit an - Gruppen war. 3 Am 11. Juni 1946 brachte deren Widerstandskämpfern, u.a. dem in der Mitbegründer der KPÖ und damalige diesem Beitrag erwähnten Andreas Gemeinderat Karl Steinhardt einen An - Morth, wegen Vorbereitung zum Hoch - trag im Wiener Gemeinderat ein, dass verrat verurteilt und am 10. November bei Neu- und Umbenennungen von 1942 hingerichtet. Goldhammer war Zel - öffentlichen Verkehrsflächen, städti - lenleiter und Kassier in den Vereinigten Hedwig Urach (1910–1943) schen Gebäuden, Siedlungen und der - Lederfabriken Gerlach, Moritz & Co .8 gleichen vor allem Namen von Opfern Am 15. Februar 1949 wurden – 15 Jah - sche. Wegen seiner Beteiligung an den des Faschismus gewählt werden sollten. 4 re nach dem Ende der Februarkämpfe – Februarkämpfen wurde er zu sechs Jah - Nahezu alle der insgesamt 41 Benennun - die Mörthgasse in Floridsdorf, der Schö - ren Kerker verurteilt und im Anhalte - gen von Verkehrsflächen in Wien nach berweg in Hernals (Schafberg) und die lager Wöllersdorf festgehalten. 10 Nach KommunistInnen weisen einen Bezug Hedy-Urach-Gasse in Hietzing (Sied - 1938 befand er sich im Widerstand ge - zum Themenkomplex „Widerstand, Ver - lung SAT) benannt. Dies geschah im Zu - gen das NS-Regime, als Mitglied der Be - folgung und Exil“ auf. 24 KommunistIn - ge einer größeren Benennungswelle nach triebsgruppe Austro-Fiat. Politisch war nen, nach denen eine Wiener Verkehrs - WiderstandskämpferInnen und Opfern er zur illegalen KPÖ gewechselt. Er fläche benannt ist, wurden während der des Nationalsozialismus. Darüber hinaus agierte von April bis September 1940 als NS-Zeit hingerichtet. Inklusive einem in wurden noch der Dannebergplatz, die Nachfolger des 1942 in Berlin hingerich - Spanien gefallenen Anti faschisten ließen Dr.-Heinrich-Maier-Straße, die Käthe- teten KPÖ-Leiters von Floridsdorf En - insgesamt 25 der mit einem Straßen- Leichter-Gasse, die Johann-Staud- gelbert Magrutsch. Er wurde am 5. Juni namen geehrten KommunistInnen im Straße, die Matthias-Wagner-Gasse, die 1941 verhaftet, am 17. Dezember 1942 Kampf gegen den Faschismus ihr Leben. Therese-Klostermann-Gasse, die Teufel - wegen Vorbereitung zum Hochverrat Bereits am 23. Oktober 1945, wenige gasse und die Viktor-Christ-Gasse be - zum Tode verurteilt und am 13. April Monate nach der Befreiung Österreichs, nannt. Ferner wurde die Sudetendeut - 1943 (mit weiteren fünf Angeklagten, wurde in Wien-Meidling ein Steg nach schengasse in Brüder-Heindl-Gasse und darunter Matthias Pista) hingerichtet. 11 dem Eisenbahner, Gewerkschafter und die Badhausgasse in Dr.-Neumann-Gas - Die Mörthgasse hieß vorher Kroygasse. Widerstandskämpfer Franz Reinelt se umbenannt. Mit den später auf Klos - Der Schöberweg in Hernals ist nach (1900–1942) benannt. Der Franz-Rei - termanngasse und Johann-Teufel-Gasse dem gelernten Fleischhauer und Straßen - nelt-Steg war ein Beschluss des Stadt- umbenannten Verkehrsflächen waren es bahnschaffner Johann Schöber (1902– rates, dem die Gründerparteien der Zwei - fünf, die nach KommunistInnen, und 1942) benannt, eine Neubenennung. 12 ten Republik SPÖ, ÖVP und KPÖ an - fünf, die nach SozialdemokratInnen be - Schöber begann 1927 als ungelernter gehörten; den diesbezüglichen Antrag nannt wurden. Heinrich Maier wiederum Arbeiter im Bahnhof Hernals, ab 1936 hatte der Stadtrat für allgemeine Ver - war Kaplan, Johann Staud christlicher arbeitete er als Straßenbahnschaffner. In - waltungsangelegenheiten, der Sozialde - Gewerkschafter und Karl Neumann Arzt, folge seiner Teilnahme an den Februar - mokrat und spätere Innenminister Josef der dem NS-Rassenwahn zum Opfer fiel. kämpfen 1934 wurde er verhaftet und Afritsch, gestellt. 5 Reinelt ist einer von Außerdem wurden noch zwölf Gemein - dienstlich gemaßregelt. Zunächst Mit - sechs im Konzentrationslager Mauthau - debauten benannt (Heizmannhof, Fell - glied der Sozialdemokratischen Partei, sen ermordeten Eisenbahnern, deren eishof, Franz-Schuster-Hof, Gallhof, schloss sich Schöber nach 1934 der KPÖ Grabstätte sich am Zentralfriedhof befin - Maria- und Rudolf-Fischer-Hof, Mith - an, für die er u.a. die Einfuhr kommunis - det. Er gehörte zu den führenden Funk - lingerhof, Liskahof, Eiflerhof, Pfannen - tischer Flugblätter aus dem Ausland or - tionären der kommunistischen Betriebs - stielhof, Otto-Haas-Hof, Plocekhof und ganisierte. Nach dem „“ war gruppe bei den Eisenbahnern. 6 Grossmannhof). 9 Interessant sind die Schöber maßgeblich am Aufbau kom - Am 6. Mai 1947 wurde die Gold - Vorschläge für Erläuterungstafeln: Zu munistischer Betriebszellen bei den hammergasse in Wien-Liesing nach dem Namen und Lebensdaten der Geehrten Straßenbahnen beteiligt. Er wurde am Lederarbeiter (Gerbermeister) und anti - kam lediglich der Hinweis „Freiheits - 9. Jänner 1940 von der fest - faschistischen Widerstandskämpfer kämpfer“ (eine weitergehende politische genommen, am 7. September 1942 vom Alfred Goldhammer (1907–1942) be - Zuordnung war nicht vorgesehen). Volksgerichtshof wegen „Vorbereitung nannt. Am 10. Februar 1975 wurde sie Johann Mörth (1911–1943) war von zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt verlängert. Sie verläuft in den Ortsteilen Beruf her Autoschlosser, seine politische und am 6. November 1942 in Berlin hin - Erlaa und Inzersdorf. Die Goldhammer - Ausrichtung war eine sozialdemokrati - gerichtet. 13 Der Name von Johann Schö -

1/20 Beiträge 3 ber findet sich am Denkmal im U-Bahn- ge Gerät seiner Art in der „Ostmark“, Betriebsbahnhof Erdberg. zerstören wollte, schritten Horeischy und Hedy Urach (1910–1943) war Schnei - sein Kollege Univ.-Ass. Hans Vollmar dern und trat 1928 dem Kommunisti - ein, um dies zu verhindern, wurden je - schen Jugendverband (KJV) bei, dessen doch von Lange erschossen. Im Septem - Zentralkomitee sie ab 1932 angehörte. ber 1945 wurde Lange für den Mord zum Ab 1931 war die Mitglied der KPÖ. Sie Tode verurteilt, entzog sich aber der absolvierte die Lenin-Schule in Moskau. Vollstreckung durch Einnahme von 1937 wurde sie wegen illegaler Betäti - Zyankali. Der Schriftsteller Johannes gung für die KPÖ verhaftet. Auch nach Mario Simmel schildert diese Gescheh - dem „Anschluss“ war sie von April bis nisse in einem Roman, Stephanie Carla August 1938 in Haft. 1939/40 arbeitete de la Barra arbeitete den Prozess gegen sie als Kindermädchen in Belgien, kehrte Lange wissenschaftlich auf. 20 Horeischy aber nach Österreich zurück, um im wohnte zuletzt in Wien 13, Rohrbacher - Widerstand aktiv zu werden. Sie war straße 5, womit eine Zuordnung des Mitglied der Leitungsgruppe um Erwin Geehrten zum Bezirk erfolgte. Puschmann und wurde am 17. Juni 1941 Am 19. Juni 1954 wurde die Stipcak - an ihrem Arbeitsplatz verhaftet. Sie wur - gasse in Siebenhirten benannt. Sie hieß de am 16. Dezember 1942 wegen Vorbe - vorher Feldweg. 21 Die Umbenennung er - reitung zum Hochverrat zum Tod ver - folgte im Zuge einer größeren Umbenen - Kurt Horeischy (1913–1945) urteilt und am 17. Mai 1943 hingerichtet. nungswelle von Verkehrsflächen in Atz - Hedy Urach wurde als eine der zwölf gersdorf, Rodaun und Siebenhirten. In ein von der KPÖ gestifteter Gedenkstein „Helden des Zentralkomitees“ im Mit - Siebenhirten wurden sieben weitere für Therese Klostermann. gliedsbuch der KPÖ aufgenommen, ob - Straßennamen umbenannt, davon sechs Wie erwähnt wurde am 15. Februar wohl sie vermutlich „nur“ Mitglied des nach örtlichen Persönlichkeiten. Der 1949 die Teufelgasse in Wien-Mauer ZK des KJVÖ gewesen war. 14 Am Tischler Leopold Stipcak (1909–1944) benannt. Sie wurde am 7. November 9. November 1947 wurde im Betriebs - war führender Funktionär der Revolu - 1956 in Johann-Teufel-Gasse um - bahnhof Speising (Hetzendorfer Straße tionären Sozialisten im Raum Sieben- benannt. 25 Der bei Steyr Daimler Puch 188) ein Mahnmal für hingerichtete hirten/Vösendorf. Nach dem Zusammen - beschäftigte Tischlergehilfe Johann Teu - kommunistische WiderstandskämpferIn - bruch der Organisation suchte er Kontakt fel (1896–1943) wurde am 24. Septem - nen enthüllt, darunter auch Hedy zu den Kommunisten und baute eine ber 1941 wegen Betätigung für die ille - Urach. 15 Die Hedy-Urach-Gasse war ei - neue Widerstandsgruppe auf. Er wurde gale KPÖ verhaftet, am 22. November ne Umbenennung der Tolstojgasse in der am 1. September 1942 verhaftet, am 1942 vom Volksgerichtshof wegen Vor - Siedlung SAT (Siedlung Auhofer Trenn - 14. Februar 1944 wegen Vorbereitung bereitung zum Hochverrat zum Tode stück). Als Zusatz wurde angeführt, dass zum Hochverrat zum Tode verurteilt und verurteilt und am 16. Juni 1943 im Lan - die Tolstojgasse in Lainz bestehen blei - am 26. April 1944 im Wiener Landes- desgericht Wien hingerichtet. 26 be. Es handelte sich bei dieser Benen - gericht hingerichtet. 22 nung daher auch um eine Beseitigung Die Benennung der Klostermanngasse 1960er Jahre einer Doppelbenennung. 16 in Atzgersdorf erfolgte am 7. Dezember Am 20. Jänner 1960 wurde die Matt - 1955 zeitgleich mit der Einbeziehung der hias-Ernst-Pista-Gasse in Floridsdorf 1950er Jahre am 14. Februar 1949 benannten Therese- benannt. 27 Der Gemeindebedienstete Am 20. September 1951 wurde die Klostermann-Gasse in Atzgersdorf/Lie - Matthias Ernst Pista (1894–1943) war Horeischygasse in Wien-Hietzing be - sing in die Fröhlichgasse. 23 Bei näherer von 1926 bis 1934 sozialdemokratischer nannt. Die Erläuterungstafel sollte lau - Betrachtung der Verkehrsflächen ist die Vertrauensmann und Sekretär der Be - ten: „[...] bei der Verteidigung des Elek - 1955 neu benannte Gasse von der Lage zirksvorsteher von Floridsdorf, Franz tronenmikroskops von einem National - und Größe her „attraktiver“ wie der in die Bretschneider und Anton Feistl. Pista lei - sozialisten ermordet“. 17 Dr. Kurt Hor - Fröhlichgasse einbezogene Teil. Abgese - tete nach 1934 das Wohlfahrtsamt Groß- eischy (1913–1945) hatte zuerst Physik, hen davon beginnt die Gasse bei ihrer Enzersdorf, politisch schloss er sich nach dann Chemie studiert. Er gehörte 1934 letzten Wohnadresse Carlbergergasse 39. dem „Anschluss“ der KPÖ an. Seit Mai bis 1938 dem Roten Studentenverband, Therese Klostermann war Arbeiterin in 1939 war er Bezirksleiter der KPÖ Flo - der Einheitsorganisation sozialistischer der Schuhfabrik Aeterna und Mitarbeite - ridsdorf. Er wurde am 20. Jänner 1941 und kommunistischer Studierender an. 18 rin der KPÖ-Kreisleitung III, die neben verhaftet, am 23. November 1942 wegen Horeischy nahm am Polenfeldzug teil, den Bezirken 2, 3 und 10 auch Atzgers - Wehrkraftzersetzung zum Tode ver - wurde aber wegen eines Lungenleidens dorf und Brunn am Gebirge umfasste. Sie urteilt und am 13. April 1943 Landes- aus der entlassen. Er wurde organisierte Spenden für die Unterstüt - gericht Wien hingerichtet. 28 Assistent am Ersten chemischen Institut zung von Angehörigen politisch Inhaf - Am 20. November 1963 wurden zwei in der Währinger Straße und leitete ab tierter, wurde am 4. Jänner 1943 verhaftet Verkehrsflächen in Wien-Penzing be - 1941 das Mikrochemische Laboratori - und am 27. November 1943 wegen „Vor - nannt, die Lebereckstraße (nach einer um. Horeischy gehörte der KPÖ 19 und bereitung zum Hochverrat“ zum Tode Bodenerhebung) und die Ernst-Burger- der Widerstandsgruppe „Tomsk“ im che - verurteilt und am 13. März 1944 gemein - Gasse mit dem Hinweis „Österreichi - mischen Institut an. Als der NS-Partei - sam mit fünf weiteren Kommunisten hin - scher Freiheitskämpfer, Opfer des gänger Jörn Lange am 5. April 1945 ein gerichtet. 24 An der Ecke Klostermann - Faschismus.“ 29 Burger stammte aus Elektronenmikroskop, damals das einzi - gasse/Anton-Heger-Platz befindet sich armen Verhältnissen, absolvierte eine

1/20 4 Beiträge Gasse ). 31 Der Lyriker, Kabarettdichter Er wuchs in einem sozialdemokratischen und Journalist Jura Soyfer (1912–1939) Milieu auf, trat aber 1933 der KPÖ bei. war Mitarbeiter der Arbeiter-Zeitung . Auch Johann Zak (1903–1944) war Nach 1934 wandte er sich der illegalen Hauptwachtmeister bei der Feuerwehr. KPÖ zu, rechnete mit der Sozialdemo - Beide gehörten einer kommunistischen kratie ab („So starb eine Partei“, als Widerstandsgruppe an. Sie kassierten Romanfrag ment erhalten) und warnte vor Spendengelder für die KPÖ ein und ver - dem Nationalsozialismus. Im Austro - teilten Flugschriften und Streuzettel. Ge - faschismus wurde er 1937 für drei Mona - meinsam mit seiner Frau Maria wurde te inhaftiert. Seine Flucht in die Schweiz Plackholm am 4. Februar 1943 von der miss glückte, und er wurde am 13. März Gestapo festgenommen, am 22. Februar 1938 festgenommen. Am 23. Juni 1938 wurde Zak verhaftet. In der Folge wur - liefer ten ihn die Nationalsozialisten ins den über 50 Feuerwehrleute verhaftet, KZ Dachau ein, wo er das bekannte die letzten Festnahmen erfolgten im Jän - „Dachau lied“ verfasste. Später wurde er ner 1944. Da die Feuerwehren seit 1939 in das KZ Buchenwald überstellt, wo er als Feuerschutzpolizei Teil der Ord - am 16. Februar 1939 an Typhus starb. Er nungspolizei waren, war das Oberste SS- war bereits im Besitz eines Affidavits, und Polizeigericht in München für Her - die KZ-Entlassungspapiere waren bereits mann Plackholm und Johann Zak „zu - Ernst Burger (1915–1944) unterzeichnet gewesen. 32 ständig“. Die Verhandlung fand in Wien Am 21. Oktober 1969 wurden sechs statt. Insgesamt wurden am 25. März Lehre und wurde kaufmännisch Ange - we itere Verkehrsflächen in der Per-Albin- 1944 47 Feuerwehrleute verurteilt, da - stellter in einer kleinen Firma in Meid - Hansson-Siedlung Ost nach Opfern des von fünf wegen Vorbereitung zum ling. Politisch betätigte er sich bei den Nationalsozialismus benannt, darunter Hochverrat und Landesverrats zum To - Roten Falken, war Mitglied des Republi - eine nach dem Lyriker und kommunis - de. Alle Verurteilten wurden in das KZ kanischen Schutzbundes und der sozial - tischen Widerstandskämpfer Hubert Mauthausen überstellt. Plackholm und demokratischen freien Gewerkschaften. Gsur (1912–1944), die Hubert-Gsur- Zak wurden am 31. Oktober 1944 auf der Im März 1934 trat er zum KJV über und Gasse . In den Benennungsunterlagen Militärschießstätte Kagran erschossen. wurde Bezirkspolleiter und später Kreis - steht irrtümlich der falsche Vorname Zur Abschreckung mussten 600 dienst - polleiter. Zwischen 1934 und 1938 wur - Herbert. 33 Der Feinmechaniker Hubert freie Feuerwehrmänner in Kagran Auf - de Burger mehrmals inhaftiert. Nach Gsur gehörte einer Widerstandsgruppe stellung nehmen, um an der Erschießung dem „Anschluss“ 1938 flüchtete er über an, die Kontakte zu aus Frankreich beizuwohnen. 39 die Schweiz nach . Am 15. Novem - zurückgekehrten und als Fremdarbeiter Am 14. September 1988 wurde die ber 1938 war Burger wieder in Wien, getarnten WiderstandskämpferInnen hat - Mastnygasse benannt. Der Handelsange - wurde aber nur zwei Tage später im Zu - te. Er stellte zahlreiche Flugblätter her. stellte Friedrich (Fritz) Mastny (1921– ge einer größeren Aktion der Gestapo Am 28. August 1943 wurde er verhaftet, 1943) wuchs in einem sozialdemokrati - verhaftet. Am 12. Dezember 1940 wurde am 26. Oktober 1944 vom Volks- schen Milieu auf. Er war bei den Kinder - er zu zwei Jahren und neun Monaten gerichtshof wegen Vorbereitung zum freunden und später bei den Roten Fal - Zuchthaus verurteilt. Nach Verbüßung Hochverrat und Wehrkraftzersetzung ken aktiv. Über Ernst Burger kam Mast - der Haft wurde er im Dezember 1941 ins zum Tode ver urteilt und am 5. Dezember ny 1934 zum KJV, wo er nach 1938 eine KZ Auschwitz überstellt. Dort nutzte er 1944 hin gerichtet. 34 Leitungsfunktion innehatte. Er war Mit - seine Rolle als Funktionshäftling für die glied der Widerstandsgruppe „Soldaten - Organisierung des Häftlingswiderstands. 1980er Jahre rat“, deren AktivistInnen - Er wurde bald unter anderem mit Her - Es vergingen knapp 20 Jahre, bis es im angehörige über den Krieg aufklärten mann Langbein zur Zentralfigur der Gedenkjahr 1988 (50 Jahre „Anschluss“ und zur Desertion aufforderten. Gemein - „“, die ver - 1938) zur Benennung von drei weiteren sam mit Walter Kämpf und der Studentin schiedene nationale Gruppen umfasste. Verkehrsflächen nach kommunistischen Elfriede Hartmann verbreitete er die Burgers geplante Flucht aus dem KZ Widerstandskämpfern kam: der Flugschriften Die rote Jugend und Der (gemeinsam mit weiteren vier Häft - Andreas-Morth-Weg ,35 die Hermann- Soldatenrat . Die Gruppe plante auch lingen) misslang durch Verrat. Am Plackholm-Gasse 36 und der Johann-Zak- Brand- und Sabotageanschläge. Am 30. Dezember 1944 wurde er am Appell - Weg .37 Der Arbeiter Andreas Morth 13. Mai 1942 wurde Mastny verhaftet, platz in Auschwitz (gemeinsam mit (1902–1942) war Mitglied der kommu - am 22. September 1943 in Krems wegen Rudolf Friemel, Ludwig Vesely und nistischen Widerstandsgruppe im Sie - Vorbereitung zum Hochverrat und zwei polnischen Mitgliedern der Kampf - mens-Schuckert-Werk in Floridsdorf. Er Feindbegünstigung zum Tode verurteilt gruppe) hingerichtet. 30 wurde am 21. Februar 1941 verhaftet, und am 2. November 1943 – im Alter Am 19. November 1968 wurden vier am 27. August 1942 vom Volksgerichts - von 22 Jahren – im Wiener Landes - Verkehrsflächen nach Opfern des Natio - hof wegen Hochverrats zum Tode verur - gericht hingerichtet. 40 nalsozialismus benannt. Neben den teilt und am 10. November 1942 am Lan - Übersetzern und Lyrikern Felix Grafe, desgericht Wien hingerichtet. 38 1990er Jahre Max Fleischer und Walter Lindenbaum Hermann Plackholm (1904–1944) war Am 18. Jänner 1996 wurde die Schi - erhielt in der Per-Albin-Hansson-Sied - gelernter Taschner. 1927 trat er in den panygasse in der Leopoldstadt benannt. lung Ost in Favoriten auch Jura Soyfer Dienst der Stadt Wien bei der Feuerwehr Der in Brünn geborene optische Fein - einen Gassennamen ( Jura-Soyfer- ein. Zuletzt war er Hauptwachtmeister. mechaniker Franz Schipany (František

1/20 Beiträge 5 Šipaný, 1915–1941) gehörte einer tsche - Ersten Republik Kursleiter an den chischen Widerstandsgruppe in Wien an, Volkshochschulen, 1934 wurde er von die von den nationalsozialistischen Ver - den Austrofaschisten als geschäfts - folgern als „Tschechische Sektion der führender Obmann der Volksschule KPÖ“ bezeichnet wurde. Er wurde am Volksheim Ottakring eingesetzt, 1936 10. September 1941 festgenommen und bis 1938 war er Bildungsreferent in der am 6. November 1941 im KZ Mauthau - gleichgeschalteten Arbeiterkammer sen erschossen. Im Beisein seiner Witwe Wien. 1938 kam er mit dem so genann - wurde die Enthüllung der Verkehrs - ten Prominententransport in das KZ fläche am 18. Mai 1996 vorgenommen. 41 Dachau, am 27. September 1939 wurde Am 11. April 1997 wurde der Mira- er in das KZ Flossenbürg überstellt, am Lobe-Weg in der Donaustadt benannt. 42 6. Juli 1944 wurde er entlassen. Matejka Die aus Görlitz in Niederschlesien stam - trat im April 1945 in die KPÖ ein, wurde mende Kinderbuchautorin Mira Lobe Stadtrat für Kultur und Volksbildung in wurde als Hilde Mirjam Rosenthal 1913 Wien (1945–1949) und blieb bis 1954 geboren und starb 1995 in Wien. 1936 Gemeinderat. Als Stadtrat sprach er – als emigrierte sie als Betroffene der Nürn - einziger österreichischer Politiker – eine berger Rassengesetze nach Palästina. Einladung an die von der NS-Diktatur 1950 kam sie nach Wien, weil ihr Ehe - Vertriebenen aus, aus dem Exil nach Fritz Mastny (1921–1943) mann Friedrich Lobe ein Engagement im Österreich zurückzukehren. 1966 trat er von der KPÖ gegründeten Neuen Thea - in den Ruhestand und schied mit Ende liefert, wo sie im April die Befreiung er - ter in der Scala bekommen hatte. Sie trat seines Angestelltenverhältnisses bei der lebte. Danach war sie als Bildungs- und KPÖ auch aus der Partei aus. 44 1991 Frauenreferentin der KPÖ-Bezirks - wurde er Bürger der Stadt Wien. leitung Erdberg aktiv, engagierte sich in der Friedensbewegung und bis ins hohe 2000er Jahre Alter in der Lagergemeinschaft Ravens - Während die ersten 20 Benennungen brück. 1946 heiratete sie den ehemaligen von Verkehrsflächen nach Kommuni - Spanienkämpfer und KZ-Überlebenden stInnen in den Jahren 1945 bis 1998 Wilhelm Jursa. 47 stattfanden, erfolgten allein in den letz - Anlässlich des 60. Todestags von Er - ten 20 Jahren weitere 20. Am 5. März win Puschmann (1905–1943) wurde am 2002 erhielt die Widerstandskämpferin 1. April 2003 in Penzing die Erwin- in diesem Jahr der KPÖ bei, der sie bis Hermine Nierlich-Jursa (1912–2000) Puschmann-Gasse benannt. Der nach den Ereignissen in Ungarn im Jahr eine Ehrung in Form der Hermine-Jursa- Bauschlosser Erwin Puschmann war 1956 angehörte. Lobe veröffentlichte Gasse. Die Gasse liegt im Bereich des Mitglied der Sozialistischen Arbeiterju - mehrere Bücher im Globus-Verlag und ehemaligen Rinderschlachthofes St. gend (SAJ), trat aber bereits 1923 dem im Schönbrunn-Verlag der KPÖ, etwa Marx. Eine Erläuterungstafel wurde erst KJV bei. 1929 wurde Puschmann ar - „Der Tiergarten reißt aus“ und „Bärli am 31. Dezember 2016 angebracht. 45 beitslos und widmete sich verstärkt dem hupf“. In Unsere Zeitung , herausgegeben Die Straße ist eine Zuordnung zum Be - aktiven Sport. Er trat dem Sportverein von der Demokratischen Vereinigung zirk, weil Hermine Jursa im dritten Be - Westend bei und betätigte sich dort auch Kinderland , der 1946 gegründeten und zirk wohnte. 46 Hermine Jursa wuchs in als politischer Agitator. 1930 wurde bis heute bestehenden KPÖ-nahen Kin - ärmlichen Verhältnissen auf, kam zu Puschmann Mitglied der KPÖ. Nach der- und Elternorganisation, erschienen Pflegeeltern ins Waldviertel und arbeite - dem Verbot des Westend gründete er zahlreiche Beiträge von ihr. Nach der te ein Jahr in einer Strumpffabrik. Seit 1933 den Arbeitersportverein S.C. Olym - Schließung der Scala ging sie für ein 1929 war sie wieder in Wien und arbeite - pia 1933 , der als Plattform für illegale Jahr mit ihrem Ehemann, der am Deut - te als Wäscherin und Dienstmädchen. Aktivitäten des KJV diente. Zwischen schen Theater in Berlin Ost engagiert 1934 heiratete sie den Fleischhauer Otto - 1934 und 1938 brachte ihm sein politi - worden war, in die DDR. 43 Seit 1958 kar Huber, der sich aber von ihr scheiden sches Engagement einen Aufenthalt im lebte Mira Lobe wieder in Wien und pu - ließ, als sie in Ravensbrück interniert Anhaltelager Wöllersdorf und mehrere blizierte in der Folge zumeist im SPÖ- war (Dies hatte für Jursa zur Folge, dass Haftstrafen ein. 1935 wurde er Verant - nahen Verlag Jungbrunnen . Für „Die sie die Wohnung verlor und nach ihrer wortlicher für die zentrale Kaderarbeit Omama im Apfelbaum“ (1965) und Befreiung und Rückkehr nach Wien auf der KPÖ und war zu Schulungszwecken „Das kleine Ich-bin-ich“ (1972) bekam die Zuweisung einer Wohnung durch das in Moskau, 1937 ging er nach Prag, dann sie den österreichischen Staatspreis für Wohnungsamt angewiesen war). Jursa nach Paris und schließlich nach Jugosla - Kinder- und Jugendliteratur. war seit 1936 im KJV tätig, verteilte wien. Nach mehreren Verhaftungswellen Anlässlich des fünfjährigen Todestags Flugschriften und schrieb Parolen an wurde Puschmann nach Wien geschickt, von Dr. Viktor Matejka (1901–1993) Hauswände. Im Nationalsozialismus um den kommunistischen Widerstand wurde am 17. April 1998 in der Nähe setzte sie ihre Widerstandstätigkeit fort. gegen den Nationalsozialismus neu zu seines Wohnorts in Mariahilf (Theobald - Im August 1939 wurde sie nach der De - organisieren. Gemeinsam mit Franz Se - gasse 15) die Viktor-Matejka-Stiege be - nunziation durch einen Spitzel verhaftet bek und Ferdinand Strasser baute Pusch - nannt. Sie befindet sich unterhalb des und im Jänner 1942 zu zweieinhalb Jah - mann die dritte zentrale Leitung der ille - Apollokinos in der Kaunitzgasse zur ren Zuchthaus verurteilt. Jursa wurde im galen KPÖ auf. Er wurde am 22. Jänner Ecke Eggerthgasse. Matejka war in der Mai 1942 in das KZ Ravensbrück einge - 1941 verhaftet. Zum Verhängnis wurde

