„Die gescheiterte Transitpolitik?“

Der alpenquerende Straßengüterverkehr anhand des Fallbeispiels Tirol – Die Verkehrspolitik Österreichs, der EU und der Schweiz.

Mag. Othmar Kolp 9916894

DISSERTATION

eingereicht im Rahmen des Doktoratsstudiums der Philosophie

an der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie der Leopold-Franzens-Universität

Innsbruck, am 22.04.2015

VORWORT

Zum Glück lässt sich im Vorfeld der getätigte Aufwand für das Verfassen einer Dissertation nicht wirklich eruieren. Unzählige Tage, Wochen, Monate und auch längere Nächte wurden seit 2005 in diese Arbeit investiert. Trotzdem gab es aber auch wieder längere Abschnitte wo überhaupt nichts mehr weiter ging und alles komplett still stand.

Mein größter Dank für das Gelingen der vorliegenden Arbeit gebührt natürlich meinen Eltern Margit und Helmuth, die stets an mich geglaubt haben und ohne deren finanzielle und vor allem ideelle Unterstützung ich dieses Ziel vielleicht niemals erreicht hätte. Dank auch an meine Frau Daniela und an meine Schwester Bettina für die moralische Unterstützung und für das teils „nervige Drängen“ endlich mit dem Doktoratstudium abzuschließen.

Besonderer Dank gilt auch meinem Dissertationsbetreuer Univ.-Prof. Dr. Heinrich Neisser, Innsbruck/Wien, der als Betreuer dieser Arbeit in beeindruckendem Maße über Jahre hinweg mit mir Geduld hatte. Gedankt sei zudem auch dem Zweitbegutachter Univ.-Prof. DDr. Günther Pallaver, Innsbruck.

Weiterer Dank gilt allen meinen Freunden, Verwandten, Bekannten und Arbeitskollegen, die mich während des Studiums begleitet und unterstützt haben. Besonders auch Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka, Innsbruck/Budapest, und den Kolleginnen und Kollegen aus dem Dissertantenseminar für die Diskussionen, kritischen Fragen, Anmerkungen und Anregungen.

Danken möchte ich auch der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck für die Auswahl und die Gewährung eines Doktoratstipendiums aus der Nachwuchsförderung 2005 für das Dissertationsvorhaben. Durch das Stipendium konnte ich mich zumindest in der Anfangsphase einige Zeit ausschließlich der Arbeit an der Dissertation widmen und die finanziellen Sorgen für ein Jahr vergessen. Das Stipendium hat natürlich auch den Abschluss des Doktoratstudiums etwas beschleunigt.

Bedanken möchte ich mich auch bei allen Interviewpartnerinnen und -partnern, bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der „Internetbefragung“ sowie bei allen Bibliotheken, Verlagen und Institutionen für den Zeitaufwand, um meine Fragen zu beantworten. Besonderen Dank auch an Ing. Christian Konrad, See/Paznaun, für die Programmierung der „Internetbefragung“.

Alles in allem hat es manchmal auch Spaß gemacht an dieser Dissertation zu forschen und zu schreiben, obwohl jetzt natürlich die Freude über die Fertigstellung überwiegt.

See im Paznaun, April 2015 Mag. Othmar Kolp

Aus sprachökonomischen Gründen wurde auf die konsequente Nennung beider Geschlechter verzichtet. Es versteht sich, dass die weiblichen Personen jeweils mitgemeint sind. 2

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT ...... 2 INHALTSVERZEICHNIS ...... 3 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...... 7 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... 10

TEIL I: EINLEITUNG UND AUSGANGSLAGE ...... 11

1. EINLEITUNG ...... 11

1.1 THEMENWAHL UND PROBLEMSTELLUNG ...... 11 1.2 AUFBAU DER ARBEIT UND ANGWANDTE METHODIK ...... 14 1.2.1 Inhalticher Aufbau und Gliederung der Arbeit ...... 14 1.2.2 Angewandte Methoden ...... 16 1.3 VERKEHR AUS POLITIKWISSENSCHAFTLICHER SICHT ...... 29 1.3.1 Grundsätzliche Überlegungen zum Thema Verkehrspolitik ...... 29 1.3.2 Definition von Verkehrspolitik und Transitverkehr ...... 38 1.4 VERKEHRSSITUATION IM ALPENRAUM ...... 46 1.4.1 Verkehrsgeographische Situation ...... 46 1.4.2 Verkehrsinfrastruktur in Österreich und in Tirol...... 51 1.4.3 Der Brennerkorridor ...... 55 1.4.4 Verkehrsentwicklung in den Alpenkorridoren ...... 61 1.4.5 Umwelt- und Lärmprobleme durch den Alpenverkehr ...... 65 1.4.6 Gebührensysteme im Alpenraum ...... 74

TEIL II: INTERNATIONALE ABKOMMEN ...... 77

2. ALPENKONVENTION UND KYOTO-PROTOKOLL ...... 77

2.1 DIE ALPENKONVENTION ...... 77 2.1.1 Allgemeines und Entstehungsgeschichte ...... 77 2.1.2 Die Rahmenkonvention und ihre Protokolle ...... 80 2.1.3 Geltungsbereich der Alpenkonvention in Österreich ...... 85 2.1.4 Das Verkehrsprotokoll ...... 86 2.1.5 EU und Verkehrsprotokoll ...... 94 2.1.6 Bewertung ...... 99 2.2 INTERNATIONALES UMWELTRECHT ...... 100 2.2.1 Allgemeines ...... 100 2.2.2 Das Kyoto-Protokoll ...... 103 2.2.3 Umsetzung in der EU und in Österreich ...... 105 2.3 SCHLUSSFOLGERUNG ...... 111

TEIL III: EUROPÄISCHE VERKEHRSPOLITIK ...... 112

3. EUROPÄISCHES VERKEHRSRECHT ...... 112

3.1 ZIELE UND RECHTLICHE GRUNDLAGEN ...... 112 3.1.1 Allgemeines ...... 112 3.1.2 Ziele und Grundsätze der gemeinsamen Verkehrspolitik ...... 115 3.1.3 Titel VI: Der Verkehr (Art. 90 – 100 AEUV) ...... 120

3

3.1.4 Titel XVI: Transeuropäische Netze (Art. 170 – 172 AEUV) ...... 131 3.1.5 Weitere verkehrsrelevante vertragliche Bestimmungen ...... 139 3.1.6 Bewertung ...... 148 3.2ENTWICKLUNG DER EUROPÄISCHEN VERKEHRSPOLITIK ...... 148 3.2.1 Allgemeines und Ausgangslage ...... 148 3.2.2 Die Verkehrsmarktkonzeption (1958 – 1972) ...... 150 3.2.3 Stagnation (1973 – 1985) ...... 152 3.2.4 Untätigkeitsurteil und Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit (1985 – 1992) ...... 154 3.2.5 Nachhaltige Mobilität und aktuelle Entwicklungstendenzen (1992 – 2015) ..... 157 3.3 UMSETZUNG UND AUSGESTALTUNG DER GEMEINSAMEN VERKEHRSPOLITIK (SEKUNDÄRRECHT) ...... 170 3.3.1 Internationaler Verkehr (Art. 91 Abs. 1 lit. a AEUV) ...... 171 3.3.2 Kabotage (Art. 91 Abs. 1 lit. b AEUV) ...... 179 3.3.4 Verkehrssicherheit (Art. 91 Abs. lit. c AEUV) ...... 180 3.3.4 „Sonstige Vorschriften“ (Art. 91. Abs. 1 lit. d AEUV) ...... 182 3.4 EXKURS: TRANSEUROPÄISCHES VERKEHRSNETZ (TEN-V) ...... 182 3.5 UMWELTASPEKTE UND WEGEKOSTENPROBLEM ...... 198 3.5.1 Umweltaspekte in der gemeinsamen Verkehrspolitik ...... 198 3.5.2 Die Wegekostenrichtlinien ...... 208 3.6 FAZIT ZUR EUROPÄISCHEN VERKEHRSPOLITIK ...... 230

TEIL IV: ÖSTERREICHISCHE VERKEHRSPOLITIK ...... 232

4. RECHTLICHE UND INHALTLICHE VORGABEN DER ÖSTERREICHISCHEN VERKEHRSPOLITIK ...... 232

4.1 DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN ...... 232 4.1.1 Allgemeines ...... 232 4.1.2 Verkehr im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ...... 233 4.1.3 Straßen- und Mautrecht ...... 236 4.1.4 Straßenverkehrs- und Kraftfahrrecht ...... 238 4.1.5 Eisenbahnrecht ...... 240 4.1.6 Umweltrecht im (Straßen-)Verkehrsrecht ...... 241 4.2 DIE INHALTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN ...... 246 4.2.1 Allgemeines ...... 246 4.2.2 Das Gesamtverkehrskonzept 1968 ...... 247 4.2.3 Das österreichische Gesamtverkehrskonzept 1991 ...... 249 4.2.4 Der Generalverkehrsplan 2002 ...... 255 4.2.4 Der Gesamtverkehrsplan für Österreich 2012 ...... 261

5. VOM TRANSITVERKEHRSABKOMMEN EWG – ÖSTERREICH ZUM TRANSITPROTOKOLL ...... 266

5.1 DIE ENTWICKLUNG DER TRANSITVERKEHRSPROBLEMATIK ...... 266 5.2 DAS TRANSITVERKEHRSABKOMMEN VOM MAI 1992 ...... 278 5.2.1 Inhalt des Transitabkommens von 1992 ...... 279 5.2.1 Das Rechtliche Verhältnis des Transit- zum EWR-Abkommen ...... 283 5.3 UMSETZUNG DES ÖKOPUNKTESYSTEMS ...... 283 5.4. DIE BEITRITTSVERHANDLUNGEN ÖSTERREICHS MIT DER EU ...... 285 5.5 INHALT DES TRANSITPROTOKOLLLS ...... 290

4

5.6 INHALTLICHER VERGLEICH VON TRANSITABKOMMEN UND TRANSITPROTOKOLL ...... 294 5.7 AUSDEHNUNG DES ÖKOPUNKTESYSTEMS AUF MEHRERE DRITTSTAATEN ...... 295

6. ÖKOPUNKTE UND BRENNERMAUT ...... 297

6.1 DAS VERSAGEN DES ÖKOPUNKTESYSTEMS ...... 297 6.1.1 Die praktische Anwendung des Ökopunktesystems ...... 297 6.1.2 Verlängerung der Ökopunkteregelung ...... 299 6.1.3 Das Versagen des Ökopunktesystems ...... 301 6.2 DIE BRENNERMAUTKLAGE ...... 312 6.2.1 Die Ausgangslage ...... 312 6.2.2 Das Urteil des EuGH ...... 317 6.2.3 Die Rückerstattung der gemeinschaftswidrigen Brenner-Maut ...... 318 6.2.4 Die Einigung im Mautstreit ...... 320 6.3 DIE NACHFOLGERGELUNG ZUM TRANSITPROTOKOLL ...... 323 6.3.1 Der „Transitstreit“ und die Nachfolgeregelung ...... 323 6.3.2 Inhalt der Verordnung (EG) Nr. 2327/2003 ...... 329 6.3.3 Nichtumsetzung durch Österreich ...... 332 6.3.4 Einbeziehung der neuen EU-Mitgliedsstaaten und weiterer Drittstaaten...... 336 6.3.5 Schlussfolgerung ...... 338

7. TIROL UND DER TRANSITVERKEHR ...... 339

7.1 DIE „UMWELTBEDINGTEN“ VERKEHRSBESCHRÄNKUNGEN ...... 339 7.1.1 Das Nachtfahrverbot ...... 339 7.1.2 Geschwindigkeitsbegrenzungen ...... 344 7.1.3 Fahrverbot für emissionsintensive Schwerfahrzeuge ...... 347 7.1.4 Das sektorale Fahrverbot ...... 348 7.1.5 Exkurs: Emissionsgestaffelte Lkw-Maut ...... 367 7.2 DER „TRANSITWIDERSTAND“ DER BÜRGERINITIATIVEN ...... 368 7.2.1 Die Tiroler Anti-Transitbürgerinitiativen ...... 368 7.2.2 Das „Schmidberger-Urteil“ ...... 378 7.3 EXKURS: DER BRENNERBASISTUNNEL (BBT) ...... 381 7.3.1 Entstehungsgeschichte und aktueller Stand des BBT ...... 381 7.3.2 Der Brennerbasistunnel als Lösung? ...... 394 7.4 FAZIT ZUR TIROLER VERKEHRSPOLITIK ...... 399

TEIL V: SCHWEIZER VERKEHRSPOLITIK ...... 401

8. DER SCHWEIZER WEG ALS ALTERNATIVE? ...... 401

8.1 DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN ...... 401 8.1.1 Allgemeines ...... 401 8.1.2 Verkehr in der Schweizer Bundesverfassung ...... 402 8.1.3 Funktionales Verkehrsrecht in der Schweiz ...... 410 8.2 DIE INHALTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN ...... 412 8.2.1 Allgemeines ...... 412 8.1.2 Die Gesamtverkehrskonzeption Schweiz (GVK-CH) ...... 413 8.2.3 Die Koordinierte Verkehrspolitik (KVP) ...... 415

5

8.2.4 Aktuelle Ziele der schweizerischen Verkehrspolitik ...... 418 8.2.5 Exkurs: Die Alpentransitbörse ...... 420

9. VOM TRANSIT- ZUM LANDVERKEHRSABKOMMEN ...... 421

9.1 DAS TRANSITAKOMMEN EWG – SCHWEIZ ...... 421 9.1.1 Die schweizerische Transitverkehrspolitik bis 1985 ...... 421 9.1.2 Die Verhandlungen zum Transitabkommen ...... 424 9.1.3 Inhalt des Transitabkommens von 1992 ...... 429 9.2 DAS LANDVERKEHRSABKOMMEN ...... 435 9.2.1 Die Verhandlungen zum Landverkehrsabkommen ...... 435 9.2.2 Inhalt des Landverkehrsabkommens von 1999 ...... 440

10. DIE SCHWEIZER VERKEHRSPROJEKTE ...... 450

10.1 DIE FINANZIERUNG DER SCHWEIZER BAHNPROJEKTE ...... 450 10.1.1 Finanzierung von Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs (FinöV) ...... 450 10.1.2 Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) ...... 451 10.1.3 Exkurs: Der Infrastrukturfonds...... 452 10.2 DIE NEUE EISENBAHN-ALPENTRANSVERSALE (NEAT) ...... 453 10.2.1 Entstehungsgeschichte der NEAT ...... 453 10.2.2 Aktueller Stand beim NEAT-Ausbau ...... 456 10.3. DIE WEITEREN SCHWEIZER BAHNGROSSPROJEKTE ...... 461 10.3.1 Bahn 2000, die zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) und das strategische Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur (STEP) ...... 461 10.3.2 Anbindung an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz (HGV) ...... 464 10.3.3 Die Lärmsanierung Bahn ...... 465 10.4 FAZIT ZUR SCHWEIZERISCHEN VERKEHRSPOLITIK ...... 466

TEIL VI: SCHLUSSTEIL UND LITERATUR ...... 468

11. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ...... 468

11.1 GRUNDSÄTZLICHES ...... 468 11.2 VERKEHRSPOLITIK IN ÖSTERREICH ...... 469 11.3 SCHWEIZER VERKEHRSPOLITIK ...... 472 11.4 SCHLUSSFOLGERUNGEN ...... 474

ANHANG: QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ...... 477

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABl Amtsblatt der Europäischen Union Abs Absatz, Absätze aBV alte Schweizerische Bundesverfassung (in Kraft bis 1999) AdR Ausschuss der Regionen ATLR Amt der Tiroler Landesregierung AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AlpK Alpenkonvention Art Artikel ASFINAG Autobahn- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft AT Österreich ATS Österreichischer Schilling BAV Schweizer Bundesamt für Verkehr BBT Brennerbasistunnel BBT SE Galleria di Base del Brennero – Brenner Basis Tunnel BBT SE Bd Band BEG Brenner Eisenbahn Gesellschaft BGBl Bundesgesetzblatt BM Bundesminister(ium) BMVIT Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie BMLFUW Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft BMÖWV Bundesministerium für Öffentliche Wirtschaft und Verkehr BMVVU Bundesministerium für Verkehr und Verstaatliche Unternehmungen BStG Bundesstraßengesetz BStMG Bundesstraßenmautgesetz BullEG Bulletin der Europäischen Gemeinschaften BV Schweizerische Bundesverfassung B-VG Bundes-Verfassungsgesetz 1920 idgF bzw beziehungsweise ca zirka CELEX Communitatis Europeae Lex (Rechtsdatenbank der EU) CEMT Europäische Konferenz der Verkehrsminister CH Schweiz CIPRA Commission Internationale pour la Protection des Alpes – Int. Alpenschutzkommission CO Kohlenmonoxid CO2 Kohlendioxid COP Conformitiy of production DB Deutsche Bahn AG DE Deutschland dh das heißt Diss Dissertation Dok Dokument DP Die Presse DS Der Standard ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht E Entscheidung ECU European Currency Unit EG Europäische Gemeinschaft(en) EFTA European Free Trade Association EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EIB Europäische Investitionsbank EK Europäische Kommission EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg endgültig EP Europäisches Parlament ES Spanien EU Europäische Union EuG Gericht der Europäischen Union EuGH Europäischer Gerichtshof EUV Vertrag über die Europäische Union

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et al et alii etc et cetera EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWGV Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum f, ff der/die folgende, fortfolgemde FI Finnland FJ Finanz Journal Fn Fußnote, Fußnoten FR Frankreich FS Italienische Staatsbahnen g Gramm g/Kwh Gramm pro Kilowattstunde GATT General Agreement on Tariffs and Trade; Allgemeines Zoll und Handelsabkommen gem. gemäß GVK-CH Gesamtverkehrskonzeption Schweiz hM herrschende Meinung Hg Herausgeber, herausgegeben idF in der Fassung idgF in der gültigen Fassung IE Irland IG-L Immissionsschutzgesetz-Luft iSd im Sinne des/der IT Italien iVm in Verbindung mit Kfz Kraftfahrzeug(e) km Kilometer km/h Kilometer pro Stunde KOM Dokumente der Europäischen Kommission KyotoP Kyoto-Protokoll KV Kombinierter Verkehr KVP Koordinierte Verkehrspolitik LGBl Landesgesetzblatt LH Landeshauptmann LI Fürstentum Liechtenstein lit. litera, literae Lkw Lastkraftwagen LR Landeregierung LSVA Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LVA Landverkehrsabkommen zw. der Schweiz und der EG MC Fürstentum Monaco mg/m³ Milligramm pro Kubikmeter Mio Million(en) Mrd Milliarde(n) MS Mitgliedstaat NEAT Neue Eisenbahn-Alpentransversale NGO Non-governmental organization (Nichtregierungsorganisation) NO2 Stickstoffoxid NOx Stickoxid Nr. Nummer NuR Natur und Recht NZZ Neue Zürcher Zeitung O3 Ozon ÖBB Österreichische Bundesbahnen OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OGH Oberste Gerichtshof oJ ohne Jahr oO ohne Ort ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr ÖVG Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft ÖZV Österreichische Zeitschrift für Verkehrswissenschaft pkm Personen- oder Passagierkilometer 8

Pkw Personenkraftwagen PPP Private-Public-Partnership (Öffentlich-private-Partnerschaft ÖPP) PT Portugal RdU Zeitschrift für Umweltrecht RL Richtlinie Rn Randnummer, Randnummern RoLa Rollende Landstraße Rs Rechtssache S Seite SBB Schweizerische Bundesbahn SE Schweden SI Slowenien Slg Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union SN Salzburger Nachrichten StGG Staatsgrundgesetz vom 21.12.1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867 STVG Schweizerisches Bundesgesetz über den Straßentransitverkehr im Alpengebiet StVO Österreichische Straßenverkehrsordnung t Tonne(n) TEN Transeuropäische Netze tkm Tonnenkilometer TT Tiroler Tageszeitung TA-AT Transitabkommen zwischen der EWG und Österreich TA-CH Transitabkommen zwischen der EWG und der Schweiz ua und andere, unter anderem UK Vereinigtes Königreich UN/ECE Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen UNFCCC United Nations Frame Conference on Climate Change – UN-Klimarahmenkonferenz URL Uniform Resource Locator usw und so weiter UVP Umweltverträglichkeitsprüfung VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und der Beschlüsse des VfGH vgl vergleiche VO Verordnung VerkP Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr VV Vertrag über eine Verfassung für Europa („Verfassungsvertrag“) WBL Wirtschaftsrechtliche Blätter WSA Wirtschafts- und Sozialausschuss zB Zum Beispiel ZfRV Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Privatrecht und Europarecht ZfV Zeitschrift für Verwaltung Ziff Ziffer zT zum Teil ZUR Zeitschrift für Umweltrecht ZVR Zeitschrift für Verkehrsrecht

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Holistische und analytische Methoden ...... 22 Abbildung 2: Der Vergleich ...... 23 Abbildung 3: Instrumente der Verkehrspolitik zur Gestaltung des Verkehrssystems ...... 40 Abbildung 4: Der Alpenbogen von Ventimiglia – Wechsel ...... 50 Abbildung 5: Verkehrskorridore Straße und Schiene in Österreich:...... 51 Abbildung 6: Straßennetz in Österreich (Stand 2011): ...... 52 Abbildung 7: Verkehrsentwicklung in Tirol 1980 – 2013 ...... 56 Abbildung 8: Güterverkehr (Straße und Bahn) und modal split am Brenner 1960 – 2013 .. 61 Abbildung 9: Alpenquerender Straßengüterverkehr 2008 im äußeren Alpenbogen ...... 62 Abbildung 11: Alpenquerendes Güterverkehrsaufkommen 2008 (Straße und Schiene) ...... 63 Abbildung 10: Alpenquerender Gütertransport auf Straße und Schiene (1986-2006) ...... 64 Abbildung 12: Alpenquerender Güterverkehr Straße/Schiene 1999-2009 (Ventimiglia – Wechsel) ...... 64 Abbildung 13: Alpenquerender Güterverkehr 2012 ...... 65 Abbildung 14: Schadstoffkonzentration in Alpentälern bei Inversionswetterlagen: ...... 68 Abbildung 15: Lärmentwicklung im Flachland und in Alpentälern: ...... 72 Abbildung 16: Anwendungsgebiet der Alpenkonvention: ...... 81 Abbildung 17: Die Korridore des TEN-V-Kernnetzes (Stand 2014) ...... 189 Abbildung 18: TEN-V in Österreich ...... 197 Abbildung 19: TEN-V Kernnetz: Korridore durch Österreich...... 198 Abbildung 20: Engpässe im hochrangigen Straßennetz (Jahr 2001)...... 257 Abbildung 21: Engpässe im hochrangigen Schienennetz (Jahr 2001) ...... 258 Abbildung 22: Gesamtinvestitionsvolumen des GVP-Ö 2002 und Investitionspakete ...... 260 Abbildung 23: Das Tunnelsystem des BBT ...... 383 Abbildung 24: Stand der BBT-Bauarbeiten im April 2015 ...... 394 Abbildung 25: Geographische Darstellung der NEAT ...... 457 Abbildung 26: Das Tunnelsystem des Gotthardbasistunnels ...... 458 Abbildung 27: Das Tunnelsystem des Ceneribasistunnels ...... 459

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TEIL I: EINLEITUNG UND AUSGANGSLAGE 1. EINLEITUNG

Im ersten Kapitel wird zunächst die Themenwahl der Arbeit näher erläutert. Dadurch soll dann auf die Problemstellung aufmerksam gemacht werden und daraus werden schließlich die Ziele abgeleitet. Es folgt ein kurzer Abriss über den Aufbau und in einem etwas ausführlicheren Teil kommen die angewandte Methodik sowie ein theoretischer Teil zur Sprache. Den Abschluss des ersten Teils bilden ein Definitionskapitel sowie die ausführliche Darstellung der Verkehrssituation im Alpenraum. Der Stand der vorliegenden Arbeit ist der 31. März 2015.

1.1 THEMENWAHL UND PROBLEMSTELLUNG

„Der Verkehr hat in unserem Lande ein Ausmaß angenommen, das der Bevölkerung nicht mehr zugemutet werden kann. Fast der gesamte Güterverkehrszuwachs in den letzten Jahren und Jahrzehnten ist auf der Straße erfolgt, während der Bahn-Gütertransit stagnierte, ja seit einigen Jahren sogar zurückgegangen ist. […] Wir in Tirol sind nicht mehr bereit, die Last anderer zu tragen. Wir können das weder der Bevölkerung zumuten, noch verträgt das alles unsere Umwelt.“ (Transitverkehr durch Österreich 1989, 5)

Dieses Zitat stammt vom Tiroler Alt-LH Alois Partl im Rahmen einer parlamentarischen Enquete des Nationalrates aus dem Jahr 1989. Damals wie heute bringt dieses Zitat die Transitproblematik in Tirol auf den Punkt und hat nichts an Aktualität verloren. Das Thema Transit bewegt die Menschen an den Tiroler Hauptverkehrsachsen nach wie vor. Bei diesem Thema gehen seit über 25 Jahren die Emotionen hoch. Größte Feindbilder sind „die da oben in Brüssel“, wobei vor allem die EU wegen dem freien Warenverkehr verteufelt wird, und die „ausländischen“ Transit-Lkws. Wohl kaum ein Politikbereich war aus der Sicht des EU-Mitgliedstaates Österreich in den letzten Jahren so konfliktträchtig und emotionsgeladen, wie die die europäische Verkehrspolitik und damit einhergehend die Aus- wirkungen auf Österreich. Bei der „Eindämmung“ des Transits hatten die Tiroler Landes- und allen voran die österreichische Bundespolitik bisher auf EU-Ebene einige schmerzliche Niederlagen erleiden müssen. Obwohl das Thema Transit in Tirol medial allgegenwärtig ist, haben sich am Institut für Politikwissenschaft der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck seit 1992 lediglich zwei Studenten wissenschaftlich damit auseinandergesetzt und eine Diplomarbeit eingereicht (Stand März 20151). Vor allem an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät haben zahlreiche

1 Vgl. Leitner, Anton (1992/93). Transitverkehrspolitik in Österreich und Bürgerinitiativen unter besonderer Berücksichtigung Tirols, Diplomarbeit Universität Innsbruck; Speiser, Stefan (2011). Die 11

Diplomanden und Dissertanten das Thema Transit aus rechtlicher Perspektive bearbeitet. Auffallend ist auch die geringe Anzahl von neueren österreichischen Monographien zu diesem für Österreich – besonders für Tirol – relevanten Thema. Den größten Niederschlag fand und findet dieses Thema in den Medien, dort vor allem in den Zeitungen (inklusive Onlinemedien) und in der Fernseh- bzw. Radioberichterstattung. Zudem liefert das Transitforum -Tirol immer wieder kritische Publikationen. Auch bei einem Blick auf die anderen österreichischen Universitäten fällt auf, dass das Thema vornehmlich aus rechtlicher Sicht bearbeitet wurde. Der Autor möchte nun mit seiner Forschungsarbeit eine Lücke schließen und das Thema Transit aus politikwissenschaftlicher Sicht beleuchten. Anzumerken ist auch, dass in der Schweiz dem Thema Verkehr und Alpentransit eine viel größere Beachtung geschenkt wird. Dies ist dort vor allem an der großen Fülle von wissenschaftlicher und aktueller Literatur und an zahlreichen Forschungsprojekten festzumachen. Speziell das Jahr 2004 brachte in Tirol eine grundlegende Veränderung der bisherigen Rahmenbedingungen im Transitgüterverkehr. Besonders das ersatzlose Ende der Ökopunkte-Regelung für Transit-Lkw (31. Dezember 2003) brachte einen enormen Anstieg des alpenquerenden Straßengüterverkehrs am Brennerkorridor mit sich. Daneben wurde im selben Jahr auch die Lkw-Maut (für alle Kfz über 3,5 t; so genanntes Road pricing) auf dem hochrangigen österreichischen Straßennetz eingeführt. Die Zahl der Schwerfahrzeuge erreichte 2007 am Brennerkorridor mit einem Gesamtjahresaufkommen von 2,18 Mio. Lkw den bisherigen Höhepunkt. Das sind durchschnittlich 5.960 Lkw/24h, wobei der Lkw- Verkehr zu 90% aus schweren Nutzfahrzeugen (SLZ) bestand. (ATLR 2008, 6) Es ist nur verständlich, dass darunter vor allem die Anrainer und die Umwelt leiden. Bedingt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise kam es in der zweiten Jahreshälfte 2008 und auch 2009 zu einem deutlichen Rückgang der Transitfahrten. In ganz Tirol verzeichnete der Lkw-Verkehr 2008 Rückgänge von minus 2,0% und 2009 von minus 10%. Die Reduktion des Schwerverkehrs war dabei aber im hochrangigen Straßennetz etwas stärker (2008: -2,3%; 2009: -12,4%) als auf den Landesstraßen (2008: -1,5%; 2009: -5,8%). (ATLR, 2009, 5; ATLR 2010, 5) Insgesamt waren 2009 1,59 Mio. Lkw-Fahrten über den Brenner zu verzeichnen. Zwar ein deutlicher Rückgang gegenüber 2007, aber dennoch sind es um 120.000 Fahrten mehr als im Jahr 2003 (letztes Jahr der Ökopunkteregelung). (ATLR 2010, 5) Erstmals wurde 2008 bzw. 2009 der jahrelange Wachstumstrend am Brenner durchbrochen, wobei aber bereits seit März 2010 durch die Wirtschaftserholung der Lkw-

Transitverkehrspolitik in Tirol im Spannungsfeld zwischen Europäischer Union, nationaler Verkehrspolitik und Interessensverbänden, Diplomarbeit Universität Innsbruck. 12

Verkehr wieder ansteigt und sicherlich in Zukunft wieder jährliche Wachstumsraten zu erwarten sind. (ORF ON 16.07.2010, 10.09.2010; TT 9.09.2010) Insgesamt passierten im Jahr 2012 1,99 Mio. Lkw (2011: 1,97 Mio. Lkw, 2010: 1,9 Mio. Lkw) den Brennerpass. Trotz des enormen Rückgangs 2009 und des Anstieges in den Jahren 2010/11 passierten rund 264.000 SLZ mehr den Brenner als 2003, dem letzten Jahr der Ökopunkteregelung. (ATLR 2013, 3; ATLR 2012, 11) Vor der Wirtschaftskrise sahen die Prognosen düster aus und manche Verkehrsexperten rechneten für das Jahr 2015 sogar mit 2,5 bis zu 3 Mio. Lkw- Fahrten auf der Brennerroute! Auch wenn diese Prognosen nicht eintreffen sollten, stellt sich doch die Frage, ob das sensible Ökosystem Alpen so viel Schwerverkehr verträgt? Daneben muss auch die Frage aus Sicht der Verkehrssicherheit gestellt werden, ob unsere Infrastruktur – vor allem das hochrangige Straßennetz – so viel (Schwer-)Verkehr verträgt? Und nicht zuletzt als wohl eine der wichtigsten Fragen, vertragen die bisher schon geplagten Anrainer so viel Lärm und Abgase? Aber nicht nur der Transitverkehr an sich sorgt für Aufregung, sondern auch die Mittel, mit denen der Schwerverkehr auf der Straße beschränkt werden soll. Das Transitabkommen bzw. das Transitprotokoll wurde trotz aller Versuche der österreichischen Politik nicht verlängert und daneben gab es zahlreiche Niederlagen vor dem EuGH (Ökopunkteklage, Brennermaut). So kippte z. B. der EuGH das sektorale Fahrverbot von 2003 (die Verbannung von gewissen Gütern von der Straße auf die Scheine) auf der A12. Auch nach dem zweiten Anlauf im Jahr 2007 wurde das sektorale Fahrverbot vom europäischen Höchstgericht 2011 abermals aufgehoben. „Blockiert“ wurde aber nicht nur in Brüssel, sondern auch immer wieder in der Tiroler Landespolitik. Tirol ist auch der Standort großer Frächter, die mit Fahrverboten im eigenen Land einen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem restlichen Europa befürchteten. Daher war man von Seiten der Politik stets um Ausnahmen für den Tiroler Lkw-Verkehr bemüht, was natürlich wiederum die Brüsseler Wettbewerbshüter auf den Plan rief. Besonders ein Fahrverbot für alte und daher besonders umweltschädliche Lkw (Klassen EURO 0 und I) wurde jahrelang hinausgezögert, da die Politik die heimischen Unternehmen mit ihrem teilweisen überalterten Fuhrpark nicht treffen wollte. Ähnlich sah es bei der Einführung einer dauerhaften Geschwindigkeitsbeschränkung auf den Tiroler Autobahnen aus. Die Europäische Kommission forderte vor einer Einführung eines sektoralen Fahrverbots für Lkw, die Ausweitung von Tempo 100 für Pkw zur Reduktion der Emissionen. Auch hier strebte sich die Tiroler Politik und vor allem die ÖVP lange Zeit gegen diesen permanenten

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„Luft-Hunderter“. Stattdessen wurde zuerst eine temporäre und flexible Schaltung von Tempo 100 eingeführt. Ähnliches ist bei der Erhöhung der Unterinntalmaut zur Querfinanzierung der nördlichen Zulaufstrecke des BBT zu verfolgen. Aus Rücksicht auf das heimische Wählerklientel und die Wirtschaft wird blockiert, hinausgezögert und schließlich die „Schuld“ auf Wien und Brüssel geschoben. Aber nicht nur die Politik „kämpft“ gegen den Transit, sondern auch die so genannte Zivilgesellschaft. An den Tiroler Transitrouten entstanden in den letzten 25 Jahren zahlreiche Bürgerinitiativen. Dieser so genannte „Bürgerwiderstand“ gegen den steigenden Transitverkehr wurde zu einem nicht vernachlässigbaren Bestandteil der Landespolitik. Welche Motive stehen hinter der Gründung diesen Initiativen und was sind ihre Ziele? Eine Besonders wichtige Frage ist hierbei welchen Einfluss haben diese Protestbewegungen auf die Tiroler Politik und auf die Wahlen? Und so bleibt den betroffenen Tirolern und der österreichischen Bundespolitik immer wieder nur der neidvolle Blick über die Grenze in die Schweiz, wo die Basistunnel der NEAT längst keine Zukunftsvisionen mehr sind, sondern bereits im Betrieb (Lötschberg) bzw. im Bau (Gotthard) sind und seit Jahren zwei Drittel des Schwerverkehrs auf der Schiene transportiert werden. Wurde das EU-Mitglied Österreich von den anderen mittlerweile 14 (bis 2004) bzw. 26 Mitgliedstaaten in der Vergangenheit bei Verkehrsfragen schlechter behandelt als das Nicht-Mitglied Schweiz? Haben es die Österreicher verabsäumt innerhalb der EU-Staaten Verbündete zu suchen? Zusammenfassend lässt sich die in der Dissertation zu klärende Forschungsfrage fol- gendermaßen formulieren: Trotz aller Versuche seitens der österreichischen Politik den Transitverkehr einzudämmen, wächst der Schwerverkehr unaufhörlich an. Welche Rolle spielt die europäische Verkehrspolitik und die darin postulierten Grundsätze. Hat die österreichische Politik Fehler gemacht? Gibt es „Lösungen“ für das Transitproblem und was hat die Schweiz im Vergleich zu Österreich „besser“ gemacht. Diese komplexen Fragen zum Thema Transit sollen nun im Rahmen der Dissertation aufgearbeitet und am Fallbeispiel Tirol thematisiert werden.

1.2 AUFBAU DER ARBEIT UND ANGWANDTE METHODIK

1.2.1 Inhaltlicher Aufbau und Gliederung der Arbeit

In dieser Arbeit steht ausschließlich der Güterverkehr im Mittelpunkt. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf die Verkehrsträger Straße, Schiene und deren Kombination im kombinierten

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Verkehr gelegt. Die Darstellung dieses Themenbereiches stößt auf die Schwierigkeit, dass das Politikfeld Verkehr von umfangreichen rechtlichen Vorgaben bestimmt wird. Eine einfache Lösung des Transitproblems ist daher nicht zu erwarten. Die Klärung der vorher aufgezählten Fragen setzt vielmehr voraus, dass zuerst ein Überblick über die für die Verkehrspolitik relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben wird. Die Arbeit umfasst sechs Teile mit elf eigenständigen Kapiteln (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Aufbau und Gliederung der Dissertation Kapitel Titel Inhalt Inhaltliche Aufbereitung und Kapitel 1 Einleitung Abgrenzung der Thematik, Methoden und Definitionen Alpenkonvention und Kyoto- Internationale Kapitel 2 Protokoll Umweltverplichtungen Genese und rechtliche Vorgaben Kapitel 3 Europäische Verkehrsrecht der europäischen Verkehrspolitik Kapitel 4 Rechtliche und inhaltliche Vorgaben der österreichischen Österreichische Transit- und Verkehrspolitik Verkehrspolitik der letzten 30 Kapitel 5 Vom Transitabkommen zum Jahre und deren europäischen Transitprotokoll Berührungspunkte und Kapitel 6 Ökopunkte und Brennermaut Konfliktlinien Kapitel 7 Tirol und der Transitverkehr Kapitel 8 Der Schweizer Weg als Alternative? Grundlagen der Schweizer Kapitel 9 Vom Transit- zum Verkehrspolitik und deren Landverkehrsabkommen Lösungsansätze Kapitel 10 Schweizer Verkehrsprojekte Kapitel 11 Zusammenfassung und Ausblick Kritische Diskussion und Ausblick Anhang Quellen- und Literaturverzeichnis Ergänzende Informationen

In Kapitel 1 wird der Hintergrund der Verkehrssituation im alpinen Raum dargestellt und es folgt eine Definition von Begriffen, die für die Arbeit relevant sind. Es werden zudem die Ziele und der Aufbau der Arbeit sowie die gewählte Methodik dargestellt. Zusätzlich wird der Verkehr aus politikwissenschaftlicher Sicht beleuchtet. Ein Überblick über die internationalen Umweltvorgaben und die europäische Verkehrspolitik folgt in den nachfolgenden zwei Kapiteln. Dabei werden in Kapitel 2 die internationalen Verträge im Verkehrs- bzw. Umweltbereich und die daraus resultierenden Verpflichtungen für die EU und für Österreich näher beleuchtet. In Kapitel 3 werden zum einen die rechtlichen Vorgaben und die verkehrspolitischen Ziele der EU erläutert und zum anderen die historischen bzw. aktuellen Tendenzen und Entwicklungen aufgezeigt. Die Kapitel 4 bis 7 nehmen sich dann dem eigentlichen österreichischen Transitproblem an. Zunächst werden in Kapitel 4 die rechtlichen und inhaltlichen Rahmenbedingungen der österreichischen Verkehrspolitik dargestellt. In Kapitel 5 folgt ein historischer Rückblick

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auf die Entstehung und die österreichische Interessenslage in der Transitpolitik. Weiters werden auch die Transitverhandlungen zwischen der damaligen EG und Österreich in den 1980er und beginnenden 1990er Jahren aufgearbeitet. Schließlich wird das Ergebnis der Transitverhandlungen zwischen der EG und Österreich, nämlich das Transitabkommen, näher vorgestellt. Es folgt eine rechtliche und inhaltliche Analyse dieses für Österreich wichtigen Abkommens. Der österreichische EU-Beitritt und die Überführung des Transitabkommens in das Protokoll Nr. 9 zum Beitrittsvertrag bilden den Abschluss. In Kapitel 6 werden die Schwierigkeiten und Streitigkeiten zwischen der EU und Österreich in den Bereichen Ökopunkten und Brennermaut aufgezeigt. Den Abschluss bildet der Verhandlungspoker um die Ökopunkte-Nachfolgeregelung. Kapitel 7 befasst sich mit der Tiroler Sicht des Transitproblems und beleuchtet die bisherigen Versuche das Problem zu lösen. Zudem wird der so genannte „Bürgerwiderstand“ gegen den Transitverkehr historisch abgerissen. Ein kritischer Blick auf den Brennerbasistunnel beendet den Österreichteil. In den Kapiteln 8 bis 10 wird die Schweizer Verkehrspolitik erläutert und es soll die Frage aufgeworfen werden, ob sie als Alternative für Österreich dienen könnte. Dabei werden in Kapitel 8 die rechtlichen Rahmenbedingungen der schweizerischen Verkehrspolitik vorgestellt. Besonders die bilateralen Verträge zwischen der EG/EU und der Schweiz werden in Kapitel 9 thematisiert. Kapitel 10 stellt die großen Schweizer Verkehrsprojekte, wie z. B. die NEAT, näher vor. Schließlich beendet das Kapitel 11 die Dissertation mit einer zusammenfassenden Bewertung der Ergebnisse sowie mit einem Ausblick.

1.2.2 Angewandte Methoden

Nun folgen ein paar Anmerkungen zur Methodik. Im Mittelpunkt der Politikwissenschaft steht der Politikbegriff. Patzelt definiert Politik folgendermaßen: „Politik ist jenes menschliche Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regelungen und Entscheidungen (d. h. von ‚allgemeiner Verbindlichkeit’) in und zwischen Gruppen von Menschen abzielt.“ (Patzelt 2007, 22) Dabei geht es immer um Handlungen, Rollen und soziale sowie politische Netzwerke. Daneben geht es laut Patzelt auch um Macht, Ideologie, Normen und Kommunikation sowie um Inhalte, Prozesse und Strukturen der Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regelungen und Entscheidungen. Schließlich geht es auch um Umweltanpassungen, Zielverwirklichung, Integration und Prinzipienerhalt von Systemen, um Analyseebenen politischer Wirklichkeit wie Tiefenstruktur, kulturelle Transformation und Oberflächenstruktur oder wie Einzelpersonen, Gruppen, Organisationen, Gesellschaft, Staat und Internationale Systeme 16

funktionieren und agieren. (vgl. Patzelt 2007, 22-28) Die Dissertation beruht auf einer Analyse des politischen Ablaufs und der Akteursinteressen im Politikfeld2 „Verkehr“ innerhalb der Institutionen der EU, Österreichs, der Schweiz und auf regionaler Ebene. Der Bereich Verkehrspolitik und der spezielle Teilbereich Transitpolitik umfassen eine große Anzahl von Akteuren.3 Die österreichische Verkehrs- und Transitpolitik ist zudem integraler Bestandteil der Verkehrspolitik der EU. Öffentliche Politik kann aber nicht mehr als eine Entscheidung eines singulären Akteurs (z. B. des Staates, des Gesetzgebers oder der Regierung) betrachtet werden, sondern sie muss aus der Interaktion vieler Akteure rekonstruiert werden. „Entscheidungen sind mit einer Vielzahl von Akteuren und Akteursgruppen ausgehandelte Kompromisse“. (Reh 2006, 115) Diese Prozesse der Entscheidungsfindung laufen oft nicht in der Öffentlichkeit ab und sind nur indirekt nachvollziehbar. Neben den Akteuren der politischen Exekutive (z. B. Verkehrsminister/in, Europäische Kommission, Verkehrsministerrat) kommen noch Vertreter der Legislative (z. B. Nationalrat, Landtage, Europäisches Parlament), der Verwaltungen und Behörden, der Parteien, der Interessensverbände, der Medien und der Bürger(initiativen) hinzu. (Schubert/Bandelow 2009a, 1; Schneider 2009, 192; Reh 2006, 115f) „Mit anderen Worten: In modernen Demokratien sind an allen politischen Entscheidungen gleichzeitig eine Vielzahl von Personen (Akteuren) beteiligt. Diese müssen in einem Dickicht von unterschiedlichen Interessen, Werten und Verpflichtungen ihre jeweiligen Positionen und Strategien finden, um ihre Ziele zu erreichen.“ (Schubert/Bandelow 2009a, 1) All diese Akteure sind trotz Verfolgung von Eigeninteressen aber zur Zielerreichung auf die anderen Akteure angewiesen (Beziehungsgeflechte), ob in einer Kooperation oder im Konflikt (Interessen- bzw. Konfliktkonstellationen) (Schneider 2009, 200f) „Für die Politikfeldanalyse ist es wichtig danach zu fragen, welche Akteure aktiv sind, wie sie ihre Interessen durchzusetzen versuchen und ob sie in politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden sind.“ (Blum 2009, 58f) Zusätzlich muss auch noch der Zugang des jeweiligen Akteurs an dem Kampfplatz der Interessen (so genannte „Policy-Arena“) näher betrachtet werden. Die Frage lautet hier vor allem, wer hat Zugang zu den Entscheidungen. (Schneider 2009, 195f)

2 Politikfeld ist die Bezeichnung für die in der politischen Alltagspraxis zusammenhängenden politischen Gestaltungsaufgaben, -probleme und -versuche. Politikfelder sind durch bestimmte institutionelle Zuständig- keiten und sachliche Zusammengehörigkeit gekennzeichnet. Sie umreißen also mehr oder weniger genau die Gegenstandsbereiche von policies. (Patzelt 2007, 536; Windhoff-Héretier 1987, 22) 3 Der Begriff „Akteur“ (von französischen acteur bzw. englischen actor, was Handelnder bzw. Schauspieler bedeutet) lässt sich folgendermaßen definieren: „An politischen Entscheidungen beteiligte Person oder Organisation.“ (Schubert/Bandelow 2009a, 7; Schneider 2009, 192; Blum 2009, 52). 17

Das Durchsetzen eigener Ziele beinhaltet aber für jeden der beteiligten Akteure nach Schubert/Bandelow inhaltlich-sachliche Vorinformationen zu den folgenden sechs Punkten:  Entstehung des politischen Problems (historischer Bezug);  Kontextbedingungen für die Lösung des aktuellen Problems (situativer Bezug);  Alternativen Lösungsstrategien (komparativer Bezug);  Beurteilung der alternativen Lösungen im Hinblick auf allgemeine Ziele und Werte (normativer Bezug);  Vorgegebener rechtlicher Rahmen bzw. welche rechtliche Verfahren und Instrumente sind zur Problemlösung verfügbar (rechtlicher Bezug);  Konkrete (technisch-praktisch) Lösung des Problems, eventuell Hindernisse und Beschränkungen (technischer Bezug). (Schubert/Bandelow 2009a, 2f) Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich zur Beantwortung des Zusammenhangs und der Komplexität der eben genannten Punkte in der deutschsprachigen Politikwissenschaft die aus den USA stammende Politikfeldanalyse (policy-Analyse) etabliert, die sich mit den verschiedenen Politikfeldern beschäftigt. (Lauth/Pickel/Pickel 2009, 24) „Eine erste kurze Definition dieser Teildisziplin lautet: Politikfeldanalyse befasst sich mit den konkreten Inhalten, Determinanten und Wirkungen politischen Handelns.“ (Schubert/Bandelow 2009a, 3; vgl. Schubert 1991, 11) Die zentrale Fragestellung der Politikfeldanalyse nach Thomas R. Dyes lautet: „Policy analysis is what governments do, why they do it, and what difference it makes.” (Schubert 1991, 25) Diese aus dem Jahr 1976 stammende Definition bildet bis heute das begriffliche Grundgerüst der Politikfeldanalyse. Weitere darauf aufbauende Definitionen lauten folgendermaßen: „Politikfeldanalyse fragt danach, was politische Akteure tun, warum sie es tun und was sie letztlich bewirken.“ (Schubert/Bandelow 2009a, 4) Oder anders gesagt ist „das Ziel einer Politikfeldanalyse […], das Zustandekommen einer öffentlichen Politik einschließlich deren Wirkungen zu erklären.“ (Schneider/Janning 2006, 32) Durch diese Definitionen wird aber das Akteursverständnis, wie bereits erwähnt, über die Exekutive (v. a. Regierung) hinaus weiter ausgedehnt. Politische Akteure sind sowohl Individuen als auch Organisationen. (Schubert/Bandelow 2009a, 4) Patzelt liefert dagegen eine etwas andere Definition, die aber im Kern auf das Gleiche hinauskommt: „Die Aufgabe der […] Politikfeldanalyse […] ist es, über die jeweiligen Regelungsmaterien, über die auf sie bezogenen Prozesse des Regierens und über das Zusammenwirken der daran beteiligten Institutionen und Organisationen Tatsachen-, Zusammenhangs- und Erklärungswissen sowie halbwegs verlässliche Prognosen zu erarbeiten.“ (Patzelt 2007, 389) Obinger definiert die vergleichende Policy-Analyse folgendermaßen: „In ihrem Mittelpunkt steht die Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Staatstätigkeit von Nationen, die Erforschung der Bestimmungsgründe für das ‚Tun und Lassen von Regierungen‘ […] und die daraus resultierenden Folgewirkungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.“ (Obinger 2009,

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221) Natürlich findet die vergleichende Politikfeldanalyse aber auch Anwendung bei der Politikanalyse von Gliedstaaten, Kommunen oder Weltregionen. (Obinger 2009, 221) Zum Abschluss noch die Definition von Schmidt: „Das Interesse der vergleichenden Policy- Forschung […] gilt der Beschreibung und Erklärung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Inhalte politischer Entscheidungsprozesse in verschiedenen Staaten und Zeiträumen.“ (Schmidt 2006, 261) Zunächst sollen aber die theoretischen und begrifflichen Grundlagen der Politikfeldanalyse (policy-Analyse) näher vorgestellt werden. Im Mittelpunkt steht, wie der Name schon sagt, der Begriff „policy“. Dabei bezeichnet policy die inhaltliche, materielle Dimension von Politik, „[…] auf die mit politischen Programmen und Maßnahmen reagiert wird, aber auch die Resultate der politischen Aktivitäten in den jeweiligen Politikfeldern“. (Blum/Schubert 2009, 14) Ausgehend von der im angelsächsischen Bereich etablierten Unterteilung des Begriffes „Politik" in policy, politics und polity ist eine genauere Differenzierung möglich: „Politik ist dementsprechend die Verwirklichung von Politikinhalten ([…] policy) mit Hilfe von Politikprozessen ([…] politics) innerhalb eines Handlungsrahmens von Politikstrukturen ([…] polity).“ (Naßmacher 2010, 2f) Die drei Dimensionen des Politischen umfassen wie bereits erwähnt Politische Inhalte (z. B. Gesetze, Verordnungen, Entscheidungen, Programme und Maßnahmen), politische Prozesse (z. B. Interessen, Konflikte, Kampf) und politische Strukturen (z. B. Verfassung, Normen, Institutionen). (Alemann/Forndran 2002, 77; Naßmacher 2010, 3; Patzelt 2007, 28f; Schubert 1991, 26; Schubert/Bandelow 2009a, 4f; Windhoff-Héretier 1987, 17-20 Schneider/Janning 2006, 48; Schmidt 2006, 261; Reh 2006, 114f; Höfler 2004, 33f) Tabelle 2: Dimensionen des Politikbegriffs Bezeichnung Dimension Erscheinungsformen Merkmale Verfassung Organisation polity Form Normen Verfahrensregeln Institutionen Ordnung Problemlösung Aufgabenerfüllung Aufgaben und Ziele policy Inhalt Wert- und Politische Programme Zielorientierung Gestaltung Interessen Macht politics Prozess Konflikte Konsens Kampf Durchsetzung (Quelle: Schubert/Bandelow 2009a, 5; Schwedes 2011a, 21) Allerdings müssen zu einseitige analytische Betrachtungen im Dreieck von politischen Inhalten, Prozessen und Strukturen vermieden werden, da diese drei Dimensionen in der Praxis immer zusammen laufen und zusammenhängend gedacht werden müssen. (Patzelt

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2007, 29) „Denn wir haben es in der politischen Realität natürlich nicht nur mit Inhalten von Politik zu tun […], sondern immer auch mit der Auseinandersetzung zwischen Parteien, Verbänden und Interessensgruppen über die Inhalte.“ (Schubert/Bandelow 2009a, 5) Diese Auseinandersetzungen finden innerhalb konkreter politischer Strukturen (z. B. der Republik Österreich, dem Land Tirol) und konkreter Verfassungen (z. B. B-VG 1920 idgF) statt. Die politische Ordnung bildet den Rahmen für die materielle Politikgestaltung. (Schubert/Bandelow 2009a, 5) „Traditionell werden in der Politikfeldanalyse die Politikformulierung, -durchführung und -wirkung bestimmter Politikbereiche innerhalb eines Staates, ohne den expliziten Bezug zu anderen Staaten herzustellen, untersucht.“ (Behrens 2003, 214) Eine Frage in der Politikfeldanalyse lautet: „Was tun Regierungen [bzw. Akteure] eigentlich auf den einzelnen Politikfeldern, und wie tun sie das?“ (Patzelt 2007, 389) Bei dieser Frage geht es einerseits um die Prozesse und Ergebnisse der politischen Entschlussfassung, andererseits um deren Umsetzung („Implementation“). Eine weitere Frage lautet, „[…] warum Regierungen [bzw. Akteure] genau das tun, was sie tun.“ (Patzelt 2007, 390) Einerseits geht es dabei um die Denkweisen und Diskurse, die für die Problemlösung angewendet werden. Andererseits ist auch interessant, wer an solchen Prozessen formell und informell beteiligt ist und seine Interessen4 einbringt. Dabei konzentriert der Forscher in der Politikfeldanalyse seine Untersuchung vor allem auf die tatsächliche, materielle Dimension von Politik. (Patzelt 2007, 390; Schubert 1991, 13) „Sein Hauptanliegen ist es, die Inhalte staatlicher Politik, die Ursachen, Voraussetzungen und Einflussfaktoren staatlicher Politik und die Folgen und Wirkungen staatlicher Politik zu erforschen.“ (Schubert 1991, 13) Die Politikfeldanalyse will also konkrete politische Ergebnisse erklären. Ein mögliches Politikergebnis ist z. B. das von der Tiroler Landesregierung im Jahr 2003 erlassene „Sektorale Fahrverbot auf der A12 Inntalautobahn zwischen Hall-West und Wörgl-West für bestimmte Güter“. In der Politikfeldanalyse stellt sich z. B. die Frage, warum in einem politischen System (polity) zu einem bestimmten Zeitpunkt das „Sektorale Fahrverbot“ durchsetzbar war und zu einem anderen Zeitpunkt nicht. Zur Erklärung werden dann die jeweiligen politischen Prozesse (politics) aufgezeigt. Natürlich kann die Politikfeldanalyse aber auch vergleichend danach fragen, warum z. B. bei den Transitverhandlungen zwischen der damaligen EWG und

4 Interessen sind keine einfachen Wünsche oder situative Präferenzen, sondern komplexe, moralisch begründbare Wünsche oder reflektierte Bedürfnisse. Dabei sind Interessen ein Verhaltensorientierendes Ziel oder Bedürfnis von Einzelnen oder Gruppen in einem sozialen Umfeld. Drei Aspekte sind an Interessen zu unterscheiden: sie sind Ziele oder Bedürfnisse, aus einer Sache echten oder vermeintlichen Nutzen zu ziehen; und sie sind Reaktionen eines Akteurs auf Gegebenheiten eines sozialen Umfeldes. (Patzelt 2007, 531; Schneider 2003, 124) 20

Österreich bzw. der Schweiz unterschiedliche Herangehensweisen, Interessen und Ergeb- nisse zustande gekommen sind. (Schubert/Bandelow 2009a, 6; Patzelt 2007, 390f) In der Politikfeldanalyse gibt es, wie in der allgemeinen Politikwissenschaft, keine eigenen Methoden5. Für politikwissenschaftliche Fragestellungen werden sowohl Methoden aus der quantitativen als auch aus der qualitativen Sozialforschung herangezogen. „Qualitative Methoden dienen vorrangig der detaillierten Erforschung der Mikroebene6 von gesellschaftlichen Vorgängen. Quantitative Methoden ermöglichen Einblicke auf der Makroebene7 und vergleichende Arbeiten auf der Grundlage großer, eine Vielzahl von Faktoren umfassender Datensätze.“ (Kritzinger/Michalowitz 2009, 249) Beispielsweise beschäftigen sich qualitative Fragestellungen vornehmlich mit dem „Warum“ eines Phänomens (Logik des „Verstehens“) und quantitative hingegen mit dem „Wie oft“ und „Wie viel“ und einer draus folgenden Ableitung des „Warum“ (Logik des „Erklärens“). Oder anders gesagt, nutzen die quantitativen Methoden numerische Daten (standardisiert) und folgen dem Modell des naturwissenschaftlichen Messens. Dabei wird von einer per Zufall zustande gekommenen Stichprobe auf eine Gesamtheit geschlossen. Bei den qualitativen Verfahren werden keine numerischen Daten (nichtstandardisiert) verwendet, sondern es geht vor allem um eine Interaktion zwischen Forscher und Beforschtem. Auch in der Form der Datenauswahl gibt es Unterschiede: Während qualitative Forscher nur eine geringe Zahl von Fällen oder gar nur Einzelfälle analysieren, benötigen quantitative Forscher zur Verallgemeinerung der Ergebnisse eine deutlich höhere Anzahl solcher Fälle. In der praktischen empirischen Forschung kommt es aber immer wieder zur Überlappung bzw. zu einer Kombination beider Methodenrichtungen („Methodenmix“ bzw. so genannte „Triangulation“), da es keinen Königsweg gibt. (Behrens 2003, 202; Kritzinger/Michalowitz 2009, 245, 250; Kuckartz 2009b, 353; Behnke 2010 et al. 33f; Flick 2011, 44-46; Schubert 1991, 41, 44; Lauth et al. 2009, 83, 199-207; Blum/Schubert 2011, 49f; Obinger 2009, 222; Krumm 2009, 108) Bellers/Kipke unterteilen einerseits in holistische und anderseits in analytische Methoden (vgl. Abb. 1). Laut der holistischen Methode kann „[…] ein Gegenstand […] nur dann adäquat und realitätsgerecht erfasst werden – so die Argumentationsweise ihrer Vertreter –, wenn er unter Einbeziehung der Gesamtheit seiner Beziehungen dargestellt werde.“

5 Methoden: „Forschungswege, mit denen die ‚Realität‘ jedwelcher Art (Texte, Dokumente, Aussagen usw.) systematisch und nachvollziehbar für alle erhoben wird.“ (Behrens 2003, 204) „Vorgehendweise, die sich sowohl auf die Anlage der Untersuchungsanordnung als auch auf die Erhebung und Auswertung von Daten bezieht.“ (Lauth et al. 2009, 276) 6 „Analyseebene, auf der die Eigenschaften von Individuen untersucht werden.“ (Lauth et al. 2009, 276) 7 „Analyseebene, auf der überindividuelle Einheiten (meist Länder) untersucht werden.“ (Lauth et al. 2009, 275) 21

(Bellers/Kipke 1996, 92) Dabei ist das Ganze im Regelfall auch der erkenntnisträchtigere Gegenstand. (Patzelt 2005, 21) Das Ganze wiederum besteht aus Teilbereichen und stellt keine abstrakte Größe dar. „Dabei bildet die Summe aller Teilbereiche nicht additiv das Ganze, sondern das Zusammenwirken der Teile im Ganzen stellt eine neue Größe eigener Qualität dar.“ (Behrens 2003, 208f) Bei den holistischen Methoden stellt sich allerdings das Problem, dass das Ganze nur schwer empirisch zu beschreiben ist. (Behrens 2003, 209; Bellers/Kipke 1996, 92f; Patzelt 2005, 21f) Abbildung 1: Holistische und analytische Methoden

analytisch holistisch

Kreis = methodischer Bezugsrahmen, Dreieck = Gegenstandsbereich (Quelle: Bellers/Kipke 1996, 76; Behrens 2003, 209) Deshalb eigenen sich die analytischen Methoden besser, da sie sich lediglich auf einen Teilbereich des Ganzen beschränken. Ein Teilbereich lässt sich leichter mit wissenschaftlichen Methoden erfassen. „Der gesamte Denkansatz läuft somit darauf hinaus, den Untersuchungsgegenstand gedanklich zu segmentieren, und zwar auf der Grundlage einer Analyse seiner für einen bestimmten Forschungszweck wesentlichen Merkmalsdimensionen […].“ (Patzelt 2005, 22) Danach kann der zu untersuchende Gegenstand mithilfe von vorher präzise festgelegten Variablen erfasst werden. Es besteht aber die Möglichkeit durch Gegenstandserweiterung im Rahmen analytischer Methoden eine Annäherung an das Ganze im holistischen Sinne zu versuchen. (Patzelt 2005, 22; Behrens 2003, 209; Bellers/Kipke 1996, 76; Schubert 1991, 22) „In einer Fallstudie werden Schlüsselbegriffe herausgearbeitet bzw. wird eine Hypothese formuliert, die anhand weiterer Fallbeispiele hinsichtlich ihrer Gültigkeit überprüft werden mit dem Ziel, allgemeine Aussagen formulieren zu können.“ (Behrens 2003, 209; vgl. Patzelt 2005, 37f) Hingegen wird bei holistischen Methoden von Anfang an versucht allgemeine Aussagen zu formulieren. Die Politikfeldanalyse bedient sich der analytischen Methode und beschäftigt sich daher mit einem Teilbereich des Ganzen (Kreises). Dabei werden konkrete, materielle Politikbereiche untersucht (z. B. Verkehrs-, Umwelt-, Gesundheitspolitik etc.). „Der methodische Bezugsrahmen ist nicht das Ganze, sondern wird in unterschiedliche ‚Räume’ bzw. Gegenstandsbereiche zergliedert.“ (Behrens 2003, 209) Die Fallstudie ist ein klassischer methodischer Bezugsrahmen, in den ein Gegenstandsbereich mittels Politikfeldanalyse

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verortet wird, wobei aber eine zeitliche und räumliche Begrenzung zu beachten ist. „Unter einer Fallstudie wird allgemein die Untersuchung eines bestimmten Objektes in einem bestimmten Kontext verstanden.“ (Berg-Schlosser/Cronqvist 2012, 59) Daneben hat in den letzten Jahren auch der Vergleich von Politikfeldern verschiedener Staaten (comparative policy) bzw. kleinerer politischer Einheiten oder Institutionen als methodischer Bezugsrahmen zunehmend an Bedeutung gewonnen. (Behrens 2003, 210; Berg- Schlosser/Cronqvist 2012, 59; vgl. Krumm 2009, 99f) „Durch Vergleiche politischer Programme (‚Policy-Vergleiche’) innerhalb von politischen Systemen oder zwischen ihnen lässt sich Aufschluss darüber gewinnen, wie welches der politischen Gestaltung aufgegebene Problem sich wohl besser lösen ließe, als das bisher gelang.“ (Patzelt 2007, 390) Der Forscher kann mit Hilfe des Vergleichs die Fälle entsprechend seines Erkenntnisinteresses gezielt auswählen und dadurch Aussagen über die Bedeutung bestimmter Faktoren gewinnen. (Aarebrot/Bakka 2006, 60) „In der vergleichenden Politikfeldanalyse (comparative policy) wird das Regierungshandeln als Gegenstandsbereich in konkreten Politikfeldern wie Gesundheitspolitik, Arbeitsmarktpolitik usw. zwischen verschiedenen Staaten (methodischer Bezugsrahmen) verglichen“. (Behrens 2003, 210) Abbildung 2: Der Vergleich Politikfeld A Politikfeld A

Staat A Staat B

Kreis = methodischer Bezugsrahmen, Dreieck = Gegenstandsbereich (Quelle: Behrens 2003, 211) Beim Vergleich können Politikfelder in mehreren Staaten (Gesamtmenge; repräsentative Stichprobe) bzw. in wenigen ausgewählten Staaten (fallorientierte Analyse) untersucht werden. Dies geschieht meist nur im Rahmen statistisch-vergleichender Studien. Dabei wird die quantitative Analyse angewendet, die einige wenige Variablen in vielen Fällen untersucht. In der politikwissenschaftlichen Teildisziplin Internationale Beziehungen findet der Datenvergleich aller bzw. vieler Staaten oft Anwendung. Bei der qualitativen Analyse werden dagegen mehrere Fälle und mehrere Variablen untersucht. Es besteht aber auch die Möglichkeit des Vergleichs von Politikfeldern innerhalb eines einzelnen Staates (staatliche Einzelfallanalyse) oder die Analyse eines einzigen, konkreten Politikfelds (case study). Die Einzelfallstudie behandelt nur einen Fall, wobei aber immer mehrere Variablen berücksichtigt werden müssen. Dagegen überwiegen in der Politikfeldanalyse Vergleiche

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weniger ausgewählter Staaten, um zu methodisch aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen (so genannte „Wenig Fälle“-Studien). „Durch die sorgfältige Analyse von wenigen Fällen sollen ja generalisierbare Aussagen und Erkenntnisse gewonnen werden […].“ (Obinger 2009, 234) Allerdings muss ein Vergleich sinnvolle Ergebnisse liefern, wofür im Vorhinein genau überlegt werden soll, ob die richtigen Fälle miteinander verglichen werden. (Behrens 2003, 211f; Blum/Schubert 2011, 51f; Schneider/Janning 2006, 41; Muno 2009, 113f; Aarebrot/Bakka 2006, 60f; vgl. Alemann/Tönnesmann 1995, 56-64; Flick 2011, 177-183; Rohlfing 2009, 134-149; Lauth et al. 2009, 58f, 62-68) Tabelle 3: Forschungsdesigns Einzelfall und wenige Fälle Viele Fälle Qualitative Häufig: Einzelfallstudie; Sehr selten: qualitativer Vergleich Studien Vergleichende Fallstudie Quantitative Häufig: statistisch-vergleichende Selten: quantitative Fallstudien Studien Studien (Quelle: Schneider/Janning 2006, 41) „Das Interesse in der vergleichenden Politikfeldanalyse richtet sich auf die Beschreibung und Erklärung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Inhalte politischer Entscheidungsprozesse’.“ (Behrens 2003, 211) Dafür werden für das betreffende Politikfeld relevante Eigenschaften eines politischen Problems, die Handlungsorientierung politischer Akteure sowie die miteinbezogenen Institutionen herangezogen. (Behrens 2003, 211; Schneider/Janning 2006, 45; Schmidt 2006, 261) „Der Vergleich von Politikfeldern in wenigen Staaten zielt also in erster Linie darauf, Ähnlichkeiten oder Differenzen inhaltlicher Entscheidungsprozesse heraus zu arbeiten, während die staatliche Einzelfallstudie aufgrund ihrer dichten Beschreibung besonders gut dazu geeignet ist, Probleme innerhalb eines Politikfeldes zu identifizieren.“ (Behrens 2003, 213) Ein Problem der vergleichenden Politikfeldanalyse ist aber die hohe Zahl möglicher Variablen bei wenigen zu untersuchenden Fällen. „Dabei ist die große Zahl möglicher unabhängiger Variablen ein generelles Problem der Sozialwissenschaften; das Problem der geringen Fallzahl trifft jedoch speziell auf die vergleichende Methode zu.“ (Schneider/Janning 2006, 45f; vgl. Berg-Schlosser/Cronqvist 2012, 62-64) Für die Untersuchung des Dissertationsthemas wurde ein Vergleich zwischen dem Politikfeld Verkehr mit dem Teilbereich Transitverkehr zwischen Österreich und der Schweiz vorgenommen. Daneben wirkt auch die europäische Verkehrspolitik in beide Länder in unterschiedliche Weise hinein. Für den Vergleich wurden sowohl die historischen Aspekte, als auch die aktuellen unterschiedlichen Entwicklungen herausgearbeitet. Durch den thematischen Vergleich von Eckpunkten der einzelnen Verkehrspolitiken kann eine

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komparative Analyse zwischen Österreich und der Schweiz vorgenommen werden. Der Vergleich zwischen Österreich und der Schweiz hat zu einigen signifikanten Feststellungen geführt, die als Kern der Arbeit angesehen werden können. Wie bereits erwähnt, finden in der Politikfeldanalyse sowohl qualitative als auch quantitative Methoden Anwendung. Die Methodenwahl „[…] hängt mit dem Erkenntnisinteresse des Forschers zusammen: Zwischen Erkenntnisinteresse und Methodenwahl besteht also eine gewisse Wahlverwandtschaft.“ (Behrens 2003, 214) Im Verständnis der meisten Policy-Forscher ist die Politikfeldanalyse sowohl eine interaktions- als auch eine problemorientierte Wissenschaft. Sie ist interaktionsorientiert, da sie konkrete politische Entscheidungsfindungsprozesse analysiert und das Zustandekommen der in der Praxis verwirklichten Lösung erklärt. Sie ist aber auch problemorientiert, indem sie zur sachadäquaten Lösung politisch-inhaltlicher Fragen beitragen will bzw. nach „besten Lösungen“ sucht. (Behrens 2002, 215) Darum sollten je nach Erkenntnisinteresse verschiedene Methoden zur Anwendung kommen. Die angewandten Methoden können laut Behrens zu folgenden Ergebnissen führen:  Diskursanalyse: Entstehung von Wertbezügen nachzuzeichnen (wie kam es zur Durchsetzung umweltpolitische Wertvorstellungen bei der Kommission);  Process tracing: Rekonstruierung von Entscheidungsprozessen (Entstehung des Ökopunktemodells bei den Transitvertragsverhandlungen);  Netzwerkanalyse: Identifizierung von Beziehungsmustern und Interaktionsformen zwischen Akteuren (in welcher Beziehung stehen Unternehmervertreter des Transportgewerbes und Vertreter des Verkehrsministeriums zueinander und wie verhandeln sie miteinander);  Korrelationsrechnung: Zusammenhänge anhand von Daten korrelativ aufspüren (bewirkt eine gezielte Subventionierung eine höhere Anzahl von Lkw- Verlagerungen auf die RoLa);  Spieltheorie: Konstruierung bzw. Simulierung von Entscheidungshandeln (wenn alle an der Entscheidung der Subventionierung beteiligten Akteure ihre eigenen Interessen rational verfolgen, welches Ergebnis ist dann zu erwarten). (Behrens 2003, 215f) In der Politikfeldanalyse werden für die Hypothesenüberprüfung folgende standardisierte Verfahren der empirischen Sozialwissenschaften eingesetzt:  Empirische Inhaltsanalyse (Texte, Dokumente, Aufzeichnungen von Einzel- bzw. Gruppeninterviews)  Teilnehmende Beobachtung, (quantitative) Befragung (mündlich oder schriftlich)  Experiment  Simulation (Behrens 2003, 219; Schubert 1991, 44) In der quantitativen Sozialforschung ist „[…] die klare Isolierung von Ursachen und Wirkung, die saubere Operationalisierung von theoretischen Zusammenhängen, die Messbarkeit und Quantifizierung von Phänomenen, die Formulierung von

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Untersuchungsanordnungen, die es erlauben, ihre Ergebnisse zu verallgemeinern und allgemeingültige Gesetzte aufzustellen […]“ relevant. (Behrens 2003, 219) Die Datenanalyse bedient sich vor allem statistischer (quantitativer) Methoden. Dagegen geht die qualitative Sozialforschung8 nicht von einer Hypothese aus, die durch empirische Fälle bestätigt oder widerlegt werden soll, sondern es soll auf der Basis empirischer Fälle eine Hypothese entwickelt werden. (Kritzinger/Michalowitz 2009, 250f; Flick 2005, 23-26) „Wesentliches Kennzeichen ist dabei die Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorien, die Berücksichtigung und Analyse unterschiedlicher Perspektiven sowie der Reflexion des Forschers über die Forschung als Teil der Erkenntnis.“ (Flick 2011, 26) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass weder nennenswertes Vorwissen vorhanden sein muss und auch keine präzise, klare Begrifflichkeit für eine untersuchungsleitende Theorie. Vielmehr werden forschungsnützliche theoretische Vorstellungen erst im Laufe der Datenerhebung induktiv9 entwickelt. Bei der Datenerhebung wählt man die zu auswertenden Dokumente, die zu interviewenden Personen und die zu beobachtenden Situationen schrittweise aus. Dabei wählt man je nach günstiger Gelegenheit und jedenfalls theoriegesteuert aus, da sich ja nicht vorweg bestimmen lässt, wer und was untersucht werden soll. (Patzelt 2007, 193f; Schneider/Janning 2006, 102) „Induktive Policy- Forschung kann somit dazu beitragen, dass wir überhaupt erst in die Lage versetzt werden, über bestimmte Politikfelder […], über die noch wenig Informationen vorliegen, plausible, logisch schlüssige theoretische Annahmen aufzustellen, die nicht an der Komplexität einzelner Fälle scheitern.“ (Schneider/Janning 2006, 33) In der Politikfeldanalyse finden für die Datenerhebung folgende qualitative Verfahren Anwendung:  Leitfaden-Interviews  Teilnehmende Beobachtung  Aufzeichnung von Interaktionen  Sammlung von Dokumenten (Behrens 2003, 220; vgl. Kritzinger/Michalowitz 2009, 252; Behnke et al. 2010, 34) Für die Datenerhebung werden theoretisches Kodieren, qualitative Inhaltsanalyse, Diskursanalyse und Dokumentenanalyse angewendet. Für die Datenanalyse sind hier

8 Laut Flick sind dies die Kennzeichen qualitativer Forschung: „- Gegenstandangemessenheit von Methoden und Theorien; - Perspektiven der Beteiligten und ihre Vielschichtigkeit; - Reflexivität des Forschers und der Forschung; - Spektrum der Ansätze und Methoden qualitativer Forschung; - Verstehen als Erkenntnisprinzip; - Fallrekonstruktion als Ansatzpunkt; - Konstruktion von Wirklichkeit als Grundlage; - Text als empirisches Material.“ (Flick 2011, 30) 9 Induktion ist die Vorgehensweise, aufgrund von Einzelbeobachtungen auf eine diese erklärende Regel zu schließen. (Behrens 2003, 219; Patzelt 2007, 531; Lauth/Pickel/Pickel 2009, 274) 26

statistische Methoden ungeeignet. (Behrens 2003, 219; Patzelt 2007, 191) „Königsweg der Datenanalyse ist die Benutzung der hermeneutischen Methode10.“ (Patzelt 2007, 191) Für die Untersuchung wurde ein deskriptiv-analytischer Forschungsansatz mit hauptsächlich qualitativen Methoden gewählt, da diese eine dichte Beschreibung des Politikfelds Verkehr und den Vergleich des Gegenstandsbereiches ermöglicht. Damit können die unterschiedlichen Ideologien, Interessen, Interdependenzen und Konflikte der beteiligten Akteure besser erfasst werden. Natürlich wurden aber auch quantitative Informationen aufgenommen. Das Vorwissen konnte der Autor durch regelmäßiges Studium von Tageszeitungen, durch die Radio- und Fernsehberichterstattung und durch die ergänzende Nutzung des Internets gewinnen. Die Datenerhebung11 erfolgte in dreifacher Weise. Als erstes wurde eine Dokumenten- und Inhaltsanalyse12 vorgenommen. Zur Analyse wurden sämtliche verfügbare Dokumente13 von beteiligten Akteuren und Institutionen herangezogen. Dafür waren umfangreiche Recherche- und Lesetätigkeiten notwendig. Vertieft wurde das vorhandene Vorwissen durch die Auswertung der Bibliotheksbestände der Universität Innsbruck (Bücher und Aufsätze) und anderer in- und ausländischer Bildungs- und Forschungsinstitutionen. Leider gibt es zu diesem Thema nur wenige Standardwerke und der Großteil von verwendbarer aktueller Literatur besteht aus so genannter „grauer Literatur“ (Diplomarbeiten, Dissertationen). Die Behandlung des Themas stützt sich auf Grund seiner Aktualität auch sehr stark auf Dokumente der EU. Zugang zu den Rechtsakten der EU/EG, den in Vorbereitung befindlichen Maßnahmen sowie sonstigen Informationen bietet das Internetportal der EU (http://www.europa.eu bzw. http://eur-lex.europa.eu/homepage.html?locale=de). Weitere wichtige Quellen für relevante Dokumente und aktuelle Informationen waren unter anderem die Internet-Auftritte des Landes Tirol (http://www.tirol.gv.at), des Bundesministeriums für

10 Hermeneutische Methode ist die systematische Lehre und Praxis des Sinndeutens. Im Prinzip geht es immer darum, mit Vor- und Kontextwissen an einen zu verstehenden Sachverhalt heranzutreten, ihn im Licht des Vor- und Kontextwissens zu verstehen zu versuchen, zugleich das Vor- und Kontextwissen am zu verstehen- den Sachverhalt zu verbessern, ggf. weitere Informationen zur Verbesserung des Kontextwissens- bzw. zur Beschaffenheit des zu verstehenden Sachverhaltes einzuholen, sowie diesen Kreislaufprozess der interpretativen Arbeit und der Aufnahme wie Verarbeitung immer weiterer Informationen dann abzubrechen, wenn eine für den praktischen Verstehenszweck ausreichende Interpretation gelungen ist. (Patzelt 2007, 162- 166, 530) 11 Daten: „Numerische oder sprachlich quantitative Abbildungen von Informationen, die ein Forscher verwendet und interpretiert.“ (Lauth et al. 2009, 269) 12 Vgl. zur Methodik Bellers/Kipke 1996, 119-121; Flick 2011, 321-332, 408-448; Patzelt 2007, 147-151; Noetzel et al. 2009, 325-334; Kuckartz 2009a, 334-344; Behnke et al. 2010, 269-272. 13 „’Dokumente’ heißen alle Dinge, die jene Informationen bergen, welche für die Beantwortung der Forschungsfrage […] nützlich sein können.“ (Patzelt 2007, 147) Dokumente ist eine Sammelbezeichnung für Texte, Sachverhalte, Gegenstände und Zustände aller Art. (Patzelt 2007, 530) Ein Dokument ist die Gesamtheit einer Datenstruktur, in der Informationen von einem Produzenten an einen Empfänger übermittelt werden.“ (Noetzel et al. 2009, 325) 27

Verkehr, Innovation und Technologie (http://www.bmvit.gv.at), der Alpenkonvention (http://www.alpconv.org/de/convention/default.aspx), des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (http://www.uvek.admin.ch) sowie des schweizerischen Bundesamtes für Verkehr (http://www.bav.admin.ch). Eine weitere wichtige Informationsquelle war die tagesaktuelle Berichterstattung der Tageszeitungen, die ab 1990 ausgewertet wurde. Mit Hilfe all dieser Daten wird zuerst ein vergleichender und chronologischer Überblick der Verkehrspolitiken der EU, Österreichs und der Schweiz vermittelt. Zudem besuchte der Autor während des Verfassens der Dissertation auch relevante Kongresse und Podiumsdiskussionen in Tirol zum Thema alpenquerender Verkehr bzw. Brennerbasistunnel. Daneben wurden auch quantitative Daten in Form von Tabellen, Statistiken und Grafiken gesammelt. Für Vergleichszwecke zwischen Österreich und der Schweiz wurden vor allem zahlreiche Verkehrsstatistiken ausgewertet. Schließlich wurden qualitative Daten erhoben. Um das Verhalten und die Reaktionen der beteiligten Akteure zu erforschen, wurde ein empirischer Teil aus Interviews und eine Online-Befragung14 erstellt. Für die Befragung wurde ein Fragebogen mit 30 offenen Fragen ausgearbeitet und auf einer Homepage mit Passwortzugang zur Beantwortung online gestellt (Antworten werden gesammelt und als E-Mail weitergeleitet). Von den 30 Fragen sind 26 allgemeine Fragen zu den verschiedensten Aspekten der Transit- und Verkehrspolitik und vier Fragen speziell für die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Zwischen Juli und Dezember 2006 wurden mehrere Aufforderungen zur Beantwortung der Fragen via E-Mail ausgesendet. Angeschrieben wurden Mitglieder des Umwelt- und Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments, des Verkehrsausschusses des National- und Bundesrates, des Verkehrsausschusses des Tiroler, Südtiroler, Vorarlberger und Salzburger Landtages, des Schweizer Parlaments, Bürgerinitiativen, Umweltgruppen, Interessenvertretungen und wissenschaftliche Experten. Während eines fünfmonatigen Praktikums (März bis Juli 2008) bei der Europäischen Kommission in Brüssel (Generaldirektion für Verkehr und Energie – GD TREN; seit 2009: GD MOVE – Direktion Landverkehr) konnte der Autor zudem weitere wichtige interne und praktische Einblicke in die europäische Verkehrspolitik gewinnen. Dadurch war es auch möglich persönliche Gespräche bzw. qualitative Interviews mit wichtigen Akuteren auf der europäischen Bühne zu führen. Neben österreichischen und italienischen EU-Parlamentariern aller maßgebenden Parteien (EVP, SPE, Grüne) wurden auch einige politische Interessensvertreter interviewt

14 Vgl. zur Methodik Bellers/Kipke 1996, 113-119; Flick 2011, 194-226, 333-356; Patzelt 2003, 151-155. 28

(z. B. Verkehrsattaché der Ständigen Vertretung Österreichs; der Leiter des Tirol Büros). Die Befragung wurde dabei als halboffenes Gespräch geführt.

1.3 VERKEHR AUS POLITIKWISSENSCHAFTLICHER SICHT

1.3.1 Grundsätzliche Überlegungen zum Thema Verkehrspolitik

Das Thema Verkehr wirkt in sämtliche Lebens- und Wirtschaftsbereiche einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft hinein. Jeden Tag sind wir beruflich oder privat mit einem Verkehrsmittel (z. B. Auto, Bus, Bahn oder Fahrrad) unterwegs. Gerade in verkehrspolitischen Fragen scheinen alle Bürger Experten zu sein. Dabei wird aber von den Bürgern in verkehrspolitischen Fragen bzw. Diskussionen meist aus dem Bauch heraus entschieden und es lassen sich überhöhte Einschätzungen, fehlende Sachkenntnisse und unrealistische Erwartungshaltungen orten. Dazu kommt noch, dass der Grad der eigenen Betroffenheit (z. B. durch Transitverkehr, Lärm- oder Umweltbelastung) auch eine nicht zu unterschätzende Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt. (Schwedes 2011a, 13; Höfler 2004, 2) „Es gibt daher kein Politikfeld, das emotional so aufgeladen ist […]. Womöglich erklärt sich damit, warum in kaum einem anderen Politikfeld die öffentliche Debatte so wenig wissenschaftlich fundiert ist, wie in der Verkehrspolitik.“ (Schwedes 2011a, 13) Höfler sieht in der Verkehrspolitik gar eine Defizitdisziplin, da „[…] der verkehrspolitische Diskurs […] schon seit Jahren über Mängel des Verkehrssystems definiert [wird].“ (Höfler 2004, 2) Als wissenschaftliche Disziplin ist die Verkehrspolitik als Teildisziplin der Verkehrswissenschaft bei den Wirtschaftswissenschaften angesiedelt (siehe Punkt 1.3.2). Dies zeigt sich auch daran, dass der Verkehr in der wissenschaftlichen Verkehrspolitik großteils aus volkswirtschaftlicher Perspektive betrachtet wurde und sich das Erkenntnisinteresse auf ökonomische Funktionszusammenhänge richtet. Hier wird insbesondere der Fokus auf die Rahmenbedingungen für ein reibungsloses Funktionieren von Verkehr und Ökonomie gelegt. (Schwedes 2011a, 14; Bandelow/Kundolf 2011, 161f; Schöller 2007a, 21f; Höfler 2004, 6) Die praktische Verkehrspolitik hingegen sieht ihr Ziel in einem „[…] auf ein gesellschaftlich ausgehandeltes und politisch definiertes Gemeinwohlinteresse.“ (Schöller 2007a, 22) Dies manifestiert sich zum Beispiel darin, dass im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge ein Mobilitätsangebot für alle Bürger zur Verfügung gestellt werden soll, das allen „gleichwertige Lebensbedingungen“ ermöglicht. Trotz aller Bemühungen nach einer integrierten Verkehrspolitik, die alle Verkehrsträger umfasst und die gesamtgesellschaftliche Perspektive berücksichtigt, wird heute meist noch

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eine sektorielle Verkehrspolitik betrieben. Ein Ziel der integrierten Verkehrspolitik ist neben der nachhaltigen Verkehrsentwicklung auch die systematische Mitberücksichtigung in allen anderen Politikfeldern. Dadurch sollen die spezifischen Vorteile der einzelnen Verkehrsträger unter gleichzeitigem Ausschluss der Nachteile gebündelt werden. (Schöller 2007a, 19; Schwedes 2011a, 26) „Im Kern handelt es sich um den Versuch, die wissenschaftliche Verkehrspolitik, die sich an den Funktionslogiken des über den Markt vermittelten Wettbewerbs (competition) orientiert, mit der praktischen Verkehrspolitik, die auf politische Kooperation (comperation) angewiesen ist, zusammenzuführen […].“ (Schöller 2007a, 19f) In diesem Ansatz können laut Schöller drei Integrationsstrategien unterschieden werden. Die technische Integration umfasst die Betrachtung der einzelnen Verkehrsträger als Teil eines Gesamtsystems mit dem Ziel Synergieeffekte zu generieren (z. B. das Carsharing verbindet Vorteile des Kollektiv- und Individualverkehrs). Bei der sozialen Integration sollen die betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und Interessensverbände eingebunden und am Entscheidungsprozess beteiligt werden. Durch den Interessensausgleich soll mit Hilfe eines tragbaren Kompromisses das Ziel einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung ermöglicht werden. Schließlich sollen durch die politische Integration auch jene Politikressorts bzw. Verwaltungsabteilungen, die mit ihren Entscheidungen in die Verkehrspolitik hineinwirken, in eine übergeordnete Gesamtstrategie eingebunden werden. Hier bedarf es neben institutionellen Reformen in der Administration (z. B. Zusammenlegung von Stadt- und Verkehrsplanung) auch einer politischen Integration im Mehrebenensystem des Bundesstaates und der Europäischen Union. Das Ziel einer integrierten Verkehrspolitik wird nicht nur in Österreich und der Schweiz sondern auch auf europäischer Ebene verfolgt. Allerdings werden die postulierten Leitbilder bisher noch nicht konsequent und nachhaltig umgesetzt. (Schöller 2007a, 20f; Schwedes 2011a, 26f) „Die aktuelle verkehrspolitische und -wissenschaftliche Situation zeichnet sich mithin immer noch durch einen deutlichen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit aus.“ (Schöller 2007a, 21) Neben der technischen, sozialen und politischen Integration wird in jüngster Zeit auch die ökologische Integration vermehrt berücksichtigt. „Demnach sollen bei verkehrspolitischen Entscheidungen systematisch die Konsequenzen für die Umwelt berücksichtigt werden. Die Umwelt tritt gleichsam als neuer Akteur auf die verkehrspolitische Agenda […].“ (Schwedes 2011a, 27) Im Gegensatz zu den vier genannten Formen der Integration, die die Kooperation anstreben, setzt die ökonomische Integration auf die Konkurrenz. Hier wird der Wettbewerb um Marktanteile zwischen den einzelnen Verkehrsträgern postuliert und mit

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dem Kosten-Nutzen-Kalkül bzw. dem Verhältnis des Angebots und der Nachfrage gerechnet. Gerade dieses Konkurrenzprinzip im Verkehrssektor (negative Integration) führt zur Verfolgung von betriebswirtschaftlichen Eigeninteressen. Dabei wird die gesamtgesellschaftliche Folgewirkung oft komplett außer Acht gelassen. Hier stellt sich aber die Frage nach den umweltpolitischen und sozialen Folgeschäden des Verkehrs und deren Berechnung. Diese so genannten externen Kosten werden bisher großteils von der Allgemeinheit bezahlt. (Schwedes 2011a, 27f) „Mit dem Widerspruch zwischen Kooperation versus Konkurrenz bzw. politischer versus marktvermittelter Integration, durchzieht das Leitbild der integrierten Verkehrspolitik eine tiefe Konfliktlinie.“ (Schwedes 2011a, 31) Die eben angeführten Dissonanzen in der wissenschaftlichen und praktischen Verkehrspolitik dürften auch ein Grund sein, warum die Politikwissenschaft dieses Politikfeld eher stiefmütterlich behandelt. Das lässt sich daran ablesen, dass politikwissenschaftliche Analysen von verkehrspolitischen Programmen eher selten sind. Obwohl der Verkehr für die europäische Integration von zentraler Bedeutung ist, wird die Verkehrspolitik auch von der europäisch und international interessierten Politikwissenschaft nur am Rande systematisch behandelt. Laut Sack wird das Politikfeld entweder nicht eigens genannt oder die Bedeutung schwindet. (Schwedes 2011a, 14; Höfler 2004, 29; Sack 2007, 176; Bandelow/Kundolf 2011, 161f) „Man kann es aber auch umdrehen und selbstkritisch feststellen, dass die Politikwissenschaft die Verkehrspolitik noch nicht als ein eigenständiges Politikfeld für sich entdeckt hat.“ (Schwedes 2011a, 15f) Mit dem Aufkommen der ökologischen Bewegung hat sich aber der wissenschaftliche Schwerpunkt von der volkswirtschaftlichen Perspektive etwas weg verlagert. Die nachhaltige Gestaltung bzw. Bewältigung von Mobilität und Verkehr sowie die sozialen Folgen von Privatisierungen im Verkehrssektor sind nun stärker in das Blickfeld der Politikwissenschaft gerückt. (Bandelow/Kundolf 2011, 162) Allerdings gibt es verschiedene Zugänge zur (Verkehrs-)Politik. Am Beispiel der verkehrspolitischen Zielvorgabe der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die ökologisch nachhaltigere Schiene lässt sich dies verdeutlichen. Die Verlagerung ist nun die Maxime unseres verkehrspolitischen Handelns. (vgl. Schwedes 2011a, 16f) Damit „[…] verfolgen wir einen normativen Politikbegriff, der sich auf ein an inhaltlichen Werten orientiertes Handeln bezieht und auf die Herstellung und Erhaltung einer ‚guten Ordnung‘ gerichtet ist […].“ (Schwedes 2011a, 16) Laut Schwedes wird dieses Ziel als Wert an sich gesetzt. Dabei ist es aber nicht relevant, ob das Ziel unter dem gegebenen politischen und

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gesellschaftlichen Umfeld durchsetzbar ist. Bei der Umsetzung der Verlagerung gibt es aber ein Konfliktpotenzial zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen der Akteure. (Schwedes 2011a, 16f) „Hier setzt der pragmatische Politikbegriff an, indem er die Macht- und Herrschaftsverhältnisse beleuchtet, die bei der Aushandlung […] wirksam werden.“ (Schwedes 2011a, 17) Einen anderen Schwerpunkt legt laut Schwedes der politökonomische Politikbegriff, wo die Wechselwirkung zwischen Politik und Ökonomie untersucht wird. Einerseits werden die politischen Folgen wirtschaftlichen Handelns und andererseits die wirtschaftlichen Auswirkungen politischer Entscheidungen erforscht. (Schwedes 2011a, 17) „Schließlich lässt sich das Politikfeld Verkehr mit einem systemtheoretischen Politikbegriff als ein relativ autarkes Sub-System begreifen, dessen Aufgabe vor allem darin besteht, kollektiv bindende Entscheidungen zu treffen, an denen alle Gesellschaftsmitglieder ihr Handeln ausrichten müssen.“ (Schwedes 2011a, 17) Das Ziel der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene scheint vor diesem Hintergrund als eine Kompromissformel zwischen den beteiligten Akteuren, die mal zu Gunsten des Wirtschaftswachstums oder zum Vorteil der Umwelt ausfallen kann. (Schwedes 2011a, 17) Allerdings widersprechen sich die vier angeführten Politikbegriffe nicht zwingend und die Dissertation kann aus den verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Neben diesen Definitions- uns Abgrenzungsfragen spielt durch die europäische Integration auch das Mehrebenensystem in der Verkehrspolitik eine große Rolle. Gerade in föderativen Staaten wie Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz ist der Mehrebenencharakter der Politik durch die vertikale Gewaltenteilung besonders ausgeprägt. Durch die Europäisierung und Internationalisierung von Politik sind aber neue Formen von Mehrebenensystemen entstanden. (Benz 2009, 15; vgl. Huget 2007, 214) „Deshalb kommt es zur Verflechtung von Staaten und zu internationalen Mehrebenenstrukturen. Parallel finden innerhalb von Staaten Dezentralisierungsprozesse statt, die deren Mehrebenencharakter verstärken.“ (Benz 2009, 15) Das Regieren findet aber nicht autonom auf der jeweiligen Ebene statt, sondern besteht in der Koordination der verschiedenen Ebenen sowie der Bereitschaft zu Verhandlungen und Kompromissen. Für diese Art des Regierens wurde in der Politikwissenschaft der Begriff multilevel governance15 etabliert.