1/20 6 Beiträge in der KPÖ tätig und war bis 1950 Mit - Als aktive Februarkämpferin war sie von glied des Zentralkomitees. Er war 1954 17. Februar bis 11. Mai 1934 inhaftiert. Mitbegründer des Internationalen Wegen „Aufstand und Hochverrat“ ange - Auschwitzkomitees (IAK) und dessen klagt, wurde sie zwar freigesprochen, ver - erster Generalsekretär. 1958 wurde er lor aber ihren Arbeitsplatz und blieb bis aus der KPÖ ausgeschlossen. In der Fol - 1938 arbeitslos. Nach dem „Anschluss“ ge war Langbein publizistisch tätig. 1967 arbeitete sie weitere für die illegale KPÖ, wurde er von der Holocaust-Gedenk - kassierte Mitgliedsbeiträge ein und ver - stätte Yad Vashem in Jerusalem als „Ge - teilte die Rote Fahne . Sie wurde am rechter unter den Völkern“ ausgezeich - 29. April 1941 als Mitglied der KPÖ- net. In den Frankfurter Auschwitzprozes - Bezirksleitung Favoriten verhaftet, am sen war er wichtiger Zeuge. 50 9. November 1942 wegen Vorbereitung Am 3. Dezember 2004 wurden zwei zum Hochverrat zum Tode verurteilt und Verkehrsflächen in Favoriten im Neu - am 23. September 1943 hingerichtet. Am baugebiet Bereich „Monte Laa“ nach 15. Juni 1946 wurde eine Gedenktafel mit hingerichteten kommunistischen Wider - einem Porträtrelief in der Absberggasse standskämpfern benannt, nämlich die 35 (Ankerbrotfabrik) enthüllt. 54 Rudolf-Friemel-Gasse 51 und die Käthe- Der Hilfsarbeiter (Buchbinder) Lud - 52 Käthe Odwody (1901–1943) Odwody-Gasse . Der Kraftfahrzeugme - wig Kralik (1912–1937) nahm als Mit - chaniker Rudolf Friemel (1907–1944) glied des Republikanischen Schutzbun - ihm sein enger Kontakt mit Kurt Koppel war Mitglied der SAJ und seit 1926 der des aktiv an den Kämpfen im Februar (Deckname „Ossi“), einem Gestapospit - SDAP. Als Angehöriger des Republika - 1934 teil. Er wurde am 20. April 1934 zel. Puschmann wurde am 22. September nischen Schutzbundes kämpfte er aktiv wegen Aufruhrs zu drei Jahren schweren 1942 zum Tode verurteilt und am 7. Jän - im Februar 1934 gegen das autoritäre Kerkers verurteilt. Im Juni 1937 ging er ner 1943 hingerichtet. 48 Regime. Nach den Kämpfen flüchtete nach Spanien, um an der Seite der Repu - Am 9. September 2003 wurde der Friemel in die Tschechoslowakei und blik gegen die Armee von General Fran - Franz-Pixner-Weg in der Donaustadt be - trat zur KPÖ über. Nach seiner Rückkehr co zu kämpfen. Nach wenigen Tagen, nannt. Der gelernte Tischler und spätere nach Österreich wurde er Ende Juli fest - am 9. Juli 1937, fiel er in der Schlacht Maler und Bildhauer Franz Pixner genommen und am 8. Oktober 1934 zu bei Brunete (25 km von Madrid ent - (1912–1998) war Mitglied der SAJ und sieben Jahre Kerker verurteilt. Nach sei - fernt). 55 Seit 6. März 2007 erinnert der trat 1931 zur KPÖ über. Aus diesem ner Begnadigung und vorzeitigen Entlas - Ludwig-Kralik-Weg in seinem Heimat - Grunde wurde er im Austrofaschismus sung am 23. Juli 1936 aus dem Gefäng - bezirk Simmering an ihn. 1935 von der Hochschule verwiesen und nis Stein emigrierte er im Jänner 1937 Am 7. Oktober 2008 wurde der Anna- in das Anhaltelager Wöllersdorf einge - nach Frankreich und von dort weiter Hand-Weg im Bereich der Aspanggrün - liefert. 1936 wurde er neuerlich verhaf - nach Spanien, um auf Seiten der spani - de benannt. Die aus einer Wiener Arbei - tet. Nach seiner Freilassung im Februar schen Republik in den Reihen der Inter - terfamilie stammende Anna Hand 1937 ging Pixner im Juni nach Spanien nationalen Brigaden gegen Franco zu (1911–1987) maturierte, machte dann und kämpfte auf Seiten der Republik ge - kämpfen. Nach der Niederlage der Repu - eine Lehre und arbeitete in einem Büro. gen Franco und wurde schwer verwun - blik flüchtete er nach Frankreich und Sie war in der Sozialdemokratischen det. Nach seiner Freilassung aus dem wurde im Lager Gurs interniert. Nach Partei aktiv, wechselte aber nach dem französischen Lager Gurs emigrierte er der Besetzung Frankreichs wurde er am niedergeschlagenen Februaraufstand nach Großbritannien, wo er das Kriegs - 31. Juli 1941 den deutschen Behörden 1934 zur illegalen KPÖ. Sie leistete ende erlebte. 1946 kehrte er nach Wien übergeben. Am 2. Jänner 1942 wurde er Widerstand gegen den Austrofaschismus zurück, studierte Bildhauerei und lebte im KZ Auschwitz interniert. Friemel war und den Nationalsozialismus. Hand wur - als freischaffender Künstler in Wien. 49 Funktionshäftling und schloss sich der de 1942 verhaftet und 1943 in das KZ Der KPÖ gehörte er bis 1957 an. „Kampfgruppe Auschwitz“ an. Er war Ravensbrück eingeliefert. Zu Kriegsende Ebenfalls am 9. September 2003 wur - der einzige Häftling in Auschwitz, dem gelang ihr mit Hermine Jursa, Mitzi Ber - de in der Donaustadt (Rennbahnweg) der im März eine Heirat gestattet wurde. ner und Mali Fritz die Flucht aus dem Hermann-Langbein-Weg benannt. Her - Margarita Ferrer Rey, seinem Vater und KZ, am 21. Juni 1945 kam sie in Wien mann Langbein (1912–1995) schloss dem gemeinsamen Kind wurde zu die - an. Sie zog mit ihrer Lebensgefährtin sich 1933 der KPÖ an, flüchtete nach sem Zweck gestattet, nach Auschwitz zu Maria Berner zusammen und adoptierte dem „Anschluss“ 1938 und kämpfte im reisen. 53 Am 30. Dezember 1944 wurde mit ihr ein Kind (Ilse). Hand arbeitete Spanischen Bürgerkrieg in den Interna - Friemel gemeinsam mit Ernst Burger, fortan hauptberuflich für die KPÖ, Ber - tionalen Brigaden. Nach der Niederlage Ludwig Vesely und zwei polnischen ner lebte als Hausfrau und war nebenbei der Republik flüchtete er nach Frank - Mitgliedern der „Kampfgruppe Ausch - für das Frauenreferat der KPÖ tätig. 56 reich, wo er in verschiedenen Lagern in - witz“ hingerichtet. Der Bauarbeiter (Kranführer) Franz terniert und nach der Besetzung Frank - Die aus Mähren stammende Hilfs - Sebek (1901–1943) arbeitete bereits als reichs an Hitlerdeutschland ausgeliefert arbeiterin Katharina („Käthe“) Odwody Schulkind bei seinen Eltern in den Wie - wurde. Zwischen 1941 und 1945 war er (1901–1943) kam mit ihren Eltern 1905 nerberger Ziegelwerken und trat 1915 in den Konzentrationslagern Dachau, nach Wien. 1921 heiratete sie den der Gewerkschaft und der Sozialdemo - Auschwitz und Neuengamme, wo er Schlossergehilfen Franz Odwody, seit kratie bei. 1920 trat er zur KPÖ über. An überall am Lagerwiderstand beteiligt 1924 war sie im Ankerbrotwerk in Wien den Februarkämpfen 1934 nahm er aktiv war. Langbein wurde 1945 hauptamtlich beschäftigt und wurde bald Betriebsrätin. teil. Nach dem Verbot der Gewerkschaft

1/20 Beiträge 7 gangs erwähnten Kriterien von Ver - reisen nach China und Japan. Über Paris kehrsflächenbenennungen zu berück - emigrierte sie mit ihrem Mann Wilhelm sichtigen gewesen wäre. Der Antrag ging Schütte in die Türkei und trat 1939 der von der Bezirksvorstehung Donaustadt KPÖ bei. Im Dezember 1940 reiste sie aus und wurde von SPÖ, ÖVP und Grü - nach Wien, um aktiv am Widerstand ge - nen am 7. Dezember 2011 eingebracht. gen die NS-Diktatur teilzunehmen. Am Die Begründung in Kurzform lautete: 22. Jänner 1941 wurde Schütte-Lihotzky „Widerstandskämpferin, Stadträtin für von der Gestapo verhaftet und am Fürsorge, ihr Engagement galt dem Auf - 22. September 1942 zu 15 Jahren Zucht - bau von Kindergärten und den sozialen haus verurteilt. Sie erlebte die Befreiung Rechten der arbeitenden Bevölkerung, in Aichach (Bayern) am 29. April 1945. politische Öffentlichkeitsarbeit in Schu - Nach dem Krieg arbeitete Schütte- len im hohen Alter“. 59 Agnes Primocic Lihotzky zunächst in Sofia und kehrte (1905–2007) wuchs in einer Arbeiter - 1947 mit ihrem Ehemann ins zerstörte familie in Hallein (Salzburg) auf und be - Wien zurück. Hier gab es zwar genug gann bereits mit 16 Jahren in der dorti - Arbeit für ArchitektInnen, aber für die gen Tabakfabrik zu arbeiten. Seit ihrem sozialdemokratische Stadtverwaltung 25. Lebensjahr setzte sie sich als Sozial - war die Kommunistin Schütte-Lihotzky demokratin, Gewerkschafterin und Be - eine Persona non grata, weshalb sie nur Franz Sebek (1901–1943) triebsrätin für bessere Arbeitsbedingun - einige kleinere Aufträge bekam. Von organisierte er die illegale freie Bau - gen in der Fabrik ein. Sie organisierte ei - 1948 bis 1969 war sie Vorsitzende des arbeitergewerkschaft und wurde Mit - nen Streik und wurde in der Folge entlas - Bunds demokratischer Frauen , engagier - glied des ZK der KPÖ. In der NS-Zeit sen. 1934 trat sie wegen der Inaktivität te sich in der KPÖ und als Rednerin bei baute er mit Erwin Puschmann die dritte der Sozialdemokratie zur illegalen KPÖ Veranstaltungen. Erst sehr spät erfuhr zentrale Leitung der KPÖ auf. Er organi - über. Im Austrofaschismus war sie vier Schütte-Lihotzky Anerkennung, etwa sierte in den Siemens-Schuckert-Werken Mal inhaftiert. In der NS-Zeit wurde sie mit dem Architekturpreis der Stadt Wien eine Widerstandsgruppe (Verteilung von von der Gestapo mehrfach verhört und (1980). 1993 fand in Wien die erste Aus - illegalen Materialien, Sammlungen für drei Mal inhaftiert. 1943 verhalf sie dem stellung ihres Gesamtwerks im Museum die Rote Hilfe ). Sebek wurde wie auch Widerstandskämpfer Sepp Plieseis zur für angewandte Kunst (MAK) statt. Puschmann im Jänner 1941 verhaftet Flucht aus dem KZ-Außenlager Vigaun Noch zu Lebzeiten wurde ein Gemeinde - und am 22.9.1942 zum Tode verurteilt. bei Hallein sowie kurze Zeit später zwei bau nach ihr benannt. Er wurde – wie Puschmann – am weiteren Häftlingen. Kurz vor Kriegs - Am 26. November 2013 wurde nach 7.1.1943 im Wiener Landesgericht hin - ende rettete sie durch ihr mutiges Auftre - Franziska (1895–1989) und Otto Tausig gerichtet. 57 Die Franz-Sebek-Straße , be - ten 17 bereits zum Tode verurteilte Ge - (1922–2011) der Tausigplatz in Wieden nannt am 1. Dezember 2009, befindet fangene vor der Erschießung. Nach 1945 benannt. Es handelt sich hierbei um eine sich bei den Siemenswerken. Es handelt wurde sie Landessekretärin der KPÖ Verkehrsfläche ohne Adresse (Spitz zwi - sich also um eine Zuordnung einer Ver - Salzburg und Stadträtin für Fürsorge in schen Karlsgasse und Gußhausstraße). kehrsfläche zur – im weiteren Sinne – Hallein. In den 1980er und 1990er Jah - Franziska Tausig schickte ihren damals Wirkungsstätte einer Person. ren wurde Primocic häufig in Schulen als 16-jährigen Sohn Otto Tausig 1938 nach Zeitzeugin eingeladen. 60 2010er Jahre Am 4. November 2013 wurde in Sim - Ebenfalls bei den Siemenswerken ist mering der Schütte-Lihotzky-Weg die am 4. Mai 2010 benannte Leopoldine- benannt. 61 Margarete Schütte-Lihotzky Padaurek-Straße verortet. Leopoldine (1897–2000) absolvierte als eine der ers- Padaurek (1898–1944) war Hilfsarbeite - ten Frauen ein Architekturstudium. 62 rin bei den Siemens-Schuckert-Werken. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 trat sie der Sozialdemokratie und arbeitete sie gemeinsam mit dem Archi - der Gewerkschaft bei. Während der tekten Adolf Loos für die Siedlerbewe - nationalsozialistischen Diktatur leistete gung. Ihr Ziel war optimales Bauen für sie Widerstand für die illegale KPÖ. sozial Schwache mittels standardisierter Großbritannien, wodurch sie ihn vor wei - Padaurek wurde am 25. Jänner 1944 ver - Haustypen in kostengünstiger Fertig- tere Verfolgung nach dem „Anschluss“ haftet, am 27. September 1944 zum Tode bauweise. 1926 holte sie Stadtbaurat retten konnte. Es gelang ihr, gemeinsam verurteilt und am 21. November 1944 im Ernst May in sein Team nach Frankfurt mit ihrem Ehemann Aladar, einem der Wiener Landesgericht hingerichtet. 58 am Main. Dort erfand sie die erste seriell ungarischen Minderheit in Siebenbürgen Am 28. Februar 2012 wurde die herstellbare und Platz sparende Küche angehörigen Rechtsanwalt, den sie aus Agnes-Primocic-Gasse in der Seestadt („Frankfurter Küche“) und erreichte dem Konzentrationslager freikaufen Aspern benannt. Dies geschah im Zuge damit internationale Bekanntheit. konnte, mit einem Schiff nach Shanghai einer En-bloc-Benennung nach Frauen, 1927 trat Schütte-Lihotzky aus der zu entkommen. Ihren Sohn sah sie 1948 um den geringen Frauenanteil bei Sozialdemokratie aus und ging 1930 mit in Wien wieder. Otto Tausig war Schau - Straßennamen zu korrigieren. Anzumer - May in die Sowjetunion. Dort plante sie spieler und Regisseur und in der Emigra - ken bei dieser Benennung ist, dass bei Kindereinrichtungen und Schulen. Bis tion in Großbritannien Kommunist ge - der Salzburgerin Primocic kein Wien- 1937 blieb sie in der Sowjetunion, unter - worden. Seit 1948 wirkte er als Chef - Bezug gegeben ist, der nach den ein - nahm aber auch Studien- und Vortrags - dramaturg am Neuen Theater in der

1/20 8 Beiträge Gestapo konnte sie enttarnen und brachte digt, weil sie im Zuge des Oktoberstreiks sie in ein Sammellager, um sie von dort für einen Tag dem Dienst ferngeblieben in ein KZ einzuliefern . Der fortgeschrit - war. Steinmetz war in der Folge tene Kriegsverlauf kam ihr zu Hilfe, weil journalis tisch tätig. Als 1963 das Doku - das Lager von den Alliierten befreit wur - mentationsarchiv des österreichischen de. Nach dem Krieg kam sie nach Wien, Widerstandes (DÖW) gegründet wurde, beendete ihr Studium und arbeitete als war sie am Aufbau der Bibliothek betei - Sekretärin. Nach der Niederschlagung ligt. Nach 1968 trat Steinmetz aus Pro - des Prager Frühlings trat sie aus der KPÖ test gegen die Niederschlagung des Pra - aus. 64 Sie lebte von 1952 bis 2000 in ger Frühlings aus der KPÖ aus. In der Wien-Wieden, daher entspricht die Ver - Pension arbeitete sie bei der Österreichi - kehrsfläche auch dem Kriterium „Zuord - schen Liga für Menschenrechte und bei nung zum Bezirk“. Amnesty International .67 Der Elektriker Ferdinand Platzer Mit der Selma-Steinmetz-Gasse, Leo - (1906–1942) war wie Leopoldine Padau - poldine-Padaurek-Straße, der Franz-Se - rek und Franz Sebek Mitglied der kom - bek-Straße und der Ferdinand-Platzer- munistischen Widerstandsgruppe in den Gasse ist rund um die Siemens-Werke Siemens-Schuckert-Werken. Er wurde ein „Widerstandsviertel“ entstanden. Zu - am 16. Mai 1941 verhaftet, am 29. Sep - vor war für die in der Leopoldstadt um - tember 1942 zum Tode verurteilt und am strittene Arnezhoferstraße lange Zeit als Selma Steinmetz (1907–1979) 18. Dezember 1942 im Wiener Landes - Ersatz eine Verkehrsfläche für Selma Scala . Nach der Schließung des Theaters gericht hingerichtet. 65 Die Benennung Steinmetz lobbyiert worden. 68 1956 ging er in die DDR, wo er am Deut - der Ferdinand-Platzer-Gasse war not - Am 8. Mai 2018 wurde in der Seestadt schen Theater und der Volksbühne En - wendig geworden, weil von 2009 bis Aspern der Anni-Haider-Weg benannt. gagements fand. Die weiteren Stationen 2017 bereits an anderer Stelle eine Ferdi - Die Verkehrsfläche befindet sich im waren Münster, Zürich und Wien. Zu die - nand-Platzer-Straße existiert hatte, diese Bereich Grete-Zimmer-Gasse und Haus - sem Zeitpunkt hatte sich Tausig bereits aber aufgelassen worden war. 66 Die Ver - feldstraße. Die Initiative des Antrags von der KPÖ abgewandt. 63 Er war Mit - kehrsfläche befindet sich wie die Leo - ging von der MA 21 aus, die von ihrem begründer des Dario-Fo-Theaters (1979) poldine-Padaurek-Straße im Bereich der Recht gemäß Stadtverfassung § 103g, und engagierte sich für die Friedens- Siemenswerke, ist also eine Zuordnung Abs. 1, Z. 11 Gebrauch machte, Vor - bewegung und in der Flüchtlingshilfe. zur – im weiteren Sinne – Wirkungs - schläge für Verkehrsflächenbenennun - Am 6. November 2017 wurden drei stätte der geehrten Person. Da die letzte gen einzubringen. Der Antrag der Be - Verkehrsflächen nach KommunistInnen Adresse von Ferdinand Platzer die zirksvorstehung Donaustadt wurde von benannt: Der Ida-Margulies-Platz in Franklinstraße 20 in Floridsdorf war, SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS einge - Wieden sowie in Floridsdorf die Ferdi - handelt es sich hierbei auch um eine bracht. Im Akt steht der Vermerk ein - nand-Platzer-Gasse und die Selma- Zuordnung zum Bezirk. stimmig, was darauf hindeutet, dass die Steinmetz-Gasse . Dr. in Ida Margulies Selma Steinmetz (1907–1979) studier - FPÖ sich der Stimme enthielt. 69 Die Ar - (1910–2003) gehörte seit 1930 der KPÖ te an der Universität Wien Germanistik, beiterin Anna („Anni“) Haider (1902– an. Sie stammte aus einer jüdischen Geschichte und Pädagogik und disser - 1990) war Betriebsrätin in einer Textil- Familie, die 1914 vor Pogromen von tierte 1931. 1934 trat sie der KPÖ bei. fabrik. Im Februar 1934 nahm sie aktiv Polen nach Wien flüchtete. 1929 lernte Da sie im Austrofaschismus als linke jü - an den Kämpfen im Goethehof teil. Sie sie ihren späteren Ehemann Moritz dische Lehrerin keine Anstellung fand, wurde danach Mitglied der KPÖ und (Fels-Margulies) kennen; beide enga - ging sie nach Frankreich, trat der franzö - flüchtete nach der Niederschlagung des gierten sich in der linkssozialistischen sischen KP bei und lernte ihren späteren Februaraufstands in die Tschechoslowa - Jugend organisation Haschomer Hazair . Lebensgefährten, das Mitglied des Zen - kei. 1936 ging sie in die Sowjetunion. In Ida studierte Geschichte und Französisch tralkomitees der KPÖ Oskar Grossmann, der Emigration lernte sie Franz Haider an der Universität Wien. Nach den kennen. Nach der Besetzung des Landes kennen, der nach 1945 Landesobmann Februarkämpfen 1934 wurden beide ver - durch NS-Deutschland hielt sie sich eine der KPÖ Oberösterreich war. Beide haftet und flohen nach ihrer Freilassung Zeit lang in einem Kloster versteckt, ehe kehrten Anfang 1938 nach Österreich in die Tschechoslowakei. Im Auftrag der sie mit einer gefälschten Identitätskarte zurück und waren weiter für die illegale KPÖ zogen beide nach Paris, dann nach nach Lyon ging, um weiter im Wider - KPÖ aktiv. Anni Haider wurde am 5. Fe - Basel. In der Schweiz wurde Ida festge - stand zu arbeiten. Steinmetz wurde im bruar 1941 verhaftet. Im Wiener Landes - nommen, weil sie unverheiratet mit Mai 1944 verhaftet, freigelassen und im gericht pflegte sie einen engen Kontakt einem Mann zusammenlebte – damals Juni 1944 neuerlich verhaftet. Nach mit der zum Tode verurteilten Ordens - ein Straftatbestand. Die weiteren Statio - schwerer Folter durch die Gestapo wurde schwester Maria Restituta, was mög - nen des Paares waren Belgien und nach sie nach Paris und anschließend in ein licherweise der Grund dafür war, dass Einmarsch der deutschen Wehrmacht Sammellager überstellt. Dort wurde sie die FPÖ im Bezirk nicht gegen die Be - Südfrankreich. Ida fand mit gefälschten am 17. August 1944 befreit. Nach nennung dieser Verkehrsfläche war. An - Papieren eine Stelle im Büro der Kriegsende betreute sie einige Zeit KZ- ni und Franz Haider wurden am 22. Sep - Renaultwerke, wurde aber erkannt und Opfer, ehe sie nach Wien zurückkehrte. tember 1942 (gemeinsam mit Erwin flüchtete weiter nach Paris, wo sie als Sie fand eine Anstellung als Bibliotheka - Puschmann, Franz Sebek, Margarete Sekretärin im Marineministerium arbei - rin bei den Wiener Städtischen Bücherei - Schütte-Lihotzky und Karl Lisetz) we - tete und für die Resistance tätig war. Die en. Per 1. Jänner 1951 wurde sie gekün - gen Hochverrats zu 15 Jahren Zuchthaus

1/20 Beiträge 9 verurteilt. Anni Haider und Schütte- Schule ab und arbeitete in verschiedenen Lihotzky kamen ins Zuchthaus Aichach Berufen, u.a. in einer Fabrik, als Buch - in Bayern, wo sie am 29. April 1945 von haltungskraft, als Kassiererin im Neuen den US-Truppen befreit wurden. Nach Theater in der Scala und im Büro des dem Krieg gehörte Haider von 1946 bis Österreichischen Friedensrats . 1956 hei - 1955 der Landesleitung der KPÖ Ober - ratete sie den damals ebenso der KPÖ österreich an und fungierte als Landes - angehörenden Journalisten und Schrift - frauenvorsitzende. steller Fred Wander und ging mit ihm Am 5. Juni 2018 wurden in der See - 1958 in die DDR. Dort arbeitete sie als stadt Aspern zwei weitere Verkehrs - Fotografin, Journalistin und Schriftstel - flächen nach Widerstandskämpferinnen lerin. Mit dem Buch „Guten Morgen, du benannt, nämlich die Antonia-Bruha- Schöne. Protokolle nach Tonband“ Gasse und die Maxie-Wander-Gasse . (1977) gelang ihr kurz vor ihrem Tod – Die Benennung beider Verkehrsflächen sie starb mit nur 44 Jahren an Krebs – erfolgte in Abstimmung mit dem Projekt der literarische Durchbruch. 3420 AG (Projektkoordination „City- Die jüngsten Benennungen nach zwei naming Seestadt Aspern“). Beide Anträ - Kommunistinnen erfolgten am 4. Juni ge stellte die Bezirksvorstehung Donau - 2019: Die Antonie-Lehr-Straße in Flo - stadt am 7. März 2018 (SPÖ, ÖVP, Grü - ridsdorf und der Hermi-Hirsch-Weg in Maxie Wander (1933–1977) ne, NEOS). 70 Antonia Bruha (1915– Meidling. Die Antonie-Lehr-Straße liegt 2006) gehörte der tschechischen Minder - im Bereich Donaufeld (Entwicklungs - 14. Dezember 2018 diese Verkehrs - heit in Wien an. 71 Die ersten Lebensjahre etappe entlang der Dückegasse). Der Be - fläche. Den Antrag stellten SPÖ, Grüne verbrachte Bruha bei ihren Großeltern in nennungsvorschlag kam von der MA 21 und ÖVP. NEOS und PH (Liste Pro Het - Böhmen, dann ging sie in die Komens - am 22. August 2018, im Bezirk wurde er zendorf) stimmten dafür. 74 Hermi Hirsch ky-Schule. Anschließend absolvierte sie von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS ein - (1924–1990) wuchs in ärmlichen Ver - eine Friseurlehre. Frühzeitig publizierte gebracht. 72 Antonie („Toni“) Lehr hältnissen beim Vater und einer Pflege - sie bereits Gedichte und Kurzgeschich - (1907–1997) war zunächst Mitglied der familie auf. Mehr ist nicht bekannt. In den ten für die tschechischsprachigen „Wie - SAJ und des Verbands sozialistischer 1970er Jahren führte Hirsch ein Beisl im ner Arbeiterblätter“. 1934 lernte sie im Mittelschüler, ehe sie 1927 der KPÖ ersten Bezirk (Kumpfgasse), in dem vor tschechischen Turnverein Josef Bruha beitrat. Sie absolvierte ein Welthandels - allem Studierende und KünstlerInnen kennen, den sie 1935 heiratete. 1936 be - studium, ging in die Sowjetunion und verkehrten. Sie engagierte sich in der gann sie ein Studium der Slawistik, nach kehrte 1933 nach Wien zurück. Lehr ar - Frauen- und Friedensbewegung, gehörte dem „Anschluss“ wurde das Slawistik - beitete für die Kommunistische Interna - dem Bund demokratischer Frauen und institut jedoch von den Nationalsozialis - tionale und ging im Herbst 1934 nach der KPÖ an. 1982 ging sie mit dem ten geschlossen. Seit 1938 Mitglied der Prag, 1935 nach Paris. Nach der Nieder - Lokal Konkurs. Zwar organisierten am illegalen KPÖ, schloss sich Bruha dem lage Frankreichs gegen NS-Deutschland 23. Jänner 1983 zahlreiche KünstlerIn - tschechischen Widerstand um den Han - schloss sie sich dem Widerstand an. nen ein Solidaritätsfest für Hirsch, das delsangestellten Alois Houdek an. 1941 1943 ging Lehr mit falschen Papieren als Lokal musste trotzdem geschlossen blei - wurde sie wegen der Verfassung von Französin getarnt nach Wien zurück und ben. Von 1983 bis zu ihrem Tod war sie Flugschriften verhaftet. Bis September arbeitete in der Floridsdorfer Lokomotiv - Mitglied des Redaktionskollektivs der 1942 war sie in Wien in Haft, von Okto - fabrik. Ihre Tarnung flog auf, am 4. Juli Frauenzeitschrift AUF. 75 ber 1942 bis April 1945 war sie im KZ 1944 wurde sie verhaftet und am 1. No - Ravensbrück interniert. Dort schmuggel - vember 1944 in das KZ Auschwitz über - Sonderfälle te sie Medikamente und wurde Zeugin stellt, im Jänner 1945 nach Ravensbrück. Unter den Sonderfällen sind jene Ver - von Zwangssterilisationen und Men - Im KZ erkrankte Lehr an Typhus. 73 Am kehrsflächen subsummiert, deren „Inha - schenversuchen. Nach der Befreiung ar - 23. April 1945 wurde Lehr mit einem berInnen“ aus verschiedenen Gründen beitete sie zehn Jahre lang für das Radio Rot-Kreuz-Wagen aus dem Lager ge - nur kurzfristig in der KPÖ oder in ihrem und übersetzte deutschsprachige Texte schmuggelt und gelangte über Dänemark engeren Umfeld engagiert waren: ins Russische und Tschechische. 1947 nach Schweden. Sie kehrte im August 13.1.1975 Gerhard-Fritsch-Gasse (17) war sie federführend bei der Gründung 1945 nach Österreich zurück und arbei - 16.5.2000 Marianne-Schönauer-Gasse (19) der Lagergemeinschaft Ravensbrück. tete als Angestellte der KPÖ, u.a. als Se - 21.2.2006 Herma-Bauma-Gasse (3) Seit Anfang der 1960er Jahre trat sie als kretärin des Parteivorsitzenden Johann 7.10.2008 Christian-Broda-Platz (6) Zeitzeugin in Schulen auf, arbeitete für Koplenig. 1971 wurde Lehr wegen Kri - 1.12.2009 Helmut-Zilk-Platz (1) das DÖW und baute 1980 eine Doku - tik an der Niederschlagung des Prager 3.6.2013 Erich-Fried-Weg (22) mentation in der Gedenkstelle Ravens - Frühlings aus der KPÖ ausgeschlossen. Der Schriftsteller, Bibliothekar und brück auf. 2001 erhielt Bruha das Golde - Der Hermi-Hirsch-Weg wurde im Zu - Redakteur von Literaturzeitschriften ne Verdienstzeichen der Stadt Wien. ge des Bauprojekts Remise Wolfgang - Gerhard Fritsch (1924–1969) erhielt am Die als Elfriede Brunner geborene gasse geschaffen. Die Verkehrsfläche 13. Jänner 1975 eine Ehrung in Form der Maxie Wander (1933–1977) stammte befindet sich zwischen Siebertgasse und Gerhard-Fritsch-Gasse am Fuße des aus einer kommunistisch gesinnten Ar - Gaudenzdorfer Gürtel. Die Initiative für Schafbergs. Mit Franz Werfel und Stefan beiterfamilie. Ihr Vater war 1945/46 für die Benennung ging von der MA 21 aus, Zweig bekam er dort prominente Nach - die KPÖ provisorischer Bezirksbürger - die Bezirksvertretung Meidling be - barn. Fritsch war von Jänner bis Dezem - meister von Hernals. Wander brach die schloss mit Stimmenmehrheit am ber 1950 kurzzeitig Mitglied der KPÖ,

1/20 10 Beiträge Globus-Verlags und als Autorin in kom - nach anderen KommunistInnen benannt munistischen Zeitungen und Zeitschrif - worden sind (in Klammer Bezirk und ten. Nach ihrem Olympiasieg bekam sie Benennungsdatum): Friedrich-Engels- ein Angebot, in der Sportabteilung des Platz (20, 14.5.1946), Rosa-Luxemburg- Unterrichtsministeriums zu arbeiten, Gasse (16, 5.1.1927 bzw. Rückbenen - welches sie annahm. Sie blieb der KPÖ nung 15.4.1947), Liebknechtgasse (16, u.a. durch ihr Engagement im Öster - 1927 bzw. Rückbenennung 21.1.1953), reichischen Friedensrat verbunden. 79 Clara-Zetkin-Gasse (22, 18.10.2004), Am 7. Oktober 2008 wurde der Platz Bert-Brecht-Platz (3, 7.10.2008), Klara- beim U-Bahn-Ausgang/Abgang U3 In - Blum-Gasse (22, 2.12.2008) und Doris- nere Mariahilfer Straße in Christian- Lessing-Allee (22, 5.6.2018). Broda-Platz benannt. Der Jurist DDr. Christian Broda (1916–1987) war Anmerkungen: Rechtsanwalt, Abgeordneter zum Natio - 1/ Vgl. detailliert Peter Autengruber: Lexikon der nalrat für die SPÖ (1962–1983) und Jus - Wiener Straßennamen. Bedeutung. Herkunft. tizminister (1960–1966 und 1970–1983). Frühere Bezeichnungen. Wien 2019, S. 9–15. Broda gehörte bis Sommer 1945 der 2/ Ebd., S. 11f. (Stand 1.1.2019). KPÖ an. 80 Wegen aktiver Beteiligung in 3/ Wolfgang Neugebauer: Der österreichische Toni Lehr (1907–1997) den Februarkämpfen 1934 wurde er we - Widerstand 1938–1945, in: Opferschicksale. gen „kommunistischer Betätigung“ in - Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialis - seine Erzählungen und Gedichte fanden haftiert. Broda war Soldat in der deut - mus. 50 Jahre Dokumentationsarchiv des öster - Platz in von der Partei herausgegebenen schen Wehrmacht und wurde verdächtigt, reichischen Widerstandes. Wien 2013, S. 243. Zeitungen. Kurz nach seinem Austritt der kommunistischen Widerstandsgruppe 4/ Gemeinderat. Öffentliche Sitzung vom 11. Ju - aus der KPÖ trat er als Bibliothekar in „Der Soldatenrat“ anzugehören. Am ni 1946, in: Amtsblatt der Stadt Wien , 51. Jg., den Dienst der Städtischen Büchereien, 1. Juni 1943 wurde er verhaftet, am 9. Ju - Nr. 22/23, 26.6.1946, S. 1–6, hier S. 5. 1952 wurde er – vorwiegend aus wirt - ni 1943 der Gestapo überstellt und am 5/ Österreichische Volksstimme , 23.10.1945, schaftlichen Gründen – Mitglied der 21. August 1943 wegen „Nichtanzeigens S. 3. Da Nachweise über Verkehrsflächenbenen - SPÖ. Ein aktives Engagement in der eines hochverräterischen Unternehmens“ nungen erst ab 1946 vorhanden sind, konnten im SPÖ blieb aus. 76 zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er Wiener Stadt- und Landesarchiv keine Unter - Am 16. Mai 2000 wurde die Verbin - blieb bis 31. August 1943 in Haft. lagen zu dieser Benennung gefunden werden. dung zwischen Cottagegasse und Har - Wenig bekannt ist das kurzzeitige En - 6/ Heinz Arnberger/Herbert Exenberger/Claudia täckerstraße im 19. Bezirk nach der gagement des späteren Bürgermeisters Kuretsidis-Haider: Gedenken und Mahnen in Schauspielerin Marianne Schönauer Helmut Zilk (1927–2008) in der KPÖ. Wien, in: Gedenken und Mahnen in Wien 1934– (1920–1997) in Marianne-Schönauer- Zilk gehörte seit dem April 1945 sowohl 1945. Gedenkstätten zu Widerstand und Verfol - Gasse benannt. Sie hatte während der der KPÖ-Vorfeldorganisation Freie gung, Exil, Befreiung. Eine Dokumentation. Zeit der NS-Herrschaft als „Halbjüdin“ Österreichische Jugend (FÖJ) als auch Wien 1998, S. 284 und 290. Berufsverbot und schlug sich mit Gele - der KPÖ an, u.a. als Sportreferent der 7/ Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), genheitsarbeiten durch. Ihre Karriere als Bezirksleitung Josefstadt. 81 Eigenen MA 7-1263/47 v. 9.5.1947 bzw. Zl. 30/47 v. Schauspielerin und später auch als Angaben zufolge trat Zilk 1946 wieder 6.5.1947. Schlagersängerin begann erst nach 1945. aus der Partei aus. Der am 1. Dezember 8/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 465. Sie trat am 6. Juni 1945 der KPÖ bei, 77 2009 benannte Helmut-Zilk-Platz 9/ WStLA, MA 7-570, 571/49 v. 19.2.1949 bzw. es ist aber nicht feststellbar, wie lange sie gegenüber der Albertina ist eine Zuord - Zl. 18, 19/49 v. 15.2.1949. Mitglied der KPÖ war. Wohl aber trat sie nung zur Wirkungsstätte der geehrten 10/ Autengruber: Lexikon, S. 223. zum Beispiel im Jahr 1951 als Chan - Person: Zilk hatte gegen den Widerstand 11/ Peter Schwarz: „Der Schutz Volksgemein - sonsängerin am Volksstimmefest 1951 mancher Medien das Denkmal gegen schaft fordert deshalb die Ausmerzung des An - auf und war im KPÖ-nahen Bund demo - Krieg und Faschismus des Bildhauers geklagten.“ Die jüdischen Opfer der NS-Straf - kratischer Frauen engagiert. Schönauer Alfred Hrdlicka politisch verteidigt; der justiz und ihre Hinrichtung in der Strafvollzugs - war mit dem Regisseur und Theater - Platz liegt unmittelbar davor. anstalt beim Land(es)gericht Wien, in: Wiener direktor Gustav Manker (1913–1988) Am 3. Juni 2013 wurde der Erich- Geschichtsblätter , 74. Jg. (2019), Nr. 1, S. 27– verheiratet, der 1945 ebenso kurzzeitig Fried-Weg in der Donaustadt benannt. 77, hier S. 72f. der KPÖ angehörte. 78 Der Schriftsteller, Journalist und Über - 12/ WStLA, MA 7-570, 571/49 v. 19.2.1949 bzw. Am 21. Februar 2006 wurde die Herma - setzer Erich Fried (1921–1988) trat 1940 Zl. 18, 19/49 v. 15.2.1949. Bauma-Gasse in Erdberg benannt. Die in London der Exilorganisation Young 13/ Walter Farthofer: Tramway-Geschichte(n). Sportlerin Herma Bauma (1915–2003) und später auch dem Kommunis - Wiener Straßenbahner im Kampf gegen den grü - gewann 1948 die Goldmedaille im tischen Jugendverband bei. Letzteren nen und braunen Faschismus. Wien 2012, S. 434f. Speerwurf bei den Olympischen Spielen verließ er aber wegen der von ihm kriti - 14/ Manfred Mugrauer: „Soldat der gerechten in London. Nach ihrer aktiven Karriere sierten stalinistischen Tendenzen schon Sache“. Zum 100. Geburtstag der kommunisti - war sie Leiterin des Sportzentrums Süd - 1943. Bei Young Austria war Fried schen Widerstandskämpferin Hedy Urach, in: stadt (1967–1977). Bauma gehörte der Bibliothekar, und er nutzte die Medien Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft , KPÖ zwar nicht als Mitglied an, war der Jugendorganisation für die erste Ver - 17. Jg. (2010), Nr. 3, S. 9–21. aber zwischen 1948 und 1952, also am öffentlichung von Gedichten. 82 15/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 305. Höhepunkt ihrer Karriere, eng mit der Abschließend seien noch jene Ver - 16/ WStLA, MA 7-570, 571/49 v. 19.2.1949 bzw. Partei verbunden, u.a. als Angestellte des kehrsflächen in Wien aufgelistet, die Zl. 18, 19/49 v. 15.2.1949.