15 „’Multi-level governance can be definded as an arrangement for making binding decisions that engages a multiplicity of politically independent but otherwise interdependent actors – private and public – at different levels of territorial aggregation in more-or-less continuous negotiation/deliberation/implementation, and that does not assign exclusive policy competence or assert a stable hierarchy of political authority to any of these levels.’ (Schmitter 2004, 49)” (Piattoni 2010, 249) „Als multilevel governance bezeichnete Marks ‚a system of continuous negotiations amog nested governments at several territorial tiers’ (Marks 1993, 392), und Liesbet Hooghe sprach von einer neuen Politikform, die ohne ein Zentrum funktioniert, von dem aus verbindliche Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden könnten: ‚Instead, variable combinations of governments 32

(Benz 2009, 15; Huget 2007, 214; Hooghe/Marks 2001, 3) „Der Begriff berücksichtigt zudem, dass neben den Beziehungen zwischen Regierungen auf unterschiedlichen Ebenen auch ‚horizontale‘ Beziehungen von Akteuren innerhalb der Ebenen Politik beeinflussen. […] Regieren beruht auf dem Zusammenwirken von inter- und intragouvernementalen Strukturen und Prozessen.“ (Benz 2009, 15) Umgelegt auf die Europäische Union bedeutet dies, dass „die EU als ein Mehrebenregierungssystem verstanden [wird], in dem öffentliche und private Akteure auf der supranationalen, nationalen und regionalen/lokalen Ebene in hoch komplexen Netzwerken miteinander interagieren, um politische Entscheidungen herbeizuführen und umzusetzen.“ (Börzel 2009, 34) Für Piattoni bedeutet dies, dass „Multi- level governance is unique in that it draws attention to the role that governments and social actors at different level play in EU policy-making.” (Piattoni 2010, 89) Benz ortet im Mehrebensystem der EU ein loses Muster der Kopplung, das in drei Dimensionen beschrieben werden kann, die eine Koordinierung erfordern: „in the relations between the European, the national and the subnational levels (vertical intergovernmental dimension); in the relations between decentralized governments, that is, the member states or subnational authorities (horizontal intergovernmental dimension); and in the relations between executives engaged in multi-level governance and their parliaments, interest groups or their constituencies (intra-governmental dimension).” (Benz 2011, 217f) Tabelle 4: Types ot multi-level governance uncoupled thightly coupoled loosely coupled negoatiation in the shadow of hierarchy, networks, vertical mutual adjustment joint decision- mutual adjustment by intergovernmental in dual federalism making benchmarking, Open Method of Coordination (OMC) autonomy (no institutiuonal diversity, coordination institutional voluntary negotiations horizontal between homogeneity, (opt out; enhanced intergovernmental jurisdictions), multilateral cooperation), limited fiscal institutional negotiation relations competition binding Negotiated mandates intra- executive mandates of between parliaments and governmental dominance parliaments government (Quelle: Benz 2011, 224)

on multiple layers of authority – European, national, and subnational – form policy networks for collaboration. The relations are charcterised by mutual interdependence on each other’s resources, not by competition for scare resources‘ (Hooghe 1996, 18).“ (Benz 2009, 69) Multi-level governance „[…] evokes the idea of increasingly dense networks of public and private, individual and collective actors. In particular, it is deemed to capture important features of how binding decisions are arrived at in the .” (Piattoni 2010, 1) 33

Innerhalb dieses europäischen Mehrebenensystems lassen sich je nach Funktions- oder Politikfeld unterschiedliche Typen von Governance16 orten. „Im Kernbereich der EU, der Regulierung des Binnenmarkts, kommen Verordnungen oder Richtlinien im Modus des joint desicion-making zustande, daneben findet auch eine Institutionenwettbewerb um Regulierung statt, der auf wechselseitige Anpassung zwischen den Mitgliedstaaten gerichtet ist.“ (Benz 2009, 164; vgl. Scharpf 2011, 73) Dieser Modus „[…] combines aspects of intergovernemental negotiations and supranational centralization.“ (Scharpf 2011, 73) Blockaden der multilateralen Verhandlungen in der Rechtssetzung können entweder durch „opt-out“ (z. B. Nichtteilnahme Großbritanniens und Dänemarks an der Währungsunion) oder durch eine „verstärkte Zusammenarbeit“ zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten (z. B Schengenraum) umschifft werden. (Benz 2009, 164; Benz 2011, 221) „Die Dezentralisierung von Politik im Rahmen von Standardsetzung auf europäischer Ebene ist inzwischen ein weit verbreitetes Merkmal in verschiedenen Politikfeldern geworden […].“ (Benz 2009, 165) Auch die europäische Verkehrspolitik wird durch dieses Mehrebensystem charakterisiert. Es kann also beobachtet werden, dass die „[…] europäische Verkehrspolitik sich im relevantem Maß auf die Formulierung, Entscheidung und Durchsetzung entsprechender Regulierungen auf Bundesebene, in den Ländern und Regionen sowie in den Städten und Gemeinden auswirkt.“ (Sack 2007, 176) Standen bis in die 1990er Jahre aufgrund der Vollendung des Binnenmarktes verkehrspolitische Liberalisierungsmaßnahmen im Fokus der EU hat sich inzwischen die Aufmerksamkeit neben der Verkehrsinfrastruktur (Raumordungs- und Kohäsionspolitik) auch auf andere Sektoren gerichtet, die durch die Auswirkungen des Verkehrs betroffen sind. Dies kann unter dem Ziel der nachhaltigen Verkehrspolitik subsumiert werden. (Lehmkuhl 2008, 257f) Seit der Gründung der EWG kann trotz aller anfänglichen Verzögerungen und Blockaden „[…] eine stetige Europäisierung der Verkehrspolitik beobachtet werden, deren markante Veränderungen deutliche Parallelen zum Integrationsprozess aufweisen.“ (Lehmkuhl 2008, 258) Vor allem trug die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Anstoß („Untätigkeitsurteil“) und zur weiteren Präzisierung bei. Sack charakterisiert die Rolle des EuGH „[…] als Terrain der rechtspolitisch vermittelten verkehrspolitischen Kompromissbildung […].“ (Sack 2007,

16 Der Begriff Governance „beinhaltet […] in der allgemeinen Verwendung als Synonym für den deutschen Begriff der Politiksteuerung alle drei Formen des ‚Regierens‘, so bezieht er sich nach einem engeren Verständnis nur auf die nicht-hierarchischen, kooperationsorientierten Steuerungsarten. (Huget 2007, 213) „’Governance ist about the structured ways and means in which the divergent perferences of intderdependent actors are translated into policy choices to ‘alocate values’, so that plurality of interests is transformed into coordinated action and the compliance of actors achieved’ (Eising and Kohler-Koch 1999, 5)” (Piattoni 2010, 87) 34

196) Schritt für Schritt wurde nationales durch europäisches Recht ersetzt. Nach der Schaffung eines europäischen Verkehrsmarktes fand auch eine weitere Ausdehnung auf bisher nationalstaatlich regulierte (Verkehrs-)Bereiche statt. Zu nennen sind hier insbesondere die Verkehrssicherheit bei allen Verkehrsträgern, die Transeuropäischen Netze (TEN), das Satellitennavigationssystem Galileo, die Etablierung von Passagierrechten oder umweltpolitische Vorschriften für den Verkehrssektor. (Benz 2009, 138; Lehmkuhl 2008, 258; Hooghe/Marks 2001, 26f; vgl. Benz 2011, 218) „Auf eine knappe Formel gebracht, kann man formulieren, dass die Europäisierung der Verkehrspolitik in einer zunehmend von oder über Brüssel erfolgten Koordinierung der intrasektoralen und intersektoralen Interdependenzen der Verkehrspolitik zum Ausdruck kommt.“ (Lehmkuhl 2008, 259) Impulsgeber für die europäische Verkehrspolitik ist die Europäische Kommission. Neben der primärrechtlich verankerten Kompetenz dem Rat und dem Parlament (verkehrs-) politische Gesetzes-Initiativen zu unterbreiten, bestimmt die Kommission in den meisten Politikfeldern die Agenda. „In political systems that involve many actors, complex procedures, and multiple vetos points, the power to set the agenda is extremely important.“ (Hooghe/Marks 2001, 12) Dadurch wurden auch die Konturen einer gemeinsamen Verkehrspolitik formuliert. Allerdings suchen neben nationalen Regierungen auch Interessensgruppen (Lobbyisten, Experten) diese Agenda-Setting der Kommission zu beeinflussen. Laut Huget ist die Kommission damit der zentrale und einflussreiche Governance-Akteur in der europäischen Mehrebenenpolitik. (Lehmkuhl 2008, 262f; Benz 2009, 135; Huget 2007, 329; Benz 2011, 222; Hooghe/Marks 2001, 11f, 15) “In terms of substantive policy, the supranational governing functions exercised by the Court and the Commission have been most effective in policy areas where economic integration could be advanced by applying fairly explicit prohibitions in the Treaties against national policies constituting barriers to the free mobility of goods, services, capital and persons or distributions of free competition.” (Scharpf 2011, 72) Der Rat „[…] ist insofern die Verbindung zwischen Mehrebenenpolitik und Politik auf der europäischen und nationalen Ebene. [...] Die Regierungen der Mitgliedstaaten entscheiden aufgrund von Verfahren nationaler Präferenzbestimmung, die durch Mehrheitsverhältnisse und die Parteipolitik innerhalb ihres Staates und nicht durch das europäische Parteiensystem bestimmt werden.“ (Benz 2009, 136; vgl. Benz 2011 222) Neben dem Ministerrat werden aber auch die nationalstaatlichen Regierungen bzw. deren Vertreter in die exekutiven Befugnisse der Kommission eingebunden. „The term for this is comitology, which refers to the practice of having a committee of national representatives assist the Commission in its executive work.

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Rules of operation vary from committee to committee, and they are a source of friction among the Commission, the Parliament, and the Council.” (Hooghe/Marks 2001, 24; vgl. Piattoni 2010, 21, 88f) In föderalen Staaten werden an der innenpolitischen Koordination der Europapolitik zusätzlich auch die Vertreter der (Bundes-)Länder beteiligt. (Benz 2009, 136) Der Verkehrsministerrat hat aber im Laufe der Geschichte einen grundlegenden Wandel erlebt. War der Rat jahrzehntelang in Bezug auf die Verkehrspolitik einerseits durch die Einstimmigkeit und andererseits durch den Streit zwischen Liberalisierungs- und Harmonisierungsbefürwortern blockiert (siehe Punkt 3), „[…] hat sich die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Gestaltung statt zur Verhinderung einer gemeinsamen Verkehrspolitik grundlegend gewandelt.“ (Lehmkuhl 2008, 263) Demgegenüber hat auch das Europäische Parlament beginnend mit der EEA im Jahre 1986 und durch die weiteren Vertragsrevisionen einen deutlichen Bedeutungszuwachs erfahren und ist inzwischen gemeinsam mit dem Rat zum Gesetzgeber aufgestiegen. Zudem ist das Europäische Parlament durch Wahlen demokratisch legitimiert. (vgl. Hooghe/Marks 2001, 6, 8f, 20) Durch die institutionelle Aufwertung des Parlaments seit dem Vertrag von Amsterdam (Mitentscheidungsverfahren) erhalten „[…] verkehrspolitische Entscheidungsprozesse – und damit verbunden natürlich auch die Inhalte der Verkehrspolitik – eine immer stärkere europäische Dimension […].“ (Lehmkuhl 2008, 263) Durch das Agieren der supranationalen Akteure Kommission, Parlament und Europäischer Gerichtshof hat sich in der Verkehrspolitik die bisherige Dominanz des nach nationalstaatlichen Interessen ausgerichteten Rats etwas verschoben. Kompromisse in Sinne einer europäischen Verkehrspolitik müssen gefunden werden, wobei die Kommission und das Parlament immer wieder versuchen nationalstaatliche Widerstände und Schutzwälle aufzubrechen. Mittlerweile erhebt die supranationale Ebene in fast allen verkehrspolitischen Fragestellungen Mitsprache- und Gestaltungsräume. (Lehmkuhl 2008, 265f, 268; Hooghe/Marks 2001, 6) Als Fazit kann konstatiert werden, „[…] dass eine Europäisierung der Verkehrspolitik als Zusammenspiel supranationaler Einrichtungen und Akteure wie intergouvernementaler Interaktionen begriffen werden kann, in dem Kooperation und Konflikt zwischen einer Vielzahl öffentlicher und privater Akteure auf unterschiedlichen gebietskörperschaftlichen Ebenen in diversen verkehrspolitischen Teilgebieten stattfinden.“ (Sack 2007, 191) Neben der europäischen Ebene werden auch in Österreich und der Schweiz die Verkehrspolitiken durch das Mehrebenensystem bestimmt (früher wurde dafür der Begriff „Politikverflechtung“ verwendet). Verkehrspolitische Fragen sind innerhalb dieser nationalstaatlichen Systeme aber auch mit anderen Politikfeldern verknüpft. Zu diesen

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Feldern zählen die Wirtschafts-, die Finanz-, die Umwelt- und/oder die Sozialpolitik. Gerade bei der Verkehrsinfrastruktur erfolgt eine Abwägung an diesen Politikfeldern. (Bandelow/Kundolf 2011, 163) „Dieses Konglomerat an abzuwägenden Anforderungen führt dazu, dass unterschiedliche Fachressorts in enger Abstimmung an verkehrspolitischen Entscheidungen beteiligt sind. Naben dem Verkehrsressort sind dies vor allem Umwelt, Finanzen, Wirtschaft, Soziales/Arbeit und Familie.“ (Bandelow/Kundolf 2011, 163) Daneben spielen auch die Gerichte eine gewichtige Rolle. Gerade bei infrastrukturellen Großprojekten im Verkehrsbereich sorgen rechtliche Abwägungen einerseits zwischen Betreiber- und Nutzerinteressen und andererseits zwischen betroffenen Bürgern bzw. umweltpolitischen Fragen immer wieder für Blockaden, Aufschübe oder gar für die Einstellung eines Projekts. „Das Ergebnis ist eine Form der Gewaltenteilung auf einer Ebene (horizontale Gewaltenteilung), bei der sich Entscheidungen nur schwer durchsetzen lassen.“ (Bandelow/Kundolf 2011, 163) Nicht zu vergessen sind auch die Einflüsse bzw. Netzwerke von Parteien, Lobbyisten, Interessensverbänden, Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren auf verkehrspolitische Entscheidungen. Dazu kommt noch, dass in Österreich und in der Schweiz der Föderalismus unterschiedlich ausgeprägt ist. Neben dem Bund wirken auch die Länder bzw. Kantone sowie die Gemeinden an der Entscheidungsfindung im Politikfeld Verkehr mit. Daneben besitzen die regionalen/lokalen Gebietskörperschaften auch zahlreiche rechtliche Kompetenzen im Verkehrsbereich und wirken auch an der Umsetzung mit (siehe Punkt 4 und Punkt 8). Insbesondere bei Infrastrukturmaßnahmen und beim ÖPNV werden die betroffenen regionalen/lokalen Gebietskörperschaften eingebunden. Diese vertikale Gewaltenteilung wird verstärkt, indem auch die EU mit direkten und indirekten Kompetenzen in das nationalstaatliche System hineinwirkt. Im Verkehrsbereich sind hier insbesondere das Umwelt- und das Binnenmarktrecht sowie Wettbewerbsentscheidungen zu nennen. Allerdings gibt es hier unterschiedliche Wirkungsweisen, da die Kompetenzen im Verkehrsbereich zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geteilt sind. Zudem muss auch das Subsidiaritätsprinzip beachtet werden (siehe Punkt 3). Allerdings hat die europäische Verkehrspolitik trotz des starken Hineinwirkens in die einzelnen Mitgliedstaaten eine nationale Verkehrspolitik bisher nicht aufgehoben. (Bandelow/Kundlof 2011, 163; Sack 2007, 196) „Nach wie vor sind öffentliche Auseinandersetzungen zwischen Bund und den Ländern relevant, über Verbandsbeschlüsse und Parteienkonkurrenz können sie sich darauf auswirken, wie Regierungsinteressen in Europa formuliert und wie europäische Regulierungen durchgeführt werden.“ (Sack 2007, 196)

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1.3.2 Definition von Verkehrspolitik und Transitverkehr

Zunächst sollen die zwei Begriffe Verkehrspolitik und Transitverkehr, die nicht von vorn- herein von allen in übereinstimmender Weise verstanden und gebraucht werden, definiert und näher erläutert werden. Zum Ersten eine Definition des Begriffes Verkehrspolitik: Laut Köberlein umfasst „die Verkehrspolitik […] die Gesamtheit der Maßnahmen des Staates, anderer öffentlicher, halböffentlicher und privater Institutionen und Wirtschaftssubjekte, die aufgrund eines Zielsystems auf das Entstehen und die Durchführung von Verkehrsvorgängen einwirken.“ (Köberlein 1997b, 212) Kummer definiert die Verkehrspolitik ähnlich und sie „[…] umfasst die Summe der Maßnahmen des Staates und der Körperschaften zur Gestaltung und Beeinflussung des Verkehrssystems.“ (Kummer 2010, 215) Dagegen fasst Grandjot die Verkehrspolitik etwas weiter: „Unter Verkehrspolitik im Sinne des praktischen Handelns ist die Gestaltung des Verkehrs durch Einflussnahme auf die verkehrlich relevanten Gegebenheiten durch öffentlich-rechtliche Körperschaften (Staat und staatliche Unternehmungen), organisierte, rechtlich vereinigte Institutionen (Verbände, Verkehrsunternehmungen) und nur lose verbundene Interessegruppen (Aktionsgemeinschaften) zu verstehen.“ (Grandjot 2002, 16) Dabei wird vor allem die staatliche Verkehrspolitik primär von gesamtwirtschaftlichen Zielvorstellungen bestimmt. Allen voran soll durch eine offensive Verkehrs- und Infrastrukturpolitik das Wirtschaftswachstum unterstützt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Staates gesichert werden (Förderung des Wohlstands und des Gemeinwohls). (Köberlein 1997a, 3; Kummer 2010, 215f; vgl. Schöller 2007, 22) „Bezeichnet man als Gegenstand des Verkehrs die Ortsveränderung von Gütern, Personen und Nachrichten, so wird die überragende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung des Verkehrssektors deutlich.“ (Frerich/Müller 2004a, V) Der Staat hat dabei natürlich verschiedene ureigene Interessen am Verkehrswesen. Ein leistungsfähiges Verkehrssystem dient einerseits der unmittelbaren Durchsetzung der staatlichen Machtansprüche, wie dies in der Verkehrsordnungspolitik erfolgt (Regulierung der Verkehrsmärkte). Andererseits würde unsere Wirtschaft und Gesellschaft ohne das Verkehrssystem nicht funktionieren (öffentliche Daseinsvorsorge). (Grandjot 2002, 15; Kummer 2010, 215f) „Die staatliche Verkehrspolitik eignet sich in besonderem Maße zur Beeinflussung der sektoralen und regionalen Struktur einer Volkswirtschaft, aber auch zur internationalen Beeinflussung der Unternehmen eines Landes.“ (Köberlein 1997a, 3) So sind bis heute wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum einer Volkswirtschaft nur durch Arbeitsteilung

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erreichbar und diese erzeugt durch intensiven Güteraustausch Verkehr. Dies wiederum setzt die Bereitstellung eines funktionierenden und effizienten Verkehrssystems voraus. Weiters kommt noch der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Stabilität, Wirtschaft und Verkehr hinzu. (Köberlein 1997a, 3; Grandjot 2002, 16) „In Kenntnis dieser Interaktion kann nun der Staat verkehrspolitisch aktiv werden, um eine bestimmte Entwicklung einzuleiten oder zu beschleunigen bzw. zu hemmen.“ (Grandjot 2002, 16) Diese überragende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung des Verkehrssektors führte seit jeher zu einer zentralen Einflussnahme des Staates auf die Verkehrswirtschaft und auf die Verkehrsinfrastruktur. Tabelle 5: Ziele von Verkehr Bereich Zusammengefasste Ziele (Funktionen des Verkehrs) Verkehr ist ein Wettbewerbsfaktor Verkehr ist Voraussetzung für Welthandel und Globalisierung Ökonomie Verkehr ist Qualitätsmerkmal eines Wirtschaftsstandortes Verkehr ist Dienstleistung innerhalb der Gesellschaft Verkehr dient der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse Verkehr ist Kommunikationsmittel Soziologie Verkehr dient der Erhöhung der Lebensqualität Verkehr hilft der persönlichen Entfaltung Verkehr schafft globale Gerechtigkeit und gleichwertige Lebensbedingungen Verkehr ist anthropogenen Ursprungs; mit seiner Ausübung werden keine Ökologie ökologischen Ziele verfolgt (Quelle: Becker/Gerike/Völlings 1999, 56) Tabelle 6: Ziele für Verkehr Bereich Zusammengefasste Ziele (Gestaltung des Verkehrs) Erhöhung der ökologischen Effizienz Ökologie Verringerung der externen Effekte Erhöhung der Kosteneffizienz gemäß Verursacherprinzip Ökonomie Gestaltung der ökonomischen Rahmenbedingungen Förderung des Verkehrs als Wettbewerbsfaktor Soziologie Partizipation aller Beteiligten und Unbeteiligten Raumor- Bessere Vernetzung aller Verkehrssysteme dnung Gestaltung der Siedlungsstruktur Optimierung der Verkehrssysteme Technik Reduzierung des Material- und Energieaufwandes pro Verkehrsleistung Verkehrs- Verbesserung des Verkehrsflusses aufkom- Verringerung der Verkehrsmenge men (Quelle: Becker/Gerike/Völlings 1999, 59) „Die zentralen Aufgaben der Verkehrspolitik liegen in der Ordnungs- und Strukturpolitik.“ (Aberle 1996b, 1205) Die Ordnungspolitik, die sektoral-effizienzorientiert ist, sorgt für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit von Verkehrsmärkten. Eine Aufgabe der Verkehrspolitik ist es für die Wirtschaft und für die Bevölkerung die optimale Gestaltung jedes Verkehrsträgers und deren Beziehungen untereinander sicher zu stellen. Daneben

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müssen auch die unterschiedlichen Interessen der anderen Politikfelder, wie z. B. die Umweltpolitik, im Einklang mit den Zielen der Verkehrspolitik gebracht werden. Die strukturpolitischen Ziele (Marktstruktur- und Infrastrukturpolitik) leiten sich aus dem Interesse der „Allgemeinheit“ am Verkehrssystem ab (gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Verkehrs). Mit der Infrastrukturpolitik werden die staatlichen Rahmenbedingungen für die Planung, den Bau, die Finanzierung und schließlich für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur gesetzt. Die Marktpolitik regelt den Zugang zum Verkehrsmarkt (z. B. Wettbewerbsbedingungen). Vor allem im Bereich der Strukturpolitik ist in den letzten 25 Jahren eine Zunahme des Einflusses der EU auf die nationalen Verkehrspolitiken festzustellen. (Grandjot 2002, 17; Kummer 2010, 215f) Abbildung 3: Instrumente der Verkehrspolitik zur Gestaltung des Verkehrssystems

Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur

Preispolitik Ordnungs- und Fiskalpolitik Verkehrspolitik

Kooperationen der Intelligente Nutzung Verkehrsträger der Infrastruktur

(Quelle: Höfler 2004, 10) Neben diesen beiden Einteilungen kann die Verkehrspolitik auch nach ihrer Funktion in verschiedene Politikfelder unterteilt werden. Das sind die Verkehrsordnungspolitik, die Verkehrsstrukturpolitik, die Verkehrstechnik und das Verkehrsrecht. Daneben würde sich auch eine Einteilung nach den Verkehrsträgern anbieten (z. B. Straßenpolitik, Eisenbahnpolitik etc.). Grandjot unterteilt in Anlehnung an Massenberg die Maßnahmen der staatlichen Verkehrspolitik in marktorganisatorische und fiskalische Maßnahmen. (Grandjot 2002, 20; vgl. Schöller 2007, 23) „Wesentliches Kennzeichen der marktorganisatorischen Instrumente ist, dass sie keinen unmittelbaren Einfluss auf die öffentlichen Haushalte ausüben.“ (Grandjot 2002, 20) Sie regulieren lediglich die Marktdaten (z. B. Kontingentierung, Kartellierung oder das Ökopunktesystem) und die Marktelemente (z. B. Konzessionierung, Lizenzierung oder technische Auflagen). Dagegen „[…] beeinflussen fiskalische Maßnahmen die öffentlichen Haushalte mittelbar und unmittelbar. Fiskalische Maßnahmen lassen sich weiter in monetäre und reale Interventionen klassifizieren.“ (Grandjot 2002, 20) Bei monetären Interventionen handelt es sich z. B. um

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Nettoinvestitionen (Rationalisierung, Erweiterung) oder Ersatzinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Bei den monetären sind die Investitionsförderung, die Subventionierung und die Steuerpolitik angesiedelt (Kfz-Steuer, Mineralölsteuer, Maut). (Grandjot 2002, 20f) Wenngleich diese eben genannten Aspekte der Verkehrspolitik in dieser Dissertation die Hauptrolle spielen, befasst sich „Verkehrspolitik als wissenschaftliche Disziplin […] mit der Beschreibung und Erklärung abgelaufener verkehrswirtschaftlicher Prozesse sowie der Prognose zukünftiger verkehrlicher Ereignisse.“ (Grandjot 2002, 15) Die Verkehrspolitik wird als wissenschaftliche Disziplin dem Fächerkanon der speziellen Volkswirtschaftslehren zugeordnet. Daraus resultiert, dass die Lehrstühle für Verkehrspolitik im deutschsprachigen Raum mit Ökonomen besetzt sind und an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten angesiedelt sind. (Köberlein 1997a, 2; Schwedes 2011a, 14f) „Im Zentrum verkehrswissenschaftlichen Betrachtungen steht dabei die Verkehrswirtschaft, die als Gesamtheit der Einrichtungen bzw. Elemente und Maßnahmen zur Beförderung von Personen, Gütern und Nachrichten im Raum verstanden werden kann und im Rahmen der Wirtschaftszweige dem Dienstleistungssektor zuzuordnen ist.“ (Grandjot 2002, 15) Allen voran gilt das Forschungsinteresse dahingehend, wie das Verkehrssystem ausgestaltet sein muss, damit es zum Wirtschaftswachstum beiträgt. Der Fokus liegt dabei nach wie vor auf den Infrastrukturmaßnahmen. (Schwedes 2011a, 15) Daneben beeinflussen sich Verkehrs- und Wirtschaftswissenschaften gegenseitig, was vor allem in der Verkehrsbetriebswirtschaftslehre und in der volkswirtschaftlichen Verkehrspolitik zu verorten ist. Aber auch andere Disziplinen befassen sich mit verkehrswissenschaftlichen Fragestellungen, wie z. B. die Geographie (Verkehrsgeographie), die Psychologie (Verkehrspsychologie), die Rechtswissenschaft (Verkehrsrecht) und die Medizin (Verkehrsmedizin). Natürlich befassen sich auch die Sozialwissenschaften und allem voran die Politikwissenschaft und die Soziologie (Verkehrssoziologie) mit verkehrspolitischen Fragen (v. a. die Politikfeldanalyse). (Köberlein 1997a, 2; Grandjot 2002, 15; Schöller 2007, 23; Schwedes 2011a, 15; Höfler 2004, 25) „Der Beitrag der Politikwissenschaft zur Verkehrspolitik versteht sich als Erweiterung des traditionellen verkehrswissenschaftlichen Forschungsfeldes. Je nach den Erfordernissen der praktischen Verkehrspolitik wird wissenschaftliche Hilfestellung bei der Behandlung der Inputs und/oder Outputs des politischen Entscheidungsprozesse geboten […].“ (Höfler 2004, 6) Höfler definiert demnach Verkehrspolitik aus

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politikwissenschaftlicher Sicht „[…] als Problemlösungsaufgabe institutioneller Akteure unter den jeweiligen Rahmenbedingungen.“ (Höfler 2004, 15) „Die Träger der Verkehrspolitik sind die Personen oder Personengruppen bzw. Institutionen (Behörden etc.), die den verkehrspolitischen Prozess in Gang setzten und vollziehen.“ (Köberlein 1997a, 11) Diese Gestaltungsfähigkeit kommt insbesondere in zwei Merkmalen zum Ausdruck: Zum einen muss die Institution verkehrswirtschaftliche Aktivitäten entfalten können und zum anderen muss sie über politische Macht verfügen. Durch diese Träger werden die Ziele definiert, die erforderlichen Mittel (Instrumente) eingesetzt sowie der Zielerreichungsgrad definiert. Die verkehrspolitischen Träger und deren Handlungsspielräume werden durch bestimmte demokratische Legitimationsverfahren (z. B. Wahlen) oder aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages bestimmt. Es gibt aber deutliche Unterschiede bei den qualitativen Merkmalen der einzelnen verkehrspolitischen Träger. (Köberlein 1997a, 11; Kummer 2010, 218; Grandjot 2002, 38) „So gibt es Träger der Verkehrspolitik, die über das Monopol staatlicher Zwangsgewalt verfügen und deshalb verantwortliche verkehrspolitische Entscheidungen treffen und durchsetzen können.“ (Köberlein 1997a, 11) Solche Akteure, die als Entscheidungsträger bezeichnet werden, sind in Österreich z. B. der Verkehrsminister und der Nationalrat. „Daneben gibt es Akteure, denen das Merkmal der staatlichen Zwangsgewalt fehlt. Sie werden Einflussträger der Verkehrspolitik genannt.“ (Köberlein 1997a, 11) Zu diesen Pressure Groups gehören vor allem die verschiedenen Lobbyisten, wie z. B. die Wirtschaftskammer, die Transport- und die Bauwirtschaft, aber auch Umweltverbände, Bürgerinitiativen und Massenmedien, die die verkehrspolitischen Entscheidungen zu beeinflussen versuchen. Daneben spielt in der Verkehrspolitik auch die Internationalisierung und Europäisierung eine große Rolle. Vor allem die Institutionen der EU, wie z. B. das Europäische Parlament, die Kommission und der Verkehrsministerrat, treffen teilweise Entscheidungen (z. B. in der Ordnungspolitik), die für die nationalstaatliche Verkehrspolitik der Mitgliedstaaten bindend sind. Neben der europäischen Ebene wurden zahlreiche Kompetenzen auf die supranationale Ebene transferiert, was den nationalen Handlungsspielraum zusätzlich einschränkt. Als Beispiel sind hier die IRU (International Road Transport Union) im Straßengüter- und die UIC (Union Internationale des Chemins de Fer) im Schienenverkehr zu nennen. (Köberlein 1997a, 11; Grandjot 2002, 38; Kummer 2010, 218) Zum Zweiten folgt die Definition für Transitverkehr: Beim Transitverkehr handelt es sich um eine Untergruppe des Internationalen Verkehrs, der vorliegt, […] „wenn Quelle und die Senke in zwei unterschiedlichen Staaten liegen.“ (Kummer 2010, 65) Köberlein liefert

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folgende Definition: „Transitverkehr, auch Durchgangsverkehr oder Durchfuhr genannt, ist jener Personen-, Güter- und Nachrichtenverkehr, dessen Anfangs- und Endpunkt außerhalb eines Staatsgebietes liegt. Von Transitverkehren sind mindestens zwei meist jedoch drei (Versandland, Transitland, Empfangsland) betroffen.“ (Köberlein 1997b, 190) Kummer dagegen hat die etwas prägnantere Definition: „Der Verkehr innerhalb eines Staates, bei dem weder die Quelle noch die Senke in dem betreffenden Staat liegen, wird als Transitverkehr bezeichnet.“ (Kummer 2010, 65) Eine etwas pointierte Definition liefert Cerwenka: „Transitverkehr […] durch ein Land (bzw. durch ein definiertes Gebiet) ist Verkehr, der sowohl irgendwo über die Grenze eines Landes (bzw. eines definierten Gebietes) in ein Land (bzw. ein definiertes Gebiet) einfährt als auch in Verfolgung seines Fahrzieles des Territorium des betreffenden Landes (bzw. des definierten Gebietes) ohne Aufenthalt wieder verlässt.“ (Cerwenka 2004, 25) Weiters fährt Cerwenka fort, dass „Transit […] damit durch die Zufälligkeit von vereinbarten Landes- oder Gebietsgrenzziehungen definiert und dementsprechend abhängig ist.“ (Cerwenka 2004, 25) Aus österreichischer Perspektive sind daher mit Gütern beladene oder leere Transporteinheiten die von einem EU-Mitgliedstaat oder Drittstaat via Straße und Schiene durch österreichisches Hoheitsgebiet in einen anderen EU-Mitgliedstaat oder Drittstaat transportiert werden als Transit(güter)verkehr zu betrachten. Diese Definition wird auch in der Dissertation verwendet. Andererseits ist aber auch z. B. der innerösterreichische grenzüberschreitende Binnenverkehr über das „Kleine und Große Deutsche Eck“ für die Bundesrepublik Deutschland ein Transitverkehr. Dazu kommt noch, dass der Verkehr je nach Standort als Import-, Export- oder Transitverkehr eingeteilt werden kann. „Beispielsweise ist der Verkehr aus dem deutschen Alpenraum durch Österreich in die italienischen Alpen aus österreichischer Sicht ein Transitverkehr, aus italienischer Sicht jedoch ein Importverkehr, weiter kann er als alpenquerender Verkehr bezeichnet werden, da der Brennerpass überquert oder eben als inneralpiner Verkehr in Bezug auf das Alpenkonventionsgebiet.“ (Roblek 2007, 8) Es kommt dabei also immer auf den Standpunkt des jeweiligen Betrachters an, wie man diese Definitionen anwendet. Allerdings bleibt die Frage offen, ob es durch die europäische Integration (Stichwort Binnenmarkt) überhaupt einen Transit(güter)verkehr durch einen Mitgliedstaat gibt oder ob es sich um einen Binnenverkehr innerhalb einer Staatengruppe handelt (z. B. EU-Binnenverkehr). (Kummer 2010, 65; Höfler 2004, 17; Befragung Lamprecht 2006) Anzumerken ist aber noch, dass unter der Bevölkerung mit breiter medialer Unterstützung eine ganz andere Definition von „Transit“ vorherrscht. Diese emotionale „Volksmunddefinition“ lautet nach Cerwenka

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folgendermaßen: „Transitverkehr ist jener Verkehr, der am meisten unsere Umwelt belastet, am meisten unsere Verkehrswege zerstört und am unfallträchtigsten ist.“ (Cerwenka 2004, 25f) Daneben folgt im Volksmund noch eine Gleichsetzung von Transitverkehr mit dem Straßengütertransitverkehr. Natürlich werden unter Straßengütertransitverkehr nur Lkws mit ausländischen Kennzeichen verstanden. (Cerwenka 2004, 26; Schroeder 2012, 31; vgl. Befragung Westerhof 2006) Zum besseren Verständnis sollen nun auch noch weitere Begriffe definiert werden, die in der Dissertation verwendet werden:  Verkehr: „Unter dem Begriff Verkehr werden alle Aktivitäten, die in ihrer Gesamtheit den Prozess der Ortsveränderung von Personen, Gütern und Nachrichten bilden, zusammengefasst.“ (Kummer 2010, 33)  Transport: „Der Begriff Transport bezeichnet die geplant herbeigeführte Ortsveränderung einer Person, eines Gutes oder einer Nachricht von einem Punkt A zu einem Punkt B […].“ (Kummer 2010, 36)  Mobilität: „Mobilität im weiteren Sinne drückt sowohl Beweglichkeitswünsche als auch Beweglichkeitsgrade von Personen, Gütern und Nachrichten aus. Aus den Mobilitätswünschen ergibt sich die Nachfrage nach Verkehrsangeboten“ (Kummer 2010, 41)  Verkehrsmittel: „Verkehrsmittel sind technische oder natürliche Einrichtungen zum Transport und Umschlag von Verkehrsobjekten (Güter, Personen oder Nachrichten).“ (Kummer 2010, 39)  Verkehrsträger: „Die Gesamtheit aller Verkehrsmittel, die die gleiche Art von Verkehrsinfrastruktur benützen, nennt man Verkehrsträger.“ (z. B. Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr) (Kummer 2010, 40)  Straßenverkehr: „Straßenverkehr bezeichnet den Bereich der Verkehrswirtschaft, der Verkehre auf der Straße durchführt. In der Regel finden dazu motorisierte und nicht motorisierte Fahrzeuge Verwendung.“ (Kummer 2010, 84)  Schienenverkehr: „Schienenverkehr bezeichnet den Bereich der Verkehrswirtschaft, der Verkehre auf der Schiene mit Schienenfahrzeugen durchführt.“ (Kummer 2010, 89)  Regulierung: „In der weitesten Begriffsfassung […] werden unter dem Regulierungsbegriff alle staatlichen und auch außerstaatlichen Eingriffe in den Wirtschaftsprozess und die Wirtschaftsordnung subsumiert. […] Bei einer etwas weniger weit gefassten Begriffsdefinition wird unter Regulierung jeder staatliche Eingriff durch Rechtsnormen, Verordnungen und ähnlichem in die Entscheidungs- und Handlungsprozesse von Unternehmen, öffentlichen und privaten Haushalten verstanden.“ (Köberlein 1997a, 111)  Deregulierung: „Die Begriffe Deregulierung, Entregulierung und Liberalisierung werden sehr häufig synonym verwendet und haben in negativer Abgrenzung zum Regulierungsbegriff die Abschwächung, den schrittweisen Abbau oder die vollständige Beseitigung von Regulierungseingriffen des Staates zum Inhalt. […] Mit der Deregulierung wird das Ziel verfolgt, normale Voraussetzungen und Gestaltungsmöglichkeiten für einen bestimmten Wirtschaftsbereich unter marktwirtschaftlichen Bedingungen herzustellen und wirksam werden zu lassen.“ (Köberlein 1997a, 112f)

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 Alpenquerender oder transalpiner Verkehr: „Verkehr mit Ziel und Quelle außerhalb des Alpenraumes17;“ (Art. 2 VerkP)  Alpenquerender Güterverkehr: „Transalpine freight transports is defined as freight transport passing trough the main in a north-south direction or vice versa freight transport on the -Route (east-west) is not included, unless it later uses another north-south route (e. g. the Brenner route).” (Molitor et al. 2001, 43)  Inneralpiner Verkehr: „Verkehr mit Ziel und Quelle im Alpenraum (Binnenverkehr) inklusive Verkehr mit Ziel oder Quelle im Alpenraum;“ (Art. 2 VerkP) Eine weitere Unterscheidung kann zwischen inneralpinem Binnen- (Ziel und Ursprung innerhalb des Alpenraums), Import- (Ursprung außerhalb und Ziel innerhalb des Alpenraums) und Exportverkehr (Ursprung innerhalb und Ziel außerhalb des Alpenraums) getroffen werden. (Roblek 2007, 8)  Binnen-, Export- und Importverkehr: Binnenverkehr ist jener Verkehr, dessen Quelle und Senke sich innerhalb eines Staates (z. B. Österreich) oder Landes (z. B. Tirol) befinden. Exportverkehr bezeichnet jenen Verkehr, dessen Quelle im Inland, die Senke aber im Ausland liegt (z. B. von Österreich nach Deutschland), während Importverkehr den umgekehrten Weg bezeichnet (z. B. von Italien nach Österreich). (EVED 1996, 8; Kummer 2010, 64f))  Straßengütertransitverkehr: ist jeder Verkehr, der Güter mittels Lkw (beladen oder unbeladen), der in einem EU-Mitgliedstaat oder Drittstaat zugelassen ist, auf der Straße durch z. B. österreichisches Hoheitsgebiet transportiert. (TA-AT Art. 3)  Intermodaler und Kombinierter Verkehr: Beim intermodalen Verkehr werden die Güter in ein und derselben Transporteinheit von verschiedenen Verkehrsträgern befördert. „Ein intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, mit dem Binnen- oder dem Seeschiff bewältigt wird und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird, wird als Kombinierter Verkehr […] bezeichnet.“ (Kummer 2010, 57) Unterschieden wird noch zwischen begleitetem (Huckepackverkehre, RoLa) und unbegleitetem KV (Container, Sattelaufliegern, Wechselaufbauten) (Kummer 2010, 57f)  Externe Kosten: „Kosten, die nicht vom Nutzer von Gütern und Diensten getragen werden. Sie umfassen Kosten für die Infrastruktur, wo diese nicht angelastet werden, die Kosten für Umweltverschmutzung, Lärm, verkehrsbedingte Personen- und Sachschäden;“ (Art. 2 VerkP)  Kabotage: „Als Kabotage bezeichnet man eine Verkehrsleistung, bei der Quelle und Senke in einem Staat liegen, die Verkehrsleistung jedoch von einem Unternehmen eines anderen Staates durchgeführt wird.“ (Kummer 2010, 65)  Modal Split (Verkehrsmittelwahl): „Die Zuordnung des Verkehrsaufkommens bzw. der Verkehrsleitung zu den einzelnen Verkehrsträgern wird als Verkehrsteilung oder Modal Split bezeichnet.“ (Kummer 2010, 120)  Maut: „Eine Maut bezeichnet im Allgemeinen ein Entgelt für die Nutzung von Straßen.“ (Kummer 2010, 270)  Tonnenkilometer (tkm): „Vor allem in der Verkehrsstatistik verwendete Maßeinheit für die Verkehrsleistung im Güterverkehr zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der T. ist das Produkt aus dem Gewicht der beförderten Güter und der Beförderungsentfernung.“ (Köberlein 1997,b, 187) Analog dazu verhält es sich mit dem Personenkilometer (pkm).

17 Diese Definitionen setzen eine genaue Gebietsdefinition des Alpenraumes voraus, wie sie in der Alpenkonvention gemäß Art. 1. Abs. 1 erfolgt ist. 45

 Emission: „Der Begriff Emission bezieht sich auf die Freisetzung von gasförmigen und festen Luftschadstoffen oder von Lärm, die aus den verschiedensten Quellen stammen können.“ (Heimann et al. 2007, 4)  Public Private Partnership (PPP): Die öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) „ist eine Kooperation zwischen staatlichen Institutionen einerseits sowie privaten Unternehmen oder privaten Organisationen andererseits. Sie dienst dazu, eine öffentliche Aufgabe wahrzunehmen.“ (Kummer 2010, 254)

1.4 VERKEHRSSITUATION IM ALPENRAUM

1.4.1 Verkehrsgeographische Situation

Die Alpen sind das höchste Gebirge Europas und bilden die Klima- und Wasserscheide zwischen Mitteleuropa und dem zentralen Mittelmeerraum. Der Alpenbogen erstreckt sich von Nizza an der ligurischen Küste bis kurz vor Wien. Die Gesamtlänge beträgt dabei ca. 1.200 km und die Breite zwischen 150 bis 300 km. Geographisch zerfallen die Alpen in die West- und die Ostalpen. Von West nach Ost zeigen die Alpen dabei eine abnehmende Höhenverteilung. Die höchste Alpenerhebung ist mit 4.810 m ü. NN. der Mont Blanc in den französischen/italienischen Westalpen. Mit rund 191.000 km² (Definition der Alpenkonvention) bildet das Alpengebiet zudem einen der größten zusammenhängenden Naturräume Europas mit einer einzigartigen Fauna und Flora, aber auch eines der empfindlichsten Großökosysteme Europas. Sie sind Mitteleuropas größter naturnaher Raum, ein einzigartiges Reservoir für die kontinentale Biodiversität, ein verblüffendes Mosaik von Landschaften und Lebensräumen. Daneben beherbergt der Alpenraum auch eine Jahrtausend alte Kulturlandschaft und bildet für ca. 14 Mio. Menschen, etwa 2% der europäischen Bevölkerung, den Lebens- und Wirtschaftsraum. (BMLFUW 2000, 4; Galle 2002, 29, Heimann et al. 2007a, 1, 2007b, 2; Molitor et al. 2001, 41; Onida 2010, 42f) Schon in vorchristlicher Zeit wurden die Alpenpässe überquert (vgl. den Fund der 5.300 Jahre alten Gletschermumie „Ötzi“). Besonders hervorzuheben ist dabei im Jahre 218 v. Chr. die legendäre Alpenüberquerung des karthagischen Feldherrn Hannibal mit seinen Kriegselefanten im Zweiten Punischen Krieg. Diese Verkehrs- und Handelsrouten wurden im Römischen Reich weiter ausgebaut und befestigt. Auch damals konzentrierten sich die Routen wegen der schwierigen Topographie nur auf wenige Pässe und Alpentäler. Ähnlich wie heute verliefen Römerstraßen über den Kleinen und Großen St. Bernhard, den Splügen- und Julierpass, den Reschen- und Fernpass bzw. Brenner () sowie über den Radstädter und Katschberg. In der Völkerwanderungszeit und im Frühen Mittelalter ebbte der transalpine Handel ab und die Römerstraßen zerfielen zusehends. (Bergmeister 2011, 50; Lichtenberger 1999, 26f; EVED 1996, 11) Erst um das Jahr 1200

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erlebte der transalpine Handel eine neuerliche Renaissance (z. B. Ausbau des Gotthardweges). Der Grund dafür war der aufblühende Handel zwischen den Städten Norditaliens und West- bzw. Nordeuropa (Kreuzzüge, Luxuswaren aus dem Orient). Die Waren wurden dabei mit Lasttieren über die Reste der Römerstraßen und über die alpinen Saumwege transportiert. Durch Zölle und Mauteinnahmen wurden die Römerstraßen repariert und ausgebaut. Daneben profitierte auch die ansässige Bevölkerung durch den Handel, z. B. das Transport- und Gastgewerbe. Auch der Brenner war damals eine bedeutende Route, was sich in den nicht weniger als 66 Romzügen der deutschen Könige und römischen Kaiser zeigt. Mit dem Beginn der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgte der Ausbau der inneralpinen Passstraßen zu so genannten „Kunststraßen“, die für Kutschen und Fuhrwerke befahrbar und winterfest waren (z. B. Brenner 1772, Tenda 1788). In der napoleonischen Ära erfolgte dann der weitere Straßenausbau für militärische Zwecke (z. B. Bau der Straße über den Simplon 1801-1805 für den Artillerietransport). Bis 1830 gab es bereits 14 durchgehend befahrbare Alpenpässe (u. a. Gotthard, San Bernardino, Splügen). (EVED 1996, 11; Bergmeister 2011, 53f; Bundesamt für Raumentwicklung 2001, 11; Bätzing 2003, 201 f; Riedl 1972, 45) Mit dem Bau der ersten alpenquerenden Eisenbahnlinien ging das Straßenzeitalter für den Warenverkehr vorübergehend zu Ende. In dieser Zeit wurden die Alpen durch die Romantiker aus Nordeuropa für den Tourismus entdeckt. Mit der Eröffnung der Semmeringbahn im Jahr 1854 begann der Eisenbahnbau durch die Alpen (abgeschlossen 1914, Ausnahme die 1928 eröffnete Tenda-Bahn). Schließlich wurde 1857 mit dem Bau des ersten und ältesten der großen alpinen Eisenbahntunnel begonnen. Der über zwölf Kilometer lange Mont-Cenis-Eisenbahntunnel wurde 1871 eröffnet. Nach und nach wurden weitere wichtige Transitlinien durch die Alpen eröffnet, wie die Brennerbahn 1867, die Gotthardbahn 1882 (mit dem 15 km langen Gotthardtunnel), die Jura-Simplon-Bahn 1905 (mit dem 20 km langen Simplontunnel), die Tauernbahn 1905 (mit dem acht km langen Tauerntunnel) und die Lötschbergstrecke 1913 (mit dem 15 km langen Lötschbergtunnel). Dadurch verlagerte sich der gesamte Nord-Süd-Transitverkehr auf die Eisenbahn und der Verlauf des Eisenbahnnetzes quer zum Gebirgskörper zeigt deutlich die außeralpinen Interessen auf. Die bisherige inneralpine Ökonomie wurde dadurch zerstört. Bis zum Ende des Zeiten Weltkriegs blieb die Eisenbahn neben der Schifffahrt das wichtigste Transportmittel. (EVED 1996, 12 f; BMVIT 2006, 9; Bundesamt für Raumentwicklung 2001, 11; Bätzing 2003, 201; Bergmeister 2011, 54-58; Riedl 1972, 45; Schleicher Vortrag 2007; Brändli 2008, 288; Lamprecht 1989, 27f; Grotrian 2007, 36; Satzinger 2012, 21 (Fn.

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21)). Während des Eisenbahnzeitalters ging aber auch der Straßenausbau weiter. Der Col- de-Tende-Straßentunnel (Tendapass FR/IT) wurde 1882 eingeweiht und war damals mit über 3 km der längste Straßentunnel der Welt und der erste, der unter einem Alpenpass durchführte. Nach und nach eroberte der Pkw die Alpenpässe und die Straßen mussten an die neuen Bedürfnisse angepasst werden. Vor allem ab den 1950er Jahren erhielt die Eisenbahn zunehmende Konkurrenz durch den Pkw und den Lkw. (Bätzing 2003, 202; Bergmeister 2011, 185f) „In den 50er und anfangs der 60er Jahre, als die Autobahnnetze geplant wurden, erkannte man kaum, dass auf europäischer Ebene eine entscheidende Weichenstellung zu Gunsten des Straßengüterverkehrs in Abkehr vom bisherigen Bahntransport vorgenommen wurde.“ (EVED 1996, 13) Ursprünglich wurden die inneralpinen Autobahnen (inklusive Basistunnels) zur Bewältigung des rasch ansteigenden Personen- und Touristenverkehrs errichtet. Gerade nach 1945 begann das Zeitalter des Massentourismus. Die erste transalpine Autobahn war die Brennerautobahn A13 (1959- 1967 erbaut), die seit 1974 zusammen mit der Inntalautobahn A12 und der italienischen Brennerautobahn A22 die erste durchgehende alpenquerende Autobahn bildet. Bereits 1971 war die Brennerautobahn zwischen Innsbruck und Bozen befahrbar. Im Jahr 1965 erfolgte die Eröffnung des Mont-Blanc-Tunnel (FR/IT). Schließlich wurden 1980 der Fréjus-Tunnel (FR/IT) und der Gotthardstraßen-Tunnel für den Straßenverkehr freigegeben. Im selben Jahr wurde auch die Tauernautobahn A10 fertig gestellt (Eröffnung der Südrampe). Zurzeit gibt es sieben alpenquerende Autobahnen (Ventimiglia, Fréjus, Mont Blanc, Gotthard, Brenner, Tauern und Pyhrn), die aber nur teilweise vierspurig ausgebaut sind. (Bätzing 2003, 202 f; BMVIT 2006, 8; EVED 1996, 13; Roblek 2007, 8; Bergmeister 2011, 60-65; Bundesamt für Raumentwicklung 2001, 12; Brändli 2008, 288; Schleicher Vortrag 2007; Lamprecht 2005, 185; Lamprecht/Lehar 2001, 355; Puwein 2007, 44; Satzinger 2012, 14) Tabelle 7: Verkehrskorridore durch die Alpen Korridor Hauptverbindung Südkorridor (Semmering/Wechsel) Brno (Brünn) – Udine Pyhrn/Schoberpass Budevice (Budweis) – Maribor (Marburg) Tauern – Laibach Brenner München – Gotthard Basel – Mailand Ventimiglia Barcelona – Marseille – Genua Fréjus – Mont Blanc Turin – Lyon (Quelle: Roblek 2007, 11)

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„Wegen des heftigen Widerstands gegen den Transitverkehr werden seitdem keine neuen alpenquerenden Hochleistungsstraßen gebaut, und sie sind seit Herbst 2000 auch durch das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention verboten.“ (Bätzing 2003, 203) Besondere Schlüsselstellen des hochrangigen alpinen Straßennetzes sind die großen Alpentunnel. Seit 1999 gab es immer wieder schwere Verkehrsunfälle, die zu monatelangen Sperren führten (z. B. Mont-Blanc Tunnel, Gotthardstraßen-Tunnel, Tauerntunnel). Infolgedessen wurde viel in die Tunnelsicherheit investiert (vgl. EU-RL für Tunnelsicherheit im TEN-V Netz18). Für den Schwerverkehr ist im Mont-Blanc-Tunnel seit der Wiedereröffnung 2002 ein Wechselbetrieb eingerichtet worden. Auch in der Schweiz wurde am Gotthardstraßen-Tunnel ein Blockabfertigungssystem für den Schwerverkehr eingerichtet (Dosierungssystem). (Roblek 2007, 13f) „Ein Großteil des europäischen Personen- und Güterverkehrs verläuft durch die Alpen. Inneralpiner und alpenquerender Tourismus und Verkehr wachsen ständig weiter. Über 150 Mio. t Güter werden jedes Jahr durch die Alpen transportiert […].“ (Lebel 2005, 5) Die Alpen bilden seit jeher ein natürliches Hindernis für den transeuropäischen Nord-Süd bzw. Ost-West Wirtschaftsverkehr. Diese topographische Barriere trennt die großen nördlichen und südlichen europäischen ökonomischen Zentren (Industriegebiete) und urbanen Agglomerationen voneinander (insbesondere Italien von Deutschland und Frankreich). Durch den alpinen Verkehr sind diese Zentren und Agglomerationen miteinander verbunden. (Heimann et al. 2007a, 1; vgl. Heuck 2013 3) Allen voran der Ziel- und Quellverkehr des alpenquerenden Verkehrs zeigt dies deutlich auf. Fast der gesamte südliche Quellverkehr stammt aus Italien (marginaler Teil aus Griechenland). Im Gegenzug dominieren Frankreich und Deutschland den Zielverkehr aus Italien (zwei Drittel des gesamten transalpinen Güterverkehrs zwischen Fréjus und Brenner). Das restliche Drittel teilen sich die Schweiz mit 8%, Großbritannien mit 6% und sämtliche mittel- und osteuropäischen Länder mit zusammen 6%. Interessanter Weise spielt Österreich sowie die Benelux-Staaten und die skandinavischen Länder nur eine geringe Rolle im Zielverkehr aus Italien. (Ryan et al. 2008, 7; Satzinger 2012, 15) Berge sind natürliche Barrieren (auch für den inneralpinen Verkehr) und daher fließt der Verkehr nur auf einer bestimmten Anzahl von adäquaten Hochgeschwindigkeitsrouten (Autobahnen, Schnellstraßen und zwei- oder mehrspurigen elektrifizierten Eisenbahnen). Die Konsequenz daraus ist, dass sich der Großteil des Verkehrs für die Alpenüberquerung auf diese geringe Zahl von Korridoren (Gebirgspässe oder Tunnel) konzentriert. Insgesamt

18 RL 2004/54/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 über Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz, ABl. L 167 vom 30.4.2004, 39-91. 49

sind 15 Übergänge für den alpenquerenden Güterverkehr bedeutend. Der Alpenbogen zerfällt dabei verkehrsgeographisch in den Inneren und Äußeren Alpenbogen (siehe Abb. 4). Der Innere Alpenbogen reicht vom Mont Cenis bis zum Brenner und der Äußere Alpenbogen von Ventimiglia bis zum Wechsel. (Molitor et al. 2001, 41f; EVED 1996, 9; BAV 2009, 2; Epiney/Gruber 1997, 164; Satzinger 2012, 11f; Epiney et al. 2013, 6)

Tabelle 8: Hauptrouten für den alpenquerenden Güterverkehr: Land Alpenübergang Straße Schiene Ventimiglia Autobahn A8/A10 2spurig, elektrifiziert Montgenèvre Straße N94/SS24 - Frankreich/Italien Fréjus/Mont Cenis Autobahn A43/N506/N6 2spurig, elektrifiziert Mont Blanc Autobahn A40/N205/A5 - Schweiz/Italien Großer St. Bernhard Straße 21/SS27 - Simplon Autobahn A9/Hauptstr. 9 2spurig, elektrifiziert Schweiz St. Gotthard Autobahn A2 2spurig elektrifiziert San Bernardino Schnellstraße A13 - Reschen Bundesstraße B180/SS 40 - Österreich/Italien A13/A22 2spurig elektrifiziert Felbertauern Bundesstraße B108 - A10 2spurig, elektrifiziert Österreich Schoberpass Autobahn A9 2spurig, elektrifiziert Semmering Schnellstraße S6 2spurig, elektrifiziert Wechsel Autobahn A2 1spurig, n. elektrifiz. (Quelle: Molitor et al. 2001, 41f; Molitor/Traffico Verkehrsplanung 1997, 6; Bundesamt für Raumentwicklung 2005, 23; Lamprecht 2005, 166f)

Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, befinden sich fast die Hälfte dieser Verkehrsachsen in Österreich. Für den Straßenverkehr ist der Brenner der wichtigste und am stärksten frequentierte Alpenübergang. Abbildung 4: Der Alpenbogen von Ventimiglia – Wechsel

(Quelle: Morcello et al. 2009, 6)

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Zu beachten ist zudem noch, dass Österreich und die Schweiz nicht nur zwischen den ökonomischen Zentren und Industriegebieten liegen, sondern auch zwischen den Feriengebieten im Süden und den Konsumenten im Norden. 2010 konnte erstmals die zehn Mio. Marke bei den Pkw auf der Brennerautobahn übersprungen werden. (ORF ON 16.07.2010) Daneben ziehen auch die Alpen selbst eine große Zahl von Touristen an. „With 500 million overnights and 120 million holyday guests per year the Alps are one of the most prosperous tourist regions in the world.“ (Heimann et al. 2007a, 1) Dieser Touristenverkehr (12 bis 25 Mrd. km/Jahr) schwillt zusammen mit dem inneralpinen Eigenverkehr (Quell- und Zielverkehr: 70 Mrd. km/Jahr bei Pkw, 4 bis 6 Mrd. km/Jahr bei Lkw) und dem Transitverkehr auf den wenigen Korridoren zu einem enormen Fahrzeugstrom an. All diese Phänomene zusammen führen dazu, dass in den Alpen eine strake Urbanisierung zu beobachten ist und sie aus einer Randlage ins Zentrum gerückt sind. (Bätzing 2003, 208f; Heimann et al. 2007b, 2; Schleicher Vortrag 2007)

1.4.2 Verkehrsinfrastruktur in Österreich und in Tirol

Eine leistungsfähige und moderne Verkehrsinfrastruktur ist eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems und auch ein Standortvorteil. (WKO 2003b, 25) Abbildung 5: Verkehrskorridore Straße und Schiene in Österreich:

(Quelle: Herry et al. 2007, 44) Die Gesamtlänge des österreichischen Straßennetzes (Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen) umfasste 2010 114.590 km (1998: 106.361 km, 2005 106.987 km).

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Davon entfielen auf das hochrangige Straßennetz (Autobahn und Schnellstraßen), so genannte Bundesstraßen, ca. 2.185 km (entspricht ca. 2%). Den Rest teilen sich Landesstraßen (Landesstraßen B19 und L) und Gemeindestraßen im Verhältnis von 29% zu 69%. Im Vergleich mit den EU-Mitgliedstaaten liegt Österreich 2009 bezüglich der Autobahnnetzlänge pro Kopf mit 0,2 m im Spitzenfeld. Lediglich Zypern, Luxemburg, Spanien und Slowenien weisen eine höhere pro Kopflänge als Österreich auf. Diese Zahlen verdeutlichen, dass sich das österreichische Straßennetz in einem guten Ausbauzustand befindet. Das hochrangige Straßennetz hat durch den starken Ausbau zwischen 2000 und 2009 um 13% (ca. 252 km) zugenommen. (Herry 2012 et al., 38; Herry et al. 2007, 44f; Herry 2002, 41; BMVIT 2013, 8f; vgl. BMVIT 2012, 18) Laut aktuellen Angaben der ASFINAG (März 2015) umfasst das hochrangige Straßennetz inzwischen 2.183 km und weitere rund 280 Streckenkilometer befinden sich in Bau bzw. Planung (v. a. „Regionenring“ um Wien, Lückenschlüsse nach Norden und Osten sowie Ausbau zweiter Tunnelröhren). 2014 flossen laut Angaben der ASFINAG insgesamt 927,6 Mio. Euro in geplante Infrastrukturvorhaben. (BMVIT 2014, 4; ASFINAG 201420) Abbildung 6: Straßennetz in Österreich (Stand 2011):

(Quelle: Herry et al. 2012, 41)

19 Seit 1. April 2004 sind die ehemaligen Bundesstraßen (mit dem Buchstaben B) durch das Bundesstraßen- Übertragungsgesetz (BGBL. I Nr. 50/2002) „verländert“, d. h. sie sind von der Bundesverwaltung an die einzelnen Bundesländer übertragen worden. In Tirol tragen die ehemaligen Bundesstraßen die Bezeichnung Landesstraße B (Tiroler Landesgesetzblatt Nr. 23/2003). (WKO 2003a, 21; Kummer 2010, 250; Herry et al. 2012, 37). 20 URL: [31.03.2015] 52

Durch die topographische Lage in den Alpen weist das österreichische Bundesstraßennetz eine hohe Anzahl von Brücken und Tunnels auf. Auf den Autobahnen und Schnellstraßen lag die Anzahl der Brücken 2009 bei 4.754 und jener der Tunnels bei 136 km (mit 300 km Röhrenlänge). (Herry et al. 2012, 38) Der Streckenverlauf des österreichischen Eisenbahnnetzes ist im Wesentlichen seit der Monarchie unverändert. Zurzeit wird vor allem an den transeuropäischen Achsen verstärkt in den Ausbau zu einem Hochgeschwindigkeitsnetz investiert. Die Länge des Schienennetzes betrug 2011 rund 5.713 km21 (1970: 6.500 km). Auch bei der Schienennetzlänge liegt Österreich mit 0,7 m über den Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten (0,5 m pro Kopf). Hier übertreffen lediglich Schweden, Finnland, Lettland, Tschechien, Ungarn und Estland den österreichischen Wert. Allerdings ist dieser pro Kopf Wert aber mit Vorsicht zu genießen, da es nicht auf die Länge sondern vor allem auf die Kapazität und die Modernität des Schienennetzes ankommt. (Herry et al. 2012, 38, 46; Herry et al. 2007, 45f; Herry 2002, 42; vgl. BMVIT 2012, 18) Abbildung 7: Schienennetz in Österreich (Stand 2011):

(Quelle: Herry et al. 2012, 46) Die Bedeutung Tirols im europäischen Verkehrssystem liegt vorrangig in den alpenquerenden Übergängen, wobei der Brennerkorridor im Vordergrund steht (vgl. Punkt 1.5.3). Zwei weitere wichtige Nord-Süd-Verbindungen sind die Fernpass-Reschenpass- Route (deutsche Autobahn A7 – Füssen – Fernpass – Inntal – Reschenpass) und die 1967 eröffnete Felbertauern-Route (Kitzbühel – Pass Thurn – Felbertauern – Lienz). Beide

21 Davon befinden sich 4.947 km im Besitz der ÖBB, der Rest sind Privatbahnen (Stand 2011). (Herry et al. 2012, 46) 53

Routen dienen überwiegend dem Urlauberreiseverkehr Richtung Süden bzw. als Verbindung zwischen österreichischen Standorträumen. Die wichtigste Ost-West- Verbindung verläuft durch das Tiroler Inntal (A12 von Kufstein bis Zams) und weiter mit der S16 Arlberg-Schnellstraße und dem 1978 eröffneten Arlberg-Straßentunnel nach Vorarlberg (Teil der TEN-V). Daneben sind für Tirol auch noch folgende Landesstraßen B bedeutend: B179 Fernpassstraße, B180 Reschenstraße, B100 Drautal-Straße, B178 Loferer Straße, B108 Felbertauernstraße und B161 Pass Thurn Straße. (WKO 2003a, 21f; Lamprecht/Lehar 2001, 355f) Tabelle 9: Länge des Tiroler Straßennetzes (Stand 2015): Straßenkategorie Tirol Österreich Autobahnen 189 km 1.719 km Schnellstraßen 34 km 468 km Landesstraßen B 968 km 9.997 km Landesstraßen L 1.269 km 23.640 km Gemeindestraßen 8.650 km 88.758 km (Quelle: Herry et al. 2012, 40; BMVIT 2013, 4, 6) Das Tiroler Schienennetz umfasst 2011 rund 476 km, wobei 419 km von den ÖBB betrieben werden. (Herry et al. 2012, 46) Ähnlich wie im Straßenverkehr verläuft auch im Schienennetz mit der Unterinntal- bzw. Brennereisenbahn eine wichtige alpenquerende Bahnlinie durch Tirol (vgl. Punkt 1.5.3). Mit dem übrigen Österreich ist Tirol durch die Salzburg-Tiroler-Bahn verbunden (Wörgl – Kitzbühel – Zell a. S. – Salzburg) bzw. durch die Korridorstrecke über das „große Deutsche Eck“. Eine weitere wichtige Schienenverbindung bildet die Unterinntal- bzw. Arlbergbahn durch das Inntal nach Vorarlberg. Die Karwendel- bzw. Außerfernerbahn nach Reutte sowie die Pustertalbahn nach Lienz sind lediglich für den Regionalverkehr bedeutend. „Tirols Schienennetz stammt in seiner Grundstruktur aus dem 19. Jahrhundert und ist über 130 Jahre alt. Dies wird auch durch die Anlageverhältnisse der Gebirgsstrecken deutlich.“ (WKO 2003a, 34) Zurzeit werden weitere Ausbaumaßnahmen im Unterinntal für den Neubau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke als nördliche Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel (BBT) geplant (Teil der TEN-Achse Nr. 1 Berlin – Palermo). Die Eröffnung des 40 km langen vorwiegend in Tunnel verlaufenden ersten Streckenabschnittes zwischen Kundl und Baumkirchen erfolgte am 9. Dezember 2012. Mit der Inbetriebnahme wurden vor allem die Kapazitätsengpässe zwischen Wörgl und Innsbruck beseitigt. Bereits 1994 wurde die dazugehörige Umfahrung Innsbruck mit dem 12,776 km langen Eisenbahntunnel eröffnet.

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Auch am Brennerbasistunnel wird bereits gearbeitet. (WKO 2003a, 33f; Lamprecht/Lehar 2001, 356f; TT 26.11.2012; DS 26.11.2012; ORF ON 26.11.2012a/b; ÖBB 201422)

1.4.3 Der Brennerkorridor

„The Brenner route connects the dynamic regions of southern Germany (Bavaria) and northern (Venetia, Lombardia). It goes from to Verona passing through Austria for 110 km (road and rail). The Brenner pass at the border between Austria and Italy is at an altitude of 1.374 m – which is the lowest natural crossing of the Alpine arc.” (Molitor et al. 2001, 47; vgl. Bergmeister 2011, 49) Die wichtigste Nord-Süd-Verbindung (Teil des TEN-V) umfasst die vierspurige A12 Inntalautobahn (75 km) von Kufstein (deutsche Grenze) bis zum Knoten Innsbruck und die teils sechsspurige A13 Brennerautobahn (35 km) von Innsbruck bis zum Brenner (italienische Grenze). Im Norden erfolgt der Anschluss in an das deutsche und im Süden in Verona an das italienische Autobahnnetz. Die Großteils parallel zur Autobahn verlaufende B182 Brennerstraße – die „alte Passstraße“ – ist für den alpenquerenden Schwerverkehr über 7,5 t gesperrt und dienst hauptsächlich dem Lokal- und Touristenverkehr. Die nächsten großen Nord-Süd-Alpentransversalen westlich des Brenners sind der San Bernardino (Schnellstraße A13) und der Gotthardstraßen-Tunnel (Autobahn A2) in der Schweiz sowie östlich der Tauernkorridor (A10 Tauernautobahn). Das Unterinntal ist flach (ca. zwei km breit) und sehr dicht besiedelt. Im Gegensatz dazu weißt das zwischen Innsbruck und dem Brennerpass eine deutliche Steigung von ca. 800 Höhenmeter auf und ist nicht so dicht besiedelt. Zu beachten ist vor allem, dass in Tirol nur ca. 12% der Landesfläche besiedelbar sind und das Unterinntal mit dem Zentralraum Innsbruck die Regionen mit der höchsten Bevölkerungsdichte sind. (WKO 2003a, 21f; Molitor et al. 2001, 47; Heimann et al. 2007a, 9f; Ehlotzky 2012, 154) Neben der Straße spielt auch die zwischen 1864 und 1867 erbaute Brennereisenbahn nach wie vor eine bedeutende Rolle. Durch die niedrige Passhöhe erfolgt die Streckenführung der Eisenbahn größtenteils oberirdisch. Dabei verläuft die Eisenbahn meist parallel zur Autobahn und mündet ebenfalls in Rosenheim ins deutsche und in Verona in das italienische Eisenbahnnetz. Die nächsten alpenquerenden Bahnachsen befinden sich am Gotthard und am Tauern, was die Bedeutung der Brennereisenbahn widerspiegelt. (WKO 2003a, 33f; Riedl 1972, 45) Seit der Wirtschaftskrise sind Schwankungen im gesamten Verkehrsaufkommen auf den Straßen in Tirol zu beobachten. 2013 nahm der Verkehr um 0,8% Prozent zu – 2012 ging er

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noch um 0,7 Prozent zurück. Im Jahr 2010 bzw. 2011 war eine Zunahme von 1,0 bzw. 1,2% zu verzeichnen. Bereits 2009 war wieder eine leichte Zunahmen zu beobachten (+0,3%), nachdem aufgrund der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ein Rückgang von minus 1,2% zu verzeichnen war. Besonders am hochrangigen Straßennetz (Autobahn und Schnellstraße) und vor allem auf der Brennerautobahn war der Rückgang im Zuge dieser Krise im Güterverkehr besonders deutlich ausgeprägt. (ATLR 2014, 5; ATLR 2013, 3; ATLR 2012, 3; ATLR 2011, 3; ATLR 2010, 3) Abbildung 7: Verkehrsentwicklung in Tirol 1980 – 2013 (Quelle: ATLR 2014, 5) Im Jahr 2012 stieg der Lkw- Verkehr in Tirol um 0,2% an was einer Stagnation gleich kommt. 2013 wurde hingegen eine Abnahme von -1,5% beim Lkw- Verkehr verzeichnet, wobei der Rückgang auf den Autobahnen mit -1,6% noch stärker ausfiel als auf den Landesstraßen (-0,8%). 2011 gab es noch eine Steigerung um 2,5%, wobei der Anstieg auf dem hochrangigen Straßennetz mit 2,6% etwas höher ausfiel (auf den Landesstraßen +2,4%). (ATLR 2014, 5; ATLR 2013, 3; ATLR 2012, 10) Noch 2009 ging der Lkw-Verkehr um rund minus 10% zurück. (ATLR 2010, 5) Wie bereits in der Einleitung erwähnt ging der Straßengüterverkehr in ganz Tirol 2009 auf dem hochrangigen Straßennetz um minus 12,4% zurück (auf den Landesstraßen um minus 5,8%). Besonders der Fernverkehr war durch die Rezession besonders betroffen, was sich deutlich in der Abnahme der schweren SLZ zeigte. Dagegen zeigte sich der Nahverkehr ziemlich Krisenfest (minimale Abnahme bei den Solo-Lkw). (ATLR 2010, 5) Ein Teil des Rückganges war aber auch auf das seit 2. Mai 2008 geltende Sektorale Fahrverbot für bestimmte Transporte23 zurückzuführen, das 2009/10 noch weiter ausgedehnt wurde und 2011 vom EuGH wieder aufgehoben wurde. (siehe Punkt 7.1.4). Auf den beiden Autobahnen des Brennerkorridors stellte sich die Situation 2013 folgendermaßen dar: Im Unterinntal fuhren auf der A12 täglich durchschnittlich rund 6.800 bis 7.580 Lkw (2012: 7.050 bis 7.670 Lkw, 2011: 6.850 bis 7.400 Lkw, 2010: 6.400 bis 7.000 Lkw), was einem Minus von 1,6% gegenüber dem Jahr 2012 entsprach. Im Mittel

23 LGBl. Nr. 91/2007 idF LGBl. Nr. 93/2010. 56

fuhren im Jahr 2012 im Unterinntal bis zu 6.000 SLZ/24h. Rund 37% der Fahrzeuge kamen aus Österreich, wobei aber lediglich 5% als Transit-Lkws unterwegs waren. Die Situation auf der Brennerautobahn A13 ähnelte 2013 jener des Tiroler Unterinntals. Hier waren täglich rund 5.550 Lkw (2012: 5.600 Lkw) zu verzeichnen. Insgesamt passierten 1,967 Mio. Lkw (2012: 1,99 Mio. Lkw) den Brennerpass (-1-1% im Vergleich zu 2012). Rund 87% des Lkw-Verkehrs sind Sattel- und Lastzüge. Trotz dieses enormen Rückgangs 2009 und des Anstieges 2010/11 passierten 2012 rund 264.000 SLZ mehr den Brenner als 2003, dem letzten Jahr der Ökopunkteregelung. (ATLR 2014, 7; ATLR 2013, 4f; ATLR 2012, 11; ATLR 2011, 5; ATLR 2010, 5; ORF ON 7.01.2010; TT 9.11.2009; 6.01.2010) Seit dem Auslaufen der Ökopunkteregelung verzeichnete der Brennerkorridor bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise enorme Zuwächse. 2004 fuhren bereits 1,99 Mio. Lkw (+300.000 Lkw gegenüber 2003) über den Brenner (davon 1,80 Mio. SLZ), was einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr 1998 entsprach. (ATLR 2005, 11; DP 7.12.2004; ORF ON 8.11.2005) Der Höhepunkt der bisherigen Entwicklung war im Jahr 2007 zu verzeichnen. Dort passierten rund 2,18 Mio. Lkw den Brennerpass (ca. 5.960 Lkw/24h). Der Anteil der SLZ an der Gesamtzahl lag dabei über 90%. Daneben fuhren 2007 auch noch 9,4 Mio. Pkw auf der Brennerautobahn. (ATLR 2008, 6; DS 11.01.2008; TT 5.09., 20.12.2007; 20.10.2008; ORF ON 7.01.2008) Zwischen 2003 und 2011 stieg der Güterschwerverkehr am Brenner trotz Finanzkrise und Maßnahmenbündel nach IG-L (Sektorales Lkw-Fahrverbot oder Fahrverbot für schadstoffreiche Lkw) um insgesamt 18%, Das entspricht einem mittleren jährlichen Wachstum von 2,1%.“ (ATLR 2012, 11) Ab dem Jahr 2010 war dann wieder ein Anstieg zu beobachten, nachdem der Transit 20 Monate lang (seit Mai 2008) zurückgegangen ist. Durch die Erholung der Wirtschaft steigt auch wieder das Transportvolumen. Seit März 2010 ist eine Trendumkehr zu beobachten und der Lkw- Verkehr im Brenner kehrt wieder zu seinen bisherigen jährlichen Wachstumsraten zurück. Allein im Juni 2010 wurden rund 10.000 zusätzliche Lkw gezählt (rund +8% gegenüber 2009). Im ersten Halbjahr 2010 wurden am Brenner rund 830.000 Lkw registriert, was einem Plus gegenüber dem Vorjahr von fast 30.000 Lkw (rund 3%) entspricht. Dieser Trend setzte sich auch im August 2010 fort, wo über 10.000 Lkw mehr gezählt wurden (+10,8%), was bis Ende August ein Gesamtplus von fast 50.000 Lkw gegenüber dem Vorjahr ergibt. Insgesamt überquerten in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 1,55 Mio. Lkw den Brenner (+76.000 gegenüber 2009). Im Vergleich dazu passierten im selben Zeitraum rund 1,6 Mio. Lkw den Tauernkorridor. Die höchsten Lkw-Zahlen in Österreich wurden in den ersten drei Quartalen 2010 auf der A1 (bei Haid) mit 3,28 Mio. sowie auf der A2 (bei

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Wiener Neudorf) mit 3,06 Mio. gemessen. (ORF ON 16.07.2010, 10.09.2010, 21.10.2010; ATLR 2010, 5; TT 7.07.2008; 7.01.2009; 9.09.2010; DP 21.10.2010; DS 21.10.2010) „Im ersten Quartal 2011 nahmen die SLZ-Fahrten um +5,3% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zu.“ (ATLR 2011, 5) Schlussendlich nahm der Lkw-Verkehr im ersten Halbjahr 2011 um 5,7% zu. Im dritten Quartal gab es eine Abschwächung auf 3% Wachstum und im vierten Quartal schließlich einen Rückgang um minus 0,4% gegenüber dem Vorjahr. Damit nimmt in Tirol der Lkw seit dem Abklingen der Wirtschaftskrise wieder zu. (ORF ON 14.06.2011, 10.01.2012) „In den ersten vier Monaten des Jahres 2012 nahmen die SLZ-Fahrten um +2,2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zu.“ (ATLR 2012, 11) Tabelle 10: An Zahl der Lkw-Fahrten über den Brenner Jahr 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 Lkw 1,98 1,99 1,97 1,90 1,82 1,95 2,18 2,08 1,99 (Mio.)

Jahr 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 Lkw 1,99 1,57 1,56 1,51 1,59 1,55 1,36 1,31 1,26 (Mio.) (Quelle: ATLR, 2014, 7; ATLR 2013, 4; ATLR 2012, 10f; 2011, 5; 2010, 5; 2009, 5; 2008, 6; 2007, 8; 2006, 9; 2005, 11; 2004, 10; 2003, 9; 2002, 6; 2001, 12, 13) Für das Jahr 2013 liegen die Zahlen des ersten Halbjahres vor: Rund 872.000 Lkw hatten die Mautstelle in Schönberg auf der A13 passiert, was einem Rückgang von 30.000 Lkw gegenüber dem Jahr 2012 entsprach (-3,24%). Vor allem machte sich die weiterhin angespannte wirtschaftliche Situation bemerkbar. (ORF ON 6.07.2013; TT 6.07.2013) Schlussendlich passierten 2013 knapp 1,76 Mio. schwere Lkws die Mautstelle am Brenner, was einem Rückgang um 1,4% (-25.000 Sattelschlepper) bedeutet. (ORF ON 7.01.2014) Die wirtschaftliche Erholung in Italien brachte hingegen im 1. Quartal 2014 wiederum einen Anstieg des Transitverkehrs über den Brenner. Laut VCÖ wurde ein Anstieg von 6% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 verzeichnet (6.187 Lkw pro Tag). Die höchsten Lkw-Zahlen wurden wiederum auf der A1 (bei Haid) mit 12.957 Lkw pro Tag gefolgt der A2 (bei Wiener Neudorf) mit 10.876 Lkw pro Tag gemessen. Auch hier gab es jeweils deutliche Zuwächse beim Lkw-Verkehr. (ORF ON 21.04.2014; TT 24.04.2014) Insgesamt fuhren im ersten Halbjahr 2014 935.584 Lkw über die Brennerautobahn, was einen Anstieg um 7,24 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. (ORF ON 16.07.2014; TT 16.07.2014) Auch das Jahr 2014 brachte mit 5,6 Prozent wiederum einen deutlichen Anstieg. 1,9 Mio. schwere Lkw passierten die Mautstelle am Brenner und mit

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Einberechnung der kleineren Lkw wurde die Zwei-Millionen-Grenze überschritten. Zudem wurden 10,3 Mio. Pkw-Fahrten verzeichnet. (ORF ON 7.01.2015; TT 6.01.2015) Noch 2005 ging die „Schweizer Progtrans AG“ in einer Studie beim Brennertransit von einem Wachstum von einem Drittel bis 2015 aus (basierend auf den Zahlen von 2003). Bis 2015 würde die Gütermenge bei einer „schienenverkehrsfreundlicheren Verkehrspolitik“ auf 53,4 Mio. t und bis 2025 auf 57,6 Mio. t anschwellen. Auch der Lkw-Transit würde trotz höherem Schienenanteil (2015: 25,5 Mio. t) nicht reduziert. Bei einer Fortschreibung des bisherigen Trends und der Anwendung der bisherigen Verkehrspolitik gingen die Prognosen von einem Anstieg des Straßentransits auf 34 Mio. t aus (rund 5.700 Lkw/24h). (DP 5.07.2005; Lamprecht 2005, 183f) Wie bereits oben erwähnt wurde dieses Szenario bereits 2007 erreicht. Wie beim Schwerverkehr auf der Straße waren 2009 auch beim Frachtvolumen auf der Schiene Rückgänge zu verzeichnen, das 2010/11 wieder kompensiert werden konnte. 2011 wurden von den Eisenbahnunternehmen 15,4 Mio. NNt über den Brenner transportiert (0,3% gegenüber 2010). (ATLR 2012, 14) 2012 brach das Frachtvolumen am Brenner bei der Bahn ein und es wurden lediglich 12,7 Mio. NNt befördert, was einem Rückgang von 16% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Als Hauptgründe für den Rückgang sind die fünfwöchige Totalsperre der Brennerbahn und die Aufhebung des sektoralen Fahrverbots anzuführen. Damit sank das Frachtvolumen auf den niedrigsten Wert seit 2007. (ATLR 2013, 8) Auch 2013 war ein weiterer Rückgang zu verzeichnen. Insgesamt wurden 11,9 Mio. NNt befördert, was einen Rückgang von 5,7 % entspricht. 2012 und 2013 hat die Bahn am Brenner somit 21,4% des Gütervolumens eingebüßt. Trotzdem liegt das Transportvolumen der Bahn 2013 immer noch um 10,3% höher als im Jahr 2003 (ATLR 2014, 10) „Im Vergleich zu 2005 wurde 2009 – trotz Finanzkrise und Konjunkturflaute – um +36% mehr Frachtvolumen mit der Bahn über den Brenner transportiert.“ (ATLR 2010, 8). Im Jahr 2010 wurden sogar mehr Güter als 2007 transportiert, dem Jahr vor der Wirtschaftskrise und der Einführung des sektoralen Fahrverbots. Insgesamt wurden von der Bahn 2013 16,2 Mio. Nt (2012: 17,1 Mio. Nt, 2011: 21,4 Mio. Nt) befördert, wobei aber 27% (2012: 26%) des Gütervolumens auf so genanntes „Totgewicht“ (Lkw-Eigengewichte) fielen. Dies fällt vor allem durch den Transport mit dem kombinierten Verkehrs und der RoLa an. (ATLR 2014, 11; ATLR 2013, 9; ATLR 2012, 14f) Besonders die RoLa verzeichnet zwischen 2005 und 2010 Zuwächse, nachdem die Nachfrage nach dem Auslaufen der Ökopunkteregelung 2003 um zwei Drittel geschrumpft war und die RoLa

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knapp vor dem Aus stand. 2009 wurden insgesamt 226.000 Schwerfahrzeuge mit der Bahn transportiert (+9,7% gegenüber 2008), wobei der Wachstumstrend auch im Jahr 2010 anhielt (+8,6%). (ATLR 2011, 9; TT 31.12.2009, 3.04.2010; ORF ON 30.10.2005, 19.04.2006, 31.12.2008, 14.06., 31.12.2009, 5.04.2010; DP 19.12.2003, 21.04.2004, 24.01.2005; DS 4.10.2010) „Hauptgründe für die positive RoLa-Entwicklung am Brenner [bis 2010] sind die Tarifstützungen des Bundes sowie die verkehrspolitischen Maßnahmen des Landes auf Basis des IG-L, wie Lkw-Nachtfahrverbot, Fahrverbot für Lkw der Euroklassen 0, I und II sowie Sektorales Fahrverbot.“ (ATLR 2010, 9) Rund ein Drittel der Lkw mussten die RoLa wegen des sektoralen Fahrverbots benützen. Die Auslastung der RoLa auf dem Brennerkorridor lag 2010 bei 85,9%. Im ersten Quartal 2011 war seit langen wieder ein Rückgang auf der RoLa zu verzeichnen (- 4,7%). (ATLR 2011, 11) Durch geänderte Rahmenbedingungen (z. B. Aufhebung des sektoralen Fahrverbots, geändertes RoLa-Angebot, schwächelnde Konjunktur) ging die Zahl der beförderten RoLa-Lkws 2011 um 10% zurück. 2012 war gar ein Rückgang von 37% zu verzeichnen. Der Anteil der RoLa lag 2013 bei rund 7,5%, was dem Wert vor der Einführung des sektoralen Fahrverbots entspricht. Durch die sinkende Auslastung musste auch das Angebot weiter reduziert werden (Einstellung der Strecke Regensburg-Trient). (ATLR 2014, 12; ATLR 2013, 10f; ATLR 2012, 14, 16f; TT 31.10.2012) Auch im ersten Halbjahr 2013 verzeichnete die RoLa weitere Einbrüche. Rund 65.000 Lkw wurden auf der Schiene transportiert, was einem Minus von 24% entspricht. (ORF ON 6.07.2013; TT 6.07.2013) Insgesamt verlor die Schiene am Brennerkorridor weitere Anteile an die Straße. Einen Lichtblick gab es im 1. Quartal 2014 aber für die RoLa. Nach den deutlichen Einbrüchen der Vorjahre gab es wieder Zuwächse. Mit 47.000 transportierten Lkw (zwischen Wörgl und Brenner bzw. Trient) wurde ein Plus von 11,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. (ORF ON 5.05.2014) Auch das erste Halbjahr 2014 verlief positiv. Insgesamt wurden 73.187 Lkw auf der RoLa transportiert, was einem Plus von 13,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres entspricht. Die RoLa hatte damit in den ersten sechs Monaten des Jahres 2014 eine Auslastung von 83,3% erreicht. (ORF ON 1.08.2014; TT 31.07.2014) Insgesamt wurden 2013 40,9 Mio. t (2012 42,9 Mio. t; 2011 44,8 Mio. t; 2010: 43,4 Mio. t) Güter via Straße und Bahn über dem Brenner transportiert (-2,6% gegenüber 2012). Davon fielen 29 Mio. t auf die Straße und 11,9 Mio. NNt auf die Bahn. (ATLR 2014, 13; ATLR 2013, 12; ATLR 2012, 20; ATLR 2011, 11; ATLR 2010, 11) Beim modal split konnte sich die Bahn am Brenner (Nordrampe) gegenüber der Straße bis 2010 weiter verbessern und

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erreichte den höchsten Wert seit 1974. 2010 wurden 35% der Güter mit der Bahn befördert (2011: Rückgang auf 34%). Nach dem Ende der Ökopunkteregelung war der Bahnanteil auf 23% gesunken und hatte sich seither erfreulich entwickelt. (ATLR 2012, 19) Einen Schönheitsfehler hat diese Statistik allerdings, da der Bahnanteil ohne die subventionierte RoLa zwischen 20 und 22% liegen würde. (ATLR 2011, 11) Durch den Verlust von Marktanteilen sank der Bahnanteil 2012 wieder auf 30%, was dem Niveau von 2007 entspricht. Schließlich sank der Bahnanteil 2013 nochmals auf 29%. (ATLR 2014, 13; ATLR 2013, 12) Abbildung 8: Güterverkehr (Straße und Bahn) und modal split am Brenner 1960 – 2013

(Quelle: ATLR 2014, 13) Obwohl das Thema Umwegtransit mittlerweile aus der politischen Diskussion verschwunden ist, sei noch angemerkt, dass laut einer Verkehrsstudie über die Routenwahl aus dem Jahr 2004 rund 30 bis 37% der Lkw-Verkehre am Brenner nicht das Prinzip des kürzesten Weges erfüllen. Auf dem Tauern-Korridor liegt die Zahl lediglich zwischen 6 und 8%. Bei der konsequenten Anwendung des Prinzips des kürzesten Weges bei der Routenwahl käme es zu einer massiven Verlagerung auf die Schweizer Korridore, wobei die Steigerung am Gotthard zwischen 70 und 84% betragen würde. (Satzinger 2012, 16f)

1.4.4 Verkehrsentwicklung in den Alpenkorridoren

Seit 1980 wird der alpenquerende Güterverkehr in Frankreich, Österreich und der Schweiz statistisch erhoben. In den 30 Jahren hat sich der alpenquerende Güterverkehr mehr als verdoppelt. 2008 wurden im äußeren Alpenbogen (Ventimiglia – Wechsel) insgesamt 206 Mio. t (Straße und Schiene) über die Alpen transportiert (1999 163 Mio. t; 2004 194 Mio. t). Davon entfielen 67,1% auf den Straßengüterverkehr. (Morcello et al. 2009, 20; Bundesamt für Raumentwicklung 2001, 6; BMVIT 2006, 7) Auf dem inneren Alpenbogen (Mt. Cenis/Fréjus – Brenner) mit seinen wichtigen Übergängen entfielen 2011 107,1 Mio. t,

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womit mehr als die Hälfte der Gesamtgütermenge bewältigt wurden (1980 50,7 Mio. t; 2004 110 Mio. t; 2008: 114,4 Mio. t). (BAV 2012, 1; BAV 2009; BMVIT 2006, 7; Roblek 2007, 20) Rund 10,5 Mio. Lkw überquerten 2008 die 14 Übergänge des äußeren Alpenbogens. Allein den Brenner überquerten 2,18 Mio. Lkw, was ca. 21% entspricht. Deutlich dahinter folgen der Schoberpass (1,42 Mio. Lkw) und Ventimiglia (1,39 Mio. Lkw). Der Anteil des alpenquerenden Transitverkehrs lag am inneren Alpenbogen bei fast 70% (FR 21,7%; CH 74,5%; AT 90,6%). (Morcello et al. 2009, 20; BAV 2009) Dieser Wert hat sich 2011 auf 67% verringert (FR 12,1%; CH 76,2%; AT 88,4%). (BAV 2012a, 1) Abbildung 9: Alpenquerender Straßengüterverkehr 2008 im äußeren Alpenbogen

(Quelle: Morcello et al. 2009, 21) Beim modal split waren in den drei Ländern deutliche Unterschiede zu verzeichnen. In Österreich entfielen 2011 67,5% auf die Straße und 32,5% auf die Schiene. In der Schweiz zeigte sich die Situation genau umgekehrt. Dort lag der Anteil der Straße bei 36,1% und der der Schiene bei 63,9%. Schlusslicht bildet Frankreich mit 85,7% transportierten Gütern auf der Straße und mit lediglich 14,3% Schienenanteil. (BAV 2012a, 1) Tabelle 11: Entwicklung des modal split in den Alpenländern (1980 – 2011) Land Verkehrsträger 1980 1994 1999 2004 2008 2011 Straße 71% 62,9% 67,8% 69,1% 69,2% 67,5% AT Schiene 29% 37,1% 32,2% 30,9% 30,8% 32,5% Straße 7% 25,7% 31,3% 35,3% 36,4% 36,1% CH Schiene 93% 74,3% 687% 64,7% 63,6% 63,9% Straße 54% 80,6% 79,8% 86% 88,7% 85,7% FR Schiene 46% 19,4% 20,2% 14% 11,3% 14,3% (Quelle: BAV 2012a, 1; Herry et al. 2012, 117, 166; Herry et al. 2007, 161; Bundesamt für Raumentwicklung 2001, 6, 14; Köll/Bader 2005, 13; Morcello et al. 2009, 26; Roblek 2007, 21)

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Bezogen auf den inneren Alpenbogen zeigt sich beim modal split ein etwas anderes Bild. 2011 transportierte die Bahn rund 40,2% der Gesamtgütermenge. In den einzelnen Ländern lag der Schienenanteil bei 14,3% in Frankreich, 32,5% in Österreich und 63,9% in der Schweiz. (BAV 2012a,1) Abbildung 10: Alpenquerendes Güterverkehrsaufkommen 2008 (Straße und Schiene)

(Quelle: Morcello et al. 2009, 20) Wie in Tirol nahm auch der Güterverkehr in der Schweiz nach der Konjunkturkrise im Jahr 2010/11 wieder zu. Insgesamt fuhren 2010 und 2011 1,26 Mio. Lkw über die Schweizer Alpenübergänge (+7% gegenüber 2009) und es wurden 2011 rund 40 Mio. t Güter (2010: 34 Mio. t) transportiert. Davon entfielen 2011 auf die Schweizer Hauptrouten Gotthard 927.000 Lkw (2010: 943.000 Lkw) und San Bernardino 194.000 Lkw (2010: 186.000 Lkw) (-2 bzw. +4% gegenüber 2010). Am Gotthard wurden im Mittel 2.540 Lkw/24h und am San Bernardino 530 Lkw/24h gezählt. Am Großen St. Bernhard war 2011 eine Steigerung auf 58.000 Lkw (+21%) zu verzeichnen. Wie auch in Tirol war 2012 wiederum ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Auf den Hauptkorridoren Gotthard und San Bernardino ging der Lkw-Verkehr um 4,7% zurück. Insgesamt passierten 1,209 Mio. Lkw die Hauptrouten. Am Gotthard wurden 2012 886.000 Lkw (2.420 Lkw/24h) bzw. am San Bernardino 182.000 Lkw (500 Lkw/24h) gezählt. Auch 2013 war ein Rückgang des Lkw-Verkehrs um 5% auf den Schweizer Alpenpässen zu verzeichnen. Insgesamt wurden 1,143 Mio. Lkw gezählt. Rund 837.000 Lkw passierten die Gotthard- bzw. 177.000 die San Bernardino-Route. Am Simplon wurden 81.000 Lkw und am Großen St. Bernhard 49.000 Lkw registriert. Im Vergleich zum Brenner, wo der Transitanteil beim alpenquerenden Straßengüterverkehr 83% beträgt, liegt dieser Wert in der Schweiz mit 69 bis 71% deutlich niedriger. 2013

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betrug er 69,4%. (ATLR 2014, 14; ATLR 2013, 6; ATLR 2010, 7; ATLR 2012, 12; BAV 2011, 4, 23; BAV 2012, 4, 6, 31; BAV 2014, 1f; Satzinger 2012, 15) Abbildung 11: Alpenquerender Gütertransport auf Straße und Schiene (1986-2006)

(Quelle: ATLR 2006, 13; Ryan et al. 2008, 7) Abbildung 12: Alpenquerender Güterverkehr Straße/Schiene 1999-2009 (Ventimiglia – Wechsel)

(Quelle: ATLR 2011, 12) „Seit dem Jahr 2000 hat die Zahl der schweren Güterfahrzeuge durch die Schweizer Alpen um -19% abgenommen und sich damit 1.404.000 auf 1.143.000 Fahrzeuge pro Jahr verringert.“ (BAV 2014, 18) Bei der Verteilung des Schwerverkehrs in der Schweiz entfallen 75% auf den Gotthardkorridor (2000 85%). Mit großem Abstand folgen der San Bernardino- (15%), der Simplon- (6%) und der Große St. Bernhardkorridor (4%). (BAV 2011, 4, 24) Von den 25,6 Mio. NNt im Jahre 2011 (2010: 24 Mio. NNt) wurden im Bahnverkehr 56% am Gotthard und 44% am Lötschberg-Simplon transportiert. Während die Gütermenge am Gotthard stagnierte, hat die Lötschberg-Simplon-Strecke seit 2007 (Eröffnung LBT) starke Zuwächse zu verzeichnen. Interessant ist auch, dass in der Schweiz 70% auf den kombinierten Verkehr entfallen. Auch 2012 gab es im Gütertransport auf der bahn einen großen Einbruch. 23,7 Mio. NNt (-7,5% gegenüber 2011) wurden auf den beiden 64

Hauptrouten transportiert, was dem Niveau von 2005 entspricht. Neben konjunkturellen Problemen war auch eine Sperre am Gotthard wegen eine Felssturzes bzw. Sanierungsarbeiten im Simplontunnel für den Rückgang verantwortlich. 2013 gab es wieder eine Zunahme um 6% auf 25,2 Mio. NNt zu verzeichnen. Der Marktanteil der Schiene lag 2013 bei 66%. (ATLR 2013, 11, 13; ATLR 2011, 10; ATLR 2012, 18; BAV 2011, 31f; BAV 2012, 31f; BAV 2014, 3, 28) Abbildung 13: Alpenquerender Güterverkehr 2012

(Quelle: ATLR 2014, 14)

1.4.5 Umwelt- und Lärmprobleme durch den Alpenverkehr

„Das Verkehrsvolumen in Europa war in den letzten Jahren einem kontinuierlichen, fast explosionsartigen Wachstum ausgesetzt – ein Trend, der auch in kurz- und mittelfristiger Zukunft weiter anhält.“ (Rütsche/Sollberger 1996, 38) Durch das starke Wirtschaftswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg und der dadurch erhöhten Nachfrage von Transportkapazitäten erfolgte die einseitige Bevorzugung des Straßenverkehrs. Mit dem raschen Ausbau der Straßeninfrastruktur stieg der Verkehr rasant an, was auch durch fehlende Investitionen in die Eisenbahn gefördert wurde. Der Güterverkehr war und ist von diesem Wachstum besonders stark betroffen. „Die Gründe liegen in neuen Bedürfnissen, wachsenden wirtschaftlichen Verflechtungen und einer immer perfekteren Arbeitsteilung mit logistischen Konsequenzen wie die ‚just-in-time’ Produktion.“ (Rütsche/Sollberger 1996, 38) Durch die weitere Globalisierung und den liberalisierten Verkehrsmärkt in der EU wird dieser Effekt noch weiter verstärkt werden. Für unsere moderne Gesellschaft ist ein leistungsfähiges Verkehrssystem die Basis für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wohlstand. Dadurch werden berufliche Mobilität, persönliche Bewegungsfreiheit und die

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sozialen Kontakte gesichert. Das Verkehrssystem soll schnell, sicher, preisgünstig und bequem sein. Die persönliche Mobilität wird als selbstverständliches Grundrecht angesehen und etwaige Einschränkungen werden als willkürlicher Zwang empfunden. (Spendel 2004, 21; Lamprecht 2005, 171) „Die Mobilität der Personen betrug im Jahr 1970 17 km pro Tag und ist auf 35 km pro Tag im Jahr 1998 angestiegen.“ (Spendel 2004, 21) Verdeutlicht werden dieses Zahlen auch damit, dass in Österreich die Verkehrsleistung im Personenverkehr zwischen 1990 und 2008 von 83,2 Mrd. p/km auf 106,2 Mrd. p/km zugenommen hat (+27%). Rund 73 Prozent der Personenverkehrsleistung werden mit dem Pkw erbracht. Zum Vergleich war die Transportleistung (t/km) innerhalb des Straßengüterverkehrs zwischen 1990 und 2008 geradezu einer explosionsartigen Zuwachsrate ausgesetzt. Bei den schweren Nutzfahrzeugen war ein Anstieg von 259,5% und bei den leichten Nutzfahrzeugen von 63% zu verzeichnen. Im gesamten Güterverkehr stieg die Transportleistung im selben Zeitraum von 31,9 Mrd. auf 66 Mrd. t/km. 2008 entfielen 66,5% der t/km auf die Straße (1990: 59,2%). (Anderl et al. 2010, 116; BMVIT 2012, 23) „Im gleichen Zeitraum hat der Anteil der Bahn am gesamten Gütertransport von 35,6% auf 28,9% abgenommen. Der Anteil des Güterverkehrs auf der Donau sank von 5,2% 1990 auf 3,6% 2008.“ (Anderl et al. 2010, 113, 116) 2010 verteilte sich die Güterverkehrsleistung mit 31% auf die Schiene, 64% auf die Straße und zu 4% auf die Schifffahrt. (BMVIT 2012, 24) Dies alles führt natürlich zu Nutzungskonflikten und zu immer stärker auftretenden Umweltproblemen, die besonders an den alpinen Transitrouten zu beobachten sind. Die Siedlungs- und Wirtschaftsflächen sind in den Alpenländern teilweise sehr intensiv genutzt, aber durch die Topographie beschränkt. Zurzeit leben rund 14 Millionen Menschen im Alpenbogen. Dies führt dazu, dass die Bevölkerungsdichte in den Alpentälern relativ hoch ist, die nur von den Benelux-Ländern übertroffen wird. (Haßlacher 2000, 8) „In 1990 240 inhabitants were counted per square-kilometre settlement area in the Alpine region. […] In the , where only 12.4% of the whole area is settled, 397 inhabitants were counted per square kilometre in 1991.” (Molitor et al. 2001, 58) Im Unterinntal betrug die Bevölkerungsdichte sogar 487 Einwohner pro km². Dieser durch natürliche Einschränkung begrenzte Siedlungs- und Wirtschaftsraums muss zudem in den Alpenländern noch mit der Verkehrsinfrastruktur geteilt werden. „Transport infrastructure needs a relatively high share of land and is situated close to living and recreation areas. In the Tyrol 7.5% of the total settlement area is dedicated to infrastructural needs, a peak value in Austria. Local as

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well as international transalpine traffic flows concentrate on a few routes.” (Molitor 2001 et al. 2001, 58) Dieses Zusammentreffen von Siedlungsräumen und Verkehrsrouten verursacht zwangsläufig, dass eine große Anzahl von Menschen an den Alpenkorridoren von den verkehrsbedingten Umweltbeeinträchtigungen betroffen sind. Daneben sind nicht nur die Menschen betroffen, sondern auch der ökologisch sensible Naturraum der Alpen. Der Straßenverkehr (motorisierter Individualverkehr und Straßengüterverkehr) ist dabei der Hauptträger der Luftverschmutzung und des Klimawandels. Trotz umweltpolitischer Maßnahmen, wie z. B. Katalysatorpflicht bei Pkw, wurden diese Erfolge durch das stetig steigende Verkehrsaufkommen wieder neutralisiert. Der Lkw-Verkehr gilt heute als

Hauptverursacher der verkehrsbedingten CO2- und NOx-Emissionen in Österreich und in der gesamten EU. (Frewein 2006, 98; Heimann et al. 2007a, 2; EK 2000; Brenck et al. 2007, 432; Heuck 2013, 5) „Die Gesamtemissionen des alpenquerenden Güterverkehrs werden auf

3.160 t Stickoxide (NOx), 48 t Partikel (PM10) sowie 559.000 t CO2 geschätzt.“ (Epiney et al. 2013, 5) „Emissionen aus Fahrzeugen tragen wesentlich zur Konzentration von Stickoxiden (NO und

NO2) und Feinstaub (engl. PM – „Particulate Matter“) in der Umgebungsluft bei, sowie indirekt zum bodennahen Ozon (O3), da NOx und VOC (engl. „Volatile Organic Compounds“, also flüchtige organische Verbindungen) wichtige Vorläufersubstanzen für bodennahes Ozon und sekundärem Feinstaub sind.“ (Roblek 2007, 90) Diese Luftschadstoffe entstehen durch Verbrennungsprozesse beim Hausbrand (hauptsächlich Holz), in der Industrie (Prozessemissionen, Wärmeerzeugung), bei Bauarbeiten (Baumaschinen), in der Landwirtschaft (diffuse Emissionen, Landmaschinen) und durch den Verkehr. Feinstaub wird im Verkehr vor allem durch Dieselmotoren (Dieselruß), Abrieb (Reifen- und Bremsenabrieb) und Aufwirbelungen von Material auf der Straße produziert. Zudem gibt es aber auch noch natürliche Quellen, wie z. B. Erosion und der Saharastaub. (Heimann et al. 2007b, 4; Roblek 2007, 96) Es ist ausreichend wissenschaftlich dokumentiert, dass Stickoxide, Ozon und PM10 (Feinstaub < 10 µm) und vor allem deren Kombination die menschliche Gesundheit, die alpinen Ökosysteme und die Vegetation schädigen. Beim Menschen können gesundheitliche Schäden vor allem als Atemwegs- (z. B. chronischer Husten, Bronchitis, Asthma) und Herz-Kreiskauferkrankungen sowie als diverse Allergien (Schwächung der Infektionsabwehr) auftreten. Besonders betroffen sind Kinder und ältere Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen der Atemwege bzw. des Herzsystems. Feinstaube, Straßenstaub (Reifenabrieb) und flüchtige organische

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Verbindungen (VOC) wirken krebserregend. Beim Ökosystem führen die Stickoxide zur Versauerung und Eutrophierung (Überdüngung) von Böden und Gewässern und sind eine wichtige Vorlaufsubstanz für das Ozon. Zudem tragen die hohen Konzentrationen zur Schädigung von Kulturdenkmälern bei. Diese hohe Schadstoffkonzentration führt in den Alpen zu zahlreichen Waldschäden (Stichwort „Waldsterben“). Im alpinen Raum sind diese Waldschäden besonders gefährlich, da ein Großteil des Waldes als Schutzwald vor Lawinen und Muren dient. Die Zerstörung dieser Schutzwälder führt zu einer Gefährdung der Siedlungs- und Wirtschaftsräume. (Roblek 2007, 90; Frewein 2006, 99f; Heimann et al. 2007, 12; Schäfer 2000, 27f; Flade 2007, 496; Epiney et al. 2013, 5; Heuck 2013, 5) Abbildung 14: Schadstoffkonzentration in Alpentälern bei Inversionswetterlagen:

(Quelle: Transitforum Austria-Tirol 2002, 36) Natürlich haben auch die alpine Topographie und besondere Wetterphänomene Auswirkungen auf die Schadstoffkonzentration. Die morphologische Struktur der Alpentäler (U- oder V-Form) und ihre Enge sorgen dafür, dass die Emissionen aus Verbrennungsmotoren nicht abziehen können, so dass die Luftverschmutzung in diesen Tälern oftmals ebenso hoch ist wie in städtischen Gebieten. Zudem werden aufgrund der meteorologischen Besonderheiten der Alpentäler der Transport und der Abbau von Schadstoffen behindert. Höhere Niederschlagsmengen an der Alpennordseite führen zudem zu einer tendenziell höheren Schadstoffablagerung. Durch die Gebirgszüge werden die anströmenden Luftmassen zur Frischluftzufuhr blockiert und umgeleitet, was in den Tälern zu Kanalisierungseffekten führt. Neben lokalen Windsystemen (Hangwinde) sind auch besondere Fallwinde in den Alpen zu beobachten, die für eine gute Durchmischung der Luftmassen sorgen (z. B. „Föhn“). Überdies kann es in schmalen Tälern oder Kessellagen in der Nacht oder bei Hochdruckwetterlagen (v. a. in den Wintermonaten) zu einer Inversionswetterlage kommen. Dabei legt sich eine Warmluftschicht über eine darunter befindliche Schicht mit kühlerer Luft, so dass die Warmluft wie eine Decke wirkt und Schadstoffe nicht entweichen können. Bleibt also eine Verschmutzungsquelle bei einer

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solchen Temperaturumkehr aktiv, können die Auswirkungen erheblich sein. Viele dieser Besonderheiten des Gebirgsklimas spielen im Flachland überhaupt keine Rolle. (Heimann et al. 2007b, 8; Heimann et al. 2007a, 30-37; Thudium et al. 2007, 106-109; Epiney et al. 2013, 5) Zur Begrenzung der Luftschadstoffe gibt es zahlreiche europäische Vorgaben und nationale Richtwerte. Tabelle 12: Grenz- (GW), Ziel- (ZW), Schwellen- (SW), Informations- (ISW), und Alarmschwellenwerte (ASW) der Luftqualität laut aktuellen EU-Richtlinien Wert und zulässige Häufigkeit gültig Schadstoff EU-RL der Grenzwertüberschreitung ab Schutz der Gesundheit 200 µg/m³ (1h-Durchschnitt) NOx (GW) 1999/30/EG Grenzwertüberschreitung < 19 Mal für 1h- 2010 Durchschnitt pro Jahr mit Toleranzspanne

NO2 (GW) 1999/30/EG 40 µg/m³ (Jahresdurchschnitt) mit Toleranzspanne 2010 120 µg/m³ (8h-Durchschnitt) < 25 Tage (gemittelt über O (ZW) 2002/3/EG 2010 3 drei Jahre)

O3 (ISW) 2002/3/EG 180 µg/m³ (1h-Durchschnitt)

O3 (ASW) 2002/3/EG 240 µg/m³ (1h-Durchschnitt)

PM10 (GW) 1999/30/EG 50 µg/m³ (24h-Durchschnitt) < 36 Tage pro Jahr 2005

PM10 (GW) 1999/30/EG 40 µg/m³ (Jahresdurchschnitt) 2005

PM10 (GW) 2008/50/EG 50 µg/m³ (24h-Durchschnitt) < 36 Tage pro Jahr 2010

PM10 (GW) 2008/50/EG 40 µg/m³ (Jahresdurchschnitt) 2010

PM2,5 (GW) 2008/50/EG 25 µg/m³ (Jahresdurchschnitt); ab 2015 20 µg/m³ 2010 Schutz des Ökosystems und der Vegetation

NOx (GW) 1999/30/EG 30 µg/m³ (Jahresdurchschnitt) 2001 AOT40 akkumulierte Einwirkung über den O3 2002/3/EG Schwellenwert von 40 ppb) von 18 µg/m³ (gemittelt 2010 über fünf Jahre) (Quelle: Roblek 2007, 92; eigene Ergänzung)

Die NOx-Emissionen haben durch die eben genannten meteorologischen Bedingungen im Alpenraum eine ganz andere Wirkung als im Flachland. (Thudium et al. 2007, 106; EK 2000) „Studies show that the same traffic load contributes to a three-time higher concentration of NOx in the ambient air in mountainous areas than in lowland areas.” (Molitor et al. 2001, 5) Belastungsschwerpunkte sind dabei die Autobahnen und die städtische Umgebung. Trotz massiver Reduktion in den letzten 20 Jahren (v. a. durch die

Katalysatoreinführung) liegt die NO2-Konzentration immer noch zu hoch. Insbesondere trägt der Lkw-Verkehr zu den hohen NOx-Konzentrationen in den alpinen Verkehrskorridoren bei. Der Anteil des Lkw-Verkehrs am Gesamtverkehr lag 2007/08 in den wichtigen Alpenkorridoren der zwischen 16% (Gotthard) und 55% (Fréjus). Bei den

NOx-Emissionen hingegen hat der Lkw-Verkehr einen Anteil von 80% (Gotthard) bis 95%

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24 (Fréjus). Mit der RL 1999/30/EG darf ab 2010 der Grenzwert für NO2 (Jahresdurchschnitt) von 40 mg/m³ europaweit nicht mehr überschritten werden. (Ryan et al. 2008, 2; Roblek 2007, 92f) Zwischen 2010 und 2014 lagen die Tiroler Messstellen bei den Stickoxidwerten im Spitzenfeld. Trotz verkehrsbeschränkender Maßnahmen wie Tempo 100, Nacht- und sektorales Fahrverbot hat sich die Situation bei der Schadstoffbelastung in Tirol nicht merklich verbessert. Bei der Luftmessstation in Vomp (A12) wurde 2012 an 58 Tagen (2011: 77; 2010: 80) der für die Gesundheit relevante Tageswert überschritten. Auch der Jahresmittelwert lag deutlich darüber und die Schadstoffbelastung lag hier fast beim Doppelten des erlaubten Wertes. Auch bei den weiteren Messstellen in Unterinntal, im Imster Becken, im Lienzer Becken und im Raum Innsbruck waren die Stickoxidbelastungen zu hoch. Insgesamt wurden die Werte 2012 an neun von 15 Messstellen überschritten. 2009 war dies lediglich an sieben Messstellen der Fall – 2011 bei neun Messstellen. (ORF ON 9.01.2011; TT 15.06., 23.07.2011, 3.01., 1.08.2013) Trotz eines Rückgangs des Lkw- Transits im Jahr 2013 blieb die Stickoxidbelastung hoch. Bei den Messstellen in Kundl, Mutters und Vomp wurde der Jahresmittelwert für Stickoxid abermals überschritten. Auch 2014 wurden die erlaubten Werte an den Messstellen in Vomp, Kundl und Mutters- Gärberbach um das eineinhalb bis zweifache überschritten. Bei Nichteinhaltung der Grenzwerte droht Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren. (TT 19.09.2013; ORF ON 20.10.2013; 7.01.2014; 7.01.2015) Weiters hat das hohe Verkehrsaufkommen in den Sommermonaten auch zur Folge, dass die 25 zulässigen Ozonwerte (O3) überschritten werden. Mit der RL 2002/3/EG darf ab 2010 der Zielwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit einen maximalen täglichen Mittelwert (über acht Stunden) von 120 µg/m³ an 25 Tagen pro Kalenderjahr nicht überschreiten (gemittelt auf drei Jahre). Bisher wurden diese Vorgaben in großen Teilen der Alpen erheblich überschritten und in abgelegenen Gebieten sind die Ozonwerte anhaltend zu hoch.

(Roblek 2007, 94f) Darüber hinaus geht auch ein Großteil aller Partikelschadstoffe (PM10), die aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung im besonderen Interesse stehen, auf das Konto des Güterkraftverkehrs. Seit 2005 darf aufgrund der RL 1999/30/EG der 24-Stunden-

Grenzwert für PM10 von 50 µg/m³ an nicht mehr als 35 Tagen pro Kalenderjahr überschritten werden. Der Jahresmittelwert beträgt seit 2005 40 µg/m³. Gemäß dieser

24 RL 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft, ABl. L 163 vom 29.6.1999, 41-60. 25 RL 2002/3/EG des EP und des Rates vom 12. Februar 2002 über den Ozongehalt der Luft, ABl. L 67 vom 9.3.2002, 14-30. 70

Richtlinie sollten ab 2010 die Richtwerte für PM10 weiter verschärft werden. Weiterhin sollten die 50 µg/m³ als 24 Stundenmittelwert für PM10 gelten, jedoch wäre eine Überschreitung nur noch an sieben Tagen erlaubt gewesen. Der Jahresmittelwert sollte auf 20 µg/m³ reduziert werden. Der so genannten „Luftqualitäts-RL 2008/50/EG“26 bzw. „CAFE-RL“ (Clean Air for Europe) wurden diese Vorgaben entschärft und die bisherigen Grenzwerte bleiben nach wie vor in Geltung. Mit dieser Richtlinie wurden auch erstmals der

Grenzwert von 25 µg/m³ für PM2,5 (Feinstaub < 2,5 µm) definiert. Zu Zeit ist eine Toleranzspanne von 20% erlaubt, die bis zum Jahr 2015 jährlich reduziert wird (Zielwert ist 20 µg/m³). Bisher wurden diese Grenzwerte in einigen Teilen Österreichs deutlich überschritten, v. a. im Inntal und im Großraum . Dies führte zur Einrichtung von Luftsanierungsgebieten und die Einführung des so genannten „Lufthunderter“ mittels Verkehrsbeeinflussungsanlagen (VBA Umwelt) auf Autobahnteilstücken. (Roblek 2007, 96; EK 201527; vgl. Heuck 2013, 442-447) Besonders 2008 und 2009 waren die Wetterbedingungen in Österreich günstig und die Feinstaubgrenzwerte konnten einigermaßen eingehalten werden. Dagegen hat sich im Jahr 2010 die Luftqualität deutlich verschlechtert. Bei insgesamt 36 Messstellen wurde der EU-Grenzwert von maximal 35 Tagen mit zu hoher Feinstaubbelastung überschritten (2009 „nur“ bei sechs Stellen). In Brixlegg wurden 2010 der Tagesmittelwert an 27 Tagen, in Innsbruck an 29 Tagen und in Hall gar an 37 Tagen überschritten. (ORF ON 3.01.2011; TT 23.07.2011) Bereits im November 2009 erhielt Österreich wegen mangelnder Luftqualität eine Verwarnung seitens der Kommission und die Androhung einer Vertragsverletzungsklage. Bis 2005 hätten bestimmte Grenzwerte beim Feinstaub (PM10) erreicht werden müssen. Gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten erhielt Österreich aber eine Fristverlängerung bis 2011. (DS 20.11.2009) Bis Ende 2012 war in Tirol aber eine Verbesserung der Feinstaubwerte zu beobachten und bei elf der zwölf aufgestellten Messstationen wurden die Grenzwerte eingehalten. Laut dem Immissionsgesetz Luft (IG-L) sind nur an 25 Tagen Grenzwertüberschreitungen zulässig. Nur noch die Messstelle Hall lag mit 27 Tagen über dem EU-Grenzwert. Allen voran hat die günstigere Wettersituation eine Rolle bei der Reduktion gespielt. (TT 3.01., 1.08.2013) Auch 2013 wurden in Innsbruck zu hohe Jahreswerte beim Feinstaub gemessen. (DS 02.01.2014; TT 02.01.2014)

26 RL 2008/50/EG des EP und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, ABl. L 152 vom 11.6.2008, 1-44. 27 URL: [31.03.2015] 71

Obwohl die Bestimmungen zur Kraftstoffqualität und die Emissionsgrenzen für Lkw strenger geworden sind, ist die Umweltverträglichkeit der Güterbeförderung auf der Straße gegenüber anderen Landverkehrsträgern (Bahn und Binnenschifffahrt) noch immer am geringsten, d. h. Lkw verbrauchen wesentlich mehr Energie je tkm als der Schienen- oder Schifftransport. Besonders im Alpenraum ist auch zu beachten, dass die Steigung der Straßen über die Alpenpässe und die Beladung (Waren oder Personen) zu erhöhtem Spritverbrauch der Kraftfahrzeuge führt, und deshalb mehr Emissionen als im Flachland freigesetzt werden. (Molitor et al. 2001, 57; Ott 1993, 107; EK 2000) Neben den Luftschadstoffen sind auch immer mehr Menschen in Europa vom Lärm betroffen. „Wichtigste Quelle von Umgebungslärm in Europa ist der Verkehr.“ (Roblek 2007, 98) In den Alpen sorgt die morphologische Form der Täler dafür, dass Schallemissionen noch verstärkt werden. Dazu kommt noch die bergspezifische Verkehrsinfrastruktur mit zahlreichen Brücken, Tunnel und Viadukten. Auch sind die Motorengeräusche in den Alpentälern deutlich höher (niedrigere Gänge, höhere Drehzahl). Während Boden und Vegetation im Flachland Geräusche dämpfen können, ist dies bei spärlicher Vegetation im Gebirge nicht der Fall. Der Lärm wird über die Hänge weiter reflektiert. Das führt dazu, dass Siedlungen in Hanglagen, die sich bereits in großen Abständen von der eigentlichen Schallquelle befinden, durch Lärm stark belastet werden („Amphitheater Effekt“). Daneben führen auch die Winde und die bereits beschriebene Inversion zur verstärkten Ausbreitung. (Roblek 2007, 100; Thudium et al. 2007, 111; Heimann et al. 2007b, 12; Heimann et al. 2007a, 90-97; Bergmeister 2011, 77f; Heuck 2013, 5) Abbildung 15: Lärmentwicklung im Flachland und in Alpentälern:

(Quelle: Transitforum Austria-Tirol 2002, 38) Für den Verkehrslärm ist aber nicht nur der Straßenverkehr (Antriebs-, Reifen-, Fahrbahn und Aerodynamikgeräusche), hier vor allem der Lkw-Verkehr, sondern auch der

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Schienenverkehr (Antriebs-, Rad-, Bremsen- und Kurvenquietsch- und Windgeräusche) maßgeblich verantwortlich. Es ist medizinisch bewiesen, dass andauernder Verkehrslärm bei empfindlichen Personen zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen (Stressfaktoren) und zu psychischen und physischen Veränderungen (z. B. Herzkrankheiten, Aggressionen, Schwerhörigkeit) führen kann. Besonders die Störung des Nachtschlafs durch Lärm wirkt sich auf das Leistungsvermögen aus. Zudem kann chronischer Lärm auch die kognitive Entwicklung von Kleinkindern negativ beeinflussen. (Roblek 2007, 98; Molitor et al. 2001, 57; Ott 1993, 107; Flade 2007, 495f; EK 2000) Es gibt seitens der Politik verschiedene Vorschläge und Ansätze den Verkehrslärm zu reduzieren: „Noise can be reduced by technical measures and the source (e. g. vehicle and driving characteristics, reduction of traffic volume, speed limiting, route planning, anti- noise pavements), in its propagation (noise screens) and at reception (insulation of hours).” (Molitor et al. 2001, 26) Lärmschutz ist aber ein sehr teures Umfangen und dazu kommen noch die schlechten Schutzmöglichkeiten bei Einzelhäusern und die Reflexion von den Hängen. (Thudium et al. 2007, 111) Das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention sieht in Art. 3 lit. d aufgrund der Topographie verstärkte Maßnahmen zur Lärmbekämpfung vor. Gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. c VerkP sollen auch Schritt für Schritt die Lärmemissionen aller Verkehrsträger gesenkt werden. Seitens der EU wurde die so genannte „Umgebungslärm-RL 2002/49/EG“28 erlassen, um schädliche Einflüsse von Umgebungslärm zu mindern, zu vermeiden und zu reduzieren. In einer gemeinsamen Methodik wurden Lärmkarten in den einzelnen Mitgliedstaaten erstellt und Lärmindizes definiert. Darin wird die Verwendung des Tag-Abend-Nacht-Schallpegels vorgeschrieben, wo die gemittelten Lärmpegel innerhalb der einzelnen Tagesperioden unterschiedlich gewichtet werden. Allerdings werden die Abend- und Nachtwerte größer gewichtet, da sie vom Menschen als störender wahrgenommen werden. Darauf aufbauend wurden Aktionspläne zur Lärmbekämpfung erarbeitet. Bereits 1996 reagierte die Kommission mit einem eigenen Grünbuch zum Thema Lärm (KOM(96) 540 endg.) auf diese Thematik. Dort wurde Lärm erstmals als Umweltproblem behandelt. (Roblek 2007, 103; Heimann et al. 2007b, 10; EK 201529; vgl. Heuck 2013, 338-442)

28 RL 2002/49/EG des EP und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm – Erklärung der Kommission im Vermittlungsausschuss zur Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. L 189 vom 18.7.2002, 12-25. 29 URL: [31.032015] 73

1.4.6 Gebührensysteme im Alpenraum

Innerhalb des Alpenraums hat jeder Staat zurzeit sein eigenes Gebühren- bzw. Abgabensystem für den Verkehrssektor. Tabelle 13: Straßengebühren in den Alpenstaaten (Stand März 2015) Berechnungs- Land Fahrzeug Straßenkategorie System Preis € einheit Auto Jahr Vignette 84,40 Autobahn/ 0,156- AT Lkw km Go-Box Schnellstraße 0,443130 Motorrad Jahr Vignette 33,60 Auto Autobahn Jahr Vignette 40,00 CH km, Tonnage, 0,0310- Lkw Alle Straßen Elektronisch Emissionen 0,0205/tkm Auto Ab 0,07 IT Autobahn km, Abschnitt Karte 0,08891- Lkw 0,18913 Auto Karte Ab 0,08 0,13 FR Autobahn km (Durchschnitt; Lkw Elektronisch Einführung verschoben) DE Lkw < 12t Autobahn km Elektronisch 0,125- 0,214 Auto Jahr Vignette 110 bzw. 220 Gestaffelte SI Lkw Autobahn km Karte Preise Motorrad Jahr Vignette 55 (Quelle: ASFINAG 2015; OEAMTC 2015; ARBOE 2015; Eidgenössische Zollverwaltung 2015; BMVI 201531; vgl. Roblek 2007, 14)

So gibt es z. B. in Österreich, der Schweiz und Slowenien für Pkw eine Vignette, die zur Benützung des hochrangigen Straßennetzes berechtigt. Diese Autobahngebühr ist kilometerunabhängig und für einen bestimmten Zeitraum gültig. In Italien und Frankreich wird auch von den Pkw eine streckenabhängige Mautgebühr verlangt. In Deutschland dagegen gibt es als einzigem Alpenstaat keine Autobahnmaut für Privatfahrzeuge. Eine Einführung ab 2016 ist aber geplant (Stand März 2015). Dagegen werden in allen Alpenländern fahrleistungsabhängige Mautgebühren für schwere Nutzfahrzeuge auf Autobahnen erhoben. Nur in der Schweiz werden Abgaben auf allen Straßen erhoben (LSVA). Für die EU-Mitgliedsaaten sind die Vorgaben der RL 2011/76/EU

30 Zusätzlich wird auf besonderen Strecken (A9, A10, A11, A13 und S16) noch eine erhöhte Sondermaut mit spezielle Nachttarife eingehoben (vgl. ) [31.03.2015] 31 URL: ; ; ; ; ; ; [31.03.2015] 74

(Eurovignettenrichtlinie) zur Mautberechnung verbindlich (siehe Punkt 3.5.2). (Roblek 2007, 14; Ryan et al. 2008, 35) Etwas differenzierter wird das Bild bei der Einberechnung der zusätzlichen Sondermauten (z. B. für Tunnel, Brücken oder besondere Infrastruktur) in die streckenabhängigen Gebühren. Bei der Routenwahl werden diese Kosten berücksichtigt, wobei sie aber im internationalen Verkehr (längere Distanzen) nicht so sehr ins Gewicht fallen wie beim regionalen Verkehr. (Roblek 2007, 14f) Besondere Preisunterschiede sind bei der Maut sind auf den wichtigen Alpenkorridoren zu beobachten (siehe Tab. 14). Bis zur Novellierung der Wegekostenrichtline im Jahr 2011 (RL 2011/76/EU) durften keine externen Kosten in die Lkw-Maut integriert werden und damit wurden nur die reinen Infrastrukturkosten verrechnet. Tabelle 14: Mautgebühren für einen Standard Lkw (EURO 3, 5 Achsen) mit 40 t auf den wichtigsten Alpenkorridoren (Stand 2008) Corridor name Distance Toll for the whole corridor Fréjus 289 € (equals 0.93 €/km); 311 km (Lyon – Torino) via Fréjus tunnel main cost factor is toll at Fréjus tunnel 210 € Mt. Blanc 323.7 € (equals 0.67 €/km); main cost factor is 485 km (Dijon – Torino) via Mt. Blanc tunnel toll at Mt. Blanc tunnel: 210 € Gotthard 189 € (equals 0.55 €/km); main cost factor is 340 km (Basel – Milano) via Gotthard tunnel LSVA Brenner 110 € (equals 0.23 €/km); main cost factor is 485 km (Munich – Verona) via Brenner pass toll at Brenner motorway: 49.5 € (Quelle: Ryan et al. 2008, 36) Auffallend sind auf den alpinen Sondermautstrecken vor allem die hohen Tunnelgebühren in Frankreich bzw. Italien sowie die im Vergleich dazu niedrige Brennermaut. Laut einem Vergleich des BMVIT aus dem Jahr 2011 betragen die Maut- und Straßenbenützungsgebühren im Alpentransit für eine Fahrstrecke von 300 km auf dem Brenner-Korridor 98 Euro, auf dem Gotthard-Korridor 214 Euro, auf dem Mont Blanc- Korridor 251 Euro und auf dem Frejús-Korridor 268 Euro. Auch der im Jahr 2012 eingeführte Mautzuschlag für die Querfinanzierung für die Zulaufstrecke des BBT im Unterinntal verteuert die Strecke zwischen Kufstein und Innsbruck lediglich um 2 Euro. Gerade die drei unterschiedlichen Mautsysteme (Deutschland, Österreich, Italien) am Brenner-Korridor zwischen München und Verona führen zu dem niedrigen Gesamttarif. Laut Ehlotzky bewältigt ein Lkw (EURO 4, 4 Achsen) für den gleichen Betrag auf der österreichischen A13 Brennerautobahn einen Kilometer und auf der italienischen A22 hingegen über zwölf Kilometer. Eine Harmonisierung bzw. zumindest eine Angleichung der Gebühren wäre sicher wünschenswert und damit würden auch längere Umwegstrecken vermieden werden und somit das Straßensystem effizienter genutzt werden. Zudem würde

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damit ein zusätzlicher Anreiz für die Verlagerung auf die Schiene gegeben werden. (Ryan et al. 2008, 35f; Ehlotzky 2012, 174; Satzinger 2012 17f) Neben der günstigeren Maut sind auch die Dieselpreise in den einzelnen Ländern für die Routenwahl wichtig. Auch hier gehört Österreich im Vergleich den Nachbarstaaten eher zu den günstigeren Länden. (Satzinger 2012, 18f)

76

TEIL II: INTERNATIONALE ABKOMMEN 2. ALPENKONVENTION UND KYOTO-PROTOKOLL

2.1 DIE ALPENKONVENTION

2.1.1 Allgemeines und Entstehungsgeschichte

Der Ursprung der Alpenkonvention beginnt in den 1970er Jahren mit dem Aufkommen der Umweltbewegung. Damals wurden erstmals die Probleme des Alpenraumes auf europäischer Ebene wahrgenommen. Es folgten zahlreiche internationale Tagungen und Kongresse, aber es kam zu keinerlei politischen Umsetzungen. Daneben gab es bereits unzählige Initiativen der Internationalen Alpenschutzkommission (CIPRA), die 1952 auf Initiative von Vertretern und Mitgliedern der Internationalen Naturschutz-Union (IUCN) als nicht-staatliche Dachorganisation zahlloser Natur- und Umweltgruppen gegründet wurde, zur Erarbeitung einer „Internationalen Alpenschutzkonvention“. Dabei unterzog sich CIPRA aber 1987 einem Paradigmenwechsel, wobei der klassische „Naturschutz“ (keinerlei Nutzung) durch den Ansatz der angepassten Nutzung ersetzt wurde (z. B. in der Landwirtschaft). (Haßlacher 2000, 8; Galle 2002, 1-7; Bätzing 2003, 213; Cuypers 2006, 19; Heuck 2013, 17) „Damit wandelt sich der sektorale Umweltschutz (Monofunktion Naturschutz) zu einem integrativen Umweltschutz, der Wirtschaft und Gesellschaft gleichberechtigt einbezieht.“ (Bätzing 2003, 213) Seit dem Klimagipfel von Rio de Janeiro im Jahr 1992 wird dieses Konzept als „nachhaltige Entwicklung“ („sustainable development“32) bezeichnet. Dieser Paradigmenwechsel hatte aber auch eine politische Auswirkung für die Erarbeitung der Alpenkonvention, da diese nicht mehr als Instrument des sektoralen Umweltschutzes, sondern als ein integratives Instrument konzipiert wurde, das Wirtschaft, Kultur und Umwelt nachhaltig verknüpft. (Bätzing 2003, 213; Heuck 2013, 20; vgl. Held 2007, 851, 853) Nach einem erneuten Vorstoß seitens der CIPRA im Jahr 1986 gab dann das Europäische Parlament mit einem einstimmigen Plenumsbeschluss am 17. Mai 1988 den endgültigen Anstoß für die Erarbeitung eines internationalen Vertragswerks zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraumes. Vom 9. bis 11. Oktober 1989 fand daraufhin in Berchtesgaden (Deutschland) die I. Alpenkonferenz statt, auf der die

32 Die World Commission on Environment and Development (WCED) definiert den Begriff des sustainable development im Sinne von „development that needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs”. Das Konzept verbindet die Erkenntnis, dass ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen notwendigerweise als Einheit zu sehen sind. Die nachhaltige Entwicklung umfasst eine umweltgerechte, an der Tragekapazität der ökologischen Systeme ausgerichtete Koordination der ökonomischen Prozesse sowie soziale Ausgleichsprozesse. Den Mittelpunkt bildet dabei die Sicherung der ökologischen Leistungsfähigkeit. (Calliess 2011a, Art. 11 Rn. 12) 77

Umweltminister aus den sieben Alpenstaaten Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Jugoslawien, Liechtenstein, der Schweiz sowie der EG-Umweltkommissar teilnahmen. Auf dieser Konferenz wurde eine 89-Punkte-Resolution über Beweggründe und Inhalte der Alpenkonvention verabschiedet. Arbeitsgruppen befassten sich dann mit der Erarbeitung der Rahmenkonvention und weiterer Protokolle. Unter österreichischem Vorsitz wurde die Rahmenkonvention schließlich auf der II. Alpenkonferenz in Salzburg am 7. November 1991 unterzeichnet. Unterzeichnerstaaten waren Österreich, die Schweiz, Deutschland, Frankreich, Liechtenstein, Italien sowie die damalige Europäische Gemeinschaft. Slowenien folgte am 29. März 1993 und Monaco am 20. Dezember 1994. (BMLFUW 2000, 4; Bätzing 2003, 310; Cuypers 2006, 20; Galle 2002, 7f; Galle 2010, 28; Haßlacher 2000, 8, 13; Köhler 2003, 64; Norer 2002, 10; Schroeder 2004a, 5; Schroeder 2004b, 2 Schroeder 2006, 133; Heuck 2013, 17f) „Das Ziel der Alpenkonvention lässt sich wie folgt umschreiben: den Alpenraum als Ökosystem in seiner Multifunktionalität mit seinen gesellschaftlichen Wechselwirkungen zu erfassen, und darauf aufbauend ein Instrument zu schaffen mit der Perspektive, den Lebensraum Alpen langfristig zu bewahren.“ (Norer 2002, 9) Durch das „Übereinkommen zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention)“33 wurde erstmals eine völkerrechtlich verbindliche Entwicklungsstrategie für den Alpenraum festgelegt. (Ehlotzky 2014, 34) „Diese bereichsübergreifende Alpenkonvention wurde zu einem der letzten Höhepunkte der Mitte der 1980er Jahre einsetzenden Grün-Bewegung und der damit einhergehenden Bewusstseinsbildung.“ (Galle 2002, 9) Im Jahr 1994 wurde die Alpenkonvention durch Deutschland, Österreich und Liechtenstein ratifiziert und trat am 6. März 1995 in Kraft. Durch die Ratifikation34 und Hinterlegung der Urkunden35 ist sie seit 27. März 2000 für alle Vertragsparteien in Kraft getreten. (Onida 2010, 16; Galle 2010, 28; Heuck 2013, 18) Bei der III. Alpenkonferenz in Chambéry (Frankreich) am 20. Dezember 1994 wurden die Protokolle Naturschutz und Landschaftspflege, Berglandwirtschaft und Raumplanung und nachhaltige Entwicklung angenommen und von der Mehrheit der Vertragsparteien unterzeichnet. In Brdo (Slowenien) erfolgte auf der IV. Alpenkonferenz am 27. Februar

33 Vgl. Onida 2010, 54-61; URL: [31.03.2015] 34AT: 08.02.1994, BGBl. Nr. 477/1995 vom 21.07.1995; CH: 16.12.1999, Bundesblatt BBl 1997 IV 657 (d), FF 1997 IV 581 (f); DE: 29.09.1994, BGBl. Teil II Nr. 46/1994 vom 8.10.1994; FR: 30.11.1995, Joural officiel Nr. 95 1270 vom 7.12.1995; FL: 21.04.1994, Liechtensteinisches Landesgesetzblatt 1995/Nr. 186; IT: 14.10.1999, Legge n. 403 vom 14.10.1999, Gazzetta Ufficiale n. 262 dell’8 novembre 1999 – Supplemento Ordinario n. 194; MC: 22.12.1998, Ordonnance Souveraine n. 14.082 en date du 21vjuillet 1999 publiè au journal de Monaco le 30 juillet 1999; SI: 22.03.1995, Uradni list Republike Slovenije (Mednarodne pogodbe) Nr.19/Beilage Nr. 5 vom 31.3.1995; EU: 26.02.1996, ABl. Nr. L 61 vom 12.3.1996, 31-36 (Onida 2010, 16) 35 AT: 08.02.1994; CH: 28.01.1999; DE: 05.12.1994; FR: 15.01.1996; FL: 28.07.1994; IT: 27.12.1999; MC: 22.12.1998; SI: 22.05.1995; EU: 04.03.1996 (Onida 2010, 16) 78

1996 die Unterzeichnung des unter österreichischem Vorsitz ausgearbeiteten Protokolls Berglandwirtschaft. Weiters wurde die unter österreichischer Federführung ausgearbeitete Geschäftsordnung für den Ständigen Ausschuss und die Geschäftsordnung für die Alpenkonferenz von allen Vertragsparteien angenommen. Am 16. Oktober 1998 folgten in Bled (Slowenien) auf der V. Alpenkonferenz die Protokolle Tourismus, Bodenschutz und Energie. Auf der VI. Alpenkonferenz am 31. Oktober 2000 in Luzern (Schweiz) stand nach zehnjährigen Verhandlungen die Annahme und Unterzeichnung des Verkehrsprotokolls (Ausnahme Slowenien, EU36) im Mittelpunkt. (BMLFUW 2000, 4; Haßlacher 2000, 9; Galle 2002, 18-22; Galle 2003, 22; Ehlotzky 2014, 51; DS 3.11.2000; SN 2.11.2000) „Mit der Existenz des Verkehrsprotokolls war es Österreich auch möglich, alle anderen Protokolle auf einen Schlag zu unterzeichnen. Denn die Bundesländer37 hatten sich ausbedungen, dass zuvor ein akzeptables Verkehrsprotokoll vorliegen müsse, ehe die Republik alle Protokolle unterzeichnen darf.“ (Haßlacher 2000, 9) Weiters wurde auch ein Streitbeilegungsprotokoll von allen Staaten unterzeichnet (Ausnahme Slowenien, EU). Dieses Protokoll schafft die Voraussetzungen, Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien einer verbindlichen Entscheidung unter Zugrundelegung der Alpenkonvention zuzuführen (Schiedsgericht). (Haßlacher 2000, 9; Galle 2002, 22f; Schroeder 2004a, 7; Schroeder 2004b, 7; Schroeder 2006, 135; Ehlotzky 2014, 38f; Heuck 2013, 43-45) Im „UN-Jahr der Berge“ fand die die VII. Alpenkonferenz vom 19. bis 20. November 2002 in Meran (Italien) statt. Dort wurde Innsbruck als Sitz des ständigen Sekretariates der Alpenkonferenz mit einer operativen Außenstelle in Bozen (Italien) bestimmt (seit 2003 tätig). (Schroeder 2006, 134f; Haßlacher 2003, 34; DP 22.04.2003) Im Zentrum der VIII. Alpenkonferenz am 16. November 2004 in Garmisch-Partenkirchen (Deutschland) stand die Umsetzung der Protokolle zur Alpenkonvention, wozu das MAP (Mehrjähriges Arbeitsprogramm der Alpenkonferenz 2005 – 201038) beschlossen wurde. Unter österreichischem Vorsitz wurde die IX. Alpenkonferenz am 9. November 2006 in Alpbach (Tirol) abgehalten, wobei zwei Deklarationen zum Klimawandel und zum Thema Bevölkerung und Kultur in den Alpen verabschiedet wurden. Die X. Alpenkonferenz fand

36 Slowenien hat das Verkehrs- und das Streitbeilegungsprotokoll zwar ausdrücklich angenommen, aber auf Grund von Neuwahlen wurde von einer Unterzeichnung zu diesem Zeitpunkt Abstand genommen. Slowenien unterzeichnete dann am 6.08.2002 beide Protokolle und ratifizierte sie am 28.11.2003 Die EU blieb der Konferenz zwar fern, hatte aber gegen den Protokolltext keinerlei Einwände. (Onida 2010, 19; Galle 2002, 22) 37 Durch den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 6. Mai 1993 wurde eine Zustimmung zu den anderen Protokollen blockiert. Erst nach dem Vorliegen des Verkehrsprotokolls und der Zustimmung der Bundesländer dazu sollte eine Ratifikation erfolgen. (Galle 2002, 19) 38 URL: [31. 03.2015] 79

während des französischen Vorsitzes am 12. März 2009 in Evian (Frankreich) statt. Auf der Tagesordnung stand u. a. der Beschluss eines Aktionsplans zum Klimawandel in den Alpen. Mit der XI. Alpenkonferenz am 8./9. März 2011 in Brdo pri Kranju (Slowenien) endete der slowenische Vorsitz (2009 bis 2011). Neben den Feiern zum 20-jährigen Bestehen der Alpenkonvention standen die Strategie für eine alpine Makroregion sowie die weiteren Anstrengungen für die Umsetzung des Klimaplans auf der Tagesordnung. Verabschiedet wurde auch das MAP für die Jahre 2011 – 2016 mit den Schwerpunkten Demographischer Wandel, Klimawandel, Tourismus, Biodiversität und Transport und Mobilität.39 2012 hatte die Schweiz den Vorsitz inne. In Poschiavo fand am 7. September 2012 die XII. Alpenkonferenz statt. Dort wurden u. a. Beschlüsse zu den Themen Energie (Errichtung einer Plattform), Bergwald (Einrichtung einer Arbeitsgruppe) und der Schwerpunkt nachhaltiger Tourismus beschlossen. 2013 bis 2014 wurde der Vorsitz von Italien ausgeführt. In Turin fand am 21. November 2014 die XIII. Alpenkonferenz statt, wo unter anderem die Themen Klimawandel, demographischer Wandel, Biodiversität, nachhaltiger Tourismus sowie Verkehr und Mobilität behandelt wurden. 2015/16 führt Deutschland den Vorsitz. (ORF ON 9.11.2006; Köhler 2003, 61; Onida 2010, 14; NZZ 10.03.2011; AlpK 201540)

2.1.2 Die Rahmenkonvention und ihre Protokolle

Der Anwendungsbereich der Alpenkonvention erstreckt sich gemäß Art. 1 Abs. 1 AlpK auf das Gebiet der Alpen. Für jede Vertragspartei ist in der Anlage zur Alpenkonvention der exakte Geltungsbereich auf dem Staatsgebiet (entlang der Kantons-, Kreis-, Bezirks-, Gemeinde-, oder Berggebietsgrenzen) angeführt, womit der Alpenraum erstmals rechtsverbindlich definiert und festgelegt wurde. „Die Abgrenzung orientiert sich im Wesentlichen an geologischen Kriterien, an einer erforderlichen Höhenlage über 700 Meter und an den vorhandenen Vegetationszonen, teilweise aber auch an Verwaltungsgrenzen.“ (Schroeder 2004a, 5) Dabei hat aber jeder Vertragsstaat die Möglichkeit den Geltungsbereich auf weitere Teile seines Hoheitsgebietes zu erstrecken (Art. 1 Abs. 2 AlpK) und natürlich besteht auch ein Widerrufsrecht einer solchen Ausdehnung (Art. 1. Abs. 3 AlpK). (Galle 2002, 33; Schroeder 2004a, 5; Schroeder 2006, 133; Heuck 2013, 19)

39 URL: [4. 08.2014] 40 URL: ; ; [31.03.2015] 80

Die Gesamtfläche des Anwendungsbereiches der Alpenkonvention beträgt 190.959 km² und umfasst 5.867 Gemeinden (Stand: März 2015). Das Konventionsgebiet erstreckt sich dabei über 1.200 km und umfasst Teile Österreichs, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Sloweniens und der Schweiz sowie das ganze Staatsgebiet von Liechtenstein und Monaco. Im Alpenkonventionsgebiet lebten 2015 ca. 14 Mio. Menschen. (Haßlacher 2005, 29f; Onida 2010, 43; Galle 2010, 28; Schroeder 2004b, 3; Ehlotzky 2014, 35; Onida 2010a, 23; AlpK 2015; BMLFUW 201541; Heuck 2013, 19) Abbildung 16: Anwendungsgebiet der Alpenkonvention:

(Quelle: AlpK 201042) Art. 2 Abs. 1 AlpK enthält die allgemeinen Ziele und Verpflichtungen, die unter Beachtung des Vorsorge-, des Verursacher- und des Kooperationsprinzips eine ganzheitliche Politik zur Erhaltung und zum Schutz der Alpen unter ausgewogener Berücksichtigung der Interessen aller Alpenstaaten, ihrer alpinen Regionen sowie der EU unter umsichtiger und nachhaltiger Nutzung der Ressourcen sicher gestellt werden. „Den drei genannten Prinzipien kommt somit tragende Bedeutung im Bereich der Umweltpolitik im Alpenraum zu.“ (Galle 2002, 36) Daneben wird gemäß Art. 2 Abs. 1 AlpK ebenfalls die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für den Alpenraum verstärkt sowie deren räumliche und fachliche Erweiterung erweitert. Zur Erreichung dieses Zieles – die Erhaltung und der Schutz der Alpen – werden die Vertragsparteien gemäß Art. 2 Abs. 2 AlpK im Rahmen ihrer Befugnisse in zwölf Sachbereichen geeignete Maßnahmen ergreifen. (Schroeder 2004b, 3f;

41 URL: ; [31.03.2015] 42 URL: [24.05. 2010] 81

Schroeder 2006, 133f; Galle 2002, 42; Ehlotzky 2014, 37f; Heuck 2013a, 163; vgl. Heuck 2013, 21-38) Dies sind folgende Sachbereiche (Art. 2 Abs. 2 lit. a bis l):  Bevölkerung und Kultur (bisher kein Protokoll): mit dem Ziel der Achtung, Erhaltung und Förderung der kulturellen und gesellschaftlichen Eigenständigkeit der alpinen Bevölkerung sowie die Sicherstellung deren Lebensgrundlagen;  Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (1994): mit dem Ziel der Sicherung einer sparsamen und rationellen Nutzung und rationelle Nutzung eines gesunden und harmonisierten Alpenraums auf Basis einer vorausschauenden Planung;  Luftreinhaltung (bisher kein Protokoll): mit dem Ziel der dramatischen Verringerung von Schadstoffemissionen und -belastungen im Alpenraum und das verbleibende Maß der Schadstoffverfrachtung von außen darf für Mensch, Flora und Fauna nicht schädlich sein;  Bodenschutz (1998): mit dem Ziel der Verminderung der quantitativen und qualitativen Bodenbeeinträchtigung, wie z. B. eine bodenschonende Land- und Forstwirtschaft, sparsamer Umgang mit Grund und Boden sowie die Beschränkung der Bödenversiegelung (z. B. Straßenbau);  Wasserhaushalt (bisher kein Protokoll): mit dem Ziel der Erhaltung ökologisch gesunde Wassersysteme sowie deren Wiederherstellung und einer nachhaltigen Nutzung der Wasserkraft;  Naturschutz und Landschaftspflege (1994): mit dem Ziel Natur und Landschaft so zu schützen, zu pflegen und oder wiederherzustellen damit die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Flora, Fauna und Landschaft sowie für deren Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Leistungsfähigkeit gesichert werden;  Berglandwirtschaft (1994): mit dem Ziel im Interesse der Allgemeinheit die Bewirtschaftung der traditionellen Kulturlandschaften und eine standortgerechte, umweltverträgliche Landwirtschaft zu erhalten und unter Berücksichtigung der erschwerten Wirtschaftsbedingungen zu fördern;  Bergwald (1996): mit dem Ziel der Stärkung, Erhaltung sowie der Wiederherstellung der Waldfunktionen, insbesondere auf die Sicherstellung ihrer Aufgaben des Schutzes vor Naturkatastrophen hinzuwirken;  Tourismus und Freizeit (1998): mit dem Ziel der Einschränkung umweltschädigender Aktivitäten durch den harmonischen Einklang zwischen den touristischen und Freizeitaktivitäten mit den ökologischen und sozialen Erfordernissen;  Verkehr (2000): mit dem Ziel Belastungen und Risiken des inneralpinen und alpenquerenden Verkehrs auf ein Maß zu senken, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist, u. a. durch eine verstärkte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, was durch geeignete Infrastrukturen und marktkonforme Anreize gefördert werden soll (keinerlei Diskriminierung);  Energie (1998): mit dem Ziel eine natur- und landschaftsschonende sowie umweltverträgliche Erzeugung, Verteilung und Nutzung der Energie durchzusetzen und energiesparende Maßnahmen zu fördern;  Abfallwirtschaft (bisher kein Protokoll): mit dem Ziel unter besonderer Berücksichtigung eine den besonderen topgraphischen, geologischen und klimatischen Bedürfnissen des Alpenraumes angepasste Abfallerfassung, - verwertung und -entsorgung sicherzustellen. (Galle 2003, 22; Onida 2010, 55f; Cuypers 2006, 20)

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Für die eben genannten Ziele vereinbarten die Vertragsparteien die Erarbeitung von Protokollen (Art. 2. Abs. 3 AlpK), in denen die Einzelheiten zur Durchführung des Übereinkommens zum Schutz der Alpen festgelegt werden. Gemäß Art. 3 AlpK werden auf den in Art. 2 genannten Gebieten Forschungsarbeiten und wissenschaftliche Bewertungen durchgeführt und dabei zusammengearbeitet (lit. a), gemeinsame oder einander ergänzende Programme zur systematischen Beobachtung entwickelt (lit. b) und Forschung und Beobachtung sowie die dazugehörige Datenerfassung harmonisiert (lit. c). Art. 4 AlpK sieht die Zusammenarbeit im rechtlichen, wissenschaftlichen und technischen Bereich vor. Die Art. 5 bis 9 AlpK enthalten die organisatorischen Teile des Übereinkommens. Genannt sind hier die Alpenkonferenz, die aus den jeweiligen Umweltministern besteht sowie deren Aufgaben und die Beschlussfassung innerhalb der Alpenkonferenz (Art. 5 bis Art. 7 AlpK). Die Alpenkonferenz tagt in der Regel alle zwei Jahre bei der Vertragspartei, die gerade den Vorsitz innehat. Als ausführendes Organ der Alpenkonferenz wird der Ständige Ausschuss (Delegierte der Vertragsparteien auf Beamtenebene) festgelegt (Art. 8 AlpK). Als Stabsstelle für die Alpenkonferenz, den Ständigen Ausschuss und den Vorsitz wird ein Sekretariat errichtet (Art. 9 AlpK). Die Art. 10 bis 14 AlpK befassen sich mit den Änderungen des Übereinkommens, über die Protokolle und ihre Änderung, über die Unterzeichnung und Ratifizierung sowie die Kündigung und die Notifikationen. (Onida 2010, 56-61; Schroeder 2004a, 6; Schroeder 2004b, 5f; Schroeder 2006, 134f; Galle 2002, 169-184; Galle 2010, 28; Ehlotzky 2014, 36f; Heuck 2013, 40-42) Was umgangssprachlich als Alpenkonvention bezeichnet wird, sind im Moment zehn einzelne Staatverträge (Rahmenkonvention und neun Protokolle). Bei komplexen Vertragswerken ist es üblich, die Ziele und Spielregeln in einem eigenen Rahmenvertrag festzulegen, der so genannten „Mutterkonvention“. Die Maßnahmen zur Durchführung des Abkommens werden in den Protokollen vereinbart, die das eigentliche Herzstück der Alpenkonvention bilden. „Die Alpenkonvention ist insofern ein gutes Beispiel für das moderne internationale Umweltvertragsrecht […]“. (Schroeder 2006, 134) Die Rahmenkonvention enthält dabei grundlegende organisatorische Aspekte und allgemeine Zielsetzungen, was den Vertragsparteien einen großen Ermessungsspielraum verleiht. Sie enthält keine konkreten Verpflichtungen, ist aber trotzdem ein wichtiges Vertragswerk, da die Vorgaben und die Einhaltung der daraus resultierenden Verpflichtungen Schritt für Schritt in den jeweiligen Protokollen konkretisiert werden (frame convention and protocol approach). (Cuypers 2006, 20; Galle 2002, 42; Haßlacher 2000, 8; Schroeder 2004, 8; Schroeder 2006, 134, 136; Ehlotzky 2014. 34; Heuck 2013, 38f)

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„Diese Durchführungsprotokolle sind angesichts der Grundkonzeption des Übereinkommens zum Schutz der Alpen als Rahmenvertrag selbst wieder völkerrechtliche Verträge.“ (Galle 2002, 42; vgl. Galle 2010, 28) Die Protokolle repräsentieren eigenständige Politikbereiche, die ausführlich geregelt sind. „Bemerkenswert erscheint außerdem der rechtliche Anspruch der Protokolle, die keinen empfehlenden Charakter haben, sondern vielmehr bindendes Völkervertragsrecht darstellen.“ (Schroeder 2006, 136) Die Protokollentwürfe wurden von internationalen Arbeitsgruppen unter dem Vorsitz eines Staates erarbeitet und in den Vertragsstaaten einem Begutachtungsverfahren unterzogen, bevor sie völkerrechtlich verbindlich abgeschlossen wurden. „Diese Protokolle sind zwar mit der Rahmenkonvention verknüpft, können aber ein unterschiedliches Schicksal entfalten, denn es gibt keine Verpflichtung der Vertragsparteien zur Unterzeichnung und Ratifizierung der von der Alpenkonferenz ausgearbeiteten Protokolle.“ (Schroeder 2004, 8; vgl. Heuck 2013, 38f) Acht Protokolle wurden bereits erarbeitet und dienen der Festlegung des konkreten Inhalts der Rahmenkonvention. In Österreich43, Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Slowenien und Italien sind bereits alle acht Protokolle sowie das Streitbeilegungsprotokoll44 ratifiziert und in Kraft getreten (Stand März 2015). Die Schweiz hat bisher noch kein Protokoll ratifiziert während in der EU und in Monaco bereits jeweils sechs in Geltung sind. Am 18. Dezember 2002 sind alle Protokolle in Kraft getreten, da gemäß Art. 11 AlpK eine Ratifikation durch drei Vertragsparteien ausreicht. (Cuypers 2006, 21; Galle 2002, 42; Onida 2010, 18f; Schroeder 2004a, 8; Schroeder 2006, 135f; Heuck 2013, 38; AlpK 201545) Zur Vervollständigung folgen noch ein paar Anmerkungen zur rechtlichen Anwendung der Protokolle Österreich. „Die Durchführungsprotokolle zur Implementierung der Alpenkonvention haben in Österreich gesetzändernden bzw. gesetzergänzenden Charakter und bedürfen daher in Österreich gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.“ (Haßlacher 2006, 8) Zudem war auch die Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 2 B-VG notwendig, da darin zahlreiche Politikbereiche betroffen sind, die in die Kompetenz der Bundesländer fallen (z. B. Naturschutz, Raumplanung, Berglandwirtschaft, Verkehr und Tourismus). Diese Protokolle sind im innerstaatlichen Recht unmittelbar anwendbar, da sie gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG ohne Erfüllungsvorbehalt

43 Tourismus (BGBl. III Nr. 2002/230); Berglandwirtschaft (BGBl. III Nr. 2002/231); Raumplanung (BGBl. III Nr. 2002/232); Bergwald (BGBl. III Nr. 2002/233); Verkehr (BGBl. Nr. III 2002/234); Bodenschutz (BGBl. Nr. III 2002/235); Naturschutz (BGBl. III Nr. 2002/236); Energie (BGBl. III Nr. 2002/237); Streitbeilegung (BGBl. III Nr. 2002/238). (BMLFUW 2007, 35, 48, 58, 73, 90, 105, 120, 135) 44 Das Streitbeilegungsprotokoll nimmt eine Sonderstellung ein, weil es kein Durchführungsprotokoll im klassischen Sinne der zwölf Sachgebiete darstellt. 45 URL: [31.03.2015] 84

beschlossen wurden und ein Erlass von Gesetzten daher nicht notwendig ist.46 Deshalb haben die Protokolle mit dem In-Kraft-Treten sofort innerstaatlich unmittelbare Geltung erlangt und sind vom Gesetzgeber, den Verwaltungsbehörden und von den Gerichten zu berücksichtigen. Dabei ist aber bei jeder Protokollbestimmung zu entscheiden, ob diese Norm sachlich und inhaltlich unmittelbar anwendbar ist.47 Als zentrales Kriterium muss hier das Bestimmtheitsgebot (Legalitätsprinzip) des Art. 18 B-VG beachtet werden. Obwohl die Republik Österreich Vertragspartner der Alpenkonvention und ihrer Protokolle ist, sind bei der innerstaatlichen Umsetzung überwiegend die Bundesländer betroffen. (BMLFUW 2007, 13f, 149-153; Cuypers 2004, 15f; Cuypers 2006, 28-35; Haßlacher 2006, 8f; Galle 2002, 241-243; Galle 2003, 23; Schroeder 2003, 40, 42; Schroeder 2004a, 8)

2.1.3 Geltungsbereich der Alpenkonvention in Österreich

Für Österreich ist der Alpenraum von erheblicher Bedeutung, da von der gesamten Staatsfläche (83.865 km²) 64,8% zum Konventionsgebiet gehören (54.339 km²). Der Fläche nach liegt Österreich mit 28,7% an der Spitze der Vertragsparteien und ist auch jener Staat, in welchem die Alpen den größten Flächenanteil am Gesamtstaat ausmachen.48 Die Bundesländer Kärnten, Tirol und Vorarlberg sind zur Gänze zugehörig, Salzburg fast zu 95% und die Steiermark zu mehr als 75%. In Ober- und Niederösterreich umfasst das Konventionsgebiet ca. einem Drittel der jeweiligen Landesfläche und auch ca. ein Zehntel des Burgenlandes ist betroffen. In Österreich werden zur Abgrenzung des Geltungsbereichs gemäß Art. 1 Abs. 1 AlpK die Gemeindegrenzen herangezogen. Die Namensliste der administrativen Einheiten ist im BGBl. Nr. 477/1995 idF BGBl. III Nr. 18/1999 abgedruckt. Im österreichischen Konventionsgebiet befinden sich 1.135 österreichische Gemeinden, in denen 2015 ca. 3,14 Mio. Menschen (40,2% der Bevölkerung) leben. Damit ist Österreich nach Italien mit ca. 4,3 Mio. Einwohnern das zweitbevölkerungsreichste Land im Geltungsbereich der Alpenkonvention. Immerhin liegen die Hälfte von den 15 größten österreichischen Städten49 im Geltungsbereich der Alpenkonvention (z. B. Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt und Villach). Wie aus den eben angeführten Daten zu entnehmen ist,

46 Die Rahmenkonvention wurde mit Erfüllungsvorbehalt beschlossen und ist daher nicht unmittelbar anwendbar. Trotzdem hat die Rahmenkonvention aber eine Rechtswirkung und ist u. a. zur Auslegung des bestehenden staatlichen Rechts heranzuziehen. (BMLFUW 2007, 150) 47 Vgl. Erkenntnis des VfGH vom 30.11.1990, VfSlg 12558, Punkt II B 2.b. 48 Eine Ausnahme bilden hier die beiden Kleinstaaten Liechtenstein und Monaco, deren ganzes Staatsgebiet und somit die gesamte Bevölkerung in den Geltungsbereich der Alpenkonvention fallen. 49 Graz wurde auf besonderen Wunsch der steirischen Landesregierung aus dem Anwendungsbereich der Alpenkonvention ausgenommen, obwohl sich die Stadt eindeutig topographisch und geologisch im Alpenraum befindet. (Galle 2002, 36). Ausführlich zur Kritik an den Abgrenzungen des Geltungsbereichs der Alpenkonvention sieh Galle 2002, 33f, Heuck 2013, 19f. 85

hat die Alpenkonvention für Österreich eine sehr hohe Bedeutung. (BMLFUW 2007, 11; Haßlacher 2005, 28-31; 32-36; Galle 2002, 35; Galle 2010, 28; Onida 2010, 24-29, 44 u. 47; Onida 2010a, 23; Ehlotzky 2014, 35 (Fn. 26); BMLFUW 201550)

2.1.4 Das Verkehrsprotokoll

Das Verkehrsprotokoll51 wurde am 31. Oktober 2000 in Luzern bei der VI. Alpenkonferenz (unter Schweizer Vorsitz) unterzeichnet. Vorausgegangen war eine fast zehnjährige Kontroverse. Bereits bei der I. Alpenkonferenz (1989) wurde die Schweiz mit dem Vorsitz in einer Arbeitsgruppe „Verkehr“ betraut. Diese Gruppe setzte sich aus Verkehrs- und Umweltexperten zusammen und sollte ein Verkehrsprotokoll erarbeiten. Die Arbeiten wurden aber erst nach der II. Alpenkonferenz (1991) intensiviert. (Galle 2002, 119f; Lebel 2005, 5; Heuck 2013, 52) „Im Juli 1995 musste der Ständige Ausschuss zur Kenntnis nehmen, dass zwar der größte Teil des Ausführungsprotokolls den weiteren Konsens aller Vertragsparteien erzielt hatte, aber eine grundlegende Unstimmigkeit zwischen Österreich und den anderen Vertragsstaaten über ein Punkt herrschte: die Straßen.“ (Lebel 2005, 5) Die österreichische Verhandlungsposition bestand in der Forderung der Untersagung von neuen, hochrangigen, alpenquerenden Straßenverkehrsachsen. Daneben sollten zusätzlich alle Vertragsparteien (in abgeschwächter Form) ein Einspruchsrecht beim Neubau solcher Straßen in Richtung ihrer Grenzen erhalten.52 In Österreich wurde diese Position durch die Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz noch verfestigt (vgl. Punkt 2.1.1, Fn. 37). Später rückte die österreichische Verhandlungsposition aber vom strikten Bauverbot derartiger Straßenachsen ab und forderte stattdessen die Erfüllung von sehr restriktiven Bedingungen. Vor durch die Forcierung von teils hochrangigen Straßen in Tirol und Vorarlberg war die bisherige österreichische Position nicht mehr haltbar. Bis 1998 kam es zu keiner Einigung und das Scheitern der Verhandlungen führte zur Auflösung der Arbeitsgruppe Verkehr. Im Zuge der V. Alpenkonferenz in Bled (1998) nahm Österreich wieder die ursprüngliche Position der Vermeidung weiterer Transitachsen ein. (Galle 2002, 122f; Galle 2010, 31; Heuck 2013, 52f) Der Ständige Ausschuss der Alpenkonferenz setzte dann neue Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz Liechtensteins ein. Im Herbst 1999 konnte dem Ständigen

50 URL: [31.03.2015] 51 Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll „Verkehr“), BGBl. III Nr. 2002/234 (Onida 2010, 147-159) 52 Hauptsächlich ging es mit dieser Formulierung um die Verhinderung des Autobahnprojektes „Alemagna“, das Bayern mit Venetien verbinden und durch das Tirol verlaufen sollte. Österreich wollte verhindern, dass zu den bereits bestehenden drei Transitachsen (Brenner, Tauern- und Phyrn-Achse) neue alpenquerende Strecken hinzukommen. (Galle 2002, 120-122; Lebel 2005, 5f; Heuck 2013, 52) 86

Ausschuss bereits ein Entwurf der Experten präsentiert werden. Österreich forderte aber auf Drängen der Bundesländer eine Neuformulierung des Straßenartikels, was aber von den anderen Vertragsstaaten abgelehnt wurde. Dennoch gelang im Rahmen der 15. Sitzung des Ständigen Ausschusses vom 29. bis 31. März 2000 in Château d’Oex (Schweiz) der entscheidende Durchbruch. Die Vertragsparteien waren zum Bauverzicht neuer, hochrangiger, alpenquerender Straßen bereit. (Galle 2002, 128; Lebel 2005, 6; Heuck 2013, 53f) „Ein hochrangiges Straßenprojekt für den inneralpinen Verkehrs sollte nur dann verwirklicht werden, wenn die Zielsetzungen der Alpenkonvention durch Vornahme entsprechender Vorsorge- oder Ausgleichsmaßnahmen auf Grund des Ergebnisses einer Umweltverträglichkeitsprüfung erreicht werden können […].“ (Galle 2002, 128) Ferner sollte auch eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, der Risikobeherrschung, der Zweckmäßigkeit sowie ob den Raumordnungsplänen und -programmen und schließlich der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen wird. Nach diesem Kompromiss gab es nur noch von Seiten Italiens einen vorläufigen Vorbehalt. Daneben gab es auch von Vorarlberger Seite Einwände53, weil man das Aus für zwei hochrangige Straßenprojekte befürchtete, die aber dann ausgeräumt werden konnten. (Galle 2002, 128-132; Heuck 2013, 54) Schließlich konnte dann mit der Unterzeichnung des Verkehrsprotokolls durch alle Vertragsstaaten (Ausnahme Slowenien und EU54) doch noch ein Schlussstrich gezogen werden, „ […] wodurch die schon tot gesagte Alpenkonvention auch als Instrument einer nachhaltigen Umwelt- und Verkehrspolitik im Alpenraum wieder belebt wurde.“ (Galle 2002, 132) Das Verkehrsprotokoll ist durch die Ratifikation55 Österreichs, Deutschlands und Liechtensteins am 18. Dezember 2002 in Kraft getreten (Art. 24 Abs. 2 VerkP). (vgl. Ehlotzky 2014, 51) Bis März 2015 haben auch noch Slowenien, Frankreich, Italien und die EU56 ratifiziert, wobei jetzt nur noch die Schweiz und Monaco ausständig sind. (Onida 2010, 19; Hartl 2007, 5; ORF ON 30.12.2005; Ehlotzky 2014, 52; Heuck 2013, 55; AlpK

53 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Galle 2002, 128-130. 54 Siehe Fn. 36 und Punkt 2.1.5. 55 AT: 10.07.2002; DE: 12.07.2002; FL: 18.04.2002 (Onida 2010, 19) 56 SI: 28.11.2003, in Kraft getreten am 28.04.2004; FR: 12.05.2005, in Kraft getreten am 11.10.2005 (Onida 2010, 19). Bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde gab Frankreich eine gesonderte Erklärung ab: „Dieser zufolge sollte sich zum einen der Begriff ‚hochrangige Straßen’ des Art. 2 des Protokolls Verkehrs auf die Begriffe ‚Autobahn’ und ‚Schnellstraße’ beziehen, wie sie im Anhang I der Espoo-Konvention [BGBl. III Nr. 201/1997] definiert sind. Zum anderen wurde in Bezug auf Art. 11 desselben Protokolls erklärt, dass die Bestimmungen des Artikels betreffend die ‚hochrangigen Straßen’ auf eine Reihe bestimmter Verkehrsinfrastrukturprojekte nicht anwendbar sein sollten.“ (Cuypers 2006, 22 f; vgl. Ehlotzky 2014, 194; 208-210; Heuck 2013, 56-65) Dies bedeutet aber eine Aushöhlung des zentralen Artikels. Die Frage ist hierbei, ob es sich um eine rein interpretative Erklärung oder um einen echten Vorbehalt einer Vertragspartei handelt. (Cuypers 2006, 23f; vgl. Ehlotzky 2014, 209 (Fn. 781). Heuck sieht darin einen Vorbehalt (Heuck 2013, 65); I: 9.11.2012, in Kraft getreten am 7.05.2013. 87

201557) In der Schweiz gibt es rechtliche Bedenken zwischen dem Bund und den Kantonen, daher wird eine Ratifikation der bis her beschlossenen Protokolle abgelehnt. In Monaco gibt es aufgrund der nicht vorhandenen Betroffenheit keine derzeit (Stand 2015) keine Bestrebungen das Verkehrsprotokoll zu ratifizieren. (Heuck 2013, 65-68) Italien hingegen hatte zwar unterzeichnet, aber bis 2012 grundlegende Einwände gegen das Verkehrsprotokoll. „Man nahm und nimmt in Italien immer noch an, dass Preiserhöhungen für alpenquerenden Güterverkehr oder Verkehrskontingente alleine die italienische Wirtschaft benachteiligen: die italienische Ein- und Ausfuhr würde in diesem Fall in der Tat die entsprechenden Kosten tragen […].“ (Lebel 2005, 6) Im Februar 2005 stimmte die Kammer in Rom für eine Ratifikation aller Durchführungsprotokolle, wobei auch das Verkehrsprotokoll angenommen wurde. Für einen erfolgreichen Abschluss des Ratifikationsverfahrens blieb aber die positive Entscheidung des Senates aus. Die Regierung Berlusconi lehnte das Verkehrsprotokoll ab, weil sie daran interessiert war große Projekte zu realisieren, darunter auch neue alpenquerende Autobahnen. Die Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi (2006-2008) hatte im Regierungsprogramm und in mehreren Aussagen angekündigt das Verkehrsprotokoll zu ratifizieren, was aber letztlich nicht geschah. Schließlich kam ab 2009 wieder Bewegung in den italienischen Ratifikationsprozess. Zum 20-jährigen Jubiläum der Alpenkonvention sollte das Verkehrsprotokoll auch im italienischen Parlament endlich ratifiziert werden. Letztlich fehlten bei der Abstimmung im November 2011 nur zwei Stimmen für eine Annahme. Damit blieb die Regierung Berlusconi bei ihrer Ablehnung von Schranken für den Alpentransit. Unter der Regierung von Mario Monti (ab November 2011) kam wieder Bewegung in den Prozess. Am 5. April 2012 ratifizierte schließlich das italienische Parlament sieben Protokolle und das Streibeilegungsprotokoll. Nach zehn Jahren erfolgte dann auch am 17. Oktober 2012 die Ratifizierung des Verkehrsprotokolls in einem gesonderten Verfahren. Die Annahme erfolgte in der Kammer mit überwältigender Mehrheit. Im Vorfeld gab es Widerstände einiger Frächterlobbys, die von der Lega Nord unterstützt wurde (diese Partei votierte dagegen). Bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 7. Februar 2013 gab Italien eine gesonderte Erklärung58 ab, worin betont wurde, dass weiterhin Straßenbauprojekte für die Fernverbindungen verwirklicht werden bzw. bei der Kostenwahrheit sich auf das

57 URL: [31.03.2015] 58 „Italien erklärt, dass die Bestimmungen von Art. 11 des vorliegenden Protokolls nicht die Möglichkeit präjudizieren, auf italienischem Staatsgebiet Straßenbauprojekte für Fernverbindungen, einschließlich der für den Ausbau des Warenverkehrs mit Ländern nördlich der Alpen erforderlichen Infrastrukturen, zu verwirklichen. Ebenso wird nicht präjudiziert, dass die in Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und Art. 14 enthaltenen Bestimmungen betreffend die Internationalisierung [sic!] der externen Kosten auf das Gemeinschaftsacquis zu beziehen sind.“ (BGBl. III Nr. 37/2013; Ehlotzky 2014, 211; vgl. Fn. 60). 88

Unionsrecht zu beziehen. Das bedeutet, dass Italien weiterhin alpenquerende Verbindungen wie die Alemagna fertig stellen und den alpenquerenden Straßengüterverkehr subventionieren will. (Cuypers 2006, 21; Hartl 2007, 5; Ehlotzky/Kramer 2009, 194; DS 26.05., 26.10., 30. 10. 2006; ORF ON 8.11.2011; TT 13.06.2006, 7.11.2011; 17.10.2012; Ehlotzky 2014, 211-221; AlpK 201559; Transitforum Austria-Tirol 201560) “Allerdings ist davon auszugehen, dass dieser Vorbehalt im Sinne von Art. 19 lit. c WVK [Wiener Vertragsrechtskonvention] mit Ziel und Zweck des Verkehrsprotokolls nicht vereinbar und somit als unzulässig zu qualifizierten ist.“ (Ehlotzky 2014, 215) Inhaltlich besteht das Verkehrsprotokoll aus einer Präambel und fünf Kapiteln mit insgesamt 25 Artikeln. Kapitel I enthält Allgemeine Bestimmungen (Art. 1 bis 6), Kapitel II die Spezifischen Maßnahmen (Art. 7 bis 16), Kapitel III die Koordination, Forschung, Bildung und Information (Art. 17 bis 19), Kapitel IV die Kontrolle und Bewertung (Art. 20 bis 22) und Kapitel V die Schlussbestimmungen (Art. 23 bis 25). In der Präambel wird darauf hingewiesen, dass der Alpenraum ein Gebiet umfasst, das durch besonders empfindliche Ökosysteme und Landschafen, oder durch geographische und topographische Verhältnisse, welche die Schadstoff- und Lärmbelästigung verstärken, oder durch einzigartige Naturressourcen oder ein einzigartiges Kulturerbe gekennzeichnet ist. Der Verkehr ist in seinen Auswirkungen nicht umweltneutral ist. Es wird weiters betont, dass eine auf die Grundsätze der Nachhaltigkeit ausgerichtete Verkehrspolitik im Alpenraum auch der außeralpinen Bevölkerung zu Gute kommt. Art. 1 VerkP enthält die beiden wichtigsten Ziele und zwar die nachthaltige Entwicklung des Verkehrs und die Verträglichkeit des Verkehrs für Menschen und Umwelt. Die Vertragsparteien verpflichten sich daher in Art. 1 Abs. 1 lit. a VerkP zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik, die vor allem Belastungen und Risiken im Bereich des inneralpinen und alpenquerenden Verkehrs auf ein Maß senkt, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist. Dieses Ziel soll durch eine verstärkte Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene (v. a. des Güterverkehrs) und durch die Schaffung geeigneter Infrastrukturen mit marktkonformen Ansätzen werden. Daneben soll eine auf alle Verkehrsträger abgestimmte Verkehrspolitik zu einer nachhaltigen Entwicklung des Lebens- und Wirtschaftsraums als Grundlage der im Alpenraum wohnenden Bevölkerung beitragen. Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragsparteien den inneralpinen oder alpenquerenden Verkehr durch Steigerung der Effizienz der Verkehrssysteme und durch Förderung umwelt- und ressourcenschonender

59 URL: [31.03.2015] 60 URL: [31.03.2015] 89

Verkehrsträger unter wirtschaftlichen Kosten zu gewährleisten. Dies soll aber unter Wahrung fairer Wettbewerbsbedingungen unter den einzelnen Verkehrsträgern erfolgen. Gemäß Art. 1 Abs. 2 VerkP verpflichten sich die Vertragsparteien den Verkehrsbereich unter Wahrung des Vorsorge-, Vermeidungs- und Verursacherprinzips zu entwickeln. (Galle 2002, 132f; Lebel 2005, 7; Hartl 2007, 4; Ehlotzky 2014, 43f; Heuck 2013, 139, 145-147, 200-; Heuck 2013a, 163) „Die Ziele des Art. 1 VerkP sind weit formuliert und enthalten keine konkreten Lösungsansätze zur Bewältigung der Verkehrsprobleme im Alpenraum. Diese Lösungsansätze sind durch die einzelnen Vertragsparteien zu erarbeiten.“ (Heuck 2013a, 163) In Art. 2 VerkP werden erstmals zahlreiche Definitionen festgelegt. Darin erfolgt z. B. eine Definition von „inneralpinen“ und „alpenquerenden“ Verkehr (vgl. Punkt 1.4) sowie der externen Kosten61 (vgl. Punkt 3.5.1) Der international neue Begriff einer „Zweckmäßigkeitsprüfung“ wurde erstmals definiert als Prüfverfahren gemäß der nationalen Gesetzgebung anlässlich der Planung großer Neubauten oder wesentlicher Änderungen bzw. Ausbauten vorhandener Verkehrsinfrastrukturen, welches Abklärungen betreffend die verkehrspolitische Notwendigkeit sowie der verkehrlichen, ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Auswirkungen umfasst. Dies stellt jedenfalls ein weiter reichendes Verfahren als die bisherige UVP dar. Für die erstmalig in Verwendung befindlichen Begriffe „Umweltqualitätsziele“, „Umweltqualitätsstandards“ und „Umweltindikatoren“ werden ebenfalls Definitionen festgelegt. Weiters werden auch das bereits in der Rahmenkonvention festgehaltene „Vorsorgeprinzip“ und das „Verursacherprinzip“ definiert und verkehrsspezifisch adaptiert. Vorsorgeprinzip ist jenes Prinzip, demzufolge Maßnahmen zur Vermeidung, Bewältigung oder Verringerung schwerer oder irreversibler Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt nicht mit der Begründung aufgeschoben werden dürfen, dass die wissenschaftliche Forschung noch keinen eindeutigen Kausalzusammenhang zwischen den fraglichen Einwirkungen einerseits und ihrer potentiellen Schädlichkeit für die Gesundheit und die Umwelt nachgewiesen hat. Hingegen ist das Verursacherprinzip (inklusive der Anlastung der Folgewirkungen) jenes Prinzip, demzufolge die Kosten für die Vermeidung, Bewältigung und Verringerung der Umweltbelastung und für die Sanierung der Umwelt zu Lasten des Verursachers gehen. Die Verursacher müssen soweit wie möglich die gesamten Kosten der Verkehrsauswirkungen auf Gesundheit und Umwelt tragen. (Galle 2002, 133; Ehlotzky 2014, 46f; Heuck 2013,