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17/ WStLA, MA 7-2576/50 v. 20.9.1951 bzw. Viktor Matejkas KPÖ-Mitgliedschaft im Span - Österreichische Bibliothekarinnen auf der Zl. 89/51 v. 20.9.1951. nungsfeld von Konflikt und Freiraum , in: Zeit - Flucht. Verfolgt, verdrängt, vergessen? Wien 18/ Marie Tidl: Die Roten Studenten. Dokumen - geschichte , 32. Jg. (2005), Nr. 6, S. 371–398. 2008 (biografiA. Neue Ergebnisse der Frauen - te und Erinnerungen 1938–1945. Wien 1976 45/ https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erl% biografieforschung, Bd. 4), S. 169–212. (Materialien zur Arbeiterbewegung, Bd. 3), C3%A4uterungstafel_Hermine-Jursa-Gasse 68/ http://wien.kpoe.at/article.php/200705081 - S. 55 und 240ff. [6.11.2019]. 00300458 [21.11.2019]. 19/ Österreichische Volksstimme , 22.9.1945, S. 3. 46/ Hermine Jursa hieß zum Zeitpunkt ihrer Ver - 69/ Magistratsakte MA 7-31646/18, Schreiben 20/ Johannes Mario Simmel: Wir heißen euch haftung Hermine Huber und wohnte in der Erd - der MA 21 an die Bezirksvorstehung Donau - hoffen. München 1997, S. 147–156; Stephanie bergstraße 49. Vgl. Helga Amesberger/Brigitte stadt, 20.7.2017. Carla de la Barra: „Das Verbrechen ohne Recht - Halbmayr (Hg.): Vom Leben und Überleben – 70/ Magistratsakte MA 7-166477/18 (Bruha), fertigung“. Mord an Uni-Assistenten: Der Straf - Wege nach Ravensbrück. Band 2: Lebensge - MA 7-168 681/18 (Wander). prozess gegen Jörn Lange im September 1945 schichten. Wien 2001, S. 126. 71/ Antonia Bruha: Ich war keine Heldin. Wien und die Erinnerungspolitik der Universität Wien. 47/ Mali Fritz/Hermine Jursa: Es lebe das Leben! 1984; Amesberger/Halbmayr: Vom Leben und Wien 2018, S. 11 und 107. Tage nach Ravensbrück. Wien 1983; Karin Ber - Überleben, S. 33–41. 21/ WStLA, MA 7-406/54 v. 28.5.1954 bzw. ger u.a.: Ich geb dir einen Mantel, daß du ihn in 72/ Magistratsakte MA 7-419485/19 v. 9.5.2019 Zl. 50/54 v. 19.5.1954. Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Öster - bzw. MA 7-1001200/18. 22/ http://www.doew.at/result?id=652091&cat=1 reichische Frauen erzählen. Wien 1987, S. 271. 73/ Berger u.a.: Ich geb dir einen Mantel…, S. 199f. [7.10.2019]. 48/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 328. 74/ Magistratsakte MA 7-418309/19 bzw. MA 7- 23/ WStLA, MA 7-570/49 v. 14.2.1949, MA 7- 49/ Hans Landauer (unter Mitarbeit von Erich 42963 v. 19.5.2019. 3314/55 v. 14.12.1955 bzw. Zl. 236/55 v. Hackl): Lexikon der österreichischen Spani - 75/ https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Her - 7.12.1955 . enkämpfer 1936–1939. Wien 2008, S. 179. mi_Hirsch; https:/www.meinbezirk.at/meidling/c- 24/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 466f. 50/ Brigitte Halbmayr: Zeitlebens konsequent – lokales/ein-graetzel-im-zeichen-der-frauen_a29 25/ WStLA, MA 7-3589/56 v. 10.11.1956 bzw. Hermann Langbein. Eine politische Biographie. [23.11.2019]; Stichwort . Newsletter, Nr. 48/2019. Zl. 267/56 v. 7.11.1956. Wien 2012. Oktober 2019 bis Februar 2020, S. 11. 26/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 465f. 51/ Magistratsakte MA 7-3.12.2004 bzw. 76/ Helmut Rizy: Gerhard Fritsch und die KPÖ, 27/ WStLA, MA 7-3353/59 v. 29.1.1960 bzw. Zl. 05682/2004. in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft , Zl. 277/59 v. 20.1.1960. 52/ Magistratsakte MA 7-3.12.2004 bzw. 20. Jg. (2013), Nr. 3, S. 23–25. 28/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 433. Zl. 05683/2004. 77/ ZPA der KPÖ, Marianne Schönauer-Schiffe - 29/ WStLA, MA 7-3351/63 v. 28.11.1963 bzw. 53/ Erich Hackl: Die Hochzeit von Auschwitz. res: Fragebogen zur Aufnahme in die KPÖ, Zl. 232/63 v. 20.11.1963. Eine Begebenheit. Zürich 2002. 6.6.1945. 30/ Manfred Mugrauer: Ernst Burger (1915– 54/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 204. 78/ Paulus Manker: Spurensuche Vater, Büh - 1944). Funktionär des Kommunistischen Jugend - 55/ Ebd., S. 255. nenbildner, Regisseur, Prinzipal. Wien 2010 verbandes und führendes Mitglied der „Kampf - 56/ Berger u.a.: Ich geb dir einen Mantel..., (Bilder aus dem Theaterleben, Bd. 6), S. 232. gruppe Auschwitz“, in: Dokumentationsarchiv S. 203–206, 280f; Amesberger/Halbmayr: Vom 79/ Manfred Mugrauer: „Steht vollkommen auf des österreichischen Widerstandes (Hg.): Feind - Leben und Überleben, S. 26, 128-130. unserer Linie…“. Die Speerwurf-Olympiasiege - bilder. Jahrbuch 2015. Wien 2015, S. 191–228. 57/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 233f. rin Herma Bauma und die Kommunistische Par - 31/ WStLA, MA 7-1410/68 v. 5.12.1968 bzw. 58/ Weinert: „Mich könnt ihr löschen…“, S. 108. tei Österreichs, in: Mitteilungen der Alfred Klahr Zl. 380/68 v. 19.11.1968. 59/ Magistratsakte MA 7-27/12; Rathauskorres- Gesellschaft , 21. Jg. (2014), Nr. 4, S. 17–26. 32/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 83f. pondenz v. 28.2.2012. 80/ Christian Brodas Brief an das ZK der KPÖ 33/ WStLA, MA 7-255/69 v. 3.12.1969 bzw. 60/ Michaela Zehetner (Hg.): Nicht stillhalten, vom 11. August 1945, in: Mitteilungen der Alfred Zl. 393/69 v. 21.10.1969. wenn Unrecht geschieht. Die Lebenserinnerun - Klahr Gesellschaft , 6. Jg. (1999), Nr. 2, S. 8. 34/ Willi Weinert: »Mich könnt ihr löschen, aber gen von Agnes Primocic. Salzburg 2004. 81/ Manfred Mugrauer: „[…] arbeite ich […] nicht das Feuer«. Ein Führer durch den Ehren - 61/ https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Sch - ganztägig am Wiederaufbau der KPÖ mit“. Eine hain der Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof %C3%BCtte-Lihotzky-Weg [6.11.2019]. Episode aus dem Leben von Helmut Zilk, in: für die hingerichteten WiderstandskämpferIn - 62/ Margarete Schütte-Lihotzky: Erinnerungen Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft , nen. Wien 2004, S. 68f. aus dem Widerstand 1938–1945. Hamburg 14. Jg. (2007), Nr. 3, S. 22–23, hier S. 22. 35/ WStLA, MA 7-632/88 bzw. Zl. 349/88 v. 1985; dies.: Warum ich Architektin wurde, hg. 82/ Sonja Frank (Hg.): Young Austria. Österrei - 13.10.1988. von Karin Zogmayer. Salzburg 2019. cherInnen im britischen Exil 1938–1947. Für ein 36/ WStLA, MA 7-630/88 bzw. Zl. 350/88 v. 63/ Otto Tausig: Kasperl, Kummerl, Jud. Eine freies, demokratisches und unabhängiges 13.10.1988. Lebensgeschichte. Wien 2005, S. 54 und 122. Österreich. Wien 2014 (2. erweiterte Auflage), 37/ WStLA, MA 7-628/88 bzw. Zl. 387/88 v. 64/ Clara Fritsch: Rollenwechsel. Identitäts - S. 185–194. 10.11.1988. kons truktion im antifaschistischen Widerstand 38/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 161 und 439f. skizziert am Beispiel von Ida und Moritz Margu - Peter Autengru - 39/ Ebd., S. 33f. und S. 446f. lies, in: Helmut Kramer/Karin Liebhart/Friedrich ber: Lexikon der 40/ Ebd., S. 323. Stadler (Hg.): Österreichische Nation – Kultur – Wiener Straßen - 41/ Ebd,, S. 93. Exil und Widerstand. Im memoriam Felix Kreis - namen. Bedeu - 42/ Magistratsakte MA 7-2846/96 v. 11.4.1997. sler. Wien 2006 (Emigration – Exil – Kontinuität, tung. Herkunft. 43/ Manfred Mugrauer: „Noch nie hat sich mein Bd. 6), S. 189–196. Frühere Bezeich - Papierkorb derart rasch gefüllt...“. Mira Lobes Kin - 65/ Gedenken und Mahnen in Wien, S. 161 und 428. nungen. Wien: derbücher in den kommunistischen Verlagen „Glo - 66/ Autengruber: Lexikon, S. 97. Verlag Wunder - bus“ und „Schönbrunn“, in: Mitteilungen der Alfred 67/ Barbara Kintaert: Vertrieben und verges - garten 2020 (11. Klahr Gesellschaft , 20. Jg. (2013), Nr. 3, S. 17–22. sen? Bibliothekarinnen in der Kinderfreunde- Auf lage), 352 S., 44/ M anfred Mugrauer: „Angelegenheit Matejka“. und Arbeiterbewegung, in: Ilse Korotin (Hg.): 21,90 Euro

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Die Griechen im Zuchthaus Stein Versuch einer Bestandsaufnahme robert Streibel ie Griechen und Stein: Auf den nommen, aber auch Vertreter der Grie - den, die hier in Krems auf dem Opfer - ersten Blick eine sonderbare Ver - chischen Gemeinde Wien, Künstler, Wis - altar der Freiheit gefallen sind, indem sie Dbindung. Was haben Griechen senschaftler und Studenten – das Fein - einen tragischen Tod starben. Als Ehr - mit Stein zu tun? Ohne die Griechen wä - ste, das Gewissenhafteste, das Beste, was erbietung und Bewunderung dieser freien re die Geschichte des Massakers am das griechische Element vorzuweisen hat Seelen haben die griechischen Anti- 6. April 1945 im Zuchthaus Stein viel - – sowie viele Leute aus Krems und Stein, faschisten Wiens dieses schlichte und leicht nicht in der Erinnerung der Öffent - darunter auch der Bürgermeister und die würdevolle Grabdenkmal aufgestellt. lichkeit geblieben, sicherlich gäbe es Vertreter der drei politischen Parteien Dieses Denkmal wird in Zukunft die Ein - kein öffentliches Gedenken unmittelbar Österreichs sowie der sowjetischen wohner sowie die Fremden daran erin - vor den Toren der Haftanstalt. Mit dem Kommandantur von Krems. nern, dass einige politische Häftlinge jüngst erschienenen Buch von Antonis Der Arzt Th. Spanoudis, Generalse - aus Griechenland, eingesperrt aber frei Sanoudakis mit dem Titel „Widerstand in kretär der Griechischen Antifaschisti - in der Seele, gleich den freien Belager - Griechenland und Stein. Die Geschichte schen Organisation Wien, hielt seine Re - ten, dem Schrecken des Faschismus tap - von Nikos Mavrakis“ schließt sich der de auf Deutsch. Mit sehr rührenden Wor - fer die Stirn boten. Diese Griechen sind Kreis. Das zunächst in Griechenland echte Vertreter der griechischen Seele, herausgegebene Buch, das ich übersetzen sie sind die lebende Geschichte des neu - ließ und mit einem Kommentar versehen en Griechenlands. Keine böswillige Ab - habe, ist ein bemerkenswertes Dokument sicht kann nun, nach dem erwiesenen über die Geschichte der Häftlinge in Heldenmut der griechischen jungen Leu - Stein, liegt doch nun die bislang umfang - te von Stein, den Namen der Griechen reichste Schilderung über den Alltag im hier in der Fremde beflecken. Deshalb Zuchthaus an der Donau vor. haben wir uns alle, Fremde und An - Für viele Jahre war das Denkmal vor gehörige, heute hier mit Gefühlen des der Justizanstalt Stein das einzige sicht - Stolzes, der Bewunderung und des Res - bare Zeichen für das Massaker. Errichtet pekts versammelt, um uns den helden - wurde es am 24. August 1946 vom Anti - mütigen Gestalten zu stellen und die hel - faschistischen Griechischen Komitee . denhaften Schatten, die in diesem Augen - Neben kurzen Notizen in den Tageszei - blick wie eine heilige Prozession an uns tungen Neues Österreich und Kurier wur - vorbeimarschieren, mit den unverwelk - de auch in der Zeitschrift des Antifaschi - lichen Blumen der Ehre und der Dank - stischen Griechischen Komitees ein län - barkeit zu krönen und ihnen zu sagen: gerer Artikel über die Einweihungsfeier Heldenmütige Brüder, eure Erinnerung veröffentlicht. Da es sich dabei um ein wird ewig in unseren Herzen bleiben!“ außergewöhnliches Dokument handelt, Zuletzt sprach auch der sowjetische sei es hier zur Gänze zitiert. 1 Dem Artikel ten, voll Patriotismus, beschrieb er den Kommandant von Krems, der in seiner vorangestellt sind Gedichtzeilen von Heldenmut und die Ausdauer der Opfer schönen, kurzen Rede „an die ehrwürdi - Lorentzos Mavilis: „Nicht nur die Mara - der tragischen Geschehnisse vom 5. und gen Vertreter der edlen Griechischen thonkämpfer / Haben dich gepriesen, Va - 6. April 1945 und wies auf die Pflichten Nation“ betonte, dass man aus dem Bei - terland! / Dich haben Leonidas und seine hin, die die heldenhafte Opferung so vie - spiel dieser Helden, sowie so vieler an - Dreihundert / Nicht alleine gepriesen.“ ler junger griechischen Leute hier, in der derer griechischer Patrioten, Opfer des Die Enthüllung des Denkmals der grie - Fremde, uns Griechen für die Freiheit Faschismus, lernen soll und dass dies als chischen Faschismus-Opfer in Stein und die Selbstständigkeit unserer Heimat ein Beginn eines demokratischen und Am Samstag, den 24. August 1946 um auferlegt hat. Seitens der österreichi - freien Griechenlands dienen müsse. 11 Uhr hat in Krems eine Enthüllung in schen Behörden sprach der Bürgermei - Unter den Klängen unserer National - rührender Stimmung, mit Bescheidenheit ster von Krems, der im Namen seiner hymne enthüllten zwei Mitglieder unserer und Schönheit stattgefunden, nämlich die Mitbürger den 150 griechischen Patrio - Organisation das Denkmal. Die hübsche Enthüllung des Denkmals, das von der ten Ehre erwies und das Denkmal offiziell patriotische Feier wurde mit einem klei - Griechischen Antifaschistischen Organi - in Verwahrung der Stadt Krems nahm, nen griechischen Fest im Theater von sation Wien dort aufgestellt worden ist, mit dem Versprechen, „es den nachkom - Krems abgeschlossen. Unsere feinen zur Ehre der 150 griechischen Anti- menden Generationen als ein Sinnbild Künstler der Wiener Oper, Frau Elena faschisten, politischen Häftlingen, die des internationalen antifaschistischen Nikolaidou und Herr V. Kosmas, sangen am 6. April 1945 im Zuchthaus Stein von Kampfs unversehrt weiterzugeben“. griechische patriotische Volkslieder. Zwei der SS und den Beauftragten der Gesta - Professor G. Laios sprach auf Grie - Tänzerinnen aus Griechenland, die die po ermordet wurden. An dieser würde - chisch. „Seit dem vorjährigen Frühling Chladek-Ausbildungsstätte besuchen, vollen Feier haben über 150 griechische sind weitere 150 Griechen ins Pantheon führten gemeinsam mit einem griechi - Mitglieder unserer Organisation teilge - der Unsterblichen aufgenommen wor - schen Künstler griechische Nationaltänze

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auf. Der griechische Pianist Herr Mexis Dass Garnelis in Stein inhaftiert f a g sowie die Wiener Tänzerin und Tanzlehre - war und er das Massaker überlebt n a M rin A. Berga nahmen ebenfalls mit ihrem hatte, wusste man in Krems (zu - k c i künstlerischen Beitrag an der Feier teil. mindest manche), doch es dauerte N einige Jahrzehnte, bis er das erste Gerasimos Garnelis und Krems Mal öffentlich über seine Ge - Eine zentrale Figur bei diesem Geden - schichte sprach. Bereits im Jahr ken war Gerasimos Garnelis (1921– 1955, also zehn Jahre nach dem 1999), der mehr als 50 Jahre in Krems Massaker, war in der KPÖ-Zeitung lebte. Angekommen war er in der Stadt Volksstimme ein Bericht über ihn an der Donau im Frühjahr 1944 in einem erschienen, in dem jedoch sein Viehwaggon. Das nationalsozialistische voller Name nicht genannt wurde. Regime hat sich bis zum Schluss die „Vielleicht am erschütterndsten ist Mühe gemacht, die Unbeugsamen und das Schicksal einer Gruppe von die Opfer mit viel bürokratischem Auf - griechischen Widerstandskämp - wand durch halb Europa zu verfrachten, fern. Einer der Überlebenden, Ger - um sie nur einem Ziel zuzuführen: sie zu asimos G., ein junger Mann, der vernichten. Die Chancen für die Zukunft als 19jähriger Partisan im Jahr standen in diesem Frühjahr schlecht. 1942 von den Deutschen verhaftet Doch für einen, der bereits einmal zum und zwei Jahre später nach Stein Tode verurteilt worden war, war selbst überstellt wurde, und der noch im - dieses Leben ein Geschenk. Garnelis mer nicht in seine von den Faschi - kämpfte mit der Waffe in der Hand in sten terrorisierte Heimat zurück - seiner Heimat Griechenland, nachdem kehren konnte“, schrieb Susanne das Land von deutschen Truppen besetzt Wantoch in ihrem Beitrag. 2 Zehn worden war. Er wirkte an Sabotageakten Jahre später berichtete Garnelis und der Zerstörung von deutschen Bom - erstmals mit vollem Namen über Gerasimos Garnelis in Hadersdorf 1996 bern mit. Er war, wie viele Tausende an - seine Geschichte. Im 1965 in der dere auch, der Meinung, dass für eine Volksstimme erschienenen Beitrag war er Richtung Haupttor, ich habe gehört, Verurteilung der Unmenschlichkeit nicht als „einer der wenigen, die das Massaker dass jemand zu mir sagt: ,Zurück!‘ Ich auf ein fernes Gericht zu warten sei. Er von Stein überlebt haben“, auch auf habe das nicht verstanden, ich habe mir wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und einem Foto zu sehen. 3 gedacht, wir sind frei, ich will hinaus, hat doch überlebt, interniert auf einer 30 Jahre später, im Zuge der Gedenk - ich habe dann immer mehr Schüsse Gefangeneninsel in der Ägäis. In einem veranstaltung „386“ im April 1995, die gehört. Plötzlich habe ich dann Soldaten Viehwaggon kam er nach Stein. Das ich gemeinsam mit dem Verein B-pro - hereinlaufen gesehen, da habe ich dann Konzentrationslager Mauthausen, in dem ject und dem Regisseur Gerald Buchas gewusst, da stimmt was nicht. Da hat viele Griechen ermordet wurden, blieb am Platz vor der Strafanstalt in Erinne - dann einer auch schon geschrien: ,SS, ihm erspart. rung an die 50. Wiederkehr des Massa - SA!‘ Draußen haben sie richtig geschos - Gerasimos Garnelis überlebte das kers organisierte, sprach Garnelis erst - sen. Ich war plötzlich bewusstlos, nach Massaker, das SS, SA-Männer und mals öffentlich und vor laufender Kame - einer Zeit, ich weiß nicht, wie lange, bin Wehrmachtssoldaten am 6. April 1945 ra über sein Leben. 386 Kreuze standen ich munter geworden. Im Gesicht, in der an den Häftlingen des Zuchthauses Stein für einige Wochen mit den Namen und Hand, auf dem Kopf, ich war von mehre - verübten, in einem Berg von Leichen. Daten der Opfer rund um die Strafvoll - ren Schüssen getroffen. Ich machte die Nach der Befreiung konnte er wegen des zugsanstalt, hinter jedem Kreuz stand Augen auf, da haben sie mich gebrannt, blutigen Bürgerkriegs in Griechenland ein/e Schüler/in. Zehn SchauspielerInnen es war alles voll Blut. Da habe ich ge - nicht mehr zurück in seine Heimat und sprachen Erinnerungen von Häftlingen, wusst, da stimmt was nicht, das können blieb in Krems. Er half mit bei der Verei - Opfern und Zeitzeugen auf offener doch nicht die Befreier sein. Ich mache nigung der griechischen Landsleute im Straße. Der Schauspieler Ottokar Lehr - dann wieder die Augen auf und sehe die Griechischen Antifaschistischen Komitee ner war an diesem Tag Gerasimos Gar - SS herumlaufen und weiterschießen, mit in Österreich. Er war es auch, so berich - nelis: „Den 6. April werde ich nie ver - Maschinenpistolen. Ich bin liegengeblie - tete er in mehreren Interviews, der für gessen, alles kann man vergessen, das ben, wahrscheinlich drei, vier Stunden das erste Denkmal gesorgt hatte. Garne - aber nicht, dieser Tag ist nicht so schnell gelegen, die haben nicht mehr so wild lis organisierte in Krems Kulturveran - zu vergessen. Ich bin etwas marod gewe - geschossen, aber einzelne Schüsse hat staltungen, brachte die erste Opern - sen, ich habe Fieber gehabt, ich hatte man noch gehört, manchmal auch Schüs - aufführung in den Brauhofsaal, veran - mich verkühlt, denn wir hatten nur Holz - se etwas weiter weg. Dann kommen zwei staltete Boxturniere, Bälle und Konzerte. pantoffeln und keine Strümpfe gehabt, Griechen zu mir, der eine nimmt mich Man kann ihn ein „Original“ der Stadt nur so Fetzen, so sind wir im Schnee ge - bei der Hand, der andere am Fuß und sie nennen. Als er an das Sterbebett seiner gangen. Das war so Mittag, ich bin Rich - schleppen mich weg. Die haben mich Mutter in Korfu eilte, wurde er während tung Haupttor gegangen, ich bin bei dem ganz einfach auf diesen Haufen gewor - der Militärdiktatur in den 1970er Jahren einen Tor rausgegangen, da habe ich fen. Die haben gesagt: ,Pass auf, damit noch einmal verhaftet, und es dauerte plötzlich einen Schuss gehört. Ich habe du nicht erstickst, wir legen nur zwei To - lange, bis österreichische diplomatische sofort nur einen Gedanken gehabt, dass te über dich, mehr können wir nicht ma - Vertreter sich für ihn einsetzten. der Russe da ist. Ich bin weitergegangen, chen. Wenn du schreist, so merken das

1/20 14 Beiträge genüber dem Unschwer zu identifizieren ist die griechischen Geschichte von Gerasimos Garnelis, der Antifaschisten im Ro man als Kostas Genidis auftritt. Im und Kommu - Vorwort zum Roman ist auch ein Pro - nisten weit gramm für die Zukunft festgelegt: „Mit verbreitet war. der Fertigstellung des Romans werden Niemand fühl - die Geschichten festgeschrieben, dies be - te sich zustän - deutet jedoch nicht das Ende der Ge - dig. Es waren schichte. Nach jeder Diskussion, öffent - zwei Pres - lichen Intervention oder Gedenkaktion seaussendun - meldeten sich Personen, die Hinweise auf gen und Be - das eine oder andere Detail parat hatten. richte in Zei - So hoffe ich, dass auch dieser Roman ei - tungen und ne ähnliche Wirkung hat. Die Geschichte Radio notwen - der griechischen Antifaschisten und dig, bis der Widerstandskämpfer muss ebenso noch Bürgermeister geschrieben werden wie das Schicksal Der 2015 benannte Gerasimos-Garnelis-Weg in Stein der Stadt, der Häftlinge anderer Nationalitäten.“ Franz Hölzl, Parallel zum Roman konnte ich die die SSler, die erschießen dann alle.‘ Die „ein Machtwort“ sprach und Garnelis ein Verantwortlichen in der Stadt Krems zwei haben geglaubt, dass sie nach ihrer „Stadtbegräbnis“ mit einem schlichten überzeugen, eine Verkehrsfläche neben Arbeit auch erschossen werden. Dann ist Fichtensarg bekam. Zu Lebzeiten war es der Justizanstalt Stein nach Gerasimos eine andere Partie gekommen, die haben zu keiner offiziellen Ehrung von Garne - Garnelis zu benennen, was im April wieder Tote auf mich geschmissen, wie lis durch die Stadt Krems und das Land 2015 tatsächlich geschah. Mit der viele, das weiß ich nicht. Weil ich echte Niederösterreich gekommen. „Drei Wo - Benennung einer Gasse ohne zusätzliche Schmerzen gehabt habe, ich habe nicht ch en vor seinem Tod traf vom Land Nie - Informationen erschließt sich die dahin - schreien dürfen, habe ich die Hand des derösterreich die Mitteilung ein, dass eine ter liegende Geschichte jedoch nur dann, Toten genommen und habe hineingebis - Ehrung für Garnelis ohne Angabe von wenn die BetrachterInnen Geduld und sen, ich habe das ganze Fleisch der Gründen verweigert wird. Zum Glück hat Zeit aufwenden und womöglich im Inter - Hand einfach durchgebissen. Dann habe er das nicht mehr erleben müssen“, so net zu recherchieren beginnen. Nachdem ich auch gehört, wie sie gesagt haben, Vizebürgermeister Ewald Sacher, der als ich einen Entwurf für eine Zusatztafel jetzt müssen wir das ausschaufeln und einziger offizieller Vertreter der Stadt formuliert und ins Englische und Grie - dann werfen sie uns hinein. Dann ist es zum Begräbnis gekommen war. Rote chische übersetzen ließ, wurde mir von finster geworden.“ Nelken auf dem einfachen Sarg, Kränze Seiten der Stadt mitgeteilt, dass dies Gerasimos Garnelis war damals unter des Fußballclubs 1. FC Stein, dessen Prä - nicht ins Erscheinungsbild passen würde. den Zuhörern, und plötzlich war er der sident Gerasimos war, rote Gerbera von Wenige Wochen später ließ ich zwei elfte Mann und berichtete selbst über der KPÖ, Kränze von Freunden, ein Lied Tafeln anfertigen, natürlich mit dem sein Leben. Vom ORF Niederösterreich von Mikis Theodorakis und Maria Faran - Logo der Stadt Krems, und ließ die Ta - wurde er für einen Filmbericht vor die touri. Das offizielle Griechenland nahm feln in Eigenregie anbringen. Kamera geholt. Dies sollte der einzige Abschied von einem Patrioten: Der Die Erinnerung an Garnelis spielte filmische Bericht dieses Zeitzeugen blei - Metropolit und der Konsul waren mit ei - auch in der Niederösterreichischen Lan - ben. Ein Jahr später war das Augenmerk ner Delegation nach Krems gekommen, desausstellung „Alles was Recht ist“ im auf Hadersdorf gerichtet, wo am 7. April der Bruder war aus Korfu angereist. Zu - Jahr 2017 eine Rolle. Im dortigen Raum, 1945 ebenfalls ein Massaker stattgefun - dem kamen mehrere Dutzend Kremser an der dem Massaker im Zuchthaus Stein den hatte und 61 Häftlinge exekutiert diesem eisigen Märztag auf den Friedhof gewidmet war, konnte nicht nur ein Aus - worden waren. Da es für diese Opfer zu in Stein. Das Grab von Garnelis liegt schnitt aus dem Interview mit ihm gehört diesem Zeitpunkt kein Gedenken auf ganz in der Nähe des Massengrabs der werden, sondern es waren auch die dem Friedhof gab, organisierte ich ge - 386 Opfer des Massakers. Kranzschleifen seines Begräbnisses zu meinsam mit Gerald Buchas eine Lesung sehen, die der Verfasser Monate nach der aus den Totenprotokollen, die Gerasimos Ein Roman und eine Zusatztafel Beerdigung vom Grab entfernte und auf - Garnelis vornahm. Nick Mangafas, ein Erst 2015 konnte ich den Roman über bewahrte. Zuletzt wurde 2018 mit der australischer Fotograf mit griechischen das Massaker, mit dem ich bereits 1995 von der Künstlerin Ramesch Daha ge - Wurzeln, schuf ein eindrucksvolles Por - begonnen hatte, fertigstellen. 4 Die Basis stalteten Gefängnismauer auf einer Län - trät, auf dem Garnelis seine Erkennungs - dafür waren rund 20 Interviews, die ich ge von 80 Metern ein weithin sichtbares marke von Stein in die Kamera hält. mit ehemaligen politischen Häftlingen Zeichen gegen das Vergessen gesetzt. Die positiven Reaktionen auf die Be - geführt und durch Recherchen über eini - Um das Verhältnis der Griechen und richte waren für Garnelis so etwas wie ge Opfer des Massakers ergänzt hatte. Stein begreifbar zu machen, genügt es eine zweite Verleihung der Staatsbürger - Ich entschloss mich dazu, die Namen nicht auf den Zufall zu warten, daher ent - schaft, er fühlte sich erstmals akzeptiert. aller Beteiligten, Opfer wie Täter, zu schloss ich mich, mit Hilfe von Nick Dass er 1999 verarmt starb und niemand ändern, um auf diese Weise eine gewisse Mangafas nach Namen im griechischen sein Begräbnis übernehmen wollte, war Distanz zu schaffen. Um nicht noch Telefonbuch zu suchen, die den Namen jedoch ein weiteres Beispiel der Ig - mehr Akteure zu schaffen, hatte ich auch der 299 Häftlinge entsprachen, die aus noranz, die in seiner Heimatstadt ge - einige Biografien zusammengezogen. dem Eingangsbuch der Zuchthauses