61 Kosten, die nicht vom Nutzer von Gütern oder Diensten getragen werden. Sie umfassen die Kosten für die Infrastruktur, wo diese nicht angelastet werden, die Kosten für Umweltverschmutzung, Lärm, verkehrsbedingte Personen- und Sachschäden. 90

139; Heuck 2013a, 163f) Art. 3 VerkP enthält die Verpflichtung der Vertragsstaaten, mit einer aufeinander abgestimmten Umwelt- und Verkehrspolitik zur Begrenzung verkehrsbedingter Belastungen und Risiken sowohl den Belangen der Umwelt, als auch der Gesellschaft und der Wirtschaft durch Maßnahmenbündel Rechnung zu tragen. Auf Grund der besonderen Topographie der Alpen sollen verstärkte Maßnahmen zur Lärmbekämpfung ergriffen werden. Die Vertragsparteien gehen daneben auch noch die Verpflichtung ein, die Ziele des Verkehrsprotokolls auch in ihren anderen Politiken zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 1 VerkP). In Art. 5 VerkP werden die Vertragsparteien zur Beteiligung der Gebietskörperschaften verpflichtet (Subsidiaritätsprinzip) und die internationale Zusammenarbeit zwischen den Institutionen sichergestellt. Die nationalen Regierungen können auch über das Protokoll hinausgehende Maßnahmen festlegen (Art. 6 VerkP). (Galle 2002, 134; Hartl 2007, 5; Ehlotzky 2014, 48f; Heuck 2013, 140f, 147-148, 198f; Heuck 2013a, 163, 167) Art. 7 Abs. 1 VerkP nennet die „Allgemeine verkehrspolitische Strategie“. Im Interesse der Nachhaltigkeit verpflichten sich die Vertragsparteien auf ein grenzüberschreitendes, aufeinander abgestimmtes Verkehrsnetzwerk (v. a. Indermodalität), das im Alpenraum bestehende Verkehrssysteme und -infrastrukturen bestmöglich nutzt (Telematik). Zudem sollen dem Verursacher externe Kosten (differenziert nach Belastungen) und Infrastrukturkosten angelastet werden. Schließlich soll mit raumordnerischen und strukturellen Maßnahmen eine Verkehrsbeeinflussung zugunsten der Verlagerung der Transportleistungen im Personen- und Güterverkehr auf das jeweils umweltverträglichere Verkehrsmittel und intermodale Transportsysteme begünstigt werden (Art. 1 Abs. 1 VerkP). Vom Prinzip der Verkehrssicherheit ausgehend werden die Vertragsparteien verpflichtet, die Verkehrswege vor Naturgefahren zu sichern sowie die Schadstoff- und Lärmemissionen auf Grundlage der bestverfügbaren Technologie schrittweise zu reduzieren (Art. 1 Abs. 2 VerkP). (Galle 2002, 134; Ehlotzky 2014, 43f; Heuck 2013, 149-151, 202f; Heuck 2013a, 163f, 167f) Mit der Bestimmung „Projektevaluations- und zwischenstaatliche Konsultationsverfahren“ in Art. 8 VerkP verpflichten sich die Vertragsparteien bei großen Neubauten und wesentlichen Änderungen oder Ausbauten vorhandener Verkehrsinfrastrukturen Zweckmäßigkeitsprüfungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Risikoanalysen vorzunehmen und deren Resultate im Hinblick auf die Ziele dieses Protokolls Rechnung zu tragen (Art. 8 Abs. 1 VerkP). Planungen für Verkehrsinfrastrukturen im Alpenraum sind zu koordinieren und zu konzentrieren. Jede Vertragspartei wird verpflichtet, bei Vorhaben mit erheblichen grenzüberschreitenden

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Auswirkungen, spätestens nach Vorlage der Ergebnisse der Prüfungen, Konsultationen mit den davon betroffenen Vertragsparteien durchzuführen. Diese Bestimmungen präjudizieren nicht das Recht jeder Vertragspartei, den Bau von Verkehrsinfrastrukturen vorzunehmen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieses Protokolls im Rahmen ihrer Rechtsordnung beschlossen sind oder für die der Bedarf gesetzlich festgestellt ist (Art. 8 Abs. 2 VerkP). (Galle 2002, 135f; Heuck 2013a, 163f, 166; vgl. Heuck 2013, 156-172) „Mit dieser Formulierung wird […] ein Fluchtweg geschaffen, da damit eine pauschale Ausnahme all jener Straßenprojekte festgelegt wird, die am 31. Oktober 2000 in rechtsverbindlichen Texten festgeschrieben sind. […] Straßenbauvorhaben [bedürfen] […] einer jahrzehntelanger Planungsphase […], so werden […] kaum neue […] Projekte übrig bleiben, auf die das Verkehrsprotokoll […] anwendbar wäre.“ (Galle 2002, 135; vgl. Ehlotzky 2014, 183-191; Heuck 2013, 185f) Gemäß Art. 8 Abs. 3 VerkP unterstützen die Vertragsparteien die stärkere Einbeziehung der Transportkomponente in das Umweltmanagement der Unternehmen in ihren Ländern. Bei den „Technischen Maßnahmen“ (Art. 9 bis 14 VerkP) ist insbesondere der Art. 11 über den Straßenverkehr relevant. So verzichten die Vertragsparteien gemäß Art. 11 Abs. 1 VerkP auf den Bau neuer hochrangiger Straßen für den alpenquerenden Verkehr. „Die Vertragsparteien enthalten sich, neue Autobahnen und/oder Schnellstraßen mit Autobahneigenschaften für den Verkehr in den Alpen zu bauen, wenn Ausgangspunkt und Ziel nicht in den Alpen liegen.“ (Lebel 2005, 8) Natürlich müsste hier die Frage gestellt werden, welcher rechtlicher Unterschied zwischen Verzicht, Enthaltung oder Untersagung zum hochrangigen Straßenbau besteht? Weiters auch die Frage, ob hier nur der Neubau oder auch der Ausbau von bestehenden Strecken betroffen ist. (Lebel 2005, 10; vgl. Ehlotzky 2014, 180-204; Heuck 2013a, 164f; Heuck 2013, 173-185) Auch kann nach Art. 11 Abs. 2 VerkP ein hochrangiges Straßenprojekt für den inneralpinen Verkehr (Bau neuer Autobahnen und/oder Schnellstraßen) nur dann verwirklicht werden, wenn einerseits das Erreichen der in der Alpenkonvention festgelegten Zielsetzungen durch Vornahme entsprechender Vorsorge- und Ausgleichsmaßnahmen auf Grund der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben ist. Andererseits muss die Verkehrswirtschaftlichkeit des Projekts (andere alternative Lösung nicht möglich) gegeben sein sowie die Zweckmäßigkeit und Risikobereitschaft gegeben sein. Daneben muss auch den Raumordnungsplänen und -programmen und der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen werden. (Galle 2002, 137; Lebel 2005, 8f; Hartl 2007, 5; Ehlotzky 2014, 173; Heuck 2013, 186-193; Heuck 2013a, 166) „Durch diese Bestimmungen wird jegliches

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hochrangige Straßenprojekt für den alpenquerenden Verkehr ausgeschlossen und die Verwirklichung eines inneralpinen Straßenprojektes unter den vorhandenen, äußerst restriktiven Bedingungen wohl nur sehr schwer möglich sein.“ (Galle 2002, 137) Ein Schlupfloch bietet allerdings, wie bereits erwähnt, der Art. 8 Abs. 2 VerkP durch die Ausnahmeregelung für bereits geplante nationale Straßenprojekte. (Lebel 2005, 10; vgl Ehlotzky 2014, 183-191; Heuck 2013, 185f, 193; Heuck 2013a, 166f) Allerdings erkennen die Vertragsparteien gemäß Art. 11 Abs. 3 VerkP auf Grund der geographischen Verhältnisse und der Siedlungsstruktur des Alpenraumes, welche nicht in allen Fällen eine effiziente Bedienung mit öffentlichen Verkehrsmitteln erlauben, die Notwendigkeit der Schaffung und Erhaltung von ausreichenden Verkehrsinfrastrukturen für einen funktionierenden Individualverkehr.62 Art. 9 VerkP beschäftigt sich mit dem Öffentlichen Verkehr (Ausbau und Förderung), Art. 10 VerkP mit dem Eisenbahn- und Schifffahrtsverkehr (Verlagerung des Langstreckentransports; Ausbau, Modernisierung, Förderung und Optimierung), Art. 12 VerkP mit dem Luftverkehr (Reduzierung der Umweltbelastungen und des Fluglärms) und schließlich Art. 13 VerkP mit „Touristischen Anlagen“ (öffentliche Verkehrsmittel für den Fremdenverkehr, verkehrsfreie Zonen und Orte). (Galle 2002, 136-138; Lebel 2005, 8; Heuck 2013, 194-196; Heuck 2013a, 167) Ein wichtiger Artikel ist noch der Art. 14 VerkP mit dem Titel „Kostenwahrheit“. Die Vertragsparteien einigen sich durch eine bessere Anrechnung der wahren Kosten der verschiedenen Verkehrsträger auf die Umsetzung des Verursacherprinzips und unterstützen die Entwicklung und Anwendung eines Berechnungssystems zur Ermittlung der Wegekosten und der externen Kosten. Ziel ist es, schrittweise verkehrsspezifische Abgabesysteme einzuführen, die es erlauben, auf gerechte Weise die wahren Kosten zu decken. Daher sollen Systeme eingeführt werden, die den Einsatz der umweltfreundlichsten Verkehrsträger und -mittel begünstigen, zu einer ausgewogeneren Nutzung der Verkehrsinfrastrukturen führen und Anreize bieten, Potenziale ökologischer und soziökonomischer Belastungsminderung mit strukturellen und raumordnerischen Maßnahmen der Verkehrsbeeinflussung vermehrt zu nutzen. (Galle 2002, 138; Lebel 2005, 8; Ehlotzky 2014, 47f, 236; Heuck 2013, 202f; Heuck 2013a, 167f) „Regelungen über die zweckgebundene Verwendung der Einnahmen bzw. Fragen der Querfinanzierung und Umschichtung sind hier ganz bewusst unterlassen worden.“ (Galle 2002, 139)

62 Erschließungsmaßnahmen für bestimmte Alpentäler und Aufrechterhaltung der sozioökonomischen Entwicklung dieser Bereiche (z. B. Stopp der Abwanderung). (Galle 2002, 137) Laut Lebel ist dieser Artikel nicht einwandfrei verständlich, aber es ist anzunehmen, dass man dabei an fern liegende Alpengebiete gedacht hat, wie z. B. isolierte Täler. (Lebel 2005, 9) 93

Die beiden Art. 15 und 16 VerkP enthalten Verpflichtungen zur Beobachtung und Kontrolle. (Heuck 2013, 142f) Die Art. 17 bis 25 VerkP decken sich mit allen anderen Protokollen. Die VI. Alpenkonferenz hat bei der Annahme und Unterzeichnung des Protokolls die Einrichtung einer ständigen Verkehrsarbeitsgruppe beschlossen. Durch diese einzigartige Initiative soll der Austausch von Informationen und Erfahrungen zur Umsetzung des IV. Kapitels (Art. 20 bis 22 VerkP) gefördert werden. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich auch mit dem Austausch von Informationen zwischen den einzelnen Vertragsstaaten, da die Maßnahmenumsetzung den Staaten vorbehalten ist. (Lebel 2005, 11f) In Art. 23 VerkP (Schlussbestimmungen) wird darauf hingewiesen, dass nur Vertragsparteien der Alpenkonvention Vertragsparteien des Verkehrsprotokolls werden können und eine Kündigung der Alpenkonvention zugleich als Kündigung dieses Protokolls gilt. Alle anderen Bestimmungen (Unterzeichnung, Ratifizierung sowie Notifikationen) sind Deckungsgleich in der Alpenkonvention zu finden. (Galle 2002, 139, 145-148; Heuck 2013, 144)

2.1.5 EU und Verkehrsprotokoll

Mit dem Beschluss 96/191/EG63 wurde die EG/EU64 gestützt auf Art. 192 Abs. 1 AEUV65 (ex-Art. 175 Abs. 1 EGV) und Art. 218 AEUV (ex-Art. 300 EGV) Vertragspartei der Alpenkonvention. (Cuypers 2006, 21; Frerich/Müller 2004a, 655; Schroeder 2012, 40 (Fn. 54)) Gemäß Art. 192 Abs. 1 AEUV gaben zuvor das Europäische Parlament und der WSA positive Stellungnahmen ab. Lediglich Spanien hatte im Vorfeld Zweifel, ob der ex-Art. 175 Abs. 1 EGV als Rechtsgrundlage für die Ratsentscheidung dienen sollte. Die Kommission stellte aber fest, dass die Alpenkonvention ein gemischtes Übereinkommen über Zuständigkeiten ist, die sowohl von der Gemeinschaft/Union als auch von den Mitgliedsstaaten wahrgenommen werden. Dies hätte aber zur Folge gehabt, dass die Alpenkonvention nicht nur von der Gemeinschaft/Union sondern auch von allen Mitgliedstaaten abgeschlossen hätte werden müssen. (Galle 2002, 13; vgl. Ehlotzky 2014,

63 Beschluss 96/191/EG des Rates vom 26.02.1996 über den Abschluss des Übereinkommens zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), ABl. L 61 vom 12.03.1996, 31. 64 1993 wurde die EWG durch die EG ersetzt. Umgangssprachlich wurde die EG aber mit der EU gleichgesetzt, was aber juristisch nicht korrekt war, da die EU keine eigene Rechtspersönlichkeit besaß und die drei supranationalen Säulen (inklusive EG) sowie die PJZS und die GASP umfasste. Seit 1. Dezember 2009 (Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon) sind die EG und die EU rechtlich miteinander verschmolzen und man spricht seither nur mehr von der Europäischen Union (EU).Gemäß Art. 47 EUV besitzt die Union nun jetzt auch Rechtspersönlichkeit. Seither wird auch nur mehr von EU- anstatt EG-Recht gesprochen und das Wort Gemeinschaft wurde durch Union ersetzt. (Hellmann 2009, 1f, 80) 65 Der Vertrag von Lissabon hat mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 die Nummerierung und teilweise den Inhalt der Artikel von EUV und EGV (jetzt AEUV) geändert; nachfolgend wird durchgehend die neue Num- merierung benutzt und die alte in Klammer angeführt. Wenn ausnahmsweise die früher geltende Num- merierung zitiert wird, so ist das jeweils kenntlich gemacht. 94

50; Heuck 2013, 71; Heuck 2013b, 237) Das wurde bis 2005 auch als ein Grund angeführt, warum die EU bisher nur die ersten drei Protokolle Naturschutz, Raumplanung und Berglandwirtschaft unterzeichnet, aber nicht ratifiziert hatte. Nach der Ratifikation der Protokolle sind diese völkerrechtlichen Verträge unionsintern als Rechtsquelle nach Art. 216 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 300 Abs. 7 EGV) für die EU-Organe und für alle Mitgliedstaaten verbindlich. (Schroeder 2012, 41; Galle 2002, 14; Cuypers 2006, 24; Hellmann 2009, 84; Bieber/Epiney/Haag 2006, §33 Rn. 12-30; Hartl 2007, 5; Onida 2010a, 24; Heuck 2013, 92f, 98f; Heuck 2013b, 237) „Als Konsequenz ihrer unionsinternen Geltung können die Übereinkommen vom EuGH für die Beurteilung der Gültigkeit von sekundärem Gemeinschaftsrecht herangezogen werden.“ (Schroeder 2012, 41; vgl. Schroeder 2006, 136; Heuck 2013, 120-123) Völkerrechtliche Verträge stehen im Rang unter primärem Unionsrecht und somit in der europäischen Normenhierarchie über dem Sekundärrecht (VO, RL, E bzw. Beschlüssen). Als weiterer Grund für eine Nichtratifikation wurden seitens der Kommission auch immer Subsidiaritätsbedenken angeführt. Bis vor kurzem diente die Alpenkonvention lediglich als Auslegunghilfe im EU-Recht.66 (Cuypers 2006, 25-27; Schroeder 2003, 40; Schroeder 2004a, 7f; Schroeder 2004b, 8; Schroeder 2006, 136; Hartl 2007, 5; Heuck 2013, 101f; Heuck 2013b, 238) Nach jahrelangem Nichtstun trat dann aber ein Meinungsumschwung innerhalb der Union ein und am 9. Jänner 2006 wurden die Protokolle Tourismus, Energie und Bodenschutz unterzeichnet. Am 6. Juli 2006 erfolgte die Ratifikation der Protokolle Berglandwirtschaft, Tourismus, Energie und Bodenschutz seitens der Union und sie sind am 6. Oktober 2006 in Kraft getreten. (Cuypers 2006, 22; Onida 2010, 18f) Beim Verkehrsprotokoll war die Sache etwas differenzierter gelagert. Seit 16. Jänner 2001 existierte ein Kommissionsvorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung dieses Protokolls. Die Ausführungen dazu sind interessant: „Nach Ansicht der Kommission wäre die Unterzeichnung des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr ein wichtiges Signal der Europäischen Gemeinschaft an alle Parteien, der Unterzeichnung und Ratifizierung des Verkehrsprotokolls absoluten Vorrang einzuräumen. […] Das Protokoll umfasst eine Reihe von Prinzipien und Maßnahmen, um durch die Reglementierung des alpenquerenden Verkehrs die Umweltverträglichkeit des Verkehrs zu gewährleisten, wobei hohe Sicherheits- und Umweltschutzstandards einzuhalten sind. Der Beschluss zur Unterzeichnung des Protokolls sollte daher auf Art. 71 EGV [jetzt Art. 91 AEUV] sowie auf Art. 300 Abs. 2 erster Unterabsatz Satz 1 [jetzt Art. 218 AEUV] […] beruhen. […] Angesichts der vorwiegenden Zuständigkeit der Gemeinschaft, verbunden mit dem Grundsatz der Einheit bei der internationalen Vertretung der Gemeinschaft sollten die

66 Vgl. Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH im Fall Schmidberger gegen Republik Österreich: EuGH, Rs. C-112/00 (Schmidberger/Österreich), Slg. 2003, I-05659. 95

Unterzeichnung und die anschließende Hinterlegung der entsprechenden Ratifizierungs- oder Genehmigungsurkunden durch die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten, wenn möglich, gleichzeitig erfolgen. Daher wird der Rat von der Kommission ersucht, seinen Präsidenten zu ermächtigen, die Personen zu bestellen, die befugt sind, das Protokoll über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr rechtsverbindlich im Namen der Gemeinschaft zu unterzeichnen.“ (KOM (2001) 18 endg., 2)

Nach Aussendung positiver Signale für eine Unterzeichnung des Verkehrsprotokolls Anfang Mai 2005 sorgte dann im August 2005 die Nachricht für großes Erstaunen, dass die Europäische Kommission anlässlich ihrer Aktivitäten zur Entrümpelung der europäischen Bürokratie die Unterzeichnung von der Liste bevorstehender Vorhaben streichen wollte. Dies führte zu heftigen Reaktionen einiger Vertragsstaaten, NGOs und EU-Parlamentariern, was die Kommission zur Zurücknahme ihres Vorschlages veranlasste. Österreich hatte mit Unterstützung der Kommission während seiner EU-Präsidentschaft das Dossier wieder aus der Schublade geholt. (Cuypers 2006, 22; ORF ON 10.12.2005; DP 2.03.2006; DS 25.02, 25.05.2006) Beim EU-Verkehrsministerrat am 9. Juni 2006 in Luxemburg wurde nach italienischen Interventionen mit Unterstützung von Spanien, den Niederlanden, Griechenland, Portugal und Litauen die Unterzeichnung wieder auf unbestimmte Zeit verschoben. (Hartl 2007, 5; ORF ON 9.06.2006a/b/c; DS 9.06. a/b, 10.06.2006) In den Folgemonaten bahnte sich nach sechs Jahren zähen Ringens eine Wende der europäischen Verkehrspolitik im Alpenraum an. Am 12. Oktober 2006 wurde beim EU- Verkehrsministerrat in Luxemburg eine Unterzeichnung des Verkehrsprotokolls beschlossen67, die am 12. Dezember 2006 durch EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot erfolgte.68 (Onida 2010, 19; Hartl 2007, 5; Puwein 2007, 35; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 84; Ehlotzky 2014, 55f; EK 201569) Italien70 hatte nun nach einem Regierungswechsel seinen jahrelangen Widerstand aufgegeben. Daneben gab es auch Widerstände aus Griechenland, Spanien und den Niederlanden zu überwinden.71 Den Kompromiss zur Unterzeichnung ermöglichte schließlich die mitbeschlossene Erklärung, wonach die Staaten feststellen, dass

67 Rat, Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr (Verkehrsprotokoll) im Namen der Gemeinschaft, Dok 9229/1/06, Rev 1 vom 4.10.2006. URL: [31.03.2015] 68 Beschluss 2007/799/EG des Rates vom 12.10.2006 zur Unterzeichnung des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr (Verkehrsprotokoll) im Namen der Gemeinschaft, ABl. L 323 vom 8.12.2007, 13-14 69 URL: [31. 03.2015] 70 Vgl. Punkt 2.1.4 zum weiteren Verlauf der Ratifizierung in Italien. 71 Laut Dr. Ewald Galle vom BMLFUW lag der Schlüssel für die nunmehrige Unterzeichnung seiner Meinung nach im Umschwenken Italiens. Solange Italien als Alpenkonventionsstaat eine Einigung innerhalb der EU blockiert hat, solange schlossen sich Zweifler dieser Auffassung an. Daneben hat eine intensive diplomatische Offensive Österreichs, getragen von den Vertretern des BMVIT, die alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgenutzt haben, vorausgegangen ist, mag ebenso dazu beigetragen haben (Galle 2006). 96

die „Alpenkonvention im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht“ steht. (Ehlotzky/Kramer 2009, 194; DP 13.10. 2006; DS 4.10., 12.10.2006a/b; ORF ON 12.10.2006; TT 13.12.2006) Nach mehreren positiven Signalen legte die Kommission schließlich am 23. Dezember 2008 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates zum Abschluss des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr (Verkehrsprotokoll) im Namen der Europäischen Gemeinschaft (KOM(2008) 895 endg.) vor. (Heuck 2013, 69; DS 16.01.2008a) Als Gründe für eine Ratifizierung führt die Kommission darin folgendes an: „Die Bestimmungen des Verkehrsprotokolls stehen im Einklang mit der gemeinsamen Verkehrspolitik der Gemeinschaft und unterstützen uneingeschränkt das unlängst verabschiedete Maßnahmenpaket der Kommission zur Ökologisierung des Verkehrs. [KOM(2008) 433 endg.; vgl. Punkt 3.5.1)] […] Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände dieser Angelegenheit und da bereits einige Zeit seit der Unterzeichnung verstrichen ist, sollte das Protokoll nun auch von der Europäischen Gemeinschaft ratifiziert werden. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Europäische Gemeinschaft durch die Ratifizierung des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention Bereich Verkehr nicht nur ihren internationalen Verpflichtungen nachkommt, sondern auch ein wichtiges politisches Signal für alle anderen Parteien setzen würde, wonach die Ratifizierung des Protokolls eine Priorität darstellen sollte. […] Die Alpenkonvention und insbesondere das Verkehrsprotokoll sind Instrumente, die die Europäische Gemeinschaft in ihrem Bestreben unterstützen, für eine ausgedehnte, hoch sensible und grenzübergreifende Region eine nachhaltige Verkehrspolitik zu betreiben. Die Europäische Gemeinschaft setzt sich für die Ziele der Konvention und ihrer Protokolle. Dieses Engagement wurde mit der Unterzeichnung des Verkehrsprotokolls eindeutig dokumentiert. Die Ratifizierung des Protokolls durch die Europäische Gemeinschaft würde ihre Anstrengungen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in dieser wichtigen Bergregion unterstreichen.“ (KOM(2008) 895 endg., 3)

Am 23. Februar 2009 legte der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments einen Entwurf eines Berichts zur Ratifizierung vor.72 Schließlich wurde der Bericht am 2. April 2009 dem Plenum vorgelegt73 und am 22. April folgte der Beschluss für eine Ratifikation in der ersten Lesung.74 Bis Juni 2013 wurde aber auf Seiten

72 EP, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zum Abschluss des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr (Verkehrsprotokoll) im Namen der Europäischen Gemeinschaft, Berichterstatter Reinhard Rack, PE 421.126v01-00 vom 23.02.2009. URL: [31.083.2015] 73 EP, Bericht über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zum Abschluss des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr (Verkehrsprotokoll) im Namen der Europäischen Gemeinschaft, Berichterstatter Reinhard Rack, A6-0219/2009 vom 2.04.2009. URL: [31.03. 2015] 74 EP, Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. April 2009 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zum Abschluss des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr (Verkehrsprotokoll) im Namen der Europäischen Gemeinschaft, A6-0219/2009 vom 22.04.2009. URL: [31.03.2015] 97

des Rates keine Initiative für eine Ratifizierung ergriffen.75 (Ehlotzky/Kramer 2009, 193; Ehlotzky 2014, 56f) Schließlich ratifizierten die EU-Verkehrsminister am 10. Juni 2013 das Verkehrsprotokoll. Somit trat es am 25. September 2013 in Kraft. (TT 10.06.2013; Ehlotzky 2014, 57; Heuck 2013, 69; AK 201576) Die Ratifizierung auf Unionsebene könnte aber zu rechtlichen Problemen zwischen dem Verkehrsprotokoll und der Wegekostenrichtlinie 2011/76/EU führen (vgl. Punkt 3.5.2), da an mehreren Stellen des Verkehrsprotokolls Vorgaben für Straßenbenützungsgebühren enthalten sind. In Art. 1 Abs. 1. lit. a VerkP wird von einer verstärkten Verkehrsverlagerung gesprochen und Art. 1 lit. e VerkP fordert faire Wettbewerbsbedingungen unter den einzelnen Verkehrsträgern (Wahrung des Vorsorge-, Vermeidungs- und Verursacherprinzips). Schließlich wird in Art. 3 Abs. 1 lit. c und Art. 14 VerkP die Internalisierung der externen Kosten gefordert. Auch Art. 7 lit. b VerkP nennt als allgemeine verkehrspolitische Strategie die differenzierte Anlastung der externen Kosten und Infrastrukturkosten an die Verursacher. Weiters hätte das Protokoll auch auf die Emissions- und Lärmvorschriften der Union Auswirkungen. Daneben sind noch weitere Bestimmungen im Verkehrsprotokoll enthalten, die mit der bisherigen europäischen Verkehrspolitik kollidieren. (Hartl 2007, 6; Heuck 2013b, 238f; Befragung Gurgiser 2006; Rack Interview 2008) Das Verkehrsprotokoll wurde nach der Ratifizierung in die Rechtsordnung der Union integriert und die Wegekostenrichtlinie dürfte dann dem Protokoll inhaltlich nicht widersprechen. Allerdings sind der Union bereits vor der Ratifikation „[…] vorvertragliche Pflichten entstanden, denn eine Vertragspartei darf nach Unterzeichnung des Vertragsziel nicht vereiteln, es sei denn, sie gibt bekannt doch nicht ratifizieren zu wollen“ [so genanntes Frustrationsverbot]. (Ehlotzky/Kramer 2009, 194; vgl. Ehlotzky 2014, 61-63; Heuck 2013, 123-125) „Durch die Änderung der Wegekostenrichtlinie im Jahr 2011 […] wurde zumindest der ausdrückliche Widerspruch zwischen Richtlinie und Verkehrsprotokoll beseitigt, da dem Verkehrsteilnehmer nunmehr externe Kosten im Rahmen der Maut- und Benutzungsgebühren angelastet werden dürfen.“ (Ehlotzky 2014, 77; vgl. Heuck 2013b, 240f) Allerdings erfasst die Richtlinie nicht alle im Verkehrsprotokoll angeführten externen Kosten. Zudem sind die einzelnen Mitgliedstaaten nicht verpflichtet diese Kosten auch tatsächlich zu verrechnen. (Schroeder 2012, 41) Die

75 Rat, Vorschlag für einen Beschluss des Rates zum Abschluss des Protokolls über die Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Verkehr (Verkehrsprotokoll) im Namen der Europäischen Gemeinschaft, Dok 5150/09 vom 9.01.2009. URL: [31.03. 2015] 76 URL: ; [31.03.2015] 98

nunmehrige Ratifizierung des Verkehrsprotokolls durch die Union ist aber trotzdem ein wichtiges Signal für eine nachhaltige und umweltverträgliche Verkehrspolitik im Alpenraum. Daneben könnte nun gegen eine dem Verkehrsprotokoll nichtkonforme Wegekostenrichtlinie beim EuGH Nichtigkeitsklage eingebracht werden. Die Zukunft wird zeigen ob das Unionsrecht und das Verkehrsprotokoll harmonisieren. (Hartl 2007, 8; Ehlotzky/Kramer 2009, 194; Ehlotzky 2014, 70f, 73; Onida 2010a, 24-26; Kusstatscher Interview 2008; Befragung Hradecsni 2006; Befragung Kerschbaum 2006)

2.1.6 Bewertung

Die Alpenkonvention ist etwas völlig Neues und mit ihr wird der Alpenraum, der „[…] noch nie […] gemeinsame spezifische politische Rahmenbedingungen besaß, erstmals als eine ‚Großregion’ in Europa politisch sichtbar […], und es beginnt sich eine ‚Alpenpolitik’ auszubilden, die sich auf die spezifischen Verhältnisse von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft in diesem Raum bezieht.“ (Bätzing 2003, 310) Das Verkehrsprotokoll ist für die Alpenkonvention sicherlich das bedeutendste Protokoll, da der Verkehr große Auswirkungen auf die Umwelt im Alpenraum hat. Ohne Einigung beim Verkehrsprotokoll wäre die Alpenkonvention wohl zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Glaubwürdigkeit als multilaterales und regionales Instrument zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums stand auf dem Spiel. Bei den jahrelangen Verhandlungen wurde um jede Formulierung gerungen. Dabei hat sich auch die österreichische Weigerung ohne Verkehrsprotokoll die anderen Protokolle zu unterzeichnen, als wichtiger Hinweis herausgestellt, um auf die besondere geographische Lage und Verkehrssituation Österreichs aufmerksam zu machen. (Galle 2002, 140; Galle 2003, 22) „Erst durch dieses Instrument, das fälschlicherweise von außen her oft als Blockadeinstrument gesehen wurde, gelang es, nicht alpenzentrale Staaten von den unbestreitbaren Interessen der ansässigen Bevölkerung im Alpenraum zu überzeugen […].“ (Galle 2002, 140) Einziger Schwachpunkt bleibt der bereits erwähnte Ausnahme in Art. 8 VerkP (Ausnahmeregelung für nationale Straßenprojekte). Allerdings bleibt auch anzumerken, dass „das Verkehrsprotokoll […] zwar rechtliche Verpflichtungen auf[stellt], welche die Vertragsparteien erfüllen müssen, dennoch sind die Vorschriften durch die Verwendung von Begriffen wie ‚soweit wie möglich‘, ‚gegeben falls‘ etc. abgeschwächt und werden dadurch relativiert.“ (Heuck 2013, 209) Als Fazit muss aber zusätzlich noch festgehalten werden, dass die politischen Ergebnisse trotz des enormen Aufwandes zur Erarbeitung der Alpenkonvention und ihrer Protokolle noch bescheiden sind und noch kaum zu konkreten Umsetzungsmaßnahmen geführt haben. (Bätzing 2003, 312; Galle 2002, 140) 99

2.2 INTERNATIONALES UMWELTRECHT

2.2.1 Allgemeines

Zum Schutz der Erdatmosphäre und des Klimas existieren zahlreiche internationale Verträge, allen voran ist das momentan bekannteste das Kyoto-Protokoll von 1997. Bereits 1979 wurde in Genf ein Übereinkommen über die weiträumige Luftreinhaltung unterzeichnet, das 1983 in Kraft trat. Dadurch sollte die Schadstoffbelastung der Luft eingedämmt und schrittweise verringert werden. Unter den damaligen 33 Vertragsstaaten befanden sich auch Österreich und die damalige EG. Zur weiteren Ausgestaltung dieses Übereinkommens folgte im Juli das Protokoll von Helsinki. Dieses Protokoll verpflichtete zu einer Reduktion der Schwefelemissionen (SO2) um mindestens 30% bis 1993.

(Kerschner/Wagner 2001, 11; Cornu 2000, 198) „Österreich konnte seine SO2-Emissionen bis zu diesem Zeitpunkt um ca. 80% verringern.“ (Kerschner/Wagner 2001, 11) Das

Protokoll von Sofia (1988) befasste sich mit den Stickoxidemissionen (NOx) und deren „Einfrieren“ auf dem Niveau von 1987. „Österreich hat sich bei der Unterzeichnung dieses Protokolls […] dazu bereit erklärt, seine NO-Emissionen spätestens bis Ende 1998 um 30% bezogen auf ein Basisjahr zwischen 1980 und 1985 zu reduzieren.“ (Kerschner/Wagner 2001, 11) Mit dem Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (1985) und dem Montreal Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht77 führen, folgten zwei weitere wichtige völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Erdatmosphäre. (Epiney 2013, 488; Kerschner/Wagner 2001, 11f; Sollberger 2003, 188; Cornu 2000, 198) Seit 2009 haben beide Verträge durch die Ratifikation von 197 Vertragsparteien universelle Gültigkeit erlangt. (UNEP 201478) Auch die Europäische Union sowie ihre Mitgliedstaaten haben beide Verträge ratifiziert. „Diese Verpflichten die Vertragsparteien insbesondere, die Verwendung und Produktion von Halonen und FCKW auf dem Niveau von 1986 einzufrieren und bis 1998 schrittweise auf 50% des Standes von 1986 zu reduzieren.“ (Epiney 2013, 488) Durch das Vorsorgeprinzip ist das Montrealer Protokoll als ein Meilenstein im Umweltvölkerrecht zu bezeichnen. Durch weitere Änderungen auf den Konferenzen in London, Kopenhagen, Montreal und Peking wurden die Vorgaben bis 1999 sogar noch verschärft. Die VO 1005/200979 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht

77 URL: [31.03. 2015] 78 URL: [31.03.2015] 79 VO (EG) Nr. 1005/2009 des EP und des Rates vom 16.09.2009 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen (Neufassung), ABl. L286 vom 30.10.2009, 1-45. 100

führen, in ist aktuell in der Union (Stand März 2015) gültig und ersetzt ältere Verordnungen (z. B. VO 2037/2000). Durch die Verordnung werden die Produktion und das Inverkehrbringen von bestimmten Stoffen innerhalb der Union verboten (z. B. FCKW und Halonen). Daneben wird der stufenweise Abbau von bestimmten Stoffen vorgeschrieben und die Ausfuhr solcher Stoffe in Drittländer überwacht. Mit der Neufassung wurden die Vorgaben nochmals verschärft und gehen über die völkerrechtlichen Verpflichtungen sogar noch hinaus. (Epiney 2013, 489; EK 201580) Neben dem Schutz der Ozonschicht stehen zurzeit der Klimaschutz und vor allem die

Verringerung des CO2-Ausstoßes und weiterer Treibhausgase im internationalen Blickfeld. Im Jahr 1992 fand in Rio de Janeiro (Brasilien) die dritte Klimakonferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development – UNCED) statt. Bei dieser Konferenz wurde das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (kurz Klimarahmenkonvention, UNFCCC81) von 165 Staaten und der EG unterzeichnet. Die Klimarahmenkonvention trat am 21. März 1994 in Kraft. Im Moment (Stand März 2015) haben sie 196 Vertragsparteien82 ratifiziert. (Kerschner/Wagner 2001, 12; Cornu 2000, 199; Epiney 2012, 490) „Ziel des Übereinkommens ist es, die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf ein Niveau zu erreichen, bei dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird.“ (Kerschner/Wagner 2001, 12) Die Industrieländer wurden dabei als Hauptverursacher für die Klimaänderungen ausgemacht, während die Entwicklungsländer vor allem die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen. Der Grundsatz der Klimarahmenkonvention besteht darin, dass die Vertragsstaaten Vorsorgemaßnahmen treffen, um den Ursachen der Klimaänderungen vorzubeugen, sie zu verhindern oder so gering wie möglich zu halten. Dadurch sollten die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen abgeschwächt werden. Allerdings fehlt eine konkrete Verpflichtung zur Durchführung einer Reduktion der Treibhausgase. (Kerschner/Wagner 2001, 12) Zur weiteren Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention treffen sich die Vertragsstaaten jährlich zu den so genannten „Weltklimagipfeln“ (UN-Klimakonferenz: 2009 in Kopenhagen, 2010 in Cancún, 2011 in Durban, 2012 in Doha, 2013 in Warschau und 2014 in Lima), wobei konkrete Maßnahmen gesetzt werden sollen. 2015 findet die UN- Klimakonferenz in Paris statt. Die sicherlich bekannteste Maßnahme der

80 URL: [31.03.2015] 81 URL: [31.03.2015] 82 URL: [31.03. 2015] 101

Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) ist das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Auf der 3. COP wurde 1997 mit dem Kyoto-Protokoll ein Meilenstein im Kampf gegen die globale Klimaerwärmung verabschiedet. Als Ergebnis wurde im Kyoto-Protokoll für die Jahre 2008 bis 2012 erstmals eine völkerrechtlich verbindliche und prozentuell definierte Reduktion der emittierten Treibhausgase festgelegt, die als Auslöser der globalen Erwärmung gelten. Die Zunahme dieser Treibhausgase beruht Großteils auf menschlichen Aktivitäten, wie dem Verbrennen fossiler Brennstoffe. (Kerschner/Wagner 2001, 12f; Frewein 2006a, 49; Anderl et al. 2012, 62; Epiney 2013, 490f) Exkurs: Im März 1996 wurde von der der OECD in Zusammenarbeit mit der kanadischen Regierung in Vancouver eine Konferenz zum Thema „Nachhaltiger Verkehr“ (Towards Sustainable Transportation) durchgeführt. Über 400 Teilnehmer aus 25 Staaten waren anwesend. Bei dieser Konferenz wurden die so genannten neun Prinzipien für einen nachhaltigen Verkehr bzw. eine nachhaltige Mobilität entwickelt. Diese „Vancouver Prinzipien“ (Sustainable Transportation Principles and Strategic Directions) zeigen den Weg auf, wie das Ziel einer nachhaltigen Mobilität erreicht werden kann (Leitlinien). (Becker/Gerike/Völlings 1999, 104-109; Frewein 2006a, 48; Held 2007, 858; vgl. OECD 1997) Die Prinzipien lauten folgendermaßen: 1. Access: People are entitled to reasonable access to other people, places, goods and services, as well as responsible information that empowers them towards sustainable transportation. 2. Equity: Nation states and the transportation community must strive to ensure social, interregional and inter-generational equity, meeting the basic transportationrelated needs of all people including women, the poor, the rural, and the disabled. Developed economies must work in partnership with developing economies in fostering practices of sustainable transportation. 3. Individual and Community Responsibility: All individuals and communities have a responsibility to act as stewards of the natural environment, undertaking to make sustainable choices with regard to personal movement and consumption. 4. Health and Safety: Transportation systems should be designed and operated in a way that protects the health (physical, mental and social well-being) and safety of all people, and enhances the quality of life in communities. 5. Education and Public Participation: People and communities need to be fully engaged in the decision-making process about sustainable transportation, and empowered to participate. In order to do this, it is important that they be given adequate and appropriate resources and support, including information, about the issues involved, as well as the benefits and costs of the array of potential alternatives. 6. Integrated Planning: Transportation decision makers have a responsibility to pursue more integrated approaches to planning. 7. Land and Resource Use: Communities should be designed to encourage sustainable transportation and enhance access, as a contribution to providing comfortable and

102

congenial environments for living. Transportation systems must make efficient use of land and other natural resources while ensuring the preservation of vital habitats and other requirements for maintaining biodiversity. 8. Pollution Prevention: Transportation needs must be met without generating emissions that threaten public health, global climate, biological diversity or the integrity of essential ecological processes. 9. Economic Well-Being: Taxation and economic policies should work for, and not against, sustainable transportation, which should be seen as contributing to improvements in economic and community well-being. Market mechanisms should support fuller cost accounting, reflecting the true social, economic and environmental costs, both present and future, in order to ensure users pay an equitable share of costs. (OECD 1997, 61-64; vgl. Becker/Gerike/Völlings 1999, 108; Frewein 2006a, 48f)

2.2.2 Das Kyoto-Protokoll

Das Kyoto-Protokoll83 besteht aus einer Präambel, 28 Artikeln und der Anlage A und B. Art. 3 Abs. 1 KyotoP verpflichtet die in Anlage B KyotoP genannten Vertragsparteien84 zur Reduktion von sechs angeführten Treibhausgasemissionen um mindestens 5% (Referenzjahr 1990) im Zeitraum zwischen 2008 und 2012. Zudem muss jede Vertragspartei bis zum Jahr 2005 bei der Erfüllung ihrer eingegangenen Verpflichtungen nachweisbare Fortschritte erzielt haben (Art. 3 Abs. 2 KyotoP) Die sechs reglementierten Treibhausgase gemäß

Anlage A KyotoP sind: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFCs), perfluorierte Kohlenwasserstoffe

(FKW/PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6). Für die Kalkulation der Gesamtmenge sowie der Emissionsreduktionsmenge von Treibhausgasen für die einzelnen Vertragsstaaten werden für die ersten drei laut Art 3 Abs. 7 KyotoP die Werte von 1990 verwendet. Für die restlichen drei Treibhausgase kann zwischen 1990 oder 1995 gewählt werden. (Kerschner/Wagner 2001, 13; Hauger 2003, 271) Daneben werden auch die Wirtschaftssektoren und Quellen für den Treibhausgasausstoß aufgelistet sowie eine Definition für die mengenmäßige Emissionsbegrenzung- und Emissionsreduktionsverpflichtung für die einzelnen Industriestaaten festgelegt. (Anlage A und B KyotoP) Die einzelnen Länder haben dabei verschiedene Vorgaben, die von ihrer wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. „Die Entwicklungsländer sind von diesem Reduktionsszenario ausgeklammert.“ (Kerschner/Wagner 2001, 13) Allerdings können die Industrieländer im Rahmen des so genannten Clean Development Mechanism (CDM)

83 URL: [31.03.2015] 84 Die in Anlage B genannten Staaten umfassen alle Industriestaaten sowie alle osteuropäischen „Vertragsparteien im Übergang zur Marktwirtschaft“ (Transitionländer). Mit den Nicht Anlage B Länder sind in der Regel alle Entwicklungs- und Schwellenländer gemeint. Diese Unterscheidung geht auf die Anlage I der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) zurück. 103

Projekte zur Treibhausgasreduzierung in Entwicklungsländer fördern und sich diese ersparten Emissionen anrechnen lassen. (Art. 12 KyotoP; Hauger 2003, 272) Erwähnenswert ist auch noch der Art. 17 KyotoP, der den Vertragsparteien das Recht einräumt einen weltweiten Handel mit so genannten Emissionsrechten (Emissions Trading) zu führen. Damit können Staaten, die eine höhere als vom Kyoto-Protokoll erlaubte Treibhausgasemission haben, von Staaten mit geringeren Treibhausgasemissionen, Emissionsrechte kaufen. Allerdings muss aber am Ende wieder jene Reduktion der Emission herauskommen, welche im Protokoll verankert ist (Art. 3 Abs. 1 KyotoP) und dieser Handel soll nur als Ergänzung zu den im eigenen Land ergriffenen Maßnahmen dienen. Daneben können die Anlage B Länder auch Klimaprojekte in anderen Anlage B Länder fördern, allerdings müssen beide Staaten einer Reduktionsverpflichtung unterliegen. Angerechnet werden diese Maßnahmen dem Förderland. Dieser Mechanismus wird als Joint Implementation (JP) bezeichnet (Art. 6 KyotoP). Zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung bei der Erfüllung der Emissionsbegrenzung und der Reduktionsziele werden die Anlage B Länder in Art. 2 Abs. 1 KyotoP zu folgenden Maßnahmen verpflichtet:  Verbesserung der Energieeffizienz in maßgeblichen Bereichen der Volkswirtschaft;  Förderung von nachhaltigen Maßnahmen, die zur Senkung der Treibhausgase beitragen (z. B. Neu- und Wiederaufforstung von Wäldern);  Förderung von nachhaltigen Formen der Landwirtschaft unter Berücksichtigung des Klimawandels;  Erforschung und Förderung von erneuerbaren Energieformen sowie sonstiger innovativer und umweltverträglicher Technologien;  Fortschreitende Verringerung oder schrittweise Abschaffung von Marktverzerrungen und fiskalischen oder steuerlichen Subventionen, die im Widersprich zu den Zielen des Protokolls stehen; Anwendung von marktkonformer Instrumenten;  Ermutigung zu geeigneten Reformen in maßgeblichen politischen Bereichen zur Emissionsreduzierung;  Maßnahmen im Verkehrsbereich zur Begrenzung und/oder Reduktion von Treibhausgasen im Verkehrsbereich;  Begrenzung und/oder Reduktion von Methangasen. Das Kyoto-Protokoll ist am 16. Februar 2005 in Kraft getreten. Für das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls mussten zwei Bedingungen erfüllt werden. Einerseits musste es von mindestens 55 Vertragsstaaten ratifiziert werden, und andererseits mussten unter diesen wiederum Anlage B Länder sein, die für 55% der gesamten CO2-Emissionen dieser Ländergruppe verantwortlich sind (Art. 25 KyotoP Abs. 1). Im Jahr 2002 wurde durch die Ratifikation Islands die Zahl von 55 Staaten erreicht und mit der Ratifikation Russlands konnte schließlich 2004 auch die zweite Bedingung erfüllt werden. Die USA und Kanada als einzige Industrieländer und größere Treibhausgasemittenten haben das Protokoll bis

104

heute nicht ratifiziert bzw. sind ausgetreten. Inzwischen sind 192 Staaten und die EU dem Kyoto-Protokoll entweder beigetreten, haben es ratifiziert oder dem Protokoll zugestimmt (Stand März 2015).85 Auf der Weltklimakonferenz in Durban wurde 2011 beschlossen, dass das Kyoto-Protokoll verlängert werden soll. Beim Weltklimagipfel in Doha wurde schließlich eine Verlängerung beschlossen. Diese zweite Verpflichtungsperiode beginnt am 1. Jänner 2013 endet und am 31. Dezember 2020. Bei „Kyoto II“ haben sich 37 Länder, die für rund 15% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, zu einer weiteren Reduktion verpflichtet (Österreich: -16%). Allerdings machen einige Staaten nicht mehr mit. Kanada ist bereits 2011 aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen und Russland und Japan wollen sich zu keinen weiteren Reduktionszielen verpflichten. 2015 soll ein neuer Weltklimavertrag auf der UN-Klimakonferenz in Paris verabschiedet werden, der ab 2020 verbindliche Ziele vorsieht. Erstmals wollen auch die USA und China verbindliche Reduktionsziele akzeptieren. (Anderl et al. 2012, 62f; Epiney 2013, 490f; DS 8.12.2012; TT 12.12.2011a/b, 8.12.2012, 23.02.2015)

2.2.3 Umsetzung in der EU und in Österreich

Die Europäische Union ratifizierte am 31. Mai 2002 mit der Entscheidung 2002/358/EG86 das Kyoto-Protokoll. Für die Erfüllung der Verpflichtungen sind sowohl Maßnahmen auf der Gemeinschaftsebene als auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten notwendig. Innerhalb der EU wurden die Reduktionsverpflichtungen von insgesamt 8% auf die einzelnen Mitgliedstaaten aufgeteilt, die wiederum nationale Aktionspläne aufstellten. Diese Lastenverteilung (burden sharing) ist gemäß Art. 4 KyotoP erlaubt. Einige Mitgliedstaaten müssen Einsparungsmaßnahmen treffen (z. B. DE, DK -21%; LU -28%), während andere ihre Emissionen sogar steigern dürfen (z. B. GR +25%; PT +27%). Diese 8% müssen von den damaligen EU-15 erfüllt werden. Von den zwölf 2004 bzw. 2007 beigetretenen Mitgliedstaaten haben zehn Staaten individuelle Reduktionsziele zwischen 6 und 8%, die sie getrennt von den Vorgaben der EU-15 zu erfüllen haben. Die Mitgliedstaaten Zypern und Malta gehören nicht zu den in Anlage B KyotoP genannten Vertragsparteien und haben daher keine Verpflichtungen zu erfüllen. Österreich hat sich zu einer Reduktion von 13% gegenüber dem Jahr 1990 verpflichtet. (Hauger 2003, 271, Epiney 2013, 490f; Käller 2012,

85 URL: [31.03.2015] 86 E 2002/358/EG des Rates vom 25.04.2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen, ABl. L 130 vom 15.05.2002, 1-3. 105

Art. 191 Rn. 17; Anderl et al. 2010, 15; EK 201587) Zur Umsetzung der Vorgaben des Kyoto-Protokolls wurde 2000 das Europäische Programm zur Klimaänderung (ECCP) verabschiedet, das neben Maßnahmen im Bereich des Kraftfahrzeugverkehrs und Maßnahmen zur Energieeffizienz bzw. dem verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien mit der RL 2003/87/EG88 (geändert durch RL 2009/29/EG89) auch die gemeinschaftsweite Einführung des Emissionshandels vorsah (seit 1. Jänner 2005 in Kraft). (Epiney 2013, 491; Calliess 2011b, Art. 192 Rn. 5; Anderl et al. 2012, Rn. 55f; Kahl 2012, Art. 192 Rn. 5, 15) Mit diesen Treibhausgasemissionsrechten, so genannten „Zertifikaten“, wird die

Berechtigung zur Emittierung einer Tonne CO2 oder eines anderen Treibhausgases mit äquivalenter Wirkung auf einen bestimmten Zeitraum erworben. Daneben unterliegen seither bestimmte Anlagen einer Genehmigungspflicht, um Treibhausgase emittieren zu können (z. B. Bereiche Energie, Eisenmetallverarbeitung und -erzeugung sowie die Papierindustrie). Gemäß nationalen Zuteilungsplänen werden diese Zertifikate (zunächst kostenlos) an die einzelnen Unternehmen vergeben. Unternehmen die ihre Emissionen derart senken, dass sie unterhalb der zugeteilten Zertifikatsmenge bleiben, können diese überschüssigen Berechtigungen gemeinschaftsweit an andere Unternehmen verkaufen, die ihre zugeteilten Emissionszertifikate überschreiten. (Epiney 2013, 491-497) „Ein Mitgliedstaat kann sich auch den Emissionsabbau anrechnen […], der außerhalb der außerhalb seiner Grenzen stattgefunden hat (‚flexible Mechanismen’).“ (Calliess 2011b, Art. 192 Rn. 5) Durch die RL 2004/101/EG90 wurde der Emissionszertifikathandel für europäische Unternehmen durch die Anrechenbarkeit von weltweit emissionsreduzierenden Projekten erweitert. Damit wurden die „Gutschriften“ aus JP- und CDM-Projekten in Rechnungseinheiten innerhalb des Emissionshandelssystems umgewandelt. (Calliess 2011b, Art. 192 Rn. 5; EK 201591) Zu einer weiteren Bekämpfung der negativen Folgen des Klimawandels verpflichtet sich die EU gemäß dem Klima- und Energiepaket einseitig zu einer Senkung der

87 URL: [31.03.2015] 88 RL 2003/87/EG des EP und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der RL96/61/EG des Rates, ABl. L 275 vom 25.10.2003, 32-46. 89 RL 2009/29/EG des EP und des Rates vom 23.04.2009 zur Änderung der RL 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des Gemeinschaftssystems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten, ABl. L 140 vom 5.6.2009, 63-87. 90 RL 2004/101/EG des EP und des Rates vom 27.10.2004 zur Änderung der RL 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft im Sinne der projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls, ABl. L 338 vom 13.11.2004, 18-23. 91 Siehe Fn. 87. 106

Treibhausgasemissionen gegenüber dem Niveau von 1990 um 20% bis 2020. Dieses Klimaschutzpaket sieht gemäß Entscheidung 406/2009/EG92 (idgF RL 2013/18/EU) für Österreich eine Reduktion von 16% bis 2020 vor. Dieses ehrgeizige Ziel wurde auf dem Europäischen Rat am 8. und 9. März 2007 beschlossen. Damit verfolgt die EU die Strategie, dass die globale Erwärmung auf 2°C begrenzt werden soll. Durch verschiedene Maßnahmen soll dieses Ziel erreicht werden, wie z. B. Verbesserung der Energieeffizienz und Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien um jeweils 20% bis 2020. Für Österreich gilt gemäß RL 2009/28/EG93 im Bereich der erneuerbaren Energie ein Anteil von 34% vorgesehen. Im Verkehrsbereich ist die Steigerung des Anteils von erneuerbaren Energieträgern auf 10% bis 2020 vorgeschrieben. Zudem wird mit der RL 2008/101/EG94 der Flugverkehr in das Emissionshandelssystem einbezogen. (Epiney 2013, 497f, 502; Anderl et al. 2010, 7f, 16- 19; Anderl et al. 2012, 8; 47, 54; Kahl 2012, Art. 191, Rn. 15; EK 201595) Mit der RL 2009/30/EG96 zur Qualität der Treibstoffe werden die Treibstoffproduzenten bei der Herstellung, dem Transport und der Nutzung zu einer Treibhausgasreduktion von 6% bis 2020 verpflichtet. Aber auch bei den Neuwagen wurde mit der VO 443/200997 der Hebel angesetzt. Dadurch soll das Ziel zusammen mit der Automobilindustrie erreicht werden, dass Neuwagen durchschnittlich nur mehr 120 g CO2 pro Kilometer ausstoßen. (Epiney 2013, 497f; Anderl et al. 2010, 19; Frerich/Müller 2004b, 603) Im Jahr 2002 verabschiedete die Bundesregierung die „Strategie Österreichs zur Erreichung des Kyoto-Ziels“, wobei bereits die Evaluierung 2007 zeigte, dass noch deutliche Mehranstrengungen zur Erreichung notwendig sind. Österreich lag 2003 19,2% über den Reduktionsvorgaben. Die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrssektor stiegen von 1990 bis 2004 um 11,1 Mio. t, was einer Zunahme von 87% entsprach. Bis 2005 stiegen die

92 E 406/2009/EG des EP und des Rates vom 23.04.2009 über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen mit Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020, ABl. L 140 vom 5.6.2009, 136-148. 93 RL 2009/28/EG des EP und des Rates vom 23.04.2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der RL 2001/77/EG und 2003/30/EG, ABl. L 140 vom 5.6.2009, 16-62. 94 RL 2008/101/EG des EP und des Rates vom 19.11.2008 zur Änderung der RL 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, ABl. L 8 vom 13.1.2009, 3-21. 95 URL: [31. 03.2015] 96RL 2009/30/EG des EP und des Rates vom 23.04.2009 zur Änderung der RL 98/70/EG im Hinblick auf die Spezifikationen für Otto-, Diesel- und Gasölkraftstoffe und die Einführung eines Systems zur Überwachung und Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Änderung der RL 1999/32/EG des Rates im Hinblick auf die Spezifikationen für von Binnenschiffen gebrauchte Kraftstoffe und zur Aufhebung der RL 93/12/EWG, ABl. L 140 vom 5.6.2009, 88-113. 97 VO (EG) Nr. 443/2009 des EP und des Rates vom 23.04.2009 zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2- Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen, ABl. L 140 vom 5.6.2009, 1-15. 107

Emissionen um sogar 91,6% an. Als Hauptverursacher galten laut Umweltbundesamt das nach wie vor steigende Verkehrswachstum in Österreich und der Tanktourismus aufgrund der relativ niedrigen Treibstoffpreise im Vergleich zu den Nachbarländern (z. B. in Tirol). Trotz aller Initiativen war Österreich von einer Erreichung des ehrgeizigen Reduktionsziels auch 2006 (+11 t Mio. t CO2-Äquivalente oder +18,2%) noch weit entfernt. (Gugele et al. 2007, 32f; Anderl et al. 2010, 15; ORF ON 27.10, 31.10.2006; 9.12.2007; DS 28.11.2007; 16.01.2008b; Befragung Westerhof 2006) Im Jahr 2008, dem ersten Jahr der Kyoto-Periode, betrugen die Treibhausgasemissionen in

Österreich 86,6 Mio. t CO2-Äquivalente. Inklusive dem Emissionshandels und der JP- und

CDM-Projekte überschritt Österreich die Zielvorgaben um 6,9 Mio. t CO2-Äquivalente. Insgesamt lagen die Emissionen 2008 um 10,9% über dem Niveau von 1990, wobei aber seit 2005 die Emissionen zurückgehen. Damit lag Österreich an drittletzter Stelle innerhalb der EU. Neben den Sektoren Industrie und produzierendes Gewerbe ist der Verkehr einer der größten CO2-Emittenten innerhalb der EU. Insbesondere gilt der Verkehr mit jährlichen

Zuwachsraten als einer der größten CO2-Verursacher. In Österreich. 2008 hatte der Verkehr einen Anteil von 26,8% an den gesamten österreichischen Treibhausgasemissionen. (Anderl et al. 2010, 7-9, 33, 52; ORF ON 1.06.2010; DS 6.08.2010) „Der Verkehrssektor ist mit rund 3,7 Mio. t CO2-Äquivalenten der Sektor mit der größten Abweichung zum sektoralen Ziel der Klimastrategie.“ (Anderl et al. 2010, 9, 37) Diese Aussage wird insbesondere dadurch verdeutlicht, dass die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zwischen 1990 und 2008 um 60,8%, von 14 Mio. auf 22,6 Mio. t anstiegen. Wie auch im Bericht von 2007 bleibt der Straßenverkehr 2008 der größte Verursacher, wobei der Personenverkehr für 15

Mio. t CO2-Äquivalente (55,5%) und der Güterverkehr für 9,2 Mio. t verantwortlich waren. Vor allem beim Schwerverkehr (schwere Nutzfahrzeuge) sind die Emissionen im Zeitraum von 1990 bis 2008 um 146,2% angestiegen. Nach wie vor ist auch der Tanktourismus ein gravierendes Problem für Österreichs Klimabilanz. Aufgrund der Wirtschaftskrise 2009 gingen sowohl die Verkehrsleitung als auch der Kraftstoffverbrauch (seit 2007 Beimischung von Biokraftstoff) in Österreich zurück. (Anderl et al. 2010, 42f, 110f) Im Klimaschutzbericht 2011 des Umweltbundesamtes wurden die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2009 analysiert. Im zweiten Jahr der Kyoto-Periode betrugen die

österreichische Treibhausgasbilanz 80,1 Mio. t CO2-Äquivalent. Inklusive aller Maßnahmen (Emissionshandel, JP/CDM-Projekte) lagen die Emissionen immer noch mit 5 Mio. t über dem jährlichen Durchschnittswert des Kyoto-Ziels. Das Ziel wird nach wie vor deutlich verfehlt, obwohl die Emissionen seit 2005 sinken. Der Rückgang ist neben dem Einsatz von

108

erneuerbaren Energieträgern und Energieeffizienzmaßnahmen vor allem auf die Wirtschaftskrise 2009 festzumachen. Gegenüber 2009 beträgt der Rückgang 7,9% (6,9 Mio. t). Trotz dieses enormen Rückgangs lagen die Emissionen immer 2,9% über dem Niveau von 1990. (Anderl et al. 2011, 7; DS 12.07.2011; ORF ON 12.07.2011) Immer noch ist der Verkehr der Hauptemittent der Treibhausgasemissionen in Österreich. „Im Verkehrssektor sind die Emissionen im Wesentlichen seit 2005 rückläufig, zuletzt (2008/09) jedoch vor allem krisenbedingt. Nichtsdestotrotz ist der Verkehr mit rund 2,8 Mio. Tonnen CO2-Äquivalnet der Sektor mit der größten Abweichung […].“ (Anderl 2011, 10) Trotz aller Maßnahmen (z. B. Biokraftstoffe) ist hier nicht absehbar, ob das sektorale Ziel der Klimastrategie erreicht werden kann. Hier sieht das Umweltbundesamt bis 2020 das größte Potential zur Reduzierung (v. a. Umsetzung der Energiestrategie). Kurzfristig sind z. B. Tempolimits und die Förderung des öffentlichen Verkehrs Maßnahmen zur Emissionsreduzierung. (Anderl et al. 2011, 10) Wie bereits 2008 ist der Straßenverkehr mit 96,6% immer noch der größte Verursacher des Sektor Verkehrs. Davon entfielen auf den

Personenverkehr 12,7 Mio. t (58,5%) und den Güterverkehr 8,3 Mio. t (38,1%) CO2- Äquivalente. Den Rest teilen sich die andren Verkehrsträger. Dazu kommt aufgrund des Preisunterschiedes immer noch der Kraftstoffexport ins benachbarte Ausland (6 Mio. t). Insgesamt gingen im Verkehrssektor aber wegen der Wirtschaftskrise die Emissionen gegenüber 2008 um 4% (0,9 Mio. t) zurück. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs und der weiteren Konjunkturerholung seit 2010 wird sich dieser Trend in der Zukunft wohl wieder umkehren. Gerade durch den neuerliche Anstieg des Lkw-Verkehrs ist wieder mit höheren Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zur rechnen. Zu einer nachhaltigen Reduktion würden auch umfangreiche Maßnahmen notwendig sein, die den hohen Export von Kraftstoff verringern. (Anderl et al. 2011, 28, 117f) Im November 2011 verabschiedete die österreichische Bundesregierung das Klimaschutzgesetz (KSG98). „Darin sind Höchstmengen für die Sektoren […] vorgeschrieben, die für die Periode 2008 bis 2012 den Zielwerten der Klimastrategie 2007 entsprechen.“ (Anderl et al. 2012, 57) Damit sollen die festgesetzten Treibhausgas- Höchstwerte eingehalten werden und es werden Maßnahmen für den Klimaschutz festgelegt. In einer Novelle sollen die Höchstwerte für die Periode bis 2020 festgelegt werden. (Anderl et al. 2012, 57f)

98 Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutzgesetz – KSG), BGBl. I Nr. 106/2011 idF BGBl. I Nr. 94/2013. 109

Auch im dritten Jahr der Kyotoperiode zeigen die Zahlen des Klimaschutzberichtes 2012 des Umweltbundesamtes wiederum eine deutliche Zielabweichung. Die österreichischen

Treibhausgasemissionen betrugen 2010 84,6 Mio. t CO2-Äquivalent. Inklusive aller Maßnahmen (Emissionshandel, JP/CDM-Projekte) lagen die Emissionen 6,2 Mio. t über dem jährlichen Durchschnittswert des Kyoto-Ziels (+8,2% über dem Niveau von 1990). Seit 2005 sinken zwar die Treibhausgasemissionen. Insbesondere 2008 und 2009 gab es aufgrund der Wirtschaftskrise einen deutlichen Rückgang. 2010 war aber wieder ein deutlicher Anstieg von 6,1% zu verzeichnen (dennoch bleiben die Emissionen 2,7% unter dem Niveau von 2008). (Anderl et al. 2012, 7; DS 27.07.2012) Im Sektor Verkehr sind durch die Wirtschaftserholung die Treibhausgasemissionen 2010 um 3% (0,6 Mio. t CO2-Äquivalent) angestiegen. Damit ist dieser Bereich der zeitgrößte Verursacher in Österreich. (Anderl et al. 2012, 116) „Der Verkehr ist mit rund 3,6 Mio. t

CO2-Äquivalent der Sektor mit der größten Abweichung zum sektoralen Ziel der Klimastrategie.“ (Anderl et al. 2012, 10) Von 1990 bis 2010 gab es einen Zuwachs von 60%. Trotz Einsatz von Gegenmaßnahmen (z. B. Biokraftstoffe, Erhöhung der Mineralölsteuer 2011, Ökologisierung der NoVA) wird das Ziel über die gesamte Kyoto- Periode deutlich verfehlt werden. Hauptemittent im Bereich des Verkehrssektors bleibt mit 97,3% der Treibhausgasemissionen der Straßenverkehr. Davon entfallen 41% auf den Güterverkehr (56,3% Personenverkehr). (Anderl et al 2012, 116f) „Von 1990 bis 2010 sind die Treibhausgasemissionen im des Schwerverkehrs […] um rund 147% gestiegen.“ (Anderl et al. 2012, 119) Beim Pkw-Verkehr betrug der Anstieg lediglich 38%. Der Kraftstoffexport ins benachbarte Ausland war für 6,9 Mio. t CO2-Äquivalent verantwortlich, was gegenüber 2009 einer Steigerung von 14,2% entspricht. (Anderl et al. 2012, 116)

2012 wurden 80,2 Mio. t CO2-Äquivalent ausgestoßen, was einer Reduktion von 3,3% (2,7 Mio. t) gegenüber 2011 entspricht. Somit konnte Österreich die Vorgaben des Kyoto-Ziels für die Jahre 2008 bis 2012 nicht erreichen. Mit 414,3 Mio. t CO2-Äquivalent wurde der

Zielwert von 343,9 Mio. t CO2-Äquivalent deutlich überschritten. Bei einem Verfehlen des Kyoto-Ziels wären für Österreich Strafzahlungen im Wert von bis zu einer Milliarde Euro möglich gewesen. Rund 70 Mio. t CO2-Äquvivalente müssen durch die flexiblen Instrumente abgegolten werden, was rund 500 Mio. Euro kosten dürfte. Schließlich wurde in der Treibhausgas-Inventur 2013 abermals ein Rückgang der Emissionen gegenüber dem

Vorjahr festgestellt. Insgesamt wurden in Österreich 79,6 Mio. t CO2-Äquivalent

110

ausgestoßen. (DS 12.01., 12.07.2011, 16.01.2012; ORF ON 12.01.2011; TT 15.01.2014; Umweltbundesamt 201599)

2.3 SCHLUSSFOLGERUNG

Die Alpenkonvention und des Kyoto-Protokoll bilden zwei bedeutende Vertragswerke für die Ausgestaltung der europäischen und österreichischen Umwelt- und Verkehrspolitik. Sowohl die Union, als auch Österreich sind jeweils als Vertragsparteien an die getroffenen Vereinbarungen gebunden. Besonders das Protokoll Verkehr der Alpenkonvention enthält sehr umfangreiche und präzise Vorgaben für die zukünftige Verkehrspolitik (z. B. Art. 11 VerkP). Eine Reduktion der Treibhausgase, wie im Kyoto-Protokoll vereinbart, wird auch von der zukünftigen Entwicklung des Verkehrsaufkommens abhängen. Durch den jährlichen Anstieg des Verkehrsvolumens werden aber die Vorgaben in Österreich ernsthaft gefährdet.

99 URL: ; [31.05.2015] 111

TEIL III: EUROPÄISCHE VERKEHRSPOLITIK 3. EUROPÄISCHES VERKEHRSRECHT

3.1 ZIELE UND RECHTLICHE GRUNDLAGEN

3.1.1 Allgemeines

„Wegen seiner strategischen Bedeutung für die Volkswirtschaft haben die einzelnen europäischen Staaten den Verkehr schon Anfang […] [des 20.] Jahrhunderts einem besonderen rechtlichen Regime unterworfen, das diesen Wirtschaftszweig gegen die Gefahren freien Wettbewerbs abschotten sollte.“ (Jung 2011, Art. 90 Rn. 1) Bereits im EWG-Vertrag von 1958 wurde die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik mit gleichen ordnungspolitischen Regeln für alle Mitgliedstaaten gefordert (ex-Art. 3 lit. e EWGV) und ein eigner Verkehrstitel in den Vertrag eingefügt (Titel IV, ex-Art. 74 bis 84 EWGV). Daher gehört der Verkehr100 laut Schäfer zu den „Urkompetenzen“ der Europäischen Gemeinschaft/Union. Der Verkehr gehört zu den „Politiken der Union“101, was sich mit dessen Bedeutung für die Errichtung des gemeinsamen Marktes (ex-Art. 3 Abs. 1 lit. h EGV) bzw. Binnenmarktes102 erklären lässt. Der Verkehr ist einerseits Bestandteil des Binnenmarktes und andererseits ein entscheidendes Instrument für dessen Verwirklichung bzw. Funktionieren. Dies kam insbesondere auch dadurch zur Geltung, dass vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in ex-Art. 14 Abs. 1 EGV (Binnenmarkt) auf ex-Art. 80 EGV (Verkehr) verwiesen wurde.103 Daneben ist die Verkehrspolitik der Union ein wichtiges Instrument der europäischen Integration. Das Thema „Verkehr“ wird in den Verträgen (EUV bzw. AEUV104) auch außerhalb des Verkehrstitels an mehreren Stellen

100 Der Begriff „Verkehr“ (EN: transport) der Art. 90 bis 100 AEUV umfasst die internationale und gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Gütern von A nach B. Der private Individualverkehr fällt mit Ausnahme der Verkehrssicherheit (Art. 91 Abs. lit. c AEUV) nicht unter die Art. 90 bis 100 AEUV. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 12, 14) 101 Im Europarecht sind laut Jung „Politiken“ Gestaltungsaufgaben, die die Union zu erfüllen hat. „Politik der Union“ bedeutet, dass die Union selbst und unmittelbar gesetzliche Regelungen oder Entscheidungen erlassen kann und nicht auf eine vorrangige Angleichung der nationalen Rechtssysteme durch die Mitgliedstaaten angewiesen ist. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 3) 102 Nach der Definition im Art. 26 Abs. 2 AEUV umfasst der Binnenmarkt „einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“. 103 Seit dem Vertag von Lissabon ist dieser Verweis im Art. 26 Abs. 1 AEUV nicht mehr enthalten. Allerdings zählen zu den „Bestimmungen der Verträge“ auch die Vorschriften der Gemeinsamen Verkehrspolitik (Art. 90 - 100 AEUV). (Jung 2011, Art. 90 Rn. 2) 104 Der Vertrag von Lissabon hat mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 die Nummerierung und teilweise den Inhalt der Artikel von EUV und EGV (jetzt AEUV) geändert; nachfolgend wird durchgehend die neue Nummerierung benutzt und die alte in Klammer angeführt. Wenn ausnahmsweise die früher geltende Nummerierung zitiert wird, so ist das jeweils kenntlich gemacht. 112

explizit angesprochen.105 (Jung 2011, Art. 90 Rn. 1-3, 9; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 1; Mückenhausen 2010, 90 Rn. 2; Kummer 2010, 234; Lehmkuhl 2008, 254) Der herausragende Stellenwert der Verkehrspolitik im AEUV lässt sich mit folgenden Faktoren erklären:  Wirtschaftliche Bedeutung des Verkehrs: Auf den Verkehrssektor der EU-28 (inklusive Umschlag, Lagerei und Werksverkehr) entfielen 2011 rund 548 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung (4,8% der gesamten BWS) und rund 11,2 Mio. Beschäftigte (5,0% aller Beschäftigten). (EK 2014, 19; vgl. Bieber et al. 2013, § 24 Rn. 1) 2010 erwirtschaftete der Verkehrssektor gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) 5% des Wohlstands der EU-27, und mehr als zehn Mio. Arbeitsplätze hängen von ihm ab. (KOM(2011) 144 endg., 5) 2012 wurden im Güterverkehr (EU-28) über 3.768 Mrd. tkm (2007 3.632 Mrd. tkm) verzeichnet und im Personenverkehr 6.391 Mrd. pkm (Mittelwert von 12.652 km pro Person). (EK 2014, 19) Daneben fließen noch bis 1,5% der staatlichen Mittel in die Verkehrsinfrastruktur. Die Privathaushalte der EU-27 gaben 2008 ca. 950 Mrd. Euro bzw. 13% des Einkommens für Mobilität aus. Der Verkehrssektor ist allein schon deshalb ein wichtiger Wirtschaftssektor. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 21) Ohne Mobilität von Gütern und Personen würde die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Märkten verloren gehen.  Daseinsvorsorge und Kohäsion: Darunter fallen z. B. die ausreichende Versorgung/Anbindung bzw. Entwicklung bestimmter peripherer Regionen sowie die Aufrechterhaltung flächendeckender Transportnetze. Dadurch profitieren alle Regionen der Union. (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 5; vgl. Epiney/Gruber 1997, 11-12)  Nationale Verkehrspolitiken: Die Etablierung eines gemeinsamen Marktes machte ein gemeinsame Verkehrspolitik unabdingbar. Durch die nationalen Verkehrspolitiken (restriktiv gegen liberal) und unterschiedliche Regulierungen der Verkehrsmärkte (Monopole, Kontingente etc.) der Gründerstaaten traten zahlreiche Hindernisse im zwischenstaatlichen Handel auf. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine bloße Liberalisierung nicht Ziel führend gewesen. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 2f; vgl. Epiney/Gruber 1997, 11-12)  Verwirklichung des Binnenmarktes: Die Umsetzung der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes benötigt eine effiziente Verkehrsinfrastruktur und einheitliche Verkehrsmarktregelungen, damit die Mobilität (grenzüberschreitende Güter- und Personenbeförderung) auch umgesetzt werden kann. Der Binnenmarkt funktioniert nur durch freie Transportströme. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 10; vgl. Epiney/Gruber 1997, 11-12) Allerdings bedeutet dieser hervorragende Stellenwert der Verkehrspolitik nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Union in diesem Sektor. Seit dem Vertrag von Lissabon besteht gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. g AEUV im Bereich Verkehr in der Gesetzgebung eine geteilte Zuständigkeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten (Jung 2011, Art., 90 Rn. 3f; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 1; Mückenhausen 2010, Art. 90 Rn. 1; Schroeder 2012, 37). Auch die transeuropäischen Netze gehören zu den geteilten Zuständigkeiten (Art. 4 Abs. 2 lit. h AEUV). „In den Bereichen, für die der AEUV der Union eine geteilte Zuständigkeit

105 Das sind die Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 4 Abs. 2 lit. g und h, 58 Abs. 1, 207 Abs. 5, 170 Abs. 1, 171 Abs. 1, 177 und 201 AEUV. 113

überträgt, können neben der Union auch die Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 AEUV).“ (Hellman 2009, 56) Dies wird aber in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 AEUV wieder eingeschränkt, indem „die Mitgliedstaaten [ihre] Zuständigkeit jedoch nur wahrnehmen [können], ‚sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat’, und sie können diese ‚erneut’ wahrnehmen, ‚sofern und soweit die Union entschieden hat, ihre Zuständigkeit nicht mehr auszuüben’“. (Eilmansberger 2009, 196) Somit entsteht eine Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten, die dieselbe Regelung umfassen. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 4; Schroeder 2012, 37) Allerdings ist hier aber auch der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung106 bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union zu beachten. Daher kommt in der Verkehrspolitik für die Ausübung der Zuständigkeit laut Art. 5 Abs. 1 EUV das Prinzip der Subsidiarität107 (Art. 5 Abs. 3 EUV) und der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 4 EUV)108 zur Anwendung. Seit 1993 (Vertrag von Maastricht) bestimmt das Subsidiaritätsprinzip, welche staatliche Ebene in welchen Fällen tätig werden darf. (Hellmann 2009, 58f, Eilmansberger 2009, 196f; Jung 2011, Art. 90 Rn. 4-6; Epiney/Gruber 2001, 20-23; Bieber et al. 2013, §3 Rn. 31-34; Epiney et al. 2013, 27f; Ehlotzky 2014, 73f) „Entscheidend für die Abgrenzung zwischen nationalen und europäischen Gesetzgebungszuständigkeiten für die Verkehrspolitik sind deshalb […] nur noch das Subsidiaritätsprinzip und der konkrete Umfang möglicherweise bereits getroffenen Unionsregelungen.“ (Jung 2011, Art. 90 Rn. 6) Dies hat zur Folge, dass die verkehrspolitischen Aktivitäten immer noch primär in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten fallen, während die Union den normativen Rahmen für die nationalen Verkehrspolitiken liefert. (Neisser/Verschraegen 2001, 101; Jung 2011, Art. 90 Rn. 13; vgl. Benz 2009, 27f) Früher wurde die Abgrenzung zwischen nationalen und europäischen Zuständigkeiten für den „Verkehr“ auf die Aussagen des AEUV in Art. 91 zur

106 Art. 5 Abs. 2 EUV: „Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaaten.“ 107 Art. 5 Abs. 3 EUV: „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Die Organe der Union wenden das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an. Die nationalen Parlamente achten auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach dem in jenem Protokoll vorgesehenen Verfahren.“ 108 Art. 5 Abs. 4 EUV: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus. Die Organe der Union wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an.“ 114

Kompetenzabgrenzung gerichtet. Seit dem Vertrag von Lissabon spielt dies keine Rolle mehr. Lediglich im Bereich des Außenverkehrs mit Nicht-EU-Staaten bedarf es einer Abgrenzung gegenüber der ausschließlichen Zuständigkeiten der Union (vgl. Punkt 3.1.3). (Jung 2011, Art. 90 Rn. 6f)

3.1.2 Ziele und Grundsätze der gemeinsamen Verkehrspolitik

„Zu den Zielen der europäischen Verkehrspolitik zählen die Herstellung, Bewahrung und Verbesserung eines funktionierenden Binnenmarktes im Bereich des internationalen und transnationalen Verkehrs der Europäischen Union.“ (Schäffer 2011, 368) Dabei umfasst die europäische Verkehrspolitik den Straßen-, Eisenbahn-, Binnenschiff- und Luftverkehr sowie die Hochseeschifffahrt.109 „Neben einem wirtschaftspolitischen Schwerpunkt sollen durch die Verkehrspolitik der EU technische Standards harmonisiert, arbeitsrechtliche Sozialnormen durchgesetzt und ökologische Aspekte beachtet werden.“ (Schäffer 2011, 368) Die Ziele der gemeinsamen Verkehrspolitik lassen sich aber nicht eindeutig aus dem AEUV entnehmen, da „[…] der Vertrag […] keine spezifischen Ziele des Verkehrsrechts selbst [formuliert].“ (Schroeder 2012, 34) Eines der wichtigsten Ziele ist aber seit den 1990er Jahren die Förderung einer nachhaltigen Mobilität (sustainable mobility). „Nachhaltig“ wird hier als umwelt- und sozialverträglich verstanden und damit wurde ein Paradigmenwechsel vom rein wirtschaftsdienlichen und wachstumsgläubigen Ansatz vollzogen. Ziel ist es einerseits einen drohenden Verkehrskollaps und die daraus resultierenden Umweltbelastungen zu reduzieren bzw. zu verhindern und andererseits soll durch eine sozialverträgliche Verkehrspolitik der Arbeitnehmerschutz verbessert werden. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 37-39) Neben der Verwirklichung dieser dauerhaften Mobilität hat die gemeinsame Verkehrspolitik, wie von Art. 90 AEUV verlangt, die „Ziele der Verträge“, die im Art. 3 EUV sowie in den Art. 26 und 119 AEUV festgehalten sind, zu verfolgen. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 12; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 40: Mückenhausen 2010, Art. 90 Rn. 6; Stadler 2012, Art. 90 Rn. 3; Ehlotzky 2014, 74f, 90f; Schroeder 2012, 34f) In Art. 3 EUV sind folgende relevante Punkte für die gemeinsame Verkehrspolitik zu entnehmen:  Die Errichtung eines Binnenmarktes und eines Raums ohne Binnengrenzen;  Nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und Preisstabilität;  Wettbewerbsfähige und soziale Marktwirtschaft;  Hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität;

109 Die Bereiche Binnenschiff-, Hochseeschiff- und Luftfahrt werden, da nicht Teil der im Rahmen der Arbeit zu behandelnden Fragestellung, explizit aus der Betrachtung ausgeschlossen. 115

 Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. „Die Ziele der gemeinsamen Verkehrspolitik sind also aus den allgemeinen Zielen der Verträge und aus den aktuellen verkehrspolitischen Erfordernissen abzuleiten. Eine konturenschärfere Zielsetzung im AEUV selbst würde die EU-Verkehrspolitik zwar berechenbarer machen, ihre Anpassung an neue Herausforderungen aber erschweren.“ (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 40) Neben diesen allgemeinen Vertragszielen können noch weitere Unterziele definiert werden, um zu einer ökologischen und sozial verträglichen Verkehrspolitik zu gelangen:  Verkehrsbinnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV): besteht aus den vier Grundfreiheiten, einem System unverfälschten Wettbewerbs und einer gemeinsamen Außenhandelspolitik; bereits durch die Liberalisierung (internationaler Verkehr und Kabotage) fast verwirklicht; erfordert aber noch eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen (Chancengleichheit);  Verbesserung der Verkehrssicherheit (Art. 91 Abs. 1 lit. c);  Förderung der Intermodalität (nachhaltige Mobilität) der Verkehrsträger: Aus- und Aufbau der TEN, Förderung des kombinierten Verkehrs, Herstellung der Kostenwahrheit, Verkehrsforschung und satellitengestützte Navigation;  Ausbau der internationalen Beziehungen zu Drittstaaten und internationalen Organisationen: Öffnung des Weltverkehrsmarktes und Verbesserung der Wettbewerbschancen der EU-Verkehrsunternehmen. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 41- 44; Mehl 2004, 64; vgl. Ehlotzky 2014, 90-93) Zur Erreichung der in Art. 3 EUV vorgegebenen allgemeinen Ziele umfasst die Tätigkeit der Union gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. g AEUV eine geteilte Zuständigkeit auf dem Gebiet des Verkehrs. Diese gemeinsame Verkehrspolitik bildet aber „[…] in wesentlichen Elementen einen Sonderfall der allgemeinen Bestimmungen über die Freizügigkeit im Waren- und Dienstleistungsverkehr und über die Angleichung der Wirtschaftspolitik, reicht z. T. aber darüber hinaus“ (z. B. Verkehrssicherheit). (Bieber et al. 2013, §24 Rn. 3) Es gelten im Verkehrssektor die allgemeinen Vertragsvorschriften (Ausnahme: leges speciales im Verkehrstitel), was sämtliche europäischen Grundfreiheiten (z. B. Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsrecht: Art. 45 bis 54 AEUV), das gesamte europäische Wettbewerbsrecht trotz „Besonderheiten des Verkehrs“ (siehe Punkt 3.1.3) und das Gebot einer offenen Marktwirtschaft (Art. 119 Abs. 1 AEUV) umfasst. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 16; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 8f, 45f; Stadler 2012, Art. 90 Rn. 3; Mückenhausen 2010, Art. 90 Rn. 4; Ehlotzky 2014, 91f, 95) Die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik gehört also nach Art. 4 AEUV zu den zentralen Aufgabenbereichen der Union, wie z. B. die gemeinsame Agrarpolitik. Nach den Zielen soll nun auf die Grundsätze der gemeinsamen Verkehrspolitik eingegangen werden. Neben den genannten Zielen haben sich mit der Zeit auch eine Reihe, teils

116

vertraglich nicht verankerte, Grundsätze etabliert, die die Politik der Unionsorgane nachhaltig prägen. Folgende Grundsätze beeinflussen die Gestaltung und Auslegung der gemeinsamen Verkehrspolitik:  Einsatz marktkonformer Mittel, d. h. Aufhebung dirigistischer Eingriffe des Staates in den Verkehrsmarkt (z. B. Festfrachten, Zugangsbeschränkungen, Genehmigungsvorbehalte und Kontingente). Dadurch Verwirklichung des übergeordneten Vertragsgrundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 119 Abs. 1, Art. 120 AEUV);  Grundsatz der freien Wahl des Verkehrsträgers (vertraglich nicht verankert);  Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Art. 18 sowie Art. 92, 95 und 97 AEUV);  Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EUV);  Grundsatz der Unionspräferenz, d. h. Bevorzugung bzw. Gleichbehandlung von Verkehrsunternehmern aus der EU gegenüber selbigen aus Drittstaaten; Prinzip des „externen Diskriminierungsverbotes“ ist vom EuGH anerkannt. (vertraglich nicht verankert) (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 45-50; Jung 2011, Art. 90 Rn. 16) Vor allem der nicht im Primärrecht der Union verankerte und von der Kommission entwickelte „Grundsatz der freien Wahl des Verkehrsträgers“110 ist inzwischen fester Bestandteil der gemeinschaftlichen Verkehrspolitik und findet auch teilweise in der Literatur Zustimmung. Dadurch ist es Benützern von Verkehrsinfrastruktur freigestellt, welchen Verkehrsträger sie für ihre individuellen Transportbedürfnisse nutzen. Allerdings sind einige Fragen dieses Prinzips ungeklärt: Es ist fraglich, ob es sich lediglich um eine politische Handlungsmaxime bzw. eine politische Prioritätensetzung oder um ein verbindliches Rechtsprinzip handelt und woraus es sich dieses ableiten lässt. (Kerschner/Wagner 2001, 23; Obwexer 2006, 212, 221; Wasserer 2009, 118; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 47; Ehlotzky 2014, 76-79; Schroeder 2012, 36; Epiney et al. 2013, 86f; Heuck 2013, 297-299) Verwiesen wird dabei auf die Verwirklichung des Binnenmarktes und auf das Bekenntnis zur offenen Marktwirtschaft mit freien Wettbewerb (Art. 119 Abs. 1 AEUV). Damit wäre ein hoheitlicher Zwang zur Benutzung eines bestimmten Verkehrsträgers unvereinbar. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 47; Epiney/Gruber 1997, 52; Epiney et al. 2013, 87) Mit der konsequenten Anwendung dieses Prinzips wäre zudem eine Einschränkung des politischen Gestaltungsspielraums verbunden. Die Union dürfte keinerlei Maßnahmen mehr setzten, um das Verhalten der Verkehrsteilnehmer bei der Verkehrsträgerwahl zu steuern. Das brächte allerdings den Ausschluss von Verkehrsverboten (seitens der Union bzw. der Mitgliedstaaten) für Beförderungen durch bestimmte Verkehrsträger mit sich (z. B. sektorale Fahrverbote). Daneben würde ein solches

110 Der Grundsatz der freien Wahl des Verkehrsträgers ist in keinem Rechtsakt der Union verankert. Eine Ausnahme bildet hier lediglich der Art. 1 Abs. 2 und Art. 32 des Landverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und der EU, worin dieses Prinzip ausdrücklich erwähnt wird und Schweizer Verfassungsrecht wiedergibt. (Wasserer 2009, 118; vgl. Ehlotzky 2014, 77f; Epiney et al. 2013, 86; Heuck 2013, 514f) 117