1/20 Beiträge 15 Stein für das Jahr 1944 erfasst werden Das Eingangsbuch des Zuchthauses, zur Befreiung. Bei meinen Recherchen konnten. Nick sammelte insgesamt 400 das in der Justizanstalt Stein aufbewahrt in den 1980er Jahren konnte ich zwei Adressen, an die wir ein Schreiben ver - wird, gibt darüber Auskunft, dass Nikos weitere Häftlinge ausfindig machen, die schickten. Parallel dazu schaltete ich Mav rakis am 19. Mai 1944 nach Stein ebenfalls verwundet in Stein überlebt Werbeanzeigen in Facebook, und siehe kam. Die folgende, auf diesem Index - hatten. Es waren dies der Bergarbeiter da – es trudelten einige Antworten ein. buch beruhende Statistik betrifft die Zeit Karl Maria Amreich (damals Klein- Eine davon von Antonis Sanoudakis, der zwischen April 1944 und April 1945: Ab Gaisfeld in der Steiermark) und Max mich daraufhin auf die von ihm im Jahr April 1944 wurden zumindest 303 Grie - Hoffmann (Berlin/DDR), jener deutsche 1984 aufgezeichnete Geschichte von chen in das Zuchthaus Stein gebracht. Häftling, von dem auch Mavrakis Nikos Mavrakis aufmerksam machte. Die Liste der Häftlinge wurde an Hand schreibt, dass er durch mehrere Schüsse der Gefängnisbücher zusammengestellt. im Gesicht verletzt wurde. Der tschechi - Wer waren die Griechen im Die insgesamt 50 Transporte begannen sche Häftling mit dem Namen Jaro, der Zuchthaus Stein? am 13. April 1944 und endeten am 13. in der Patronenfabrik der Gustloffwerke Über die Zahl der in Stein inhaftierten Februar 1945. Die größten Transporte in Hirtenberg arbeitete, war Jaroslav Pe - Griechen und der griechischen Opfer des umfassten 62 Personen am 13. April tráš, der auch auf dem Leichenhaufen lag Massakers gibt es unterschiedliche 1944 und 57 Personen am 23. Mai 1944. und von Häftlingen ins Sanatorium ge - Angaben. Im bereits erwähnten Artikel Häftlinge mit einer Verurteilung zu zehn bracht wurde. 5 in der Volksstimme aus dem Jahr 1955 Jahren und mehr wurden erst ab 3. Mai Mit der Publikation der Erinnerungen meint Garnelis: „Von den 494 griechi - 1944 nach Stein gebracht. Mehr als 85 von Nikos Mavrakis ist eines klar: Das schen Genossen, ausschließlich politi - Prozent der Häftlinge mit Haftstrafen letzte Kapitel dieser Geschichte ist längst schen Häftlingen, die mit mir zusammen von mehr als zehn Jahren wurden zwi - noch nicht geschrieben. Ein zweiter in Stein gefangen waren, sind nur 107 schen Mai und August 1944 eingeliefert. Band mit Erinnerungen von Häftlingen am Leben geblieben“. Demnach hätte die Nicht ganz die Hälfte der griechischen aus Griechenland im Zuchthaus Stein an Zahl der griechischen Toten schon 387 Häftlinge (43,48 Prozent) waren zu zehn der Donau ist bereits geplant. So liegen betragen. Im Artikel in der Freien Stim - und mehr Jahren Haft verurteilt worden, weitere Berichte vor, die zum Großteil me (1946) wird von 150 Griechen etwas mehr als 20 Prozent mussten eine von Athanasios Kintsakis und Dionysios gesprochen, die am 6. April ermordet Strafe zwischen einem und drei Jahren Charalambous übersetzt wurden. Darü - wurden. Im Volksstimme -Artikel heißt verbüßen. Die Höhe der Haftstrafe kann ber hinaus gibt es Geschichten von Häft - es: „Die genaue Zahl der Opfer kann keinen direkten Rückschluss auf die Fra - lingen, die auf Grundlage von Erinnerun - wohl niemals festgestellt werden – die ge geben, ob es sich um politische oder gen ihrer Familienangehörigen zu be - auf dem Gedenkstein angegebene Zahl kriminelle Häftlinge gehandelt habe. Die richten sind. Da wäre etwa das Dorf von 386 Toten ist nach Angaben der Au - Wahrscheinlichkeit, dass die zu zehn und Orchomenos (damals Petromagula) in genzeugen weitaus zu niedrig.“ Garnelis fünfzehn Jahren Haft verurteilten Gefan - Böotien, wo einige Burschen Kartoffeln beschreibt darin auch den Leichen - genen politische Häftlinge waren, ist je - stahlen und dann ins Zuchthaus nach haufen: „Der Haufen Leichen neben dem doch groß. Demnach wäre zumindest Stein kamen. Oder der Küstenort Porto ich lag, war vielleicht 8 Meter hoch und rund die Hälfte der griechischen Häftlin - Rafti, wo Stavros Sfetsas lebte, der die 15 Meter lang.“ ge aus politischen Gründen in Stein in - Schuld für versteckte Waffen der Mavrakis schreibt in seinen Erinnerun - haftiert gewesen. Engländer auf sich nahm, um seinen gen im Kapitel „Die Hinrichtung“ über Die Diskrepanz der Zahlen setzt sich Bruder, der frisch verheiratet war und die Zahl der Toten: „Einen Riesenhaufen auch in der Beurteilung der griechischen dessen Frau ein Kind erwartete, zu ret - mit Leichen, so groß wie ein kleines Gefangenen fort. Während für Gerasi - ten. Stavros wurde beim Massaker im Haus, ungefähr zehn mal zehn Meter mos Garnelis die überwiegende Zahl der April 1945 in Stein ermordet. lang und zwei bis drei Meter hoch. Nach - Landsleute aus politischen Gründen in - her erfuhren wir, dass er aus 1200 Lei - haftiert war, meint Nikos Mavrakis, dass Antonis Sanoudakis: Widerstand in chen bestand.“ Vergleicht man diese An - das „politische Büro“, das er mit vier Griechenland und Stein. Die Geschichte gaben von Zeitzeugen mit den leider weiteren Landesleuten gebildet hatte, die von Nikos Mavrakis. Kommentiert und nicht vollständigen Gefängnislisten und einzigen politischen Häftlinge unter den herausgegeben von Robert Streibel. Exhumierungsprotokollen, so zeigt sich griechischen Gefangenen gewesen seien. Weitra: Verlag Bibliothek der Provinz eine gehörige Diskrepanz. Die Exhumie - Das Gespräch, das Mavrakis mit einem 2020, 189 S., 20 Euro rung der Opfer aus den Massengräbern tschechischen Häftling am Gefängnistor im Hof des Gefängnisses erfolgte zwi - am 6. April 1945 schildert, macht die Anmerkungen: schen 9. Jänner und 20. Jänner 1950. In Notwendigkeit einer differenzierten Ein - 1/ Die freie Stimme , Nr. 1, 15.9.1946, S. 2. diesem Zeitraum konnten 107 Personen schätzung der Haftgründe der Griechen 2/ Susanne Wantoch: Der blutige Freitag zu eindeutig identifiziert werden. Bei 72 deutlich. Der bewaffnete Häftling ver - Stein, in: Österreichische Volksstimme , 3.4.1955. Leichen war eine Identifizierung nicht weigerte Mavrakis die Ausfolgung von 3/ Karl Mörwald: Der blutige Freitag von Stein, möglich. Bei der Exhumierung in Stein Waffen und rechtfertigte dies mit den in: Volksstimme , 5.4.1965. konnte die Identität von 26 Griechen Worten: „Wir haben kein Vertrauen zu 4/ Robert Streibel: April in Stein. Roman. St. Pöl - festgestellt werden, beim Massaker euch […]. Fast alle Griechen haben für ten, Salzburg, Wien: Residenz Verlag 2015. durch die SS unter geflohenen Häftlin - die Deutschen gearbeitet und sind nur 5/ Ich erlebte meinen Tod. Jaroslav Petráš über gen in Hadersdorf am 7. April 1945 wa - wegen Diebstahls hier. Solchen Leuten die letzten Tage der Naziherrschaft im Zucht - ren ebenfalls Griechen unter den Opfern. können wir nicht trauen.“ haus Stein an der Donau, April 1945, o.O. Bei der Obduktion im März 1946 konn - Ausführlich behandelt Mavrakis das [Brno], o.J. [1965] (übersetzt Helmut Juricek). ten drei Griechen identifiziert werden. Überleben im Sanatorium in Stein bis Privatarchiv Robert Streibel.

1/20 16 Beiträge Niemals vergessen Eine Wanderausstellung macht Station in Linz Peter März ie Ausstellung „Niemals verges - mer (Präsident des Bundes der politisch Räumen. Parallel zu den konzeptuellen sen“, eine „Manifestation antifa - Verfolgten, KPÖ), Dr. Franz Blum Arbeiten lief, ebenso wie in Wien, eine Dschistischer Aufklärungsarbeit“, 1 (SPÖ) und Dr. Erich Thanner (ÖVP), Umfrage zu den erlittenen Schädigungen eröffnete am 14. September 1946 im hinzu kamen ein politischer Beirat aus in der NS-Zeit, die zusammengefasst und Wiener Künstlerhaus. Vorrangige Auf - Sicherheitsdirektor Hans Sebinger und grafisch aufbereitet werden sollten. gabe war, der österreichischen Öffent - Walter Enslein (ÖVP), Dr. Franz Blum Allerdings stieß Karl Habermann, der lichkeit die Verbrechen des NS-Regimes und Laurenz Luger (SPÖ), Landesob - verantwortliche Organisator, von Beginn und den Widerstand dagegen vor Augen mann Franz Haider und Landesrat (der an auf zahlreiche Schwierigkeiten. Diese zu führen. Sie war damit die erste museale Zivilverwaltung Mühlviertel) Friedrich werden im Rechenschaftsbericht vom Auseinandersetzung mit den Gräueln der Kammerer (KPÖ) sowie ein Ausstel - Dezember 1947 sowie in zahlreichen Do - NS-Zeit in Österreich. Unter der künstleri - lungsbeirat, dem Univ.-Doz. Dr. Herbert kumenten näher ausgeführt. Eines der schen Leitung von Victor Th. Slama ge - Grau (Leiter des Kulturamts der Stadt grundlegendsten Probleme betraf die lang eine überaus beeindruckende Darstel - Linz), Hans Kerschbaumer, Rudolf Hin - schwierige Suche nach geeigneten Räum - lung. Wissenschaft liche Analysen der terberger (Sekretär des Landesverbands lichkeiten. Linz war im Zweiten Welt - Wiener Schau liegen bisher von Heidrun- der politisch Verfolgten), Doktor Rich - krieg stark zerstört worden, die Beschaf - Ulrike Wenzel mit ihrem 2018 erschiene - ard Sassin (Präsident des Vereins ras - fung von Wohnraum war prioritär, zu - nen Buch „Vergessen? Niemals! Die anti - sisch Verfolgter), Gustav Schanovsky dem benötigten die sowjetischen und die faschistische Ausstellung im Wiener (Sekretär der Landesexekutive des US-amerikanischen Streitkräfte sowie die Künstlerhaus 1946“ und von Wolfgang Oberösterreichischen Gewerkschafts - städtischen und Landesbehörden Büro- Kos mit seinem Beitrag „Die Schau mit bundes) und Prof. Dr. Hans Striegl (Prä - räumlichkeiten. Habermann rechnete ur - dem Hammer“ in einem 1994 erschiene - sident der Berufsvereinigung der Bilden - sprünglich mit Teilen von zwei Stock - nen Sammelband vor. 2 den Künstler, Landesverband Oberöster - werken im Osttrakt der Brückenkopfge - Bereits während die Schau für Wien reich) angehörten. Die künstlerische und bäude am Linzer Hauptplatz, wo rund konzeptuell vorbereitet wurde, überleg - organisatorische Leitung lag bei den 3.300 m² Grundfläche zur Verfügung ge - ten die Verantwortlichen, daraus eine Gr afikern Victor Th. Slama und Franz standen wären. Die Ausstellungseröff - Wanderausstellung abzuleiten und diese Herberth sowie beim Architekten Wil - nung wurde jedoch um mehrere Monate in allen Landeshauptstädten zu zeigen. helm Schütte (der an der Wiener Ausstel - Richtung Herbst verschoben, die ange - Daher beauftragte man den Maler Leo - lung nicht beteiligt gewesen war). Für die dachten Räume daraufhin kurzerhand pold Metzenbauer mit der grafischen Ge - Gestaltung zeichneten die Walter Har - von der Finanzlandesdirektion in Be - staltung von einfach zu transportieren - nisch, Paul Kirnig, Leopold Metzenbau - schlag genommen und zu Büros umfunk - den Papierwandtafeln. Victor Th. Slama er, Heinrich Sussmann (Architekt), Dr. tioniert. Die danach beginnende Suche informierte im Dezember 1946 den poli - Rudolf Weys, Richard Burczik, Fried rich führte Habermann zu verschiedenen Ver - tischen Beirat, dass bislang Anfragen aus Dietmayer, Alfred Fabro, Georg Kail, einsheimen, ehemaligen Luftschutzbun - Innsbruck, Linz, Klagenfurt und Bregenz Maria Tlusty und Magda Winter verant - kern und zu einem Verwaltungs gebäude vorlägen. Es gibt Hinweise darauf, dass wortlich. Kurt Neumüller leitete die gra - der US-Armee gegenüber des Oberöster - auch Graz und Salzburg zumindest zeit - fischen Arbeiten. 5 Die Organisation vor reichischen Landesmuseums in der Mu - weise Interesse an der Schau hatten. 3 Die - Ort übernahm im Dezember 1946 Karl seumstraße 29. Alle diese Möglichkeiten ser Plan, die Schau durch ganz Österreich Habermann auf Seiten des Landes und lehnte der Beirat jedoch ab. Letztlich touren zu lassen scheiterte jedoch, nicht Dr. Krecz für die Stadt Linz, wobei in al - einigte man sich auf wesentlich kleinere zuletzt an räumlichen und finanziellen len zugänglichen Dokumenten aus - Räume im Westtrakt der Brückenkopfge - Fragen. Weitere Standorte nach Wien schließlich Habermann als tatsächlich bäude mit einer nutz baren Ausstellungs - waren letztlich nur Innsbruck und Linz. Verantwortlicher genannt wird. 6 fläche von lediglich 840 m² bei 200 Lauf - Erste Überlegungen, die Ausstellung metern Wandfläche. Diese befanden sich auch in Linz zu zeigen, waren im April Vorbereitungsarbeiten allerdings noch im Rohzustand und mus - 1946 angestellt worden. 4 Die Wander - Die Linzer Ausstellung sollte sich sten daher erst fertig betoniert werden, ausstellung machte schließlich von zunächst wesentlich von jener in Wien wodurch die Kosten der Ausstellung in 15. September bis 15. Oktober 1947 in unterscheiden. Im Grunde wollte man die Höhe getrieben wurden. 7 der oberösterreichischen Landeshaupt - lediglich den Namen und die vorgefertig - Inhaltlich orientierte man sich stadt Station und wurde im Westtrakt des ten Papierwandtafeln übernehmen, sonst grundsätzlich an der Wiener Ausstellung Brückenkopfgebäudes am Hauptplatz jedoch zum überwiegenden Teil andere und setzte die Schwerpunkte auf die Ent - gezeigt. Als Veranstalter traten die Exponate zeigen und die Schau mit neuen wicklung Österreichs bis zum März Oberösterreichische Landesregierung, Erkenntnissen und lokalen Ereignissen 1938, die NS-Propaganda, den Ein - die Stadt Linz sowie der Landesverband anreichern. Dieser Plan gelangte nur an - marsch der Deutschen Wehrmacht, die ehemals politisch Verfolgter (kurz KZ- satzweise zur Durchführung. Zu kurz war wirtschaftlichen und politischen Auswir - Verband) auf. Diese beriefen ein drei - die Vorbereitungszeit, zu mühsam und kungen des „Anschlusses“, die Kriegs - köpfiges Präsidium aus Hans Kerschbau - zeitraubend die Suche nach geeigneten vorbereitung, den Krieg und die Ver -

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nichtung, die Zerstörungen und die Op - schichtlich rele - n i L fer, die Flüchtlinge und Repatriierungen vanten Gescheh - t d a t S

sowie auf Widerstand und Verfolgung. nissen. Die Ta - r e d

Kurt Neumüller und Karl Habermann or - feln I bis V be - v i h

ganisierten darüber hinaus eine Reihe handelten die c r weiterer Werke namhafter Künstlerinnen 1.000-Mark- A und Künstler. Die Ausrichtung war pro - Sperre und deren pagandistisch und, dem Zeitgeist entspre - Einfluss auf den chend, stark didaktisch geprägt. Im Kata - oberösterreichi - log heißt es hierzu: „Im Mai 1945, weni - schen Fremden - ge Tage nach der Befreiung, haben eine verkehr, die NS- Reihe von Antifaschisten sich zusam - Propaganda via mengeschlossen, um nach den Jahren der Rundfunk und Lüge und Irreführung das wahre Gesicht Presse, den Ein - des Faschismus, seine Unmenschlichkeit marsch sowie und seine Verbrechen zu enthüllen.“ den Widerstand. Konkret ging es den Kuratoren um die Die Tafeln VI Landeshauptmann Heinrich Gleißner besichtigt die Ausstellung Erkenntnis, dass jeder Einzelne eine Teil - bis XII befassten schuld an den Geschehnissen hat: „Nicht sich mit der Schreckensbilanz des NS- die Ausstellung „Niemals vergessen“ der Verewigung des Hasses dient diese Terrorregimes, die Tafeln XIII bis XX aufgenommen werden: „Welche Leiden Ausstellung. Wir alle sind schuldig. Jeder hatten das Thema Wiederaufbau nach haben Sie durch die seinerzeitige Haft erkenne selbst sein Maß an Schuld.“ 8 Kriegsende zum Inhalt. 10 davongetragen?, Haben Sie Ihre Stellung Rudolf Hinterberger, Sekretär des Lan - Künstlerische Höhepunkte der Linzer verloren (gemaßregelt, zwangspensio - desverbands ehemaliger politisch Ver - Schau waren die Gemälde „Pg. Göring niert, materielle Schäden, Beschlagnah - folgter, begründet diese konsequente beim Imbiß“ von Josef Danilowatz, „Ecce mung von Haus, Grund und sonstigem didaktische Herangehensweise in seinen Homo“, „Himmelfahrtskommando“ und Inventar)?, Wir ersuchen Sie, die Summe einleitenden Worten: „Es gibt genug sol - „Die Vergasung“ von Peter Edel, „Der in Schilling auszudrücken.“ 12 In den vor - cher verseuchter Gehirne, die noch heute letzte Blick“ von Emy Ferjanc, „Die handenen Akten sind dazu lediglich den Rassenhaß und die Herrschsucht auf Fremdlinge“ von Max Frey Gawell, „Ecce Rückmeldungen aus Wels und dem Be - ihren Banner – wenn auch im Verborge - Homo“ von Grand, „Heimkehrer“ von zirk Wels-Land vorhanden. Ob diese nen – tragen, die keineswegs noch die Wilhelm Kaufmann, „Nach dem Angriff“ Fragebogenaktion also in ganz Ober- nötige Einsicht erreichen konnten über und „Die Toten mahnen“ von Leopold österreich durchgeführt worden ist, lässt den unermeßlichen Leiden und den Metzenbauer, „Zerstörung am Kai“ von sich nicht mehr eruieren. Die Verfasse - Schrecken, den der Nazismus über die Otto Rudolf Schatz, „Frauen in Ausch - rInnen der rund 60 erhaltenen Antwort - ganze Welt gebracht hat. Es gibt noch witz“ von Heinrich Sussmann, „Sammel - schreiben machen dabei detaillierte An - Tausende, die den Berichten über die stelle der Vertriebenen“ von Maria Tlusty gaben, divergieren allerdings erheblich Verbrechen der Nazi keinen Glauben sowie Anton Hanaks Bronzeskulptur „Der in den geschätzten Schadenssummen schenken, die erschütternde Erzählungen letzte Mensch“. Im Katalog werden, ohne und betragen zwischen wenigen hundert mit einem abweisenden Achselzucken konkrete Werke anzuführen, außerdem die Schilling bis hin zu mehreren zehntau - abtun wollen. Leider finden wir auch KünstlerInnen Beischläger, Hafner, Pippal send Schilling. Außerdienststellungen, noch weite Kreise, die nur allzu gerne und Raab (Gemälde), Bienert, Blum, Bàn, Zwangs- und Frühpensionierungen bei das Grauen jener Zeit selbst vergessen, Fischer, Hagel, Kora, Kraft, Laske, Luby, gleichzeitiger Kürzung oder gänzlicher doch auch vergessen machen möchten.“ May, Nießner, Plachy, Ploberger, Reiter, Streichung der Pensionen, erzwungene Hauptzweck sei es, so Hinterberger wei - Stefan, Stefferl, Szentleleky, Unger, Vito - Verkäufe von Häusern, Verdienstentgän - ter, „allen Österreichern noch einmal das bec, Wimmer und Zwickelsdorfer (Grafi - ge wegen entfallener Gehaltsvorrückun - Furchtbare des Naziregimes in seiner ken) sowie Hönigsfeld, Petrucci und San - gen, Verhaftungen und Schläge sind die Auswirkung der offensichtlichen Bar - tifaller (Skulp turen) genannt. 11 Ob die häufigsten Antworten. Bemerkenswert barei und Erbärmlichkeit, der grauenvol - anderen Werke der Wiener Ausstellung an dieser Umfrage ist der dritte Punkt, len Art des nazistischen Verbrechter - ebenfalls in Linz gezeigt wurden, durch welchen vor dem Hintergrund tums, der Verhetzung und Falschheit na - erschließt sich aus dem Linzer Ausstel - künftiger Widergutmachungsforderun - zistischer Propaganda und deren Folgen lungskatalog nicht. Auf Grund der eher gen erstmals systematisch versucht wur - in augenscheinlicher, konzentrierter bescheidenen Fläche von nicht einmal 900 de, eine Schadenssumme zu ermitteln. 13 Form vor Augen zu führen.“ 9 m², auf der rund 160 Papierwandtafeln Im August 1947, also einen Monat vor unter gebracht werden mussten, ist jedoch Eröffnung, schickte der Beirat ein Künstlerische Höhepunkte davon auszugehen, dass sich die Auswahl Schreiben an alle oberösterreichischen Der Ausstellungsrundgang begann wie an Gemälden und Skulpturen auf die hier Gemeinden, an denen Todesmärsche von in Wien und deckte alle weiter oben an - angeführten beschränkte. KZ-Häftlingen vorbeigeführt haben, geführten Bereiche an Hand von grafisch konkret etwa an Ansfelden, Enns, Wels, strukturierten und anschaulich gestalte - Fragebogenaktionen St. Florian und andere. Die lokalen ten Papierwandtafeln ab. Zwanzig der Im Mai 1947 sandte der KZ-Verband Behörden wurden darin aufgerufen, insgesamt 160 Tafeln beschäftigten sich ein Rundschreiben an seine Mitglieder, Fotos, Dokumente, Tatsachenberichte unter dem Titel „Sonderschau Ober - mit der Bitte drei Fragen zu beantworten. und Meldungen von Kriegsverbrechen österreich“ mit den konkreten landesge - Die Ergebnisse sollten anschließend in zur Verfügung zu stellen. Die Antwort -

1/20 18 Beiträge blieben BesucherInnenzahlen und Ein - Folge konnte das ursprünglich angedach - nahmen hinter den Erwartungen zurück. te Konzept nicht vollumfänglich durch - Karl Habermann hatte in seinem Kosten - geführt werden, sondern man musste voranschlag mit 80.000 BesucherInnen sich mit grafisch stark vereinfachten gerechnet. Die daraus resultierenden Darstellungen der wesentlichen Ereig - 160.000 Schilling hätten gemeinsam mit nisse zufrieden geben. Die geplante den geschätzten Einnahmen aus 15.000 Sammlung dokumentarischer Unterlagen verkauften Katalogen und 25.600 Schil - entfiel beinahe zur Gänze. Das Kultur - schreiben trafen rund zwei Wochen spä - ling aus Briefmarkenerlösen für einen re - amt der Stadt Wien übernahm die Wan - ter ein, die Ergebnisse fanden Eingang in spektablen Gewinn ausgereicht. 18 derausstellung nach dem 15. Oktober die Ausstellungstexte. 14 Von Beginn an Tatsächlich konnten 67.797 Eintritts- 1947 und ließ Papierwandtafeln und son - fand eine breit geführte Debatte um den karten à 2 Schilling verkauft werden, stige Materialien in Linz einlagern. 20 Titel der Schau statt. „Niemals verges - wobei etwa die Sozialistische Bildungs - Über das weitere Schicksal der Objekte sen“ wurde als zu konfrontativ empfun - zentrale zwar 5.000 Karten kaufte, aller - ist bislang nichts bekannt. den, sinnvoller wäre stattdessen das dings lediglich 1.163 davon absetzte. Wort „Widerstand“ in Szene zu setzen, Die BesucherInnen setzten sich vor - Anmerkungen: ähnlich wie in der zeitgleich in Deutsch - wiegend aus ArbeiterInnen, mittleren 1/ Heidrun-Ulrike Wenzel: Vergessen? Niemals! land stattfindenden Ausstellung „Die BeamtInnen und Angestellten sowie Ju - Die antifaschistische Ausstellung im Wiener dagegen waren“. 15 gendlichen zwischen 16 und 24 zusam - Künstlerhaus 1946. Wien 2018, 45. men, nur ein geringer Prozentsatz waren 2/ Wolfgang Kos: Die Schau mit dem Hammer – Werbemaßnahmen und Kosten bürgerliche Personen. Auch der Verkauf Zur Planung, Ideologie und Gestaltung der antifa - Bei der Eröffnungsfeier am 15. Sep - der Sonderpostmarken von Alfred schistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“, tember 1947 sprachen Landeshauptmann Chmielowski hinkte weit hinter den Vor - in: ders.: Eigenheim Österreich. Zu Politik, Kultur Heinrich Gleißner (ÖVP), der Bürger - stellungen zurück. Das just in der Auf - und Alltag nach 1945. Wien 1994, S. 7–58. meister der Stadt Linz Ernst Koref (SPÖ) bauzeit der Ausstellung abgeschlossene 3/ Wenzel: Vergessen? Niemals!, S. 192–194. und der Präsident des Landesverbands Lohn-Preis-Abkommen sorgte für eine 4/ Simon Loidl/Peter März: Garanten gegen den ehemals politisch Verfolgter Hans Kersch - massive Verteuerung. Vor allem die Faschismus. Der Landesverband ehemals poli - baumer (KPÖ). Vertreter der sowjeti - Bauarbeiten und die Produktion der Ka - tisch Verfolgter in Oberösterreich. Linz 2010, schen und der US-amerikanischen Streit - taloge waren hiervon betroffen. Rechne - S. 185–188, hier S. 185. kräfte blieben der Eröffnung trotz Ein- te man im Frühjahr noch mit 70 Gro - 5/ Archiv der Stadt Linz, Verw.-Archiv, MD ladung fern. Die Bewerbung der Ausstel - schen pro Exemplar, mussten nun auf - Oberhuber, A-Arbeitsinsp., 1–1160, Kt. 1, Map - lung war umfassend. So wandte sich der grund der gestiegenen Löhne und der pe 1085–1160, Zl. 1160, Ausstellungskatalog Beirat an die Bürgermeister aller ober - wesentlich höheren Papierpreise 1,70 Niemals vergessen! Linz 1947. österreichischen Gemeinden mit der Bit - Schilling bezahlt werden. Trotz mehrerer 6/ OÖLA, Landesregierung Präsidium, MF 813, te, alle Organisationen, Vereine und Be - Unterredungen gelang es nicht, den Wie - Präs. 33–794/1947, Zl. 216, Ausstellung „Nie - triebe über die Schau zu informieren, um ner Globus-Verlag von einem nennens - mals vergessen“. so Sonderfahrten koordinieren und orga - werten Rabatt zu überzeugen. Dies führ - 7/ OÖLA, Landesverband ehem. politisch Ver - nisieren zu können. Auf diesen Brief ant - te dazu, dass der Linzer Katalog unter folgter, Kt. 10, 1, Rechenschaftsbericht, Dezem - worteten jedoch nur zwei Gemeinden. In den Gestehungskosten verkauft werden ber 1947. ganz Oberösterreich ließ man Plakate musste. 19 Hinzu kam die Leihgebühr für 8/ Niemals vergessen! Antifaschistische Aus - affichieren, schaltete Presse- und Rund - die Ausstellungsarchitektur und die stellung (Katalog der Linzer Ausstellung), Sep - funkwerbung und bestückte die Linzer Papierwandtafeln in der Höhe von tember-Oktober 1947 Linz, Wien 1947, 6f. Straßenbahnen mit kleinformatigen Wer - 36.000 Schilling, die an die Stadt Wien 9/ Niemals vergessen! Antifaschistische Aus - bezetteln. Auf der Gebäudefront des bezahlt werden musste. In der Planungs - stellung (Katalog der Linzer Ausstellung), Sep - westseitigen Brückenkopfbaus Richtung phase war man noch von einem Gewinn tember–Oktober 1947 Linz. Wien 1947, S. 12. Donau brachte man Metallbuchstaben von rund 10.000 Schilling ausgegangen, 10/ Ebd., S. 19. mit dem Schriftzug „Ausstellung Nie - womit weitere Projekte finanziert wer - 11/ Ebd., S. 40–54. mals vergessen!“ an. 16 den hätten sollen. Letztlich konnte mit 12/ OÖLA, Landesverband ehem. politisch Ver - Der KZ-Verband bewarb die Ausstel - rund 5.500 Schilling ein deutlich gerin - folgter, Kt. 10, 1, Rundschreiben, Mai 1947. lung im Rahmen der gleichzeitig stattfin - gerer Gewinn erzielt werden. 13/ Loidl/März: Garanten, S. 186. denden „Unterstützungs- und Wohltätig - Im Rechenschaftsbericht wurde die 14/ OÖLA, Landesverband ehem. politisch Ver - keitslotterie“. Die Ziehung der 500 Prei - Ausstellung zwiespältig beurteilt. Positiv folgter, Kt. 9, Mappe 9D IX, 4, „Niemals verges - se im Gesamtwert von rund 62.000 wurde darin hervorgehoben, dass der sen“, Anschreiben an Gemeinden; Rückmel - Schilling fand kurz vor Ausstellungsen - Beirat für Oberösterreich einen eigenen dungen. de am 12. Oktober statt, zuvor konnten Ausstellungsleiter (Karl Habermann) er - 15/ OÖLA, Landesverband ehem. politisch Ver - die Hauptpreise, darunter eine komplette nannt hatte, um möglichst alle aktuellen folgter, Kt. 10, 1, Rechenschaftsbericht. Wohnzimmereinrichtung, eine Schlaf - Entwicklungen und Erkenntnisse aufzu - 16/ Ebd., Rechenschaftsbericht. zimmereinrichtung, ein Kühlschrank, greifen. Gleichzeitig wurde kritisiert, 17/ Ebd., Lotterie. Ölgemälde und mehrere Fahrräder, im dass die Beschaffung der dafür notwen - 18/ OÖLA, Landesverband ehem. politisch Ver - großen Saal des Westtrakts besichtigt digen Unterlagen und Objekte nur folgter, Kt. 9, Mappe 9D IX, 4, „Niemals verges - werden – ein weiterer Anreiz für den Be - äußerst mangelhaft geschehen sei. Als sen“, Kostenberechnung. such der Schau. 17 All diese Bewerbungs - Hauptgrund dafür wurde die viel zu kur - 19/ Ebd., Kt. 10, 1, Revisionsbericht, 5.2.1948. maßnahmen zahlten sich aus, dennoch ze Vorbereitungszeit ausgemacht. In der 20/ Ebd., Rechenschaftsbericht, Dezember 1947.