Prinzip auch die Pflicht des Staates zur entsprechenden Infrastrukturbereitstellung enthalten. (Epiney/Gruber 1997, 52; Kerschner/Wagner 2001, 23; Epiney et al. 2013, 87f) Laut Epiney „[…] ist festzuhalten, dass sich aus rechtlicher Sicht kein Grundsatz der freien Wahl des Verkehrsmittels aus dem Unionsrecht ableiten lässt.“ (Epiney et al. 2013, 89; vgl. Epiney et al. 2013, 87-89) Allerdings gibt es auch primärrechtliche Vorgaben, die einer schrankenlosen Anwendung dieses Grundsatzes Einhalt gebieten. Allen voran ist dass die Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung sowie der Art. 191 Abs. 2 AEUV (Verletzung des Ursprungsprinzips). Interessant ist auch die Nichtthematisierung dieses Prinzips im EuGH-Urteil zur Rs. „Sektorales Fahrverbot I“ in Tirol. (Wasserer 2009, 118; Schroeder 2012, 36; Epiney et al. 2013, 87f) In der Rs. „Sektorales Fahrverbot II“111 hat der EuGH zudem anerkannt, dass die Mitgliedstaaten verkehrslenkende Maßnahmen zur Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger treffen dürfen, sofern diese verhältnismäßig sind. (Heuck 2013, 297) „Die Judikatur des EuGH ist eher dafür, dass die – jedenfalls interne – Verkehrspolitik der Union nicht auf einem derartigen Rechtsprinzip basiert, sondern aufgrund einer nachhaltigen Grundorientierung, […] auf einen Vorrang des Schienenverkehrs vor dem Straßenverkehr.“ (Schroeder 2012, 36) Außerdem sind in den letzten 25 Jahren seitens der Kommission vermehrt Bemühungen zur Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger zu beobachten, was eine konsequente Anwendung dieses Prinzips ausschließt. (Epiney/Gruber 1997, 51-55; 152f; Kerschner/ Wagner 2001, 24; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 39f; Schroeder 2012, 35f) Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch ein Grundrecht Mobilität. „Ein solches Recht lässt sich weder aus dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht des Art. 21 AEUV noch aus dem unionsrechtlichen Grundrechten in Art. 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrC) ableiten.“ (Schroeder 2012, 36) Zunächst soll aber die primärrechtliche Basis der Verkehrspolitik vorgestellt werden. Die Grundzüge der gemeinsamen Verkehrspolitik enthält der AEUV im Titel VI mit der Überschrift „Der Verkehr“ (Art. 90 bis 100 AEUV112). Das ist insofern bemerkenswert, weil im ursprünglichen EWGV nur ausnahmsweise einzelne Wirtschaftszweige gesondert angesprochen wurden und neben der gemeinsamen Verkehrspolitik erhielt nur die gemeinsame Agrar- und Handelspolitik einen eigenen Titel. Als Ergänzung zum eigentlichen Verkehrstitel wurde mit dem Vertrag von Maastricht 1993 ein Titel über

111 EuGH, Rs. C-320/03 (Kommission/Österreich), Slg. 2005, I-9871; EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Urteil vom 21.12.2011, Slg. 2012, Rn. 130. 112 Der heutige Titel VI (Art. 90 bis 100 AEUV) entspricht dabei großteils dem Titel V des EGV (ex-Art. 70 bis 80 EGV) und dieser wiederum dem Titel IV des EWGV (ex-Art. 74 bis 84 EWGV). 118

transeuropäische Infrastrukturnetze Bestandteil des damaligen EGV. Weiters wurde in ex- Art. 3 Abs. 1. lit. o EGV auch die „Förderung des Aus- und Aufbaus transeuropäischer Netze“ als gemeinschaftlicher Aufgabenbereich verankert. Der heutige Titel XVI mit der Überschrift „Transeuropäische Netze“ umfasst die Art. 170 bis 172 AEUV113. Des Weiteren sind noch zahlreiche weitere Bestimmungen des Vertrages für die Verkehrspolitik anwendbar, die nachfolgend in Punkt 3.1.5 angeführt werden. Der durch die negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte Vertrag über eine Verfassung für Europa („Verfassungsvertrag“) vom 19. Oktober 2004 übernahm in den Art. III-236 bis 247 VV die geltenden Regeln über den Verkehr und die TEN aus dem EGV im Wesentlichen unverändert. Allerdings wurden nun beide Bereiche nacheinander angeführt, um den Zusammenhang deutlicher darzustellen als im bisherigen EGV. (Bieber et al. 2013, §1 Rn. 29) Tabelle 15 Transport in the treaties Treaty Signed In force Effect on transport policy Treaty of Paris Non-discrimination in carriage of coal April 1951 Jan. 1952 (EGKSV) and steel Treaty of Rome March 1957 Jan. 1958 First outline of common transport policy (EWGV) Extends qualified majority voting to air Single European Feb. 1986 July 1987 and sea transport; first mention of Act (EEA) environmental action Adds safety to transport title; makes Treaty of provision for infrastructure (TENs); European Union Feb. 1992 Nov. 1993 requires environmental protection to be (EUV) integrated into other policies Treaty of Further reinforcement of environment Oct. 1997 May 1999 Amsterdam provisions Treaty of Nice Feb. 2001 Feb. 2003 No significant changes Treaty to establishing a Oct. 2004 - No significant changes Constitution for Europe (VVE) Treaty of Lisbon Dec. 2007 Dec. 2009 No significant changes (EUV, AEUV) (Quelle: Stevens 2004, 38; eigene Ergänzungen) Der Nachfolgevertrag für den gescheiterten Verfassungsvertrag ist der „Vertrag von Lissabon“ 114 (ursprünglich EU-Reform- bzw. EU-Grundlagenvertrag genannt), der am 13. Dezember 2007 von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet wurde und seit 1. Dezember 2009 in Kraft ist. Der Vertrag von Lissabon behält bis auf einige redaktionell

113 Titel XV: ex-Art. 154 bis 156 EGV (Vertrag von Amsterdam) bzw. Titel XII: ex-Art. 129b bis 129d EGV (Vertrag von Maastricht). 114 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Grün- dung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007 (2007/C 306/01). URL: [31.03.2015] 119

begründete Änderungen die bisher geltenden Regeln der Titel V (Verkehr) und XV (TEN) EGV Großteils unverändert bei. Im Gegensatz zum Verfassungsvertrag werden die beiden Titel aber nicht mehr nacheinander angeführt, sondern wie bisher getrennt. (Hellmann 2009, 3-13; Streinz 2008, § 2 Rn. 62-64; Jung 2011, Art. 90 Rn. 1; Stadler 2010, Art. 90 Rn. 1)

3.1.3 Titel VI: Der Verkehr (Art. 90 – 100 AEUV)

Zunächst werden die spezifischen Handlungsbefugnisse des Titels VI für den Erlass verkehrsbezogener Maßnahmen näher erläutert. Allerdings enthält der Verkehrstitel nur wenige präzise Vorgaben, „so dass sich […] keine Gesamtkonzeption der gemeinsamen Verkehrspolitik entnehmen lässt.“ (Epiney/Gruber 2001, 58) Daher regelt der Verkehrstitel nur gewisse Probleme und einige Bestimmungen haben während der letzten Jahrzehnte ihre Bedeutung verändert bzw. verloren, was dazu führt, dass „die inhaltlichen Leitlinien der gemeinsamen Verkehrspolitik […] aus den allgemeinen Grundsatzbestimmungen der Verträge gewonnen werden“ müssen. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 15) Dieses Defizit lässt sich aus dem historischen Kontext erklären (vgl. Punkt 3.2.1), wobei die Unschärfe des Titels von einem Kompromiss zwischen zwei divergierenden Grundauffassungen herrührt und daher kein konkretes Marktordnungskonzept enthält. Einerseits ist dort die extensive oder liberale Position (freier Verkehrsmarkt unter Anwendung der allgemeinen Vertragsregeln) in Art. 90 und 91 AEUV zu finden, und andererseits die limitative oder restriktive Haltung (kein freier Verkehrsmarkt und Betonung der „Besonderheiten des Verkehrs“) in Art. 97 und 100 AEUV. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 2-4; Frerich/Müller 2004a, 30f; Sollberger 2003, 109; Schroeder 2012, 32) Art. 90 AEUV (ex-Art. 70 EGV) Gemeinsame Verkehrspolitik: Gemäß Art. 90. AEUV „werden die Ziele der Verträge im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik verfolgt“. Im ex-Art. 70 EGV verfolgten dagegen primär die Mitgliedstaaten „die Ziele dieses Vertrags im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik“. Diese Aufgabenübertragung an die Mitgliedstaaten ist im Vertrag von Lissabon entfallen. Die Union und die Mitgliedstaaten haben nun – wie bereits in der Realität – auch vertraglich eine gemeinsame Verantwortung im Bereich des Verkehrs. „Die Neufassung des Art. 70 EGV durch den Art. 90 AEUV unterstreicht auch sprachlich die seit den 80er Jahren rasch voranschreitende ‚Vergemeinschaftung‘ der Verkehrspolitik.“ (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 1; Jung 2011, Art. 90 Rn. 1, 12) Ihnen wird damit die Verpflichtung aufgetragen, im Bereich des Binnenverkehrs (vgl. Art. 100 Abs. 1 AEUV) die „Ziele der Verträge“ (Art. 3 EUV; Art. 26 und 119 AEUV) zu verwirklichen. (Mückenhausen 2010, Art. 90 Rn. 8f; Heuck 2013, 226) Die Europäische Union gibt in der gemeinsamen Verkehrspolitik, deren normative Existenz 120

in Art. 90 AEUV festgelegt wird, den Rahmen für die mitgliedstaatlichen Aktivitäten vor. Wegen der Unschärfe dieses Artikels besitzt der Unionsgesetzgeber aber einen großen Ermessungsspielraum. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 14; Schroeder 2012, 34) „Gemäß der Universalität des Vertrages, der die Integration der Wirtschaft als Ganze anvisiert, fußt die Verkehrspolitik auch – und aus heutiger Sicht wohl vor allem – auf der Anwendung der allgemeinen Regeln des Vertrages.“ (Sollberger 2003, 110) Durch die Orientierung an den allgemeinen Vertragszielen lassen sich für die Umsetzung der europäischen Verkehrspolitik drei Themenkomplexe orten:  Umsetzung des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV) und Gewährung der Grundfreiheiten (Art. 28ff und 45ff AEUV);  Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums (inklusive gemeinsame Verkehrsinfrastruktur und -dienste);  Herstellung von gleichen, unverfälschten Wettbewerbsbedingungen durch Abbau nationaler Wettbewerbsverzerrungen. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 14; Sollberger 2003, 110; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 6; Heuck 2013, 226f; vgl. Schroeder 2012, 35) Daher muss das im Verkehrsbereich erlassene Sekundärrecht auch mit den allgemeinen Vertragsbestimmungen vereinbar sein, wie z. B. mit den Erfordernissen des Umweltschutzes in Art. 11 und 191 AEUV (vgl. Punkt 3.1.5). (Epiney/Gruber 2001, 56) Die Ermächtigung für die inhaltliche Ausgestaltung der gemeinsamen Verkehrspolitik findet sich in den Art. 91 bis 97 AEUV: Art. 91 AEUV (ex-Art 71 EGV) Umsetzung der gemeinsamen Verkehrspolitik: Dieser Artikel enthält die rechtlich und politisch wichtigste Norm des Verkehrstitels und öffnet damit das Tor zu einer aktiven und gestaltenden Verkehrspolitik. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 1) In Art. 91 AEUV sind im Wesentlichen die entsprechenden Kompetenzen zur Umsetzung des Art. 90 AEUV verankert: Art 91 Abs. 1 lit. a AEUV ermächtigt den Unionsgesetzgeber „gemeinsame Regeln“ für den internationalen Verkehr (grenzüberschreitenden Eingangs-, Ausgangs- und Transitverkehr durch die Hoheitsgebiete der Mitgliedsstaaten sowie in Drittländer) zu erlassen (umfasst Personen- und Güterverkehr). Weiters wird in Art. 91 Abs. 1 lit. b AEUV festgeschrieben, dass der Unionsgesetzgeber „Bedingungen“ für Kabotage festzulegen hat. Diese beiden Bestimmungen stellen eine spezielle Ausprägung der Dienstleistungsfreiheit (Ausnahme für den Transportsektor in Art. 58 Abs. 1 AEUV) dar und verdrängen grundsätzlich als leges specialis die Vorschriften zur allgemeinen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 bis 62 AEUV). Diesen Ausschluss der unmittelbaren Wirkung im Bereich des Verkehrs hat der EuGH im so genannten „Untätigkeitsurteil“115 klar festgestellt. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 5; Jung 2011, Art. 91 Rn. 3; Mückenhausen

115 EuGH, Rs. 13/83 (Parlament/Rat), Slg. 1985, 01513 Rn. 50 („Untätigkeitsurteil“). 121

2010, Art. 90 Rn. 3; Kerschner/Wagner 2001, 27; Epiney/Gruber 1997, 31; Bieber et al. 2013, §24 Rn. 12; Grandjot 2002, 80; Schroeder 2012, 38; Heuck 2013, 228f) Diese beiden Bestimmungen sprechen für eine marktwirtschaftliche Ausrichtung des Binnenverkehrs, aber die „[…] Formulierungen wie ‚Bedingungen’ und ‚gemeinsame Regeln’ schließen jedoch die Möglichkeit nicht aus, dass auch in Zukunft einschränkende Regelungen sowohl für nationale als auch für internationale Verkehrsdienstleistungen erlassen werden können.“ (Mehl 2004, 13) Daher ergibt sich ein interessantes Bild, da einerseits die Liberalisierung gefordert wird (Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit) und andererseits dafür aber nicht die Abschaffung sämtlicher Beschränkungen vorausgesetzt wird (Harmonisierung). (Mehl 2004, 13; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 7f) Weiters sieht der Art. 91 Abs. 1 lit. c AEUV für den Unionsgesetzgeber die Möglichkeit vor „Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit [zu] erlassen“. Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der gemeinsamen Verkehrspolitik auf die Verkehrssicherheit erfolgte durch den Vertrag von Maastricht. Dadurch kann die Union generelle Maßnahmen zur Verkehrssicherheit erlassen und nicht nur solche, die im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Zielsetzungen der Verträge stehen. Vor allem im Bereich Sicherheit setzt die Union zahlreiche verkehrspolitischen Aktivitäten. Die Verkehrssicherheit kann in einen technischen (z. B. Fahrzeug- und Infrastruktursicherheit) und einen organisatorischen Teil (z. B. Verkehrsteilnehmererziehung bzw. -schulung, Fahrverhalten etc.) unterteilt werden. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 30f; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 2; Epiney/Gruber 2001, 49f; Schroeder 2012, 38; Heuck 2013, 217) Schließlich sieht der Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV für den Unionsgesetzgeber noch die zeitlich und inhaltlich weit reichend formulierte Kompetenz zur Erlassung „aller sonstigen zweckdienlichen Vorschriften“116 vor (so genannte „General- und Auffangklausel“). Unter „zweckdienlich“ sind dabei all diejenigen Maßnahmen zu verstehen, die mit den bereits genannten „Zielen der Verträge“ in Verbindung stehen. Daneben ist auch die in Art. 100 AEUV enthaltene Beschreibung der Verkehrsträger zu beachten. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 33; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 76; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 17; Schroeder 2012, 38; Heuck 2013, 217) „Damit wird der Gemeinschaft[/Union] im Ergebnis die Verfolgung einer denkbar breit angelegten, autonomen Verkehrspolitik ermöglicht.“ (Epiney/Gruber 2001, 50)

116 „Zweckdienliche Vorschriften“ umfassen u. a. Planung, Koordinierung, Finanzierung, und Benutzungsregelungen für Verkehrswege sowie alle Maßnahmen der Rechtsangleichung mit dem Ziel einer Harmonisierung der Wettbewerbsverhältnisse. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 2) 122

Der Erlass von Maßnahmen im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik ist gemäß Art. 91 Abs. 1 AEUV der Berücksichtigungspflicht der „Besonderheiten des Verkehrs“117 unterworfen, wobei allerdings keinerlei genaue Konkretisierung dieser erfolgt. Nach herrschender Meinung rechtfertigen diese aber keine marktordnungsrechtliche Sonderbehandlung. Unter diesen Besonderheiten des Verkehrs können sowohl ökonomische Besonderheiten (natürlicher Monopole, öffentliche Güter, ruinöser Wettbewerb, externe Effekte) als auch gemeinwirtschaftliche Ziele des Verkehrs (Sozialpflichtigkeit, umweltpolitische und gemeinwirtschaftlichen Ziele) angeführt werden. (Jung 2011, Art. 90 Rn. 11; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 5; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 5f; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 2; Kummer 2010, 228-232; Schroeder 2012, 34; Mehl 2004, 27-35; Frerich/Müller 2004a, 36-39) Mehl führt als tatsächliche Besonderheiten des Verkehrs die Transnationalität (d. h. Internationalität des Verkehrssektors) und die hoheitliche Infrastrukturverwaltung durch die einzelnen Mitgliedstaaten an (z. B. Abhängigkeit von staatlicher Infrastrukturfinanzierung). (Mehl 2004, 35-39) „Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH ist heute unbestritten, dass die in Art. 91 Abs. 1 AEUV erwähnten ‚Besonderheiten des Verkehrs‘ eine wettbewerbsbestimmte Verfassung der Verkehrsmärkte nicht ausschließen.“ (Jung 2011, Art. 90 Rn. 16) Art. 91 Abs. 2 AEUV enthält als Ausnahmebedingung, dass beim Erlass von Maßnahmen gemäß Abs. 1 nicht andere Ziele der Union, wie der Lebensstandard und Beschäftigung in bestimmten Regionen sowie der Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigt werden dürfen. Solchen Fällen soll „Rechnung getragen“ werden. Diese Ausnahmeregelungen werden aber im Rat traditionell sehr eng ausgelegt (großer Beurteilungsspielraum) und dürfen die in Abs. 1 genannten Liberalisierungs- und Harmonisierungsregelungen nicht dauerhaft beeinträchtigen. (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 10- 12; Jung 2011, Art. 91 Rn. 48f; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 6; Kerschner/Wagner 2001, 26; Heuck 2013, 229f) Art. 91 Abs. AEUV bildet die normative Grundlage zur Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik und ermächtigt den Unionsgesetzgeber zu allen Rechtssetzungsmaßnahmen nach Art. 288 AEUV (Verordnung, Richtlinie, Beschlüsse118, Empfehlungen und Stellungnahmen). Daneben enthält der Art. 91 Abs. 1. AEUV auch das anzuwendende Verfahren. Seit dem Vertrag von Amsterdam (1999) werden Maßnahmen im Bereich der

117 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Epiney/Gruber 1997, 57f; Frerich/Müller 2004a, 39-42; Mehl 2004, 25-39, 160-166; Köberlein 1997a, 114-135; Grandjot 2002. 34-38; Höfler 2004, 20f. 118 Die Beschlüsse haben die früheren Entscheidungen abgelöst. Allerdings können die Beschlüsse nun auch allgemeine Geltung beanspruchen (Art. 297 Abs 2 AEUV) und sie sind in all ihren Teilen verbindlich. (Hellmann 2009, 61; Schusterschitz 2009, 226f) 123

gemeinsamen Verkehrspolitik vom Europäischen Parlament mit dem Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des WSA und des AdR im Mitentscheidungsverfahren beschlossen. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (2009 werden die Rechtsakte im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 289 Abs. 1 AEUV iVm Art. 294 AEUV119)) beschlossen. (Schusterschitz 2009, 214. 222; Jung 2011, Art. 91 Rn. 44; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 3f; Schroeder 2012, 37) „Einstimmigkeit bei der Beschlussfassung des Rates zu verkehrspolitischen Gesetzgebungsvorhaben ist seit dem Vertrag von Lissabon nur noch im Falle Art. 294 Abs. 9 AEUV erforderlich.“ (Jung 2011, Art. 91 Rn. 48) Bisher konnte auch im ex-Art. 71 Abs. 2 EGV ausnahmsweise auf „Einstimmigkeit“ im Rat zurückgegriffen werden, was seit dem Vertrag von Lissabon nicht mehr der Fall ist. Diese Ratsentscheidung erfolgte auf Vorschlag der Kommission und nach bloßer Anhörung des Parlaments und des WSA. Diese Ausnahmeregel galt nach ex-Art. 71 Abs. 2 EGV für „die Vorschriften über die Grundsätze der Verkehrsordnung, deren Anwendung die Lebenshaltung und die Beschäftigungslage in bestimmten Gebieten sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnten.“ Diese Ausnahmevorschrift dürfte wohl eingefügt worden sein, weil die Ermächtigung des Art. 91 Abs. 1 AEUV inhaltlich sehr weit gehen. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 48f; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 10-12; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 6; Frerich/Müller 2004a, 31; Epiney/Gruber 1997, 33-35; Kerschner/Wagner 2001, 26f) „Daher sollen bestimmte besonders wichtige Entscheidungen mit weitgehenden Rückwirkungen auf den Handlungsspielraum und die Situation in den Mitgliedstaaten nur in einstimmiger Beschlussfassung getroffen werden.“ (Epiney/Gruber 1997, 33) Mit dieser Art der Beschlussfassung bewahrte Österreich in einigen Fällen seine nationalen Interessen (z. B. Verlängerung der Ökopunkteregelung). Im Verkehrsbereich ist die Union befugt internationale Übereinkommen abzuschließen (so genannte Vertragsschluss-, Abschluss- oder Außenkompetenz), da die gemeinsame Verkehrspolitik (Art. 90 bis 100 AEUV) auch den Verkehr mit Drittstaaten umfasst. Besonders der Art. 91 Abs. 1 lit. a AEUV umfasst den gesamten internationalen Verkehr (nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten). Auf die Art. 90ff AEUV können aber nur

119 Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren kann ein Rechtsakt nur bei positiver Übereinstimmung zwischen der qualifizierten Mehrheit im Rat (Stimmgewichtung in Art. 238 Abs. 2 AEUV) und der absoluten Mehrheit im Parlament erlassen werden. Diese Übereinstimmung kann in drei Verfahrensphasen zustande kommen, indem der Kommissionsvorschlag entweder von Rat und Parlament in unveränderter Form erlassen wird oder viel häufiger aber vom Rat bzw. Parlament abgeändert und in dieser Form vom jeweils anderen Organ gebilligt wird oder indem schließlich ein von Rat und Parlament eingesetzter Vermittlungsausschuss einen gemeinsamen Entwurf ausarbeitet, der dann von Rat und Parlament angenommen wird. (vgl. Schusterschitz 2009, 222f; Jung 2011, Art. 91 Rn. 45-47) 124

Maßnahmen gestützt werden, die das Territorium der Europäischen Union betreffen. Für die Übereinkunft mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen ist der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen notwendig. Der Verkehrsartikel enthält aber keine Befugnisse für den Abschluss solcher Verträge durch die Union, somit müssen diese auf den durch den Vertrag von Lissabon neu eingefügten Art. 216 AEUV gestützt werden. Durch den Art. 47 EUV besitzt die Europäische Union nun Rechtspersönlichkeit. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 51; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 54f; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 19; Hellmann 2009, 80; Schroeder 2012, 39; Heuck 2013, 73) Noch nicht abschließend geklärt ist aber die Frage, ob diese Außenkompetenz der Union in Verkehrsfragen eine ausschließliche ist oder in den Bereich der geteilten Zuständigkeiten mit den Mitgliedstaaten fällt. (vgl. Jung 2011, Art. 91 Rn. 53-56) „Vor der ausdrücklichen Zuweisung der Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit internationalen Organisationen und Drittstaaten in Art. 216 [AEUV] hatte der EuGH bereits 1971 das Prinzip der Parallelität von Innen- und Außenkompetenz als Kompetenzzuweisungsregel herausgearbeitet.“ (so genannte AETR-Doktrin120) (Jung 2011, Art. 91 Rn. 52) Die gemeinschaftliche Befugnis zum Eingehen völkerrechtlicher Verträge ergab sich nach der AETR-Doktrin nicht nur aus einer ausdrücklichen Erteilung durch die Verträge, sondern konnte auch aus anderen Vertragsbestimmungen und für bereits durch Gemeinschaftsrecht geregelte Bereiche („Implied-powers-Lehre“). (Jung 2011, Art. 91 Rn. 52, Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 56f; Stadler 2012, Art. 90 Rn. 13; Bieber et al. 2013 § 33 Rn. 16-20; Sollberger 2003, 101; Stevens 2003, 50; Epiney et al. 2013, 103; Heuck 2013, 75f) Die Union war daher zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen befugt, wenn für das betreffende Sachgebiet bereits EU-Binnenrecht bestand. Falls im betroffenen Sachgebiet noch kein gemeinschaftlicher Rechtsakt existierte, hing es davon ab, ob die Beteiligung der Union an dieser internationalen Vereinbarung notwendig war, um Ziele der Verträge zu verwirklichen. Diese Bedingung war erfüllt, wenn im Rahmen der Ziele der Verträge das Rechtsschicksal von Drittstaatenbürgern innerhalb der EU bzw. von EU-Bürgern in Drittstaaten mitgeregelt werden musste. In den Verkehrsbeziehungen zu Drittstaaten wurde diese Bedingung fast immer erfüllt. Deshalb war die Union zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ermächtigt. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 52; Mehl 2004, 115; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 58f; Stadler 2012, Art. 90 Rn. 16; Heuck 2013, 80-84; Kerschner/Wagner 2001, 30) Bisher hat die Europäische Union mehrfach ihre

120 EuGH, Rs. 22/70 (Kommission/Rat), Slg. 1971, 00263 Rn. 15 ff („AETR“); Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt), Slg. 1977, 00741 Rn. 3ff. Für eine ausführliche Darstellung des AETR-Falls vgl. Bieber et al. 2013, §34 Rn. 17f; Schäfer 2003, Art. 70 Rn. 57; Stevens 2003, 50f. 125

verkehrspolitischen Außenkompetenzen angewendet und zahlreiche Abkommen mit Drittstaaten abgeschlossen (z. B. Transitabkommen mit Österreich bzw. der Schweiz; Landverkehrsabkommen mit der Schweiz; Luftverkehrsabkommen mit den USA; zahlreiche Abkommen mit mittel- und osteuropäischen Staaten) (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 64f; Mehl 2004, 116; Schroeder 2012, 39) In den Artikeln 92 bis 99 AEUV sind die weiteren Aspekte der gemeinsamen Verkehrspolitik angeführt, die sich vornehmlich an die Mitgliedstaaten richten und defensive Vorschriften mit Verbots- oder Ausnahmecharakter enthalten: Art. 92 (ex-Art. 72 EGV) Verschlechterungsverbot: Art. 92 AEUV enthält mit der so genannten „Stillhalteverpflichtung“ oder „stand-still-Klausel“ ein besonderes Diskriminierungsverbot sowie eine Ausprägung des Loyalitätsgebots des Art. 4 Abs. 3 EUV. Sie untersagt es den Mitgliedstaaten, bis zum Erlass der in Art. 91 AEUV genannten Vorschriften (Sekundärrecht), die zum Zeitpunkt des Beitritts geltenden nationalen Verkehrsvorschriften nicht zum Nachteil von Verkehrsunternehmen aus anderen EU- Staaten zu ändern. Dadurch sollten nationale Alleingänge verhindert werden, die die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik erschwerten. (Jung 2011, Art. 92 Rn 1; Schäfer 2012, Art. 92 Rn. 1f; Stadler 2012, Art. 92 Rn. 1; Heuck 2013, 292; Dommel 2005, 27; Ehlotzky 2012, 156) „Die Bestimmung […] ist dabei vor dem Hintergrund der fehlenden (Konsens-)Bereitschaft der Gründerstaaten zu sehen, die Dienstleistungsfreiheit mit Bezug auf den Verkehrssektor primärrechtlich zu verankern.“ (Epiney/Gruber 2001, 108) Ausländischen Verkehrsunternehmen dürfen durch eine neue Vorschrift nicht im Vergleich zu Inländern unmittelbar oder mittelbar schlechter gestellt werden. Daher stellt Art. 92 AEUV eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes in Art. 18 AEUV dar. Interessant ist dabei allerdings die einseitige Schutzrichtung. (Epiney/Gruber 2001, 111; Schäfer 2012, Art. 92 Rn. 4; Jung 2011, Art. 92 Rn. 2; Stadler 2012, Art. 92 Rn. 3f; Ehlotzky 2012, 156) Art. 92 AEUV hat zudem unmittelbare Wirkung und bei Verstößen von Mitgliedstaaten, kann sich jeder Verkehrsunternehmer direkt an die nationalen Gerichte wenden. (Kerschner/Wagner 2001, 28; Jung 2011, Art. 92 Rn. 7; Mückenhausen 2010, Art. 92 Rn. 3; Heuck 2013, 294) Allerdings war der Inhalt der „Stillhalteverpflichtung“ bis 1992 umstritten. Einerseits wurde darin ein „relatives Verschlechterungsgebot“ gesehen, das den Abbau von vorhandenen Privilegien ausländischer Verkehrsunternehmer bis zur Grenze der Egalität mit Inländern deckte. Die Gegenseite vertrat die extensive Meinung, dass sie ein „absolutes Verschlechterungsverbot“ darstelle und daher sei die geltende Rechtsstellung (seit Inkrafttreten des E(W)GV) von aus- und inländischen Verkehrsunternehmern

126

unverändert beizubehalten. (Jung 2011, Art. 92 Rn. 3; Epiney/Gruber 2001, 112; Wasserer 2009, 120) Der EuGH folgte in seinem Urteil in der Rechtsache „Deutsche Straßenbenutzungsgebühr“121 der Auffassung, welche in Art. 92 AEUV ein „absolutes Verschlechterungsverbot“ sah. Diese „Stillhalteverpflichtung“ hat zwar durch das bereits erlassene, umfangreiche gemeinschaftliche Sekundärrecht etwas an Bedeutung verloren, aber durch die extensive Auslegung kann sie den legislativen Spielraum der Mitgliedstaaten in der Verkehrspolitik weitgehend einschränken.122 (Jung 2011, Art. 92 Rn. 4f; Schäfer 2012, Art. 92 Rn. 10f; Mückenhausen 2010, Art. 92 Rn. 4; Epiney/Gruber 2001, 112-116; Ehlotzky 2012, 156; Heuck 2013, 293) Diese Einschränkung des mitgliedstaatlichen Handlungsspielraumes lässt sich zudem aus dem Anwendungsbereich des Art. 92 AEUV ableiten: Zwar ist der Art. 92 AEUV in sachgegenständlicher Hinsicht mit dem Art. 91 AEUV verknüpft, indem sich der Anwendungsbereich nur auf jene Sachgebiete erstreckt, die von Art. 91 AEUV erfasst werden. Diese Einschränkung ist aber obsolet, weil der Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV auch „alle sonstigen zweckdienlichen Maßnahmen“ für die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik umfasst, „so dass Art. 92 AEUV für gesamte Verkehrspolitik gilt.“ (Epiney/Gruber 2001, 109) Art. 93 AEUV (ex-Art. 73 EGV) Verkehrsbeihilfen: Art. 93 AEUV enthält für die Mitgliedstaaten verkehrsspezifische Ausnahmen bezüglich Straßen-, Eisenbahn und Binnenschiffsverkehr vom allgemeinen Beihilfeverbot. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind (öffentliche) Beihilfen verboten, die den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. So sind staatliche Beihilfen an Verkehrsunternehmen mit dem Vertrag vereinbar, wie „Koordinierungsbeihilfen“ zur Gestaltung des Verkehrsmarktes (z. B. Angleichung der Wettbewerbsbedingungen; Bereinigung von Strukturschwächen) und „Abgeltungsbeihilfen“ für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen des „öffentlichen Verkehrs“. Die Mitgliedstaaten konnten dabei bestehende Subventionen (z. B. für staatliche Eisenbahnen) weiter gewähren, ohne dass die Union etwas dagegen tun konnte. Der Art. 93 AEUV betrifft auch die Förderungen für den Kombinierten Verkehr. (Frerich/Müller 2004a, 31; Jung 2012, Art. 93 Rn. 1, 6f; Kerschner/Wagner 2001, 28;

121 EuGH, Rs. C-195/90, (Kommission/Deutschland), Slg. 1992, I-03141 („Deutsche Straßenbenutzungsgebühr“). Hintergrund: In der Bundesrepublik Deutschland sollte ab dem 1. Juli 1990 in einem nationalen Alleingang trotz der bevorstehenden Vollendung des Binnenmarktes für Lkw über 18 t eine Schwerverkehrsabgabe eingeführt werden. Allerdings sollte für die deutschen Verkehrsunternehmen die Belastung durch eine Senkung der Kfz-Steuer kompensiert werden. (vgl. Frerich/ Müller 2004a, 652f; Weyand 1996, 212-214; Ehlotzky 2012, 156 (Fn. 21)) 122 Problematisch war diese Einschränkung in der Vergangenheit, da einerseits der Rat nicht auf die Strukturveränderungen im Verkehrsbereich und den damit einhergehenden Verkehrsanstieg reagierte und andererseits die Mitgliedstaaten wenig bzw. gar nicht handeln konnten. Der Rat reagierte oft nicht in ausreichendem Maße oder zu spät. (vgl. Jung 2011, Art. 92 Rn. 5) 127

Schäfer 2012, Art. 93 Rn. 1, 8f; Stadler 2012, Art. 93 Rn. 1-6; Mückenhausen 2010, Art. 93 Rn. 1-3, 7; Sollberger 2003, 115f) Art. 94 AEUV (ex-Art. 74 EGV) Wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmen: Tarifpolitische Maßnahmen sind im Art. 94 AEUV enthalten. Nach dieser Vorschrift muss die Union jedoch berücksichtigen (Bedachtnahmeverpflichtung), „dass bei Entscheidungen über Beförderungsentgelte und -bedingungen die Verkehrswirtschaft gesund bleibt“ (Eigenwirtschaftlichkeit). (Frerich/Müller 2004a, 31; Stadler 2012, Art. 94 Rn. 1f; Heuck 2013, 230) Daraus leitet sich die gemeinschaftliche Zuständigkeit auf dem Gebiet der Tarife ab, aber mit der Einschränkung die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmer zu berücksichtigen. (Kerschner/Wagner 2001, 29) Diese „[…] Bedachtnahmeverpflichtung bezüglich der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer kann heute aufgrund des fortgeschrittenen Übergangs zur Preisfreiheit123 nur noch bereichsweise […] zur Anwendung kommen.“ (Sollberger 2003, 114f; vgl. Mückenhausen 2010, Art. 94 Rn. 1) Beispiele für die Anwendung des Art. 94 AEUV in der Vergangenheit waren bestimmte Formen der Personenbeförderung, der Verkehr mit Drittstaaten einschließlich der Kabotage. (Jung 2011, Art. 94 Rn. 3; Schäfer 2012, Art. 94 Rn. 3) Inhaltlich läuft diese Verpflichtung auf einen angemessenen Interessensausgleich im Sinne der Verhältnismäßigkeit hinaus. (Epiney/Gruber 1997, 61) Durch den genauen Wortlaut kann aus der Vorschrift keinerlei Anwendung auf Maßnahmen abgeleitet werden, die generell die Kosten der Verkehrsunternehmen beeinflussen. Art. 94 AEUV kann deshalb nicht zur Verhinderung der Internalisierung der externen Kosten angeführt werden. (Epiney/Gruber 1997, 61; Sollberger 2003, 114; Stadler 2012, Art. 94 Rn. 2) Art. 95 AEUV (ex-Art. 75 EGV) Beseitigung von Diskriminierungen durch Tarife/ Art. 96 AEUV (ex-Art. 76 EGV) Verbot von Unterstützungsmaßnahmen; Ausnahmen: Die Art. 95 und 96 AEUV untersagen verkehrsspezifische Diskriminierungen. Gemäß Art. 95 AEUV wird die Aufstellung von Regeln verlangt, die es Verkehrsunternehmen innerhalb der Union untersagt, bei identischen Transporten unterschiedliche Beförderungsbedingungen oder Frachtpreise für gleichwertige Güter anzuwenden. Damit wird ein Grundsatz der gemeinsamen Verkehrspolitik angesprochen, der die Nichtdiskriminierung von Transporten nach ihrem Ausgangs- und Zielort verlangt. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 48, Art. 95 Rn. 1f; Kerschner/Wagner 2001, 29; Frerich/Müller 2004a, 31; Heuck 2013, 230f, 294f) Klares Ziel ist der Abbau aller protektionistischen Verkehrstarife.

123 Im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten ist seit 1. Jänner 1990 jede Preisbindung aufgehoben. Selbiges gilt auch Binnenschiffsgüterverkehr (seit 1. Jänner 2001) und bei Flügen innerhalb der EU (seit 1. Jänner 1993). (vgl. Jung 2011, Art. 94 Rn. 3) 128

Art. 95 Abs. 1 AEUV ist wie Art. 92 AEUV eine besondere Ausformung des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV). (Jung 2011, Art. 95 Rn. 1; Schäfer 2012, Art. 95 Rn. 1; Stadler 2012, Art. 95 Rn. 1) Allerdings besteht ein Unterschied zur „Stillhalteverpflichtung“ des Art. 92 AEUV, da das Diskriminierungsverbot des Art. 95 AEUV nicht unmittelbar anwendbar ist, obwohl er sich direkt an die Verkehrsunternehmen wendet. (Dommel 2005, 28; Heuck 2013, 295) Daher hatte der Rat entsprechende Durchführungsregelungen zu erlassen (Art. 95 Abs. 3 AEUV), und die Kommission musste die Diskriminierungsfälle prüfen (Art. 95 Abs. 4 AEUV). Umgesetzt wurde der Art. 95 AEUV bereits 1960 mit der VO 11/60 über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen.124 Mit der Freigabe der Beförderungspreise im Güterverkehr hat der Art. 95 AEUV seine praktische Bedeutung verloren. (Schäfer 2012, Art. 95 Rn. 8; Jung 2011, Art. 95 Rn. 5; Mückenhausen 2010, Art. 95 Rn. 3; Epiney/Gruber 2001, 117) In die gleiche Kerbe wie Art. 95 AEUV schlägt dann auch Art. 96 AEUV mit dem Verbot von Unterstützungsmaßnahmen. Nach Art. 96 AEUV dürfen Frachten (Tarife des Gütertransports) oder Beförderungsbedingungen nicht zur Lenkung der Wirtschaftspolitik benutzt werden (Ausnahme Wettbewerbstarife: Art. 96 Abs. 3 AEUV). Dies verhindert den Schutz oder die Unterstützung eines oder mehrerer Unternehmen bzw. Industrien durch Mitgliedstaaten (z. B. protektionistische Beförderungsbedingungen). Art. 96 AEUV bildet eine Sonderregelung des Beihilfeverbots des Art. 107 AEUV. (Kerschner/Wagner 2001, 29; Schäfer 2012, Art. 96 Rn. 2; Jung 2011, Art. 96 Rn. 1-4; Stadler 2012, Art. 96 Rn. 1; Mückenhausen 2010, Art. 96 Rn. 1; Heuck 2013, 295) Im Gegensatz zu Art. 95 ist der Art. 96 AEUV unmittelbar anwendbar und bedarf keiner Konkretisierung durch das Sekundärrecht. Dieses weit reichende Verbot wird allerdings in Art. 96 Abs. 2 AEUV dahingehend „aufgeweicht“, weil die Kommission unter Einbeziehung standort- und regionalpolitischer Erwägungen (Ermessensentscheidung) eine Ausnahmegenehmigung für mitgliedstaatliche Unterstützungsmaßnahmen erteilen kann. (Epiney/Gruber 2001, 119; Jung 2011, Art. 96 Rn. 5-7; Schäfer 2012, Art. 96 Rn. 8-10; Stadler 2012, Art. 96 Rn. 4; Mückenhausen 2010, Art. 96 Rn. 3; Heuck 2013, 296) Die übrigen Bestimmungen des Titels VI haben ihre ursprüngliche Anwendung verloren: Art. 97 AEUV (ex-Art. 77 EGV) – Beseitigung unangemessener Grenzübergangskosten hat mit der Vollendung des Binnenmarktes (Wegfall der Grenzkontrollen) seine praktische Bedeutung verloren. Dieser Artikel hat nur noch für die Außengrenzen der EU eine

124 VO (EWG) Nr. 11/60 des Rates vom 27.06.1960 über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbestimmungen, ABl. L 52 vom 16.08.1960, 1121-1126; geändert durch VO (EWG) Nr. 3626/ 84, ABl. L 335 vom 22.12.1984, 4. 129

Bedeutung. (Schäfer 2012, Art. 97 Rn. 3; Jung 2011, Art. 97 Rn. 5; Stadler 2012, Art. 97 Rn. 3; Mückenhausen 2010, Art. 97 Rn. 1-3; Heuck 2013, 296) Weiters ist auch der Art. 98 AEUV (ex-Art. 78 EGV) – Ausnahmen für teilungsbedingte Nachteile in Deutschland, die so genannte „Deutschlandklausel“, durch die deutsche Einheit inzwischen obsolet geworden. Fünf Jahre nach in Kraft treten des Vertrags von Lissabon (ab 1. Dezember 2014) kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit (Art. 16 Abs. 3 EUV) einen Beschluss zur Aufhebung dieses Artikels erlassen. (Schäfer 2012, Art. 98 Rn. 3; Jung 2011, Art. 98 Rn. 3; Stadler 2012, Art. 98 Rn. 1f; Mückenhausen 2010, Art. 98 Rn. 3) Und letztlich spielt der in Art. 99 AEUV (ex-Art. 79 EGV) erwähnte Sachverständigenausschuss in der Praxis ebenfalls keine Rolle mehr. Dieser Ausschuss aus Sachverständigen (Ernennung durch die Regierungen der Mitgliedstaaten) war seit 1958 bei der Kommission angesiedelt und sollte sie in allen Fragen der Verkehrspolitik beraten (letztmalige Einberufung Mitte der 1980er Jahre). Allerdings wurden zahlreiche beratende Ausschüsse durch das Sekundärrecht eingesetzt. Ohne Berufung auf Art. 99 AEUV wurde im Juli 2001 das „Europäische Energie- und Verkehrsforum“ als informelles Diskussionsgremium von der Kommission installiert. (Kerschner/Wagner 2001, 30; Jung 2011, Art. 99 Rn. 1-4; Schäfer 2012, Art. 99 Rn. 3; Stadler 2012, Art. 99 Rn. 1-3: Mückenhausen 2010, Art. 99 Rn. 1f) Art. 100 AEUV (ex-Art. 80 EGV) Anwendungsbereich des Titels „Verkehr“; See- und Luftverkehr: Obwohl für die vorliegende Arbeit zwar nicht von Relevanz ist noch anzuführen, dass in Art. 100 AEUV eine Unterscheidung hinsichtlich der Anwendbarkeit der Art. 90 bis 99 AEUV getroffen wird: Laut Art. 100 Abs. 1 AEUV gilt der Titel VI nur „für die Beförderungen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr“ (so genannte Binnenverkehrsträger). Deswegen gilt die Verkehrspolitik der Art. 90 ff. AEUV auch nicht für den Aus- und Aufbau der TEN (Art. 170 ff. AEUV), den Transport durch Fernleitungen (Ausnahme Sonderbestimmungen der TEN: Art. 170 ff. AEUV), für die Seilbahnen und für das Post- und Fernmeldewesen sowie die Telekommunikation. (Jung 2011, Art. 100 Rn. 1- 4; Bieber/Epiney/Haag 2006, §24 Rn. 5; Schäfer 2012, Art. 100 Rn. 1-3; Mückenhausen 2010, Art. 100 Rn. 1; Stadler 2012, Art. 100 Rn. 1-3) Das ist auch als Hauptgrund dafür, warum sich die Maßnahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik bis Ende der 1980er Jahre fast ausschließlich auf die Binnenverkehrsträger beschränkten. Für die Hochseeschiff- und Luftfahrt kann das Parlament und der Rat mach Anhörung des WSA und des AdR nach Art. 100 Abs. 2 AEUV „gemäß des ordentlichen Gesetzgebungsverfahren darüber […] geeignete Vorschriften […] erlassen.“ Was jedoch „geeignete Vorschriften“ sind, kann nicht

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entnommen werden. „Die Seeschiff- und Luftfahrtspolitik muss daher im Verkehrstitel ohne irgendeinen tauglichen Hinweis auf ihre inhaltliche Ausgestaltung auskommen.“ (Mehl 2004, 15) Allerdings ist anzufügen, dass sich diese historische Zweiteilung der Verkehrsträger relativiert hat, da durch die Rechtsprechung des EuGH125 auch die allgemeinen Bestimmungen der Verträge im Bereich der Hochseeschiff- und Luftfahrt zur Anwendung kommen. Weiters kommt in der Praxis eine alle Verkehrsträger einbeziehende und koordinierende Verkehrspolitik zum Einsatz. (Jung 2011, Art. 100 Rn. 8; Schäfer 2012, Art. 100 Rn. 6; Sollberger 2003, 111; Kummer 2010, 236, 228; Grandjot 2002, 80; Aberle 1996b, 147, 150; Stadler 2012, Art. 100 Rn. 1; Schroeder 2012, 38) Als Ergebnis kann festgestellt werden, dass in den Art. 91 bis 99 AEUV gewisse Fragen der gemeinsamen Verkehrspolitik angeführt werden, die von der Union zu regeln sind. Der Rat ist aber nach Art. 90 AEUV nicht verpflichtet den Gesamtrahmen einer Verkehrspolitik zunächst festzulegen (Gegenbeispiel Agrarpolitik: Art. 43 AEUV). Daher lässt sich kein inhaltliches Konzept der gemeinsamen Verkehrspolitik erkennen und Vorgaben für die Ausrichtung fehlen gänzlich. „Insbesondere fehlen Antworten auf bestimmte Fragen, die seit langem im Mittelpunkt […] der europäischen Verkehrspolitik stehen, namentlich zur Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern, völlig.“ (Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 9) Dadurch überlässt der AEUV die weitere Ausgestaltung der gemeinsamen Verkehrspolitik weitgehend den Unionsorganen (Sekundärrecht).

3.1.4 Titel XVI: Transeuropäische Netze (Art. 170 – 172 AEUV)

Der Titel XVI über die Transeuropäischen Netzte (TEN) ist für die gemeinsame Verkehrspolitik eine wichtige Kompetenzgrundlage.126 Durch den im Vertrag von Maastricht neu eingefügten Titel XVI über die transeuropäischer Netze127 erhielt die gemeinschaftliche Infrastrukturpolitik erstmals eine explizite Rechtsgrundlage. Zudem zählte seither durch die Einfügung von ex-Art. 3 Abs. 1 lit. o EGV die „Förderung des Aus-

125 EuGH Rs. 167/73 (Kommission/Frankreich), Slg. 1974, 00359 Rn. 29-33; EuGH, verbundene Rs. 209-213/ 84 (Ministre Public/Asjes = Nouvelles Frontiéres), Slg. 1986, 01425 Rn. 27-45; EuGH, Rs. 66/86 (Ahmed Saeed/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.), Slg. 1989, 00838 Rn. 33. (vgl. Sollberger 2003, 111 Fn. 161; Schäfer 2012; Art. 100 Rn. 6 Fn. 9) 126 Die Kompetenz für die TEN erhielt die Europäische Gemeinschaft im Vertrag von Maastricht (ex-Art. 129b-129d EGV). Davor stützte sich der Rat in diesem Bereich beim Erlass von vielen Rechtsakten auf die Generalklausel des damaligen ex-Art. 75 Abs. 1 lit. c EWGV (Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV). Dieses Vorgehen war problematisch, da die Verkehrspolitik ihrem Sinn und Zweck nach als Ordnungspolitik und nicht als Infrastrukturpolitik angelegt ist. (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 1; Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 1f; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 2f) 127 Die Bestimmungen über die TEN enthalten Spezialvorschriften und verdrängen die Bestimmungen über den Verkehr (Art. 90 ff. AEUV) und sind daher grundsätzlich als lex specialis zu den Regelungen der anderen Politiken zu sehen. Die Art. 90 ff. AEUV erfassen nur den rollenden Verkehr. (Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 8; Calliess 2011, Art. 170 Rn. 4; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 18-20; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 16-18) 131

und Aufbaus transeuropäischer Netze“ zur gemeinschaftlichen Tätigkeit. Dies ist im Vertrag von Lissabon nicht mehr enthalten. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon führt der Art. 4 Abs. 2 lit. h AEUV die transeuropäischen Netze als geteilte Zuständigkeit an. (vgl Punkt 3.1.1) (Frerich/Müller 2004a, 476f; Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 1; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 1f; Heuck 2013, 232) Dieser Titel XVI setzt „[…] neue Akzente in der gemeinsamen Verkehrspolitik, indem deren bisher stark auf die Marktordnung ausgerichteter Charakter vermehrt infrastrukturbezogene Elemente mit einbezieht.“ (Sollberger 2003, 116) Die TEN umfassen Infrastrukturnetze128 für Verkehr (TEN-V), Energie (TEN-E) und Telekommunikation (eTEN). Die Integration und der liberalisierte Binnenmarkt machen in diesen drei Bereichen moderne, kompatible und grenzüberschreitende Infrastrukturen unerlässlich. Daher müssen die dafür notwendigen Infrastrukturen im gesamten Unionsgebiet netzartig verknüpft werden. Der Begriff „transeuropäisch“ (anstelle von „gemeinschaftlich“ bzw. „der Union“) setzt aber voraus, dass diese Netze über die Außengrenzen (unter Einschluss von Drittstaaten) hinaus reichen sollen (daher Ausschluss von rein regionalen Infrastrukturvorhaben). (Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 5; Calliess 2011, Art. 170 Rn. 6; Heuck 2013, 231) Anders als im Verkehrstitel sind daher bei den TEN auch die Telekommunikation und die Energie miteinbezogen.129 Im Verkehrsbereich ist als Ziel der Ausbau eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes130 für das 21. Jahrhundert vorgesehen, wobei neben der Verkehrsinfrastruktur auch Verkehrsmanagement- , Ortungs- und Navigationssysteme enthalten sind.131 (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 10; Voet van Vormizeele, 2012, Art. 170 Rn. 9) Die Entwicklung einer gemeinschaftlichen Infrastruktur ist geradezu eines der hervorragenden verkehrspolitischen Mittel mit denen die Verwirklichung des allgemeinen Ziels „einer auf Dauer tragbaren Mobilität“ angestrebt werden kann. (Mehl 2004, 99) Für die effiziente und zugleich umwelt- und sozialverträgliche Ausgestaltung des europäischen Verkehrssystems sind nicht nur ordnungspolitische, sondern auch infrastrukturelle Maßnahmen erforderlich.

128 Unter „Infrastruktur“ sind alle für die Beförderung von Personen, Gütern, Daten, Signalen oder Energie zwischen zwei Orten erforderlichen, ortsfesten, dauerhaften Einrichtungen zu verstehen. Als „Netz“ wird eine komplexe körperliche oder virtuelle, als Übertragungsweg dienende Verbindung zwischen verschiedenen Anschluss-, Verbindungs- und Endpunkten, die im Zuge der Leistungserbringung erreicht werden müssen, bezeichnet. (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 7f; Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 6) 129 Der Bereich Telekommunikation und Energie wird, da nicht Teil der im Rahmen der Arbeit zu behandelnden Fragestellung, explizit aus der Betrachtung ausgeschlossen. 130 Vgl. Entscheidung Nr. 1692/96/EG des EP und des Rates vom 23.07.1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 228 vom 9.09.1996, S. 1-104, Art. 17. 131 Die TEN-V umfassen Straßen, Eisenbahnen, Wasserstraßen, das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz (z. B. ICE, TGV), den kombinierten Verkehr verschiedener Verkehrsträger, Häfen, Flughäfen, Güterterminals, sowie Verkehrsmanagement und die Navigation der künftigen Galileo-Satelliten. (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 10) 132

Die drei Artikel des Titels XVI über die TEN enthalten die Zielbestimmung (Art. 170 AEUV), die vorgesehenen Maßnahmen in allgemeiner Form (Art. 171 AEUV) und eine Beschreibung des Verfahrens zur Förderung des Auf- und Ausbaus der TEN (Art. 172 AEUV). Im Vertrag von Amsterdam wurden gegenüber der Maastrichtfassung zwei Änderungen vorgenommen, die nachfolgend näher beschrieben werden. Art. 170 AEUV (ex-Art. 154 EGV) Beitrag zum Auf- und Ausbau: Im Art. 170 AEUV werden die Ziele für den Titel XVI definiert. Enthalten ist ein umfangreicher Zielkatalog, zu dessen Verwirklichung der Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze einen Beitrag leisten soll. Art. 170 Abs. 1 AEUV nimmt ausdrücklich Bezug auf Art. 26 AEUV (Vollendung des Binnenmarktes) und auf Art. 174 AEUV (Kohäsion. Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der Union). Beim Binnenmarkt besteht also eine Zielkonvergenz mit Art. 90 AEUV. (Epiney/Gruber 1997, 62; Heuck 2013, 232f) Der Aus- und Aufbau der TEN durch einen „Beitrag“ soll der Vollendung des Binnenmarktes und der Verbesserung der Kohäsion zwischen den Mitgliedstaaten dienen. „Der Begriff des ‚Beitrags“ macht insbesondere deutlich, dass Titel XVI keine Kompetenz für eine eigene Infrastrukturpolitik der EU eröffnet.“ (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 3) Durch diesen Beitrag hat es die Union in der Hand, dass die Integration beschleunigt wird. Dadurch sollen laut Art. 170 Abs. 1 AEUV den Bürgern der Union, den Wirtschaftsbeteiligten sowie den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften die – wenn auch nicht näher spezifizierten – Vorteile zugutekommen, die sich aus der Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen ergeben (z. B. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU, Förderung der Beschäftigung etc.). (Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 15; Calliess 2011, Art. 170 Rn. 15f; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 14-16; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 6f; Heuck 2013, 231) Es wird eine Art „kollektives Wohlergehen“ angestrebt. (Epiney/Gruber 2001, 59) Damit aber allen die „Vorteile des Binnenmarktes“ zugutekommen, ist nach Epiney/Gruber diese Zielbestimmung dahingehend zu präzisieren, dass die TEN zu einem möglichst leistungsfähigen und insbesondere auch flächendeckenden Verkehrsnetz beitragen sollen. (Epiney/Gruber 1997, 64) Ohne TEN ist ein freier und reibungsloser Verkehr von Personen, Gütern und Dienstleistungen innerhalb des Unionsraumes nicht möglich. Das hat aber auch zur Folge, dass neben den eben genannten Vorteilen „auch und gerade deren Nachteile ins Auge zu fassen sind, indem durch gezielte Akzentsetzungen hinsichtlich der Verkehrsträger etwa die Reduktion der durch den Binnenmarkt verursachten Umweltbelastungen anzustreben ist.“ (Epiney/Gruber 2001, 59f) Allerdings werden in Art. 170 Abs. 2 AEUV die gemeinschaftlichen Tätigkeiten der sehr allgemeinen

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Zielbestimmung wieder eingeschränkt. Der Verbund der einzelstaatlichen Netze, die Interoperabilität zwischen den Netzen und der Zugang zu diesen sollen einen länderübergreifenden Netzverbund und ein wettbewerbsorientiertes Dienstleistungsangebot gewährleisten. Des Weiteren sollen durch die TEN die insularen und peripheren Gebiete der Union mit den Zentralräumen vernetzt werden. Hier erfolgt eine Orientierung an regionalpolitischen Zielen. Aus dem Art. 170 AEUV lässt sich erkennen, dass hier die Annahme zugrunde liegt, dass der Binnenmarkt seine volle Leistungsfähigkeit wegen der Infrastrukturmängel nicht entfalten könne. (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 25f; Heuck 2013, 233-235) Die gemeinschaftlichen Tätigkeiten werden auf Maßnahmen zur Verknüpfung der vorhandenen einzelstaatlichen Netzte beschränkt (z. B. Koordinierung, Impulsgeber und Mitfinanzier der mitgliedstaatlichen Projekte). (Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 30) Die Durchführung dieser Aktivitäten erfolgt „im Rahmen eines Systems offener und wettbewerbsorientierter Märkte“. „Dies impliziert zunächst sicherlich einen grundsätzlichen freien Zugang zu den Netzen.“ (Epiney/Gruber 1997, 64; vgl. Neumann 2010, Art. 170 Rn. 17-23) Damit ist die Voraussetzung gegeben, dass ein Wettbewerb möglich ist, was auch eine Förderung von privaten Initiativen zum Bau, Finanzierung und zum Betrieb von TEN (z. B. PPP-Modelle) ermöglicht. (Mehl 2004, 17f) Die Vorschriften des Titels VXI betreffen ausschließlich infrastrukturpolitische Zuständigkeiten der Union und keinerlei ordnungspolitischen Kompetenzen. (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 22) Bei den Mitgliedstaaten bzw. Regionen liegt nach wie vor die primäre Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb der Infrastrukturnetze.132 Nach Art. 170 Abs. 2 AEUV bedürfen TEN- Leitlinien und Vorhaben von gemeinschaftlichem Interesse der ausdrücklichen Billigung des betroffenen Mitgliedstaats. (Kerschner/Wagner 2001, 31; Schäfer 2012, Art. 170 Rn. 29f; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 8) Die Union darf hier nicht anstelle der Mitgliedstaaten handeln. (Epiney/Gruber 1997, 35) Durch den AEUV sind die Mitgliedstaaten aber zur Koordinierung der einzelstaatlichen Infrastrukturpolitik verpflichtet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zielbeschreibung des AEUV somit vier Gebiete begründet, auf denen zusätzliche Unionskompetenzen geschaffen wurden:

132 Dabei haben sich die einzelnen MS aber an die Vorgaben des Unionsrechts zu halten, wie z B. die Erfordernisse der UVP-RL (RL 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 175 vom 15.07.1985, 40-48, geändert durch RL 97/11/EG, ABl. L 73 vom 14.03.1997, 5-15), der Vogelschutz-RL (RL 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 103 vom 25.04.1979, 1-18, geändert durch RL 97/49/EG, ABl. L 223 vom 13.08.1997, 9- 17) und der Habitatsschutz-RL (RL 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tieren und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.07.1992, 7-50, geändert durch RL 97/62/EG, ABl. L 305 vom 8.11.1997, 42-65). 134

 Bereitstellung von Infrastrukturkapazitäten als eine gemeinschaftliche Politikaufgabe (geht über die bisherige Konsultations-, Koordinierungs- und finanzielle Unterstützungsfunktion hinaus);  technische Normung;  Wettbewerbs- und marktordnungspolitische Aspekte des Netzzugangs und der Preispolitik;  Explizite Einbindung der Verkehrsinfrastrukturpolitik in die Regionalpolitik. (Frerich/Müller 2004a, 477) Art. 171 AEUV (ex-Art. 155 EGV) Leitlinien; Aktionen; finanzielle Unterstützung; Kohäsionsfonds: Im Art. 171 AEUV sind drei verschiedene Instrumente für den Auf- und Ausbau der TEN vorgegeben, um die Ziele des Art. 170 AEUV zu verwirklichen:  Leitlinien (Art 171 Abs. 1 Gedankenstrich 1 AEUV): Im AEUV fehlt aber eine Definition des Begriffs Leitlinie, wobei sich aber ein allgemeines Verständnis als Orientierungsrahmen bzw. allgemeiner Bezugsrahmen etabliert hat. (Calliess 2011, Art. 170 Rn. 2f; Mehl 2004, 100; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 2; Heuck 2013, 235) Die Leitlinien legen die Ziele, Prioritäten und Grundzüge der in Betracht gezogenen Aktionen fest und weisen die „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ aus. Die Rechtsnatur derartiger Leitlinien ist allerdings umstritten, da sie in Art. 288 AEUV nicht erfasst werden. Bei Schäfer haben die Leitlinien für die Mitgliedstaaten, Regionen, Kommunen und privaten Investoren eine rechtlich verbindliche, planungsleitende Wirkung. Die rechtliche Verbindlichkeit der bisher geltenden Leitlinien ergibt sich daraus, dass sie bisher vom Parlament und Rat in der Rechtsform einer Entscheidung (seit dem Vertrag von Lissabon: Beschluss, Art. 288 Abs. 4 AEUV) erlassen worden sind. Diese sind an die Mitgliedstaaten gerichtet, die auf deren Umsetzung hinzuwirken haben. (Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 4f; Calliess 2011, Art. 171 Rn. 4f, Art. 172 Rn. 6-8; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 3, 6f; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 3; Kerschner/Wagner 2001, 31) „Die Mitgliedstaaten haben die Leitlinien umzusetzen. Teils wird dies in den Leitlinien selbst zum Ausdruck gebracht, im Übrigen ergibt sich die Verpflichtung aus der verbindlichen Natur der Leitlinien in Verbindung mit der Loyalitätspflicht (Art. 4 Abs. 3 EUV).“ (Schäfer 2011, Art. 171 Rn. 7) In der E 1692/96/EG133 wird in Art. 1 Abs. 2 der Begriff „Leitlinie“ lediglich als ein „allgemeiner Bezugsrahmen“, durch den Vorhaben von gemeinsamem Interesse gefördert werden sollen, bezeichnet. Im Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 1 erfolgt aber noch eine Konkretisierung des Begriffes Leitlinie durch vier notwendige Parameter, um die Umsetzung in praktische Infrastrukturpolitik zu erleichtern: Ziele, Prioritäten und Grundsätze der Aktionen sowie Vorhaben von gemeinsamem Interesse. (Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 10; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 3, 5) Die Ziele beziehen sich auf den allgemeinen Zielkatalog in Art. 170 AEUV und jeweils auf die sektorpolitischen Ziele aus den drei Bereichen, die aber nicht im Widerspruch zueinander stehen dürfen. Prioritäten können entweder sachlicher oder zeitlicher Natur sein (z. B. Lückenschluss), wobei hier aber ein großer Ermessensspielraum vorherrscht. (Mehl 2004, 101; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 3) Unter den Grundzügen der Aktionen sind die wichtigen Einzelmaßnahmen zur Förderung der Ziele einer Leitlinie zu verstehen (z. B. Netzpläne oder Netzschemata). Schließlich werden die Vorhaben von gemeinsamem Interesse in den Leitlinien

133 Entscheidung Nr. 1692/96/EG des EP und des Rates vom 23.07.1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 228 vom 9.09.1996, S. 1-104 idF der Berichtigung ABl. L 15 vom 17.01.1997, 1. 135

ausgewiesen. Sie bilden den Kern der Leitlinien, weil durch die Ausführung erst die Unionsziele erreicht werden können. Eine Definition des Begriffs „von gemeinsamem Interesse“ findet sich im AEUV aber nicht, aber die Vorhaben sollten nicht nur im Interesse der Union, sondern auch im konkreten Interesse eines oder mehrerer betroffener Mitgliedstaaten sein. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 10; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 5) Solche Projekte sind dann förderlich, wenn sie vor allem der Verwirklichung des Binnenmarktes und dem effizienteren Verbund der einzelstaatlichen Netze dienen. Natürlich können sie auch einen Bezug auf Drittstaaten aufweisen. (Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 12)  Aktionen (Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 2 AEUV): Die Union kann Aktionen setzen, um die Interoperabilität der TEN (insbesondere technische Harmonisierung) zu gewährleisten und durch Harmonisierung der einzelstaatlichen Netze den allgemeinen Zugang zu den Netzen in der Union zu gewährleisten. Dabei besitzen die Unionsorgane aber einen weiten Beurteilungsspielraum. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 11; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 8; Heuck 2013, 236) Diese Maßnahmen umfassen nur die technische Harmonisierung damit sie grenzüberschreitend genutzt werden können. Anderweitige rechtliche Zugangsregeln (z. B. Netzzugangsrecht; Netznutzungsgebühren) können aufgrund des Artikels nicht beschlossen werden. (Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 31; Mehl 2004, 102f; Sollberger 2003, 117 Fn. 205) Außerdem werden die Interoperabilitätsmaßnahmen in den Leitlinien ausdrücklich als Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausgewiesen, aber trotzdem besitzt der Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 2 AEUV eine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Gedankenstrich 1. Zusammen mit Art. 172 Abs. 1 AEUV bildet dieser Artikel eine eigenständige Rechtsgrundlage zum Erlass von sekundärem Unionsrecht. Laut Entscheidung des EuGH134 ist eine Angleichung der technischen Normen auf dieser Grundlage auch ohne die vorherige Aufstellung von Leitlinien nach dem Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 1 AEUV möglich (Interoperabilitätsmaßnahmen bedürfen keiner Billigung des betroffenen Mitgliedstaats). Zu Problemen kann es aber kommen, wenn technische Normen zur Herstellung der Interoperabilität nationaler Netze auch rechtsangleichende Elemente iSv Art. 114 AEUV enthalten. Hier verdrängt der Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 2 AEUV als speziellere Norm den Art. 114 AEUV. (Mehl 2004, 105; Schäfer Art. 171 Rn. 29; Calliess 2011, Art. 171 Rn. 14)  Finanzielle Unterstützungen (Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 3 AEUV): Hier wird die Union ermächtigt die finanziellen Anstrengungen von mitgliedstaatlichen Projekten zu unterstützen, mit denen sie die in Art. 170 Abs. 2 genannten Ziele erreichen wollen. Diese Unterstützung ist aber auf Vorhaben „von besonderem Interesse“ beschränkt (Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 1 AEUV). Seit dem Vertrag von Amsterdam ist durch die neue Fassung des Artikels auch eine finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft an privaten Projekten und PPP-Projekten gestattet. Diese Projekte müssen zwar von den Mitgliedstaaten unterstützt (z. B. planerisch und/oder politisch), aber nicht finanziert werden. (Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 35f; Kerschner/Wagner 2001, 32; Calliess 2011, Art. 171 Rn. 18; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 9; Neumann 2010; Art. 170 Rn. 35) Als Form der Unterstützung sind Durchführbarkeitsstudien, Anleihebürgschaften und Zinszuschüsse vorgesehen, wobei aber durch die Formulierung „insbesondere“ dieser Katalog nicht abgeschlossen ist. Daneben kann die Union aus dem Kohäsionsfonds (Art. 177 AEUV) finanzielle Beiträge zu spezifischen Verkehrsinfrastrukturvorhaben leisten.

134 EuGH, Rs. C-271/94 (Parlament/Rat), Slg. 1996, I-01689 Rn. 26f. 136

Hier erlaubt der AEUV also nur eine Unterstützung, die eine mitgliedstaatliche Finanzierung nicht ersetzen darf (Subsidiaritätsprinzip). (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 19; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 10f; Mehl 2004, 103; Heuck 2013, 236) Für den Genuss einer Unterstützung der Union ist für sämtliche Vorhaben eine Bewertung der potenziellen wirtschaftlichen Lebensfähigkeit notwendig (positive Kosten- und Nutzenanalyse), um einer Verschwendung von öffentlichen Geldern vorzubeugen (Art. 171 Abs. 1 AEUV). Bei der Orientierung der Infrastrukturpolitik an marktwirtschaftlichen Grundsätzen ergibt sich aber ein gewisser Zielkonflikt mit der Vorgabe des Art. 170 Abs. 2 AEUV135. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 21; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 46; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 12) Bei der Mehrzahl der Infrastrukturprojekte wird eine betriebswirtschaftliche Rentabilität niemals erreicht136, daher wird die potenzielle wirtschaftliche Lebensfähigkeit eines Vorhabens als volkswirtschaftliche Rentabilität (vgl. soziökonomischer Nutzen) aufgefasst. Weiters kann auch der sozioökonomische Nutzen des Vorhabens gegenübergestellt werden. (Mehl 2004, 18; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 43-45) Allerdings ist aber durch die Struktur des Titels XVI vorgezeichnet, dass eine gewisse Vorrangstellung des Art. 170 gegenüber dem Art. 171 AEUV gegeben ist, wobei beide Grundsätze zu einem Ausgleich zu bringen sind. (Epiney/Gruber 1997, 63) Standen bei den Regelungen in Abs. 1 die Aktivitäten der Union im Vordergrund so sieht der Abs. 2 des Art. 171 AEUV die Koordinierung der einzelstaatlichen Politikern auf der Ebene der Mitgliedstaaten vor, die in Verbindung mit der Kommission erfolgen soll. Die Kommission kann Initiativen ergreifen, die diese Koordinierungspflicht erleichtern. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 36f; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 46f; Voet van Vormizeele 2012, Art.170 Rn. 13f; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 50) Schließlich ist in Art. 171 Abs. 3 AEUV noch vorgesehen, dass die Union mit Drittstaaten „zur Förderung von Vorhaben von gemeinsamem Interesse sowie zur Sicherstellung der Interoperabilität der Netze“ zusammenarbeiten kann (z. B. Schweiz). (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 40f; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 48-50; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 51; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 15f; Heuck 2013, 239) Art. 172 AEUV (ex-Art. 156 EGV) Beschlussfassung: Schließlich ist im Art. 172 AEUV das anzuwendende Verfahren niedergelegt. Die Leitlinien und die übrigen Maßnahmen werden nach Art. 171 Abs. 1 AEUV vom Europäischen Parlament und vom Rat entsprechend dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 294 AEUV) und nach Anhörung des WSA und des AdR festgelegt. Eine Verletzung dieser Anhörungspflicht stellt

135 Sie trägt insbesondere der Notwendigkeit Rechnung, insulare, eingeschlossene und am Rande gelegene Gebiete mit den zentralen Gebieten der Union zu verbinden (Art. 170 Abs. 2 AEUV). 136 Das gilt insbesondere für den Verkehr, da die Rentabilitätsbedingungen für die Verkehrsinfrastruktur vor allem auf grenzüberschreitenden Verbindungen wesentlich ungünstiger sind. (Mehl 2004, 18 (Fn. 92)) 137

einen Verfahrensfehler dar und führt zur Nichtigkeit des Rechtsaktes. Seit dem Vertrag von Amsterdam (1999) galt dieses Verfahren nur für die Leitlinien. Die sonstigen Maßnahmen wurden im Zusammenarbeitsverfahren (ex-Art. 252 EGV) beschlossen, das im Vertrag von Lissabon abgeschafft wurde. (Calliess 2011, Art. 172 Rn. 1-3; Schäfer 2012, Art. 172 Rn. 1; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 1; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 1; Kerschner/ Wagner 2001, 32; Heuck 2013, 237) Eine Besonderheit ist allerdings noch im Art. 172 AEUV angeführt, wobei Leitlinien und Vorhaben, die das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates betreffen (physisch, physikalisch oder organisatorisch) dessen Billigung unterliegen. Durch diesen Territorialvorbehalt (Vetorecht) der Mitgliedstaaten wird praktisch zum Einstimmigkeitsprinzip zurückgekehrt. (Schäfer 2012, Art. 172 Rn. 3f; Jung 2011, Art. 172 Rn. 12; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 2; Voet van Vormizeele 2012, Art. 170 Rn. 2; Kerschner/Wagner 2001, 32; Heuck 2013, 238) Dieses Vetorecht erklärt sich vor dem Hintergrund der Mehrheitsentscheidung im Rat nach Art. 294 AEUV, wodurch ein Mitgliedstaat auch gegen seinen Willen zu Infrastrukturvorhaben verpflichtet werden könnte. Diesem Verlust an Souveränität stimmten die Mitgliedstaaten bisher nicht zu. (Calliess 2011, Art. 172 Rn. 9; Neumann 2010, Art. 170 Rn. 3) In der Frage der TEN besitzt Österreich daher ein besonderes Mitgestaltungsrecht, um spezifisch nationale Interessen durchzusetzen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Art. 170 AEUV als verkehrspolitisches Infrastrukturziel konkret auf den Art. 26 AEUV (Vollendung des Binnenmarktes) und Art. 174 AEUV (Verwirklichung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der Union) verweist. Im Gegensatz dazu verweist der Art. 90 AEUV nur auf die allgemeinen Vertragsziele. Allerdings lässt sich aber auch aus der Zielbestimmung des Art. 170 AEUV nicht klar bestimmen, „[…] wann im Einzelnen die liberalen Marktvorstellungen zur Verwirklichung des Binnenmarktes und im welchem Fall die regulativen Vorstellungen hinsichtlich der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der […] [Union] überwiegen sollen […].“ (Mehl 2004, 19) Als Ergebnis zur bisherigen rechtlichen Ausgestaltung des AEUV im Verkehrssektor lässt sich feststellen, dass ein eigenes Zielkonzept zur Erreichung der in Art. 3 EUV niedergelegten allgemeinen Ziele gänzlich fehlt. Es werden nur gewisse Teilfragen geregelt und wichtigen Entscheidungen wurde ausgewichen, was den Verkehrstitel von den übrigen Titeln des dritten Teils des AEUV gänzlich unterscheidet. (vgl. Erhardt 1996, 918; Mehl 2004, 19f)

138

3.1.5 Weitere verkehrsrelevante vertragliche Bestimmungen

Durch die wenigen Vorgaben des Verkehrstitels (nominales Verkehrsrecht) hat sich die gemeinsame Verkehrspolitik an den allgemeinen Zielen der Verträge zu orientieren, was dem funktionalen Verkehrsrecht eine erhebliche Tragweite zukommen lässt. Das funktionale Verkehrsrecht betrifft zwar sektorübergreifende Bestimmungen oder andere Politiken, aber durch die so genannten Querschnittsklauseln wirkt es auch in den Verkehrsbereich hin. Von Bedeutung für die gemeinsame Verkehrspolitik sind vor allem die Umwelt- und Regionalpolitik sowie andere primärrechtliche Vorgaben. (Sollberger 2003, 108, 119; Schroeder 2012, 32) Im Besonderen Zusammenhang steht der Verkehrs mit der Umweltpolitik. Schließlich ist der Verkehr in der Europäischen Union mit rund 30% der größte CO2-Emittent und verkehrsbedingte Umweltverschmutzungen spielen eine maßgebliche Rolle (z. B. an alpinen Transitrouten). Die Umweltpolitik137 gehört ebenfalls wie die gemeinsame Verkehrspolitik nach Art. 4 Abs. lit. e AEUV zum geteilten Zuständigkeitsbereich der Union. Im Titel XX138 ist dann ein eigenes Umweltkapitel (Art. 191 bis 193 AEUV) enthalten, worin die Ziele und Handlungsgrundsätze, die materiellen Umweltschutzprinzipien und die Unionskompetenzen auf dem Gebiet des Umweltschutzes angeführt sind. Weiters wird auch in Art. 114 Abs. 3 und 4 AEUV der Umweltschutz explizit erwähnt. (Epiney 2012, 34, 48f; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 27; Käller 2012, Art. 191 Rn. 3) Für alle anderen Unionspolitiken und somit auch für die Verkehrspolitik ist die „Querschnittsklausel“139 des Art. 11 AEUV

137 „Umwelt“ wird aber in den Verträgen nirgends definiert und damit weder sachlich noch örtlich beschränkt. (Calliess 2011, Art. 191 Rn. 9) 138 Der Umwelttitel mit den ex-Art. 130r bis 130t EWGV wurde mit der EEA in den EGWV eingefügt. Der Vertrag von Maastricht verankerte, neben einigen Formulierungsänderungen, den Umweltschutz in der Zielbestimmung des ex-Art. 3 lit. l EGV und brachte einige Modifikationen bei den Entscheidungsverfahren. Der Vertrag von Amsterdam modifizierte in einigen Punkten die Regelung der mitgliedstaatlichen Alleingangsmöglichkeiten in Rahmen des ex-Art. 95 Abs. 4ff. EGV sowie das Entscheidungsverfahren in ex-Art. 175 EGV. (vgl. Streinz 2008, §19 Rn. 1110; Bieber et al. 2013, §32 Rn. 2; Epiney 2013, 42-45; Käller 2012, Art. 191 Rn. 1) 139 Mit dem Vertrag von Maastricht sind so genannte „Querschnittsklauseln“ (Integrationsprinzipien bzw. - klauseln) in zahlreiche Politiken eingefügt worden. Die Querschnittsklauseln sollen bewerkstelligen, dass die Belange von betroffenen Politiken auch in den anderen Politiken zu berücksichtigen sind. Dadurch müssen die Unionsorgane bei der Definition und Durchführung der anderen Politiken auch die Erfordernisse der jeweiligen „Querschnittspolitik“ berücksichtigen. (Epiney/Gruber 2001, 60; Calliess 2011a, Art. 6 Rn. 2) Die Querschnittsklauseln formulieren zusätzliche inhaltliche Vorgaben, die bei der gesamten gemeinschaftlichen Politikgestaltung zum Tragen kommen und dort ihre Bedeutung entfalten. Dadurch werden „[…] die Belange einzelner Politiken zu bereichsübergreifenden, vertragsdurchziehenden Anliegen […]“ gemacht. (Sollberger 2003, 119) Allerdings hängt die jeweilige Reichweite einer Querschnittsklausel von den konkreten Zielsetzungen und Inhalten der betroffenen Politikbereiche ab. Solche Querschnittsklauseln finden sich in: Art. 11 (Umwelt), Art. 12 (Verbraucherschutz), Art. 167 Abs. 4 (Kultur), Art. 168 Abs. 1 (Gesundheitswesen) und Art. 173 Abs. 3 (Industrie). (Calliess 2011a, Art. 6 Rn. 2; Epiney/Gruber 1997, 65f) 139

maßgeblich.140 Danach müssen umweltpolitische Erfordernisse bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung141 einbezogen werden. (Bieber et al. 2013, §32 Rn. 11; Epiney 2013, 49; Epiney et al. 2013, 26; Streinz 2008, §19 Rn. 1113; Kahl 2012, Art. 191 Rn. 12; Kahl 2012a, Art. 11 Rn. 17; Käller 2012a, Art. 11 Rn. 7; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 27; Ehlotzky 2014, 84; Heuck 2013, 247-250) Inhaltlich lässt sich die Tragweite der Querschnittsklausel über die Vorgaben des Art. 191 AEUV konkretisieren: Darin sind sowohl die Umweltpolitikziele der Union gemäß Art. 191 Abs. 1 AEUV enthalten als auch die in Art. 191 Abs. 2 AEUV genannten Grundsätze der Vorsorge und Vorbeugung. Der Art. 191 Abs. 3 AEUV mit seinen Umweltpolitikaspekten (so genannte Leitlinien oder Abwägungskriterien) ist aber nicht vollständig auszuschließen, obwohl diese dem Wortlaut nach nicht integriert, sondern nur berücksichtigt werden müssen. (Jans/Heide 2003, 19; Epiney et al. 2013, 26; Kahl 2012, Art. 11 Rn. 12; Bieber et al. 2013, §32 Rn. 13f; Streinz 2008, §19 Rn. 1114f; Heuck 2013, 243f, 250f) „Insofern veranschaulicht […] [Art. 11 AEUV] in seiner ‚Brückenfunktion’ den Charakter von […] [Art. 191 AEUV] als funktionalem Verkehrsrecht.“ (Sollberger 2003, 123) Die Sonderrolle der Umweltpolitik bedingt daher von Natur aus eine „Querschnittsfunktion“, als „[…] diese nicht als isolierte Politik neben anderen verfolgt werden kann, sondern ihre Zielsetzungen können von Vornherein nur unter der Voraussetzung erreicht werden, dass ihre Belange auch im Rahmen anderer Politiken mitbedacht und mitverfolgt werden.“ (Bieber et al. 2013, §32 Rn. 11) Der Art. 11 AEUV kann daher als Beleg für die These vom relevanten Vorrang des Umweltschutzes im Verhältnis zu den anderen Zielen der Verträge gesehen werden. (Kahl 2012a, Art. 11 Rn. 18; Heuck 2013, 246) Die Querschnittsklausel enthält seit der Aufwertung im Vertrag von Amsterdam ein fundiertes Abwägungs- und Einbeziehungsgebot, das primärrechtlich verankert ist. (Epiney/Gruber 2001, 61) Unter dem Einbeziehungsgebot versteht man, dass „[...] die Belange des Umweltschutzes zu

140 Die erste Fassung des Art. 11 AEUV (ex-Art. 6 EGV) wurde durch die EEA als ex-Art. 130r Abs. 2 Satz 2 EWGV in den Vertrag eingefügt. Diese Querschnittsklausel erwies sich in der Praxis als wenig handhabbar und erhebliche Umsetzungsdefizite waren vorhanden. Deshalb folgte im Vertrag von Maastricht eine Umformulierung als ex-Art. 130 r Abs. 2 Satz 3 EGV. Im Vertrag von Amsterdam wurde dann das Konzept der „Nachhaltigen Entwicklung“ in die Querschnittsklausel integriert und diese mit dem jetzigen Wortlaut unter die „Grundsätze“ der Union verankert. Damit wurde der Umweltschutz aufgewertet und als Klammer vor der gesamten Tätigkeit der Union gezogen. Der Vertrag von Lissabon brachte keine materiellen Änderungen. (vgl. Calliess 2011a, Art. 11 Rn. 1-4; Käller 2012a, Art. 11 Rn.2-6; Epiney 2013, 44f) 141 Der AEUV enthält keine Definition von Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung. Im Gegensatz zur Nachhaltigkeitsdefinition der Fn. 32 wird im Art. 11 AEUV der Aspekt der Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne (eindimensionaler, ressourcenökonomischer Nachhaltigkeitsbegriff) verstanden. (vgl. Kahl 2012a, Art. 6 Rn. 19-21) 140

berücksichtigen und mit gegenläufigen Interessen abzuwägen […]“ sind, um einen praktischen und schonenden Ausgleich herbeizuführen. (Calliess 2011a, Art. 11 Rn. 7) Das anzuwendende Abwägungsgebot besteht aus zwei Aspekten: Einerseits müssen die Vorgaben für den gemeinschaftlichen Umweltschutz des Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV (Zielsetzungen; umweltpolitische Handlungsprinzipien) berücksichtigt werden, und andererseits „[…] gibt der Begriff des Einbeziehens vor, dass die Umweltbelange nicht ‚weggewogen’ werden dürfen. Vielmehr müssen sie integrativer Bestandteil der Maßnahme geworden sein und daher ihren Inhalt erkennbar mitgeprägt haben.“ (Calliess 2011a, Art. 11 Rn. 8) Diese Gebote müssen seitens der Union beim Erlass von Sekundärrecht (z. B. umfassende UVP) und von den Mitgliedstaaten bei der Vollziehung berücksichtigt werden. (Epiney 2013, 109; Kahl 2012a, Art. 11 Rn. 12-14; Käller 2012a, Art. 11 Rn. 8-10) Werden bei Rechtsakten der Union die umweltpolitischen Handlungsprinzipien des Art. 191 AEUV nicht oder nicht zureichend beachtet, kann dies zu seiner Nichtigkeit führen. Aufgrund ihrer geringen inhaltlichen Bestimmtheit verfügen aber die Unionsorgane über einen weiten Beurteilungsspielraum, und eine Verletzung dürfte im Ergebnis aber nur schwer nachweisbar sein. (Epiney 2013, 113; Jans/Heide 2003, 23; Kahl 2012a, Art. 11 Rn. 55f) Die Querschnittsklausel ist nach herrschender Meinung justiziabel, wobei allerdings laut Calliess die gerichtliche Bedeutung des Art. 11 AEUV noch nicht geklärt ist. (Kerschner/Wagner 2001, 33; Calliess 2011a, Art. 11 Rn. 26; Käller 2012a, Art. 11 Rn. 18; Heuck 2013, 246) Der EuGH hat aber in zwei verkehrspolitischen Urteilen142 auf die Querschnittsklausel hingewiesen, wobei „[…] die Liberalisierung des Güterkraftverkehrs ‚geordnet’ nur im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik erfolgen könne, bei der neben wirtschaftlichen und sozialen auch die ‚ökologischen Probleme […] berücksichtigt werden’.“ (Calliess 2011a, Art. 11 Rn. 25; Mehl 2004, 93) Daraus könnte geschlossen werden, dass die Binnenmarktmaßnahmen (z. B. im Bereich der Liberalisierung des Straßenverkehrs) die nicht hinreichend ökologisch „flankiert“ sind, Unionsrecht verletzen. Im Umkehrschluss müssen sich aber Umweltmaßnahmen in das Ziel der Binnenmarktverwirklichung einfügen und diesen nicht unverhältnismäßig einschränken. (Calliess 2011b, Art. 191 Rn. 18; Mehl 2004, 93) Trotz dieser vorsichtigen Ansätze in Richtung auf ein legislatives Gebot der ökologischen Flankierung hat der EuGH bislang jedoch bei nationalen Verkehrsabgaben (z. B. Brenner-Maut143) den Umweltschutz nicht als

142 EuGH, Rs. C-17/90 (Pinaud Wieger/Bundesanstalt für den Güterverkehr), Slg. 1991, I-05253 Rn. 11; Rs. C-195/90 (Kommission/Deutschland), Slg. 1992, I-03141, Rn. 33 („Deutsche Straßenbenutzungsgebühr“). 143 EuGH, Rs. C-205/98 (Kommission/Österreich), Slg. 2000, I-07367 Rn. 63 ff, 140 („Brennermaut“); Rs. C- 195/90 (Kommission/Deutschland), Slg. 1992, I-03141 Rn. 18ff, 39; vgl. Rs. C-346/97 (Braathens/ Riksskatteverket), Slg. 1999, I-03419 Rn. 22f. 141

Rechtfertigungsgrund gelten lassen, sondern eine Diskriminierung im Sinne des Art. 95 Abs. 1 AEUV festgestellt. (Kahl 2012a, Art. 11 Rn. 34) „Letztlich interpretiert der EuGH den Umweltschutz sehr restriktiv. Er orientiert sich streng am AEUV und dem umweltrechtlichen Sekundärrecht […].“ (Ehlotzky 2014, 87) Epiney verweist aber dezidiert, dass „ein sich wie auch immer gestaltetes ‚Grundrecht auf eine gesunde Umwelt‘ […] den Verträgen denn auch nicht zu entnehmen [ist].“ (Epiney 2013, 49) Nach diesen Ausführungen stellt sich aber die Frage, ob das derzeitige europäische Verkehrsrecht nicht mit den materiellen Umweltschutzprinzipien der Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV kollidiert und ob möglicherweise sogar eine eklatante Verletzung der Querschnittsklausel (Art. 11 AEUV) vorliegt? (vorsichtig bejahend Epiney/Gruber 1997, 150f; Kerschner/Wagner 2001, 45f) Schroeder beobachtet trotzdem einen Trend, „[…] nämlich ein Wandel in der EuGH-Judikatur von einer mehr oder weniger marktliberalen Interpretation der Grundfreiheiten weg, hin zu einer wertorientierten Judikatur.“ (Schroeder 2012, 43) Als Ergebnis ist aber festzustellen, dass umweltpolitische Belange bei allen Maßnahmen in der gemeinsamen Verkehrspolitik beachtet werden müssen: Der Art. 191 Abs. 2 AEUV sieht ein hohes Schutzniveau vor, wobei regionale Unterschiede, aber auch wirtschaftliche und politische Aspekte beachtet werden können144, was einen gewissen Spielraum erlaubt (spezifische Ausprägung dieses Prinzips in Art. 114 Abs. 3 AEUV). (Kahl 2012, Art. 191 Rn. 67; Calliess 2011b, Art. 191 Rn. 15; Heuck 2013, 252f) „Daher sind etwa auch die speziellen Belastungen von Transitregionen einzubeziehen.“ (Epiney/Gruber 1997, 69) Laut Heuck wäre es demnach möglich „[…] die Alpenkonvention und das Verkehrsprotokoll als Maßstab für die Festlegung eines hohen Schutzniveaus auf Ebene der Europäischen Union heranzuziehen. Allerdings legen weder die Alpenkonvention noch das Verkehrsprotokoll ein konkretes Schutzniveau fest.“ (Heuck 2013, 254) Weiters dienen in Art. 191 Abs. 2 AEUV das Vorbeuge- und Vorsorge-, das Ursprungs- und das Verursacherprinzip der Verwirklichung des hohen Schutzniveaus. (Kerschner/Wagner 2001, 35f) Bei all dem vorgenannten muss aber im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gehandelt werden, um die notwendige Abwägung der verschiedenen Interessenslagen zu berücksichtigen. (Epiney/Gruber 1997, 69, 71, 74; Sollberger 2003, 124) Interessant für den Verkehrsbereich ist hier vor allem das Verursacherprinzip, wobei der Verursacher von Umweltschäden auch die Kosten zu ihrer Vermeidung, Verringerung oder Beseitigung tragen soll. Dieses marktwirtschaftliche Prinzip ließe sich durch die Internalisierung der

144 Z. B. könnte im Verkehrsbereich die Zulassung erhöhter Straßenbenutzungs- bzw. Mautgebühren auf ökologisch „empfindlichen“ Strecken (z. B. Brenner- bzw. Tauernkorridor) Ausdruck einer Berücksichtigung von regional unterschiedlichen Gegebenheiten sein. (Sollberger 2003, 123) 142

externen Kosten im Straßengüterverkehrsbereich verwirklichen. (Epiney 2013, 153-156; Epiney et al. 2013, 51f; Heuck 2013, 259f) „Insbesondere in Bezug auf RL 99/62 (‚Wegekostenrichtlinie‘) lässt sich feststellen, dass sie das Prinzip der Kostenwahrheit für den Straßengütertransport nur in Ansätzen regelt.“ (Heuck 2013, 261) Der Verkehr spielt natürlich auch in der Regional- und Strukturpolitik145 (Kohäsionspolitik) eine gewichtige Rolle. Seit der EEA146 steht auch „[…] die Verkehrspolitik in der Verantwortung, der Verringerung des Abstandes zwischen den verschiedenen Regionen und des Rückstandes der am stärksten benachteiligten Gebiete verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen.“ (Frerich/Müller 2004a, 326) Diese Verantwortung kommt, wie bereits in Punkt 3.1.4 erwähnt, vor allem bei den TEN zur Geltung. „Gemäß der regionalpolitischen Querschnittsklausel [Art. 175 AEUV] ist das Ziel des wirtschaftlichen, […] sozialen […] [und territorialen] Zusammenhaltes innerhalb der […] [Union] auch in der Verkehrspolitik zu berücksichtigen.“ (Sollberger 2003, 119) Durch große regionale Disparitäten im Verkehrsbereich (z. B. Infrastruktur) kann das Funktionieren des Binnenmarkts gefährdet werden. Um das zu verhindern sind finanzielle Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. (Puttler, Art. 174 Rn. 8; Magiera, Art. 175 Rn. 2-5; Heuck 2013, 240) In Art. 174 Abs. 2 AEUV setzt sich die Union das Ziel die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern („Konvergenzziel“). (Puttler, Art. 174 Rn. 9; Magiera 2012, Art. 174 Rn. 15) Dafür sind im Titel XVIII aktive und passive Maßnahmen vorgesehen. Als aktive Unionsmaßnahme für die Belange der Verkehrspolitik ist der bereits bei den TEN erwähnte Kohäsionsfonds das wichtigste Förderungsmittel (2007 bis 2013 308 Mrd. Euro). (Puttler 2011, Art. 177 Rn. 6; Heuck 2013, 241) „Allerdings unterstützt der Fonds vielmehr die Konvergenz zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten als diejenige zwischen den einzelnen geographischen und geopolitischen Regionen.“ (Sollberger 2003, 120) Daneben beziehen sich die passiven Unionsmaßnahmen der gemeinschaftlichen Regionalpolitik auf das Wettbewerbsrecht.