1/20 Beiträge 19 Karl und Mathilde Auferbauer Ein Stück vergessener Leobener Widerstands- und Verlagsgeschichte HeiMo HAlbrAiner it Datum vom 21. Juli 1945 Untergang des Habsburger Reichs blieb Arbeitslosigkeit fand er im Februar 1932 richtete Karl Auferbauer, Ge - er noch einige Zeit in der so genannten zunächst beim Arbeitsamt in Graz eine Mschäftsführer und, wie er angab, Volkswehr, ehe er als Hilfsarbeiter in Anstellung, ehe er einen Monat später „Agitprop-Leiter in Leoben“ ein Schrei - verschiedenen Betrieben in der Steier - nach Leoben ins dortige Arbeitsamt ver - ben an das Zentralkomitee der KPÖ, in mark tätig war; so unter anderem für setzt wurde, was er als Strafversetzung dem er seine Sorge um seine Frau Ma - zwei Jahre als Bergarbeiter im Magnesit - empfand und wo er – wie er angab – po - thilde, die fast genau ein Jahr zuvor ver - werk in der Veitsch. Dort wirkte er auch litisch isoliert blieb. In einem unmittel - haftet und ins KZ Ravensbrück verbracht als Vertrauensmann der Gewerkschaft, bar nach der Befreiung 1945 verfassten worden war, zum Ausdruck brachte. Er der Sozialdemokratischen Partei und der Lebenslauf sollte er über diese Phase in hat von ihr drei Monate nach der Befrei - sozialdemokratischen Jugend. Leoben vermerken: „Das politische Ka - ung des Konzentrationslagers noch im - Im Zuge der politischen Umfärbung barett war fast mein einziges Betäti - mer keine Nachricht erhalten, weshalb er des österreichischen Bundesheers unter gungsfeld.“ 5 Das Kabarett waren die Ro - – wie es im Schreiben hieß – „Euch recht dem christlichsozialen Heeresminister te Spieler , die auch in Leoben im Okto - sehr bitte, die geeigneten Nachforschun - Carl Vaugoin trat Karl Auferbauer im ber 1932 eine eigene Gruppe gegründet gen zu pflegen. Ich gebe noch an, dass November 1922 – einer Aufforderung haben, in der Karl Auferbauer mitwirkte. ihre KZ-Nummer 85.228 F-KZ lautete. der Sozialdemokratischen Partei folgend, Diese traten zu verschiedenen Anlässen Zur Erleichterung der Ausforschung die möglichst viele verlässliche Genos - mit politischen Theaterstücken vor bis zu schließe ich noch eine Fotographie an.“ 1 sen ins neue Bundesheer transferieren tausend Personen auf, wobei sie etwa im Anzunehmen ist, dass er bereits zuvor versuchte 3 – in das Bundesheer ein, wo Sommer 1933 auch die Verbote der Re - in Leoben die aus Ravensbrück zurück - er bald schon Vertrauensmann der gierung, wie das Verbot der 1. Mai-De - gekehrten Frauen befragt hat. Einige von 1. Pionierkompagnie in Graz wurde. Im monstration, thematisierten. 6 ihnen, wie Maria Filz oder Luise Reiter, 2 Herbst 1923 war er bereits Bataillons - Im Herbst 1933 trat Karl Auferbauer hatten bereits Anfang Juni 1945 ihr vertrauensmann und im Jänner 1924 der damals bereits illegalen Kommunis- Überleben im KZ Ravensbrück und die wurde er zum Heerespersonalvertreter tischen Partei bei. Er erhielt jedoch von Befreiung des Lagers in der von den der 5. Brigade – der steirischen Brigade der KPÖ den Auftrag, sich in der Folge Obersteirischen Freiheitskämpfern her - – ins Bundesministerium für Heereswe - weiter so zu verhalten, als sei er noch ausgegebenen Tageszeitung Obersteiri - sen gewählt. Ein Jahr später wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Par - sche Tagblatt , für dessen Inhalt Karl von Alois Rosenwirth, dem damaligen tei. 7 Diese Strategie zielte darauf ab, die Auferbauer verantwortlich zeichnete, Vorsitzenden des sozialdemokratischen Politik der Sozialdemokratie von innen veröffentlicht. Sie schienen – wie auch Militärverbands und nach 1945 Sicher - her zu revolutionieren. Ende September viele andere im Laufe der nächsten Wo - heitsdirektor der Steiermark, in dieser 1933 wurde daher bei einem Treffen der chen aus dem Konzentrationslager Funktion abgelöst. KPÖ mit führenden Vertretern der sozia - zurückgekehrten Frauen – nichts über Karl Auferbauer trat im Rahmen der listischen Jungfront eine Resolution be - den Verbleib von Mathilde zu wissen. militärischen Zivilberufsausbildung in schlossen, wonach deren Aufgabe inner - Wer war nun dieser Karl Auferbauer, der die Buchhandlung Arbeiterwille ein und halb der Sozialdemokratie darin bestehe, versuchte, etwas über den Verbleib sei - erlernte den Beruf eines Buchhändlers. „möglichst große Massen von sozial- ner Frau zu erfahren, und wer war Ma - Parallel dazu war er in der sozialdemo - demokratischen Arbeitern von der prin - thilde, von der Monate nach der Befrei - kratischen Jugendbewegung führend zipiell falschen kleinbürgerlichen Politik ung vom NS-Regime niemand wusste, tätig. Als Kreisleiter für Mittelsteiermark der SPÖ loszulösen und auf die Positio - wo sie sich befand? wirkte er etwa bei der Gründung zahlrei - nen des revolutionären Marxismus zu cher Ortsgruppen der Sozialistischen bringen“. Die Idee war, dass Karl Aufer - Von der SAJ zur KPÖ: Arbeiterjugend Mitte der 1920er Jahre bauer und andere Linke innerhalb der Karl Auferbauer mit, hielt Reden anlässlich von Revoluti - Sozialdemokratie untere Leitungsfunk - Karl Auferbauer wurde am 6. Juli 1900 onsfeiern im November und gehörte tionen (Sektionen, Gewerkschaftsorts - als viertes von insgesamt neun Kindern 1927 als Vertreter der Jugend zu den gruppen und Betriebsräte) „erobern“ einer Schriftsetzerfamilie geboren. Nach Gründungsmitgliedern des Grazer sollten, um von dort aus, den Kampf ge - fünf Klassen Volks- und zwei Klassen ASKÖ, des Arbeiterbunds für Sport und gen den Reformismus des Parteivorstand Bürgerschule begann er eine Zahntechni - Körperkultur Österreichs, dem er damals zu führen und die „linken“ Phrasen Otto kerausbildung und trat noch vor dem Ers - auch als Vorstandsmitglied angehörte. 4 Bauers und anderer zu entlarven. 8 Am ten Weltkrieg, am 1. Mai 1914, dem Ver - Aufgrund von heftigen politischen Parteitag der Sozialdemokratischen Par - band Jugendlicher Arbeiter bei. Im Auseinandersetzungen mit dem damali - tei im Oktober 1933 kritisierten die Lin - November 1917 musste er zum Infanterie - gen Geschäftsführer der Buchhandlung ken daher auch die nachgiebige Haltung regiment Nr. 27 in Graz einrücken, von Arbeiterwille , dem sozialdemokratischen der Parteiführung gegenüber der zuneh - wo er 1918 für ein paar Monate ins Hin - Landesrat Johann Leichin, beendete Karl menden Faschisierung unter Engelbert terland nach Südtirol kam. Nach dem Auferbauer im Dezember 1930 seine Dollfuß und forderten: „Die Partei muss Ende des Ersten Weltkriegs und dem dortige Tätigkeit. Nach über einem Jahr zum Angriff übergehen!“

1/20 20 Beiträge Als sich am 12. Februar 1934 in Linz Partisanen mit Lebensmitteln und Aus- men mehr und es dauerte einige Wochen, der sozialdemokratische Parteisekretär rüstungsgegenständen. bis wir wieder aus der unerhörten Betäu - und Kommandant des Republikanischen bung erwachten, in die uns der rasende Schutzbundes Richard Bernaschek ge - Kindergärtnerin und Terror versetzte. Wir wussten, dass es in - gen eine Waffensuche im Parteiheim zur Widerstandskämpferin: mitten der plötzlich toll gewordenen Be - Wehr setzte, war das nicht der Übergang Mathilde Auferbauer völkerung einen festen Stock von Men - zum Angriff, sondern ein Abwehrkampf Mathilde Auferbauer wurde acht Jahre schen gab, die Österreicher und Genos - gegen den Faschismus fünf Minuten nach Karl am 15. Februar 1908 in St. Pe - sen geblieben waren und wir richteten nach zwölf. Nach dem darauffolgenden ter-Freienstein als Tochter des Donawit - unsere ganze Propaganda darauf ein, die - Aufruf zum Generalstreik kam es auch zer Fabrikarbeiters Jakob und seiner se Menschen wieder zu erfassen und sie in der Obersteiermark, in Bruck an der Frau Agnes Macher geboren. Nach der zu sammeln.“ 15 Mur rund um Koloman Wallisch, aber Schule absolvierte sie eine Ausbildung auch in Leoben, zu Kämpfen zwischen zur Kindergärtnerin und arbeitete danach Widerstand in Leoben dem Republikanischen Schutzbund auf mit Anna Cadia, der „roten Fürsorgerin“ Dieser Widerstand in und um Leoben der einen und der Gendarmerie, Heim - von Leoben. 11 Anna Cadia sollte sammelte sich und wurde aktiv. In einem wehr und Militär auf der anderen Seite. 1944/45 in Ravensbrück jene sein, die Fernschreiben an den Höheren SS- und Karl Auferbauer beteiligte sich nicht sich um sie kümmerte und sie mit den Polizeiführer Erwin Rösener nach Vel - direkt an den Kämpfen in Leo ben, half Frauen des illegalen Lagerwiderstands des (Bled) schrieb der steirische Gaulei - aber den Verfolgten, indem er ihnen Be - zusammenbrachte, die dann gemeinsam ter Sigfried Uiberreither am 2. Dezember stätigungen des Arbeitsamts für die frag - dafür sorgten, dass sie das KZ Ravens - 1942, nachdem in Leoben in der Nacht lichen Stunden der Kampfhandlungen in brück überlebte. 12 Im Jahr 1934 trat Mat - zuvor das Landratshaus, das Haus, in der Stadt ausstellte. hilde Auferbauer nach den Februar - dem die SS-Standarte untergebracht war Nach dem Verbot der Sozialdemokra - kämpfen der KPÖ bei, wo sie im Rah - und noch einige andere Häuser mit Ham - tischen Partei traten viele enttäusche men der Roten Hilfe aktiv wurde, Geld mer und Sichel und „Nieder mit Hitler“ SozialdemokratInnen der KPÖ bei, die in für Familien der Inhaftierten sammelte und „Heil Moskau“ beschrieben worden der Illegalität zu einer starken Partei und die illegalen Zeitungen verbreiten waren: „Eine Schmieraktion wie in Leo- anwuchs. 9 Ein Bericht des Sicherheits - half, weshalb sie im Oktober 1935 erst - ben ist seit der Eingliederung der Ost - direktors für die Steiermark an die Gene - mals verhaftet, aber bald wieder freige - mark im Gau Steiermark noch nicht vor - raldirektion für öffentliche Sicherheit in lassen wurde. 13 gekommen.“ 16 Bereits ein Jahr zuvor Wien hielt für August 1936 fest, dass im Nach dem „Anschluss“ 1938 verhielt hatten Eisenbahner aus dem Bezirk Leo - Kreis Donawitz, wozu alle Industrie - sie sich – wie viele andere bekannte ben – der Krieg gegen die Sowjetunion gemeinden des Bezirks Leoben zählten, Gegner des Regimes – vorerst einmal ru - hatte gerade begonnen – Sabotageaktio - „2470 waffenfähige Kommunisten ge - hig. Josef Martin Presterl hat bald nach nen gegen Wehrmachtszüge durchgeführt meldet“ sind. 10 Einer davon war auch der Befreiung ehemalige Widerstands - und zwischen 4. Juli und 24. Dezember Karl Auferbauer, der politische Schulun - kämpferInnen in der Steiermark für sein 1941 an den Bahnhöfen in der Steiermark gen abhielt und im Arbeitsamt die Buch mit dem Titel „Im Schatten des „92 Anschläge durch Zerschneiden von Anlaufstelle für auswärtige Genossen Hochschwab“ befragt. Die Tage nach Bremsschläuchen sowie Einführung von war. In dieser Zeit – konkret am 15. De - dem „Anschluss“ im Hause Auferbauer Sand und Steinen in die Achslager von zember 1935 – heirateten Karl und gab er folgenderweise wieder: „Dann ka - Eisenbahnwagen verübt“. 17 Mathilde Auferbauer. men die ersten Soldaten der deutschen Nachdem die Exilleitung der KPÖ Nach dem so genannten „Anschluss“ Wehrmacht. In schier endlosen Kolon - über den Moskauer Sender Freies Öster - Österreichs an das nationalsozialistische nen brausten sie durch die Städte und reich zur Gründung einer überpartei - Deutschland im März 1938 konnte Karl Dörfer, von Tausenden begrüßt und mit lichen Österreichischen Freiheitsfront Auferbauer durch den Schutz des Amts - Blumen beworfen. Deutsche Bomben - (ÖFF) aufgerufen hatte, 18 wurde dies im leiters noch eine Zeit lang Beamter des flugzeuge zogen im Tiefflug ihre Kreise Herbst 1943 in und um Leoben umge - Arbeitsamts bleiben, ehe er im Zuge der über das jubelnde unglückliche Land. setzt. Alte Kommunisten, die bislang „Säuberungen des Berufsbeamtentums“ […] Viele Antifaschisten im Leobner nicht gegen das NS-Regime aktiv gewor - im Juni 1939 entlassen wurde. Unmittel - Gebiet hatten sich in ihre Wohnungen den waren, bauten 1942/43 im Bezirk ein bar nach seiner Entlassung erhielt Karl zurückgezogen und lauschten mit großer Netz von Widerstandszellen auf und Auferbauer die Einberufung zur Wehr - Erbitterung dem Jubel auf der Straße. Es knüpften Kontakte zu den slowenischen macht, wo er auf Grund seines fort- war einfach unverständlich, wie über Partisanen nach Jesenice. Dorthin flohen geschrittenen Alters – er war schon 39 Nacht so ein Umschwung kommen mehrere Personen aus Leoben im April Jahre alt – in Graz als Schreiber und Ein - konnte. ‚Nun ist es für lange aus‘, sagte 1943, um einer drohenden Verhaftung zu käufer eingesetzt wurde. Im August 1943 Karl Auferbauer zu seiner Frau, die hin - entgehen. Nach mehrmonatigem Aufent - wurde er nach Leoben versetzt, wo er ge - ter dem herabgelassenen Rollbalken saß halt bei den slowenischen Partisanen des meinsam mit seiner Frau im Widerstand und bitterlich weinte. Unten auf der Pokljuka-Bataillons 19 kehrten zwei – gegen den Nationalsozialismus aktiv Straße war die Hölle los. Mathilde nickte Sepp Filz und Anton Wagner – im wurde. Nachdem ab Herbst 1943 zahlrei - nur, als wollte sie sagen: ,Ja, du hast Herbst 1943 wieder nach Leoben zurück. che Widerstandskämpfer in die Berge recht.‘ Dann aber richtete sie sich wieder Gemeinsam mit anderen – unter anderen der näheren Umgebung gingen und sich auf: ,Es wird nicht ewig dauern‘, sagte auch mit der von Mathilde Auferbauer für einen Partisanenwiderstand ab Früh - sie fest, ,aber für uns kommt eine schwe - organisierten Frauengruppe – schritten jahr 1944 vorbereiteten, unterhielt das re Zeit.‘“ 14 Sie selbst schrieb später: sie an den Aufbau einer Partisanen- und Ehepaar eine Versorgungsstelle für die „Wir fanden keine rechte Luft zum At - einer so genannten Bodenorganisation in

1/20 Beiträge 21 und um Leoben. 20 Auferbauer berichtete richtung eines freien, darüber später: „Ich organisierte im Sep - unabhängigen, demo - tember 1943 eine illegale Frauengruppe kratischen Österreichs, und suchte einige heraus, die ich für be - das mit allen Völkern sondere Aufträge verwenden konnte. in Freundschaft zu le - Unsere erste Aufgabe war es, Quartiere ben gewillt ist, jeden in der Umgebung von Leoben zu schaf - Rassen- und National - fen, um auf diese Art die Partisanengrup - haß bekämpft sowie pe, welche sich inzwischen gebildet hat - Religions- und Mei - te, zu unterstützen. Als es draußen auf nungsfreiheit sichert“, dem Lande schon gefährlich wurde, da in eintraten, sowie die allen Wäldern die sogenannte Land - „Enteignung der wacht ständig Streifen machte, stellten Schwerindustrie, des wir in der Stadt selbst eine Reihe von Großgrundbesitzes so - Quartieren zur Verfügung. Wir sammel - wie der faschistischen ten große Mengen Lebensmittel, Kleider Institutionen, deren und Schuhe und schickten alles unseren Verstaatlichung bzw. kämpfenden Genossen in den Wäldern. Aufteilung“ 24 forderten. […] Im September 1943 hatten wir Die Anschläge auf schon 110 illegale Frauen erfasst.“ 21 Eisenbahnanlagen zwi - Die illegal Lebenden wurden aber schen Kapfenberg und nicht nur mit Quartieren und Lebensmit - St. Michael sowie die teln versorgt, sondern auch mit für sie Überfälle auf lokale wichtigen Informationen. Die Partisanen Nationalsozialisten konnten dabei auf Verbindungen zurück - führten zu massiven greifen, die bis ins Wehrbezirkskom - Verfolgungsmaßnah - mando von Leoben, ins Landratsamt, ins men seitens der Gesta - Stadtamt, ins Fernmeldeamt und ins po unter Führung des Heeresbauamt reichten. Vielfach waren von Graz nach Leoben es die Freundinnen bzw. Bekannten von versetzten Chefs des Foto von Mathilde Auferbauer, das Karl Auferbauer im Juli den in den Bergen Lebenden, die kriegs - Kommunistenreferates 1945 an das Zentralkomitee der KPÖ übermittelte. dienstverpflichtet in den Ämtern für die Johann Stelzl. Durch ÖFF Nachrichten sammelten. Christl Spitzel innerhalb der Organisation 25 so - den, wurde vorerst nicht entsprochen. Berger, die Verlobte des Partisanen wie durch die Unvorsichtigkeit von zwei Erst nach Wochen wurde sie vom Poli - Anton Wagner, arbeitete etwa im Adres - Partisanen, die Anfang August 1944 ver - zeiarzt in das Inquisitenspital im Landes - senmeldeamt der Stadtgemeinde. „Ich haftet wurden, gelang es der Gestapo fast gericht Graz bzw. später kurzzeitig auch konnte dort wertvolle Arbeit leisten, weil das gesamte illegale UnterstützerInnen- auf die geschlossene Abteilung der Ner - ich durch meine Stellung an sämtliche Netz aufzurollen. Mehrere hundert Per - venklinik überstellt, allerdings ohne dass Karteikarten herankommen konnte und sonen – unter ihnen auch Mathilde Auf - sie dort behandelt worden wäre. Am die Gestapo sich immer an mich wenden erbauer – wurden verhaftet. 2. November 1944 wurde sie schließlich musste, wenn sie die Wohnadresse eines Als im Sommer 1944 die Verhaftun - auf einer Tragbahre zum Grazer Bahnhof von ihr Verfolgten erfahren wollte“, 22 gen gegen die UnterstützerInnen der gefahren und mit einem Gefange - sollte sie später erzählen. Auch knüpften ÖFF im Bezirk einsetzten, war Mathilde nentransport zunächst nach Bruck an der die Frauen, die in der ÖFF mitwirkten, Auferbauer gerade in Bad Tatzmanns - Mur transportiert. Dort wurden zahlrei - Kontakte zu Soldaten, die auf Heimat - dorf zur Erholung, da sie Probleme mit che Frauen aus dem Unterstützerinnen- urlaub waren, und überredeten sie, nicht dem Rücken hatte. Dort wurde sie von Netzwerk der Österreichischen Freiheits - mehr einzurücken und sich stattdessen ihrem Mann angerufen, der meinte: „Ich front – wie Christl Berger, Maria der ÖFF anzuschließen. 23 soll trachten, so schnell wie möglich zu Ehmann, Maria Filz, Aurelia Moll – „zu - Die Österreichische Freiheitsfront hat - den Partisanen zu kommen. Ich wollte geladen“, wie Luise Reiter über ihren te – nachdem sich ihr Vertreter von aber nicht flüchten, weil ich fürchtete, eigenen Transport später schreiben soll - Widerstandsgruppen aus Judenburg, Vil - dass dann meine Eltern für mich verhaf - te. Das Ziel dieses Transports war das lach, Graz und Wien angeschlossen hat - tet werden würden.“ 26 So wurde sie am Konzentrationslager Ravensbrück, das ten – im Frühjahr 1944 mit dem bewaff - 12. Juli 1944 in Bad Tatzmannsdorf fest - sie nach acht Tagen erreichten und in das neten Kampf begonnen, indem sie unter genommen und zur Gestapo nach Graz die Frauen Mathilde Auferbauer auf anderem Anschläge auf Eisenbahnanla - überstellt, wo sie schwer misshandelt einer Bahre tragen mussten. Dort erhielt gen durchführten. Gleichzeitig verbreite - wurde. „Sie wollten von mir Namen sie die Häftlingsnummer 85.228. ten sie Flugblätter und das Programm der wissen. Ich habe aber nichts gesagt. Da Die Zeit in Ravensbrück verbrachte sie ÖFF, in dem sie unter anderem zum hat mir der eine mit dem Stock übers – da sie nicht gehen konnte – im Kran - „Kampf mit allen uns zur Verfügung ste - Kreuz geschlagen. Mir wurde schwarz kenblock. Mehrmals sollte sie im Rah - henden Mitteln einschließlich Waffen- vor den Augen.“ 27 men von Selektionen vergast werden. gebrauchs gegen die faschistischen Als sie wieder aufwachte, konnte sie „Der Lagerarzt, Dr. Winkelmann, ging Okkupanten und ihre österreichischen ihre Füße nicht mehr spüren. Ihr zwischen den Pritschen durch die Ba - Helfershelfer“ aufriefen und für die „Er - Wunsch, einem Arzt vorgeführt zu wer - racken und bestimmte mit erhobenem

1/20 22 Beiträge des Schwedischen gleichzeitig auch für die Agitprop-Abtei - Roten Kreuzes ab - lung der ÖFF zuständig war. transportiert wurde. In dieser Zeitung wurde der Bevölke - „Es folgten“ – wie sie rung des Bezirkes unter anderem auch später berichtete – der neue politische Aufbau im Bezirk „lange und bange vorgestellt. Allen Beamten in den Äm - Stunden. Wir wurden tern wurden – da man diese vielfach in ein anderes Objekt nicht sofort austauschen konnte – Beige - [eine andere Baracke] ordnete der Partisanen bzw. Antifaschis - gebracht. Dort mus - ten zur Seite gestellt. So war Karl Aufer - sten wir warten, bis bauer bis zum 12. Mai auch noch Beige - die Listen und andere ordneter der Polizeidirektion, ehe er ne - Formalitäten erledigt ben seiner Zeitungstätigkeit als Bei- waren. Wieder stan - geordneter für das Arbeitsamt fungierte. den meine Kamerad - Da nach der Befreiung vom NS-Regi - innen um mich me in Leoben kein Geld vorhanden war, Wache, um jeden schlug Karl Auferbauer anlässlich einer Zwischenfall auszu - der ersten Sitzungen der ÖFF vor, Be - schließen. Einmal zirksnotgeld aufzulegen. Diese Idee wur - konnte ich mei nen de allerdings nicht weiterverfolgt. An - neuen Namen in der ders war es aber in anderen Bereichen: Aufregung nicht sa - So begann die ÖFF in verschiedenen Un - gen, da rief eine ne - terausschüssen das öffentliche Leben im ben mir gleich den Bezirk wieder in Schwung zu bringen. Namen für mich. Und Es wurden ein Handels-, Gewerbe- und es klappte. Endlich Industrieausschuss, Ausschüsse für wurden wir in die Ernährung, Verkehr, Sicherheit, Gesund - Rettungs wagen ver- heit, Schulwesen usw. ins Leben geru - Karl Auferbauer (1900–1988) laden und der Trans - fen, die sowohl für die Wiederaufnahme port fuhr ab. Eine um - des Betriebs der Alpine Montangesell - oder gesenktem Daumen das Schicksal ständliche Reise nach Kopenhagen, dann schaft oder des Eisenbahnverkehrs als der Häftlinge. Die begleitende SS-Ober - auf dem Transport nach Helsinborg. Wir auch für die Verteilung der Lebensmittel schwester machte hiezu mit dem Bleistift waren im neutralen Ausland.“ 31 Zu die - zuständig waren. Zudem wurde mit der die nötigen Notizen. Dreimal senkte der sem Zeitpunkt wog Mathilde Auferbauer Entnazifierung der Ämter genauso be - Lagerarzt auch über mich den Dau - nur mehr 39 Kilogramm. Sie blieb über gonnen wie ehemalige Nationalsozialis - men.“ 28 Durch die Unterstützung der ein Jahr in Schweden, wo sie endlich ten und Ariseure verhaftet wurden. Die - illegalen Lagerorganisation – allen voran eine Behandlung ihres Rückens – Sprit - ses Experiment eines Aufbaus von unten Mizzi Berner 29 – überstand sie diese zen, Massagen, Bäder usw. – erhielt. hatte aber nur so lange Bestand, als die Selektionen. Um sie vor einem Zugriff Dennoch blieb das Rückgrat verformt. sowjetischen Truppen Besatzungsmacht der SS fortan in Sicherheit zu bringen, Einige Wirbeln waren zusammengebro - in der Steiermark waren. Als die Briten verlegten sie sie auf Initiative von Anna chen, sodass sie zeitlebens sich nicht Ende Juli 1945 die Sowjets ablösten, Cadia, die bereits 1940 verhaftet worden mehr bücken konnte. wurde die Österreichische Freiheitsfront war, mit der Bahre in die Typhusbaracke aufgelöst, die von ihr eingesetzten und forderten die Männer im Lager auf, Leoben 1945 Beamten wieder entlassen und das Ober - Krücken für sie anzufertigen. 30 Im April Wenige Tage nachdem Mathilde Auf - steirische Tagblatt eingestellt. 1945 ließen sie sie offiziell „sterben“ erbauer in Schweden angekommen war, und statteten sie mit dem Namen einer wurde auch die Steiermark befreit. In Rückkehr 1946 verstorbenen Französin aus. Um aus ihr Leo ben übernahmen die aus den Bergen Am 2. August 1945 erhielt Karl Aufer - die Französin Madeleine Francoise zu kommenden Partisanen um Sepp Filz die bauer ein Antwortschreiben aus Wien, in machen, organisierten Kameradinnen Macht in der Stadt und im Bezirk. 32 Es dem ihm ein Vertreter des Zentralkomi - aus der Effektenkammer des Lagers eine wurde ein so genannter Dreierausschuss tees der KPÖ mitteilte, dass sich seine dunkle Brille und ein Kopftuch. Zudem der Österreichischen Freiheitsfront ge - Frau „laut unseren Informationen seit 3 wurden ihr die Haare gefärbt. bildet, wo Mitglieder der drei Parteien Monaten in Schweden befindet, und si - Als die Aktion Bernadotte anlief – das (KPÖ, SPÖ, ÖVP) vertreten waren. Die - cher die erste Möglichkeit wahrnehmen Schwedische Rote Kreuz unter Graf Fol - ser Dreierausschuss der ÖFF sollte der wird, um nach Hause zu kommen“. 34 Es ke Bernadotte war seit Februar 1945 in Ausgangspunkt für eine antifaschistische sollte schließlich noch bis Mai 1946 dau - Verhandlungen mit dem Deutschen Aufbauarbeit von unten sein. 33 Zu die - ern, ehe sie nach Leoben zurückkehrte. Reich über eine Betreuung bzw. später sem Zweck erschien ab dem 10. Mai Ihren Mann traf sie aber schon ein paar auch Freilassung skandinavischer KZ- 1945 eine von den Freiheitskämpfern Tage früher: Nachdem sie mit einem Häftlinge –, sorgten ihre Freundinnen herausgegebene Tageszeitung, das Ober - Flugzeug nach Prag gebracht worden und Genossinnen dafür, dass sie, die un - steirische Tagblatt mit einer Auflage von war, wo sie eine Leidensgenossin aus möglich einen Evakuierungsmarsch 35.000 Stück, für dessen Inhalt Karl Ravensbrück besuchte, mit der sie nach überlebt hätte, mit den „weißen Bussen“ Auferbauer verantwortlich zeichnete, der Schweden evakuiert worden war, ging

1/20 Beiträge 23 sie mit ihr zum Prager Bahnhof, um sich bereits Gegenstand ärztl. Behandlung. zu erkundigen, wann ein Zug nach Wien […] Die Minderung der Erwerbstätig - fahren werde. Dabei hörte sie am Bahnhof keit, welche allein auf die Haft und deren die Ansage: „Achtung, Achtung! Herr Folgen zurückzuführen ist, ist“ – so das Aufer bauer aus Österreich sucht seine Gutachten – „mit 50% einzuschätzen.“ 40 Frau Mathilde, die möglicherweise aus Trotz Berufungen und Anträge auf Wie - Schweden kommend in Prag Aufenthalt deraufnahme des Verfahrens blieb das genommen hat.“ Mathilde Auferbauer Amt bei der Herabsetzung des Renten - war – wie sie später schrieb – über diese betrags. In einem Schreiben an das Amt Begegnung „so sprachlos, wir konnten meinte Mathilde Auferbauer Anfang des kein Wort sprechen und haben uns nur Jahres 1954: „Der österreichische Staat ganz fest gehalten“. 35 Nach einigen hat ein Opferfürsorgegesetz geschaffen, Tagen konnte sie schließlich mit ihrem um den Opfern der vergangenen Ära in Mann nach Wien und von dort – ausge - gerechter und bestmöglicher Form ge - stattet mit Papieren – Mitte Mai 1946 recht zu werden, und ich erhebe An - endlich in die Steiermark, nach Leoben, spruch auf eine gerechte Behandlung. zurückkehren, wo sie – wie sie Jahrzehn - […] Ich habe in der vergangenen Ära te später festhielt – tief enttäuscht wurde. Bedrängten und Verfolgten geholfen, bis Zu m einen, da sie die Situation, die sie ich selbst der Verfolgung anheim fiel, „daheim vorfand“, bedrückt hat: „Ich und zwar in einer sehr dramatischen Opferausweis von Mathilde Auferbauer kannte doch die meisten Menschen, kann - Form. Ich wurde von der Gestapo auf das te auch ihre Einstellung.“ 36 Zum anderen Gröbste misshandelt, und zwar so, dass herausgegebenen Kulturzeitschrift als sie – wie viele andere aus dem Wider - ich durch lange Zeit gelähmt war. Durch Österreichischen Tagebuch vor: „Der stand, die sich für die Freiheit Österreichs die Schlägereien wurde mein Rückgrat Arbeiter ist geistig beweglich und eingesetzt und schwere physische und verletzt, Leber und Galle so in Mitlei - schlägt sich lieber mit einem Buch her - psychische Schäden erlitten haben – von denschaft gezogen, dass ich in den ver - um, als dass er etwas Nichtssagendes dieser Zweiten Republik als unbotmäßige gangenen Jahren mehrere Operationen läse; man kann, ja man muss für diese Bittstellerin behandelt wurde. 37 über mich ergehen lassen musste. […] Leserschaft etwas wagen, sie interessiert Mathilde Auferbauer hatte zunächst Die Misshandlungen, meine jahrelange sich neben ihrer eigenen Welt, der Indus- nach ihrer Rückkehr auf eine Opferrente Lähmung, alle Schrecken, denen ich ins trie, dem Bergbau und den Bergen, auch verzichtet und nur um die Rückgabe des Auge sehen musste, machten mich zu für Erziehung, soziale Probleme und von der Gestapo verschleppten Radio- dem was ich heute bin: einen seelisch Geschichte. Ich sah also die Möglichkeit, apparats und des ihr abgenommenen und körperlich ruinierten Menschen.“ 41 aus der materiellen Not unserer Zeit die Schmucks gebeten. 38 Erst als die wirt - meines Erachtens einzig richtige Folge - schaftliche Lage des Verlags und der Karl Auferbauer Verlag rung zu ziehen: das, was an Quantität Buchhandlung ihres Mannes so schlecht Karl Auferbauer hat noch im Juni 1945 (Seitenzahl, Papierqualität, Einband) war, dass sie kein Familieneinkommen im Auftrag der ÖFF eine GmbH für eine abgehen muss, durch Qualität zu erset - mehr hatten, beantragte sie Ende des Jah - Druckerei beantragt und 1946 den Karl zen, d.h. wenige, aber gute Bücher, mit - res 1948 eine Opferrente. Wegen der Auferbauer Verlag gegründet, in dem im unter auch Bücher geringen Umfangs, körperlichen Schäden, die sie während ersten Jahr der Gedichtband „Die stillen herauszubringen. […] Ich habe trotz der Haft er litten hatte, erhielt sie ab De - Götter“ von Rudolf Felmayer – eine mancher Enttäuschung an meinem litera - zember 1949 eine Opferrente, wobei die Neuauflage des 1935 mit dem Julius- rischen Programm festgehalten und wer - Minderung der Erwerbstätigkeit mit 75 Reich-Preis ausgezeichneten Buches –, de auch dieses Jahr wenig, aber aus - Prozent festgesetzt wurde. Anlässlich ei - „Das Bauernjahr“ von Karl Gugerell mit schließlich Wertvolles produzieren; ner Neubemessung der Rente wurde Holzschnitten von Carl Zahraddnik und soferne man nicht in den Wolken 1952 die Minderung der Erwerbstätig - Ernst Jirgals „Tantalos“ erschienen. schwebt, kann man auch davon leben. keit auf 50 Prozent zurückgestuft. Für 1947 verlegte Karl Auferbauer acht Einer Novelle von Adelbert Muhr wird diese Neueinschätzung wurde das ärztli - Bücher von Stefan Hochrainer, Franz der Roman einer jungen, in Palästina che Gutachten aus dem Jahr 1944 ver - Hrastnik, Ernst Jirgal, Jean Paul, Peter lebenden Österreicherin folgen“ – es wendet, als sie nach den Misshandlungen Rosegger, Erich Stegu, Ludwig Erik dürfte sich dabei um die Kinder- und durch die Gestapo in der Nervenklinik Tesar und Ivan Turgenjew, die teilweise Jugendbuchautorin Mira Lobe handeln. geröntgt wurde. In diesem Gutachten – wie schon im Jahr zuvor – mit Holz - „Weiter plane ich einen Eisenhütten - stand klarerweise nicht, dass die degene - schnitten österreichischer Künstler ver - roman, ebenfalls eines neuen Österrei - rativen Veränderungen in der Wirbelsäu - sehen oder überhaupt Mappen mit Holz - chers, und – wenn das Papier reicht – die le von den Misshandlungen herrührten, schnitten waren, wie etwa Otto Rudolf Neuauflage des Romans ,Blaue Donau, sondern „dass die Röntgenaufnahme der Schatz’ Mappe über „Peter Rosegger: ade!‘, den die ausgezeichnete Wiener Lendenwirbelsäule eine für das Alter un - Jakob der Letzte“ oder Friedrich Mayer- Schriftstellerin Herta Staub eben für die - gewöhnlich starke Spondylose […] er - Becks Holzschnittfolge zu „Miguel de sen Zweck bearbeitet und der mir heute gibt“. 39 Dies wurde 1952 zur Basis für Cervantes Don Quijote“ mit einem Text aktueller zu sein scheint als jemals.“ 42 die Bemessung der Erwerbstätigkeit, wo - von Ivan Turgenjew. Sein fortschritt - Mit Ausnahme des Romans „Der eiser - bei nun festgestellt wurde, dass die „Lei - liches, für die ArbeiterInnenschaft konzi - ne Berg“ des Leobner Autors Walter den in geringem Masse […] schon vor piertes Verlagsprogramm stellte Karl Scheucher erschien 1948 aber keines der der Inhaftierung bestanden und waren Auferbauer 1948 in der von der KPÖ hier genannten Bücher mehr. Die Krise