145 Die Ziele der Regional- und Strukturpolitik sind im Titel XVIII über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt angeführt: Art. 174 bis 178 AEUV (ex-Art. 158 bis 162 EGV). 146 In den 1980er Jahren wurde Regionalpolitik (Probleme durch den Binnenmarkt, Süderweiterung) zunehmend als Teil einer integrierten Unionspolitik (Querschnittsklausel) verstanden. Daher erfolgte durch die EEA die Einfügung der ex-Art. 130a bis 130e EWGV und die Erweiterung der regionalpolitischen Kompetenzen der Gemeinschaft. Durch den Vertrag von Maastricht erfolgte die Errichtung des Kohäsionsfonds. Aus diesem Fonds werden finanzielle Zuwendungen der Gemeinschaft für Vorhaben in den Bereichen Umwelt und TEN in Mitgliedstaaten mit Pro-Kopf-BSP von weniger als 90% des Unionsdurchschnitts geleistet. Allerdings werden keine Programme, sondern nur (konkrete) Projekte finanziert. Insgesamt ist ein Gleichgewicht zwischen der Unterstützung von Vorhaben im Verkehrsinfrastrukturbereich und solchen im Umweltbereich anzustreben (Art. 10 Abs. 2 VO 1164/94). Mittel aus dem Kohäsionsfonds erhielten bis 2003 nur GR, IRL (seit 2004 nicht mehr förderfähig), SPA, POR und ab 2007 alle neuen Mitgliedstaaten (Bieber et al. 2013, §27 Rn. 11f; Puttler 2011, Art. 177 Rn. 3-5; Magiera 2012, Rn. 39-44) 143

„Staatliche Beihilfen, d. h. finanzielle Ausgleichsmaßnahmen der Mitgliedstaaten selbst, sind aufgrund von […] [Art. 107 Abs. 3 lit. a, c und e AEUV] zulässig.“ (Sollberger 2003, 120) Den Mitgliedstaaten ist dadurch die Förderung des Kombinierten Verkehrs oder der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene erlaubt. Daneben kann auch dem Umweltschutz und den Interessen der regionalen Bevölkerung Rechnung getragen werden (Epiney/Gruber 2001, 152-154, 156-159) Das gemeinschaftliche Primärrecht enthält aber neben den umwelt- und regionalpolitischen Vorgaben auch noch andere Rechtsgrundlagen, die den Bereich Verkehr tangieren: Eine sehr wichtige primärrechtliche Rechtsgrundlage für den Verkehrssektor ist das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV), wonach jegliche Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit untersagt ist.147 Das Diskriminierungsverbot gehört zu den grundlegenden Vorschriften der Verträge, was auch seine systematische Stellung im zweiten Teil des AEUV („Nichtdiskriminierung und Unionsbürgerschaft“) erklärt. Das Verbot bildet die Basis für den Binnenmarkt und für die Integration in einer Union der Staaten und der Bürger. (Streinz 2012a, Art. 18 Rn. 11; Epiney/Gruber 2001, 68; Epiney et al. 2013, 45; vgl. Ehlotzky 2014, 97f; Heuck 2013, 274) „Insofern kann das Diskriminierungsverbot als ‚Leitmotiv‘ des Vertrages bezeichnet werden.“ (Epiney 2011, Art. 11 Rn. 1; vgl. Epiney et al. 2013, 45) Die Vorschrift des Art. 18 AEUV ist unmittelbar anwendbar und kann gerichtlich geltend gemacht werden. Daher dürfen nationale Regelungen im Verkehrssektor weder In- noch Ausländer in formeller oder materieller Weise benachteiligen. (Epiney 2011, Art. 11 Rn. 2; Streinz 2012a, Art. 18 Rn. 5) Epiney/Gruber führen einige (mögliche) nationale verkehrspolitische Maßnahmen an, die sich am Maßstab des Art. 18 AEUV zu orientieren haben:  Nationale Regelungen zur modal split-Beeinflussung (z. B. Verlagerungspflicht des Transports bestimmter Güter auf die Schiene);  Road pricing;  „Öko-Bonus-Systeme“, die die Erhebung bestimmter Abgaben mit einer Rückvergütung an bestimmte Bevölkerungsteile verbinden (z. B. Problematik der Inländerrückvergütungen)  Diskriminierungsfreie Ausgestaltung aller Verkehrsbeschränkungen (z. B. aus Umwelt- oder Sicherheitsgründen). (Epiney/Gruber 2001, 73; vgl. Epiney et al. 2013, 46; Heuck 2013, 274) Eine weitere wichtige vertragliche Bestimmung für den Verkehrsbereich sind die Grundfreiheiten des Binnenmarktes, vor allem die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit. Beim freien Warenverkehr sind die Art. 34 bis 37 AEUV relevant, die das Verbot der mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen (Kontingente) und

147 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Epiney 2011, Art. 18 Rn. 1-38; Streinz 2012a, Art. 18 Rn. 1-70. 144

der Maßnahmen gleicher Wirkung (so genannte „Dassonville-Formel“ 148) enthalten. Diese Gebote sind unter Vorbehalt verhältnismäßiger Rechtfertigungsgründe und zwingender Interessen des Allgemeinwohls auch auf sämtliche verkehrspolitische Regelungen anwendbar (z. B. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Nachfahrverbote, sektorale Fahrverbote). (Epiney/Gruber 2001, 81f; Bieber et al. 2013, §11 Rn. 28-71; Epiney et al. 2013, 15; Heuck 2013, 275-277) Trotz eines Ausnahmegebots für den Verkehrssektor in Art. 58 Abs. 1 AEUV können auch die Art. 56 bis 62 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) nicht ganz beiseitegeschoben werden. Durch dieses Ausnahmegebot in Art. 58 Abs. 1 AEUV mit dem Verweis auf den Verkehrstitel ist aber festgelegt, dass der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) auch für Verkehrsdienstleistungen gilt, aber mit der Einschränkung, dass diese mit den besonderen Mitteln der gemeinsamen Verkehrspolitik zu verwirklichen ist. (Mehl 2004, 65 Bieber et al. 2013, §11 Rn. 123; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 5-7; Epiney/Gruber 2001, 99; Jung 2011, Art. 90 Rn. 16; Heuck 2013, 284) „Einerseits geht von den […] [Art. 56 ff AEUV] eine gewisse Ausstrahlungswirkung auf die Ausgestaltung der Verkehrspolitik aus, gilt doch auch im Verkehrssektor die Zielsetzung, die Dienstleistungsfreiheit zu verwirklichen149.“ (Sollberger 2003, 125) Trotz der schleppenden Liberalisierung im Verkehrssektor hat der EuGH es bisher immer verneint, dass die Art. 56 ff AEUV mittlerweile im Verkehrsbereich unmittelbar anwendbar sind (Ausnahme Schienenverkehr).150 (Sollberger 2003, 125; Epiney/Gruber 2001, 103f; Epiney/Gruber 1997, 23f; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 6; Ehlotzky 2014, 95f; Heuck 2013, 285) Natürlich gelten auch für den Verkehrsbereich die allgemeinen europarechtlichen Wettbewerbsregeln (Art. 101 bis 109 AEUV)151, obwohl in Art. 93 und 96 AEUV gewisse wettbewerbsbezogene Ausnahmebestimmungen enthalten sind. (Kerschner/Wagner 2001, 36; Jung 2011, Art. 90 Rn. 16; Schäfer 2012 Art. 90 Rn. 9; Epiney et al. 2013, 54; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 18) „Der Gerichtshof hat die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln auf den Verkehrsbereich152 seit seiner Grundsatzentscheidung „Asjes=Nouvelles Frontièrs“153

148 Der EuGH definiert als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung jede mitgliedstaatliche Handelsregelung, „die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“ (so genannte „Dassonville-Formel“ – EuGH, Rs. 8/74 (Procureur du Roi/Dassonville), Slg. 1974, 00837 Rn. 5. (Bieber et al. 2013, §11 Rn. 37-40) 149 EuGH, Rs. 13/83 (Parlament/Rat), Slg. 1985, 01513 Rn. 62 („Untätigkeitsurteil“). 150 Für eine ausführliche Darstellung der Reichweite der Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Verkehrs vgl. Epiney/Gruber 2001, 99-107. 151 Für eine ausführliche Darstellung zur Relevanz der Wettbewerbsregeln für den Verkehrssektor vgl. Epiney/ Gruber 2001, 121-183. 152 VO (EWG) Nr. 1017/68 des Rates vom 19.07.1968 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs, ABl. L 175 vom 23.7.1968, 1-12; ändernde Rechtsakte: durch die VO (EG) Nr. 169/2009 des Rates vom 26.02.2009 über die Anwendung von 145

mehrfach bestätigt.“ (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 90; vgl. Epiney et al. 2013, 54f) Allerdings war für den Verkehrssektor bis 2003 die Anwendung der allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu den Art. 101 (Kartellverbot) und 102 AEUV (Verbot missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung) ausgesetzt worden. Trotzdem hatte dies aber nicht die gänzliche Unanwendbarkeit der Wettbewerbsregeln zur Folge (Übergangregeln in Art. 108 und 109 AEUV). In den 1980er Jahren wurden sukzessive besondere Vorschriften für die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV auf die verschiedenen Verkehrszweige eingeführt. Mit der VO 1/2003154 ist auch der Verkehr in den Anwendungsbereich der allgemeinen Durchführungsbestimmungen einbezogen worden. Daneben gilt auch die Fusionskontrollverordnung. (Bieber et al. 2013, §12 Rn. 6; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 95; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 19) Die Wettbewerbsregeln des AEUV (Art. 101 bis 109 AEUV: Kartell-, Missbrauchs- und Beihilfenverbot) werden grundsätzlich auf alle privaten und öffentlichen Unternehmen angewendet (Art. 106 Abs. 1 AEUV), wobei aber gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV „für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben“, eine Ausnahme von den Wettbewerbsregeln besteht, sofern „die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“. Diese Vorschrift ist im Verkehrssektor vor allem auf den ÖPNV155 anzuwenden, der Verkehrsleistungen im öffentlichen Interesse erbringt, wobei diese Ausnahmeregelungen vom allgemeinen Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) aber auf ihre Vertragsvereinbarkeit zu prüfen sind. (Bieber et al. 2013, §12 Rn. 47- 50, §17 Rn. 1-10; Jung 2011, Art. 90 Rn. 16; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 92; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 19; Epiney et al. 2013, 55; Heuck 2013, 287) Der Art. 110 AEUV bestimmt das Verbot diskriminierender bzw. protektionistischer innerstaatlicher Abgaben. Diese Vorschrift ist im Verkehrsbereich vor allem in Bezug auf Verbrauchsabgaben (Energie, Treibstoffe) sowie auf Fahrzeuge (Kraftfahrzeugsteuern,

Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs, ABl. L 61 vom 5.03.2009, 1-5 wurde die VO Nr. 1017/86 aufgehoben. 153 EuGH, verbundene Rs. 209-213/84 (Ministère public/Asjes=Nouvelles Frontièrs), Slg. 1986, 01425 Rn. 35- 45. 154 VO (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L vom 4.01.2003, 1-25. 155 Dies verdeutlicht etwa die Tatsache, dass in den Jahren 1990 bis 1999 ungefähr ein Drittel der gemeinschaftsweit ausgerichteten Beihilfen den Verkehrssektor (nahezu ausschließlich den Schienenverkehr) betrafen. (Sollberger 2003, 125); VO (EG) Nr. 1370/2007 des EP und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates, ABl. L 315 vom 3.12.2007, 1-13. 146

Wegentgeltsysteme) anzuwenden.156 (Epiney/Gruber 2001, 191, Sollberger 2003, 126: Epiney et al. 2013, 46-51; Heuck 2013, 288-292) Auf den Art. 114 Abs. 1 AEUV (Allgemeine Angleichungsermächtigung für den Binnenmarkt) können ebenfalls verkehrs- bzw. umweltpolitische Maßnahmen gestützt werden. Dieser Artikel ist auf die in Art. 26 AEUV genannten Ziele ausgerichtet und besitzt daher einen großen Anwendungsbereich. Nach Art. 114 Abs. 1 AEUV ist die Union dazu ermächtigt „die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“ zu treffen. (Streinz 2008, §19 Rn. 1123; Epiney 2013, 61-63; Heuck 2013, 299f) „Diese Maßnahmen müssen allerdings tatsächlich den Zweck haben, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern.“ (Bieber et al. 2013, §14 Rn. 13) Im Verkehrsbereich können Maßnahmen auf den Art. 114 Abs. 1 AEUV nur dann gestützt werden, sofern „[…] die gemeinschaftliche Maßnahme schwerpunktmäßig einen Binnenmarktbezug und erst in zweiter Linie einen Verkehrsbezug aufweist“. (Sollberger 2003, 99; vgl. Epiney/Gruber 1997, 38 Fn. 38) Anders sieht es beim Art. 115 AEUV aus, der den Binnenmarkt betrifft, da dieser Artikel hinter den Bestimmungen des Verkehrstitels zurücksteht (v. a. Art. 91 AEUV). (Sollberger 2003, 126) Im Bereich des Umweltschutzes besitzt zudem der Art. 114 Abs. 3 AEUV auch noch eine gewisse Relevanz, weil dadurch den Mitgliedstaaten allgemein und unabhängig von der Ausgestaltung des Sekundärrechts die Möglichkeit zugestanden wird, verstärkte Schutzmaßnahmen zu ergreifen. In diesem Passus kommt aber ein gewisses Spannungsverhältnis zum Ausdruck, da die aufgrund von Art. 114 Abs. 1 AEUV erlassenen Bestimmungen im Interesse der Verwirklichung des Binnenmarktes einheitlich angewandt und ausgelegt werden sollen. Einerseits sollen damit die Mitgliedstaaten abgehalten werden einseitige Maßnahmen zu erlassen, aber andererseits wird ihnen dadurch die Möglichkeit eröffnet (ausschließlich) aus umweltpolitischen Gründen Maßnahmen zu ergreifen, die über den Standard der Union hinausgehen. (Epiney 2013, 135f; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 27) Zuletzt haben auch noch die Sozialvorschriften des Titels X (Art. 151 bis 166 AEUV) indirekten Einfluss auf den Verkehrssektor (sozial- und arbeitsrechtliche Bestimmungen). (vgl. Stadler 2012, Art. 91 Rn. 29-31) Als Ergebnis kann festgestellt werden, „[…] dass nur eine Kombination von nominalem und funktionalem Verkehrsrecht, eine verbindende Anwendung des gesamten Bestimmungsgefüges des […] [AEUV] einer dem Wesen der

156 Für ausführliche Darstellung vgl. Bieber et al. 2013, §19 Rn. 3-8; Epiney/Gruber 2001, 183-205. 147

[…] Union und ihren Verträgen entsprechende Verkehrspolitik gerecht zu werden mag.“ (Sollberger 2003, 12)

3.1.6 Bewertung

Als zusammenfassendes Ergebnis der rechtlichen Grundlagen der gemeinsamen Verkehrspolitik lässt sich feststellen, dass sich aus den verkehrsspezifischen Vorschriften des AEUV kein zusammenhängendes Zielkonzept entnehmen lässt. Vielmehr ergeben sich die Ziele der gemeinsamen Verkehrspolitik aus den allgemeinen Vertragszielen. Diese allgemeinen Grundsatzbestimmungen, wie z. B. das allgemeine Diskriminierungsverbot, die Umweltvorschriften, die vier Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln, begrenzen den Spielraum der Unionsorgane im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung der gemeinsamen Verkehrspolitik. Von all den vorher genannten allgemeinen Vertragszielen ist sicherlich das Binnenmarktziel für die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik herausragend. Dies ergibt sich schon aus der Wechselwirkung zwischen Verkehr und Binnenmarkt, das sich einerseits aus der Bedeutung des Verkehrssektors als herausragenden Wirtschaftssektor und andererseits aus der Rolle des Verkehrswesens als Instrument zur Integration des Binnenmarktes ergibt. (Mehl 2004, 169) „Die gemeinsame Verkehrspolitik muss – im Interesse der Binnenmarktverwirklichung – daher grundsätzlich Verkehrsbewegungen ermöglichen und gegebenenfalls ihre Erleichterung anstreben.“ (Mehl 2004, 49) Das setzt wiederum geeignete Verkehrsinfrastrukturen voraus, wofür der AEUV den Titel über die transeuropäischen Netze zur Verfügung stellt. Allerdings ist bei der Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik nicht nur das (Verkehrs-) Binnenmarktziel relevant, sondern es ist auch eine Rücksichtnahme auf ökologische, soziale und verkehrssicherheitsrelevante Belange sowie auf die Verkehrsinfrastruktur zu nehmen (Mehl 2004, 169)

3.2 ENTWICKLUNG DER EUROPÄISCHEN VERKEHRSPOLITIK

3.2.1 Allgemeines und Ausgangslage

Nach den rechtlichen Bestimmungen des AEUV folgt ein historischer Rückblick über die Entwicklung der Verkehrspolitik der EG/EU. Dadurch soll ein besseres Verständnis für die aktuellen Probleme der Verkehrspolitik gegeben werden. Obwohl das Thema Verkehr einen eigenen Titel im AEUV besitzt und trotz seiner Schlüsselfunktion im System der vertraglichen Zielsetzungen, wurden in 30 Jahren nach der Gründung der damaligen (Wirtschafts-)Gemeinschaft nur geringe Fortschritte erzielt.

148

(Epiney/Gruber 1997, 81) „Die unterschiedlichen nationalen Auffassungen über Ziele, Art und Umfang eines Gemeinsamen Marktes für Verkehrsdienstleistungen ließen den Elan der frühen Jahre verpuffen.“ (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 28) Laut Epiney/Gruber waren dafür folgende zwei Gründe hauptverantwortlich (Epiney/Gruber 1997, 82):  Rein nationale Ausrichtung der mitgliedstaatlichen Verkehrsmärkte: Die Mitgliedstaaten hatten ihre Verkehrsmarktordnungen auf rein nationale Bedürfnisse ausgerichtet. Aus der autonomen Festlegung der nationalen Verkehrspolitiken resultierten entsprechend unterschiedliche Konzepte bezüglich der Stellung des Verkehrs in der Gesellschaft, was letztlich die aus wirtschaftsgeographischen und innenpolitischen Gründen unterschiedliche Prioritätensetzung in den Mitgliedstaaten widerspiegelt.“ (Epiney/ Gruber 1997, 82) Diese unterschiedliche Prioritätensetzung wirkte sich insbesondere auf den so genannten modal split aus. Die großen Flächenstaaten (DE, FR, IT) förderten die Eisenbahn (gut ausgebautes Eisenbahnnetz) für Langstrecken- und Massengütertransporte (z. B. Agrar- und Montangüter). Daneben hatten die Eisenbahnen zu großen Umverteilungsapparaten entwickelt. (Mehl 2004, 10f) Neben dem Personen- und Gütertransport erfüllten die Bahnen noch gemeinwirtschaftliche und militärische Aufgaben und genossen daher einen verkehrspolitischen Schutz. (Aberle 1996, 110) In den Benelux-Staaten stellte sich die Ausgangssituation ganz anders dar: Hier spielte die Eisenbahn wegen der geographischen Gegebenheiten nur eine marginale Rolle und zudem gab es eine starke Konkurrenz seitens der Binnenschifffahrt (gut ausgebaute Wasserstraßen; Hafen von Rotterdam). Die Bahn war ein Wettbewerber neben anderen auf dem Verkehrsmarkt (keine Quersubventionierung und monopolistische Preisbildung). (Mehl 2004, 11f; Epiney/Gruber 1997, 82) Das war die Ausganglage für einen Prinzipienstreit, der vor allem den Straßengüterverkehr betraf: Einerseits verfolgten die Benelux-Länder eine extensive (liberale) Haltung mit einem möglichst freien Verkehrsmarkt, wo die allgemeinen Vertragsregeln weitgehend angewendet werden (Gemeinsamer Markt, Freizügigkeit, Wettbewerb). Andererseits lehnten die großen Flächenstaaten den freien Verkehrsmarkt mit Bezugnahme auf die Besonderheiten des Verkehrs ab. Mit dieser limitativen (ordnungspolitischen) Haltung wurde auch die Anwendbarkeit der allgemeinen Vertragsregeln für den Verkehrssektor in Frage gestellt. (Frerich/Müller 2004a, 30f, Stevens 2004, 23f; Aberle 1996a, 145f, Lehmkuhl 2008, 255) Diese fundamentalen Gegensätze zwischen liberaler und ordnungspolitischer Ausgestaltung der Verkehrspolitik führten zu minimalen Kompromissen.  Fehlende verkehrsspezifische Zielnormen im Vertrag: Durch die unterschiedlichen Interessenslagen und Grundauffassungen der einzelnen Mitgliedstaaten weißt der Verkehrstitel die Züge eines Kompromisses auf. Diese Unschärfe des Vertragstextes, der keine eigentlichen verkehrsspezifischen Zielnormen enthält, führte zu einer zögerlichen Entwicklung des europäischen Verkehrsrechts. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 2; Epiney/ Gruber 1997, 83) Der EWGV enthielt „[…] nur ein Bündel zweitrangiger, vorab wettbewerblicher Detailfragen und überließ die Entwicklung einer gesamtheitlichen Konzeption dem politischen Prozess in den jeweiligen Gemeinschaftsorganen.“ (Epiney/Gruber 1997, 83) Neben dieser zeitlichen und inhaltlichen Unbestimmtheit vieler Artikel des Verkehrstitels lähmte zudem das Einstimmigkeitsprinzip des ex-Art. 75 EWGV (Art. 91 AEUV) den weiteren Entwicklungsprozess der gemeinsamen Verkehrspolitik. Im Rat folgten gegenseitige Blockaden, die sich durch die Norderweiterung 1973 noch verschärften, da sich diese peripheren Staaten (UK, IR, DK) der liberalen Haltung anschlossen. (Schäfer

149

2012, Art. 90 Rn. 28; Lehmkuhl 2008, 255) „Der Regelungsrückstand im Verkehrssektor wurde – gemessen an den Entwicklungen in anderen Bereichen und an den Erfordernissen des wachsenden gemeinsamen Marktes – dadurch immer alarmierender.“ (Epiney/Gruber 1997, 84) Dieser Rückstand hat zum Teil bis zum heutigen Tag Auswirkungen.

Tabelle 16 Development of the common transport policy Date Description 1961 Schaus Memorandum (1961) followed by action programme (1962) proposes comprehensive package of measures to establish by 1970 a transparent, competitive market for inland transport, with much reduced State intervention; Council fails to act 1971 ECJ (Case 22/70, AETR) establishes principle that Community has competence for external relations wherever it has an internal policy 1973 Commission tries again, Development of the Common Transport Policy, EC Bulletin Supplement 16/73 1974 ECJ (Case 167/73) rules that general provisions of Treaty apply to air and sea transport; and (Case 2/74) that such provisions may be directly applied to transport in the absence of more specific Council regulations 1983- Three memoranda on Progress Towards a Common Transport Policy: 85  Inland Transport COM(83)58;  Air Transport COM(84)72;  Maritime Transport COM(85)90 1985 ECJ (Case 13/83) supports Parliament in criticizing Council for failure to develop a common transport policy 1985- Council adopts measures establishing internal markets in the provision of transport 92 services for all modes expect rail 1992 The Further Development of the Common Transport Policy COM(92)494 places emphasis on sustainable mobility 1993- White Paper on Growth, Competitiveness and Employment gives impetus to TENs 94 programme; priority projects agreed at Essen (December 1994) 2001 European transport policy for 2010: time to decide, COM(2001) 370, renews quest for an integrated policy 2006 Communication from the Commission on the mid-term review of the Transport White Paper, COM(2006) 314, draws attention to the changes in the context since 2001 2011 White Paper: Roadmap to a Single European Transport Area – Towards a competitive and resource efficient transport system, COM(2011) 144 (Quelle: Stevens 2004, 48; eigene Ergänzung)

3.2.2 Die Verkehrsmarktkonzeption (1958 – 1972)

Nach Inkrafttreten des EWGV 1958 musste seitens der Kommission zuerst ein Verfahrenskonzept für die gemeinsame Verkehrspolitik entwickelt werden. Der Grund dafür lag, wie bereits mehrfach erwähnt, sowohl der Unschärfe als auch im weitgehenden Fehlen konkreter Bestimmungen in den ex-Art. 74 bis 84 EWGV (Art. 90 bis 100 AEUV). (Frerich/ Müller 2004a, 30f) „Als zentrale Handlungsmaxime diente die in der Präambel des Vertrags formulierte Prämisse des redlichen Wettbewerbs, die dahingehend interpretiert wurde, dass auch im Verkehrssektor marktwirtschaftliche Prinzipien zu verwirklichen seien.“ (Frerich/Müller 2004b, 1) Ziel war die Etablierung eines staatenübergreifenden

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Verkehrsmarktes mit liberaler Marktordnung ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs in ex-Art. 75 EWGV (Art. 91 AEUV). (Frerich/Müller 2004b, 1; Epiney/ Gruber 1997, 85) Das erste verkehrspolitische Konzept folgte 1961 mit der „Denkschrift über die Grundausrichtung der gemeinsamen Verkehrspolitik“ (so genanntes „Schaus- Memorandum“: KOM(61) 50 endg.). Inhaltlich wurden seitens der Kommission in Anlehnung an die (spärlichen) Ansätze im Vertrag (ex-Art. 2, 3, 71 und 80 EGV) drei verkehrspolitische Ziele formuliert:  Beseitigung der Hindernisse, die im Verkehrswesen der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes behindern;  Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit;  Schaffung einer allgemeinen Ordnung des Verkehrswesens innerhalb der Gemeinschaft (bestmögliche Arbeitsteilung). (Frerich/Müller 2004a, 84; Frerich/Müller 2004b, 2; Epiney/Gruber 1997, 85f) „This was a bold, even visionary attempt to construct an all-embracing policy for road, rail and inland waterways transport, based on full integration of transport markets at the Community level into a unified system within which competition would be protected from distorting influences […].” (Stevens 2004, 47) Mit diesen Zielen schloss sich die Kommission einer weitgehenden Vertragsauslegung an. Allerdings fehlten jegliche flankierenden Maßnahmen, um die Nachteile der Einführung der Marktwirtschaft im Verkehrssektor zu kompensieren. „Statt das Marktwirtschaftliche Instrumentarium bloß als eines der möglichen Mittel zur Errichtung des gemeinsamen Verkehrsmarktes zu verstehen, wurde die Einführung der Marktwirtschaft zum eigentlichen Ziel der Verkehrspolitik erhoben.“ (Epiney/Gruber 1997, 87) Zur Umsetzung des „Schaus-Memorandums“ folgte das Aktionsprogramm von 1962 (KOM (62) 88 endg.) mit zahlreichen praktischen Vorschlägen und einem Zeitplan. (Frerich/Müller 2004b, 3f) Bei der Beratung über die Beschlussfassung der vorgeschlagenen Maßnahmen brachen im Rat erneut die unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Interessen auf, die bereits die Verhandlungen über den EWGV geprägt hatten. Zum einen die Liberalisierungsvertreter, die sich auf die allgemeinen Vertragsziele beriefen (Abbau der Kapazitäts- und Preisregulierungen und Lockerung der administrativen Restriktionen für alle Verkehrsträger), und zum anderen die Harmonisierungsbefürworter (vor einer Liberalisierung zuerst Harmonisierung der nationalen Eingriffe für alle Verkehrsträger). (Frerich/ Müller 2004a, 84f) Daneben gab es auch Widerstand innerhalb des Transportgewerbes, die die Marktregulierungen zum Schutz vor Konkurrenz befürworteten. (Epiney/Gruber 1997, 88) In den ersten 15 Jahren der gemeinsamen Verkehrspolitik verhinderte die gegenseitige Blockierung im Rat jegliche Verabschiedung eines ganzheitlichen Verkehrskonzepts. Folglich konnte nur in gewissen

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Punkten ein Konsens gefunden werden und einige isolierte Einzelmaßnahmen gesetzt werden. Dadurch gelang es nur ansatzweise die Wettbewerbsbedingungen der Landverkehrsträger anzuwenden.157 So standen 1969 nur 1.200 Gemeinschaftslizenzen für den innergemeinschaftlichen Straßengüterverkehr zur Verfügung. (Schäfer 2012, Art. 90, Rn. 28; Stevens 2004, 47) Die ausschließlich marktwirtschaftlichen Entscheidungen des Rates führten zu einer „[…] einseitigen Deregulierungsstrategie im Güterverkehr […] [und] zu einer faktischen Benachteiligung der Eisenbahn gegenüber der Binnenschifffahrt und der Straße […].“ (Epiney/Gruber 1997, 88) In dieser einseitigen und sektoriell orientierten Verkehrspolitik liegt der Grundstein für die Ungleichbehandlung der Verkehrsträger. (Wicki 1999, 29) Als Fazit ist zu sagen, dass diese erste Phase der gemeinsamen Verkehrspolitik seitens der Kommission von Vorschlägen geprägt war, die weitgehend von einer extensiven Vertragsauslegung ausgingen. Es war der Kommission allerdings nicht gelungen, „[…] die nationalstaatlichen Interessen im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners zu vereinigen; die dogmatisch stark legalistisch ausgerichtete Verkehrspolitik war weitgehend erfolglos geblieben.“ (Frerich/Müller 2004a, 85)

3.2.3 Stagnation (1973 – 1985)

Die gegenseitige Blockadepolitik und die mangelnde Konsensbereitschaft im Rat stießen Anfang der 1970er Jahre zunehmend auf Kritik. Die Kommissionsinitiativen in den Jahren 1971 und 1972 brachten keinerlei Fortschritte für die gemeinsame Verkehrspolitik, die sich nun endgültig in einer Sackgasse befand. Mit der Pariser Gipfelkonferenz 1972 (Forderung einer baldigen Einführung einer Wirtschafts- und Währungsunion) und der Norderweiterung 1973 folgte eine neue Phase der Verkehrspolitik. (Frerich/Müller 2004b, 15f; Epiney/ Gruber 1997, 89) „Der Beitritt Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs zur Gemeinschaft […] hatte eine Mehrheitsverschiebung zugunsten der Befürworter einer liberaleren, stärker am Wettbewerb ausgerichteten Politik zur Folge. (Frerich/Müller 2004a, 16) Der EuGH unterstrich diese Trendwende 1974 mit der Entscheidung158, dass die allgemeinen Wettbewerbsregeln des EWGV auch auf die Seeschiff- und Luftfahrt anzuwenden seien. (Stevens 2004, 52f; Aberle 1996a, 147) Daneben hatten auch die Energiekrisen (Ölpreisschocks 1973/74 und 1979/80) nachhaltige Auswirkungen auf den Verkehrssektor, was eine neue Akzentuierung der gemeinsamen Verkehrspolitik zur Folge

157 V. a. die Entscheidung 65/271/EWG des Rates vom 13.05.1965 über die Harmonisierung bestimmter Vorschriften, die den Wettbewerb im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr beeinflussen (so genannte Harmonisierungsentscheidung), ABl. 88 vom 25.05.1965, 1500-1503. (Frerich/Müller 2004a, 85; Frerich/Müller 2004b, 11f, 361-363) 158 EuGH, Rs. 167/73 (Kommission/Frankreich), Slg. 1974, 00359 Rn. 29-33. 152

hatte (z. B. Reduzierung bzw. Verlagerung des Verkehrsaufkommens; Einbeziehung energie- bzw. umweltpolitischer Belange). Durch den Beitritt Griechenlands 1981 kam noch ein Mitgliedstaat hinzu, der neben Irland aufgrund seiner exponierten geographischen Lage an einer verkehrspolitischen Zusammenarbeit interessiert war. (Frerich/Müller 2004b, 16f) Wegen dieser geänderten Rahmenbedingungen ergriff die Kommission 1973 wiederum die Initiative und präsentierte die Mitteilung an den Rat „über eine weitere Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik (KOM (73) 1725 endg.). Darin wurde eine Neuausrichtung ihrer verkehrspolitischen Zielsetzungen vorgenommen, was zu einer Wiederbelebung der Verkehrspolitik führen sollte. (Epiney/Gruber 1997, 90; Frerich/Müller 2004a, 17f) Das Prinzip der Schaffung eines vom Wettbewerb gekennzeichneten Verkehrsmarktes wurde beibehalten, aber das gemeinschaftliche Verhältnis zu den nationalen Verkehrspolitiken sollte neu definiert werden. Statt der Forderung nach Abbau nationalstaatlicher Interventionen bzw. deren gänzlichen Verzicht sollten nun gemeinsame Rahmenbedingungen für diese Interventionen festgelegt werden. Die Kommission hatte im Gegensatz zum „Schaus-Memorandum“ erkannt, dass der freie Wettbewerb nicht mehr als Ziel der Verkehrspolitik fungieren sollte, sondern nur als ein mögliches Mittel für eine kostengünstige und effiziente Raumüberwindung. (Epiney/Gruber 1997, 90; Frerich/Müller 2004b, 18) Verbesserungen der Infrastruktur sollten die nationalen Verkehrssysteme zu einem Gemeinschaftssystem verschmelzen. Dadurch sollte eine stärkere Integration der Industrie-, Steuer-, Raumordnungs-, Regional-, Sozial-, Umwelt-, Energie- und Außenhandelspolitik in die Verkehrspolitik erfolgen. Diese Neuausrichtung der Verkehrspolitik wurde aber vom Rat nur zögerlich angenommen und die darin vorgeschlagenen Maßnahmen nur punktuell umgesetzt, wie z. B. die grundlegende Regelung zum Berufszugang des Güter- und Personentransporteurs (1974), die Sanierung der Eisenbahnen sowie die Festlegung von gemeinsamen Regeln für den kombinierten Verkehr (Straße/Schiene). (Frerich/Müller 2004b, 18f; Wicki 1999, 30) „Die Grundsatzdiskussion über die zukünftige Entwicklung der gemeinschaftlichen Verkehrspolitik, die die Kommission mit ihrer Mitteilung hatte auslösen wollen, kam nicht zustande.“ (Frerich/Müller 2004b, 19) Dazu kam Mitte der 1970er Jahre noch die Forderung seitens einiger Mitgliedstaaten (v. a. DE, FR), dass die Fortschritte im Bereich der Deregulierung der Verkehrsmärkte von der vorherigen Angleichung der Wettbewerbsbedingungen abhängig seien (z. B. fiskalische Fragen, technische bzw. soziale Vorschriften). „Dieses Junktim zwischen Liberalisierung und Harmonisierung wurde so zu einem großen Hindernis, welches auch die kleinsten Fortschritte im Rat blockierte.“

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(Epiney/Gruber 1997, 91) Dieses Junktim führte zu einer völligen Blockade, da sich weder für die eine noch die andere Position Ratsmehrheiten fanden. Es folgten zwar bis 1983 noch weitere Kommissionsvorschläge und Aufforderungen an den Rat tätig zu werden (Aberle 1996a, 147; vgl. Frerich/Müller 2004b, 20-24), doch diese wurden ignoriert, was das Europäische Parlament zur Klage vor dem EuGH veranlasste und einen entscheidenden Anstoß für die weitere Entwicklung geben sollte. (Stevens 2004, 54f)

3.2.4 Untätigkeitsurteil und Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit (1985 – 1992)

Diese Phase wurde durch das so genannte „Untätigkeitsurteil“ und dem „Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes“ geprägt. Von großer verkehrspolitischer Tragweite war zunächst das Untätigkeitsurteil des EuGH. Zur Vorgeschichte dieser Klage ist anzumerken, dass sich das Europäische Parlament (insbesondere der Verkehrsausschuss) bereits sehr früh zu einem Fürsprecher einer gemeinsamen Verkehrspolitik gemacht hatte und zahlreiche Initiativen lanciert hatte, aber ebenso wie die Kommission gescheitert war. Nachdem trotz weiterer Aufforderungen seitens des Europäischen Parlaments an den Rat nichts geschah, reichte das Parlament am 24. Jänner 1983 beim EuGH die „verkehrspolitische Untätigkeitsklage“ gemäß ex-Art. 175 EWGV (Art. 265 AEUV) ein. In diesem Verfahren warf das Parlament dem Rat vor, gegen den Vertrag insbesondere die ex-Art. 3 lit. e, 61, 74, 75 und 84 EWGV (Art. 4 lit. g, 58, 90, 91 und 100 AEUV) verstoßen zu haben, was dadurch gekennzeichnet war, dass es der Rat verabsäumt hatte eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet des Verkehrs einzuführen und den dafür entsprechenden Rahmen verbindlich festzulegen. Des Weiteren habe der Rat über 16 konkret bezeichnete Vorschläge der Kommission nicht entschieden. Zudem trat die Kommission dem Parlament als Streithelferin zur Seite. (Epiney/Gruber 1997, 92f; Frerich/Müller 2004a, 117; Mehl 2004, 137; Weyand 1996, 137; Grandjot 2002, 81) Am 22. Mai 1985 sprach der EuGH in der Rs. 13/83159 sein richtungweisendes Grundsatzurteil und gab der Klage des Parlaments teilweise statt: Im Urteil verneinte der EuGH, dass eine allgemeine Handlungspflicht des Rates zur Schaffung einer gemeinsamen Verkehrspolitik nicht durchsetzbar sei. Im Fall der Verpflichtung zur Verfolgung einer gemeinsamen Verkehrspolitik fehlt es an einer „hinreichenden Bestimmbarkeit“ der zu verabschiedenden Beschlüsse, weshalb der Rat über einen erheblichen Ermessungsspielraum verfüge. Darum ist das Fehlen einer gemeinsamen Verkehrspolitik, trotz des Auftrages in ex-Art. 74 EWGV (Art. 90 AEUV) im Sinne des ex-

159 EuGH, Rs. 13/83 (Parlament/Rat), Slg. 1985, 01513 („Untätigkeitsurteil“). Für eine ausführliche Darstellung vgl. Frerich/Müller 2004b, 118-128. 154

Art. 175 EWGV (Art. 265 AEUV) nicht justiziabel. (Epiney/Gruber 1997, 93; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 31; Mehl 2004, 139f; Weyand 1996, 138) Der zweite Antrag des Parlaments hatte aber Erfolg: Die ex-Art. 75 Abs. 1 lit. a und b EWGV (Art. 91 Abs.1 lit. a und b AEUV) enthielten hinreichend konkrete Bestimmungen zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs. Der Rat hatte seine Pflicht verletzt gemäß ex-Art. 75 Abs. 1 lit. a und b EWGV Maßnahmen zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit vor Ablauf der Übergangsfrist bis 31. Dezember 1969 (ex-Art. 75 Abs. 2 EWGV) zu setzten, was in dieser Hinsicht zur Verurteilung des Rates führte. Nach ex-Art. 176 EWGV (Art. 266 AEUV) wurde der Rat zur Einführung der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs verpflichtet. (Jung 2011, Art. 91, Rn. 3; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 32f; Stadler 2012, Art. 90 Rn. 8; Weyand 1996, 139f) Das „Untätigkeitsurteil“ brachte neue Impulse für die gemeinsame Verkehrspolitik, die sich insbesondere auf drei Ebenen auswirkten:  Aufhebung des Junktims zwischen Liberalisierung und Harmonisierung; Liberalisierung konnte ohne gleichzeitige Harmonisierung erfolgen;  Der Rat stand rechtlich und psychologisch unter Zugzwang die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehrssektor (ex-Art. 75 Abs. 1 lit. a und b EWGV) „innerhalb eines angemessenen Zeitraums“ zu beschließen. Bei Fristverstreichung hätte eine weitere Untätigkeitsklage und die unmittelbare Anwendung des Art. 91 AEUV oder der Art. 56ff AEUV gedroht (z. B. sofortiger Wegfall der bilateralen Kontingente);  Die festgestellte Handlungspflicht des Rates war allerdings auf Liberalisierungsmaßnahmen für den internationalen Verkehr und die Kabotage beschränkt (aber Handlungsfreiheit gegenüber zusätzlichen Harmonisierungsmaßnahmen. (Epiney/Gruber 1997, 93f; Mehl 2004, 140f; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 35) Einen weiteren wichtigen Impuls erfuhr die gemeinsame Verkehrspolitik durch die Kommission, die sich ab 1983 um eine Wiederbelebung der Verkehrspolitik bemühte. Zwischen 1982 und 1985 folgten drei Kommissionsmemoranden über die „Schrittweise Durchführung von Maßnahmen auf dem Gebiet der gemeinsamen Verkehrspolitik“ für den Binnenverkehr (KOM(83) 85 endg.) sowie für die Luft- (KOM(84) 72 endg.) und Seeschifffahrt (KOM (85) 90 endg.), worin noch einmal die Vorstellungen für den jeweiligen Verkehrssektor detailliert niedergelegt wurden. (Frerich/Müller 2004b, 22-24; Stevens 2004, 56; Epiney/Gruber 1997, 94f) Am 14. Juni 1985 folgte schließlich seitens der Kommission das „Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes“ (KOM(85) 310 endg.), das die Vollendung des Binnenmarktes bis spätestens 1992 zum Ziel hatte. Die gemeinschaftliche Verkehrspolitik war für die Verwirklichung dieses Gemeinschaftsziels ein elementarer Bestandteil. Die verkehrspolitischen Implikationen sahen eine Beseitigung

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der materiellen und technischen Schranken vor. Zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehr sah das Weißbuch verschiedene konkrete Aktionen mit einem Zeitplan vor, wie z. B. die Abschaffung aller mengenmäßigen Beschränkungen im Straßengüterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten bis 1988. (Frerich/Müller 2004a, 140- 143; Grandjot 2002, 81; vgl. KOM (85) 310 endg., Ziff. 109) Im Weißbuch schlug sich die Kommission auf die Seite der Liberalisierungsbefürworter und erteilte der Position „Harmonisierung vor Liberalisierung“ eine klare Absage. Mit Bezugnahme auf das Untätigkeitsurteil und dem Verweis auf ex-Art. 89 EWGV (Art. 105 AEUV) forderte die Kommission „[…] den Rat zu raschen Fortschritten im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik zwecks Schaffung eines Systems der Dienstleistungsfreiheit unter Beachtung der Wettbewerbsregeln des Vertrags“. (Frerich/Müller 2004a, 141) Diese Vorschläge wurden vom Europäischen Rat in Mailand am 28./29. Juni 1985 angenommen und für die Folgejahre war für die Verkehrspolitik eine Zielrichtung vorgegeben. Im November 1985 setzte der Verkehrsministerrat die „Mailänder Beschlüsse“ in politische Handlungsvorgaben um. Der dabei verabschiedete Masterplan (Bull. EG 11/1985, 80f) enthielt Infrastrukturmaßnahmen, den Abbau von Grenzkontrollen und - formalitäten sowie Maßnahmen zur verbesserten Marktorganisation im Verkehrssektor und zur Hebung der Verkehrssicherheit. Im Güterkraftverkehr gingen die Beschlüsse über die Vorgaben des EuGH-Urteils hinaus, als sie die Beseitigung sämtlicher mengenmäßiger Beschränkungen des Güterverkehrs bis zum Jahr 1992 vorsahen. (Epiney/Gruber 1997, 95; Weyand 1996, 151; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 35) Zudem trat 1987 die Einheitliche Europäische Akte (EEA) in Kraft. Die Handlungsfähigkeit des Rates wurde durch die Einführung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen gefördert (z. B. in ex-Art. 84 Abs. 2 EWGV). Die Verkehrspolitik wurde ebenfalls durch den Verweis in ex-Art. 7a EWGV (Art. 16 AEUV) auf ex-Art. 84 EWGV (Art. 100 AEUV) in das Binnenmarktprogramm integriert. (Frerich/Müller 2004a, 145; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 36) Diese belebenden Impulse erfassten hauptsächlich den Straßengüterverkehr und die zahlreichen Anstrengungen zur Liberalisierung und Harmonisierung sowie das zunehmende Funktionieren des Binnenmarktes förderten das weitere Verkehrswachstum. Die bestehenden verkehrspolitischen Konzepte stießen an ihre Grenzen, was in den 1990er Jahren zu einem Umdenken hin zur nachhaltigen Mobilität führen sollte. (Epiney/Gruber 1997, 96; Wicki 1999, 31)

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3.2.5 Nachhaltige Mobilität und aktuelle Entwicklungstendenzen (1992 – 2015)

Die 1990er Jahre erbrachten einen erneuten Richtungswechsel in der europäischen Verkehrspolitik. „As we have seen, between 1983 and 1992 a combination of pressures in all three policy-making environments had driven the Council to adopt, for one mode after another, measures liberalizing access to both international and cabotage traffic between and within the member states […].” (Stevens 2004, 60) Trotz dieser enormen Fortschritte fehlte es der gemeinsamen Verkehrspolitik aber bis 1992 an einer gesamtheitlichen Sichtweise. Die Zielsetzung der Union lag (und liegt immer noch) in der Vollendung des Binnenmarktes im Verkehrssektor, wobei bis 1992 der Fokus im Verkehrsrecht in erster Linie auf die Liberalisierung und Harmonisierung im Verkehrsgewerbe gelegt wurde. (Epiney/Gruber 1997, 96; Kerschner/Wagner 2001, 51) Die negativen Auswirkungen des Verkehrs wurden trotz Kenntnis jahrelang ignoriert und das einseitige Marktkonzept geradlinig weiterverfolgt. (Epiney/Gruber 1997, 96) Zu Beginn der 1990er Jahre erfolgte schließlich ein Umdenkprozess indem man zur Erkenntnis gelang, „[…] dass die Verkehrspolitik mehr leisten muss als eine (bloße) Gewährleistung der Marktwirtschaft im Verkehrssektor und durch eine angemessene Strukturpolitik ergänzt werden muss“. (Epiney/ Gruber 1997, 96f) Die wirtschaftlichen und verkehrsbezogenen Rahmenbedingungen hatten sich seit den 1950er Jahren erheblich verändert. Durch die Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung und die gleichzeitige Veränderung der Produktionsmethoden (v. a. just in time) war es innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem explosionsartigen Anstieg des Gütertransportvolumens in der Gemeinschaft gekommen (z. B. Zunahme der Gesamtverkehrsleistung um 50% in nur 20 Jahren) (KOM(92) 494 endg., 10; Epiney/Gruber 1997, 97) Der Straßen- und Flugverkehr verzeichneten exorbitante Zuwachsraten und die Binnenmarktvollendung sollte diesen Trend noch zusätzlich forcieren. Dagegen konnten die Eisenbahn und Schifffahrt ihr Transportvolumen nur gering ausbauen. (KOM(92) 494 endg., 17ff) Das Ungleichgewicht der Verkehrsträger zeigt sich deutlich am modal split zwischen Schienen- und Straßengüterverkehr: Der Schienengüterverkehr hatte zwischen 1970 und 1990 einen Rückgang von 27,8% auf 15,4% am EU-Gesamttransportaufkommen zu verzeichnen, während der Straßengüterverkehr im selben Zeitraum von 50,6% auf 69,9% anstieg. (KOM(92) 494 endg., 17; Epiney/Gruber 1997, 97) Ähnliche Tendenzen zeigten sich auch im Personenverkehr, wo trotz Zunahme des Urlaubs- und Freizeitverkehrs, der Anteil der Bahn kontinuierlich im Sinken begriffen war, während der Individualverkehr rasante

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Zuwächse verzeichnete. (KOM(92) 494 endg., 10; Epiney/Gruber 1997, 98) Durch die Verkehrszunahme traten die damit verbundenen ökologischen Probleme immer deutlicher in den Vordergrund. Trotz bereits ergriffener Maßnahmen zur Schadstoffeindämmung wurden die erzielten Fortschritte durch das Verkehrswachstum wieder zunichte gemacht. Die CO2- Emissionen z. B. hatten zwischen 1971 und 1989 um 76% zugenommen, wobei davon alleine 80% auf den Straßenverkehr fielen. Zu diesen Umweltbelastungen trugen neben der gestiegenen Mobilität auch zahlreiche Verkehrsengpässe durch teilweise fehlende leistungsfähige Infrastruktur bzw. durch ineffiziente Nutzung der bestehenden Kapazitäten. Durch die einseitige Fokussierung der Mitgliedstaaten auf den Straßenverkehr bei der Infrastrukturpolitik wurden die anderen Verkehrsträger (v. a. die Bahn) stark vernachlässigt und als effiziente Alternativen ausgeschieden. (KOM(92) 494 endg., 13-15; Epiney/Gruber 1997, 99) Weißbuch zur gemeinsamen Verkehrspolitik (1992): Die gemeinschaftliche Reaktion ließ trotz des akuten Handlungsbedarfs relativ lange auf sich warten. „Erst nachdem die marktwirtschaftlichen Zielsetzungen [Binnenmarktvollendung] zu einem großen Teil bereits in Gemeinschaftsrecht, wenigstens jedoch verbindliche beschlossen war […]“, reagierte die Kommission 1992 mit der Veröffentlichung eines Grün- bzw. Weißbuches160 zum Thema Verkehr. (Epiney/Gruber 1997, 99) Der erste Schritt in dieser neuen Phase der Verkehrspolitik folgte im April 1992, als die Kommission ein „Grünbuch zu den Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt – Eine Gemeinschaftsstrategie für eine dauer- haft umweltgerechte Mobilität“ (KOM(92) 46 endg.) veröffentlichte (siehe Punkt 3.5.1). Das darin enthaltene neue Verkehrskonzept wurde der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt und die Ergebnisse flossen in das anschließende Weißbuch ein. Am 2. Dezember 1992 veröffentlichte die Kommission das Weißbuch mit dem Titel „Die künftige Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik – Globalkonzept einer Gemeinschaftsstrategie für eine auf Dauer tragbare Mobilität“ (KOM(92) 494 endg.). „Die Kommission vollzog darin eine grundlegende Neuorientierung hin zu einer globalen, gesamteuropäischen Sichtweise.“ (Epiney/Gruber 1997, 99) Diese Neuausrichtung der Verkehrspolitik war durch die Vollendung des Binnenmarktes für den Verkehrssektor unumgänglich. (Aberle 1996a, 157) „In addition, under the Treaty on European Union, the Commission had acquired new powers for transport safety and for transport infrastructure, and its influence as the

160 Ein Grünbuch dient als Diskussionsgrundlage mit dem Zweck, die Meinung und Haltung betroffener Akteure zu Grundsatzfragen in Erfahrung zu bringen (Konsultationsinstrument) und es ist nicht verbindlich. Dagegen verdeutlich ein Weißbuch die politischen Absichten der Kommission und es hat somit Programm- oder Strategiecharakter. Beides sind aber Instrumente, die einen Orientierungsrahmen abgeben und keinen rechtsverbindlichen Handlungskatalog darstellen. (Wicki 1999, 31; Hey 2000b, 53; Grandjot 2002, 77) 158

principal spokesman and negotiator for the Community in international bodies dealing with transport policy […] was continuing to grow.” (Stevens 2004, 61) Diese zusätzlichen Zielvorgaben des Vertrages von Maastricht (z. B. Umweltpolitik als Querschnittsaufgabe) machten neben der Binnenmarktvollendung eine breiter angelegte Verkehrspolitik erforderlich. Folgende Leitlinien161 wurden daher von der Kommission als zentral angesehen:  Binnenmarkt: Ausbau, Gewährleistung und reibungslose Funktion (freie Mobilität von Gütern und Personen);  Verkehrsinfrastruktur: verstärkte Anbindung der Randgebiete der Gemeinschaft und ein Ausgleich regionaler Disparitäten (TEN);  Verkehrssysteme: einheitlich, integrativ, interoperabel unter Verwendung modernster Technologien sowie Berücksichtigung ihrer Umweltverträglichkeit (TEN);  Sozialpolitische Maßnahmen und Erhöhung der Verkehrssicherheit;  Drittstaaten: einheitliche Ausgestaltung der Außenbeziehungen. (Frerich/Müller 2004a, 262; Wicki 1999, 32f; Epiney/Gruber 1997, 101f; Schäfer 2000, 49; vgl. KOM(92) 494 endg., 22f) Diesen Paradigmenwechsel in der gemeinsamen Verkehrspolitik lässt sich laut Epiney/Gruber mit „Gewährleistung der Effizienz in einem integrierten Verkehrssystem“ umschreiben. (Epiney/Gruber 1997, 100) Das Binnenmarktkonzept ist die wesentliche Grundlage der gemeinsamen Verkehrspolitik (KOM(92) 494 endg., 8), wobei es aber ebenso Umwelt-, Infrastruktur-, Sicherheits- und Sozialaspekte berücksichtigt. Deshalb ist es als strategisches und ganzheitliches Konzept (globaler Ansatz) zu verstehen, mit der sich die Kommission den zukünftigen Herausforderungen stellt. (Epiney/Gruber 1997, 102; Frerich/Müller 2004a, 267) Interessant für Österreich und die Schweiz war vor allem, dass die damalige Gemeinschaft gewillt war, die verkehrspolitischen Ziele nicht nur innerhalb der Gemeinschaft sondern auch in Beziehung zu Drittstaaten anzustreben. Dies hatte vor allem im Bereich des Alpentransits Auswirkungen, als die Gemeinschaft versuchte Österreich bzw. die Schweiz eng an die Hauptlinien der gemeinsamen Verkehrspolitik heranzuführen (v. a. Landverkehrsabkommen EG – Schweiz) (Epiney 1995, 23; Wicki 1999, 33) Wichtig war auch die Hinwendung der Kommission zum intermodalen Verkehr, weil das Verkehrswachstum bei einigen Verkehrsträgern bereits die Kapazitätsgrenzen erreicht hatte. Diese Engpässe ließen sich nicht überall durch einen weiteren Ausbau der Infrastruktur lösen und deshalb sprach sich die Kommission für die volle Anlastung der Wegekosten und die Internalisierung der externen Umweltkosten aus. Dadurch sollten die bestehenden Ineffizienzen korrigiert werden und die Verkehrsnachfrage mit

161 Für eine ausführliche Darstellung der Leitlinien des verkehrspolitischen Globalkonzepts vgl. Frerich/Müller 2004a, 262-266. 159

marktwirtschaftlichen Instrumenten auf ein volkswirtschaftlich sinnvolles Ausmaß reduziert werden. (vgl. KOM(92) 494, endg., 38-44) Allerdings verfolgte das Globalkonzept zum Thema externe Kosten des Verkehrs keinen geschlossenen Lösungsansatz. (Epiney/Gruber 1997, 103; Frerich/Müller 2004a, 270) (siehe Punkt 2.3) Aktionsprogramm (1995): Für die Umsetzung des Weißbuchs von 1992 präsentierte die Kommission in ihrer Mitteilung vom 12. Juli 1995 ein Aktionsprogramm für die gemeinsame Verkehrspolitik (KOM(95) 302 endg.). Diese Mittelung enthielt einen Zeitplan für die bis 2000 zu verwirklichenden Maßnahmen. Daneben wurden erste, kurzfristige Umsetzungsmaßnahmen des Weißbuches angeführt. Diese Umsetzungsmaßnahmen zur Schaffung effizienter, zugänglicher und wettbewerbsfähiger Verkehrssysteme basierten auf drei Aktionsebenen:  Qualitätsverbesserung: Aufbau eines integrierten Verkehrssystems mittels moderner Technologien; Beitrag zu umwelt-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Zielen;  Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes: Förderung der Effizienz, der Wahlmöglichkeit und die benutzerfreundliche Bereitstellung von Verkehrsdienstleistungen unter Wahrung sozialer Normen;  Erweiterung der Außenbeziehungen: Ausbau besserer Verkehrsverbindungen zu Drittstaaten und beschränkungsfreier Zugang für EU-Unternehmen zu ausländischen Verkehrsmärkten. (Epiney/Gruber 1997, 104f; Frerich/Müller 2004a, 276f; Wicki 1999, 36; KOM(95) 302 endg., 4) Mit dieser Mitteilung zeigte die Kommission, dass sie sich von der rein sektoriellen Politik abgewandt hatte und nun einen explizit integralen Ansatz verfolgte. Damit gelang ein Schritt vorwärts hin zu einer gesamtheitlichen Verkehrspolitik. (Wicki 1999, 36) Mitteilung über die gemeinsame Verkehrspolitik (1998): Mit der am 1. Dezember 1998 veröffentlichten Mitteilung „Die gemeinsame Verkehrspolitik – Nachhaltige Mobilität: Perspektiven für die Zukunft“ (KOM(98) 716 endg.) zog die Kommission ein erstes Resümee der bisher erzielten Fortschritte des Aktionsprogramms von 1995. Die Ergebnisse in den Bereichen Anlastung der Wegekosten, Harmonisierung der Sozialvorschriften und den Abschluss von Verkehrsabkommen waren nicht zufrieden stellend. Das Aktionsprogramm von 1995 wurde unter Beibehaltung der strategischen Ziele aktualisiert und um die für den Zeitraum von 2000 bis 2004 geplanten Initiativen ergänzt. (Frerich/Müller 2004a, 282; Schäfer 2000, 55f) Exkurs: Weißbuch Revitalisierung der Eisenbahn (1996): Die Kommission veröffentlichte 1996 das Weißbuch über „Eine Strategie zur Revitalisierung der Eisenbahnen der Gemeinschaft“ (KOM (96) 421 endg.). Darin wurden Aktionslinien und ein Zeitplan für eine Strategie festgelegt, um die andauernden Marktverluste der Eisenbahnen im Güter- und Personenverkehr zu stoppen. Hierfür wäre ein grundlegender

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Wandel der Organisationsstrukturen und der Verwaltungsbestimmungen der mitgliedstaatlichen Eisenbahnunternehmen notwendig (Schaffung einer neuen „Art von Eisenbahn“). Die Eisenbahnunternehmen sollen unabhängig vom Staat nach rein unternehmerischen Maßstäben geführt werden und die Erfüllung der Kundenbedürfnisse soll im Vordergrund stehen. Langfristig sollte die Eisenbahn zu einer ernsthaften umweltverträglichen Alternative bzw. Ergänzung zum Straßenverkehr aufgebaut werden. (Frerich/Müller 2004a, 664; Wicki 2000b, 19f; Schäfer 2000, 61) Zur Umsetzung dieses Ziels beinhaltet das Weißbuch fünf Aktionslinien:  Gesundung der Finanzen: Schuldenabbau und Verbesserung des Finanzmanagements;  Marktwirtschaftliche Prinzipien: Fahrwegzugangsrechteerweiterung beim Schienenverkehr auf den gesamten grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr; Zulassung der Kabotage im Güterverkehr; deutlichere Trennung zwischen Infrastruktur und Verkehrsdienstleitung;  ÖPNV: Abschluss von Verträgen zwischen Staat und Betreiber (mehr Wettbewerb, Qualitätsverbesserung und besseres Preis-/Leistungsverhältnis);  TEN: Schaffung eines Binnenmarktes für den Eisenbahnverkehr (TEN-V, Interoperabilität, technische Harmonisierung, Angleichung der Sicherheitsanforderungen); Koordinierung der mitgliedstaatlichen Forschungsprogramme;  Soziale Komponente: durch Umstrukturierungen sind umfangreiche Bildungs- und Umschulungsprogramme erforderlich, um den sich abzeichnenden Personalabbau sozial verträglich zu machen. (Wicki 1999, 44; Epiney/Gruber 1997, 108f; Frerich/Müller 2004a, 665f; Schäfer 2000, 62-65; KOM (96) 421 endg., 3f, 13-39) Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik (2001): Die Kommission legte am 12. September 2001 ihr seit längerem erwartetes Weißbuch über „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ (KOM(2001) 370 endg.) vor. Darin zeigte die Kommission die seit 1993 erzielten Fortschritte sowie die ungelösten und neuen Probleme auf. Des Weiteren folgten die konzeptionellen Vorstellungen und eine Erläuterung der Vorhaben bis 2010. (Frerich/Müller 2004a, 287; DS 13.09.2001) Zuerst erfolgte eine kritische Bestandsaufnahme der verkehrspolitischen und -wirtschaftlichen Entwicklungen seit 1992:  Zunehmendes Mobilitätsbedürfnis und weiters Wachstum im Güter- und Personenverkehr (v .a im Straßen- und Luftverkehr); weiterer Anstieg bis 2010: Zunahme des Pkw-Bestands, wirtschaftliches Wachstum, Veränderung der Produktionssysteme, EU-Erweiterung und bessere Anbindung peripherer Gebiete;  Verkehrsinfrastruktur: qualitativ und quantitativ unbefriedigend; schleppende Realisierung der TEN-V; geringfügige Verbesserung der Interoperabilität im Eisenbahnverkehr; zu geringe Gemeinschaftsmittel;  Kein verkehrsübergreifendes System zur Wegekostenanlastung (externe Effekte);  Netzüberlastungen (z. B. natürliche Hindernisse, in Großstädten, an Hauptverkehrsachsen etc.); Folge sind Verspätungen, erhöhter Energieverbrauch,

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Umweltschäden und Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit; dagegen aber freie Kapazitäten im übrigen Eisenbahnnetz sowie in der Binnen- und Küstenschifffahrt; zunehmende Isolierung von Randgebieten;  Vollständige Liberalisierung der Verkehrsmärkte (Ausnahme Eisenbahn);  Wettbewerbsverzerrungen durch mangelnde Harmonisierung bzw. Durchsetzung von Steuer- und Sozialvorschriften;  Weitgehend ausreichendes, preisgünstiges und hochwertiges Angebot an Verkehrsdienstleistungen; in Teilbereichen aber geringe Produktivität und niedriges Qualitätsniveau (z. B. ÖPNV, Eisenbahngüter- und -personennahverkehr);  Fortbestehen der Umweltbeeinträchtigungen und Sicherheitsrisiken. (Frerich/ Müller 2004a, 286; KOM(2001) 370 endg., 6-10) Inhaltlich ist das Weißbuch in vier Teile aufgebaut: Zuerst werden in den Leitlinien die wichtigsten Problembereiche, Grundsätze und Ziele zusammengefasst. Im Anschluss befasst sich der erste Teil mit den zentralen Fragen des Wettbewerbs zwischen den Verkehrsträgern. Im Straßengüterverkehr standen die Verbesserung der finanziellen und sozialen Wettbewerbsbedingungen im Vordergrund, während die für die gemeinsame Eisenbahnpolitik die vollständige Liberalisierung des Marktzugangs, Verbesserung der Interoperabilität und Sicherheit, die Stärkung der Nutzerrechte und die Schaffung eines Güterverkehrsnetzes vorgesehen waren. Daneben wurden auch Verbesserungen für den intermodalen Verkehr angeregt (z. B. technische Harmonisierung). (Frerich/Müller 2004a, 287; vgl. KOM(2001), 370 endg., 22-37) Der zweite Teil des Weißbuchs befasst sich mit der Verkehrsinfrastrukturpolitik. Die Leitlinien, sowie die Bestimmungen über die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für die TEN-V sollten überarbeitet werden und die Einführung einer neuen Alternative für die Finanzierung von Verkehrswegen sollte angedacht werden. (Frerich/Müller 2004a, 287; vgl. KOM(2001) 370 endg., 56f, 60-65) Im dritten Teil präsentierte die Kommission ihre Vorschläge für eine nutzerorientierte Verbesserung der Verkehrspolitik, wie z. B. Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit, die Harmonisierung der Mineral- und Mehrwertsteuervorschriften und die Förderung der Intermodalität im Personenverkehr enthalten. (Frerich/Müller 2004a, 287f; KOM(2001) 370 endg., 72ff) Der letzte Teil befasst sich noch mit den außergemeinschaftlichen Verkehrsbeziehungen und deren Problemen, wie z. B. die Berücksichtigung der Belange der Beitrittskandidaten und der geplante Beitritt der EU zu zwischenstaatlichen Gremien. Eine Zusammenfassung der zentralen Aussagen und verschiedene Anhänge (Aktionsprogramm, statistische Angaben, wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte und -technologien) bilden den Abschluss des Weißbuchs. (Frerich/Müller 2004a, 288; KOM(2001) 370 endg., 103ff) Für die Kommission ist das Ziel der gemeinsamen Verkehrspolitik „[…] nach wie vor die Gewährleistung einer auf Dauer tragbaren Entwicklung, sowohl unter wirtschaftlichen wie

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auch unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten, die sich […] in einer Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Zunahme des Straßen[verkehrs] […]“ ausdrücken sollte. (Frerich/Müller 2004a, 288) Dafür soll der modal split auf dem Niveau von 1998162 stabilisiert werden und bis 2010 soll eine ausgewogene Verteilung der Verkehrsträger erreicht werden, die allerdings nicht näher quantifiziert ist. Für die Erreichung dieses Ziels soll das Verkehrssystem optimiert werden, was durch eine Förderung der Eisenbahn, der Schifffahrt und des intermodalen Verkehrs erreicht werden soll. (Frerich/Müller 2004a, 287) Dafür wurden im Aktionsprogramm 60 konkrete Maßnahmen aufgelistet, die bis 2010 umgesetzt werden sollen und die Bedürfnisse der Benutzer stärker betonen. (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 38) Im Straßenverkehr sollen die bestehenden Vorschriften verstärkt kontrolliert und sanktioniert werden. Daneben strebt die Kommission auch eine Angleichung der Lenkzeiten an und eine Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit (Halbierung der Verkehrstoten bis 2010). Beim Bahnverkehr sieht die Kommission die Weiterverfolgung der Revitalisierung des Eisenbahnverkehrs vor durch weitere Liberalisierungsmaßnahmen vor (integrierter europäischer Eisenbahnraum). (Danielli/Maibach 2014, 137; KOM(2001) 370 endg., 124-130) Für diese Umsetzung sind natürlich auch flankierende Maßnahmen in anderen Politikbereichen erforderlich (z. B. Wirtschafts-, Raumordnungs-, Sozial- oder Finanzpolitik) (Frerich/Müller 2004a, 288; KOM(2001) 370 endg., 10-20, 120f) „Damit berücksichtigte das Weißbuch die Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, die der Europäische Rat von Göteborg im Juni 2001 festgelegt hat.“ (Danielli/Maibach 2014, 137) Mitteilung zur Halbzeitbilanz des Verkehrsweißbuchs von 2001 (2006): Für das Jahr 2005 war nach der Hälfte der Laufzeit eine Zwischenbilanz (mid-term review) über die Umsetzung der Ziele des Weißbuches von 2001 geplant. (KOM(2001) 370 endg., 13) Diese Vorgabe erfüllte die Kommission am 22. Juni 2006 mit der Mitteilung „Für ein mobiles Europa – Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent. Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Kommission 2001“ (KOM(2006) 314 endg.). Bei den Bestrebungen für eine verbesserte Interoperabilität sind besonders im technischen Bereich deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Zudem kommt langsam auch die Bahnreform in Schwung. Besonders aber im Bereich der TEN sind nach wie vor große Defizite zu verzeichnen, die durch die EU-Osterweiterung noch verstärkt wurden. (Danielli/Maibach 2014, 138) Zu den Entwicklungen im Verkehrssektor führte die Kommission folgendes an: Der jährliche Zuwachs im Güterverkehr lag in der EU zwischen 1995 und 2004 bei 2,8% (Wirtschaftswachstum 2,3%). Bei der Personenbeförderung lag der jährliche Zuwachs bei

162 Güterverkehr: Straße 44%, Seeschifffahrt 41%, Eisenbahn 8% und Binnenschifffahrt 4%; Personenverkehr: Straße 79%, Eisenbahn 6% und Luftverkehr 5%. (Frerich/Müller 2004a, 287) 163

1,9% (EU-25). Insgesamt nahm der Güterverkehr in diesem Zeitraum um 28% und die Personenbeförderung um 18% zu, wobei der Straßenverkehr um 35% bzw. um 17% zunahm (Zunahme des Schienengüterverkehrs um 6%!). Auf die Straße entfällt mit 44% im Güter- bzw. mit ca. 85% im Personenverkehr der größte Anteil in der EU (Anteil der Schiene 10% bzw. 6%!). Der Verkehrsanstieg im Straßengüterverkehr wird vor allem durch eine weitere Veränderung der Nachfragetrends erklärt (Abnahme des Massengütertransports; stattdessen Nachfragesteigerung von Dienstleistungen in den Kategorien „von Tür zu Tür“ und just in time). Bis 2020 erwartet die Kommission einen Anstieg des gesamten EU-Güterverkehrs um 50%, wobei der Straßengüterverkehr um 55% steigen soll, die Luftfracht soll sich mehr als verdoppeln und der Schienengüterverkehr soll nur um 13% zulegen. (KOM(2006) 314 endg., 7f; ATLR 2006, 20) Trotz dieser Aussichten bleiben die Ziele der nachhaltigen Mobilität der beiden Verkehrsweißbücher von 1992 und 2001 nach wie vor gültig. Allerdings nahm die Kommission in zwei Bereichen eine Strategieänderung vor: Einerseits soll die Verkehrsentwicklung nicht mehr von der Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt werden, was noch eine Forderung im Weißbuch von 2001 war. Stattdessen soll der zunehmende Mobilitätsbedarf nur noch von dessen negativen Auswirkungen entkoppelt werden. Andererseits soll nicht mehr, wie bisher der Fall, in der gesamten EU die Verkehrsverlagerung ausschließlich auf die Schiene und Schifffahrt vorangetrieben und gefördert werden, sondern nur auf langen Strecken, in Ballungsräumen und auf verstauten Korridoren. Trotzdem darf die Mobilität auf den anderen Verkehrsträgern, wie Straße und Luftfahrt, nicht eingeschränkt werden. (KOM(2006) 314 endg., 4; ATLR 2006, 20f; DS 22.06.2006a/b; DP 22.06.2006; ORF ON 22.06. 2006 a/b; TT 22.06.2006a/b; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 38; Satzinger 2012, 29; Befragung Aschwanden 2006) Deshalb sollen in Zukunft alle Verkehrsträger gleich gefördert werden. Durch diese Ko-Modalität (CO- Modality), d. h. der effizienten Nutzung aller Verkehrsträger oder ihrer Kombination soll eine optimale und nachhaltige Nutzung der Ressourcen erreicht werden. Mit dieser Strategie hofft die Kommission gleichzeitig ein hohes Maß an Mobilität und zugleich den Umweltschutz zu gewährleisten. (KOM(2006) 314 endg., 25) Der Anhang zur Mitteilung enthält einen weiteren Zeitplan von 2006 bis 2010 zur weiteren Umsetzung von Maßnahmen, um die eben beschriebenen Ziele zu erreichen. (KOM (2006) 314 endg., 27-29) Mitteilung über eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr (2009): Am 17. Juni 2009 veröffentlichte die Kommission die Mitteilung an das Parlament und an den Rat „Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten

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und nutzerfreundlichen System“ (KOM(2009) 279 endg.). Mit dieser Mitteilung wurde der Prozess für ein neues Verkehrsweißbuch initiiert, das 2010 erscheinen soll und über die nächsten zehn Jahre hinausblicken soll. In der Mitteilung wurden die Ergebnisse eines Reflexionsprozesses unter Beteiligung von betroffenen Akteuren und Sachverständigen zusammengefasst. (KOM(2009) 270 endg., 2) Sechs wesentliche Trends werden als neue Herausforderungen für die Verkehrspolitik ermittelt:  Bevölkerungsalterung: insgesamt höhere Kosten für Mobilität wegen steigenden öffentlichen Kosten für die Alters- und Pflegevorsorgung; daher geringere Mittel für Verkehrsinfrastruktur sowie Mangel an Fachkräften und Qualifikationsdefizite im Verkehrssektor; erhöhte Mobilität durch steigende Lebenserwartung (bessere Reisedienstleistungen erforderlich);  Zuwanderung und interne Mobilität: weiterhin Zuwanderung zum Ausgleich des Fachkräftemangels, der durch die Alterung hervorgerufen wird; weitere Intensivierung der Beziehungen Europas zu den Herkunftsländern der Migranten; Mobilität der Arbeitnehmer führt zu einer weiteren Vertiefung des Binnenmarktes;  Ökologische Herausforderungen: Verkehrs Schlüsselrolle zur Verringerung der Treibhausgase um 20% vom Niveau 1990 bis 2020 (vgl. Klimaschutzpaket);

weiterhin hohe Belastung durch Luftschadstoffe (v. a. PM10, NOx- und SOx- Emissionen) und Lärm; Auswirkungen des Klimawandels betreffen auch den Verkehrssektor (z. B. Anstieg des Meeresspiegels gefährdet Küsteninfrastrukturen und Häfen sowie Fluten die Binnenschifffahrt)  Verknappung fossiler Brennstoffe: Preissteigerung und Verknappung von fossilen Brennstoffen; Investitionen in alternative Energiequellen werden attraktiver;  Verstädterung: bis 2050 werden 84% der EU-Bevölkerung in Städten leben; daher enormer Zeitverlust und hohe Kosten durch Staus, konzentrierte Umweltbelastung;  Globalisierung: Integration der EU mit Nachbarregionen (Osteuropa, Nordafrika); durch weitere Globalisierung steigt Verkehr außerhalb Europas weiter rasant; Ressourcenverknappung durch weiteres weltweites Bevölkerungswachstum; höher Wohlstand führt zu steigender Mobilität und höherem Verkehrsaufkommen, was zu Problemen mit der Nachhaltigkeit führen wird. (KOM(2009) 279 endg., 6-9; EK 2009a, 13-15) Aus den genannten sechs Punkten zeigt sich die deutliche Notwendigkeit ein integriertes, nutzerfreundliches und technologieorientiertes Verkehrssystem zu schaffen. In Bezug auf die letzten zehn Jahre stellt die Mitteilung fest, dass die wirtschaftlichen Ziele vom

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Verkehrsbuch 2001 Großteils erreicht wurden (z. B. Binnenmarkt, Wettbewerbsfähigkeit europäischer Standorte), wobei aber in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz nach wie vor ein großes Defizit besteht. (KOM(2009) 279 endg., 3-5) Um dieses Ziel zu erreichen werden in der Mitteilung sieben politische Zielvorgaben formuliert, wobei aber wieder der Fokus auf mehr Technologie, Stauminderung, Ausbau der Straßeninfrastruktur sowie auf Verbraucherverhalten und Anpassung des Rechtsrahmens gelegt wird. (KOM(2009) 279 endg., 10-21) Exkurs: Mitteilung Entwicklung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (2010): Die Mitteilung der Kommission vom 17. September 2010 über „die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums“ (KOM(2010) 474 endg.) legt die europäische Strategie für die Schienenverkehrspolitik dar. Die Schaffung einer leistungsfähigen Schieneninfrastruktur in der EU benötigt einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum mit integriertem Infrastrukturnetz und interoperabler Ausrüstung. Nur dadurch können effiziente Verkehrsdienstleistungen innerhalb der Union und in die benachbarten Drittländer gewährleistet werden. Ziel ist die Schaffung eines offenen Eisenbahnmarktes, der den fairen Wettbewerb der Bahn mit anderen Verkehrsträgern ermöglicht und somit die nachhaltige Entwicklung der europäischen Wirtschaft fördert. (EK 2015163) Weißbuch Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum (2011): Nach einem längerem Diskussionsprozess startete die Kommission mit der Veröffentlichung des Weißbuches „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (KOM(2011) 144 endg.) am 28. März 2011 in ein neues verkehrspolitisches Jahrzehnt. Das Weißbuch „Verkehr 2020“ beginnt in Teil eins mit der Zukunftsausrichtung des europäischen Verkehrsraums. Für die Kommission ist „[…] der Verkehr […] Grundlage unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Mobilität ist das Lebenselixier des Binnenmarktes […]. Der Verkehr ermöglicht wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitslätzen.“ (KOM(2011) 144 endg., 3) Gerade deswegen wird im Verkehrsbereich die Nachhaltigkeit angestrebt und neue Herausforderungen sollen bewältigt werden. Zudem ist der Verkehrsbinnenmarkt immer noch nicht vollendet (Hindernisse, Engpässe und ein Gefälle zwischen Ost und West). Ein zukünftiges Problem wird auch die prognostizierte Ölknappheit werden. Auch müssen noch große Anstrengungen im Verkehrsbereich

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unternommen werden um die ehrgeizigen Klimaziele der Union zu erreichen. (KOM(2011) 144 endg., 3f; Satzinger 2012, 29; Danielli/Maibach 2014, 138-140) Seit dem letzten Weißbuch von 2011 wurden die Verkehrsmärkte im Luft-, Straßen- und zum Teil im Eisenbahnverkehr weiter liberalisiert. Daneben wurde in die TEN-V investiert und die internationale Zusammenarbeit weiter vorangetrieben. In Punkto umweltfreundlicher Verkehr waren auch erste Erfolge zu verzeichnen. Trotzdem ist das europäische Verkehrssystem weit weg von der Nachhaltigkeit. (KOM(2011) 144 endg., 5; Schroeder 2012, 35) In Teil zwei legt die Kommission nun eine Vision für ein wettbewerbsorientiertes und nachhaltiges Verkehrssystem vor. „Die Herausforderung besteht darin, die Abhängigkeit des Verkehrssystems vom Öl aufzuheben, ohne seine Effizienz zu opfern und die Mobilität einzuschränken.“ (KOM(2011) 144 endg., 6) Allen voran sollen die Verkehrsträger und deren Kombination effizienter und umweltfreundlicher werden. Erreicht werden soll dies u. a. durch die Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe, durch besseres Verkehrsmanagement und Multimodalität, durch die Schaffung eines europäischen Eisenbahnverkehrsmarktes, unverzerrte Preisbildung und die Internalisierung der externen Kosten. Etwaige Beschränkungen der Mobilität sind für die Kommission ausgeschlossen.

(KOM(2011) 144 endg., 6) Für die Begrenzung der CO2-Emissionen eignet sich besonders der Stadtverkehr, da hier nur kürzere Strecken bewältigt werden müssen und dadurch eine große Anzahl der Bevölkerung betroffen ist. Um die Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich bis 2050 um 60% zu verringern, schlägt die Kommission folgende Ziele vor:  Entwicklung und Einführung neuer und nachhaltiger Kraftstoffe und Antriebssysteme (bis 2030 Halbierung der Nutzung mit „konventionellem Kraftstoff“ betriebener Pkw (Nicht-Hybrid-Fahrzeuge) in Städten; bis 2050

vollständiger Verzicht darauf; CO2-freie Stadtlogistik in größeren Städten bis 2030; 40% nachhaltige Kraftstoffe im Flugverkehr bis 2050)  Optimierung der Leistung multimodaler Logistikketten (Verlagerung von 30% des Straßenverkehrs über 300 km bis 2030 auf andere Verkehrsträger, mehr als 50% bis 2050; Schaffung geeigneter Infrastruktur; Ausbau des Schienennetzes und bis 2050 soll Großteil der Personenbeförderung über mittlere Entfernungen drauf geschehen; bis 2030 Fertigstellung eines EU-weiten multimodalen TEN-V-„Kernnetzes“ mit Anbindung von Flug- und Seehäfen sowie des Binnenwasserstraßennetzes)  Steigerung der Effizienz des Verkehrs und der Infrastrukturnutzung durch Informationssysteme und marktgestützte Systeme (Einführung intelligenter

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Verkehrssysteme; Fertigstellung des Satellitennavigationssystems Galileo; Senkung der Unfalltoten gegen null bis 2050; Internalisierung der externen Kosten) (KOM(2011) 144 endg., 10f; vgl. Danielli/Maibach 2014, 138-140) Im dritten Teil sind schließlich die konkreten Maßnahmen zur Umsetzung dieser Visionen angeführt. Oberste Priorität nach dem „Verkehr-2050-Fahrplan“ hat die Schaffung eines einheitlichen europäischen Verkehrsraums, was zur weiteren Kostensenkung, mehr Wettbewerb und zur Nachhaltigkeit beiträgt. Des Weiteren soll weiterhin in die Forschung und Innovation im Verkehrsbereich investiert werden, damit neue Mobilitätskonzepte kreiert werden können. Auch weiterhin soll in eine moderne Infrastruktur investiert werden (Fertigstellung des TEN-V-Netzes). Durch die Internalisierung externe Effekte (bis 2020 für den gewerblichen Güterverkehr verpflichtend in allen Mitgliedstaaten), Beseitigung von Verzerrungen und Abschaffung von Subventionen soll ein freier Wettbewerb im Verkehrsmarkt gewährleistet werden. Natürlich soll bei der Umgestaltung des Verkehrssystems auch nicht die internationale Komponente vernachlässigt werden (weitere Öffnung von Verkehrsmärkten für freien Wettbewerb und nachhaltige Lösungen). (KOM(2011) 144 endg., 11-19) Im Anhang des Weißbuches sind dann noch 40 Maßnahmen für die nächsten zehn Jahre zur Umsetzung der ehrgeizigen Ziele enthalten. „Das neue Strategiepapier bestätigt die verkehrspolitischen Absichten seiner Vorgänger.“ (Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 38) Die Reaktionen auf das Weißbuch waren sehr unterschiedlich. Von Lob für die teils visionären Ziele bis hin zu völliger Utopie und Zauberei war die Rede. Vor allem die Technikgläubigkeit der Kommission wurde angeprangert sowie die wenig ambitionierten Ziele im Umweltbereich. Besonders visionär ist das Ziel die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich bis 2050 um 60% gegenüber 1990 zu verringern. Bereits 2030 sollen die Verkehrsemissionen um rund 20% unter den Stand von 2008 sinken. Dies bedarf wohl außergewöhnlicher Anstrengungen und Maßnahmen, da momentan der Verkehrssektor für 30% der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich ist. Allein durch technische Maßnahmen wird dieses Ziel wohl nicht zu erreichen sein, da die Kommission die „Heilige Kuh“ der uneingeschränkten Mobilität nicht zu schlachten gedenkt. Auch die Verlagerungsziele von rund 50% des Personen- und Güterverkehrs bedürfen zur Verwirklichung in den nächsten 40 Jahren großer Anstrengungen. Ein weiterer Faktor sind die enormen Kosten für die Realisierung dieser Visionen. Allein für den Ausbau der EU-Infrastruktur bis 2050 werden Kosten von 1.500 Mrd. Euro veranschlagt. Darin sind allerdings noch nicht die Kosten für Fahrzeuge, Ausrüstungen und Infrastruktur für Zahlungsziele inkludiert. Hier kommen noch einmal 1.000 Mrd. Euro hinzu. Finanziert soll

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dies alles aber nicht allein durch die öffentliche Hand werden, sondern auch durch eine stärkere Beteiligung von privaten Investoren. Die bisherige Erfahrung zeigt aber die eher bescheidene Bilanz von PPP-Projekten und die Zurückhaltung von privaten Investoren. Aus Österreich wurde vor allem kritisiert, dass das Verlagerungsziel erst für das Jahr 2030 angestrebt wird. Auch Befürchtungen über eine EU-weite Einführung von so genannten „Gigalinern“ (Lkw mit Gesamtgewicht von 60 t) wurden geäußert. Dadurch würde eine massive Rückverlagerung auf die Straße stattfinden, was im klaren Gegensatz zum umweltfreundlichen Verkehr steht. Zudem bringe die marginale Internalisierung der externen Kosten für den Alpenraum zu wenig. (DS 8.03, 28.03.2011a/b; TT 16.04.2011; Schäfer 2012, Art. 90 Rn. 38; Satzinger 2012, 29; Schroeder 2012, 35) Die aktuellen Ziele der europäischen Verkehrspolitik können in drei Punkten zusammengefasst werden, die sich an der „Lissabon-Strategie“ (2000-2010) und am Nachfolgeprogramm „Europa 2020“ (2010-2020), das am beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010 angenommen wurde164 (KOM(2010) 2020), orientieren:  Abkopplung der Mobilität von ihren negativen Nebeneffekten (z. B. Verkehrsüberlastung, Unfälle und Umweltverschmutzung);  Optimierung der einzelnen Verkehrsträger;  Förderung von umweltfreundlichen Antriebstechniken und von energieeffizienten Verkehrsmitteln; Förderung der Ko-Modalität (effiziente Nutzung und Kombination der Verkehrsträger) und optimale Ressourcennutzung. (EK 2015165) Bleibt am Schluss des historischen Rückblicks noch ein Fazit der historischen Entwicklung zu ziehen. „Der Verkehr hat einerseits den Bedürfnissen einer arbeitsteiligen und auf Mobilität aufbauenden Gesellschaft zu dienen, muss aber gleichzeitig auch als eigener Wirtschaftszweig wahrgenommen werden.“ (Epiney/Gruber 1997, 111) Für eine auf Dauer tragbare Mobilität muss aber andererseits auch ökologischen Aspekten Rechnung getragen werden. Der historische Rückblick zeigt deutlich, dass es der Union trotz vertraglicher Vorgaben jahrzehntelang nicht gelungen war eine „gemeinsame“ Verkehrspolitik zu etablieren, die sich an den Praktischen Bedürfnissen des Verkehrs orientiert hätte. Ein Problem lag sicherlich an den verschiedenartigen Konzepten für die rechtliche Ausgestaltung. Bei der Gründung der damaligen Gemeinschaft wurde die Hoffnung gehegt, dass die Auseinandersetzung innerhalb der Gemeinschaftsorgane zu einer umfassenden Strategie für den Verkehrssektor führen würde, was aber durch eine gegenseitige Blockade

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zwischen Liberalisierungs- bzw. Harmonisierungsbefürwortern bis 1985 verhindert wurde. (Epiney/Gruber 1997, 111) Belebung in die gemeinsame Verkehrspolitik kam erst durch das „Untätigkeitsurteil“ des EuGH und gewisse äußere Sachzwänge. Durch die Binnenmarktphilosophie wurden bisher undenkbare Dinge, wie z. B. die Aufhebung der Kabotage im Straßengüterverkehr, in kürzester Zeit umgesetzt. Eine weitere Wendung nahm die gemeinsame Verkehrspolitik Anfang der 1990er Jahre durch den sich abzeichnenden Verkehrskollaps. Mit ihren Weißbüchern hat die Kommission das Spannungsfeld zwischen dem Binnenmarkt und den damit verbundenen verkehrsbedingten Umweltbelastungen erkannt. Mit zahlreichen Maßnahmen und Konzepten hat sich die Kommission zur Nachhaltigen Mobilität verpflichtet. Diese Konzepte liegen zwar am Tisch, aber im von nationalen Interessen geprägten Rat scheitert die Realisierung und durch Kompromisse kommt es zu starken Verwässerungen. (Epiney/Gruber 1997, 112)

3.3 UMSETZUNG UND AUSGESTALTUNG DER GEMEINSAMEN VERKEHRSPOLITIK (SEKUNDÄRRECHT)

Wie im historischen Rückblick bereits aufgezeigt, ist erst ab 1985 Schwung in die gemeinschaftliche Verkehrspolitik gekommen. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die bereits umgesetzten rechtlichen Maßnahmen gegeben werden und dadurch der aktuelle Stand des Verkehrsrechts wiedergegeben werden. Die bisherige Umsetzung der gemeinsamen Verkehrspolitik basiert wegen der bereits beschrieben Unschärfe des verkehrsbezogenen Primärrechts hauptsächlich auf dem Sekundärrecht. „Dieses ist es, welches der gemeinsamen Verkehrspolitik seine Prägung verleiht und die knapp gehaltenen Vorgaben des […] [AEUV] umsetzt und ausgestaltet.“ (Sollberger 2003, 136) Das gemeinschaftliche Sekundärrecht gibt den Mitgliedstaaten einen äußerst konkreten verkehrspolitischen Rahmen vor, wobei aber angemerkt werden muss, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von gemeinschaftlichen VO und RL über einen gewissen Gestaltungsspielraum verfügen.166 (Epiney/Gruber 2001, 207; Sollberger 2003, 116f) Die bisherige Umsetzung der vertraglichen Vorgaben wird anhand der Vorschriften des Art. 91 Abs. 1 AEUV für die Bereiche Straßen- und Schienenverkehr sowie für den kombinierten bzw. intermodalen Verkehr dargestellt.167 Die Gesetzgebung wurde für jeden Verkehrsträger getrennt erlassen, wobei im Straßenverkehr zudem verschiedene Regelungen

166 Für eine ausführliche Darstellung der mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielräume unter den sekundärrechtlichen Vorgaben vgl. Epiney/Gruber 2001, 207-359. 167 Binnenschifffahrt ist für die vorliegende Untersuchung nicht relevant, detailliert vgl. Jung 2011, Art. 91 Rn. 18, 28f; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 56-59, 69f. 170

für den Güter- bzw. Personenverkehr gelten. Zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit umfassen die jeweiligen Regelungen Bestimmungen über den Berufszugang und die gegenseitige Zeugnisanerkennung sowie die Erteilung einer Gemeinschaftslizenz für die unionsweite Erbringung der jeweiligen Dienstleistung. Die zukünftigen Aufgaben der Verkehrspolitik sind neben der Gewährleistung der vollen Dienstleistungsfreiheit vor allem auf die Verkehrsnachfragelenkung, die Verkehrssicherheit sowie auf den Umweltschutz und die effiziente Nutzung der Infrastruktur gerichtet. (Bieber et al. 2013, §24 Rn. 12f)

3.3.1 Internationaler Verkehr (Art. 91 Abs. 1 lit. a AEUV)

Im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der Union besteht seit dem 1. Jänner 1993 die vollständige Dienstleistungsfreiheit für sämtliche Binnenverkehrsträger, wobei bis 1. Jänner 2006 für die Eisenbahn eine Ausnahme bestand. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 4) „Damit hat die Gemeinschaft, wenn auch mit jahrzehntelanger Verspätung einen Eckstein des Verkehrsbinnenmarktes gesetzt.“ (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 16) Straßenverkehr: Im Bereich des Straßenverkehrs wurden zuerst die administrativen und normativen Hindernisse für die Güter- und Personenbeförderung beseitigt. Daneben galt es auch die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Durch die VO 3164/76168 wurden im Bereich des Güterkraftverkehrs neben den bilateralen Transportkontingenten eigene Gemeinschaftskontingente eingeführt, die in den Folgejahren immer weiterer erhöht wurden, um den starke regulierten Markt für Gemeinschaftsunternehmen schrittweise zu öffnen. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 5; Epiney/Gruber 2001, 209; Aberle 1996a, 148; vgl. Frerich/Müller 2004b, 122-139) Durch die VO 881/92169 (ergänzt durch VO 1841/88170), wurde schließlich zum 1. Jänner 1993 die völlige Dienstleistungsfreiheit im gewerblichen Straßengüterverkehr verwirklicht. Dadurch wurden auch alle mengenmäßigen und bilateralen Beschränkungen (Kontingente) für gemeinschaftliche, grenzüberschreitende Gütertransporte aufgehoben. (Frerich/Müller 2004b, 146; Jung 2011, Art. 91 Rn. 5; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 8) Weiters wurden durch die VO 881/92 gemeinsame Regeln für den

168 VO (EWG) Nr. 3164/76 des Rates vom 16.12.1976 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterverkehr zwischen den MS, ABl. L 357 vom 29.12.1976, 1; aufgehoben durch VO (EWG) Nr. 881/92. 169 VO (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.03.1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem MS oder durch einen oder mehrere MS, ABl. L 95 vom 09.04.1992, 1-7; ändernde Rechtsakte: VO (EG) Nr. 484/2002 des EP und des Rates vom 1.03.2002 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/93, ABl. L 76 vom 19.3.2002, 1-6; VO (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20.11.2006 , ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 1-80. Durch die VO (EG) Nr. 1072/2009 des EP und des Rates vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, ABl. L 300 vom 14.11.2009, 72-87 wurden die VO Nr. 881/92, 3118/93 und 2006/94 aufgehoben. 170 VO (EWG) Nr. 1841/88 des Rates vom 21.06.1988 zur Änderung der VO (EWG) Nr. 3164/76, ABl. L 163 vom 30.06.1988, 1-2. 171

Marktzugang (Beruf des Kraftverkehrsunternehmers171) und für die Einführung einer Gemeinschaftslizenz (Eurolizenz) beschlossen. Diese Gemeinschaftslizenz berechtigt den Zugang des Transporteurs zum nationalen und internationalen Verkehr und wird nach den Kriterien der persönlichen Zuverlässigkeit, der finanziellen Leistungsfähigkeit und der fachlichen Eignung vergeben. (Frerich/Müller 2004b, 146f; Epiney/Gruber 2001, 209f, 234- 238; Aberle 1996a, 146) Das so genannte „Road Package“ (seit 4. Dezember 2011 in Kraft) hob mit der VO 1071/2009172 (über die Zulassung zum Kraftverkehrsunternehmer) und der VO 1072/2009173 (über den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Verkehrs) die vorher erwähnten Verordnungen auf. Damit wurde das bisher erreichte Liberalisierungsniveau bestätigt. Vereinfachungen gab es auch beim Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 5; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 19f; Stadler 2010, Art. 91 Rn. 36; Epiney et al. 2013, 62f) Mit 1. Jänner 1990 wurde zudem jede staatlich beeinflusste Preisfestsetzung (Festtarife) im grenzüberschreitenden gewerblichen Güterverkehr aufgehoben und seither werden die Entgelte in freier Preisbindung zwischen den Vertragsparteien vereinbart.174 (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 21; Jung 2011, Art. 91 Rn. 6; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 8; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 9; Epiney/Gruber 1997, 116; Epiney/Gruber 2001, 244f; Aberle 1996a, 149) Allerdings wurde mit der Liberalisierung ein Marktbeobachtungs- und Kriseninterventionsmechanismus175 etabliert, um die Folgen für den ehemals staatlich geschützten Güterverkehrsmarkt etwas abzufedern. (Jung 2011, Art. 91, Rn. 6; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 22; Epiney/Gruber 2001, 210) „Kein Grund für die Ingangsetzung des vorgesehenen ‚Krisenmechanismus’ sind allerdings Umweltprobleme etwa wegen Verkehrsüberlastung.“ (Epiney/Gruber 1997, 115) Weitere Bestimmungen betreffen z. B. die Sozialvorschriften (Lenk- und Ruhezeiten, Arbeitszeit), Normen für

171 RL 96/26/EG des Rates vom 29.04.1996 über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer, ABl. L 124 vom 23.5.1996, S. 1-10; ändernde Rechtsakte: RL 98/76/EG des Rates vom 1.10.1998, ABl. L 277 vom 14.10.1998, 17-25; RL 2004/66/EG des Rates vom 26.04.2004, ABl. L 168 vom 1.5.2004, 35-67; RL 2006/103/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363 vom 20.12.2006, 344-351. Durch die VO (EG) Nr. 1071/2009 des EP und des Rates vom 21.10.2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, ABl. L 300 vom 14.11.2009, 51-71 wurde die RL 96/26/EG aufgehoben. 172 VO (EG) Nr. 1071/2009 des EP und des Rates vom 21.10.2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates, ABl. L 300 vom 14.11.2009, 51-71. 173 VO (EG) Nr. 1072/2009 des EP und des Rates vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, ABl. L 300 vom 14.11. 2009, 72-87. 174 VO (EWG) Nr. 4058/89 des Rates vom 21.12.1989 über die Preisbildung im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten , ABl. L 390 vom 30.12.1989, 1-2. 175 VO (EWG) Nr. 3916/90 des Rates vom 21.12.1990 über Maßnahmen bei Krisen auf dem Güterkraftverkehrsmarkt, ABl. L 375 vom 31.12.1990, 10-11. 172

Bestandteile von Kraftfahrzeugen, für technische Untersuchungen sowie für Gewichte und Abmessungen, die Harmonisierung der Struktur der Verbrauchersteuer auf Mineralöle sowie Zulassungsdokumente von Kraftfahrzeugen.176 (Bieber et al. 2013, §24 Rn. 17; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 26-31; Aberle 1996a, 152f) Im Straßenpersonenverkehr ist der grenzüberschreitende Verkehr mit Kraftomnibussen (mehr als neun Personen) durch die VO 684/92177 seit 1. Juni 1992 für jeden Verkehrsunternehmer mit Niederlassung in einem Mitgliedstaat (Gemeinschaftslizenz) liberalisiert. Seit 11. Dezember 1998 sind zudem alle Sonderformen des Linienverkehrs sowie Gelegenheits- und Werksverkehre genehmigungsfrei. Die VO 1073/2009178 (über den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt) des „Road Packages“ bringt seit 4. Dezember 2011 Erleichterungen im Genehmigungsverfahren. (Jung 2011, Art. 91, Rn. 7; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 24; Frerich/Müller 2004b, 181f, 185f; Epiney/Gruber 2001, 213-216) Schienenverkehr: Bereits in den 1980er Jahren erfolgten erste Initiativen für eine europäische Eisenbahnpolitik mit dem Ziel der Wettbewerbsstärkung (steigende Marktverluste) und der Harmonisierung der staatlichen Beihilfen und Auflagen. Zwischen 1969 und 1984 wurden bereits Maßnahmen zur genaueren Definition der Beziehungen zwischen den Eisenbahnunternehmen und der öffentlicher Hand sowie zur finanziellen Sanierung erlassen. (Bieber et al. 2013, §24 Rn. 14; vgl. Frerich/Müller 2004a, 659; Frerich/Müller 2004b, 415f) Im Gefolge der Binnenmarktvollendung wurde 1991 mit der Verabschiedung der Richtlinie „Zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft“ der erste Schritt in Richtung Liberalisierung gesetzt. Mit der RL 91/440/EWG179 werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, „[…] den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur von der Erbringung der Verkehrsleistungen zu trennen, die Unabhängigkeit der Geschäftsführung von Eisenbahnunternehmen zu gewährleisten, die Finanzstruktur der Eisenbahnen zu sanieren und grenzüberschreitende Zugangsrechte zur

176 VO (EG) Nr. 561/2006 (Lenk- und Ruhezeiten), ABl. L 102 vom 11.04.2006 1-14; RL 2003/88/EG (Arbeitszeit-Basisrichtlinie), ABl. L 299 vom 18.11.2003, 9-19; RL 77/541/EWG (Sicherheitsgurte), ABl. L 220 vom 29.08.1977, 95-143; RL 77/143/EWG (technische Untersuchungen), ABl. L 47 vom 18.02.1977, 47- 51; RL 96/53/EG (Gewichte, Abmessungen), ABl. L 235 vom 17.09.1996, 59-75; RL 2003/96/EG (Besteuerung von Kraftstoffen), ABl. L 283 vom 31.10.2003, 51-70; RL 1999/37/EG (Zulassungsdokumente), ABl. L 138 vom 1.06.1999, 57-65 (vgl. Epiney/Gruber 1997, 121-134; Sollberger 2003, 141-149) 177 VO (EWG) Nr. 684/92 des Rates vom 16.03.1992 zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen, ABL. L 74 vom 20.03.1992, 1-9; Ändernde Rechtsakte: VO (EG) Nr. 11/98 des Rates vom 11.12.1997 zur Änderung der VO (EWG) Nr. 684/92, ABl. L 4 vom 8.01.1998, 1-9; VO (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 1-80. Durch die VO (EG) Nr. 1073/2009 vom 21.10.2009 wurden die VO 684/92 und 12/98 aufgehoben. 178 VO (EG) Nr. 1073/2009 des EP und des Rates vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, ABl. L 300 vom 14.11.2009, 88-105. 179 RL 91/440/EWG des Rates vom 29.07.1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. L. 237 vom 24.08.1991, 25-28. 173

Infrastruktur einzuräumen.“ (Bieber et al. 2013, §24 Rn. 14) Durch den Netzzugang gegen Nutzungsentgelt sollte der Wettbewerb zwischen den Eisenbahnunternehmen ermöglicht werden und die Verkehrsdienstleitungen sollten leistungs- und konkurrenzfähiger werden. (Schäfer 2012, Art. 91, Rn. 40; Jung 2011, Art. 91 Rn. 8; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 44; Epiney/Gruber 2001, 219f; Schäfer 2000, 81-83; Aberle 1996a, 150) Diese Richtlinie „[…] ermöglichte einen ersten, vorsichtigen Reformschritt zur künftigen Öffnung des gesamten Schienenverkehrsmarktes.“ (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 41) Weitere Richtlinien befassten sich mit der Erteilung von Genehmigungen zur Erteilung von Eisenbahnverkehrsdienstleistungen, mit der Festlegung der Grundsätze und Verfahren für die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten sowie mit der Berechnung von Wegentgelten und mit dem Bahntransport von gefährlichen Gütern.180 (Frerich/Müller 2004b, 239-242; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 45; Gstettenbauer 2004, 24; Aberle 1996a, 151) Schließlich folgte 1996 ein Weißbuch zum Thema Eisenbahnen (vgl. Punkt 3.2.5). Seit 2001 hat die Kommission dem grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr, der bisher kaum liberalisiert war, eine verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Durch die drei Eisenbahnpakte hat nun auch der Schienenverkehr einen entscheidenden Liberalisierungsschub erfahren. Im Ersten Eisenbahnpaket von 2001 („Eisenbahninfrastrukturpaket“) wurde die diskriminierungsfreie Öffnung der Eisenbahninfrastruktur (v. a. der Schienen) für den internationalen Güterverkehr vereinbart. Dafür wurde die bisherige RL 91/440/EWG weiter liberalisiert. Durch die neue RL 2001/12/EG181 erhielten alle europäischen Eisenbahnunternehmen ab dem 15. März 2003 für die grenzüberschreitende Güterbeförderung Zugang zum „transeuropäischen Schienengüternetz“ (TERFN - inklusive Schienenzugang zu Terminals und Häfen). Die gänzliche Marktöffnung des Schienennetzes sollte bis zum 15. März 2008 vollzogen werden. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 9f; Schäfer 2012, Art. 91. Rn. 44f, 52; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 45; Frerich/Müller 2004b, 246; Epiney/Gruber 2001, 220-226) Mit der RL 2001/13/EG182 wurde auch die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen an die neue Situation angepasst, die nur mehr von Stellen vorgenommen werden soll, die nicht selbst Eisenbahnverkehrsdienstleistungen erbringen bzw. mit Eisenbahnen verbunden sind. (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 49-51; Stadler 2012; Art. 91 Rn. 11; Frerich/Müller 2004b, 246f; Epiney/Gruber 238f) Durch die RL

180 RL 95/18/EG des Rates vom 19.06.1995 (Genehmigungserteilungen), ABl. 1995 L 143 vom 27.06.1995, 70-74; RL 95/19/EG des Rates vom 19.06.1995 (Fahrwegkapazitäten, Wegentgelte), ABl. L 143 vom 27.06. 1995, 75-78; RL 96/49/EG des Rates vom 23.07.1996 (Gefahrengut), ABl. L 235 vom 17.09.1996, 25-30. 181 RL 2001/12/EG des EP und des Rates vom 26.02.2001 zur Änderung der RL 91/440/EWG, ABl. L 75 vom 15.03.2001, 1-25. 182 RL 2001/13/EG des EP und des Rates vom 26.02.2001 zur Änderung der RL 95/18/EG, ABl. vom 15.03. 2001, 26-28. 174

2001/14/EG183 werden die Zugangsrechte im gesamten inländischen und grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr zu nicht diskriminierenden Bedingungen gewährleistet (Errichtung eines vom Netzbetreiber unabhängigen Schienenregulators in allen EU-Mitgliedstaaten). (Jung 2011, Art. 91 Rn. 11; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 44, 53; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 45; Frerich/Müller 2004a, 674f; Frerich/Müller 2004b, 247f; Gstettenbauer 2004, 24; Epiney/Gruber 2001, 226-232; vgl. Heuck 2013, 485-494) „Ziel ist eine ‚Revitalisierung der europäischen Eisenbahnen’ durch eine Erweiterung des Infrastrukturzugangs und die Herbeiführung eines gerechten intermodalen Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße.“ (Jung 2011, Art. 91 Rn. 11) Das Zweite Eisenbahnpaket von 2004 baut auf das Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010“ (KOM(2001) 370 endg.) auf, in welchem dem Schienenverkehr eine Schlüsselrolle bei der nachhaltigen Mobilität zugestanden wird. Durch die Beschleunigung und Ausweitung des Marktzugangs für grenzüberschreitenden Gütertransport soll der Schienengüterverkehr beschleunigt werden. Dadurch sollte der bis 2010 zu erwartende Anstieg des Verkehrsaufkommens abgefedert werden. (Jung 2011, Art. 71 Rn. 13f; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 46) Die 2004 gegründete Europäische Eisenbahnagentur (ERA)184 übernahm die Überwachung der zu harmonisierenden Sicherheitsstandards und der Interoperabilität. Mit der RL 2004/51/EG185 ging die Marköffnung weiter und es kam es zu einer Beschleunigung der Schienentrassenöffnung. Ab 2004 war allen Eisenbahnunternehmen im grenzüberschreitenden Güterverkehr Zugang TESGN zu gewähren und bereits ab 1. Jänner 2006 der Zugang zum gesamten europäischen Schienennetz. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 14; Bieber et al. 2013, §24 Rn. 15) Daneben müssen die Mitgliedstaaten ihre Infrastrukturnetze für Schienenfrachtdienste aller Art (inklusive Kabotage) bis 1. Jänner 2007 öffnen. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 14; Schäfer 2012, Art. 91 Rn 46; Gstettenbauer 2004, 24) Die beiden vorgenannten Eisenbahnpakete betreffen ausschließlich den Schienengüterverkehr, aber das Dritte Eisenbahnpaket vom 23. Oktober 2007 befasst sich mit dem Personenverkehr. Ziel ist eine weitere Liberalisierung und die Herstellung eines integrierten europäischen Schienenverkehrsraums bis zum 1. Jänner 2010. (Jung 2011, Art. 91, Rn. 15; DS 5.12.2005;

183 RL 2001/14/EG des EP und des Rates vom 26.02.2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung, ABl. L 75 vom 15.03.2001, 29-46; ändernde Rechtsakte: RL 2004/49/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004, ABl. L 164 vom 30.4.2004, 44-113; RL 2007/58/EG des EP und des Rates vom 23. 10.2007, ABl. L 315 vom 3.12.2007, 44-50. 184 VO (EG) Nr. 881/2004 des EP und des Rates vom 29.04.2004 (Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur), ABl. L 164 vom 30.04.2004, 1-43; RL 2004/49/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 (Harmonisierung staatlicher Sicherheitsstandards im Eisenbahnverkehr), ABl. L 164 vom 30.04.2004, 44-113. 185 RL 2004/51/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der RL 91/440/EWG, ABl. L 164 vom 30.04.2004, 164-172. 175

Stadler 2012, Art. 91 Rn. 45) „Zentraler integrationspolitischer Bestandteil des Dritten Eisenbahnpaketes ist die Ausdehnung des für den Güterverkehr mittlerweile erreichten Trassenzugangsanspruchs aller Eisenbahnverkehrsunternehmen auf den grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr innerhalb der EU […].“ (Jung 2011, Art. 91 Rn. 16) Dieses Ziel ist in der RL 2007/58/EG186 enthalten. Die Mitgliedstaaten können aber zur Sicherung von Verkehrsdiensten, die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse stehen (öffentliche Dienste), Einschränkungen des freien Marktzugangs anordnen (VO 1370/2007187). Die Kabotage wir dadurch nicht liberalisiert. Daneben enthält das Eisenbahnpaket noch in der VO 1371/2007188 die Stärkung der Fahrgastrechte sowie Regelungen für Triebfahrzeugführer (VO 1372/2007, RL 2007/59/EG189). 2008 wurden die neue Interoperabilitäts-RL 2008/57/EG190 sowie die neue Sicherheits-RL 2008/110/EG191 erlassen. Ergänzt wurde das dritte Eisenpaket auch durch die VO 913/2010192, worin die Schaffung wettbewerbsfähiger Güterkorridore vorgesehen ist. Ein Viertes Eisenbahnpaket, soll die angestrebte Liberalisierung beenden (vgl. KOM(2010) 474 endg.193). Dazu legte die Kommission 2013 Vorschläge für ein umfassendes Maßnahmenpaket vor (vgl. KOM(2013) 25 endg.). (Jung 2011, Art. 91 Rn. 8, 16f; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 47f; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 42, 45; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 9; Gstettenbauer 2004, 25-28; Heuck 2013, 328-332; DS 05.12.2006, 18.01.2007) Kombinierter oder intermodaler Verkehr: Durch die RL 92/106/EWG194 genießt der Kombinierte Verkehr (KV)195 wegen seiner Vorteile für die Umwelt einen bevorzugten

186 RL 2007/58/EG des EP und des Rates vom 23.10.2007 zur Änderung der RL 91/440/EWG sowie der RL 2001/14/EG, ABl. L 315 vom 3.12.2007, 44-50. 187 VO (EG) Nr. 1370/2007 des EP und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der VO (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates, ABl. L 315 vom 3.12.2007, 1-13. 188 VO (EG) Nr. 1371/2007 des EP und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl. L 315 vom 3.12.2007, 14-41. 189 VO (EG) Nr. 1372/2007 des EP und des Rates vom 23.10.2007 zur Änderung der VO (EG) Nr. 577/98 des Rates zur Durchführung einer Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte in der Gemeinschaft, ABl. L 315 vom 3.12.2007; RL 2007/59/EG des EP und des Rates vom 23.10.2007 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen, ABl. L 315 vom 3.12.2007, 51-78. 190 RL 2008/57/EG des EP und des Rates vom 17.06.2008 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft, ABl. L 191 vom 18.7.2008, 1-45. 191 Richtlinie 2008/110/EG des EP und des Rates vom 16.12.2008 zur Änderung der Richtlinie 2004/49/EG über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft, ABl. L 345 vom 23.12.2008, 62-67. 192 VO (EU) Nr. 913/2010 des EP und des Rates vom 22.10.2010 zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr, ABl. L 276 vom 20.10.2010, 22-32. 193 Mitteilung der Kommission vom 17.09.2010 über die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums. 194 RL 92/106/EWG des Rates vom 7.12.1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen den MS, ABl. L 368 vom 17.12.1992, 38-42; ändernder Rechtsakt: RL 2006/103/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363 vom 20.12.2006, 344-351. 176

Marktzugang. Der grenzüberschreitende KV ist seit 1. Jänner 1993 liberalisiert. Zudem gibt es innovative Förderprogramme und Finanzhilfen der Union zur Verlagerung des Straßenverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger (z. B. PACT-Programm 1997 bis 2001196, „Marco-Polo“ 2003 bis 2006197, „Marco Polo II“ 2007 bis 2013198). (Frerich/Müller 2004b, 263; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 60-62; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 56; Epiney/Gruber 1997, 138-140; Epiney/Gruber 2001, 232f; vgl. Heuck 2013, 339-344, 494f, 503-506) Tabelle 15 Development in road freight transport policy Date Description Establishment of Inland Transport committee of the United Nations commission 1947 for Europe (UNECE), successor to the transport committees of the League of nations 1953 Establishment of European conference of Ministers of Transport (ECMT) Application of competition rules: 1962-68  Reg 141/62 exempts all inland transport from competition rules  Reg 1017/68 applies competition rules in support of status quo Regulation of tariffs:  Reg 11/60 abolishes discriminatory tariffs from 1962  Reg 1174/68 establishes forked tariffs regime 1960-89  Reg 2831/77 adds option of reference tariffs  Reg 4058/89 allows tariffs to be set by free agreement between parties to the haulage contract Regulation of capacity:  Reg 141/62 establishes limited exemptions from bilateral quotas  Reg 1018/68 establishes first Community quotas, gradually increased under subsequent regulations  Reg 1841/88 phases out all quota restrictions by 1 January 1993 1962-2015  Reg 4059/89 grants cabotage quotas for  Reg 881/92 provides for Community authorizations to be granted by state of establishment (replaced by Reg 1072/2009)  Reg 3118/93 phases out all quota restrictions by 1 July 1998 (replaced by Reg 1072/2009) Regulations of market access – licensing:  Dir 74/561 sets minimum standards for road haulage companies 1974-2015  Dir 96/26 (amended by Dir 98/26, replaced by Reg 1071/2009) grants unrestricted access under harmonised conditions including professional competence and financial standing

195 Unter kombinierten oder intermodalen Verkehr versteht die RL den Güterverkehr, bei dem nur die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße erfolgt, der Rest der Strecke auf der Schiene oder dem Wasser. Allerdings muss dieser Teil des Weges länger als 100 km lang sein (Art. 1 Abs. 2) und die Zu- und Ablaufstreckenmüssen entweder in Bezug auf einen nächst gelegenen Umschlagbahnhof zurückgelegt werden oder aber dürfen nicht länger als 150 km sein (Ziel ist eine Entlastung der Straße). (Epiney/Gruber 1997, 138f) 196 VO (EG) Nr. 2196/98 des Rates vom 1.10.1998 über die Gewährung von Gemeinschaftsfinanzhilfen für innovatorische Aktionen zur Förderung des kombinierten Verkehrs, ABl. L 277 vom 14.10.1998, 1-6. 197 VO (EG) Nr. 1382/2003 des EP und des Rates vom 22..07.2003 über die Gewährung von Finanzhilfen der Gemeinschaft zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Güterverkehrssystems („Programm Marco Polo“), ABl. L 196 vom 2.8.2003, 1-6. 198 VO (EG) Nr. 1692/2006 des EP und des Rates vom 24. Oktober 2006 zur Aufstellung des zweiten Marco Polo-Programms über die Gewährung von Finanzhilfen der Gemeinschaft zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Güterverkehrssystems (Marco Polo II) und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 1382/2003, ABl. L 328 vom 24.11.2006, 1-13; Berichtigung der VO (EG) Nr. 1692/2006, ABl. L 65 vom 3.3.2007, 12-12. 177

Social harmonization:  Reg 543/69 (amended by Regs 3820/85, and 3821/85, replaced by Reg 561/2006, and Reg 2006/22) stets minimum ages, working time limits Since 1969 for transport crews  Reg 1463/70 imposes tachograph control, amended by Reg 2135/98 for digital tachograph, with details in Reg 1360/2002 Technical harmonization:  Dir 85/3 (amended by Dir 96/53) sets maximum weights and dimensions for road vehicles Since 1985  Dir 94/55 (amended by Dir 2000/61) concerns harmonization of dangerous goods by road; Dir 95/50 (amended by Dir 2001/26) sets uniform control procedures Fiscal harmonization:  Dirs 92/81 and 92/82 set minimum rates of fuel duty (replaced by Dir 2003/96) Since 1992  Dir 93/89 (replaced by Dirs 99/62, 2006/38, and Dir 2011/76) sets minimum rates for vehicle tax, maximum rates for road user charges, and a regulatory framework for setting tolls (Quelle: Stevens 2004, 104 f; eigene Ergänzung) Tabelle 16 Development in rail transport policy Date Description Convention of Berne establishes Central Office of International Rail Transport to 1890 administer rules for international carriage of goods (1890) and passengers (1924) 1922 Establishment of Union Internationale des Chemnis de fer (UIC) Abolition of discriminatory tariffs:  Treaty of Paris Article 70 bans discriminatory tariffs for transport of coal 1952-60 and steel  Reg 11/60 applies similar ban to all goods under Treaty of Rome Safeguarding the status quo:  Reg 1017/68, replacing exemption from competition rules in Reg 141/62, establishes legal basis for cooperation among companies in all 1962-70 three inland transport modes  Reg 1191/69 allows compensation for public service obligations  Reg 1107/70 provides extensive justification for State aids Economic regulation of the internal market: 1991  Dir 91/440 requires separation of infrastructure and operations  Dir 95/18 on the licensing of railway undertakings 1995  Dir 95/19 on the allocation of infrastructure and charging for its use First railway package:  Dir 2001/12 grants freight operators access to Trans European Rail Freight Network by 2003, whole network from 2008  Dir 2001/13 (amending 95/18) establishes common rules for railway 2001 licensing  Dir 2001/14 (replacing 95/19) establishes principles to govern non- discriminatory allocation of capacity, charging for infrastructure use, and safety certification Second railway package:  Dir 2004/51 opening of the market for international freight transport to the entire European rail network by 1 January 2006 2004  Dir 2004/51 opening of the market for cabotage by 1 January 2007  Establishment of a European Railway Safety Agency (Reg 881/2004)  adoption of a directive on railway safety (Dir 2004/49)

178

Third railway package:  a further opening of the market for international passenger transport by rail (Dir 2007/58) 2007  Reg 1371/2007 on the rights and obligations for passengers in international rail traffic  Reg 1372/2007 on rail freight quality  Dir 2007/59 for train driver licences Technical harmonization:  Dir 96/49 applies UNECE rules on transport of dangerous goods by rail, 1996 amended by Dir 2000/62  Dir 96/48 provides for interoperability of high-speed railways, amended by Dir 2008/57  Dir 2001/16 provides for interoperability of conventional railways, 2001 amended by Dir 2008/57 (Quelle: Stevens 2004, 94; eigene Ergänzung)

3.3.2 Kabotage (Art. 91 Abs. 1 lit. b AEUV)

Die Vollendung des Binnenmarktes verlangte auch die Freigabe des Kabotageverkehrs innerhalb der Union, was auf Widerstand einiger Mitgliedstaaten stieß. Mittlerweile ist die Kabotagefreiheit für die Binnenverkehrsträger weitgehend verwirklicht (im Eisenbahnverkehr nur Anschlusskabotage). (Jung 2011, Art. 91 Rn. 19) Straßenverkehr: Seit 1. Juli 1998 ist im Güterkraftverkehr die Regelung die Kabotage durch die VO 3118/93199 vollständig liberalisiert.200 Jedem Inhaber einer Gemeinschaftslizenz (VO 1071/2009) stehen die Kabotagetransporte einschränkungslos offen. Ähnlich wie beim internationalen Verkehr ist in der VO 3118/93 ein Marktbeobachtungs- und Kriseninterventionsmechanismus enthalten. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 19-21; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 65; Frerich/Müller 2004b, 153f; Epiney/Gruber 2001, 211f; Aberle 1996a, 149) Im Personenverkehr ist die Kabotage durch die VO 12/98201 (ersetzt durch VO1073/2009) geregelt. Sie ist seit 11. Juni 1999 anzuwenden und liberalisiert weitgehend die Kabotage im gewerblichen Omnibusverkehr (ab neun Sitzen). Dadurch ist die Kabotagebeförderung für alle Gelegenheitsfahrten, für gewissen

199 VO (EG) Nr. 3118/93 des Rates vom 25.10.1993 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines MS, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. L 279 vom 12.11.1993, 1-16; ändernde Rechtsakte: VO (EG) Nr. 3315/94 des Rates vom 22.12.1994, ABl. L 350 vom 31.12.1994, 9-11; VO (EG) Nr. 484/2002 des EP und des Rates vom 1.03.2002 zur Änderung der VO (EWG) Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/93 des Rates, ABl. L 76 vom 19.3.2002, 1-6. Durch die VO (EG) Nr. 1072/2009 des EP und des Rates vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, ABl. L 300 vom 14.11.2009, 72-87 wurden die VO Nr. 881/92, 3118/93 und 2006/94 aufgehoben. 200 Für eine ausführliche historische Darstellung vgl. Weyand 1996, 153-260. 201 VO (EG) Nr. 12/98 des Rates vom 11.12.1997 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Personenkraftverkehr innerhalb eines MS, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. L 4 vom 08.01. 1998, 10-14. Durch die VO (EG) Nr. 1073/2009 des EP und des Rates vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenverkehrsmarkt, ABl. L 300 vom 14.11.2009, 88-105 wurden die VO 684/92 und 12/98 aufgehoben. 179

Linienverkehr sowie für die Anschlusskabotage liberalisiert. Ausgeschlossen von der Marköffnung bleiben jedoch nach wie vor die innerstaatlichen Linienverkehre, wie der ÖPNV als Stadt- und Vorortdienste. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 22-24; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 66; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 12; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 12; Frerich/Müller 2004b, 188f; Epiney/Gruber 2001, 216-218) Schienenverkehr: im Schienenverkehr ist die Kabotagefreiheit im Güterverkehr durch die RL 2007/58/EG seit 1. Jänner 2010 verwirklicht. Seit dem dritten Eisenbahnpaket wird für den Schienenpersonenverkehr die Anschlusskabotage ermöglicht. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 25-27; Schäfer 2012, Art. 91, Rn. 68; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 12; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 12; DS 05.12. 2006, 18.01.2007) Kombinierter oder intermodaler Verkehr: Durch die RL 92/106/EWG bestanden für den KV im Zu- und Nachlauf auf der Straße Kabotagevorteile. Durch die Kabotagefreigabe im Straßengüterverkehr hat sich diese Ausnahme aber erübrigt. Die Kabotage für den Schienenteil des KV unterlag bis Anfang 2007 einer Beschränkung. (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 71)

3.3.4 Verkehrssicherheit (Art. 91 Abs. lit. c AEUV)

Bisher hat die Union eine Fülle von Vorschriften zur Verkehrssicherheit erlassen, die für eine Aufzählung zu Umfangreich wären.202 Erwähnenswert ist hier insbesondere das Aktionsprogramm für Straßenverkehrssicherheit von 2003 bis 2010, mit dem Ziel der Halbierung der Verkehrstoten bis 2010. (Frerich/Müller 2004a, 526f; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 72; Schäffer 2011, 369; EK 2015203) Das Ziel der Halbierung wurde allerdings nicht erreicht. Am 20. Juli 2010 folgte daher die Mitteilung der Kommission „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011 – 2020“ (KOM(2010) 389 endg.).Wiederum soll die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 halbiert werden. Dafür sind sieben Maßnahmen festgelegt worden, die auf EU- und nationaler Ebene umgesetzt werden sollen:  Verbesserung der Verkehrserziehung und Fahrausbildung/Fahrtraining der Straßenverkehrsteilnehmer  Stärke Durchsetzung der Straßenverkehrsvorschriften  Sichere Straßeninfrastruktur  Sichere Fahrzeuge  Nutzung und Förderung moderner Technologien für mehr Sicherheit im Straßenverkehr

202 Für eine ausführliche Darstellung zum Thema Verkehrssicherheit vgl. Frerich/Müller 2004b, 528-587. 203 Straßenverkehrssicherheit: Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit 2003-2010, URL: [31.03..2015] 180

 Verbesserung der Notfalldienste und Dienste für die Betreuung von Verletzten  Schutz von schwächeren Straßenverkehrsteilnehmern (EK 2015204; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 72) Daneben wurden unter anderem auch Vorschriften für die Gurtanlegepflicht205, Fahrzeugsicherheitssysteme206, die Sicherheit von Straßentunnels sowie ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur207, die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge208, den Transport gefährlicher Güter auf der Straße209 und Schiene210 sowie für eine Harmonisierung für den Führerscheinerwerb211 erlassen. (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 73; Mückenhausen 2010, Art. 91 Rn. 14f; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 38f; 40f; Sollberger 2003, 146, 164; Epiney/Gruber 1997, 131; Heuck 2013, 344-356) Besonders hervorzuheben ist, dass Maßnahmen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Zielsetzungen der Verträge stehen, am zahlreichsten und am stärksten ausgeprägt sind (z. B. technische Fahrzeugvorschriften; Sozialvorschriften). Daneben gibt es aber auch zahlreiche nach Art 91 Abs. 1 lit. c erlassene Maßnahmen, die nur indirekt mit den Zielen der Verträge in Verbindung stehen, wie das Verhalten der

204 URL: [31.03.2015] 205 RL 91/671/EWG des Rates vom 16.12.1991 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der MS über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen, ABl. L 373 vom 31.12.1991, 26-28. 206 VO (EG) Nr. 661/2009 des EP und des Rates vom 13.07.2009 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern und von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit, ABl. L 200 vom 31.7.2009, 1-24, Berichtigung im ABl. L 337 vom 20.12.2011, 27. 207 RL 2004/54/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 über Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz, ABl. L 167 vom 30.4.2004, 39-91, Berichtigung im ABl. L 204 vom 4.8.2007, 30, zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 596/2009 vom 18. Juni 2009, ABl. L 188 vom 18.07.2009, 14-92; RL 2008/96/EG des EP und des Rates vom 19.11.2008 über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur, ABl. L 319 vom 29.11.2008, 59–67. 208 RL 2003/59/EG des EP und des Rates vom 15.07.2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und zur Änderung der VO (EWG) Nr. 3820/85 des Rates und der RL 91/439/EWG des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 76/914/EWG des Rates, ABl. L 226 vom 10.9.2003, 4-17. 209 RL 94/55/EG des Rates vom 21.11.1994 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für den Gefahrguttransport auf der Straße, ABl. L 319 vom 12.12.1994, 7-13; ändernde Rechtsakte: RL 2000/61/EG des EP und des Rates vom 10.10.2000, ABl. L 279 vom 1.11.2000, 40-43; RL 2003/28/EG der Kommission vom 7.04.2003, ABl. L 90 vom 8.4.2003, 45-46; RL 2006/89/EG der Kommission vom 3. 11.2006, ABl. L 305 vom 4.11.2006, 4-5. 210 RL 96/49/EG des Rates vom 23.07.1996 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter, ABl. L 235 vom 17.9.1996, 25-30; ändernde Rechtsakte: RL 2000/62/EG des EP und des Rates vom 10.10.2000, ABl. L 279 vom 1.11.2000, 44-45; RL 2001/6/EG der Kommission vom 29.01.2001, ABl. L 30 vom 1.2.2001, 42-42; RL 2002/885/EG Entscheidung der Kommission vom 7.11.2002, ABl. L 308 vom 9.11.2002, 44-44; RL 2003/29/EG der Kommission vom 7.04.2003, ABl. L 90 vom 8.4.2003, 47-47; RL 2004/89/EG der Kommission vom 13.09.2004, ABl. L 293 vom 16.9.2004, 14-14; RL 2004/110/EG der Kommission vom 9.12.2004, ABl. L 365 vom 10.12.2004, 24-24; RL 2006/90/EG der Kommission vom 3.11.2006, ABl. L 305 vom 4.11.2006, 6-7. 211 RL 2006/126/EG des EP und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein (Neufassung), ABl. L 403 vom 30.12.2006, 18-60. 181

Verkehrsteilnehmer. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 31f Epiney/Gruber 2001, 49f; Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 73; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 15) Dabei ist aber festzuhalten, dass diesen Maßnahmen die Union nur eine subsidiäre Kompetenz besitzt. Wie weit hier aber die Union Zurückhaltung üben muss, bleibt eine offene Frage (z. B. bei Geschwindigkeitslimits, Alkohollimits oder Lkw-Sonntagsfahrverboten). (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 72; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 14) Laut Jung lassen sich folgende gemeinschaftliche Regelungsschwerpunkte im Bereich Verkehrssicherheit feststellen:  Sicherheit der Fahrzeuge und Verkehrsmittel;  Sicherheitstechnischer Bau und Ausrüstung der Fahrwege und Straßen;  Ausbildung der Fahrzeugführer und Erziehung der Verkehrsteilnehmer  Regelung des Fahrverhaltens;  Gefahrengutbeförderung;  Forschung und Entwicklung. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 32)

3.3.4 „Sonstige Vorschriften“ (Art. 91. Abs. 1 lit. d AEUV)

Die weit ausgelegte General- und Auffangklausel des Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV wurde daher „in der Praxis […] meist zur Regelung von Problemen herangezogen, die eine getrennte Behandlung im Rahmen spezifischer Verkehrsarten nicht zulassen.“ (Jung 2011, Art. 91 Rn. 34) Einige Vorschriften dienten dazu, Maßnahmen zur Verkehrssicherheit nach Art 91 lit. a bis c AEUV vorzubereiten oder zu ergänzen. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 30; Stadler 2012, Art. 91 Rn. 14) „Lit. d belegt die geringe Konturenschärfe des Verkehrstitels und die sekundärrechtliche ‚Ausfüllungsbedürftigkeit’ der gemeinsamen Verkehrspolitik.“ (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 76) Bisher wurden folgende Vorschriften auf diese General- und Auffangklausel gestützt:  Einrichtung von allgemeinen Konsultations- und Koordinierungsverfahren;  Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen;  Neustrukturierung und Privatisierung der Eisenbahnen;  Zugang zum Beruf des Verkehrsunternehmers;  Verkehrsbezogene Umwelt- und Sozialvorschriften. (Jung 2011, Art. 91 Rn. 34)

3.4 EXKURS: TRANSEUROPÄISCHES VERKEHRSNETZ (TEN-V)

Der Titel XVI über die TEN dient, wie bereits erwähnt, hauptsächlich für die Wahrnehmung der infrastrukturellen Komponente der gemeinsamen Verkehrspolitik. Historisch betrachtet waren die Erfolge der gemeinsamen EG-Verkehrsinfrastrukturpolitik bis zum Beginn der 1990er Jahre sehr bescheiden, da in den Art. 90ff. AEUV nur vage normative Vorgaben zu diesem Bereich enthalten sind. Erste Anstrengungen für den Ausbau eines Verkehrswegesystems von gemeinschaftlichem Interesse erfolgten bereits 1961 im „Schaus- Memorandum“ (KOM(61), 50 endg.), obwohl im EWGV jegliche Kompetenzgrundlage 182

dafür fehlte. (Köberlein 1997a, 282; Frerich/Müller 2004a, 410-416) „Ein erster Erfolg der EG-Infrastrukturpolitik kann in der Einigung der Mitgliedstaaten über die Installierung eines unverbindlichen Konsultationsverfahrens212 im Jahre 1966 gesehen werden, mit welchem eine gemeinschaftsweite ex-ante Koordination beim Bau neuer Verkehrswege [….] herbeigeführt werden sollte.“ (Köberlein 1997a, 282) Mangelnde Koordination und nationale Gesichtspunkte waren aber weiterhin beim Bau der Infrastruktur vorherrschend, so dass 1978 ein überarbeitetes Konsultationsverfahren213 mit einem so genannten Infrastrukturausschuss zur (Mindest-)Koordinierung der Planung und Durchführung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben eingeführt wurde. In den 1970er Jahren folgten weitere Memoranden seitens der Kommission (z. B. Infrastrukturmemorandum 1979), die sich mit dem Ausbau und der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur befassten. Auch in den 1980er Jahren machte die Kommission weitere Vorschläge, wie z. B der Entwurf über ein mittelfristiges Infrastrukturprogramm von 1986 (KOM(86) 340 endg.) (Köberlein 1997a, 282; Frerich/Müller 2004a, 416-419, 421f, 467f). Der geringe Erfolg der gemeinsamen Verkehrsinfrastrukturpolitik fußte einerseits aus dem Fehlen eines gemeinsamen Investitionskriteriums und andererseits aus den unzureichenden finanziellen Fördermöglichkeiten der damaligen Gemeinschaft. (Köberlein 1997a, 282) Anfang der 1990er Jahre verlegte die Gemeinschaft ihre Tätigkeit von der Koordination hin auf die Planung und Finanzierung von mitgliedstaatlichen Infrastrukturvorhaben. Zunächst wurden beschränkte gemeinschaftliche Finanzhilfen vergeben (ein bzw. zwei Haushaltsjahre), aber mit der VO 3359/90214 wurde vor dem Hintergrund der Binnenmarktvollendung erstmals ein mehrjähriges Aktionsprogramm etabliert. Mit der VO 1738/93215 erfolgte dann schließlich ein gemeinschaftlicher Beitrag zum Aus- und Aufbau europäischer Verkehrsinfrastrukturen, wobei diese Verordnung zeitlich bis Ende 1994 begrenzt war, um nicht mit den transeuropäischen Netzen zu konkurrieren. In der Verordnung wurden aber bereits dieselben Vergabekriterien festgelegt (z. B. gemeinschaftliches Interesse, Zuschussfähigkeit etc.), die noch den heutigen Titel XVI prägen. (Epiney/Gruber 2001, 343f; Frerich/Müller 2004a, 469-473; Epiney/Gruber 1997, 140f; Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 Rn. 3)

212 E 66/161/EWG des Rates vom 28.02.1966 über die Einführung eines Beratungsverfahrens auf dem Gebiet der Infrastruktur-Investitionen für den Verkehr, ABl. 42 vom 8.3.1966, 583. 213 E 78/174/EWG des Rates vom 20.02.1978 zur Einführung eines Beratungsverfahrens und zur Schaffung eines Ausschusses auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur, ABl. L 54 vom 25.2.1978, 16-17. 214 VO (EWG) Nr. 3359/90 des Rates vom 20.11.1990 zur Durchführung eines Aktionsprogramms auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur im Hinblick auf die Vollendung des integrierten Verkehrsmarktes bis 1992, ABl. L 326 vom 14.11.1990, 1-5. 215 VO (EWG) Nr. 1738/93 des Rates vom 25.06.1993 zur Durchführung eines Aktionsprogramms auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur im Hinblick auf die Vollendung des integrierten Verkehrsmarktes, ABl. L 161 vom 2.07.1993, 4-8. 183

Tabelle 17 Development in infrastructure policy Date Description 1957 Treaty of Rome makes no provision for transport infrastructure 1985-93 abolishes frontier controls in much of EU 1986 Single European Act establishes European Regional Development Fund Treaty on European Union establishes Trans-European Transport Network, and 1992 Cohesion Fund White Paper on Growth, Competitiveness and Employment stresses importance 1993 of TENs Programme development: 1966  Council adopts first consultation procedure  Dec 174/78 defines projects of Community interest, and establishes 1978 Committee on Transport Infrastructure 1990  Council adopts high-speed rail network 1993  Dec 629/93 adopts trans-European road network 1994  Essen Council adopts 14 priority projects 1996  Dec 1692/96 establishes guidelines for project implementation 2001  Dec 1346/2001 adds seaports, inland ports and intermodal terminals  Dec 884/2004 adds 30 priority projects (replaced by Dec 661/2010, 2004/2010 replaced by Reg 1315/2013) Financial provision: 1983  First projects on ad hoc basis  Reg 2236/95 establishes TENs funding (amended by Regs 1655/99, Since 1995 788/2004, 807/2004, and 1159/2005, replaced by Reg 680/2007, 67/2010, 1315/2013, and 1316/2013) (Quelle: Stevens 2004, 174; eigene Ergänzungen) Durch den Vertrag von Maastricht und den neu eingefügten Titel über die TEN verpflichtete sich die Gemeinschaft zum Auf- und Ausbau von transeuropäischen Netzen im Verkehrs-, Telekommunikations- und Energiebereich. Daneben wurden die gemeinschaftlichen Finanzierungsmöglichkeiten festgelegt. Die Kommission lieferte schließlich mit dem Verkehrsweißbuch von 1992 (KOM(92) 494 endg.) und dem „Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ von 1993 (KOM(93) 700 endg.) die Initialzündung für den Aufbau der TEN. Im selben Zeitraum wurden bereits Leitschemata für die verschiedenen Verkehrsträger beschlossen, wie z. B. für ein transeuropäisches Straßennetz und für ein transeuropäisches Netz des kombinierten Verkehrs.216 (Frerich/Müller 2004a, 480-483; Köberlein 1997a, 283) Im Wachstumsweißbuch hatte die Kommission für den Verkehrsbereich angesichts von absehbaren Finanzierungsschwierigkeiten die Realisierung von 26 konkreten Vorhaben vorgeschlagen. Der Verkehrsministerrat beschloss daraufhin im Dezember 1993 die Einsetzung der „Christophersen-Gruppe“ (Leitung Verkehrskommissar Henning Christophersen). Diese

216 E 93/629/EWG des Rates vom 29.10.1993 zur Schaffung eines transeuropäischen Straßennetzes, ABl. L 305 vom 10.12.1993, 11-38; E 93/628/EWG des Rates vom 29.10.1993 zur Schaffung eines transeuropäischen Netzes für den kombinierten Verkehr, ABl. L 305 vom 10.12.1993, 1-10. 184

Arbeitsgruppe schlug dann eine Liste mit 34 vorrangigen Verkehrsprojekten vor, wovon auf der Sitzung des Europäischen Rates in Essen am 9./10. Dezember 1994 schlussendlich 14 Verkehrsprojekte (v. a. Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecken) mit einem geschätzten Investitionsvolumen von ca. 90 Mrd. ECU (später Erhöhung auf 110 Mrd. ECU) genehmigt wurden. „Dabei fällt auf, dass in den Kernländern der EU die Bahninvestitionen mehr Gewicht hatten, in den peripheren Staaten die Straßeninvestitionen.“ (Berger et al. 2009, 83) Zudem wurden das Parlament und der Rat aufgefordert, möglichst bald Leitlinien für den Verkehrssektor zu erlassen, was dann 1996 geschah. (Frerich/Müller 2004a, 483f; Köberlein 1997a, 283; Bergmeister 2011, 95f; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 16) Die sekundärrechtliche Ausgestaltung der gemeinsamen Infrastrukturpolitik soll anhand der Vorgaben des Art. 171 Abs. 1 AEUV (Leitlinien, Aktionen und finanzielle Unterstützungen, vgl. Punkt 3.1.3) dargestellt werden: Leitlinien: In der E 1692/96/EG217 haben das Parlament und der Rat die infrastrukturellen Ziele, Prioritäten und Grundzüge der Union verkehrsträgerübergreifend in Form von Leitlinien festgelegt. Die Ziele der gemeinschaftlichen TEN-Politik wurden in den Erwägungsgründen der Entscheidung erneut betont (Art. 170 AEUV). Abschnitt 1 befasst sich mit den allgemeinen Grundsätzen und die Abschnitte 2 bis 10 beschreiben die Netze der einzelnen Verkehrsträger. Abschnitt 11 schließt mit den gemeinsamen Bestimmungen. In Art. 2 wird die Verwirklichung eines intermodalen transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) durch die Integration von bestimmten mitgliedstaatlicher Straßen-, Binnenwasserstraßen- und Eisenbahnverbindungen, See- und Binnenhäfen, Flughäfen und anderen Knotenpunkten bis 2010 als Ziel definiert. Nach Art. 3 Abs. 1 (Netzumfang) umfasst das TEN-V neben der Verkehrsinfrastruktur (Straßen-, Eisenbahn- und Binnenwasserstraßennetzen sowie See- und Binnenhäfen, Flughäfen und anderen Knotenpunkten) auch die Intelligenten Verkehrssysteme (IVS). Beim transeuropäischen Straßenverkehrsnetz (Art. 9 Abs. 1) besteht allerdings die Einschränkung auf Autobahnen oder andere hochwertige Straßen, die Fernverkehrs-, Umfahrungs- oder Verknüpfungsfunktionen erfüllen. Der Art. 4 enthält die Beschreibung der Grundzüge der Aktion (Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 1 AEUV) und in Art. 5 folgt die konkrete Festlegung der Prioritäten. Schließlich legt Art. 7, der zentrale Punkt der Regelung, die „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ fest. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 25; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 14f; Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 Rn. 6; Müller 2004a, 486;

217 E 1692/96/EG des EP und des Rates vom 23.07.1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 228 vom 9.09.1996, 1-104 idF der Berichtigung ABl. L 15 vom 17.01.1997, 1. 185

Epiney/Gruber 2001, 347f) Für die Verwirklichung der Vorhaben von gemeinsamem Interesse sind in der Entscheidung die kartographischen Netzschemata (Anhang I) sowie die Kriterien und Spezifikationen des Verkehrsträgers (Anhang II) festgelegt. Schließlich enthält der Anhang III die Liste der vom Europäischen Rat in Essen ausgewählten 14 Vorhaben. Erwähnenswert ist auch noch der Art. 8, der ausdrücklich auf den Umweltschutz und zur Beachtung der relevanten gemeinschaftlichen Rechtsakte hinweist (z. B. UVP- RL218, Fauna-Flora-Habitat-RL219, Vogelschutz-RL220). Für die Gewährleistung der Umsetzung der TEN-Leitlinien (Prioritäten und Ziele) soll eine regelmäßige Berichterstattung durch die Kommission stattfinden221, worauf 1998 ein erster Bericht über den Fortschritt und die Realisierung der 14 Essener Vorhaben (KOM(98) 356 endg.) sowie über die Umsetzung der Leitlinien (KOM(98) 614 endg.) vorgelegt wurde. (Frerich/Müller 2004a, 487; Epiney/Gruber 2001, 350f; Calliess 2011, Art. 171, Rn. 26; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 15) Daraufhin wurden mit der E 1346/2001/EG222 die Leitlinien geändert und ergänzt (Erweiterung in Anhang I und Unterteilung der Seehäfen in drei Kategorien). Im Weißbuch über die europäische Verkehrspolitik von 2001 wurden Verzögerungen bei der Realisierung und Kapazitätsprobleme auf vielen Verkehrsachsen festgestellt. Diese Probleme, die zukünftige Verkehrsentwicklung sowie die bevorstehende Erweiterung wurden als Anlass dafür gesehen, Maßnahmen zur Behebung der Engpässe zu ergreifen und eine Aktualisierung der Liste der vorrangigen Projekte vorzunehmen (Überprüfungsbericht). (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 26; Frerich/Müller 2004a, 488-491) Für die Erarbeitung von Vorschlägen zur Novellierung der Leitlinien wurde Ende 2002 eine hochrangige Gruppe von Vertretern der alten und neuen Mitgliedstaaten (damals noch Beitrittswerber), so genannte „Van-Miert-Gruppe“, von der Kommission eingesetzt. Diese Expertengruppe unter dem Vorsitz des ehemaligen Verkehrskommissars Karel Van Miert stellte in ihrem Endbericht im Juni 2003 (KOM (2003) 564 endg.) erhebliche Verzögerungen bei der Umsetzung der 14 Essener Vorhaben fest.

218 RL 97/11/EG des Rates vom 3.03.1997 zur Änderung der RL 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 73 vom 14.3.1997, 5-15. 219 RL 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.7.1992, 7-50. 220 RL 79/409/EWG des Rates vom 2.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 103 vom 25.4.1979, S. 1-18 idF RL 2009/147/EG des EP und des Rates vom 30.11.2009, ABl. L 20 vom 26.1.2010, 7-25. 221 Die Kommission muss alle zwei Jahre einen Bericht über die Durchführung der Leitlinien und alle fünf Jahre einen Überprüfungsbericht im Hinblick auf die Anpassung der Leitlinien an die wirtschaftliche und technologische Entwicklung vorlegen. (Frerich/Müller 2004a, 487) 222 E 1346/2001/EG des EP und des Rates vom 22.05.2001 zur Änderung der E 1692/96/EG hinsichtlich Seehäfen, Binnenhäfen und intermodaler Terminals sowie des Vorhabens Nummer 8 in Anhang III, ABl. L 185 vom 6.07.2001, 1-36 idF der Berichtigung ABl. L 288 vom 1.11. 2001, 53. 186

Tabelle 18: Projekte (Vorrangige Vorhaben, mit denen vor 2010 begonnen werden soll) Nr. Vorrangige Achse 1 Eisenbahnachse Berlin-Verona (inkl. BBT)/Mailand-Bologna-Neapel-Messina-Palermo Hochgeschwindigkeitszug Paris-Brüssel/Brüssel-Köln-Amsterdam-London (2007 fertig 2 gestellt) 3 Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Südwesteuropa 4 Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Ost (einschließlich Paris-Straßburg/Luxemburg) kombinierter Verkehr/konventionelle Bahnstrecke (Betuwe-Strecke) (2007 fertig 5 gestellt) Eisenbahnverbindung Lyon-Triest-Divaca/Koper-Ljubljana-Budapest-ukrainische 6 Grenze 7 Autobahnachse Igoumenitsa/Patra-Athen-Sofia-Budapest 8 multimodale Verbindung Portugal/Spanien mit dem übrigen Europa 9 Eisenbahnverbindung Cork-Dublin-Belfast-Stranraer (2001 fertig gestellt) 10 Flughafen Malpensa in Mailand (2001fertig gestellt) 11 feste Öresund-Querung (2000 fertig gestellt) 12 Schienen-/Straßenverbindung nordisches Dreieck 13 Straßenverbindung Irland/Vereinigtes Königreich/Benelux 14 Eisenbahnhauptstrecke Westküste (West Coast Main Line) (2008 fertig gestellt) 15 globales Satellitennavigations- und -ortungssystem GALILEO Eisenbahnverbindung für den Güterverkehr Sines/Algeciras-Madrid-Paris durch die 16 Pyrenäen 17 Eisenbahnachse Paris-Stuttgart-Wien-Bratislava 18 Binnenwasserstraße Rhein/Maas-Main-Donau 19 Interoperabilität des Eisenbahnnetzes auf der Iberischen Halbinsel 20 Eisenbahnverbindung zwischen Deutschland und Dänemark (Fehmarnbelt) 21 Meeresautobahnen 22 Eisenbahnverbindung Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-Nürnberg/Dresden 23 Eisenbahnverbindung Danzig-Warschau-Brno/Bratislava-Wien 24 Eisenbahnverbindung Lyon/Genf-Basel-Duisburg-Rotterdam/Antwerpen 25 Straßenverbindung Danzig-Brno/Bratislava-Wien 26 Eisenbahn-/Straßenverbindung Irland/Vereinigtes Königreich-europäisches Festland 27 Eisenbahnverbindung „Rail Baltica“: Warschau-Kaunas-Riga-Tallinn-Helsinki 28 „Eurocaprail“ auf der Strecke Brüssel-Luxemburg-Straßburg 29 Eisenbahnverbindung des intermodalen Korridors Ionisches Meer/Adria 30 Binnenwasserstraße Seine-Schelde (Quelle: EK 2005, 13; EK 2014; TEN-T EA 2014223; Bergmeister 2011, 102-104) Dies führte wiederum zur Änderung der Leitlinien durch die E 884/2004/EG224, die den Zeitpunkt der Fertigstellung der TEN-V auf 2020 verschob. In dieser Entscheidung wurde ein größeres Gewicht auf den Eisenbahnsektor gelegt und die Verkehrsinfrastruktur der TEN-V zudem auf so genannte „Meeresautobahnen“ erweitert. Daneben wurde auch der Umweltschutz stärker einbezogen. Durch die Erweiterung war auch eine Überarbeitung der

223 URL: ; [31.03.2015] 224 E 884/2004/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der E 1692/96/EG über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 167 vom 30.04.2001, 1-38 idF der Berichtigung ABl. L 201 vom 7.06.2004, 1-55. 187

Essener Vorhaben nötig geworden und eine neue Liste mit 30 Vorhaben (siehe Tab. 18) wurde erstellt, die bis spätestens 2010 in Angriff genommen werden sollen. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 26, 43; Schäffer 2011, 369; Neumann 2010, Art. 171 Rn. 9f) „Dabei hat sich der Anteil der Bahn stark erhöht; ihre Projekte greifen weit in die Peripherie hinaus, bis Bukarest und Athen, Tallin und Helsinki.“ (Berger et al. 2009, 83) Neu war zudem auch die Ernennung von europäischen Koordinatoren für die Durchführung der Vorhaben (z. B. Karel Van Miert 2005 bis 2009 für das Vorhaben Nr. 1: „Brennerachse“; seit 2010 Pat Cox). (Neumann 2010, Art. 171 Rn. 10) Weiters begann 2004 eine Gruppe unter der Leitung der ehemaligen Verkehrskommissarin Loyola de Palacio mit der Erarbeitung von Vorschlägen für Verbindungsachsen der TEN-V mit den nationalen Verkehrsnetzen der Nicht-EU- Mitgliedstaaten des Balkans, Osteuropas, des Mittel- und Schwarzmeerraums. Der Abschlussbericht „Networks for Peace and Development“225 wurde Ende 2005 veröffentlicht. Schließlich verabschiedete die Kommission am 31. Jänner 2007 dazu die Mitteilung „Ausdehnung der der wichtigsten transeuropäischen Verkehrsachsen auf die Nachbarländer – Leitlinien für den Verkehr in Europa und den Nachbarregionen“ (vgl. KOM(2007) 32 endg.; Neumann 2010, Art. 171, Rn. 54; Bergmeister 2011, 99-102; EK 2005, 6f) Das Jahr 2010 war gekennzeichnet durch eine neuerliche Änderung der bisherigen Leitlinien. Mit dem Beschluss 661/2010/EU226 wurde die bereits mehrfach geänderte E 1692/96/EG aus Gründen der Klarheit neu gefasst, wobei sich aber an der Substanz nichts änderte. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 25; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 14; Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 Rn. 4; Heuck 2013, 315f) Schließlich legte die Kommission am 19. Dezember 2011 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Leitlinien vor (KOM (2011) 650 endg.227). Nach zähen Verhandlungen einigten sich Kommission, Rat und Parlament im Trilog am 29. Mai 2013 darauf den bisherigen Flickenteppich zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsnetz (TEN-V) umzugestalten. Die VO 1315/2013228 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes legt schließlich die aktuelle Politik fest. Bis 2030 soll

225 Vgl. EK (2005). „Networks for Peace and Development – Extension of the major trans-European transport axes to the neighbouring countries and regions“. Report from the High Level Group chaired by Loyola de Palacio November 2005. URL: [31.03.2015] 226 Beschluss 661/2010/EU des EP und des Rates vom 7.07.2010 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 204 vom 5.8.2010, 1-129. 227 Vorschlag für eine VO des EP und des Rates über Leitlinien der Union für den Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes, KOM (2011) 650 endg. 228 VO (EU) Nr. 1315/2013 des EP und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU, ABl. L 348vom 20.12.2013, 1–128. 188

dafür ein Kernnetz geschaffen werden, wofür auch genaue Fristen für einzelne Projekte enthalten sind. Dieses multimodale Kernnetz mit 15.000 km Länge umfasst insgesamt neun Korridore (zwei Nord-Süd Korridore, drei Ost-West Korridore und vier diagonale Korridore): Baltic-Adriatic, North Sea-Baltic, Mediterranean, Orient/East Med, Scandinavian-Mediterranean, Rhine-Alpine, Atlantic, North Sea-Mediterranean und Rhine- Danube. (EK 2015229) Abbildung 17: Die Korridore des TEN-V-Kernnetzes (Stand 2014)

(Quelle: EK 2015230)

Durch das TEN-V soll der freie Personen- und Warenverkehr innerhalb der EU gewährleistet werden. Laut Kommission ist das Hauptziel der Aufbau eines multimodalen Netzes und für jede Etappe einer Strecke soll das geeignete Verkehrsmittel zur Wahl stehen. Es umfasst alle Verkehrsträger und wickelt ca. die Hälfte des gesamten Personen- und Güterverkehrs ab. Bis 2020 soll das TEN-V ein Straßennetz von 89.500 km und ein Schienennetz von 94.000 km (davon ca. 20.000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken)

229 URL: ; ; [31.03.2015] 230 URL: [31.03.2015] 189

umfassen. Das Netz der Binnenwasserstraßen soll 11.250 km umfassen. Um diese „Verbindungslücken“ zu beheben ist das heutige Straßennetz um 4.000 km und das Schienennetz um 12.500 km zu erweitern. Daneben sind noch zusätzlich 3.500 km Straße und 12.300 km Schiene auszubauen. Mit der Vollendung der TEN-V bis spätestens 31. Dezember 2050 sollen die Reise- und Beförderungszeiten für Personen und Güter erheblich verkürzt werden. Daneben soll auch das Verkehrswachstum der nächsten Jahre zum Teil aufgefangen werden. (EK 2005, 6f; KOM(2011) 676 endg.231) Aktionen: Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 2 AEUV gibt der Union die Befugnis notwendige Aktionen durchzuführen, um die Interoperabilität der Netze zu gewährleisten und damit ein Zusammenwachsen der verschiedenen mitgliedstaatlichen Verkehrsinfrastrukturnetze zu dem in den Leitlinien skizzierten unionsweiten Verbundsystem sicherzustellen. Hier besitzt die Union allerdings einen weiten Handlungsspielraum. Die Union kann die technischen Normen der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur harmonisieren, wobei dieser Artikel aber keine Grundlage für ein Netzzugangsrecht bildet. Im Straßenverkehr sind die RL 2004/52/EG232 zur Interoperabilität der Mautsysteme und die RL 2010/40/EU233 über die Einführung intelligenter Verkehrssysteme erwähnenswert. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei die Eisenbahn. Für diesen Bereich sind aus dem Sekundärrecht die RL 96/48/EG234 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems und die RL 2001/16/EG235 über die Interoperabilität den konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems hervorzuheben. Mit der RL 2004/50/EG236 wurde der Anwendungsbereich auf das gesamte europäische Schienennetz ausgeweitet. Die Richtlinien streben eine Harmonisierung der unterschiedlichen technischen Normen (z. B. Spurbreiten, Stromsysteme, Signalanlagen etc.) der nationalen

231 Mitteilung der Kommission an das EP, den Rat, den EuGH, den Europäischen Rechnungshof, die Europäische Investitionsbank, den WSA und den AdR: Ein Wachstumspaket für integrierte Infrastrukturen in Europa, KOM (2011) 676 endg. 232 RL 2004/52/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 über die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme in der Gemeinschaft, ABl. L 166 vom 30.4.2004, 124-143, Berichtigung ABl. L 204 vom 4.8.2007, 30. 233 RL 2010/40/EU des EP und des Rates vom 7.07.2010 zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern, ABl. L 207 vom 6.8.2010, 1-13. 234 RL 96/48/EG des Rates vom 23.07.1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems, ABl. L 235 vom 17.09.1996, 6-24; ändernder Rechtsakt: RL 2007/32/EG der Kommission vom 1.06.2007, ABl. L 141 vom 2.6.2007, 63-66. 235 RL 2001/16/EG des EP und des Rates vom 19.03.2001 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems, ABl. L 110 vom 20.04.2001, 1-27; ändernder Rechtsakt: RL 2007/32/EG der Kommission vom 1.06.2007, ABl. L 141 vom 2.6.2007, 63-66. 236 RL 2004/50/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 96/48/EG des Rates über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems und der RL 2001/16/EG des EP und des Rates über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems. 190

Eisenbahnsysteme an. Durch die RL 2008/57/EG237 wurden die bisherigen drei RL 96/48/EG, 2001/16/EG und 2004/50/EG aus Gründen der Klarheit zu einer Einzigen zusammengefasst. (Epiney/Gruber 2001, 351-355; Frerich/Müller 2004a, 495-499; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 32f; Calliess 2011, Art. 171 Rn. 27; Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 Rn. 7; Neumann 2010, Art. 171 Rn. 25f; vgl. Heuck 2013, 333-339) Finanzielle Unterstützungen: Schließlich schließt der Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 3 AEUV finanzielle Unterstützungsmaßnahmen seitens der Union ein. Vor allem die Großprojekte im Verkehrsbereich bedürfen für ihre Realisierung hoher Finanzmittel. Die Gewährung von Unionszuschüssen für alle drei TEN-Bereiche regelt die VO 2236/95238 (Zeitraum 1995 bis 2000. Nach Art. 2 Abs. 1 sind nur jene Vorhaben von gemeinsamem Interesse förderwürdig, die in den Leitlinien im Sinne von Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 1 AEUV ausgewiesen sind. (Sollberger 2003, 171; Epiney/Gruber 2001, 356; Calliess 2011, Art. 171 Rn. 23; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 36f; Neumann 2010, Art. 171 Rn. 33) „Die Leitlinien haben daher einen höheren Rang als die diejenigen Rechtsakte, die die Gewährung von Unionszuschüssen konkretisieren.“ (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 16) Dieser Unionszuschuss umfasst folgende Möglichkeiten:  Kofinanzierung von Studien (Beteiligung normalerweise bis zu 50% der Kosten)  Zinszuschüsse zu Darlehen/maximale Laufzeit von fünf Jahren);  Beitrag zu den Prämien für Anleihebürgschaften;  Subventionen (Direktbeihilfen) für Investitionen;  Kombination der genannten Finanzierungsformen. (Frerich/Müller 2004a, 575) Die Gewährung des Unionszuschusses erfolgt allerdings nur bei finanziellen Schwierigkeiten bei der Projektrealisierung und der Zuschuss darf 10% der gesamten Investitionskosten nicht überstiegen. Vorrangig werden solche Projekte gefördert, die den Zielen des Art. 170 AEUV und den jeweiligen Leitlinien entsprechen, die potentiell wirtschaftlich lebensfähig sind (aber bei der Antragsstellung finanziell unrentabel sind) und durch den EU-Zuschuss für öffentliche und private Investoren besonders attraktiv werden. (EK 2005, 8; Schäfer 2011, Art. 171 Rn. 43; Frerich/Müller 2004a, 575) Die wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten verfügen zudem mit dem Kohäsionsfonds (Art. 171 Abs. 1 Gedankenstrich 3 iVm Art. 177 AEUV und der VO 1164/94239), im Vergleich zur VO 2236/95, über eine weitere interessantere gemeinschaftliche Finanzierungsmöglichkeit. Aus

237 RL 2008/57/EG des EP und des Rates vom 17.06.2008 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft, ABl. L 191 vom 18.7.2008, 1-45. 238 VO (EG) Nr. 2236/95 des Rates vom 18.09.1995 über die Grundlagen für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze, ABl. L 228 vom 23.09.1995, 1-7; geändert durch VO (EG) Nr. 1655/99, ABl. L 197 vom 29.07.1999, 1-7 und VO (EG) Nr. 807/2004, ABl. L 143 vom 30.04.2004, 46-48. 239 VO (EG) Nr. 1164/94 des Rates vom 16.05.1994 zur Errichtung eines Kohäsionsfonds, ABL. L 130 vom 25.05.1994 , 1-13, ändernde Rechtsakte: VO (EG) Nr. 1084/2006, ABl. L 210 vom 31.7.2006, 79-81. 191

diesen Mitteln können Verkehrsprojekte bis zu 85% der gesamten Investitionssumme gefördert werden. Auch hier ist die Mittelverwendung ausschließlich auf Vorhaben der TEN-V beschränkt, die in den Leitlinien ausgewiesen sind. (Sollberger 2003, 173; Epiney/Gruber 2001, 357f; Heuck 2013, 499f) Weiters stehen noch andere Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Bedeutung haben für die TEN-V die Zuschüsse aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE), Anleihen von der EIB sowie Garantiemöglichkeiten des EIF (Europäischer Investitionsfonds). (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 20; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 41; Frerich/Müller 2004a, 588-596; Heuck 2013, 500-503) Durch die VO 1655/1999240 (Zeitraum 2000 bis 2006) erfolgte eine Änderung dahingehend, dass die vorgesehenen Mittel für die Verkehrsinfrastrukturvorhaben mit 55% auf Schienenvorhaben (inklusive des kombinierten Verkehrs) und mit höchstens 25% auf Straßenvorhaben entfallen sollen. Für satellitengestützte Ortungs- und Navigationssysteme darf der Unionszuschuss ab 2003 Ausnahmsweise 20% der gesamten Investitionssumme betragen. (Frerich/Müller 200a, 578) Eine weitere Änderung brachte die VO 807/2004241. Die TEN- Höchstzuschussgrenze beträgt unabhängig von der gewählten Form grundsätzlich maximal 10% der Gesamtkosten eines Vorhabens. Diese Obergrenze von 10% kann nun auf bis zu 20% erhöht werden, wenn einige Vorgaben erfüllt werden wie z. B. das grenzüberschreitende Abschnitte von vorrangigen Vorhaben (Anhang III) vorliegen, die der Beseitigung von Engpässen dienen und/oder die Fertigstellung fehlender Abschnitte bezwecken (grenzüberschreitend oder Überquerung natürlicher Hindernisse) und zur Integration des Binnenmarktes in einer erweiterten Union beitragen, die Sicherheit erhöhen, die Interoperabilität der nationalen Netze gewährleisten und/oder erheblich zur Verringerung des Ungleichgewichts zwischen den Verkehrsträgern beitragen. Daneben ist für diese Gewährung auch ein Beginn der Durchführung vor 2010 verpflichtend. Die Höhe des Satzes wird zudem nach dem Nutzen definiert, den andere Länder aus dem Vorhaben beziehen. Alle anderen bisher genannten Vorgaben behalten nach wie vor ihre Gültigkeit. 2007 wurde die VO 807/2004 durch die VO 680/2007242 geändert und die allgemeinen Bestimmungen zur Bewilligung von Unionszuschüssen für den Zeitraum von 2007 bis 2013 festgelegt. In der VO wurden zudem

240 VO (EG) Nr. 1655/1999 des EP und des Rates vom 19.07.1999 zur Änderung der VO (EG) Nr. 2236/1995 über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze, ABl. L 197 vom 29.07.1999, 1-7. 241 VO(EG) Nr. 807/2004 des EP und des Rates vom 21.04.2004 zur Änderung der VO (EG) Nr. 2236/95 des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze, ABl. L 143 vom 30.04.2004, 46-48. 242 VO (EG) Nr. 680/2007 des EP und des Rates vom 20.06.2007 über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Verkehrs- und Energienetze, ABl. L 162 vom 22.6.2007, 1-10. 192

neue Elemente eingeführt, wie z. B. Jahres- und Mehrjahresprogramme, die Unionszuschüsse für Studien betragen nun 50% der Gesamtkosten, jährliche Veröffentlichung eines Kommissionsberichtes über ihre ausgeführten Tätigkeiten, sowie die Einbeziehung von Risikokapital in die Finanzzuschüsse der Union. Schließlich wurde mit der VO 67/2010243 der Rechtsrahmen für die Gewährung von Unionszuschüssen festgelegt. Dabei handelt es sich um eine Neukodifikation der VO 2236/95. (Calliess 2011, Art. 171 Rn. 23; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 38, 40; Neumann 2010, Art. 171 Rn. 34, Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 Rn. 4; Heuck 2013, 496-499) „Abgesehen von bereits begonnenen Projekten ist für die Sektoren Verkehr und Energie daher seit 2007 die VO 680/2007 vorrangig.“ (Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 38) 2005 wurden die Gesamtkosten für die Fertigstellung der 30 vorrangigen Vorhaben bis 2020 auf 252 Mrd. Euro geschätzt. 2007 lag der Wert bereits bei 280 Mrd. Euro und 2008 bei 397 Mrd. Euro. Insgesamt beträgt die Investitionssumme zur Fertigstellung des gesamten TEN- V von 1996 bis 2020 über 900 Mrd. Euro (Stand 2008). (EK 2008, 4, 62) Laut Kommission entspricht der Investitionsbedarf in die 30 vorrangigen Vorhaben etwa 0,16% des europäischen BIP. Nach Schätzungen soll der Ausbau dieser Achsen aber ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,23% des BIP bringen. (EK 2005, 8; KOM(2007) 135 endg., 4) Im Verkehrsweißbuch von 2011 veranschlagt die Kommission bis 2020 rund 550 Mrd. Euro für die Vollendung des TEN-V-Netzes, davon allein 215 Mrd. Euro für die Beseitigung der Hauptengpässe. Für den Zeitraum von 2010 bis 2030 sollen die Kosten für den bedarfsgerechten Ausbau der EU-Verkehrsinfrastruktur laut Kommissionsschätzungen gar über 1.500 Mrd. Euro betragen. (KOM(2011) 144 endg., 16) Die Europäische Union hatte in der Finanzperiode 2000 bis 2006 für die TEN-V ein Budget von 4,2 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Daneben flossen noch 16 Mrd. Euro aus dem Kohäsionsfonds in die TEN-V und auch aus dem EFRE wurden 34 Mrd. Euro in Verkehrsprojekte investiert, wovon ein Teil ebenfalls in die TEN-V floss. Zudem vergab die EIB Darlehen in der Höhe von 37,9 Mrd. Euro. Diese finanziellen Unterstützungen umfassten vornehmlich die Kofinanzierung von Machbarkeitsstudien und direkte Investitionssubventionen. Für die Finanzperiode 2007 bis 2013 wurden 8,013 Mrd. Euro für die TEN-V bereitgestellt (155 Mio. Euro für den Energiesektor und der Rest entfällt auf Verkehrsprojekte). Auch weiterhin bleiben der Kohäsionsfonds und der EFRE mit 43 Mrd. Euro wichtige Finanzierungsquellen sowie die EIB durch die Vergabe von Darlehen (65 Mrd. Euro).