1/20 24 Beiträge im Buchhandel hatte auch den Karl Aufer - Sicherheitsdirektor Steiermark an das Bundes - 25/ Heimo Halbrainer: Widerstand und Verrat – bauer Verlag erfasst, weshalb Mathilde kanzleramt, 4.12.1937. Die Unterwanderung des steirischen Wider - Auferbauer Ende des Jahres 1948 um 11/ Brigitte Kaltenegger: Anna Cadia. Die rote stands durch V-Leute der Gestapo, in: Margit eine Opferrente ansuchte, da – wie sie Fürsorgerin von Leoben, in: Frauenreferat der Franz u.a. (Hg.): Mapping contemporary history. angab – sich die Lage im Buchhandel so KPÖ (Hg.): Frauen der KPÖ. Gespräche und Zeitgeschichten im Diskurs. Wien, Köln, Weimar verschlechtert hat, dass ihr Mann nicht Porträts. Wien 1989, S. 55–61. 2008, S. 321–349. mehr in der Lage ist, den Haushalt auf - 12/ DÖW 50.104/209, Mathilde Auferbauer: 26/ DÖW 901, Auferbauer: Frauenarbeit. recht zu erhalten. 43 Der Verlag wurde da - Abschrift eines Tonbands, März 1987. 27/ Redigierte Abschrift des Interviews mit her 1948 stillgelegt, und Karl Auferbauer 13/ StLA, OF 31-38/1992 (Mathilde Auferbauer), Mathilde Auferbauer für das Buch: Karin Berger versuchte zumindest seine Verlags-, Sor - Landesgerichtliches Gefangenenhaus Leoben, u.a. (Hg.): „Ich geb Dir einen Mantel, daß Du ihn timents- und Antiquariatsbuchhandlung Haftbestätigung für Mathilde Macher, noch in Freiheit tragen kannst.“ Widerstehen im weiter zu betreiben. 44 Doch auch dies 8.11.1952. KZ. Österreichische Frauen erzählen. Wien gelang letztlich nicht: 1952 stieg die Fir - 14/ Josef Martin Presterl: Im Schatten des 1987. Hier findet sich ein Auszug aus dem Inter - ma Leykam als Teil haberin in den Buch - Hochschwab. Skizzen aus dem steirischen view: Mathilde Auferbauer: Steh auf und geh handel ein und übernahm schließlich alle W iderstand, hg. und eingeleitet von Heimo Halb - (S. 207–210). Das Transkript des Interviews geschäftlichen Verpflichtungen. Ab rainer und Karl Wimmler. Graz 2010, S. 22f. wurde mir dankenswerterweise von Karin Berger 1955 war Auferbauer auch nicht mehr in 15/ DÖW 901, Mathilde Auferbauer: Frauen- und Elisabeth Holzinger zur Verfügung gestellt. seiner ehemaligen Buchhandlung in arbeit in Obersteiermark, o.D. [vor 1963]. Auch 28/ DÖW 4846, Mathilde Auferbauer: Mein Leoben beschäftigt, sondern bis zu seiner abgedruckt in: Widerstand und Verfolgung in Bericht über Ravensbrück, ca. 1950. Pensionierung in der Leykam-Zentrale in der Steiermark. ArbeiterInnenbewegung und 29/ Ein Brief an die ÖVS, in: Mitteilungsblatt der Graz. Karl Auferbauer starb am 7. Juni PartisanInnen 1938–1945, hg. vom Dokumenta - Österreichischen Vereinigung in Schweden , 1988, und Mathilde fünf Jahre später am tionsarchiv des österreichischen Widerstandes. Juni 1945, S. 6. 3. Jänner 1993. Graz 2019, S. 519f. 30/ Kaltenegger: Anna Cadia, S. 60. 16/ StLA, Reichsstatthalter, RSt 537/30/1942, 31/ DÖW 4846, Auferbauer: Ravensbrück. Anmerkungen: Leoben, kommunistische Schmieraktion. Fern - 32/ Heimo Halbrainer: Sepp Filz: Widerstand, 1/ ZPA der KPÖ, Karl Auferbauer an das schreiben Sigfried Uiberreither an Erwin Röse - Befreiung und Wiederaufbau 1945, in: Mitteilun - Zentralkomitee der KPÖ, 21.7.1945. ner, 2.12.1942. gen der Alfred Klahr Gesellschaft , 22. Jg. 2/ Maria Filz: Die „Hitlerstraße“, in: Obersteiri - 17/ DÖW 21.062/34, Nachtragsanklage des (2015), Nr. 2, S. 24–26. sche Tagblatt , 1.7.1945; Luise Reiter: Mein Lei - Reichskriegsanwalts gegen Johann König und 33/ Heimo Halbrainer: „Im Freiheitskomitee ist densweg ins Konzentrationslager, in: Obersteiri - Richard Götzinger, 10.3.1942. nicht gefragt worden, welcher Parteirichtung der sche Tagblatt , 8.6. und 9.6.1945. 18/ Aufruf zur Bildung der Freiheitsfront. (Im einzelne angehört“ – Die Volksfrontkonzeption 3/ Christian Neissl: Die Wehrpolitik der Sozial - Sender „Freies Österreich“, am 22. und 23. Ok - in der Praxis am Beispiel der Österreichischen demokratie im Spiegel ihrer Parteiprogramme tober 1942). Abgedruckt in: Die KPÖ im Kampf Freiheitsfront in Leoben 1945, in: Claudia Kuret - von 1945 bis zum Ende des Kalten Krieges. für Unabhängigkeit, Demokratie und sozialis - sidis-Haider/Manfred Mugrauer (Hg.): Diplomarbeit Universität Wien 2008, S. 17–24. tische Perspektive. Sammelband. Wien 1978, Geschichtsschreibung als herrschaftskritische 4/ Die Gründung des ASKÖ Ortskartells, in: S. 133–138. Aufgabe. Beiträge zur ArbeiterInnenbewegung, Arbeiterwille , 8.1.1927. 19/ Mile Pavlin: Die Vorgeschichte der Partisa - Justizgeschichte und österreichischen 5/ ZPA der KPÖ, Karl Auferbauer: Lebenslauf, nengruppe Leoben-Donawitz, in: Vestnik Koro - Geschichte im 20. Jahrhundert. Festschrift für o.D. [1945]. Wenn nicht anders angegeben, so skih Partizanov , Nr. 1–2/1988, S. 23–28. Hans Hautmann zum 70. Geburtstag. Inns - basieren die biografischen Angaben auf diesem 20/ Siehe dazu: Werner Anzenberger: Partisa - bruck, Wien, Bozen 2013, S. 181–198. Lebenslauf. nen: Militärischer Widerstand an der Eisen - 34/ ZPA der KPÖ, Zentralkomitee der KPÖ an 6/ Franz Walcher: So arbeiten die Leobner straße, in: ders./Christian Ehetreiber/Heimo Karl Auferbauer, 3.8.1945. Roten Spieler, in: Die Politische Bühne , Nr. 5/6 Halbrainer (Hg.): Die Eisenstraße 1938–1945, 35/ Interview mit Mathilde Auferbauer. (1933), S. 98f; Auch das gibt es!, in: Die Politi - S. 123–169; Heimo Halbrainer: Sepp Filz und 36/ Ebd. sche Bühne , Nr. 2 (1933), S. 46f; Arbeiterwille , seine Zeit. Ein Donawitzer Arbeiter auf der 37/ Andrea Strutz: Wieder gut gemacht? Opfer - 15.1.1933. Allgemein dazu: Susanne Eiselt- Walz, im Widerstand und beim Wiederaufbau. fürsorge in Österreich am Beispiel der Steier - Weltmann: Das „Politische Kabarett“ und die Diplomarbeit Universität Graz 1993; Max mark. Wien 2006. „Roten Spieler“. Agitation und Propaganda der Muchitsch: Die Rote Stafette. Vom Triglav zum 38/ StLA, OF 31-38/1992, Mathilde Auferbauer: österreichischen Sozialdemokratie 1926–1934. Hochschwab. Wien 1985; ders., Die Partisanen - Fragebogen für den Landesverband ehemalig Dissertation Universität Wien 1987, S. 172–175. gruppe Leoben-Donawitz. Wien, Frankfurt/M., politisch Verfolgter, 14.11.1946. 7/ ZPA der KPÖ, Auferbauer: Lebenslauf. Zürich 1966 (Monographien zur Zeitgeschichte. 39/ Ebd., Mathilde Auferbauer: Antrag auf Wie - 8/ RGASPI 495/80/381/75f., Berichte des ZK über Schriftenreihe des Dokumentationsarchivs des deraufnahme des Verfahrens, 10.7.1954. die Lage der SP, Oktober 1933 (Kopie in DÖW österreichischen Widerstandes). 40/ Ebd., Landeskrankenhaus Leoben an die 51.611/4); Barry McLoughlin: Die Partei, in: 21/ DÖW 901, Auferbauer: Frauenarbeit. Opferfürsorge der Steiermärkischen Landes - ders./Hannes Leidinger/Verena Moritz: Kommu - 22/ Christl Wagner: „Bersch“, in: Muchitsch: Die regierung, 3.10.1952. nismus in Österreich 1918–1938. Innsbruck, - Rote Stafette, S. 353–358. 41/ Ebd., Mathilde Auferbauer an die KZ- Wien, Bozen 2009, S. 259–369, hier S. 307. 23/ Siehe DÖW 21.062/85c, Feldurteil des Betreuungsstelle, 7.1.1954. 9/ Hans-Peter Weingand: Die KPÖ und der Reichskriegsgerichts gegen Johann Bachler 42/ Karl Auferbauer: Ein Verlagsprogramm aus Februar 1934. Mit den internen Berichten der u.a., 21.12.1944; Feldurteil gegen Franz Has- Leoben, in: Österreichisches Tagebuch , 5.3.1948. KP-Bezirksgruppen und Karten des Bundes - linger u.a., 5.3.1945. 43/ StLA, OF 31-38/1992, Mathilde Auferbauer heeres. Graz 2020. 24/ Zit. nach DÖW 21.062/85a, Anklageschrift an Bezirkshauptmannschaft Leoben, 12.5.1949. 10/ Steiermärkisches Landesarchiv (StLA), des Oberreichskriegsanwalts gegen Franz Has - 44/ Konzessionsverleihungen, in: Österreichische BKA, Stmk 22/1937 II, Fol 1-500, hier 337, linger und Johann Fürst, 2.1.1945. Buchhändler-Correspondenz , Nr. 1/1947, S. 7.

1/20 Beiträge 25 Max Maetz: Weilling Land und Leute HelMut rizy m Jahr 1972 erschien in der Eremiten- stücke auftauchten, und ungefähr so un - Max Maetz“. Autor war der DDR- Presse , einem in Düsseldorf beheima - zusammenhängend waren wie Max Schriftsteller und Journalist Konrad Iteten Verlag, von dem man wusste, Maetzens Texte, die allerdings eine Sog - Schmidt, der in Linz mit seinem Kolle - dass er nur weitgehend unbekannte Au - wirkung erzeugten, gerade weil der Au - gen Franz Kain zusammentraf, der ihn torinnen und Autoren publizierte, ein tor auf Teufel komm raus dahinschwa - nach einem langen nächtlichen Ge - Roman in zwei Bänden mit dem Titel derte, vom Hundersten ins Tausendste spräch, in dem Schmidt zugeben musste, „Weilling Land und Leute“, worüber kam, um schließlich beim Zehnten oder nichts über Max Maetz zu wissen, noch groß in Fraktur „Bauernroman“ überhaupt beim Ersten zu landen. Man anderntags mit dem „Entdecker, Mentor prangte. Und auch der Name des Autors musste weiterlesen, denn so ungelenk und nunmehrigen Nachlaßpfleger“ des – Max Maetz –, von dem man noch nie manches auf den ersten Blick daherkam, Max Maetz, dem Schriftsteller Karl Wie - gehört hatte, verlockte vorerst wohl so entpuppte es sich insgesamt doch als singer bekannt machte. kaum, nach dem Roman zu greifen. sehr gelenk. Und es hatte Witz, auch Dieser zeigte ihm eine Mappe mit Ori - Eingeweihte entsannen sich mög- wenn sich gelegentlich beim Lesen die ginalen und Durchschlägen der Korres- licherweise des Namens, denn das erste Haare sträubten. Wenn da etwa gleich zu pondenz des Max Maetz mit Zeitschrif - Kapitel des Romans „Einmal auf der Beginn die Rede vom Todesmarsch der ten und Verlagen, Plakate für Lesungen, Frankfurter Buchmesse sein“ war zwei ungarischen Juden die Rede ist: Rezensionen und Polemiken, Mitteilun - Jahre zuvor in der von Otto Breicha ge - mein vater hat ein ende gehabt wie es gen über erhaltene literarische Preise, leiteten Literaturzeitschrift PROTO - im buche steht | er hat neunzehnhundert - einige Fotos, die gedruckte Todesanzei - KOLLE erschienen. War das nicht dieser fünfundvierzig einen zug von gefangenen ge, eine Meldung der Oberösterreichi - irre Bauer aus der Umgebung von Linz, | angeblich einen endlosen | zu fuß be - schen La ndeskorrespondenz über den der seine Texte nicht nur in strenger gleitet von melk und mauthausen bis tödlichen Unfall des Ökonomierates Max Kleinschreibung verfasste – damals ge - nach ebensee | oder hätte begleiten sol - Maetz, Auszüge einer Sendung von radezu revolutionär –, sondern darüber len | aber der weg ward ihm zu lang | er RIAS Berlin, Foto kopien von Überset - hinaus auch keinerlei Satzzeichen ver - hat auch | wie mutter sagte | das elend zungen ins Amerikanische, Verlagsab - wendete – alles ohne Punkt und Komma. nicht mehr mit ansehen können den hun - rechnungen über gezahlte Honorare und Der Roman erntete neben euphori - ger die fußkrankheiten die vielen toten viele handschrift liche Notizen. Und Wie - schen Rezensionen auch Verrisse; man - die straße entlang weil sie umfielen wie singer schlug vor, zum Bauernhof des chen war die Geschichte des Bauern - die fliegen | und erschossen wurde wer Max Maetz zu fahren, was dann auch ge - dichters und seines Romans vertraut – nicht weiter konnte schah, wie Konrad Schmidt schrieb: und andere konnten und wollten diese der bauer sagt | bei dem ich arbeite | „Zehn Minuten später saßen wir in den nicht vergessen. Nun also lagen die Tex - das waren alles verbrecher aus konzen - Autos und schlängelten uns durch das te, die im Jahr zuvor in Oberösterreich trationslagern die keinen herrgott kann - vormittäg liche Verkehrschaos in Rich - und darüber hinaus sowohl für Furore ten | und mein vater hat die truppe ohne tung südwestlicher Stadtrand. Karl in sei - und dann auch für Furor gesorgt hatten, recht verlassen | und recht geschah ihm | nem 2 CV an der Spitze fuhr so artistisch, in gebundener Form vor. Und man er - er wollte in den wald | bei sankt florian daß ich Mühe hatte mit meinem Trabant fu hr, wer dieser Max Maetz ist, oder doch haben ihn die leute vom eigruber gestellt den Anschluß nicht zu verlieren.“ eigentlich war: „Geboren 1945 bei Asten und auf einem baum am halse aufge - Nachdem sie selbstverständlich im (Oberösterreich) auf der Flucht vor dem hängt bis er tot war | und noch länger Bauernhof niemand vorgefunden hatten, Krieg. Landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, schon gestunken hat | und ich schäme da die Kadi Maetz ja bei einem Auto - Traktorist, Agronom. Vorliebe für Dirndln mich meines vaters der ein landesverrä - unfall umgekommen war und der Max (Mädchen), Wein, Kultur und Agrikultur. ter und ein hochverräter war am deut - mit dem Traktor auf dem Feld tödlich Geheime Verbindungen zu Oberweltkri - schen volk und der sich geweigert hat verunglückt war, wurde der DDRler minellen und Untergrundkünstlern. Erste gefangene zu schließlich im Wirtshaus mit dem so tra - Schreibarbeit: Geschichten aus der Hei - Abrupte Unterbrechungen mitten im gisch ums Leben gekommenen Schrift - mat, ein etwa 120 Seiten starker ,Roman‘ Satz, der ohnehin keiner sein soll, ist das steller und seinem Werk ausführlich ver - mit dem Titel: Bauernroman, Weilling eine, und man mag sich mit der Zeit ge - traut gemacht. Da war dann die Rede von Land und Leute. Lebt auf dem Land nahe fragt haben: Unbedarftheit oder Stil - der geradezu historischen Lesung vom Linz. Erste Schreibversuche wurden mittel? Aber es war doch nur eine kleine 12. März 1971, zu der Plakate in ganz angeregt durch die Bekanntschaft mit Facette in einer viel größeren Geschich - Linz eingeladen hatten. Zuerst las Wal - Koller, Ringel und Prießnitz. Seit 1970 te, die in ihrer Gesamtheit möglicher - traud Seidlhofer, doch als sie endete, war verheiratet mit Katharina Dirngruber und weise manche DDR-Bürger eher mitbe - Max Maetz noch immer nicht aufge - durch sie Groß bauer.“ kamen als viele von Max Maetzens taucht. Glücklicherweise hatte Karl Wie - Manchem und mancher half das nicht Landsleuten. singer den Schauspieler Reinhard Ablin - weiter. Also mussten er oder sie in den 1977 erschien in der Edition Leipzig ger gebeten, gegebenenfalls einzusprin - Roman hineinlesen, um vielleicht zu er - ein Buch mit dem Titel „Über Wien nach gen. Dieser las dann auch zwei der Texte fahren, weshalb sich um den Roman ver - Österreich“ mit einem Kapitel von Max Maetz, doch zuvor leitete Wie - schiedene Gerüchte rankten, von denen „BRUCKNER BRUDER DER FELDER singer noch ein, wobei er vermerkte: davor aber zumeist immer nur Bruch - oder: die kurzen nützlichen Leben des „Max Maetz ist ein Findling in des Wor -

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Hans Klamper (1921–2020) ans Klamper wurde am 19. Mai H1921 in Wien geboren, wo er das Akademische Gymnasium be - suchte. 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs aufgrund seines jüdi - schen Hintergrunds der Schule ver - wiesen, gelang ihm im April 1939 die Ausreise nach London, wo er eine Lehre als Automechaniker be - gann und sich in der Exilorganisa- tion Young Austria engagierte. Im Mai 1940 wurde er für 20 Monate auf der Isle of Man und in Kanada interniert. 1942 trat Klamper dem Karl Wiesinger narrte als „Max Maetz“ den Literaturbetrieb Kommunistischen Jugendverband bei und setzte seine Aktivitäten für tes wahrstem Sinn. Ein ,ärarischer Blog‘, die Oberösterreichische Landeskorres- Young Austria , auch als Leitungs - wie er sagen würde. Und wer ihn mit sei - pondenz vermeldete. Ein Reporter vom mitglied, fort. Am 29. Juli 1943 hei - nen klobigen Bauernhänden auf der win - Volksblatt fuhr im schwarzen Anzug mit ratete er in Birmingham Margarete zigen Adler-Schreibmaschine seine Ge - Blumenstrauß zum „Begräbnis“ auf den Donnebaum, die ebenso bei Young schichten hat tippen sehen, der vergißt Weillinger Friedhof. Anderen war aller - das nie wieder. Das ist etwa umgekehrt dings schon über den kleinen Kreis von wie ein André Gide oder Jean Cocteau Mitspielenden hinaus klar, dass sie einem im Steinbruch. Doch gab’s für die beiden Streich aufgesessen waren. Bitterbös rea - keinen Steinbruch. Max Maetz und die gierten nur die Gefoppten in der Boule - kleine Schreibmaschine aber gibt es.“ vardpresse; da war von einem „Gipfel - Zwei Tage später konnte man unter punkt der Gewissenlosigkeit“ die Rede. dem Titel „Max Maetz: Großbauer und Mit der Veröffentlichung der Max Dichter“ in der Kronen-Zeitung lesen: Maetz-Texte in der Eremiten-Presse „Den Höhepunkt erreichte die Veranstal - erlebte der Autor schließlich noch eine tung, als R. Ablinger Ausschnitte der Auferstehung in der BRD, und St. Flo- ersten literarischen Arbeiten von Max rian wurde zeitweilig sogar zu einem Maetz vortrug.“ Und: „Der Charme sei - literarischen Wallfahrtsort. ner Prosatexte liegt in dem urwüchsigen, Nach Karl Wiesingers Tod schrieb humorvollen und faszinierenden naiven Franz Kain: „Dieser merkwürdige Groß - Stil, mit dem er – nicht ohne Bosheit kri - bauernroman ist ja eine Provokation in tisiert und erzählt.“ Maetz sei ein „Natur - vielerlei Hinsicht, eine Rache für erlittene dialektiker“, hieß es da schließlich. Das Unbill in der Anerkennung eines eigen - Hans und Grete Klamper im engli - Tagblatt stellte fest, dass in Maetz’ „Nai - willigen Literaten. Er war ein von Litera - schen Exil (1944) (Young Austria-Doku 2014) vität“ „Humor und Ironie und große turpäpsten Verfolgter und, nennen wir das Kenntnis der Schwächen der Mit - Kind beim Namen, ein politisch Verfolg - Austria engagiert war. 1943 melde - menschen“ steckten. „Schonungslos ter. Jetzt werd ich euch einmal gründlich te sich Hans Klamper als Freiwilli - werden mit feiner Bosheit Auswüchse hinters Licht führen, ihr Klugscheißer und ger zur britischen Armee, um am unserer Zeit aufgezeigt.“ Speichellecker im Gewand der Literatur - Kampf gegen Hitlerdeutschland Max Maetz konnte sich allerdings sei - richter; das war sein Ansporn.“ teilzunehmen. Über Belgien, die nes Ruhms nur wenige Monate erfreuen. Dank der Neuauflage durch den Pro - Niederlande und Deutschland kam Im Juli schrieb Peter Kraft in den Ober - media-Verlag ist Max Maetz’ Bauern - er im Mai 1946 als Soldat nach österreichischen Nachrichten in Bezug roman „Weiling Land und Leute“ nach Österreich zurück. auf den Bauerndichter: „Sollte Karl Wie - langem wieder erhältlich. In einem Hans Klamper war in weiterer singer selbst der Verfasser dieser Weil - Nachwort zeichnet Helmut Neundlinger, Folge im Wirtschaftsapparat der linger Geschichten und der geistige der sich schon zuvor um die Wiederver - KPÖ tätig. Bis zu seiner Pensionie - Vater ihres Autors, also mithin sein eige - öffentlichung von Werken Karl Wiesin - rung im Jahr 1983 arbeitete er als ner Großvater sein, dann hat er immerhin gers verdient gemacht hat, dessen Arbeit Geschäftsführer des Speditions - die zeitweise recht monotone Literatur - am Bauernroman auch anhand von Wie - unternehmens Express , in das er im szene Oberösterreichs ein wenig belebt. singers Tagebuch-Eintragungen nach. September 1947 eingetreten war. Es lebe deshalb das Pseudonym und es Klamper starb am 5. März in Wien. lebe die Mystifikation!“ Max Maetz: Bauernroman. Weiling Land Unser Mit gefühl gilt seiner Frau Und so ereignete sich dann eben im und Leute. Wien: Promedia 2019, 160 S., Grete und seiner Familie. November der tödliche Unfall, den sogar 19,90 Euro

1/20 Rezensionen 27 „Ein Buch in frischem Pink“ – oder: Wie man eine Biografie nicht schreiben sollte Anmerkungen zur Studie von Mona Horncastle über Margarete Schütte-Lihotzky MArcel boiS

ür einige Tage stand Margarete schäftigung wider: Obwohl die Wienerin dungsromans entspricht, eingebettet in Schütte-Lihotzky (1897–2000) bis kurz vor ihrem Tod aktiv war, zuletzt teils ausführliche historische Kontexte“. Fwieder in der Öffentlichkeit. Als vor allem als mahnende Zeitzeugin, liegt Bei der Lektüre von Schütte-Lihotzkys sich am 18. Jänner dieses Jahres ihr der Schwerpunkt der Forschung auf ihrer Erinnerungen seien daher „die Faktoren Todestag zum 20. Mal jährte, erinnerten ersten Lebenshälfte – und hier wiederum der Subjektivität und schlicht der ‚Diffe - Radio, Fernsehen und Printmedien um - vor allem auf drei relativ kurzen Phasen: renz zwischen zwei Zeitebenen, der Ab - fangreich an die Architektin. Das Wien ihren ersten Berufsjahren im Roten Wien fassungszeit und des beschriebenen Aktes Museum veranstaltete einen „Abend für (1920–1925), der Tätigkeit für das Neue oder Seelenzustands‘, einzukalkulieren“. 8 Margarete Schütte-Lihotzky“ mit Lesun - Frankfurt (1926–1930) und ihrer Wider - Um es vorweg zu nehmen: die Quellen gen und Musik, zu dem 300 Gäste er - stands- und Gefängniszeit (1940–1945). kritisch lesen, andere Fragen stellen und schienen. Und im Vorfeld des Jahrestags Wenig Beachtung fanden hingegen bis - neue Perspektiven einnehmen – all das wurden gleich mehrere Bücher zu Leben lang wichtige Epochen wie Schütte- erfüllt Horncastles Buch nicht. Zwar und Werk der Wienerin veröffentlicht. 1 Lihotzkys Aufenthalt in der Sowjetunion gehört zu den wenigen positiven Aspek - Sogar ein Bastelbogen zur „Frankfurter (1930–1937), das französische Exil ten, dass die Autorin sowohl Schütte- Küche“ ist kürzlich erschienen. Hier (1937/38), ihre Tätigkeit in der DDR Lihotzkys politisches Engagement in der lässt sich nun Schütte-Lihotzkys (1966) und ihr politisches Engagement Nachkriegszeit als auch ihren verspäte - berühmtestes Werk auf einer Fläche von in der Nachkriegszeit, etwa als Vorsit - ten Ruhm thematisiert. Zudem ist lobend 9 x 18 cm mit Papier und Pappe für den zende des KPÖ-nahen Bunds demokrati - hervorzuheben, dass die „bekennende heimischen Gebrauch nachbauen. 2 Wei - scher Frauen Österreichs .6 Sprachfetischistin“ (S. 287) ihr Hand - tere Arbeiten sind angekündigt. 3 Diese einseitige Rezeption resultiert werk versteht: Der Band ist gefällig ge - Unter den neuen Büchern befindet sich zum Teil auch daraus, wie Schütte- schrieben. Im historischen Präsens ver - auch ein Band der deutschen Autorin Lihotzkys eigene „life narratives“ ange - fasst und mit zahlreichen Abbildungen Mona Horncastle mit dem vielverspre - legt sind. Denn sie umfassen genau jene ausgestattet lässt er sich gut konsumie - chenden Titel „Margarete Schütte- Jahre, die nun auch öffentlich rezipiert ren. Leserinnen und Lesern, die sich bis - Lihotzky. Architektin. Widerstands - werden: So behandelt ihr 1985 veröffent - lang nicht mit dem Leben der Architek - kämpferin. Aktivistin“. In der Presse ist lichtes Buch „Erinnerungen aus dem tin auseinandergesetzt haben, bietet er die Publikation bisher weitgehend posi - Widerstand“ die Jahre 1938–1945, der zweifellos einen guten Einstieg. Doch tiv besprochen worden. 4 „Ein Buch in posthum erschienene Band „Warum ich ansonsten ist diese Publikation in vieler - frischem Pink, mit Leichtigkeit geschrie - Architektin wurde“ konzentriert sich auf lei Hinsicht problematisch. ben“, hieß es im Standard . Horncastle die Zeit von 1915 bis 1930. 7 Selbstbewusst nennt die Autorin ihr habe einen „gut recherchierten biografi - Die Aufgabe einer zeitgemäßen For - Werk im Untertitel „Die Biografie“. schen Abriss“ abgeliefert, notierte unter - schung zum Leben und Werk Schütte- Tatsächlich liegt trotz der umfangreichen dessen Matthias Dusini im Falter . „Eine Lihotzkys wäre es also, sich von diesen Literatur, die seit den 1990er Jahren er - neue Biografie, die alle Lebensaspekte zeitlichen Schwerpunkten zu lösen und schienen ist, noch keine monografische der in Österreich lang ignorierten Archi - stattdessen weniger bekannte Phasen in Schrift zum Leben der Architektin vor. tektin erfasst, alle Wege und Irrwege, den Blick zu nehmen. Zudem könnte sie Insofern leistet Horncastle hier Pionier - war längst fällig“, schrieb Günther Hal - neue Fragen stellen – etwa nach der Ver - arbeit. Doch den Ansprüchen an eine ler in der Presse . „Die Kunsthistorikerin ortung der Architektin in politischen und zeitgemäße Biografik wird ihr Buch kei - und Klimt-Biografin Mona Horncastle beruflichen Netzwerken oder danach, neswegs gerecht. Nur selten gelingt es hat sie nun vorgelegt.“ 5 Das lässt auf - unter welchen Bedingungen ihre „Wie - der Autorin, sich von den Selbstbeschrei - horchen. Denn bis heute gestaltet sich derentdeckung“ in den 1980er Jahren bungen Schütte-Lihotzkys zu lösen. die Rezeption von Schütte-Lihotzkys vonstattenging, nachdem sie mehrere Stattdessen gibt sie unkritisch zahlreiche Leben sehr einseitig. Außerhalb Öster - Jahrzehnte lang als Kommunistin, der altbekannten Anekdoten wieder. reichs ist die Architektin ohnehin nur in Widerstandskämpferin und Frau gesell - Wenn Horncastle zudem schreibt, Schütte - Fachkreisen bekannt. Doch selbst in ih - schaftlich ausgegrenzt worden war. Lihotzky sei bereits „von früher Jugend rer Heimat, wo sie durchaus eine promi - Zur Beantwortung dieser Fragen wäre an mit drei zentralen Fragen konfrontiert, nente Figur ist, beschränkt sich die Zu - unter anderem eine kritische Reflexion die […] in ihrem Leben eine zentrale schreibung auf wenige Felder: Schütte- von Schütte-Lihotzkys Erinnerungs- Rolle spielen werden“ (nämlich der De - Lihotzky gilt als die erste Architektin texten notwendig. Zurecht hat Bernadet - mokratiefrage, der sozialen Frage und ihres Landes, als Erfinderin der „Frank- te Reinhold kürzlich auf den konstruier - der Frauenfrage), dann macht sie genau furter Küche“ und als Heldin des Wider - ten Charakter von „Warum ich Architek - das, wovor Pierre Bourdieu Autorinnen stands gegen die Nazi-Diktatur. tin wurde“ hingewiesen. Das Buch folge und Autoren warnte – nämlich der „bio - Diese Schieflage spiegelt sich auch in „einer klaren, chronologischen Struktur, grafischen Illusion“ zu verfallen und der bisherigen wissenschaftlichen Be - die dem literarischen Äquivalent des Bil - eine Lebensgeschichte als logische und

1/20 28 Rezensionen Buches. Dies gilt etwa für die Darstel - widmet sie den allergrößten Teil ihres lung der Reise zu Bruno Taut in Japan Textkorpus, nämlich fast zweihundert (1934) oder auch für den Teil über die Seiten. Anschließend handelt sie die rest - späte Sowjetzeit. In beiden Fällen be - lichen 55 Lebensjahre – immerhin mehr zieht sich die Autorin auf Briefe und als die Hälfte von Schütte-Lihotzkys Postkarten von Schütte-Lihotzky an ihre Leben – auf gerade mal vierzig Seiten Schwester Adele Hanakam. Überaus ab. Davon entfallen wiederum mehr als spannend zu lesen sind auch jene knapp ein Drittel auf eine China-Reise, zu der dreißig Seiten, auf denen Horncastle ihre bereits eine umfängliche Dokumentation eigene Erzählung unterbricht und statt - vorliegt. 11 Die bestehenden Forschungs - dessen die Briefe dokumentiert, die Mar - lücken versucht Horncastle gar nicht erst garete aus dem Wiener Gefängnis an zu schließen. Adele und an Wilhelm geschickt hat Angesichts dieser haarsträubenden (S. 154–185). Doch selbst hier bleibt ein Herangehensweise fallen zahlreiche klei - Beigeschmack: Warum veröffentlicht sie nere inhaltliche Fehler fast gar nicht ausgerechnet diese Briefe – obwohl ein mehr ins Gewicht: So hieß die Sozial - Dokumentenband genau hierzu angekün - demokratische Partei Deutschösterreichs digt ist? Horncastle war sich dessen be - (SDAP) weder 1923 (S. 54) noch 1927 Margarete Schütte-Lihotzky (1937) wusst, schließlich weist sie in ihrem (S. 120) SPÖ, sondern erst seit 1945. Der Buch auf diesen Band hin. Schweizer Hans Schmidt war kein „Bau - zielgerichtete Abfolge von Ereignissen Womit wir bei einem nächsten Pro - haus-Architekt“ (S. 81) und Ludwig erscheinen zu lassen. blem des Buches wären: An mehreren Landmann keineswegs ein „liberaler Durch den umfangreichen Anmer - Stellen übernimmt Horncastle Gedanken Sozialdemokrat“ (S. 57), sondern Mit - kungsapparat und ein häufiges Rekurrie - von anderen Autorinnen und Autoren – glied der DDP. Und 1919 existierte mit ren auf den Nachlass Schütte-Lihotzkys ohne dabei auf deren Urheberschaft hin - Sicherheit kein „Parteiprogramm der an der Universität für angewandte Kunst zuweisen. Das Prinzip ist dabei immer KPdSU“ (S. 83). Denn die SU, also die erweckt Horncastle den Anschein, ihr dasselbe: Den Ursprung wörtlicher Zita - Sowjetunion, wurde erst 1922 gegründet, Buch sei das Produkt eines intensiven te, die sie aus Fremdtexten „klaut“, be - die Kommunistische Partei des Landes Quellenstudiums. Doch beim genaueren legt sie in den Anmerkungen. Woher erst 1952 in KPdSU umbenannt. Darüber Hinsehen wird deutlich, dass dies keines - aber die dazugehörigen Kontexte und hinaus übernahm Schütte-Lihotzky wegs der Fall ist. Dokumente zum Leben Thesen stammen, gibt sie nicht an. Um Anfang 1932 sicherlich nicht die „Bau - und Werk von Margarete Schütte- es nur an drei Beispielen zu belegen: leitung in Magnitogorsk“ (S. 88) – und Lihotzky befinden sich weit verteilt in Einige Fakten zur Entstehungsgeschichte sie war auch nicht die „erste weibliche Archiven Österreichs und des Auslands. des Frankfurter Hochbauamts hat Horn - Architekturstudentin in Österreich“ Soweit es sich nachvollziehen lässt, hat castle ohne Nachweis aus einem Aufsatz (S. 7), sondern lediglich eine der ersten. Horncastle die allermeisten davon nicht von Renate Allmayer-Beck übernom - Hinzu kommen einige fehlerhaft besucht. Wenn sie Verweise auf Archiv - men. Hier verrät sie sich, weil sie auch beschriftete Bilder. So ist auf dem Foto bestände macht, hat es oftmals den eine dort zitierte Aussage des Frankfur - der Kollegen aus dem Frankfurter Hoch - Anschein, als hätte sie diese ungeprüft ter Oberbürgermeisters Ludwig Land - bauamt (S. 51) nicht wie behauptet Wil - aus der Sekundärliteratur übernommen. mann wiedergibt – und dabei den von helm Schütte zu sehen und der „Fünfte Selbst den umfangreichen Wiener Nach - dort stammenden unvollständigen Quel - von links“ auf dem Gruppenbild der lass hat sie offenbar nur sehr selektiv ge - lenverweis (in leicht abgewandelter „Brigade May“ (S. 79) ist nicht Ernst sichtet. Anders lässt sich beispielsweise Form) ebenfalls verwendet (S. 52). Der - May (der sich überhaupt nicht auf dem nicht die Behauptung erklären, dass es weil stammt der Abschnitt zu Schütte- Bild befindet). Außerdem steht auf der „keine schriftlichen Zeugnisse oder tie - Lihotzkys Aufenthalt in Sofia (S. 209) Rückseite des Fotos, das die Architektin fergehende mündliche Äußerungen von sinngemäß aus einem Text von Christine und Hans Wetzler zeigt, keineswegs Margarete Schütte-Lihotzky oder ihrem Zwingl. Auch hier fehlt ein entsprechen - „Schüti“ (S. 213) geschrieben, sondern Mann zu den Lebens- und Arbeitsbedin - der Verweis. Zudem basieren große Tei - „Schüli“ (als Abkürzung für Schütte- gungen“ in der Sowjetunion gäbe le der Darstellung von Schütte-Lihotzkys Lihotzky). Nicht zuletzt ist anzumerken, (S. 95). Denn im Archiv der Angewand - politischer Tätigkeit (S. 210, 214f., 220 dass die Angaben in einzelnen Fußnoten ten finden sich durchaus Texte über die - und 242–244) auf einem Aufsatz des unvollständig oder falsch sind (z.B. se Zeit. Auch zu der Behauptung, dass Rezensenten. Zum Teil übernimmt sie Anm. 16 und 216). über Schütte-Lihotzkys späteren Lebens - hier fast wörtlich die Gedanken. Doch Jede einzelne dieser vielen Ungenauig - gefährten Hans Wetzler (1905– 1983) abgesehen von einer Stelle verzichtete keiten ist für sich genommen verzeihlich. „wenig mehr bekannt ist, als dass er als Horncastle auch hier darauf, deren Doch in ihrer Häufung weisen sie auf ein Übersetzer arbeitet“ (S. 212), kann nur Urheber zu benennen. 10 Man ist geneigt, wenig sorgfältiges Arbeiten hin. Es hat jemand kommen, der die zwei Archiv - Teile dessen, was sie hier vorgelegt hat, den Anschein, als sei es Mona Horncast - boxen im Nachlass ignoriert, in denen als Pla giat zu bezeichnen. le in erste Linie darum gegangen, ihr sich ein umfassender Briefwechsel zwi - Horncastles Methode, sich vor allem Buch pünktlich zum runden Todestag schen den beiden befindet. 9 auf vorhandene Veröffentlichungen zu fertig zu bekommen, um die entspre - Die wenigen Stellen, an denen Horn - stützen, erklärt auch das seltsame Un - chende mediale Aufmerksamkeit zu er - castle eigene Archivstudien getätigt hat, gleichgewicht ihres Buches: Der weit - halten. Das ist ihr gelungen. Doch sie hat zählen zweifellos zu den stärkeren ihres gehend gut erforschten Zeit bis 1945 auch gezeigt: Eine wissenschaftlichen

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Standards entsprechende, kritische Bio - sequent modern? Margarete Schütte-Lihotzky heit zu geraten drohte. Frauen sind von grafie Margarete Schütte-Lihotzkys als Beraterin der Deutschen Bauakademie in der diesem Verschwinden aus der Erinne - muss noch geschrieben werden. DDR (S. 168–181); Karin Schneider: Über die rung noch stärker betroffen, da ihr Wir - Ordnung der Kochlöffel. Margarete Schütte- ken bereits zu Lebzeiten vergleichsweise Mona Horncastle: Margarete Schütte- Lihotzky im Kontext frauenpolitischer Anordnun - geringer honoriert wurde als das ihrer Lihotzky. Architektin. Widerstandskämp - gen der KPÖ zu Beginn der Zweiten Republik – männlichen Genossen. Und so gibt es, ferin. Aktivistin. Die Biografie. Mit eine Probebohrung (S. 268 –283). wie die Autorin das vorliegenden Bandes einem Nachwort von Uta Graff. Wien: 7/ Margarete Schütte-Lihotzky: Erinnerungen schreibt, „eine Leerstelle Frauenbiografi - Molden Verlag 2019, 304 S., 28 Euro aus dem Widerstand 1938–1945, hg. von Chup en betreffend, die in keinem Verhältnis Friemert. Hamburg 1985. Zeitgleich erschien zum tatsäch lichen Engagement von Anmerkungen: das Buch auch in einem DDR-Verlag, später Aktivistinnen, Politikerinnen, Gewerk - 1/ So erschien beispielsweise eine Neuauflage folgten mehrere Neuauflagen; Margarete Schüt - schafterinnen, Widerstandskämpferinnen von Schütte-Lihotzkys Memoiren: Margarete te-Lihotzky: Warum ich Architektin wurde, hg. und anderen bewegten und bewegenden Schütte-Lihotzky: Warum ich Architektin wurde, von Karin Zogmayer. Salzburg 2004 (zur 2. Auf - Frauen dieses Landes steht, denen in so hg. von Karin Zogmayer. Salzburg 2019 (2., ak - lage siehe Anm. 1). gut wie allen Parteien, Vereinen und tualisierte Auflage), sowie ein Band über ihren 8/ Bernadette Reinhold: Das dritte Leben. Über - Organisationen der Weg an die Spitze Mann Wilhelm Schütte: ÖGFA – Österreichi - legungen zu Margarete Schütte-Lihotzkys auto - verwehrt blieb“. sche Gesellschaft für Architektur/Ute Wadit - biografischen Arbeiten, in: Bois/Reinhold (Hg.): Die Wiener Historikerin Ina Markova schatka (Hg.): Wilhelm Schütte, Architekt. Schütte-Lihotzky, S. 52–68, hier S. 62 u. 65. leistet mit ihrer Biografie von Tilly Spie - Frankfurt – Moskau – Istanbul – Wien. Zürich 9/ Zu Wetzler siehe Marcel Bois: Soziale Bezie - gel einen wichtigen Beitrag, diese Leer - 2019. Siehe hierzu die Sammelrezension, auf hungen und kommunistische Netzwerke. stelle aufzufüllen. Die Betrachtete trafen der auch vorliegender Text basiert: Marcel Bois: Annäherungen an Hans Wetzler (1905–1983), „multiple Ausschlussmechanismen: Sie Das Architektenpaar Margarete Schütte-Lihotz - in: Bois/Reinhold (Hg.): Schütte-Lihotzky, war – in der Fremddefinition – Jüdin, ky und Wilhelm Schütte, in: H-Soz-Kult, S. 224–236. Frau, Linke – und schließlich auch noch https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb- 10/ Renate Allmayer-Beck: Margarete Schütte- exkommunizierte Kommunistin.“ Die 28133 [17.1.2020]. Siehe außerdem: Marcel Lihotzkys Tätigkeit am Frankfurter Hochbauamt, Entstehung des vorliegenden Buches Bois/Bernadette Reinhold (Hg.): Margarete in: Margarete Schütte-Lihotzky. Soziale Archi - zeigt einmal mehr, dass es einer Kraft - Schütte-Lihotzky. Architektur. Politik. tektur. Zeitzeugin eines Jahrhunderts. Ausstel - anstrengung von HistorikerInnen bedarf, Geschlecht. Neue Perspektiven auf Leben und lungskatalog, hg. von Peter Noever (MAK). Frauen in den Vordergrund zu rücken. Werk. Basel 2019. Darüber hinaus sind zwei Wien, Köln, Weimar 21996, S. 71–82, hier S. 71; Die biografische Studie ist gewisser - Bände erschienen, in denen Schütte-Lihotzky Christine Zwingl: Aufenthalt in Bulgarien, in: maßen ein historiografisches Zufalls- eine wichtige Rolle spielt: C. Julius Reinsberg: ebd., S. 183; Marcel Bois: „Bis zum Tod einer produkt. Markova arbeitete an der eben - Das Neue Frankfurt: Exil und Remigration. Eine falschen Ideologie gefolgt“. Margarete Schütte- falls 2019 erschienenen Biografie über Großstadtutopie als kulturelles Transfergut. Lihotzky als kommunistische Intellektuelle, in: Franz Marek mit (Maximilian Graf u.a.: Frankfurt/M. 2019; Monika Platzer: Kalter Krieg Zeitgeschichte in Hamburg 2017, hg. von der Franz Marek – ein europäischer Marxist. und Architektur. Beiträge zur Demokratisierung Forschungsstelle für Zeitgeschichte. Hamburg Die Biografie). Dabei wurde Markova, Österreichs, hg. von Architekturzentrum Wien. 2018, S. 66–88. wie sie schreibt, auf Tilly Spiegel auf - Zürich 2019. 11/ Margarete Schütte-Lihotzky: Millionenstädte merksam, die mit Marek verheiratet war. 2/ Susanne Scheffels: Die Frankfurter Küche – Chinas. Bilder- und Reisetagebuch einer Architek - Das Material für die Marek-Biografie Bastelbogen. Frankfurt/M. 2019. tin (1958), hg. von Karin Zogmayer. Wien 2007. diente der Historikerin aber nur als Aus - 3/ Margarete Schütte-Lihotzky/Wilhelm Schütte: 12/ Siehe hierzu Sabine Plakolm-Forsthuber: gangspunkt. Markova trug alle verfüg- „Mach den Weg um Prinkipo, meine Gedanken Beruf: „Frau Architekt“. Zur Ausbildung der baren Informationen über Spiegel zusam - werden Dich dabei begleiten!“. Der Gefängnis- ersten Architektinnen in Wien, in: Bois/Reinhold men und stellte die biografische Skizze in Briefwechsel 1941–1945, hg. von Thomas Flierl (Hg.): Schütte-Lihotzky, S. 38–51. einen breiten historischen Kontext. (erscheint im September 2020). Ferner arbeitet Das vorliegende Buch ist somit weit Sophie Hochhäusl an einer englischen Über- mehr als nur die Lebensgeschichte von setzung von Schütte-Lihotzkys „Erinnerungen Ina Markova: Tilly Spiegel. Eine politi - Tilly Spiegel. Die LeserInnen werden aus dem Widerstand“. sche Biografie. Wien, Hamburg: new über die europäische Geschichte des 4/ Eine der wenigen eher kritischen Rezensio - academic press 2019, 228 S., 19,80 Euro 20. Jahrhunderts im Allgemeinen und nen: Matthias Alexander: Ein sachlicher Blick die Geschichte der kommunistischen Be - auf die Welt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung , ie Geschichte der österreichischen wegung Österreichs im Speziellen infor - 14.1.2020. DArbeiterInnenbewegung ist reich an miert. Mit dieser ist Spiegels Leben seit 5/ Von Küchen, Katzerln und Kindergärten, in: Namen, hinter denen sich aus heutiger den 1920er Jahren eng verwoben. Die Der Standard , 11.1.2020 (hier der Beitrag von Perspektive fast unglaubliche Biografien Familie der 1906 in Nowosielitza in der Wojciech Czaja); Matthias Dusini: Schrebergär - verbergen. Dabei handelt es sich oft Bukowina geborenen Ottilie „Tilly“ Sali ten für die Neuen Menschen, in: Falter , Nr. 6, nicht um jene „großen“ Namen, die auch Spiegel kam nach längeren Fluchten und 7.2.2020; Günther Haller: „Ich bin keine in oberflächlichen Geschichtsbüchern Irrwegen während des Ersten Weltkriegs Küche!“, in: Die Presse , 23.11.2019. auftauchen, sondern um jene, die selbst nach Wien. Dort schloss sich Tilly Spie - 6/ Erste Einblicke in einige diese Phasen liefern Interessierten oft ein verschämtes „Wer gel bald der ArbeiterInnenbewegung an folgende Aufsätze aus dem Band Bois/Reinhold war das noch schnell?“ entlocken. Tilly und fand Anschluss im Kommunis- (Hg.): Schütte-Lihotzky, u.a. Thomas Flierl: Mar - Spiegel ist eine jener Persönlichkeiten tischen Jugendverband (KJV) und garete Schütte-Lihotzkys sowjetische Jahre der kommunistischen ArbeiterInnenbe - schließlich auch in der KPÖ. Als äußerst (1930–1937) (S. 100–124); Carla Aßmann: Kon - wegung, deren Biografie in Vergessen - aktive Kommunistin geriet sie bald ins

1/20 30 Rezensionen tisch tätig wurde, bleibt unklar. Die Sozialdemokratie und der Christlich - Zäsur war jedenfalls eine markante, sozialen – „ja, sagen wir es nur offen und sowohl auf politischer als auch auf per - ehrlich, der Austromarxist und der Aus - sönlicher Ebene.“ (S. 204) trofaschist vom Jahre 1934.“ Dazu 1975 mit dem Goldenen Ehrenzeichen Weingand: „Was für Zeitzeugen wie der Republik geehrt, geriet Spiegel in der Leopold Figl 12 Jahre nach dem Februar kommunistischen Bewegung allmählich 1934 noch völlig klar war, soll hier, 85 in Vergessenheit. Ihr Tod im Jahr 1988 Jahre nach den Ereignissen, nicht relati - wurde in der Volksstimme nicht ange - viert werden.“ (S. 21) zeigt. Ina Markova ist zu verdanken, Weingands Buch ist nicht nur durch dass die beeindruckende Biografie Spie - seine Themenstellung, die die KPÖ ins gels, die so viele Einblicke in die Zentrum der Untersuchung rückt, eine Geschichte der österreichischen Arbeite - Novität, sondern in erster Linie durch die rInnenbewegung gewährt, nun endgültig Publikation einer großen Zahl bisher dem Vergessen entrissen ist. Da es Mar - kaum oder gar nicht bekannter Doku - kova gelingt, wissenschaftliche Sorgfalt mente, unter denen besonders die im mit stilis tischer Qualität zu verbinden, ist Archiv der KPÖ und im ehemaligen das vorliegende Buch nicht nur eine ein - Zentralen Parteiarchiv der SED (heute Tilly Spiegel (1906–1988) sichtsreiche, sondern auch eine überaus Bundesarchiv Berlin) aufbewahrten Be - angenehme Lektüre. richte der Bezirksorganisationen der Visier der Behörden. Ab Beginn der aus - SiMon loidl KPÖ „über die bewaffneten Kämpfe der trofaschistischen Diktatur war Spiegel österreichischen Arbeiter“ im Februar den harten Repressionen ausgesetzt, Hans-Peter Weingand: Die KPÖ und der 1934 zu nennen sind. Es handelt sich da - deren erster Höhepunkt das Verbot der Februar 1934. Mit den internen Berich - bei um Fotokopien aus dem Bestand der KPÖ am 26. Mai 1933 war. Ab diesem ten der KP-Bezirksgruppen und Karten Kommunistischen Internationale im Mos - Zeitpunkt „lebte Tilly Spiegel mehr oder des Bundesheeres. Graz: Clio 2020, kauer RGASPI, dem Russischen Staats - weniger durchgehend bis 1945 in der 256 S., 24 Euro archiv für sozio-politische Geschichte. Illegalität“ (S. 60f.), stellte aber ihre Bemerkenswert ist, dass es Weingand politischen Aktivitäten zu keinem Zeit - ie Februarkämpfe und ihre Folgen gelang, von zahlreichen dieser Berichte punkt ein – auch nicht während der Zei - Dspeziell im Kontext der KPÖ zu zu eruieren, wer sie verfasste – die Auto - ten, in denen sie in den Kerkern der untersuchen, sei für ihn „kein Ne - ren waren KPÖ-Funktionäre bzw. ein der Faschisten einsaß. Später, aus der bengleis“. Als Grazer Sozialdemokrat sei KPÖ seitens der Kommunistischen Inter - Schweiz nach Paris ausgewiesen, führte für ihn die steiermärkische KPÖ „ein le - nationale zugeteilter Instrukteur. Mehre - Spiegel ihre politische Arbeit im Exil bendiges Beispiel, wenn auch in der Ka - re dieser Berichte geben auch, wie Wein - fort und schloss sich der Résistance an. tegorie Mikrogeschichte, welche histori - gand hervorhebt (S. 98), „Einblicke zur Nach dem Ende der NS-Herrschaft schen Entwicklungen möglich sind“, Beteiligung von Frauen im Februar kehrte sie nach Wien zurück, wo sie in schreibt Hans-Peter Weingand über sei - 1934, sei es im Kontext von Kampfhand - der KPÖ wirkte und grundlegende Ar - ne Motivation, dieses Buch zu schreiben lungen [...], sei es im Zusammenhang beit für die Erinnerung und Erforschung (S. 9). Sein Ausgangspunkt ist eine Be - mit Hilfe für Schutzbündlerfamilien“. des Widerstands gegen den NS-Faschis - merkung seines akademischen Lehrers Ein zweiter Schwerpunkt der Doku - mus leistete. Sie war am Aufbau des Helmut Konrad, Professor für Geschich - mentation sind die von Ilona Duczynska- Dokumentationsarchivs des österreichi - te an der Universität Graz, aus dem Jahre Polanyi gesammelten „Kampfberichte schen Widerstandes (DÖW) beteiligt 2014, wonach der Februar 1934 in der aus den Februartagen und Organisations - und veröffentlichte zwei Bücher, die als geschichtspolitischen Auseinanderset - berichte des Sch. B. aus den ersten Pionierarbeiten auf dem Gebiet der zung in Österreich – vor allem zwischen Wochen nach den Kämpfen (mir von der Widerstandsforschung gelten. Die große ÖVP und SPÖ – immer noch ein „ver - Sch. B.-Leitung zur Verwahrung im Parteikrise der KPÖ nach dem Ende des mintes Gelände“ sei (S. 20). Ausland übergeben im Febr. 1936, als „Prager Frühlings“ war in Tilly Spiegels Weingand beharrt darauf, trotz aller ich emigrierte)“. Duczynska, linkssozia - Leben mit einer privaten Krise verbun - Einwände von ÖVP-Politikern bis zu listische Widerstandskämpferin und Ge - den. Ihre Ehe mit Franz Marek ging (auch nicht-konservativen) Historiker - fährtin des späteren Bundespräsidenten Ende der 1960er Jahre in die Brüche und kollegen, den Austrofaschismus auch als Theodor Körner, über den sie eine viel - wurde 1974 geschieden. Gleichzeitig zog solchen zu bezeichnen und nicht mit beachtete Biografie verfasste („Der de - sich Spiegel aus der Parteiarbeit zurück Hilfsbegriffen wie „Regierungsdiktatur“ mokratische Bolschewik“), engagierte und tat das, „was in diesen Jahren nicht o.Ä. zu umschreiben. Er kann sich dabei sich nach der Februarniederlage für den wenige taten: Sie ging in die ‚innere auf einen prominenten Konservativen Wiederaufbau des Republikanischen Emigration‘, ohne den großen Bruch zu berufen: 1946 rief der ÖVP-Vorsitzende Schutzbunds in der Illegalität und sam - setzen“ (S. 203). Während Spiegel ihre und Bundeskanzler Leopold Figl zum melte Berichte, deren Originale zwar Arbeit im DÖW fortsetzte, ging ihre par - gemeinsamen Wiederaufbau. Gemeint verschollen sind, von denen sie aber in teipolitische Tätigkeit zu Ende: Ob sie war damit, so Figl, „der Sozialist und der den 1960er Jahren Kopien anfertigte und „aus Resignation und/oder persönlicher christliche Bauer, der Kommunist und dem Dokumentationsarchiv des öster - Verletzung nicht mehr – beispielsweise der Heimwehrmann, der Schutzbündler reichischen Widerstandes übergab. in den Reihen des Wiener Tagebuchs und der Freiheitsbündler“ – d.h. die An - Neben diesen von ihm erstmals publi - unter Chefredakteur Franz Marek – poli - gehörigen der Wehrorganisationen der zierten Quellen der Kämpfenden auf Sei -

1/20 Rezensionen 31 ten der Aufständischen stützt sich Wein - schen Zensur. Zunächst musste er das Tageszeitung als „hart“, aber „von gands Buch auf bislang wenig beachtete Drehbuch mehrfach umschreiben. An - Maßhalten bestimmt“ nennen. Wimmler Quellen von Regierungsseite. So zitiert stelle der Rolle des sozialdemokrati - verbindet diesen skandalösen Vorgang er u.A. die Wochenschau, Nr. 37a/34 schen Verräters an den Idealen der Ar - mit dem gewaltsamen Tod des Anti - vom 16. Februar 1934, die ein Beispiel beiterklasse sollte nach dem VII. Welt - faschisten Ernst Kirchweger im Jahr für die verlogene Regierungspropaganda kongress der Komintern „die Idee einer 1965 und mit persönlichen Lebensereig - im Kino bietet: „Die Organe der Staats- geeinten Front im Zentrum der Handlung nissen. So war etwa seine Schulzeit unter exekutive waren dem Feuer der in den [...] stehen“. Schließlich wurde das Film - dem damaligen Sektionschef geprägt Gemeindebauten wohlverschanzten Auf - projekt überhaupt abgelehnt: „Der von der Obrigkeitshörigkeit des Schul - rührer preisgegeben und es musste, da Schutzbündler Franz, der mit seiner personals aus Angst vor Zurechtweisung, die Eroberung dieser Festungen oder so - Freundin Mizzi in die Sowjetunion zieht, Erniedrigung oder beruflicher Vernich - genannten ‚Volkswohnhäusern‘ mit war nun kein Vorbild mehr: Eine Figur tung. Wimmler verknüpft den Text Handfeuerwaffen unmöglich war, Artil - wie Franz, der die Niederlage akzeptiert zudem mit seiner eigenen Reise nach lerie herangezogen werden.“ (S. 43) und sich ins Ausland flüchtet, könne kei - Cattaro im heutigen Montenegro. Dort Der Dokumentation stellt Weingand neswegs Hoffnung auf einen zukünftigen fällte eine ältere Einwohnerin, „die die eine umfangreiche historische Darstel - Sieg wecken.“ (S. 96) armen jungen Burschen“ noch gesehen lung voran, die nicht nur die Vorge - Neben den internationalen Entwicklun - hatte, gefesselt auf dem Weg zur Hin - schichte des Februar 1934 – auch hier gen behandelt Weingand auch die Tätig - richtung, ein völlig anderes Urteil als der wiederum mit besonderer Berücksichti - keit der illegalen ArbeiterInnenparteien Sektionschef: „So mutige Burschen.“ gung der KPÖ – und die Folgen der Fe - RS und KPÖ in Österreich. Seine Dar - Mit dem Kunstgriff, anhand eines Arti - bruarkämpfe für die internationale Ar - stellung bezieht sich an vielen Stellen auf kels aus dem Jahre 2018 sowohl 100 Jah - beiterInnenbewegung analysiert, sondern die im Buch abgedruckten Dokumente, re zurück liegende Ereignisse als auch auch die Geschichtsschreibung über den die auf diese Weise kontextualisiert wer - den aktuellen Mainstream des „Qua - Februar 1934 von sozialdemokratischer den. Neben der zeitgenössischen Analyse litätsjournalismus“ darzustellen, schafft und kommunistischer Seite seit den behandelt er aber auch die historische In - Wimmler einen spannenden aktuellen ersten Analysen unmittelbar nach den terpretation der Februarkämpfe durch die Bezug zur österreichischen Geschichte Kämpfen beleuchtet. Er stellt der „Sinn - KPÖ und setzt sie in Beziehung zur aus Sicht der Regierten, Rückgriffe auf stiftung“ (S. 53) der Niederlage durch KPÖ-Geschichtsschreibung insgesamt. die 1960er und 1970er Jahre inklusive. die Sozialdemokratie (vor allem in Otto Auch wenn Kommunistinnen und Kom - Kunstgriffe dieser Art ziehen sich durch Bauers Broschüre „Der Aufstand der munisten an den Februarkämpfen, wie viele seiner Erzählungen und Anmerkun - österreichischen Arbeiter“, erschienen Hans Hautmann in den Mitteilungen der gen. Damit holt er sowohl Aktuelles als im tschechoslowakischen Exil bereits Alfred Klahr Gesellschaft (Nr. 1/2004) auch historisch Vergessenes wieder an Anfang März 1934) die Haltung der schrieb, „nur einen kleinen Anteil hat - die Oberfläche unseres Bewusstseins. KPÖ gegenüber, die in den Februar - ten“, ist zu hoffen, dass dank der Publika - Ereignisse, an denen wir achtlos vorbei - kämpfen eine „glänzende Bestätigung tion Weingands dieser Anteil künftig von gegangen sind, oder die aus dem kollek - für die Richtigkeit der Analyse des der Geschichtsschreibung stärker zur XIII. Plenums der Komintern“ sah, „dass Kenntnis genommen werden wird. wir in eine neue Welle von Kriegen und Winfried r. g ArScHA Lenin 150 Revolutionen eintreten“ (S. 55). Erst in Staat, Nation der Vorbereitung des VII. Weltkongres - Karl Wimmler: Menschen, Bücher, und Internatio- ses der Kommunistischen Internationale Katastrophen. Erzählungen, Anmerkun - nalisierung im Jahr 1935 wich diese Einschätzung gen, Einsprüche. Graz: Clio 2019, einer realistischeren Herangehensweise. 194 S., 18 Euro Weingand stellt diesen schrittweisen Umschwung innerhalb der Komintern ritisch – natürlich kritisch gegenüber und die besondere Rolle, die die öster - Kden herrschenden Verhältnissen – reichischen Februarkämpfe dabei spiel - darf man sich ein Buch des Grazer ten, ausführlich und anhand zahlreicher Autors Karl Wimmler erwarten, und es Mit Beitrräägen von W..I.I. Lenin, Beate Lande - feld, Holger Wendt, Haannnnes Fellner, Herbert historischer Dokumente dar. ist umfassend informativ. Sein neues Münchow, Alfred Kosing Es zeichnet Weingands Art aus, Ge - Buch beginnt mit einem Bericht über ei - WWeieitereree ThThemen u.a.: EU-Nationalismus (O. schichte zu vermitteln, dass er diese nen Kommentar in der Wiener Zeitung, Rosner), EU zum Zweiten Weltkrieg (M. Botenga, Wandlungen nicht nur theoretisch an - womit er zugleich die Linie dieser MdEP), » Unrechtsstaat« ( VV-. S chöneburg), Nord syrien (K. Wagener), Öko-Krise (H.-P. Brenner), hand zeitgenössischer politischer Analy - Qualitäts presse einschätzt. Anlass ist ein Klimakiller Krieg (W. Listl), Bolivien (V. Prashad), se darstellt, sondern auch dadurch nach - Artikel eines pensionierten Sektions - Gewerkschaftstage ver.di und IG Metall (F. Deppe, vollziehbar macht, dass er beispielsweise chefs der Pädagogischen Sektion im Un - N. Heckl, A. Rieger), Zur Strara-tegiedebatte der Lin auf die mehrfachen Änderungen eingeht, terrichtsministerium aus dem Jahre 2018 ken (E. Brombacher, E. Felfe), Rechtsentwicklung (U.Sander) u.v.m.. die einem Filmdrehbuch des bekannten über die kaiserlich angeordnete Ermor - Filmtheoretikers Béla Balázs, der damals dung der aufständischen Matrosen von Neue in der Sowjetunion lebte, widerfuhren. Cattaro im Februar 1918. Die Verurtei - Impulse Balázs’ Vorhaben, unter dem Titel lung derjenigen, die ihr Leben einsetz - Verlag Einzelpreis 9,50 € Hoffnungstraße 18 „Hochzeit in Wien“ die Februarkämpfe ten, um dem „Weltkriegsschlachten“ Jahresabo 48,00 € 45127 Essen zum Thema eines Spielfilms zu machen, endlich ein Ende zu bereiten, durfte der ermäßigtes Abo 32,00 € TTel.el. 0201 | 23 67 57 scheiterten letztendlich an der sowjeti - ehemalige Spitzenbeamte in dieser www.marxistische-blaetter.dewwwwww.marxistische-blaetter.marxistische-blaetter.marxistische-blaetter.de.de

1/20 32 Rezensionen tiven Gedächtnis zum Verschwinden ge - Sterne-Generals Wesley Clark fehlt, dem bracht wurden, treffen die Lesenden oft im J ahr 2001 ein Offizier des „Vereinig - 20. Gedenkfahrt mit einer neuen Sichtweise. ten Generalstabs“ erzählte, was doch zum nach Engerau Karl Wimmlers Überlegungen werben Verständnis der Situation beitragen wür - für die „Anti-Kriegs-Philippika“, eine de. „Wir werden sieben Länder angreifen Ende November/Anfang Dezember Eisler-Vertonung des Epilogs der „Let - und deren Regierungen innerhalb von 1944 wurde in Engerau (Petržalka, zen Tage der Menschheit“ von Karl fünf Jahren stürzen.“ Auch die Ergän - Bratislava) ein Arbeitslager für unga - Kraus, wobei er den „un vergleichlich zung des Gesprächspartners fehle: „Wir rische Juden eingerichtet. Ca. 2.000 Eisler-Ton“ zum „unvergleichlichen“ werden mit dem Irak beginnen, und dann Zwangsarbeiter mussten beim Bau Text herausstellt. Sie bieten unglaubliche nehmen wir uns Syrien, Libyen, Somalia, des so genannten Südostwalles Skla - Geschichten, wie die über Ungarn, die den Sudan und den Iran, sieben Länder in venarbeit leisten. Viele starben an Sowjetunion, einen Puch-Arbeiter und fünf Jahren.“ Wimmler bemerkt lako - den Folgen von Hunger, Kälte und über den Esperantoplatz in Graz, das Zu - nisch, dass es mit den fünf Jahren nicht Misshandlungen oder wurden von sammentreffen zweier Esperantos in ganz geklappt habe, und in Syrien sei die Wiener SA-Männern oder Politischen Canberra, einem in Ungarn geborenen seit langem vertraglich verbündete russi - Leitern ermordet. Mehr als 100 Män - österreichischen Australier mit sowjeti - sche Armee dazwischen gekommen. ner kamen Ende März 1945 im Zuge schen Wurzeln und einem Ungarn. Ein Buch, mit weit mehr interessanten des „Todesmarsches“ nach Bad Das Darstellen von interessanten Per - Schilderungen und Einsprüchen als hier Deutsch-Altenburg ums Leben. sönlichkeiten ist immer wieder verbun - angerissen werden konnte. Sie zu lesen Die Zentrale österreichische For - den mit dem Aufzeigen von Wider - lohnt, macht Spaß und fördert Erkennt - schungsstelle Nachkriegsjustiz führt sprüchen: Während der 50. Todestag von nisse. Zu jeder von Karl Wimmler er - jedes Jahr eine Gedenkfahrt zu den Hanns Eisler im Jahr 2012 in unseren zählten Geschichte gibt es Anmerkungen Gedächtnisorten des ehemaligen Breiten nahezu lautlos vorüberging, er mit Quellenangaben, anhand derer das Lagers für ungarisch-jüdische hatte immerhin die Hymne eines Staates Geschriebene überprüft werden kann. Zwangsarbeiter in Engerau (Petržal - komponiert (allerdings jene der DDR), Anne rieger ka) in Bratislava durch. Erstmals wer - fand anlässlich des 150. Geburtstags von den heuer länderübergreifend Schul - Richard Strauss ein medial-musikali - Eugen Ruge: Metropol. Roman. Ham - klassen aus Bratislava-Petržalka und scher Hype statt. Jener hatte noch 1943 burg: Rowohlt 2019, 429 S., 24,70 Euro Wien teilnehmen und sich inter aktiv dem „Judenschlächter von Krakau“, an der Gestaltung der Veranstaltun - Hans Frank, ein Danklied gewidmet. er sich mit der Geschichte der gen an den verschiedenen Zudem habe Strauss auch noch selber WZwischenkriegszeit beschäftigt, Gedächtnisorten beteiligen. den Text geliefert, wie Wimmler erzürnt liest in der Regel von den „Goldenen bemerkt. Oder die „unerhörte“ Anekdote Zwanzigern“, der großen Weltwirt - Programm des Rächers mit dem Schmiedehammer: schaftskrise, vom Aufstieg des Faschis - Gedenkkundgebung bei der Der Schmied, der 1939 seine Werkstatt mus in Italien, Österreich und Deutsch - Gedenktafel am Restaurant Leber - verlassen und stattdessen im Linzer land. Weniger bekannt sind die Ereignis - finger in Bratislava-Petržalka Rüstungsbetrieb arbeiten musste, stellte se, die sich zeitgleich in der Sowjetunion bei der Rückkehr fest, dass die „Alt - abspielten. Infolge der Revolution des Transnationale Gedenkfeier beim eisensammler der NSDAP“ seine ganz Jahres 1917 wurde dort eine Agrargesell - Mahnmal auf dem Friedhof von Werkstatt ausgeräumt hatten – bis auf schaft ins Industriezeitalter katapultiert, Bratis lava-Petržalka den Schmiedehammer. Den nahm er und Millionen Menschen zogen vom Land in Auf den Spuren des Lagers Engerau zertrümmerte damit das Hakenkreuz an teils neu gegründete Städte, wurden aus in Petržalka der Tür des Gemeindeamts. gesellschaftlichen Bindungen heraus- Gedenkkundgebung beim Heinz Rudolf Unger, der die literari - gerissen, um in einer neuen, dem Gedenkstein in Wolfsthal sche Basis für die „Proletenpassion“ der Anspruch nach „klassenlosen“ Gesell - Schmetterlinge legte, wird von Wimmler schaft aufzugehen. Gedenkkundgebung beim Mahnmal geehrt; die Kraft gebende „Proletenpas - Ähnlich wie in den Jahren der Franzö - in Hainburg sion“ wird von ihm in Erinnerung ge - sischen Revolution schürten die ent- Gedenkkundgebung beim Grab in rufen. Verbunden wird dies mit einem fesselten Kräfte unter den neuen Macht - Bad Deutsch-Altenburg konstruktiv-kritischen Vergleich der Ur - habern bald Ängste vor der Konterrevo - sprungs- und der neuen Version, die lution. Wie im Paris der 1790er Jahre, Historische Begleitung: 2015 unter dem Titel „Proletenpassion wo Revolutionäre ihre Mitstreiter aufs in Dr. Claudia Kuretsidis-Haider 2015 FF.“ aufgeführt wurde. Die kriti - Schafott brachten, begann die Oktober- sche Rezension von Norbert Gstreins revolution in den 1930er Jahren mittels Montag, 30. März 2020 einseitigem Reisebericht über Syrien Verhaftungswellen und Schauprozessen Abfahrt: 7.45, Rückkehr: ca. 18.00 wird eingeführt mit Michael Hanekes ihre Kinder zu fressen. Treffpunkt: Praterstern 1, 1020 Wien Urteil über die übliche Berichterstattung: In diese Atmosphäre setzt Eugen Ruge (Jüdisches Institut für Erwachsenenbildung) Über Syrien wisse er „nichts“, obwohl er die beiden Hauptfiguren seines neuen Unkostenbeitrag: 20 Euro „hunderttausend Berichte“ darüber ge - Romans „Metropol“, das Ehepaar Char - Anmeldung: Tel.: 01/22 89 469/315 sehen habe. Wimmler macht in einer Re - lotte und Wilhelm. Beide emigrierten aus [email protected] zension darauf aufmerksam, dass im um - Deutschland in die Sowjetunion und Weitere Informationen: www.doew.at fangreichen Reisebericht Gstreins die arbeiten dort für den Nachrichtendienst Aussage des US-amerikanischen Vier- der Kommunistischen Internationale. Als

1/20 Rezensionen 33 sie aus der Zeitung von der Verhaftung In diesem Sinn erinnert Ruges Roman an furter Küche“ überwunden, und die eines Bekannten erfahren, stehen sie be - Alexander Solschenizyns „Archipel ganze Bandbreite ihrer Planungs- und reits selbst im Sog der Verdächtigungen. Gulag“, in dem es heißt: „Der Strich, der Bautätigkeit wurde zum Gegenstand der Vom Dienst suspendiert, werden beide das Gute vom Bösen trennt, durchkreuzt Forschung. ohne weitere Anweisungen im Moskauer das Herz eines jeden Menschen.“ Rund um den 20. Todestag der Archi - Hotel Metropol einquartiert, wo sie JoAcHiM gAtterer tektin erschienen eine Reihe von Publi - während ihres über 15 Monate andauern - kationen über sie und Neuauflagen ihrer den Schwebezustands das mörderische Marcel Bois, Bernadette Reinhold (Hg.): Texte, etwa die von Karin Zogmayer Drama der stalinistischen Säuberungen Margarete Schütte-Lihotzky. Architek - edierte Neuauflage von Margarete hautnah miterleben. tur.Politik.Geschlecht. Neue Perspek - Schütte-Lihotzkys Erinnerungsschrift Täglich im Speisesaal sitzend, bemerkt tiven auf Leben und Werk. Basel: Birk - „Warum ich Architektin wurde“ oder das Paar rasch, dass immer neue Bekann - häuser 2019 (Edition Angewandte), Mona Horncastles Biografie mit dem te im Metropol eintreffen, die offensicht - 360 S., 39,95 Euro Titel „Architektin, Widerstandskämpfe - lich wie sie ihrer Posten enthoben wur - rin, Aktivistin“ (siehe dazu die Rezensi - den. Nachts hört man den Aufzug surren 923 überreichte der Nationalökonom on von Marcel Bois in dieser Ausgabe und alle wissen, dass der Geheimdienst 1Otto Neurath, Freund und Kollege der Mitteilungen ). Demnächst erscheint gerade sein nächstes Opfer abholt, des - von Margarete Lihotzky, ihr einen seiner im Wiener Mandelbaum Verlag der von sen Platz am Frühstückstisch tags darauf literarischen Texte mit der Widmung Christine Zwingl herausgegebene Sam - leer bleibt. Unter den Verbliebenen geht „Meiner lieben gestaltenden Freundin“. melband „Margarete Schütte-Lihotzky – das Intrigenspiel weiter, Freundschaften Er wählte damit eine treffliche Beschrei - ihre Spuren in Wien“. werden verleugnet, an vermeintlich bung für eine Frau, die sich ihr Leben Ein im Herbst 2019 ver öffentlichter Mächtige biedert man sich an, bis diese lang mit Kreativität und Vitalität der Ver - Sammelband greift bekannte Meilen - ihrerseits in Ungnade fallen. Jeder tak - besserung der Lebensbedingungen der steine im Leben von Margarete Schütte- tiert und spekuliert und bleibt doch im - Menschen durch Architektur widmete. Lihotzky auf und fügt neue Forschungs - mer wieder aufs Neue ratlos, weil an Am 18. Jänner 2020 jährte sich der ergebnisse, Analysen und Sichtweisen Moskauer Schreibtischen in jenen Jahren Todestag von Margarete Schütte-Lihotz - hinzu. Der von Marcel Bois (For - die pure Willkür entschied, wen die Par - ky zum 20. Mal. Das Gute an Jahres- schungsstelle für Zeitgeschichte in Ham - tei wieder in Dienst nahm oder als tagen ist, dass sie Anlass sind, sich mit burg) und Bernadette Reinhold (Oskar „Volksverräter“ erschießen ließ. der jeweiligen Person intensiver zu be - Kokoschka-Zentrum der Universität für Eugen Ruges Roman könnte an die un - schäftigen. Lange Zeit wurde eine Wür - angewandte Kunst) herausgegebene terhaltsamen Krimis von Agatha Christie digung der Architektin durch den Kalten Band mit dem Titel „Margarete Schütte- erinnern, würde er nicht auf Tatsachen Krieg und seine auch in Österreich spür - Lihotzky. Architektur. Politik. Ge - beruhen, die Ruge unter Mithilfe des baren Nachwirkungen verhindert. Erst in schlecht. Neue Perspektiven auf Leben russischen Historikers Wladislaw Hede - den 1970er und 1980er Jahren kam es zu und Werk“ geht auf das gleich namige in - ler recherchiert hat. Das Hotel Metropol einer gewissen Entspannung. 1993 war terdisziplinäre Symposium zurück, das und die Schicksale der darin verstrickten der erste Höhepunkt einer verspäteten im Oktober 2018 von der Universität für Menschen gab es wirklich; die Figuren Rezeption ihres Lebens und Werks. Was angewandte Kunst in Wien veranstaltet Charlotte und Wilhelm basieren auf den in den 1970er Jahren zögerlich begonnen wurde. Die in fünf Abschnitte geglieder - Biografien von Ruges Großmutter Char - hatte, wurde damals mit einer großen ten Beiträge ergeben ein differenziertes lotte Ruge und ihrem zweiten Ehemann Ausstellung im Museum für angewandte Bild der Frau, Architektin und Wider - Hans Baumgarten. Beide hat Eugen Kunst (MAK) in Wien und einem um - standskämpferin. Der auch grafisch an - Ruge 2011 in seinem preisgekrönten fangreichen Werkkatalog gekrönt. Die spruchsvoll gestaltete Band ist eine Roman „In Zeiten des abnehmenden damals bereits knapp 100-Jährige wurde Fundgrube für neue Erkenntnisse über Lichts“ bereits literarisch verewigt. „Me - gebührend gefeiert. Seither hat das Inter - ihr Denken und das gesellschafts- tropol“ fügt dem Familienepos nun ein esse an Schütte-Lihotzky nicht nach - politische Umfeld, in dem Margarete beklemmendes Kapitel hinzu, über das gelassen. Längst ist die Reduktion ihres Schütte-Lihotzky wirkte – bzw. oftmals Ruges Großmutter und Stiefgroßvater umfangreichen Wirkens auf die „Frank - daran gehindert wurde. zeitlebens geschwiegen haben. Historische Authentizität und mörderi - Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: sche Dramatik reichen als Zutaten meist Medieninhaber: ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT , Verein zur Erforschung der Geschichte aus, um eine Geschichte in großer Auf- der Arbeiterbewegung, Drechslergasse 42, 1140 Wien lage zu verkaufen, doch Eugen Ruge be - Vereinsvorstand: Mag. Alexander Dinböck, Dr. Sabine Fuchs, Dr. Winfried R. Garscha, friedigt mit „Metropol“ keine voyeuris - Mag. Michael Graber, Mag. Dr. Heimo Halbrainer, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kropf, Mag. tischen Leseinteressen. Indem er im Robert Krotzer, Mag. Dr. Claudia Kuret sidis-Haider, Dr. Walther Leeb (Präsident), Dipl.-Ing. Buch auch über seine Recherchen und Friederike Lerch (Kassierin), Mag. Dr. Simon Loidl (Schriftführer), Mag. Dr. Peter März, eigene Erinnerungen an die Großeltern Mag. Dr. Manfred Mugrauer (wissenschaftlicher Sekretär), Dr. Elke Renner (Vizepräsiden - berichtet, macht er deutlich, dass sich tin), Fini Seif, Ass.-Prof. Mag. Dr. Valentin Sima. historisches Interesse nicht darauf be - grundlegende richtung: Die ALFRED KLAHR G ESELLSCHAFT ist eine gemeinnützige Organi - schränken kann, Menschen für ihre Feh - sation, deren Tätigkeit ausschließlich wissenschaftlichen und volksbildnerischen Zwecken ler rückblickend zu verurteilen. Es geht dient. Ihre Aufgabe und diejenige ihres Periodikums „Mitteilungen der Alfred Klahr Gesell - darum, zu begreifen, warum sie ihre Ent - schaft“ ist die Erforschung der gesellschaftlichen Entwicklung in Österreich, insbesondere der scheidungen getroffen, was sie „zu glau - Geschichte der ArbeiterInnenbewegung. ben bereit, zu glauben imstande“ waren.

1/20 34 Rezensionen Wo hat Margarete nicht gelebt und ge - und den Wiederaufbau der illegalen diese zweifellos sehr prägende Zeit aus - arbeitet? Sie studierte von 1915 bis 1919 KPÖ zu unterstützen. Nur wenige sagte und was nicht. als eine der ersten Frauen Architektur an Wochen nach ihrer Ankunft wurde sie Ebenso neue und interessante Aspekte der damaligen K.K. Kunstgewerbeschule am 22. Jänner 1941 verhaftet und am präsentiert Carla Aßmann in ihrem Bei - in Wien und stieg in das Berufsfeld 22. September 1942 vom Volksgerichts - trag über die Zeit von Schütte-Lihotzky Architektur ein. In den 1920er Jahren hof zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. als Beraterin der Deutschen Bauaka - arbeitete sie im Baubüro des Österreichi - Bis zur Befreiung Ende April 1945 war demie in der DDR. Wilhelm und Marga - schen Verbands für Siedlungs- und sie im Frauenzuchthaus Aichach in rete reisten 1950 in der Erwartung in die Kleingartenwesen , hielt Vorträge und Bayern inhaftiert. In der Nachkriegszeit DDR, ihre Expertise im neuen deutschen begann zu publizieren. Es kristallisierte wurde sie in Wien als Kommunistin de Staat einzubringen zu können. Die Auto - sich der Arbeitsschwerpunkt Optimie - facto mit Berufs verbot belegt. Nicht rin führt aus, wie die Kehrtwende im rung des Wohnens auf kleinem Raum zuletzt vor diesem Hintergrund arbeitete Städtebau der DDR – vom Baustil der heraus, sie entwarf ein Kernhaus, be - und forschte sie als Expertin für Kinder - Moderne zur Architektur der „nationalen schäftigte sich mit der Rationalisierung einrichtungen mehrmals in Bulgarien, Tradition“ – nicht mehr mit den beruf- der Hauswirtschaft und deren Umset - Kuba und Berlin. lichen Überzeugungen von Schütte- zung im Wohnbau. In Frankfurt am Main Viele der Stationen ihres Lebens und Lihotzky übereinstimmte. konnte sie am Hochbauamt in der Typi - Wirkens sind gut erforscht und werden Auch über die politische Aktivistin sierungsabteilung auf diesem Gebiet auch in diesem Buch ausführlich behan - Margarete Schütte-Lihotzky liefert das weiterarbeiten. Hier entstand auch die delt. Bisher wenig bekannt sind ihre Pro - Buch neue Denkanstöße. Karin Schnei - „Frankfurter Küche“. In Mos kau leitete jekte und die Arbeitssituation in der der weist auf Forschungslücken in der sie die Gruppe für Kinder anstalten und Sow jetunion, in der sie und ihr Mann Geschichtsschreibung über die KPÖ in entwarf Möbel programme und Typen - Wilhelm Schütte in den Jahren 1930 bis Bezug auf frauen- und genderpolitische möbel. In Chicago war sie auf der Welt - 1937 lebten und wirkten. Margarete Fragestellungen hin und analysiert das ausstellung vertreten, sie bereiste Japan, Schütte-Lihotzky arbeitete dort u.a. als frauenpolitische Engagement von Schüt - erstellte für das chinesische Unterrichts - Expertin für Kinderanstalten und für das te-Lihotzky als Präsidentin des KPÖ- ministerium Richtlinien für Kindergar - wissenschaftliche Zentralinstitut zum nahen Bunds demokratischer Frauen . tenbauten, kam über Paris und London Schutz der Kinder und Heranwachsen - Manfred Mugrauer skizziert den hege - nach Istanbul an die Académie des den. Sie erlebte die gesellschaftlichen monialen Antikommunismus als Haupt - beaux-arts und entwarf für das dortige Umbrüche in der Sowjetunion, über die faktor für die Ausgrenzung Schütte- Unterrichtsministerium Dorfschulen. Im nur wenige Aussagen von ihr überliefert Lihotzkys als Architektin in den Jahren türkischen Exil trat sie 1939 der Kom - sind. Thomas Flierl rekonstruiert in sei - des Kalten Krieges. Viele Beiträge ver - munistischen Partei Österreich bei und nem Beitrag anhand von Interviews, mitteln den Eindruck, dass man viele erklärte sich bereit, in geheimer Mission Briefen und Postkarten die oft schwieri - Aspekte so bisher noch nicht gesehen als Kurierin nach Wien zu reisen, um gen Arbeitsbedingungen und zeigt auf, hat. Kapitel für Kapitel eröffnet sich dort den antifaschis tischen Widerstand was Margarete Schütte-Lihotzky über Neues und Überraschendes über schein - bar bereits Bekanntes. Selten fesselt ein fachwissenschaftliches Sachbuch so wie dieser Sammelband. Buchpräsentation eliSAbetH Holzinger Manfred Mugrauer: Die Politik der KPÖ 1945–1955 Severin Holzknecht: „¡No pasarán!“. Vorarlberg und der Spanische Bürger - Von der Regierungsbank in die innenpolitische Isolation krieg. Innsbruck: Universitätsverlag (Zeitgeschichte im Kontext, hg. von Oliver Rathkolb, Bd. 14) Wagner 2019, 296 S., 29,90 Euro

Göttingen: V&R Unipress 2020 er Vorarlberger Historiker Severin 833 Seiten, 75 Euro DHolzknecht legt mit seiner Studie Begrüßung: ein weiteres Puzzlestück zur Erfor - Dr. Peter Autengruber schung eines österreichischen Bundes - (Programmleitung ÖGB-Verlag) lands im Kontext des Spanischen Bür - gerkriegs vor. Nach Publikationen über Einleitung: die Interbrigadisten aus Kärnten von Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb Valentin Hellweg und über Tirol von (Vorstand des Instituts für Zeit - Fried rich Stepanek – beide erschienen geschichte der Universität Wien) im Jahr 2010 – handelt es sich bei Holz - Präsentation: knechts Arbeit um die dritte Monografie Dr. Manfred Mugrauer zum Spanischen Bürgerkrieg mit Fokus auf ein spezifisches österreichisches Mittwoch, 29. April 2020 , 19.00 Bundesland. Der 2017 erschienene Sam - Fachbuchhandlung des melband „Camaradas“, herausgegeben ÖGB-Verlags von Georg Pichler und Heimo Halbrai - Rathausstraße 21, 1010 Wien ner, beinhaltete immerhin einen eigenen von Halb rainer verfassten Aufsatz über

1/20 Rezensionen 35 die steiermärkischen Spanien-Freiwilli - gen. Zu den Bundesländern mit den mei - sten Interbrigadisten – Wien und Nie - „Das Gift des Faschismus steckt zu tief“ derösterreich – fehlen noch eigenständi - ge Arbeiten. Zum 75. Jahrestag der Befreiung vom nachrückende Lazarette und Verpfle - In den ersten Abschnitten gibt Holz - Faschismus zeigen die Alfred Klahr gungsdepots der Roten Armee mach - knecht einen Überblick über die politi - Gesellschaft und der Wiener KZ-Ver - ten ihn fassungslos. „Das Gift des sche Situation im „Ländle“ der 1920er band den Film „Ich war neunzehn“ Faschismus steckt zu tief, um Vernunft und 1930er Jahre. Im Fokus stehen dabei von Konrad Wolf. erwarten zu können“, schrieb er am die Aktivitäten der sozialdemokratischen 3. Mai 1945 resigniert in sein Tage - und kommunistischen ArbeiterInnenbe - onrad Wolf, 1925 geboren als buch. 1 Konrad Wolf, der seit 1965 Prä - wegung – vor allem nach der Illegalisie - KSohn des kommunistischen sident der Akademie der Künste der rung durch das Dollfuß- und Schusch - Schriftstellers Friedrich Wolf, emi - DDR war, starb 1982 in Berlin. nigg- Regime in den Jahren 1933/34. Die grierte 1933 mit seinen Eltern und sei - „Ich war neunzehn“ ist nicht nur ein diesbezüglichen Vorgänge sind außer - nem zwei Jahre älteren Bruder Markus ebenso präziser wie berührender Film halb Vorarlbergs eher wenig bekannt, über Frankreich nach Moskau. Nach über das historische Ereignis der Be - jedoch war in diesem punktuell indus- dem faschistischen Überall auf die freiung vom Faschismus im Jahr 1945. trialisierten Bundesland eine Vielzahl an Sow jetunion kämpften beide Brüder So könnte etwa die Figur des kunst- Widerstands- und illegalen Aktivitäten sinnigen Opportunisten, der Konzen - zu verzeichnen. Mit großem Interesse trationslager achselzuckend als bedau - liest man in Holzknechts Buch auch von erlichen Kollateralschaden deutscher der ArbeiterInnenbewegung in der Ost - Mentalität abtut, auch einer rechten schweiz bzw. in St. Gallen. Hierzu ist Partei unserer Gegenwart angehören. westlich des Arlbergs auch in einschlägi - Der Historiker Frank Stern (Institut für gen Kreisen kaum Wissen vorhanden, Zeitgeschichte der Universität Wien) wie überhaupt zur Geschichte der Linken hat Konrad Wolfs Filme als „Kunst - in der Schweiz. Wie Holzknecht auf den werke gegen das Versinken in folgenden Seiten ausführt, waren die Geschichtslosigkeit“ bezeichnet. 2 „Ich Verbindungen zwischen SozialistInnen war neunzehn“ ist dafür das beste bzw. KommunistInnen auf beiden Seiten Beispiel. des Rheins, der die Grenze zwischen der SAbine fucHS Schweiz und Österreich bildet, von enor - mer Bedeutung für die illegale politische Anmerkungen: Arbeit. Laut ihm wäre ohne die Unter - 1/ Zit. nach: Antje Vollmer/Hans-Eckardt stützung aus St. Gallen „jedweder Wenzel: Konrad Wolf. Chronist im Zeitalter Widerstand gegen den Austrofaschismus der Extreme. Berlin 2019, S. 153. in Vorarlberg im Grunde unmöglich ge - 2/ Franz Stern: Projektionen durch den wesen“. Ab 1933/34 flohen auch poli - „Eisernen Vorhang“. Faschismus, Krieg und tisch Verfolgte aus Österreich in die freiwillig in der Roten Armee. Mar - Humanismus – „Ich war Neunzehn“ von Kon - Schweiz. In die andere Richtung wurden kus, später Chef des Auslandsgeheim - rad Wolf, in: Barbara Eichinger/Frank Stern Zeitschriften und anderweitiges Propa - dienstes der DDR, wurde für Missio - (Hg.): Film im Sozialismus – die DEFA. Wien gandamaterial geschmuggelt. Ab dem nen hinter der Frontlinie ausgebildet; 2009, S. 48–62. Beginn des Spanischen Bürgerkriegs im Konrad wurde im Januar 1943 nach Jahr 1936 wurde der illegale Transport seinem Schulabschluss als Siebzehn - ich war neunzehn (DEFA, DDR 1968) von Freiwilligen für die Internationalen jähriger der 7. Armee zugewiesen. Regie: Konrad Wolf, Drehbuch: Wolf - Brigaden aus Österreich in die Schweiz – 1945 gehörte er zu den Truppen, die gang Kohlhaase, Konrad Wolf von wo aus sie weiter nach Frankreich Berlin befreiten. Bei Kriegsende war mit Jaecki Schwarz, Jenny Gröllmann, gebracht wurden – die Hauptaufgabe er neunzehn – der über zwanzig Jahre Rolf Hoppe, Wassili Liwanow, Alexej dieser Netzwerke. Holzknecht zeichnet später unter seiner Regie entstandene Ejboshenko, Galina Polskich, Michail nach, wie sich im Rheintal ein bedeuten - Film erzählt seine eigene Geschichte. Glusski, Anatoli Solowjow u.a. der „Teil eines europaweiten Transport - Wie der junge Gregor Hecker im netzes“ etablierte – mit großen Gefahren Film verfasste Konrad Wolf Flug - Historische Einführung: für die beteiligten Männer und Frauen. blätter und Lautsprecheransprachen an Dr. in Sabine fuchs Frauen spielten eine wichtige Rolle in die deutschen Soldaten, sah das Kon - Eintritt frei der Organisation und der Schleusung zentrationslager Sachsenhausen und über die Rheingrenze. Zahlreiche Helfe - war einige Tage Stadtkommandant des Mittwoch, 6. Mai 2020 , 18.30 rInnen wurden von den österreichischen befreiten Bernau bei Berlin. Auch die Kz-Verband Wien und schweizerischen Behörden wegen Feier am 1. Mai in Spandau und der Lassallestraße 40/2/2/6 ihrer illegalen Aktivitäten verhaftet. Tod seines russischen Freundes 1020 Wien Kritisch könnte angemerkt werden, Sascha durch die Kugel marodierender dass die (zweifelsohne interessanten) deutscher Soldaten haben wie im Film Eine Veranstaltung von Alfred Klahr Ausführungen zu den Jahren vor 1936 stattgefunden. Gewalttaten gegen Gesellschaft und KZ-Verband Wien fast 150 Seiten des Bandes einnehmen.

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Alfred Klahr Gesellschaft Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung

Lenin und der Staat

Vorzüge und Defizite einer Mitteilungen der revolutionären Staatstheorie Alfred KlAHr geSellScHAft

Vortrag von RA Univ.-Prof. Dr. Alfred J. Noll Herausgeber und Medieninhaber: anlässlich des 150. Geburtstags von W. I. Lenin ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT Präsident: Walther Leeb Alfred J. Noll ist Rechtsanwalt Redaktion und Grafik: Manfred Mugrauer in Wien, Hochschullehrer und MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Peter Autor. 2016 erhielt er den Autengruber, Marcel Bois, Sabine Fuchs, Österreichischen Staatspreis Winfried R. Garscha, Joachim Gatterer, für Publizis tik. Heimo Halbrainer, Elisabeth Holzinger, Von 2017 bis 2019 war er Simon Loidl, Peter März, Anne Rieger, Abgeordneter zum österreichi - schen Nationalrat. Helmut Rizy, Florian Schwanninger, Robert Streibel Jüngste Buchveröffentlichun - Adresse: Drechslergasse 42, 1140 Wien gen: Thomas Hobbes. Eine Ein - Telefon: (+43–1) 982 10 86 führung. Köln: PapyRossa Ver - E-Mail: [email protected] lag 2019; Absolute Mäßigung. Montesquieu und sein L’esprit www.klahrgesellschaft.at des loix . Köln: PapyRossa Ver - Vertragsnummer: GZ 02 Z 030346 S lag 2018. Österreichische Post AG Mittwoch, 22. April 2020 , 19.00 Sponsoring-Post transform!, Gußhausstraße 14/3, 1040 Wien P.b.b., Verlagspostamt 1140 Wien

AKG-Spendenkonto Hier hätten eventuell Kürzungen vorge - berg nach. Wie der Autor anmerkt, wur - IBAN: AT66 6000 0000 9202 3930 nommen werden können, aber vermut - de ihr Einsatz für die Spanische Repu - lich wirkte die Fülle des Materials auch blik nach der Befreiung vom offiziellen für den Autor „überwältigend“. Die fol - Österreich nicht gewürdigt. Erst relativ In eigener Sache genden Seiten und Abschnitte gehen spät erhielten sie die ihnen zustehende ie Mitteilungen der Alfred Klahr ebenfalls detailreich und auf zahlreiche Anerkennung, und ihre Namen wurden DGesellschaft werden vier Mal behördliche Quellen gestützt auf die ille - beispielsweise auch in lokale Wider - jährlich neben den Mitgliedern unse - galen Transportnetzwerke und die staat - standsmahnmale aufgenommen. rer Gesellschaft auch an zahlreiche lichen Verfolgungsmaßnahmen ein. Als Kritikpunkte wären die schlechte Ins titutionen und Vereine, sowie an Letztere erzwangen durch die Zerschla - Druckqualität des Bandes sowie verein - Personen im In- und Ausland, die an gung der Organisation im Rheintal eine zelte Recherchefehler anzuführen. So den unseren Aktivitäten und Publika - Verlegung der Transportroute in das wird eine zentrale Figur des Feldkircher tionen interessiert sind, gesendet. Hochgebirge – eine weitaus beschwer - Widerstands, der langjährige KPÖ-Funk - Aufgrund des größeren Seiten - lichere und gefährlichere Überquerung tionär Heinrich Reisecker, als späterer umfangs und der höheren Posttarife der Grenze war nun erforderlich. Zwei - „SPÖ-Stadtrat“ bezeichnet. Reisecker sind die Kosten in den letzten Jahren felsohne wird durch die Publikation auch saß jedoch nach der Befreiung für die stark gestiegen. Angesichts der insge - den vielen, heute größtenteils unbekann - KPÖ im Stadtrat von Feldkirch. Dies samt schwierigen finanziellen Situa- ten, mutigen Menschen ein Denkmal ge - kann aber nicht den Wert der Publikation tion bitten wir all jene, die an einem setzt, die bei den Schleusungen von poli - für die österreichische und durchaus auch Weiterbezug der Mitteilungen interes - tisch Verfolgten und Interbrigadisten in schweizerische Zeitgeschichte schmälern. siert sind und nicht Mitglied sind, ein die Schweiz aktiv waren. Endgültig Die Beschäftigung mit der illegalen Jahres abonnement zum Preis von 6,– konnte das Transportnetzwerk erst nach ArbeiterInnenbewegung in der Grenz - Euro bzw. ein Förderabo in einer dem „Anschluss“ im März 1938 zer - region am Rhein und mit den österreichi - selbst zu bestimmenden Höhe zu schlagen werden. schen Freiwilligen in den Internationalen lösen. Sollten Sie Mitglied der AKG Im letzten Abschnitt zeichnet Holz - Brigaden erfährt durch Severin Holz - werden wollen, so beträgt der Jahres - knecht die Biografien der 18 von ihm knechts Arbeit einen wichtigen Beitrag. beitrag 20,– Euro pro Jahr. ermittelten Interbrigadisten aus Vorarl - floriAn ScHWAnninger

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