243 VO (EG) Nr. 67/2010 des EP und des Rates vom 30.11.2009 über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze, ABl. L 27 vom 30.1.2010, 20-32, Berichtigung ABl. L 108 vom 29.4.2010, 355. 193

(KOM(2007) 135 endg., 5; KOM(2010) 212 endg.,10; Schäfer 2012, Art. 171 Rn. 40; Neumann 2010, Art. 171 Rn. 39; Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 Rn. 4) Für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 schlug die Kommission die Schaffung eines neuen integrierten Instruments für Investitionen in vorrangige Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr, Energie und Telekommunikation vor. Die Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) sollte für den Zeitraum 2014 bis 2020 ein Budget von 50 Mrd. Euro umfassen. Davon sind 21,7 Mrd. Euro für den Verkehr und 10 Mrd. Euro für Verkehrsinvestitionen im Kohäsionsfonds vorgesehen. (KOM(2011) 676 endg.) Nach zähen Verhandlungen einigten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs am 7./8. Februar 2013 auf den neuen mehrjährigen Finanzrahmen. Nach der Ablehnung durch das Europäische Parlament wurde monatelang verhandelt und schließlich stimmte das Parlament am 3. Juli 2013 mehrheitlich einem Kompromiss zu. (DS 8.02.2013a/b; 3.07.2013; TT 8.02.2013) Trotz Sparbemühungen und britischen Forderungen nach einer Senkung des EU-Budgets wurde die von der Kommission vorgeschlagene Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) Großteils übernommen. Für die Durchführung der CEF sind zwischen 2014 und 2020 rund 33,3 Mrd. Euro vorgesehen, darin sind auch 11,3 Mrd. Euro aus dem Kohäsionsfonds enthalten. Für den Verkehrssektor sind 26,3 Mrd. Euro vorgesehen, wovon 11,3 Mrd. Euro aus dem Kohäsionsfonds übertragen werden. Diese Mittel werden in jenen Mitgliedstaaten ausgegeben, die vom Kohäsionsfonds gefördert werden. Um alle vorrangigen Vorhaben bis 2030 umzusetzen müssten insgesamt 250 Mrd. Euro investiert werden. Mit der VO 1316/2013244 wurde schließlich die Fazilität „Connecting Europe“ rechtlich fixiert. (Europäischer Rat, EK 2015245; TT 29.07.2013) Exekutivagentur für das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-T EA) bzw. Innovation an Networks Executive Agency (INEA): Durch den Beschluss 2007/60/EG246 der Kommission vom 26. Oktober 2006 wurde die Exekutivagentur für das transeuropäische

244 VO (EU) Nr. 1316/2013 des EP und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Schaffung des Fazilität „Connecting Europe“, zur Änderung der VO (EU) Nr. 913/2010 und zur Aufhebung der VO (EU) Nr. 680/2007 und (EU) Nr. 67/2010, ABl. L 348 vom 20.12.2013, 129-171. 245 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen (Mehrjähriger Finanzrahmen), EUCO 37/13 vom 8.02.2013, URL: ; ; ; ; [31.03.2015] 246 Beschluss 2007/60/EG der Kommission vom 26.10.2006 zur Einrichtung der Exekutivagentur für das transeuropäische Verkehrsnetz gemäß der VO (EG) Nr. 58/2003 des Rates, ABl. L 32 vom 6.2.2007, 88-90; ändernder Rechtsakt: Beschluss 2008/593/EG der Kommission vom 11.07.2008 zur Änderung des Beschlusses 2007/60/EG, ABl. L 190 vom 18.7.2008, 35-36. 194

Verkehrsnetz mit Sitz in Brüssel errichtet. Mit dem Beschluss 2008/593/EG247 wurden die Aufgaben und die Tätigkeitsdauer (bis 31.12.2015) der Exekutivagentur geändert. Die Agentur ist für die technische und finanzielle Durchführung und Verwaltung der TEN-V zuständig. Dabei arbeitet sie eng mit der zuständigen Generaldirektion Energie und Verkehr (GD MOVE) der Europäischen Kommission zusammen, die auch weiterhin für die allgemeine politische Gestaltung, die Programmplanung und Auswertung der TEN-V die Verantwortung behält. Mit dem Beschluss 2013/801/EU248 wurde schließlich die TEN-T EA in die INEA (Innovation an Networks Executive Agency) umgewandelt. Mit 1. Jänner 2014 nahm die INEA ihre Arbeit auf. Die Nachfolgeagentur hat ein erweitertes Mandat erhalten und verwaltet das neue Programm für die Fazilität „Connecting Europe“, Teile des Teils III ("Gesellschaftliche Herausforderungen") des Spezifischen Programms von „Horizont 2020“ sowie die verbleibenden Maßnahmen des Programms für das TEN-V und des Marco-Polo- Programms. (Neumann 2010, Art. 171 Rn. 11; Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 Rn. 5; EK 2015249) Mitteilung der Kommission zu den TEN (2007): Mit der Mitteilung der Kommission an das Parlament und an den Rat „Transeuropäische Netze: Entwicklung eines integrierten Konzepts“ (KOM(2007) 135 endg.) vom 21. März 2007 wurde der Bericht einer Lenkungsgruppe vorgelegt. Diese wurde 2005/06 mit der Prüfung eines integrierten TEN- Ansatzes und mit einer Bestandsaufnahme beauftragt. Bei der Umsetzung der 30 vorrangigen Projekte im TEN-V wurde das teilweise große Hinterherhinken am Zeitplans bemängelt, und dass allein für die Umsetzung der vorrangigen Projekte Kosten von 160 Mrd. Euro für die Jahre 2007 bis 2013 entstehen. (KOM(2007) 135 endg., 4) Die Lenkungsgruppe hatte sich zudem mit Synergien zwischen den TEN, mit Finanzierungselementen und der Aufteilung dieser innerhalb der Union befasst. Vor allem die Kombination von Schiene und Straße hat sich durch geringen Landschaftsverbrauch, geringe Kosten sowie Umweltauswirkungen bestens bewährt. Daneben scheinen Synergien zwischen den TEN-V und den eTEN (Telekommunikation) am zukunftsträchtigsten. Das integrierte TEN-Konzept bringt auch Vorteile für die Umwelt, da z. B. bei den 30 vorrangigen Vorhaben der TEN-V es sich überwiegend um umweltfreundliche Verkehrsträger handelt (v. a. Schienenverkehr). (KOM(2007) 135 endg., 8 f) Als

247 Beschluss 2008/593/EG der Kommission vom 11.07.2008 zur Änderung des Beschlusses 2007/60/EG im Hinblick auf eine Änderung der Aufgaben und der Tätigkeitsdauer der Exekutivagentur für das transeuropäische Verkehrsnetz, ABl. L 190 vom 18.7.2008, 35-36. 248 Beschluss 2013/801/EU: Durchführungsbeschluss der Kommission vom 23. Dezember 2013 zur Einrichtung der Exekutivagentur für Innovation und Netze und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/60/EG in der durch den Beschluss 2008/593/EG geänderten Fassung, ABl. L 352vom 24.12.2013, 65-67. 249 URL: [31.03.2015] 195

Empfehlungen gab die Lenkungsgruppe ab, die Arbeiten an den potentiellen Synergien fortzusetzen (Erstellung eines Handbuchs) sowie die TEN-Projekte planmäßig zu realisieren. Neue Technologien sind wirksame Instrumente zur Steigerung der Sicherheit, zur Infrastrukturentlastung und zur Abmilderung der ökologischen Auswirkungen des Verkehrs. Daher sollen Investitionen in intelligente Verkehrssysteme (ITS) von Anfang an in die Planung aller neuen Vorhaben der TEN-V einbezogen werden. Daneben wurden noch Empfehlungen zur rechtlichen Klarstellung und zur Nichtkumulierung von Gemeinschaftsmitteln vorgelegt. (vgl. EK 2015250) Grünbuch Integration des TEN-V in die gemeinsame Verkehrspolitik (2009): Mit dem Grünbuch „Ein besser integriertes transeuropäisches Verkehrsnetz im Dienst der gemeinsamen Verkehrspolitik“ (KOM(2009) 44 endg.) legte die Kommission am 4. Februar 2009 ein Dokument vor, um die bisherige Politik in Bezug auf die TEN-V eingehend zu evaluieren. Um den zukünftigen Herausforderungen besser zu begegnen zu können wird eine neue Politik propagiert. Das bisherige Konzept der vorrangigen Vorhaben (Zwei- Ebenen-Struktur) könnte durch ein Konzept eines „vorrangigen Netzes“ ersetzt werden, um Nachteile zu beseitigen. (KOM(2009) 44 endg., 9f) Die Förderung der Intermodalität muss bei der zukünftigen TEN-V Politik ausreichend berücksichtigt werden (z. B. Ausbau der Hafeninfrastrukturen, interoperable Güterschienenverkehrskorridore, Beseitigung von Engpässen und Einsatz von IVS). Daneben sollen auch die benötigten Infrastrukturen bereitgestellt werden, die der intermodale Personenverkehr benötigt. Zur Realisierung der Projekte müssen die unterschiedlichen Mittel rationalisiert und besser koordiniert werden, wobei die Funktion der Europäischen Koordinatoren aufgewertet werden soll. (KOM(2009) 44 endg., 11-13, 16f; Voet van Vormizeele 2012, Art. 172 , Rn. 5; vgl. EK 2015251) Konsultation über die künftige Politik für das TEN-V: Am 4. Mai 2010 legte die Kommission die Arbeitsunterlage „Konsultation über die künftige Politik für das transeuropäische Verkehrsnetz“ (KOM(2010) 212 endg.) vor. Darin wurde aufbauend auf dem Grünbuch die Überprüfung der TEN-V im Hinblick auf die „Europa 2020“-Strategie und das neue Verkehrsweißbuch eingeleitet. Im Vorfeld erarbeiteten Rechtssachverständigengruppen verschiedene Vorschläge, die nun seitens der Kommission aufgegriffen und diskutiert werden (z. B. Kombination der TEN-V Leitlinien und TEN-V

250 URL: [31.03.2015] 251 URL: [31.03.2015] 196

Finanzverordnung, genauere Klärung der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit bei den verschiedenen Projektphasen, etc.). (KOM (2010) 212 endg., 2, 12) Exkurs: Transeuropäisches Verkehrsnetz in Österreich: Die TEN-V umfassen in Österreich die wichtigen Hauptkorridore. Im Straßenbereich sind das alle wichtigen Autobahn- und Schnellstraßenverbindungen (A1, A2, A4, A5, A6, A7, A8, A9, A10, A11, A12, A13, A14, A21, A23, A25, S1, S2, S7, S10, S16 und S18). (BMVIT 2010, 44) Abbildung 18: TEN-V in Österreich

(Quelle: EK 2010; vgl. VO (EU) Nr. 1315/2013) Im Bahnverkehr sind es die Nord-, Ost-, Süd-, West- sowie die Brenner-, Unterinntal-, Tauern-, Pyhrn- und Koralmbahn. Zwischen 1995 und 2006 wurden seitens der EU für den Ausbau der TEN-V in Österreich Zuschüsse in der Höhe von rund 245 Mio. Euro gewährt. Der überwiegende Teil davon floss in den Bahnausbau, wovon besonders der Brenner- und Donaukorridor profitierten. Gemäß dem Beschluss 661/2010/EU hat Österreich Anteil an sechs TEN-V Achsen. Von den neuen Kernnetz-Korridoren gemäß der VO 1315/2013 ist Österreich am Brenner, der Donau und durch die Baltisch-Adriatische Achse betroffen. Vor der E 884/2004/EG war Österreich lediglich durch die Brennerachse berührt. Laut Angaben des BMVIT beträgt der Österreichanteil an den TEN-V Zuschüssen in der Finanzperiode 2007 bis 2013 rund 700 Mio. Euro. Für die Finanzperiode 2014 bis 2020 rechnet das

197

BMVIT mit Zuschüssen von 1,1 Mrd. Euro, was eine Steigerung von 400 Mio. Euro (+57%) bedeuten würde. (BMVIT 2015252) Abbildung 19: TEN-V Kernnetz: Korridore durch Österreich

(BMVIT 2014253)

3.5 UMWELTASPEKTE UND WEGEKOSTENPROBLEM

3.5.1 Umweltaspekte in der gemeinsamen Verkehrspolitik

Nach der weitgehenden Vollendung des Binnenmarktes folgte Anfang der 1990er Jahre eine Neuausrichtung der europäischen Verkehrspolitik. Vor allem die Konfliktpotenziale zwischen Verkehr und Umwelt wurden seitens der Kommission erstmals aufgezeigt und verschiedene Lösungsansätze erarbeitet. Erste Ansätze zu den verkehrsbedingten Umweltproblemen waren im Grün- und im Verkehrsweißbuch von 1992 zu finden. Grünbuch zu den Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt vom April 1992: Am 6. April 1992 legte die Kommission das Grünbuch zu den Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt (KOM(92) 46 endg.) vor. Durch eine ausführliche Analyse der verkehrsträgerspezifischen Umweltprobleme wurde eine Gemeinschaftsstrategie entwickelt,

252 URL: ; [31.03.2015] 253 URL: [4.08.2014] 198

die Lösungsansätze für eine umweltgerechte Mobilität zur Diskussion stellte. (Frerich/Müller 2004a, 301; Wicki 1999, 31; Schäfer 2000, 45) Die Themenbereiche des Grünbuchs umfassten eine Analyse des Energieverbrauchs (Verschärfung der technischen Normen), der betriebsbedingten Umweltbelastungen (schärfere Lärm- und Abgasnormen), des Landschaftsverbrauchs und der Landschaftszerschneidung, der Überlastungserscheinungen und der Gefahrenguttransporte. (KOM(92) 46 endg., 12-33; Frerich/Müller 2004a, 303-305; Schäfer 2000, 45) Die Ergebnisse des Grünbuchs flossen dann in das Verkehrsweißbuch von 1992 ein (vgl. Punkt 3.2.5) Grünbuch über faire und effiziente Preise im Verkehr (1995): Mit dem am 20. Dezember 1995 veröffentlichten Grünbuch über „Faire und effiziente Preise im Verkehr“ (KOM(95) 691 endg.) „[…] unternahm die Kommission einen weiteren Schritt, um der Umweltpolitik zu einem stärkeren Gewicht im Rahmen der gemeinschaftlichen Verkehrspolitik zu verhelfen.“ (Frerich/Müller 2004a, 610) Das Grünbuch ist ein weiterer Schritt zur Konkretisierung des Verkehrsweißbuchs von 1992, wobei der inhaltliche Schwerpunkt bei der Frage der Preisgestaltung im Verkehr liegt. (Wicki 1999, 36) Besonders die vorhandenen Engpässe im Bereich der Verkehrsinfrastruktur waren mit negativen Umweltfolgen verbunden (v. a. Staus). Dazu kamen noch die Verkehrsunfälle, die Verkehrstoten und Verletzten sowie die verkehrsbedingte Luftverschmutzung und die Lärmbelästigung. (vgl. KOM(95) 691 endg., 1; Frerich/Müller 2004a, 610; Schäfer 2000, 52) Diese externen Kosten stehen aber je nach Verkehrsträger teilweise im krassen Missverhältnis zwischen den bezahlten Preisen und den verursachten Kosten (z. B. Straßenverkehr verursacht 90% der externen Kosten) (vgl. KOM(95) 691 endg., 3). Daher plädierte das Grünbuch im Straßenverkehr für eine Strategie zur Internalisierung der externen Kosten und damit soll als Ziel ein gerechter Wettbewerb zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern erreicht werden. (Frerich/Müller 2004a; Wicki 1999, 36, Schäfer 2000, 52) Eine stärkere Ausrichtung der Fahr- bzw. Transportpreise an den tatsächlich verursachten Kosten „[…] soll zu einem Umdenken bei Investitionen und zu einer Beeinflussung des ‚modal split’ zugunsten umweltverträglicher Verkehrsträger […]“ führen. (Kerschner/Wagner 2001, 52) Zur Wegekostenanlastung waren im Grünbuch folgende einzelstaatliche und gemeinschaftliche Maßnahmen vorgesehen (KOM(95) 691 endg., 12ff):  Straßenbenutzungsgebühren für Inanspruchnahme der Infrastruktur (generelles road pricing) sowie kilometerabhängige Benutzungsgebühren für den Güterverkehr (Anpassung der RL 1999/62/EG);  Einführung eines Gebührensystems (road pricing) in städtischen, überlasteten oder empfindlichen Gebieten; 199

 Einführung von Kraftfahrzeugsteuern, die abhängig sind von der Umweltbelastung und Lärmbelästigung der Fahrzeuge;  Differenzierte Mineralölsteuer, die die Umweltverträglichkeit des Treibstoffes berücksichtigt. (Epiney/Gruber 1997, 106; Hey 2000b, 72f; Kerschner/Wagner 2001, 53; Wicki 1999, 37) „Die umweltpolitische Reichweite des Grünbuchs ist damit sehr beschränkt – eine wirkliche Umkehr der Markttrends strebt es nicht an. Es versucht lediglich, die vorhandenen Trends durch die Förderung einer anderen Technologie etwas umweltfreundlicher zu gestalten.“ (Hey 2000b, 73) Dadurch versuchte die Kommission sowohl den Interessen des Straßengüterverkehrs und der Mitgliedstaaten als auch den Umweltschutzgruppen entgegenzukommen. Diese Synthese wird aber weder den Forderungen des Straßengüterverkehrs noch denen der Umweltverbände gerecht und rief von beiden Seiten Kritik hervor (Polarisierung zwischen Befürwortern und Gegnern von Ökosteuern). (Hey 2000b 73-75) Weißbuch über faire Preise für die Infrastrukturbenutzung (1998): Die Überlegungen der Kommission zum Thema Wegekostenproblem wurden mit dem am 22. Juli 1998 vorgelegten Weißbuch über „Faire Preise für die Infrastrukturbenutzung – Ein abgestuftes Konzept für einen Gemeinschaftsrahmen für Verkehrsinfrastrukturgebühren in der EU“ (KOM (98) 466 endg.) fortgesetzt. (Frerich/Müller 2004a, 623) „Das Weißbuch ist zum einen eine konsequente Fortsetzung früherer Dokumente zur ‚Kostenwahrheit’ in der Infrastrukturpolitik, zum anderen radikalisiert die Kommission die Diskussion auch in Richtung einer konsequent marktwirtschaftlichen Ausrichtung der Kostenanrechnung von Infrastrukturen.“ (Hey 2000b, 92) Im Weißbuch wird der Grundsatz verfolgt, gemeinsame Entgeltgrundsätze für alle Verkehrsinfrastrukturen zu schaffen und damit die Marktverzerrungen bzw. die Ineffizienz bestehender Gebühren- und Steuersysteme zu überwinden. Dadurch sollen die bekannten Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Verkehrsträgern beseitigt werden. Für eine auf Dauer tragbare Mobilität wäre die Harmonisierung der Gebührensysteme notwendig, um die Auswirkungen der Liberalisierung und der ständig steigenden Güterströme auf Mensch und Umwelt zu steuern. (Hauger 2003, 302; Hey 2000b, 92; Schäfer 2000, 53) Dafür sieht das Weißbuch zwei Grundsätze vor: „Als volkswirtschaftlich effizienteste Lösung zur Bereisung der Infrastruktur werden die Grenzkosten vorgeschlagen, d. h. die Kosten, die ein zusätzliches Fahrzeug (Straße oder Schiene) verursacht.“ (Hauger 2003, 302) Zum anderen soll jeder Verkehrsteilnehmer seine externen Kosten selber tragen (Verursacherprinzip) und nicht wie bisher die Allgemeinheit. (KOM(95) 466 endg., 15f; Hauger 302; Hey 2000b, 92; Frerich/Müller 2004a, 625f; Schäfer 2000, 53; Brenck et al. 2007, 428) Wie bereits in

200

vorangegangen Grünbuch sieht auch das Weißbuch vor, dass Verkehrsinfrastrukturbenutzer für die von ihnen verursachten Kosten möglichst an Ort der Nutzung zu zahlen haben (Territorialitätsprinzip254 anstatt Nationalitätsprinzip). (Hauger 2003, 302; Wicki 1999, 38; Hey 2000b, 92) Zur Umsetzung dieser Grundsätze schlägt die Kommission die schrittweise Einführung eines harmonisierten Konzepts für Verkehrsinfrastrukturgebühren vor. Dieses Konzept umfasst drei Phasen: In der ersten Phase (1998 bis 2000) sollte zur Ergänzung des Straßengüterverkehrs ein Gebührensystem für den Schienen- und Luftverkehr eingeführt werden. Allerdings sollten die Gebühren die durchschnittlichen Infrastrukturkosten nicht übersteigen. Daneben sollten von einem Ausschuss von Regierungssachverständigen Methoden zur Berechnung der Verkehrsgrenzkosten einschließlich der externen Effekte von einem speziell eingesetzten Ausschuss erarbeitet werden. In der zweiten Phase (2001 bis 2004) sollte es zu einer verkehrsträgerbezogenen Harmonisierung und Anpassung der Gebührensysteme kommen (Güterkraft- und Schienenverkehr). Entfernungsabhängige Abgaben standen dabei im Zentrum, wobei aber eine Differenzierung zwischen Fahrzeugart und geographischen Merkmalen zu erfolgen hätte. Dabei sollten die Gebühren aber nicht die sozialen Grenzkosten (Höhe der Infrastrukturkosten und Grenzkosten) übersteigen. Schließlich sollte in der dritten Phase ab 2005 die Implementierung harmonisierter Grundsätze für die Gebührenerhebung im Hinblick auf die Grenzkostenbasis und die Konsistenz der Kostenschätzung erfolgen. (KOM (95) 466 endg., 15, 22f; Frerich/Müller 2004a, 628f; Wicki 1999, 37; Hey 2000b, 93; Kerschner/Wagner 2001, 54; Schäfer 2000, 54) „Neu ist insbesondere, dass für sämtliche Benutzer auf den einzelnen Verkehrsträgern ein aufeinander abgestimmtes Kostenanlastungssystem eingeführt werden soll. Gestützt darauf rechnet man mit weniger Wettbewerbsverzerrung und dadurch mit einer deutlichen Verringerung der gesamten Verkehrskosten.“ (Wicki 1999, 38) Zugleich würden auch die Betreiber der Infrastruktur eine bessere Kostendeckung erzielen. Diese Vorschläge sollten zu einer effizienteren Nutzung der bestehenden Infrastruktur führen und die Bereitstellung zusätzlicher neuer Infrastrukturen erleichtern. Ausgeklammert aus diesem Kostenanlastungssystem sollte aber der private Pkw-Verkehr sein. (Hey 2000b, 94; Wicki 1999, 38) Dieses verkehrsträgerübergreifende Konzept der Kommission blieb trotz anhaltender und europaweiter Diskussionen bei den Wegekostenrichtlinien bisher unberücksichtigt. Vor allem im Straßenverkehrsgewerbe lösten das Grün- und Weißbuch heftige Widersprüche aus. Zwar wurde und wird die Tatsache der externen Kosten nicht bestritten, jedoch wird

254 Näheres zum Nationalitäts- und Territorialitätsprinzip und damit verbundene Probleme vgl. Frerich/Müller 2004a, 448-452. 201

eine wissenschaftliche, wahrheitsgemäße Messung bzw. Berechnung bezweifelt. Eine weitere Problematik besteht auch darin, dass die einzelnen Mitgliedstaaten zu den gemeinsamen Entgeltgrundsätzen zusätzliche Gebühren für die Infrastrukturkostendeckung einheben können, was zu großen Preisunterschieden und zu einer Verteuerung des internationalen Verkehrs führen würde. Fraglich ist auch die Ausklammerung des privaten Pkw-Verkehrs, da dieser ebenso externe Kosten verursacht (v. a. Staukosten). (Frerich/Müller 2004a, 640 f; Hauger 2003, 302) Der Cardiff-Prozess (1998): Der so genannte Cardiff-Prozess, der im Juni 1998 mit dem Gipfel der Verkehrs- und Umweltminister der EU initiiert wurde, steht für eine ökologische Neuorientierung in der Verkehrspolitik und damit ist die Ökologisierung der Steuerpolitik. (Wicki 1999, 38; Hey 2000b, 90) „Basis dieses Teilerfolgs bildete die Tatsache, dass das Thema nachhaltige Entwicklung und die Integration der Umweltanliegen gestützt auf den Amsterdamer Vertrag und die Initiative Großbritanniens zu einer Angelegenheit der Regierungschefs wurde.“ (Wicki 1999, 38) Zwar gelang auch hier kein Durchbruch zur Internalisierung der externen Kosten. Trotzdem wurde aber anerkannt, dass in den Bereichen Verkehr und Umwelt ein gemeinsamer Handlungsbedarf besteht. Die Kommission legte noch im selben Jahr ein Strategiepapier255 vor. Darin wurden Leitlinien zur Umsetzung der umweltpolitischen Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV vorgegeben. Vor allem die Notwendigkeit einer Verbindung von Umweltschutz und anderen Politikbereichen wird in besonderer Weise hervorgehoben. (Wicki 1999, 38; Hauger 2003, 306; Hey 2000b, 90) „Im Bericht des Rates ‚Verkehr’ wird die Erhöhung des Preises für ‚Naturverbraucher’ als wesentliches Gestaltungsmittel erwähnt, um den Kosten des verkehrsbedingten Naturverbrauchs Rechnung zu tragen – eine zwar durchaus richtige Einschätzung, aber eine geradezu klassisch nicht auf EU-Ebene umzusetzende Empfehlung.“ (Hauger 2003, 306) Weitere Empfehlungen des Berichts sind eine Umweltentlastung durch technische Weiterentwicklung und verbesserte Ausnutzung aller Verkehrsmittel. Andererseits fehlen aber Ansätze zur Verkehrsvermeidung, zu ökologischen Implikationen der TEN sowie zum Verkehrswachstum. (Hauger 2003, 306;) Grünbuch über urbane Mobilität (2007): Die Kommission veröffentlichte am 25. September 2007 nach einer umfassenden öffentlichen Anhörung ihr Grünbuch „Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt“ (KOM(2007) 551 endg.). Für eine Politik der nachhaltigen Entwicklung ist besonders die Mobilität in den Städten ausschlaggebend, da dort 60% der Bevölkerung leben und ca. 85% des EU-weiten BIP erwirtschaftet werden.

255 Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat - Partnerschaft für Integration – Eine Strategie zur Einbeziehung der Umweltbelange in die EU-Politik, Cardiff – Juni 1998, (KOM(98) 333 endg.). 202

Durch die negativen Folgen des Verkehrs verliert die europäische Wirtschaft jährlich 1% des BIP (ca. 100 Mrd. Euro). Zukünftig sollen daher alle Facetten der Mobilitätspolitik in der Stadt in ein einziges Konzept integriert werden. Dadurch soll die Entstehung einer echten „Kultur der Mobilität in der Stadt“ gefördert werden, die die wirtschaftliche Entwicklung, die Zugänglichkeit der Städte, die Verbesserung der Lebensqualität und den Umweltschutz umfasst. Daneben wird auch unterstrichen, dass eine neue Kultur der Mobilität in der Stadt durch Erziehung, Schulung und Bewusstseinsbildung geschaffen werden muss. (EK 2015256; KOM(2007) 551 endg., 3) Das Grünbuch zeigt zur Verwirklichung dieses Ziel fünf Problembereiche auf und dazu die jeweiligen Verbesserungsvorschläge:  Verbesserung des Verkehrsflusses in den Städten: Schaffung attraktiver, sicherer Alternativen zur privaten Pkw-Benützung; Förderung der Ko-Modalität bzw. der Fußgänger und Radfahrer sowie der Telearbeit; „Carpooling“; bessere Parkraumbewirtschaftung; City-Maut.  Reduzierung der Umweltverschmutzung: Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für alternativbetriebene Fahrzeuge (Biokraftstoffe, Wasserstoff, Brennstoffzellen); wirtschaftliche Anreize für breite Markteinführung neuer Technologien; umweltbewusste öffentliche Beschaffungspolitik; Internalisierung der externen Kosten bzgl. Energieverbrauch und Umweltverschmutzung über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs; „umweltbewusstes Fahren“; Förderung von Verkehrsmanagementsystemen sowie Entwicklung „intelligenterer“ Autos; Verkehrsbeschränkungen nur in Einzelfällen.  Intelligente Verkehrssysteme (IVS): Einführung intelligenter Gebührensysteme; dynamische Verwaltung der vorhandenen Infrastruktur durch bessere Information.  Leichterer Zugang zum IVS: Qualitätssteigerung im kollektiven Verkehr; Koordinierung (Raumplanung) des Verkehrs in der Stadt und im Umfeld; bessere Integration des Personen- und Güterverkehrs in die Stadtplanung.  Sicherheit: Verbesserung der Fahrzeugsicherheit durch neue Technologien: Verbesserung der Infrastrukturqualität für Fußgänger und Radfahrer; Sensibilisierung der Bürger zum Thema Straßenverkehrssicherheit. (EK 2015257; KOM(2007) 551 endg., 6-15) Mitteilung über Internalisierung externer Transportkosten (2008): Um der Forderung des Unionsgesetzgebers aus dem Jahr 2006 (vgl. RL 2006/38EG Art. 11, Punkt 3.5.2) nachzukommen, legte die Kommission am 8. Juli 2008 die Mitteilung „Strategie zur Internalisierung externer Kosten“ (KOM(2008) 435 endg.) an das Parlament, den Rat, den WSA und den AdR vor. Diese Mittelung zur Internalisierung der externen Kosten ist ein Teil eines ganzen Paketes von Kommissionsinitiativen, mit denen eine bessere Nachhaltigkeit im Verkehr erreicht werden soll. Anzuführen sind hier u. a. die Mitteilung

256 URL: [31.03.2015] 257 Vgl. Fn. 256. 203

über die Ökologisierung des Verkehrs (KOM (2008) 433 endg.258), die Mitteilung über Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugstand (KOM(2008) 432 endg.259) und der Vorschlag zur Änderung der Wegekostenrichtlinie (KOM(2008), 436 endg., vgl. Punkt 3.5.2). Inhaltlich wird in der Mitteilung zwischen privaten, externen und sozialen Kosten des Verkehrs unterschieden. Die privaten Kosten entstehen dem Verkehrsteilnehmern durch die Nutzung eines Verkehrsmittels (Kraftstoffverbrauch, Versicherung, usw.) und sie werden direkt vom Verkehrsteilnehmer getragen. Daneben verursacht aber jeder Verkehrsteilnehmer externe Kosten durch Belastungen (Zeitverlust durch Staus, Gesundheitsprobleme durch Lärm und Luftverschmutzung, Treibhausgasemissionen etc.) die von der Gesellschaft (Staat und Bürger) getragen werden. Die privaten und externen Kosten summieren sich zu den sozialen Kosten des Verkehrs. Durch die Umlegung der externen Kosten auf das Beförderungsentgelt wird die Internalisierung dieser Kosten erreicht. Dadurch wird dem Verkehrsteilnehmer bewusst, welche sozialen Kosten er verursacht und auf diese Weise soll ein Anreiz für Verhaltensänderung geboten werden. Als die wichtigsten volkswirtschaftlichen Instrumente zur Internalisierung der externen Kosten führt die Mitteilung die Besteuerung, Mautgebühren (oder Nutzungsrechte) und unter bestimmten Bedingungen den Emissionshandel. Bereits jetzt finden diese Instrumente je nach Verkehrsträger unterschiedliche Anwendung. Da aber diese einzelnen externen Kosten unterschiedliche Merkmale haben, gilt es die volkswirtschaftlichen Instrumente entsprechend anzupassen. Bei der Benutzung von Infrastrukturen entstehen externe Kosten, die je nach Zeit, Raum und Art des Verkehrswegenetzes variieren und an bestimmte Orte gebunden sind (Staus, Lärm, Unfälle und Luftverschmutzung). Damit diesen Schwankungen Rechnung getragen wird, ist eine differenzierte Umlage der Kosten notwendig. Beim Klimawandel handelt es sich dagegen um ein globales Problem, das vom Energieverbrauch abhängt. Hier nützt nur ein Instrument, das direkt beim Verbraucher ansetzt, wie z. B. die

Besteuerung von Kraftstoffen und der CO2-Emissionshandel. Ein intakter Binnenmarkt ist Grundpfeiler der Union und deshalb sollten zu hohe Preise, die die Freizügigkeit beeinträchtigen, als auch eine Fragmentierung des Marktes vermieden werden. Darum sollten die Grundsätze der Internalisierung europaweit aufgestellt werden, was jegliche

258 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 8. Juli 2008 – Ökologisierung des Verkehrs, KOM(2008) 433 endg. URL: [31.03.2015] 259 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugbestand, KOM(2008) 432 endg. URL: [31.03.2015] 204

Diskriminierung ausschließt und die Transparenz des Marktes gewährleistet. Mit der Anlastung der sozialen Grenzkosten wird der allgemeine Grundsatz für die Internalisierung der vom Verkehr verursachten externen Kosten erreicht. Nach diesem Ansatz müssen die Preise im Verkehrssektor so angesetzt werden, dass sie die durch einen zusätzlichen Nutzer die Infrastrukturen verursachten Kosten decken. Theoretisch müssen diese Zusatzkosten die Kosten des Nutzes und die externen Kosten beinhalten. Mit dieser Anlastung müsste die bestehende Infrastruktur effizienter genutzt werden. Mit der Anlastung der Zusatzkosten, die der Gesellschaft entstehen, wird die Gleichbehandlung von Verkehrsteilnehmern und Nicht-Verkehrsteilnehmern herbeigeführt. Zusätzlich werden die Nutzung gemeinschaftlicher Ressourcen und die Bezahlung nach dem „Verursacherprinzip“ und „Nutzerprinzip“ direkt miteinander verknüpft. Dieser Ansatz ist aber nur möglich, wenn der „Verursacher“ keinen Ausgleich erhält, der die etwaigen Effekte wieder aufhebt. Zur Berechnung der externen Kosten, die aufgrund der Luftverschmutzung, des Lärms und des Klimawandels entstehen, werden gemeinsame Grundsätze und eine gemeinsame Methodik vorgeschlagen. Zu beachten ist allerdings, dass der gleiche Grundsatz bei den verschiedenen Verkehrsträgern mit differenzierten Instrumenten angewendet werden muss. Im Straßengüterverkehr schlägt die Kommission daher eine erneute Überarbeitung der RL 1999/62/EG vor (vgl. Punkt 3.5.2) sowie den Verweis auf den Aktionsplan zum Thema Einführung intelligenter Verkehrssysteme (KOM(2008) 886 und 887 endg.260), der den Einsatz technischer Mittel forcieren soll. Daneben wird die Kommission die Durchführungsbestimmungen für die mit der RL 2004/52/EG261 vorgesehene Interoperabilität elektronischer Mautsysteme festlegen. Der Pkw-Verkehr wird aber nicht von diesen Maßnahmen ausgeschlossen. Hier wird besonders auf den Aktionsplan urbane Mobilität verwiesen (KOM(2009) 490 endg.). Schließlich soll der Vorschlag über die Besteuerung von Personenkraftwagen (KOM(2005) 261 endg.262) weiter erörtert werden, der eine Umgestaltung des Besteuerungssystems mit Einbeziehung des CO2-Ausstosses vorsieht. Beim Schienenverkehr ist bereits durch die RL 2001/14/EG eine gewisse Berücksichtigung der externen Kosten möglich, wobei auch auf die Mitteilung zu den

260 Mitteilung der Kommission – Aktionsplan zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme in Europa, KOM(2008) 886 endg. URL: ; Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern, KOM(2008) 887 endg. URL: [31.03.2015] 261 RL 2004/52/EG des EP und des Rates vom 29.04.2004 über die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme in der Gemeinschaft, ABl. L 166 vom 30.4.2004, 124-143. 262 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 5. Juli 2005 über die Besteuerung von Personenkraftwagen, KOM(2005) 261 endg. URL: [31.03.2015] 205

Lärmschutzmaßnahmen verwiesen wird. Die Einnahmen aus der Internalisierung sollen zur weiteren Verbesserung der Nachhaltigkeit des Verkehrs herangezogen werden (v. a. Forschung und Innovation). 2013 soll die Kommission dann eine Bilanz dieser Maßnahmen ziehen und die Fortschritte feststellen. (KOM(2008) 435 endg., 3-10) Aktionsplan urbane Mobilität (2009): Schließlich folgte am 30. September 2009 mit der Mitteilung der Kommission an das Parlament, den Rat, den WSA und den AdR ein eigener Aktionsplan für die urbane Mobilität (KOM(2009) 490 endg.), in dem die Ergebnisse und Reaktionen auf das Grünbuch konkretisiert wurden und sechs Themenbereiche benannt werden (z. B. Förderung integrierter Strategien, umweltfreundlicher Stadtverkehr und Erfahrungs- und Wissensaustausch). Mit diesem Aktionsplan werden die EU-Initiativen zur urbanen Mobilität abgestimmt. Bis 2012 können diese praktischen kurz- und mittelfristigen Aktionen schrittweise umgesetzt werden. (KOM(2009) 490 endg., 3) Mitteilung umweltfreundliche Fahrzeuge (2010): Als Teil der Strategie „Europa 2020“ wurde von der Kommission am 28. April 2010 die Mitteilung „Eine europäische Strategie für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge“ (KOM(2010) 186 endg.) veröffentlicht. Dadurch soll einerseits die Entwicklung und Marktakzeptanz dieser Fahrzeuge gefördert werden und andererseits die schädlichen Auswirkungen des Straßenverkehrs auf die Umwelt abgeschwächt werden. Als Nebeneffekt wird auch die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie gefördert. Durch einen Aktionsplan sollen diese Ziele in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Siebtes Aktionsprogramm für die Umwelt (2013-2020): „Die umweltpolitischen Aktionsprogramme legen die Ziele und Prioritäten der Umweltpolitik der Union fest, umschreiben in allgemeiner Form die für einen bestimmten Zeitraum geplanten Maßnahmen, stellen sie in einen globalen Zusammenhang und leiten ggf. Entwicklungen und Orientierungen ein.“ (Bieber et al. 2013, §32 Rn. 19) Weiters bereiten sie den Erlass von gesetzgeberischen Maßnahmen auf der Unionsebene vor und üben eine Koordinierungsfunktion aus. Die inhaltliche Umsetzung der Aktionsprogramme erfolgt dann durch gemeinschaftliche Rechtsakte, die auf die Umweltkompetenznormen des Art. 191 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV gestützt werden. (Epiney 2013, 35; Bieber et al. 2013, §32 Rn. 21) Bisher gab es seit 1973 sieben umweltpolitische Aktionsprogramme. Das sechste Aktionsprogramm „Umwelt 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“ aus dem Jahr 2001, wurde mit dem Beschluss 1600/2002/EG263 am 22. Juli 2002 angenommen.

263 Beschluss Nr. 1600/2002/EG des EP und des Rates vom 22.07.2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 242 vom 10.09.2002, 1-15. 206

Seine Laufzeit betrug zehn Jahre. (Epiney 2013, 35, 54f; Frerich/Müller 2004a, 246) Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen in den folgenden vier Bereichen:  Schutz des Klimas (Umsetzung des Kyoto-Protokolls, Verbesserung der Energieeffizienz, rationale Energienutzung, Handel mit Emissionsrechten, Forschung und Entwicklung);  Schutz von Natur und der biologischen Vielfalt (Schutz von Meeresumwelt und Böden, Verhinderung von Industrieunfällen);  Lösung von Umwelt- und Gesundheitsfragen (Einsatz von Pestiziden, Verbesserung der Luftqualität, Reduzierung von Lärmemissionen)  Erhaltung natürlicher Ressourcen und Lösung der Abfallprobleme. (Bieber et al. 2013, §32 Rn. 20; Epiney 2012, 35; Hauger 2003, 308) Für jeden dieser vier Bereiche wurden übergeordnete und konkrete Ziele vorgegeben und eine Reihe Maßnahmen zur Verwirklichung aufgezeigt. Im Gegensatz zum vorhergehenden fünften Aktionsprogramm von 1993 wird nun erkannt, „[…] dass zur Bewältigung der heutigen umweltpolitischen Herausforderungen ein rein gesetzgeberischer nicht mehr ausreichend ist, sondern auch ein strategischer Ansatz erforderlich ist.“ (Hauger 2003, 306) Daher wurden im Aktionsprogramm fünf neue Aktionsschwerpunkte vorgeschlagen:  Verbesserung der Umsetzung bestehender Rechtsvorschriften;  Einbeziehung der Umweltschutzziele in andere Politikbereiche;  Zusammenarbeit mit dem Markt (Partnerschaft mit der Wirtschaft);  Einbeziehung der Bürger und Bewirkung einer Verhaltensänderung;  Berücksichtigung von Umweltbelangen in Entscheidungen über die Flächennutzung und Raumplanung. (Hauger 2003, 306f) Für den Verkehrsbereich sind vor allem eine Reduktion der Treibhausgasemissionen und eine nachhaltige Ausgestaltung des Verkehrssektors von Bedeutung. Deshalb wäre für eine konkrete politische Umsetzung dieser Ziele die gemeinschaftliche Förderung für den Umstieg auf saubere und effizientere Verkehrsträger sowie die volle Berücksichtigung der anfallenden Umweltkosten in den Transportpreisen nötig. (Art. 5 Beschluss 1600/2002/EG) Das aktuellste, das siebte Aktionsprogramm „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ aus dem Jahr 2013, wurde mit dem Beschluss 1386/2013/EU264 am 20. November 2013 angenommen. Die Laufzeit reicht bis in das Jahr 2020. Inhaltlich umfasst das aktuelle Umweltprogramm (Stand März 2015) neun prioritäre Ziele und was die EU dafür tun muss, um diese bis 2020 zu erreichen:  Schutz, Erhaltung und Verbesserung des Naturkapitals der Union;  Übergang zu einer ressourceneffizienten, umweltschonenden und wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaftsweise in der Union;

264 Beschluss Nr. 1386/2013/EU des EP und des Rates vom 20.11.2013 über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“, ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 171-200. 207

 Schutz der Unionsbürger vor umweltbedingten Belastungen, Gesundheitsrisiken und Risiken für die Lebensqualität;  Maximierung der Vorteile aus dem Umweltrecht der Union durch verbesserte Umsetzung;  Verbesserung der Wissens- und Faktengrundlage für die Umweltpolitik der Union;  Sicherung von Investitionen für Umwelt- und Klimapolitik und Berücksichtigung von Umweltkosten unter Beachtung etwaiger nachteiliger sozialer Auswirkungen;  Verbesserung der Einbeziehung von Umweltbelangen in andere Politikbereiche und kohärente Gestaltung von Politikansätzen;  Förderung der Nachhaltigkeit der Städte in der Union;  Verbesserung der Fähigkeit der Union, wirksam auf internationale Umwelt- und Klimaprobleme einzugehen. (EK 2015265)

3.5.2 Die Wegekostenrichtlinien

Ende der 1980er Jahre intensivierte sich in der damaligen Gemeinschaft die Diskussion über die Wegekostenanlastung. Allen voran waren es haushaltspolitische und fiskalische Überlegungen und zum Teil auch ein Bemühen um eine größere Beteiligung des Privatsektors am Straßenbau (PPP-Projekte). Belgien plante ab 1. Jänner 1988 die Einführung einer Vignette für Lkw und Pkw. Diese sollte für belgische Staatsbürger kostenlos sein, da sie mit der entrichteten Kraftfahrzeugsteuer gegen gerechnet worden wäre. (Frerich/Müller 2004a, 652) „In der BR Deutschland sollte ab dem 1. Juli 1990 in einem nationalen Alleingang trotz der bevorstehenden Vollendung des Binnenmarktes für Lkw mit einem Gesamtgewicht von über 18 t eine Schwerverkehrsabgabe […] eingeführt werden.“ (Frerich/Müller 2004a, 652) Diese „europafeindlichen“ Pläne riefen im Europäischen Parlament und in der Kommission Widerstand hervor, was schließlich zu einer Klage vor dem EuGH führte (Verstoß gegen die Stillhalteverpflichtung266). Daraufhin zog Deutschland die Schwerverkehrsabgabe wieder zurück. Bereits seit 1988 lag aber seitens der Kommission ein Richtlinienvorschlag für ein gemeinschaftliches Vorgehen bei der Kostenanlastung für die Straßenverkehrsinfrastruktur vor. 1990 und 1992 erfolgten Modifizierungen dieses Vorschlages (Territorialitätsprinzip, Anwendung einheitlicher Mindestsätze für die Kraftfahrzeugsteuer mit jährlicher Anhebung bis 1994, Streichung des Verbots von Straßenbenutzungsgebühren etc.). (Frerich/Müller 2004a, 652f; Aberle 1996a, 154f)

265 URL: ; [31.03.2015] 266 EuGH, Rs. C-195/90, (Kommission/Deutschland), Slg. 1992, I-03141. 208

Richtlinie 93/89/EWG: Den bereits erwähnten Vorschlägen folgte schließlich die RL 93/89/EWG267. Durch eine Angleichung der Abgabensysteme und der Einführung der Wegekostenanlastung bei Nutzfahrzeugen im Güterverkehr (über 12 t Gesamtgewicht) sollten bis zum 1. Jänner 1995 alle noch bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zwischen den mitgliedstaatlichen Verkehrsunternehmen beseitigt werden. Daher erfolgte auch eine Festlegung eines Mindestsatzes für Kraftfahrzeugsteuern, der nach der Achszahl, dem zulässigen Gesamtgewicht und dem vorhandenen Federungssystem differenziert wurde sowie Harmonisierungsschritte bei den Kraftstoffsteuern.268 (Frerich/Müller 2004a, 654; Frerich/Müller 2004b, 443f; Epiney/Gruber 2001, 268-271; Schäfer 2000, 88; Heuck 2013, 453) „Zur Abmilderung dann noch vorhandener Harmonisierungsdefizite war es dann den Mitgliedstaaten ferner gestattet, Maut-269 und Benutzungsgebühren270 für die Inanspruchnahme von Autobahnen und anderen mehrspurigen Straßen, Tunneln, Brücken und Gebirgspässen zu erheben.“ (Frerich/Müller 2004a, 654) Daneben war auch die Einführung von Entgelten (nach Anhörung der Kommission) für andere Abschnitte des primären Straßennetzes, wie z. B. aus Sicherheitsgründen, möglich. Zudem bestand auch die Möglichkeit der Einführung einer Benutzungsgebühr für das gesamte Straßennetz für die im Hoheitsbereich zugelassenen Kraftfahrzeuge (Art. 7 lit. a und e). Eine Einschränkung besteht allerdings darin, dass die beiden genannten Entgelte nicht zur gleichen Zeit für die Nutzung desselben Straßenabschnitts verlangt werden dürfen (Art. 7 lit. a) (so genanntes „Kumulierungsverbot“). Diese Entgelte durften aber zu keiner Diskriminierung von Verkehrsunternehmern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit führen. (Frerich/Müller 2004a, 654; Sollberger 2003, 152; Schäfer 2000, 89) Am 1. Jänner 1995 führten die Benelux- Länder, Deutschland271 und Dänemark (laut Art. 8) sowie Schweden (ab 1997) eine in allen beteiligten Staaten geltende zeitunabhängige Benutzungsgebühr für Autobahnen (so genannte „Eurovignette“) für Lkw ab 12 t Gesamtgewicht ein (max. 1.250 ECU). (Schäfer

267 RL 93/89/EWG des Rates vom 25.10.1993 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die MS, ABl. L 279 vom 12.11.1993, 32-38. 268 RL 92/81/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle, ABl. L 316 vom 31.10.1992, 12-15; RL 92/82/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle, ABl. L 316 vom 31.10.1992, 19-20. 269 „Mautgebühren sind für die Fahrt zwischen zwei Punkten auf einem bestimmten Verkehrsweg unter Berücksichtigung der zurückgelegten Wegstrecke und der jeweiligen Fahrzeugklasse zu entrichten; sie sollen sich an den Kosten für den Bau bzw. Ausbau und den Betreib des Straßennetzes orientieren.“ (Frerich/Müller 2004a, 654) 270 „Benutzugsgebühren berechtigen innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums zur beliebigen Inanspruchnahme der betroffenen Verkehrswege. Die Sätze sollen der Benutzungsdauer der Straßenverkehrseinrichtungen entsprechen.“ (Frerich/Müller 2004a, 654) 271 Deutschland ist zum 31. August 2003 aus diesem Verbund ausgetreten und hat mit 1. Jänner 2005 eine Lkw-Maut für Fahrzeuge über 12 t eingeführt. 209

2012, Art. 91 Rn. 32) Die RL 93/89/EWG wurde allerdings am 5. Juli 1995 vom EuGH272 für nichtig erklärt. Geklagt hatte Europäische Parlament, „[…] da es vor dem Erlass der Rechtsvorschrift nicht erneut angehört worden war, obwohl der vom Rat verabschiedete Text wesentlich vom Vorschlag der Kommission abwich.“ (Frerich/Müller 2004a, 655) Da es sich jedoch um einen reinen Formalfehler handelte, wurden die Wirkungen der Richtlinie bis zum Inkrafttreten einer Nachfolgeregelung aufrecht gehalten. (Epiney/Gruber 2001, 272; Schäfer 2000, 90; Heuck 2013, 454) Richtlinie 1999/62/EG: Die „Eurovignetten“ RL 93/89/EWG wurde schließlich durch RL 1999/62/EG273 ersetzt, die bis zum 1. Juli 2000 im innerstaatlichen Recht umzusetzen war. Vorausgegangen war dem ein 1996 vorgelegter (KOM(96) 331 endg.274) und 1998 geänderter Kommissionsvorschlag (KOM(98) 427 endg.275). Trotz dieser Vorschläge der Kommission276 für eine ökologische Neuausrichtung gab es gegenüber der RL 93/89/EWG keine wesentlichen Veränderungen. (Epiney/Gruber 2001, 272; Frerich/Müller 2004a, 656) Nun kurz ein paar inhaltliche Details zu dieser Richtlinie, da sie besonders für die „Brenner Causa“ von Bedeutung war. Die RL 1999/62/EG besteht entgegen ihrem Titel aus zwei unterschiedlichen Fragestellungen: Einerseits werden, wie der Titel besagt, gemeinsame Grundsätze für die Straßenbenutzungsgebühren aufgestellt und andererseits erfolgt die Festlegung der Mindestsätze für die mitgliedstaatlichen Kraftfahrzeugsteuern.277 (Epiney/ Gruber 2001, 272) Die Richtlinie wurde auf die Art. 91 Abs. 1 (sonstige zweckdienliche Vorschriften: Maut- und Benutzungsgebühr) und Art. 113 AEUV (Harmonisierung indirekter Steuern: Kfz-Steuern) gestützt. (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 32) Nach dem ersten und zweiten Erwägungsgrund ist das Ziel der Richtlinie die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen zwischen Verkehrsunternehmen aus den Mitgliedstaaten durch die schrittweise Harmonisierung der Abgabensysteme und die Einführung gerechter Mechanismen für die Anlastung von Wegekosten sowie deren schrittweise Einführung. Anwendung findet diese Richtlinie laut Art. 2 lit. d nur auf Fahrzeuge oder

272 EuGH, Rs. C-21/94 (Parlament/Rat), Slg. 1995, I-1827. 273 RL 1999/62/EG des EP und des Rates vom 17.06.1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. L 187 vom 20.07.1999, 42-50. 274 Vorschlag für eine RL des Rates über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, KOM(96) 331 endg., ABl. C 59 vom 26.2.1997, 9. 275 Geänderter Vorschlag für eine RL des Rates über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, KOM(98) 427 endg., ABl. C 261 vom 19.8.1998, 18. 276 Für eine ausführliche Darstellung der Verhandlungen und einzelnen Positionen vgl. Hey 2000b, 75-81. 277 Dadurch ist laut sekundärem EU-Recht eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen mittels kombinierter Gestaltung von Steuern und Benutzungsgebühren gestattet. Es handelt sich um denselben Ansatz, der Deutschland 1992 vom EuGH untersagt worden war, diesmal allerdings auf multinationaler Ebene. (Jung 2007, Art. 72 Rn. 6) 210

Fahrzeugkombinationen, „die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind und deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 t beträgt.“ (keine Erfassung von Fahrzeugen zum gewerblichen Personentransport bzw. Pkws oder Lieferwagen). In den Art. 3 bis 6 befinden sich die zentralen Bestimmungen zur Kraftfahrzeugsteuer. Zunächst definiert Art. 3 die von der Richtlinie betroffenen Fahrzeuge und welche Abgaben als Kraftfahrzeugsteuern gelten, wobei aber die einzelnen Mitgliedstaaten einen trotz geforderter Abgabenharmonisierung über einen auffallend weiten Handlungsfreiraum verfügen. (Epiney/Gruber 2001, 274; Epiney et al. 2013, 67f) Gemäß Art. 5 erhebt nur jener Mitgliedstaat die Kraftfahrzeugsteuer, in dem das betreffende Fahrzeug zugelassen ist (Territorialitätsprinzip). Trotz einer gewissen Harmonisierung bleibt damit aber die Erhebung der Steuern beim Zulassungsland (Art. 4) und somit ist die Doppelbesteuerung, wie bereits bisher bilateral vereinbart, verboten. (Schäfer 2012, Art. 91 Rn. 32; Sollberger 2003, 151; Schäfer 2000, 92) Schließlich legt der Art. 6 Abs.1 iVm Anhang 1 der Richtlinie Mindeststeuersätze fest, die von den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht unterschritten werden dürfen. Damit sollen Steuerdumping und Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden. Natürlich gibt es aber wieder zahlreiche Ausnahmeregelungen, wie z. B. die Senkung der Abgabenhöhe zugunsten bestimmter Länder (35% Rabatt auf die angewandten Sätze für die südlichen Mitgliedstaaten bis 2001) oder die Befreiung für gewisse Fahrzeuggruppen (z. B. Sicherheits- und Ordnungsdienste)278. Eine entsprechende Differenzierung der Kraftfahrzeugsteuern zur Förderung umweltfreundlicher Fahrzeuge ist zwar vorgesehen, was allerdings durch das niedrige Niveau der Abgabensätze wenig attraktiv ist. (Epiney/Gruber 2001, 274; Frerich/Müller 2004b, 444) Schließlich finden sich dann noch in den Art. 7 und 8 die Bestimmungen zur Maut- und Benutzungsgebühr. Hier gelten dieselben Bestimmungen, die bereits bei der RL 93/89/EWG angeführt worden sind. Fahrleistungsabhängige Maut- und/oder zeitgebundene Benutzungsgebühren dürfen von den Mitgliedstaaten nur für die Benutzung von Autobahnen279 oder anderen mehrspurigen Straßen, die ähnliche Merkmale wie Autobahnen aufweisen, sowie für die Benutzung von Brücken, Tunneln und Gebirgspässen erhoben werden (Art. 7 Abs. 2 lit. a), wobei aber wiederum eine Kombination beider Abgabetypen

278 Positiv zu erwähnen ist hier der ermäßigte Sätze für Fahrzeuge im kombinierten Verkehr (Verweis in Art. 6 Abs. 4 der RL auf Art. 6 Abs. 1 Uabs. 1 der RL 92/106/EWG). 279 Autobahn definiert die RL 1999/62/EG als „eine Straße, die nur für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt und gebaut ist, zu der von den angrenzenden Grundstücken aus keine unmittelbare Zufahrt besteht und die für beide Verkehrsrichtungen außer an einzelnen Stellen oder vorübergehend besondere Fahrbahnen aufweist, die durch einen nicht für den Verkehr bestimmten Geländestreifen oder in Ausnahmefällen auf andere Weise voneinander getrennt sind, keine höhengleiche Kreuzung mit Straßen, Eisenbahn- oder Straßenbahnschienen oder Gehwegen hat und speziell als Autobahn gekennzeichnet ist“ (Art. 2 lit. a). 211

auf derselben Strecke verboten ist (Art. 7 Abs. 3). Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht allerdings darin, dass die Mitgliedstaaten bei Straßennetzen, auf denen Benutzungsgebühren erhoben werden, auch Mautgebühren für die Benutzung von Brücken, Tunneln und Gebirgspässen erheben können (Art. 7 Abs. 3). Den einzelnen Mitgliedstaaten bleibt es aber selbst überlassen, ob sie auf einem Teil ihres hochrangigen Straßennetzes entweder eine Maut- oder eine Benutzungsgebühr einführen bzw. auf einem Teil eine Maut und auf dem anderen eine Benutzungsgebühr. (Epiney et al. 2013, 70) „Die Mitgliedstaaten verfügen in diesem Rahmen allerdings nicht über eine generelle Kompetenz zur Gebührenerhebung.“ (Epiney/Gruber 2001, 276) Anders als LSVA in der Schweiz sind die Gebühren auf vorhin genannten Infrastrukturen beschränkt. Die Ausnahmen von dieser allgemeinen Bestimmung (Art. 7 Abs. 2 lit. b Unterabsatz i, Art. 7 Abs. 6) sind dieselben wie bei der RL 93/89/EWG. In diesem Zusammenhang enthält die Richtlinie in Art. 7 Abs. 2 lit. b UAbs. iii eine Sonderbestimmung für Österreich, wonach die Autobahnstrecke zwischen Kufstein und dem Brenner von der österreichischen Benutzungsgebühr befreit werden kann.280 (Frerich/Müller 2004a, 656; Sollberger 2003, 152; Epiney et al. 2013, 69) Schließlich enthält der Art. 7 Abs. 4 noch ein spezielles Diskriminierungsverbot, indem Maut- und Benutzungsgebühren weder mittelbar noch unmittelbar zu einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Verkehrsunternehmers oder des Ausgangs- oder Zielpunktes des Fahrzeugs führen dürfen (lex specialis zu Art. 18 AEUV, vgl. Art. 95 AEUV) Des Weiteren sind diese Gebühren so einzuheben, dass es zu keiner Störung des Verkehrsflusses und zu keinen Grenzaufenthalten an den Binnengrenzen kommt (Art. 7 Abs. 5). (Epiney/Gruber 2001, 278; Epiney et al. 2013, 68, 70f) Die nationale Gebührenhoheit wird zudem dadurch beschränkt, „[…] dass die zulässige Abgabenhöhe für Maut- und Benutzungsgebühren gegen oben plafoniert wird.“ (Epiney/Gruber 2001, 277; vgl. Epiney et al. 2013, 68) Die von den Mitgliedstaaten festzulegenden Höchstsätze für die Benutzungsgebühren orientieren sich an den Achszahlen und jetzt zusätzlich an den Euro- Emissionsklassen. Daraus ergeben sich die jährlichen Maximalentgelte von 750 bis 960 Euro bei dreiachsigen und 1.250 bis 1.550 Euro bei vierachsigen Kraftfahrzeugen (jeweils Kategorie EURO III bis EURO I). Für Fahrzeuge aus Griechenland galt wegen der geopolitischen Lage bis Mitte 2001 eine Ausnahmeregelung (50% Rabatt auf die angewendeten Sätze). Weiters sollten diese Höchstsätze am 1. Juli 2002 überprüft werden und danach alle zwei Jahre. (Art. 7 Abs. 7, Anhang II; Frerich/Müller 2004a, 656; Hey 2000b, 81; Sollberger 152 f; Schäfer 2000, 92) Art. 7 Abs. 8 der Richtlinie hält ausdrücklich

280 Der EuGH hielt diese Voraussetzung bei der Brennerautobahn für gegeben. Vgl. EuGH, Rs. C-205 (Kommission/Österreich), Slg. 2000, I-7367 Rn. 136. (Epiney/Gruber 2001, 276 (Fn. 318)) 212

fest, dass die Benutzungsgebühren (v. a. Monats- und Wochengebühren) im Verhältnis zur Dauer der Nutzung stehen müssen, „[…] die einheitliche Tagesgebühr darf acht Euro nicht überschreiten“ (Verhältnismäßigkeit). (Frerich/Müller 2004a, 656) Um angemessene Mautgebühren zu garantieren, müssen sich gemäß Art. 7 Abs. 9 die gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren an den Kosten für den Bau, den Betrieb und den Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes orientieren (Zweckwidmung). Hier besteht aber die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 10 als Lenkungs- und Differenzierungsmöglichkeit in Bezug auf die Mauten „[…] die Option einer umweltbezogenen Differenzierung nach der Emissionsklasse des Fahrzeugs, wobei die höchste Gebühr nicht mehr als 50% über der niedrigsten liegen darf. Vorgesehen ist auch die Möglichkeit einer tageszeitlichen Differenzierung.“ (Frerich/Müller 2004a, 656f) Bei dieser tageszeitlichen Differenzierung darf aber keine Mautgebühr mehr als 100% über der während der günstigsten Tageszeit erhobenen Gebühr liegen. Daneben erlaubt Art. 9 Abs. 2, dass ein bestimmter Prozentsatz der Maut- und Benutzungsgebühren von den Mitgliedstaaten sowohl dem ausgewogenen Ausbau der Verkehrswege als auch dem Umweltschutz zugeführt werden kann, sofern dieser Betrag nach Art. 7 Abs. 7 und 9 berechnet wird (Abweichung vom Kostendeckungsprinzip). Weitere externe Kosten dürfen nicht berechnet werden. Gemäß Art. 8 besteht auch wie bei der RL 93/89/EWG die Möglichkeit der Zusammenarbeit von mehreren Mitgliedstaaten (vgl. Eurovignette). Im Ergebnis schränkt die Richtlinie den verbliebenen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten deutlich ein, da nur die Formen Maut- bzw. Benutzungsgebühr erlaubt sind. Nach Art. 9 bleiben aber die Rechte der Mitgliedstaaten unberührt z. B. Sondergebühren, die bei der Zulassung erhoben werden, Parkgebühren sowie Gebühren für die Benützung von Stadtstraßen einzuheben (City-Maut). (Frerich/Müller 2004a, 656f; Epiney/Gruber 2001, 277; Epiney et al. 2013, 71; Sollberger 2003, 154; Schäfer 2000, 93; Heuck 2013, 454) Anschließend soll eine kritische Würdigung dieser Wegekostenrichtlinie folgen. Um den Umweltschutzgedanken weiter zu forcieren, wäre eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf möglichst alle Fahrzeugkategorien notwendig. Die gemeinschaftliche Harmonisierung der Straßenbenutzungsgebühren für gewerbliche Nutzfahrzeuge über 12 t ist daher lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Für eine nachhaltige Verkehrspolitik wäre aber eine Internalisierung der externen Kosten für alle Verkehrsteilnehmer notwendig. Das bisherige ausschließliche Nutzerprinzip sollte durch das Verursacherprinzip ersetzt werden. Die einzige Möglichkeit zur Einführung eines flächendeckenden, nationalen Gebührensystems, das den Umweltschutzgesichtspunkten

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entspricht und auf das gesamte Straßennetz Anwendung findet (wie z. B. die LSVA in CH), ist gemäß der Wegekostenrichtlinie nur im Rahmen der Benutzungsgebühr für im Inland zu gelassene Kraftfahrzeuge gestattet (Art. 7 Abs. 6). (Epiney/Gruber 2001, 282) Ein weiteres Problem ist der so genannte „Ausweichverkehr“ auf das meist parallel zu Autobahnen verlaufende untergeordnete Straßennetz, der durch die Einschränkung der Gebühreneinhebung für Nutzfahrzeuge von mindestens 12 t auf Autobahnen und/oder Brücken, Tunnels und Gebirgspässen verursacht wird. Diesem ungewollten Verlagerungseffekt ist mit der Wegekostenrichtlinie kaum entgegen zu treten. Die einzige Handhabe, die die Richtlinie für die Mitgliedstaaten anbietet, wäre in bestimmten Fällen gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. b Unterabsatz i die Ausdehnung der Gebührenerhebung auf das untergeordnete Straßennetz aus „gerechtfertigten Sicherheitsgründen“ (z. B. erhöhtes Unfallrisiko) (Sollberger 2003, 155 (Fn. 449)) Die Kostenwahrheit bleibt in der Wegekostenrichtlinie 1999/62/EG aber weiterhin unberücksichtigt. Eine Anlastung der tatsächlich verursachten Kosten ist eine Voraussetzung für ein nachhaltiges und effizientes Verkehrswesen. „Die Preise im Verkehr sollen möglichst genau die von jeder einzelnen Fahrt verursachten Kosten widerspiegeln. Differenzierte und kostenorientierte Preise sollen Verhaltensänderungen einleiten, die […] zu einer auf Dauer tragbaren Verkehrssituation beitragen.“ (Törkel 1998, 9) Die Notwendigkeit der Internalisierung der externen Kosten wurden seitens der Kommission im Vorfeld der Verabschiedung der Wegekostenrichtlinie mehrmals artikuliert (vgl. KOM(96) 331 endg., 10ff; KOM(98) 466 endg., 69ff). Stattdessen zieht die Wegekostenrichtlinie enge Grenzen für eine mögliche Einberechnung von externen Kosten in die Gebühren. Bei der Benutzungsgebühr sind die Höchstwerte festgelegt (Art. 7 Abs. 7 iVm. Anhang II) und die Höhe der Mautgebühren orientiert sich allein nach ökonomischen Maßstäben an den effektiven Infrastrukturkosten (Bau, Betrieb und Ausbau) des betroffenen Straßennetzes (Art. 7 Abs. 9). Die geltenden Höchstsätze für die Benutzungsgebühren (960 bzw. 1.550 Euro) erscheinen daher völlig unzureichend, um z. B. eine Verlagerung auf die Bahn zu erzeugen. Der Vorschlag der Kommission auf „empfindlichen Strecken“ bis zu einer Obergrenze hinaus zusätzliche Benutzungsgebühren von 0,5 ECU/km zu erheben (KOM(96) 331 endg., 17f), ist gemäß der RL 1999/62/EG nicht erlaubt. (Hey 2000b, 76) Daher ist durch die Benutzungsgebühr wegen fehlender Internalisierung der externen Kosten keine ökologisch lenkende Wirkung für den Schwerverkehr zu erwarten. Daneben verleiten diese Pauschalgebühren zu einer gesteigerten Nutzung der Verkehrswege innerhalb der Gültigkeitsdauer (belohnt Vielfahrer). Daher kann nur eine

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verursachergerechte und leistungsabhängige Abgabe, die das gesamte Straßennetz betrifft, zu einer ökologischen Steuerung beitragen. (Epiney/Gruber 2001, 279-282) Hingegen dürfen die nationalen Mautsätze nach EURO-Emissionsklasse und Tageszeit (Art. 7 Abs. 10 lit. a und b) differieren. Allerdings folgt die Einschränkung, dass „die festgelegte Maut nicht mehr als 50% über der Gebühr liegen darf, die für gleichwertige Fahrzeuge erhoben wird, die die strengsten Emissionsnormen erfüllen.“ (Art. 7 Abs. 10 lit. a) Natürlich darf auch das Kostendeckungsprinzip (Art. 7 Abs. 9) nicht überschritten werden, was letztlich nur eine geringe Flexibilität gewährt, um regionalen und ökologischen Besonderheiten genügend Rechnung zu tragen. Als Fazit ist festzustellen, dass eine Einbeziehung von externen Kosten (z. B. Umwelt-, Unfall- und Staukosten) in die Mautgebühr gemäß der RL 1999/62/EG nicht möglich ist. Im Urteil zur Brennermaut hat der EuGH, trotz der österreichischen Rechtfertigung mit „verkehrs- und umweltpolitischen“ Gründen für die strittige Mauterhöhung, die Unzulässigkeit der Einberechnung von externen Kosten in die Maut gemäß der RL 1999/62/EG bestätigt.281 Abweichungen sind daher auch bei Vorliegen zwingender Erfordernisse nur möglich, wenn die Richtlinie selbst eine entsprechende Ausnahmeregelung vorsieht. (Obwexer 2000b, 840) Fraglich ist zudem die reine Beschränkung der Mautgebühren auf die Infrastrukturkosten im Hinblick auf die primärrechtlichen Vorgaben des AEUV zum Umweltschutz. Vor allem dem Art. 191 Abs. 2 AEUV kann die Verpflichtung auf das Ursprungs- und Verursacherprinzip entnommen werden. Gerade das Verursacherprinzip verlangt bei den Straßenbenutzungsgebühren eine Ausdehnung auf das gesamte Straßennetz und neben der Einbeziehung der Infrastrukturkosten auch eine vollständige Internalisierung der externen Kosten (Kostenwahrheit). (Törkel 1998, 9f; Sollberger 2003, 154) Hinzu kommt noch die Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV, wonach die Belange des Umweltschutzes auch in anderen Politiken der Gemeinschaft zu berücksichtigen sind, was aber bei der RL 1999/62/EG in Zweifel gezogen werden kann. (Epiney/Gruber 2001, 280f) Gerade die Kommission hat in den 1990er Jahren in einem Grün- und Weißbuch (KOM(95) 691 endg.; KOM(98) 466 endg.) auf das Problem der externen Kosten hingewiesen (vgl. KOM(95) 691 endg., 3) und Vorschläge zu deren Anrechnung nach dem Verursacherprinzip gemacht (vgl. Punkt 3.5.1). Der Kommissionsvorschlag zur Änderung der RL 93/89/EWG sah außerdem einen Zuschlag von bis zu 0,03 ECU/km auf die Mautgebühren vor (bei empfindlichen Strecken bis zu 0,5 ECU/km), der über die Deckung der Infrastrukturkosten hinaus zur Anlastung externer Kosten (Stau-, Luftverschmutzungs- und Lärmkosten) dienen sollte

281 EuGH, Rs. C-205/98 (Kommission/Österreich), Slg. 2000, I-7367 Rn. 136. 215

(KOM(96) 331 endg., 17). Diese Vorschläge fanden auch im Rat aber keine Mehrheit. (Hey 2000b, 76; Törkel 1998, 10) Gerade die Ablehnung von Zuschlägen auf empfindlichen Strecken (z. B. in den Alpen) erscheint im Lichte der verpflichtenden Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten gemäß Art. 191 Abs. 2 AEUV (vgl. Punkt 3.1.5) in Verbindung mit Art. 11 AEUV bedenklich. (Epiney/ Gruber 1997, 156; Kerschner/Wagner 2001, 47; Sollberger 2003, 123) Zuletzt betrifft noch ein weiterer Kritikpunkt die Kraftfahrzeugsteuer, von welcher durch die große Fülle von Ausnahmen keine ökologische Verhaltenssteuerung zu erwarten sein dürfte. (Epiney/Gruber 2001, 275) Richtlinie 2006/38/EG: Die RL 2006/38/EG282 brachte in einigen zuvor kritisierten Bereichen Änderungen gegenüber der RL 1999/62/EG. Bereits nach dem Inkrafttreten der RL 1999/62/EG wurde Kritik laut und die Erarbeitung einer neuen Richtlinie gefordert. Im Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik bis 2010 (KOM(2001) 370 endg.) wurde der Wunsch nach einer umfassenden Reform geäußert. Die Ankündigung der Kommission im Jahr 2002 eine Rahmen-Richtlinie vorzuschlagen (KOM(2001) 370 endg., 86), in der für alle Verkehrsträger die Grundsätze der Tarifierung der Infrastrukturkosten sowie die Gebührenstruktur festlegt werden sollten, wurde nicht verwirklicht. (Hartl/Wagner 2006a, 4) Andererseits machte die Einführung neuer Mautgebühren im Schwerverkehr durch Österreich (mit 1.01.2004) bzw. Deutschland (mit 1.01.2005) sowie deren Ankündigung durch weitere Mitgliedstaaten eine neue Richtlinie dringend erforderlich. Dadurch sollte eine weitere Zersplitterung der Gebührenerhebungen verhindert werden. (KOM(2003) 448 endg., 15) Schließlich präsentierte die Kommission nach mehreren Aufforderungen durch den Europäischen Rat (Europäischer Rat von Göteborg 2001, Kopenhagen 2002 und Brüssel 2003) und das Europäische Parlament283 am 23. Juli 2003 einen „Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der geltenden Richtlinie 1999/62/EG“ (KOM(2003) 448 endg.). Neben diesen Initiativen des Europäischen Rates und des Parlaments machte besonders die auslaufende Sonderregelung des österreichischen Transitvertrages (mit 31.12.2003) und die ebenfalls befristete Nachfolgeregelung der VO 2327/2003284 (bis 31.12.2006) die Notwendigkeit der Neuregelung der Wegekostenrichtlinie erforderlich. (Hartl/Wagner 2006a, 4; Obwexer 2005a, 663; Obwexer 2006, 339; KOM (2003) endg., 2f, 7; DP

282 RL 2006/38/EG des EP und des Rates vom 17.05.2006 zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. L 157 vom 9.06.2006, 8-23. 283 Vgl. EP, Bericht über die Erhebung von Verkehrsinfrastrukturgebühren. Berichterstatter Paolo Costa (Costa-Bericht 2000), A5-0345/2000 vom 21.11.2000. URL: [31.03.2015] 284 VO (EG) Nr. 2327/2003 des EP und des Rates vom 22.12.2003 zur Einrichtung einer auf Punkten basierenden Übergangsregelung für Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich für das Jahr 2004 im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrspolitik, ABl. L 345 vom 31.12.2003, 30-33. 216

23.07.2003; DS 4.07, 26.11.2003; SN 13.03.2003) Das Ziel dieser Änderungsrichtlinie ist „[…] die nach wie vor zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Systemunterschiede zu nivellieren, die intra- und intermodalen Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, eine rationellere Inanspruchnahme der Verkehrswege […] und die sozialen Kosten des Straßengüterverkehrs […] stärker zu berücksichtigen.“ (Frerich/Müller 2004a, 657) Zur Umsetzung dieser Vorschläge wurden folgende Neuerungen im Vergleich zu den bis dato geltenden Bestimmungen angeführt:  Einbeziehung aller Nutzfahrzeuge für den Gütertransport mit einem Gesamtgewicht von über 3,5 t; Begrenzung auf das TEN-V gemäß E 1692/96/EG und so genannte Ausweichstrecken von rund 60.000 km;  Bei Festlegung der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren stärkere Berücksichtigung der Infrastruktur- und der nicht gedeckten Unfallkosten;  Weitere Differenzierungsmöglichkeiten der Nutzungsentgelte (z. B. besonders sensible Gebiete, technische Merkmale der Fahrzeuge, Tageszeit und Stauneigung);  Verwendung der Einnahmen zur Instandhaltung der Straßeninfrastruktur unter Berücksichtigung des ausgewogenen Ausbaus der Netze alternativer Verkehrsträger (Querfinanzierung der Investitionskosten in besonders sensiblen Gebieten, z. B. Brenner)  Billigung von Ausgleichsmaßnahmen für Verkehrsunternehmer (Senkung der Kraftfahrzeugsteuersätze);  Einrichtung einer unabhängigen Infrastrukturaufsichtsbehörde. (Frerich/Müller 2004a, 657f; Kessler 2005, 244; KOM(2003) 448 endg., 5, 10-13, 19ff) „Demnach soll die ‚neue’ ‚Wegekosten-Richtlinie’ auf der geltenden ‚Wegekosten- Richtlinie’ aufbauen und diese in den relevanten Bestimmungen ändern. Sie ist daher nicht wirklich neu, sondern an das Grundkonzept der Basisregelung gebunden.“ (Obwexer 2006, 339) Zumindest enthielt der Kommissionsvorschlag Ansätze im Hinblick auf das Prinzip der Internalisierung von Umwelt- und Unfallkosten in die Mauthöhe. Ab Herbst 2003 befasste sich dann der Rat mehrmals mit dem Kommissionsvorschlag, wobei aber wegen unterschiedlichen Meinungen (z. B. Verwendung der Mauttarife, anrechenbare Kosten, Differenzierung der Mauttarife oder die Querfinanzierung) und Streitpunkten (z. B. periphere Mitgliedstaaten gegen zentrale Mitgliedstaaten bzw. Mitgliedstaaten mit viel Transitverkehr) keine Einigung zustande kam. Besonders Österreich unter dem damaligen Verkehrsminister Hubert Gorbach (2003-2007) präsentierte bei den Verhandlungen Forderungen, die in einigen Bereichen weit über den Vorgaben der Kommission und den Vorstellungen der anderen Mitgliedstaaten lagen. So trat Österreich z. B. für möglichst hohe Tarife zur Lenkung des Verkehrs ein, was zu einer breiten Gegnerschaft von Deutschland, Italien und den Niederlanden führte. (DP 9.03., 2.12.2004) Erst am 6. September 2005 gelang dem Verkehrsministerrat eine politische Einigung für einen Gemeinsamen

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Standpunkt.285 Im Gemeinsamen Standpunkt wurde das Anliegen der Anrechenbarkeit der externen Kosten aber weitgehend ausgehöhlt und durch die Einführung eines „Vielfahrerrabatts“ (Italien forderte bis zu 13% Rabatt) sogar ad absurdum geführt. Österreich gelang es in dieser Fassung u. a. die Finanzierung seines Infrastruktursystems aufrechtzuerhalten (bisherige Höhe der Brennermaut) und die Querfinanzierungszuschläge, die im Rat nicht unumstritten waren, beizubehalten. (DS 22.04., 23.04.2005; Hartl/Wagner 2006a, 4; Obwexer 2006, 339f; Kessler 2005, 246-249; Obwexer 2005a, 663) Das Europäische Parlament hatte bereits am 20. April 2004 in erster Lesung seine Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag abgegeben.286 Vorausgegangen war die Befassung des Vorschlages durch drei Ausschüsse, wobei der Verkehrsausschuss mit seinem Berichterstatter Cocilovo287 federführend agierte. Das Parlament forderte zahlreiche Änderungen, wie z. B., dass die Kommission zwei Jahre nach In Kraft treten der neuen Wegekostenrichtlinie ein Modell zur Berechnung der externen Umwelt- und Gesundheitskosten vorlegen soll. Schließlich gelang es doch noch die weit auseinander gehenden Positionen zwischen Rat und Parlament schrittweise anzunähern. (Hartl/Wagner 2006a, 5; DS 15.09.2005) Am 14. November 2005 sah der Bericht des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments weitergehende Änderungen vor, wie z. B. die Mautpflicht für Lkw über 3,5 t oder weitergehende Schritte hinsichtlich der Internalisierung der externen Kosten (z. B. automatischer Aufschlag von bis zu 60% für Gesundheits- und Umweltkosten).288 (DS 15.11.2005a; ORF ON 14.11., 15.11. 2005; SN 16.11.2005; Hartl/Wagner 2006a, 4) Daraufhin einigten sich Rat und Parlament im informellen Trilog auf einen Kompromissvorschlag, was dann am 15. Dezember 2005 zu einer Annahme der neuen Wegekostenrichtlinie im Parlament in zweiter Lesung führte.289 Der Kompromiss sieht vor, dass die einheitliche „EU-Maut“ vorerst nur für schwere Nutzfahrzeuge über 12 t gilt und ab 2012 auch Klein-Lkw ab 3,5 t mautpflichtig sind. Diese Tonnageausweitung

285 Rat, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 33/2005, 09856/1/2005 vom 6.09.2005, URL: [31.03.2015] 286 EP, Schwere Nutzfahrzeuge: Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege, P5_TA(2004)0305 vom 20.04.2004. URL: [31.03.2015] 287 EP, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG, Berichterstatter Luigi Cocilovo (Cocilovo-Bericht 2004), A5-220/2004 vom 23.03.2004. URL: [31.03.2015] 288 EP, Bericht zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG, Berichterstatterin Corien Wortmann-Kool, A6-0377/2005 vom 30.11.2005. URL: [31.03.2015] 289 EP, Schwere Nutzfahrzeuge: Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege, P6_TA(2005)0516 vom 15.12.2005. URL: [31.03.2015] 218

setzte das Europäische Parlament durch. Allerdings gab es durch deutschen Druck Ausnahmen und so mussten Klein-Lkw nicht einbezogen werden, wenn die administrativen Kosten über 30% betragen oder Verkehrsbehinderungen drohen. Nicht einbezogen in die Mautberechnung sind vorerst Unfall-, Stau-, Umwelt- und Gesundheitskosten. Auf Druck des Parlaments musste die Kommission aber bis 2008 ein „allgemein anwendbares, transparentes und nachvollziehbares Modell zur Bewertung aller externen Kosten [vorlegen], welches der künftigen Berechnung von Infrastrukturgebühren zugrunde gelegt werden soll“ (Art. 11 RL 2006/38/EG). Mit der Mitteilung zur Internalisierung externer Transportkosten 2008 erfüllte die Kommission diese Vorgabe (KOM(2008) 435 endg., vgl. Punkt 3.5.1). Die Änderungsrichtlinie 2006/38/EG wurde am 17. Mai 2006 beschlossen und trat am 6. Juni in Kraft. Von den Mitgliedstaaten war sie bis 10. Juni 2008 umzusetzen. (ATLR 2006, 21; SN 11.06.2006) Einen Erfolg konnte Österreich in der Causa Brennermautklage verbuchen: Durch den nun möglichen Mautaufschlag von 15% in „sensiblen Gebieten“ und von 25% in Bergregionen zur Querfinanzierung musste die Brennermaut nicht gesenkt werden, womit auch die Klage auf Eis gelegt wurde. Bis dahin war die Kommission nach wie vor der Meinung, dass die Maut immer noch zu hoch war. Dieser Mautaufschlag kann nun zur Querfinanzierung alternativer Verkehrsprojekte herangezogen werden. Italien kann aber Vielfahrern einen Rabatt von bis zu 13% gewähren, womit auch die Zustimmung Italiens zum Kompromiss verbunden war. (Luif 2007, 200; DS 15.12.2005a/b; DP 15.12. 2005; ORF ON 15.12. 2005; SN 16.12.2005) Diese Verhandlungen verdeutlichten wieder einmal die widersprüchlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten über die Gestaltung der gemeinsamen Verkehrspolitik. „Während periphere Länder wie Malta, Portugal oder Finnland eine möglichst kostengünstige und einheitliche Vergebührung des Schwerverkehrs in Europa anstreben, suchen zentral gelegene Mitgliedstaaten wie Österreich nach ‚Auswegen’ aus der Transitproblematik.“ (Hartl/Wagner 2006b, 65) Im Folgenden sollen nun die Reglungen der RL 2006/38/EG im Einzelnen angeführt werden:  Geltungsbereich: Der räumliche Geltungsbereich der RL 2006/38/EG erstreckt sich gemäß Art. 2 lit. a auf das gesamte transeuropäische Straßennetz (TEN-V) das im Anhang I Abschnitt 2 der E 1692/96/EG (idF der E 884/2004/EG) abgebildet ist (vgl. Punkt 3.4). Daneben ist nun auch die Möglichkeit gegeben Gebühren auf Strecken (Parallel- und/oder Ausweichstrecken) außerhalb der TEN –V einzuheben. Die Maut für diese Strecken hat sich nach den Regeln des AEUV zu richten, d. h. sie darf weder zu einer Diskriminierung des internationalen Verkehrs führen noch zu Wettbewerbsverzerrungen unter den Unternehmen. (Art. 7 Abs. 1). Der sachliche Geltungsbereich der RL umfasst ab 2012 alle Fahrzeuge und

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Fahrzeugkombinationen mit mehr als 3,5 t Gesamtgewicht, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr vorgesehen sind (Art. 2 lit. d; Art. 7 Abs. 2 lit. b). Ausschlussgründe für eine Gebührenausweitung auf Fahrzeuge unter 12 t bestehen, wenn sie erheblich negativ auf den freien Verkehrsfluss, die Umwelt, den Lärmpegel, Staubildungen oder Gesundheit auswirken oder Verwaltungskosten verursachen würden, die höher als 30% der zusätzlichen Einnahmen wären (Art. 7 Abs. 2 lit. c).  Höhe der Mautgebühren: Die Mautgebühr eine für die Fahrt eines Fahrzeugs auf einem der in Art. 7 Abs. 1 genannten Verkehrswege zu leistende Zahlung, deren Höhe sich nach der zurückgelegten Wegstrecke und dem Fahrzeugtyp richtet (Art. 2 lit. b). Allerdings hält die RL am Prinzip der ausschließlichen Anlastung der Infrastrukturkosten fest (Art. 7 Abs. 9), wonach sich die gewogenen durchschnittlichen Mautgebührenausdrücklich an den Baukosten sowie den Kosten für Betreib, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes orientieren. Sie können aber eine Kapitalverzinsung oder Gewinnmarge zu Marktbedingungen umfassen. Die gewogene durchschnittliche Mautgebühr umfasst sämtliche Einnahmen aus Mautgebühren in einem bestimmten Zeitraum, geteilt durch die Anzahl der in diesem Zeitraum in einem bestimmten mautpflichtigen Straßennetz zurückgelegten Fahrzeugkilometer, wobei sowohl die Einnahmen als auch die Fahrzeugkilometer für die mautpflichtigen Fahrzeuge berechnet werden (Art. 2 lit. ba).  Externe Kosten: Entgegen des Kommissionsvorschlags und der Vorschläge des Parlaments sollten die externen Kosten nach Ansicht des Rates in der RL 2006/38/EG völlig unberücksichtigt bleiben. Laut dem Kompromiss zwischen Parlament und Rat muss die Kommission aber einen Vorschlag zur Einbeziehung der externen Kosten bis 2008 erarbeiten (Art. 11). In der RL werden externe Kosten gemäß Art. 2 lit. b UAbs. aa Gedankenstrich ii lediglich im Rahmen der Kosten für Infrastrukturen oder Infrastrukturverbesserungen berücksichtigt, wobei diese speziellen Infrastrukturaufwendungen zur Verringerung der Lärmbelästigung oder zur Verbesserung der Verkehrssicherheit herangezogen werden dürfen sowie tatsächliche Zahlungen des Infrastrukturbetreibers für objektive umweltbezogene Aspekte einschließen (z. B. Schutz gegen Bodenverseuchungen).  Differenzierung der Mautgebühren: Die Mauthöhe kann unbeschadet der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren differenziert werden. Gemäß Art. 7 Abs. 10 lit. a muss diese Differenzierung ein bestimmtes Ziel verfolgen, wie z. B. die Bekämpfung von Umweltschäden oder die Verringerung der der Verkehrsüberlastung. Daneben ist auch die Differenzierung nach der EURO- Emissionsklasse290 (gemäß Anhang 0) und der Tageszeit, Tageskategorie oder Jahreszeit möglich (Art. 7 Abs. 10 lit. b). Bei den EURO-Emissionsklassen darf die Mautgebühr aber nicht über 100% der Gebühr liegen, die für gleichwertige Fahrzeuge erhoben wird, welche die strengsten Emissionswerte erfüllen. Auch beim letzteren Fall ist eine Deckelung des teuersten Mautsatzes mit maximal 100% der billigsten Tageszeit, Tageskategorie oder Jahreszeit vorgesehen. Wenn für den billigsten Zeitraum der Nulltarif gilt, so darf die teuerste Zeit 50% der normalerweise für das betreffende Fahrzeug zu entrichtenden Mautgebühr nicht überschreiten. Eine verpflichtende Mautdifferenzierung nach Emissionswerten bzw. im Fall von Konzessionssystemen soll spätestens ab 2010 erfolgen. Sonstige

290 EURO 0 bis Euro V bzw. EEV (Enhanced Environmentally Friendly Vehicle) (einschließlich der Höhe der PM- und NOx-Emissionen) 220

Differenzierungen der Mautgebühr sind nur ausnahmsweise für spezifische Projekte von großem europäischen Interesse zulässig (Art. 7 Abs. 10 lit. c).  Mautaufschläge (Querfinanzierung): In Ausnahmefällen kann nun auch in Bergregionen auf die durchschnittliche gewogene Maut einen Zuschlag erhoben werden (auch bei einer etwaigen Mautdifferenzierung). Nach der Unterrichtung der Kommission kann ein Mautaufschlag für bestimmte Straßenabschnitte erhoben werden, die von einer akuten, den ungehinderten Fahrzeugverkehr beeinträchtigenden Verkehrsüberlastung betroffen sind oder deren Benützung durch Fahrzeuge erhebliche Umweltschäden verursacht (Art. 7 Abs. 11). Die Einnahmen aus diesem Mautaufschlag müssen aber in vorrangige Vorhaben von europäischem Interesse nach Anhang III der E 884/2004/EG investiert werden, die unmittelbar zur Verringerung der betreffenden Verkehrsüberlastung bzw. der betreffenden Umweltschäden beitragen und die auf derselben Verkehrsachse liegen wie der Straßenabschnitt, für den der Mautaufschlag gilt. Des Weiteren darf der Mautaufschlag grundsätzlich nicht 15% der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren überschreiten, außer wenn die erzielten Einnahmen in grenzüberschreitende Abschnitte vorrangiger Vorhaben von europäischem Interesse im Hinblick auf die Infrastruktur in Berggebieten investiert werden, dann ist ein Aufschlag von 25% erlaubt. Allerdings fehlt eine Definition des Umfangs der Bergregionen und es betrifft ausschließlich das TEN-V. Die Erhebung dieses Mautaufschlags darf aber keine Benachteiligung des gewerblichen Verkehrs gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern zur Folge haben. Zudem müssen der Kommission vor der Erhebung des Aufschlags Finanzierungspläne für das neue Infrastrukturvorhaben (inklusive Vorausfestlegung des Zeitraums für die Erhebung des Zuschlags) und eine Kosten-Nutzen-Analyse vorgelegt werden. Bei neuen grenzüberschreitenden Vorhaben bedarf die Anwendung der Bestimmung der Zustimmung der betreffenden Mitgliedstaaten (Art. 7 Abs. 11).  Vielfahrerrabatt: Dieser Rabatt ist ein neues Element in der RL. Die Mitgliedstaaten dürfen ermäßigte Mautgebühren einführen, sofern die Bedingungen des differenzierten Mautsystems erfüllt sind (Art. 7 Abs. 10 lit. a), diese mit dem AEUV (insbesondere mit den Art. 18, 56, 106 und 107) vereinbar sind, sie keine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt bewirken, die Gebührenstruktur linear und proportional gestaltet ist, allen Benutzern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung steht und keine Zusatzkosten verursacht, die bei anderen Benutzern zu höheren Gebühren führt. Die Höhe der zulässigen Ermäßigung ist mit maximal 13% der Mautgebühr, die von gleichwertigen und nicht ermäßigungsberechtigten Fahrzeugen erhoben wird, begrenzt (Art. 7 Abs. 4b). Diese Ermäßigung ist der Kommission mitzuteilen, die dann die Vereinbarkeit mit den Art. Abs. 41 und b prüft und sie nach dem Verfahren des Art. 9c Abs. 2 genehmigt (Art. 7 Abs. 4c).  Benutzungsgebühren: Die Benutzungsgebühr ist eine zu leistende Zahlung, die während eines bestimmten Zeitraums zur Benutzung der in Art. 7 Abs. 1 genannten Verkehrswege (TEN-V und Ausweichrouten) durch ein Fahrzeug berechtigt (Art. 2 lit. c). Nach Art. 7 Abs. 2 besteht nach wie vor ein Wahlrecht der Mitgliedstaaten zwischen einer Maut- oder Benutzungsgebühr. Das Kumulierungsverbot von Maut- und Benutzungsgebühr für die Benutzung ein und desselben Straßenabschnitts gilt weiterhin, wobei aber weiterhin auf Straßennetzen, auf denen Benutzungsgebühren erhoben werden, auch Mautgebühren für die Benutzung von Brücken, Tunneln und Gebirgspässen gestatte sind (Art. 7 Abs. 3). Die jährlichen Maximalgebühren reichen von 797 bis 1.332 Euro bei dreiachsigen und von 1.329 bis 2.233 Euro bei vierachsigen Kraftfahrzeugen (jeweils Kategorie EURO IV bis EURO 0). Die Tagesgebühr wurde außerdem von acht auf elf Euro erhöht (Anhang II).

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 Verwendung der eingenommenen Gebühren: Nach Art. 9 Abs. 2 entscheiden die Mitgliedstaaten über die Verwendung der Einnahmen aus den Gebühren für die Nutzung der Straßeninfrastruktur. Allerdings sollten diese Einnahmen zum Nutzen des Verkehrssektors und zur Optimierung des Gesamtverkehrssystems eingesetzt werden, um den Ausbau des Verkehrsnetzes als Ganzes sicherzustellen. (Hartl/Wagner 2006a, 5f; Hartl/Wagner 2006b, 58-64; Hartl 2007, 6f; Obwexer 2006, 340-345; Obwexer 2005a, 663-666; Epiney et al. 2013, 72, 74; Heuck 2013, 454) Nach den inhaltlichen Ausführungen zur RL 2006/38/EG sollen nun noch einige positive und negative Aspekte angemerkt werden: Positiv zu beurteilen ist sicherlich die räumliche Ausdehnung der Mautpflicht, die es nun erlaubt auch auf anderen Strecken als Autobahnen, Brücken, Tunnels und Gebirgspässen Gebühren für schwere Nutzfahrzeuge einheben zu können. Dadurch können Mautflüchtlinge erfasst werden und dem Umfahrungsverkehr kann zumindest auf parallel verlaufenden Straßen zu den TEN-V entgegengewirkt werden. Eine grundsätzliche Handhabe gegen den Ausweich- und Umfahrungsverkehr bietet die RL aber nicht. Weiters ist auch die sachliche Ausdehnung der Mautpflicht auf gewerbliche Nutzfahrzeuge über 3,5 t höchstzulässigem Gesamtgewicht zu begrüßen. Bei der Maut sind die zusätzlichen Differenzierungskriterien hervorzuheben, aber eine zusätzliche höhere Einnahmenerzielung ist verboten. Eine Mauterhöhung muss an anderer Stelle durch eine entsprechende Senkung ausgeglichen werden, wodurch dieses Instrument ausschließlich der Verkehrslenkung dient. Der Querfinanzierungszuschlag in Bergregionen ist zwar insgesamt als Fortschritt zu werten, aber er ist „[…] im Hinblick auf einen effizienten Schutz der Alpenregion vor Transit und dem hohen Finanzierungsbedarf alternativer Infrastruktur somit rigide ausgefallen.“ (Hartl/Wagner 2006b, 61) Für Österreich ist vor allem die Möglichkeit des 25%-Zuschlags in grenzüberschreitenden Bergregionen zur Finanzierung alternativer Verkehrsprojekte von Bedeutung (BBT). Diese Voraussetzung erfüllt der Brenner-, nicht aber z. B. der Tauernkorridor. (Hartl/Wagner 2006b, 61) Ein Kritikpunkt, wie bei der RL 1999/62/EG, betrifft nach wie vor fehlende Einberechnung der externen Kosten in die Gebühren, womit die Kostenwahrheit im Verkehr weiterhin in der Warteschleife bleibt. „Dies erscheint vor dem Hintergrund der umweltschutzrechtlichen Vorgaben […] [der Verträge (Art. 3 EUV, Art. 11 iVm Art. 191 AEUV)] sowie der Alpenkonvention und ihres Verkehrsprotokolls […] bedenklich.“ (Hartl/Wagner 2006b, 58) Wie bereits in Punkt 3.1.5 angeführt gehört ein hohes Maß an Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität zu den Zielen der Union. Dieses Ziel ist von allen Unionsorganen zu beachten (Art. 3 EUV). Trotz des großen Ermessungsspielraums der Unionsorgane bei der Festlegung eines hohen Schutzniveaus, ist es laut Verträgen eine rechtliche Verpflichtung, die grundsätzlich justiziabel ist (Art. 11 iVm Art. 191 AEUV).

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Zudem ist die Union als Vertragspartner der Alpenkonvention völkerrechtlich verpflichtet eine ganzheitliche Politik zur Erhaltung und zum Schutz der Alpen sicherzustellen (Art. 2 Abs. 1 AlpK). (Hartl/Wagner 2006b, 58) Fraglich war daher auch die rechtliche Verträglichkeit zwischen der RL 2006/38/EG und dem Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention im Bereich der externen Kosten (vgl. Punkt 2.1.5) Außerdem ist negativ anzumerken, dass die pauschalen Benutzungsgebühren doch eher zu einer gesteigerten Nutzung der Verkehrswege führen und keinerlei Lenkungseffekte haben. Dasselbe betrifft den von Italien hineinverhandelnden Vielfahrerrabatt von 13%. (Hartl/Wagner 2006b, 61- 63) „Kostenwahrheit wird aber erst dann vorherrschen, wenn die Internalisierung der vom Schwerverkehr verursachten Kosten in realer Höhe erfolgt und ein einheitliches Berechnungsschema für die Vergebührung aller Verkehrsträger im Gebiet der Union Anwendung finden wird.“ (Hartl/Wagner 2006b, 65) Richtlinie 2011/76/EU: Gemäß Art. 11 RL 2006/38/EG soll die Kommission nach fünf Jahren (bis 10.06.2011) einen Bericht zur Anwendung der Richtlinie vorlegen, womit auch ein Gesetzesvorschlag zur Einbeziehung der externen Kosten verbunden sein soll (vgl. auch KOM(2008) 435 endg.). Die letzte Entscheidung darüber soll aber bei den Mitgliedstaaten und dem Parlament liegen. Dieser Verpflichtung ist die Kommission nach Ersuchen des Parlaments nachgekommen und hat am 8. Juli 2008 einen Vorschlag zur Änderung der RL 1999/62/EG vorgelegt (KOM(2008) 436 endg.). Durch eine nochmalige Überarbeitung der Wegekostenrichtlinie soll es den Mitgliedstaaten erlaubt sein, die durch den Schwerverkehr verursachten externen Kosten (Umweltverschmutzung und Staus) zu internalisieren. Bei der Gebührenerhebung für schwere Nutzfahrzeuge soll demnach ein Betrag integriert werden, der die entstehenden verkehrsbedingten Kosten durch Luftverschmutzung, Lärmbelastung und Staus (z. B. zu Spitzenzeiten) widerspiegelt. Dieser Betrag wird nach der EURO- Emissionsklasse, der zurückgelegten Entfernung, dem Ort und der Zeit der Straßennutzung variiert. Die daraus entstehen Einnahmen müssen von den Mitgliedstaaten zur Steigerung der Nachhaltigkeit des Verkehrs verwendet werden (z. B. Forschungs- und Entwicklungsprojekte für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge). Für die Anlastung dieser Kosten müssen die teilnehmenden Mitgliedstaaten unabhängige Stellen beauftragen, die sie nach einer gemeinsamen Methode berechnen und künftigen Veränderungen anpassen sollen (Vermeidung von Diskriminierung). Erhoben werden sollen die Gebühren durch ein elektronisches System, das den Verkehrsfluss nicht hemmen darf und zu keinen lokalen Beeinträchtigungen an Mautstellen führen soll. Ein wichtiger Punkt ist auch noch der Geltungsbereich der Richtlinie, der nun über das TEN-V hinausgehen soll und auch andere

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Fernstraßen erfassen soll. Auch weiterhin soll das Einheben einer „City-Maut“ gestattet sein. Für Österreich ergaben sich aus dem Kommissionsvorschlag Umweltzuschläge zwischen 25 bis 30% in sensiblen Regionen sowie von bis zu 20% auf den übrigen Mautstrecken. Allerdings werden von diesen neuen Mautaufschlägen die bisherigen Sonderaufschläge am Brenner (für den BBT) abgezogen, da ein Kumulierungsverbot enthalten ist. (KOM(2008) 436 endg., 10f; Ehlotzky/Kramer 2009, 195-198; Epiney/Heuck 2012, 169; Heuck 2013, 454f; DS 17.06.2008a/b; 08.07.2008a/b/c; 09.07.2008; TT 08.07.2008; Befragung Aschwanden 2006; Kaschnitz Interview 2008) Am 15. Oktober 2008 präsentierte der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments einen Entwurf eines Berichts zum Kommissionsvorschlag, worin rund 41 Änderungsanträge enthalten sind, die sich vor allem im Themenbereich externe Kosten bewegen.291 (DS 9.09.2008) Schließlich wurde der Bericht mit 31 Änderungsanträgen am 18. Februar 2009 dem Plenum in erster Lesung vorgelegt.292 (DP 10.02., 11.02.2009a/b; ORF ON 12.02.2009; TT 12.02. 2009) Der entsprechende Text wurde am 11. März 2009 vom Europäischen Parlament in erster Lesung angenommen. Besonders hervorzuheben sind folgende Punkte: Auf die bisherige normale Maut sollen künftig null bis 16 Cent pro km (abhängig nach Euro-Klasse bzw. benützter Straße) für verkehrsbedingte Abgase aufgeschlagen werden. Beim Thema Verkehrslärm können die maximalen Aufschläge in der Nacht doppelt so hoch sein, wie am Tag (z. B. bei Stadtautobahnen). Die Obergrenzen bewegen sich zwischen zwei und 1,1 Cent in urbanen Gebieten und 0,23 bzw. 0,13 in ländlichen Gebieten. Die Staukosten können auf Überland- Autobahnen mit Stauaufschlägen zwischen zwei und sieben Cent weitergereicht werden (spezielle Tarife auf besonders befahrenen Strecken zwischen 20 und 65 Cent in Stoßzeiten). Nicht zu vernachlässigen ist der „Alpenfaktor“ für Österreich. Auf die speziellen topgraphischen und klimatischen Bedingungen soll Rücksicht genommen werden, z. B. darf der Abgas-Zuschlag verdoppelt und der Lärmaufschlag verfünffacht werden. Dadurch werden die Mauttarife z. B. auf dem Brennerkorridor erhöht, was vornehmlich den Regionalverkehr betrifft. Im internationalen Verkehr wird sich der Preis nur minimal erhöhen, da der Mautaufschlag nur einen relativ kurzen Abschnitt betrifft.

291 EP, Entwurf eines Berichts zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG, Berichterstatter Saïd El Khadraoui, PE414.029 vom 15.10.2008. URL: [31.03.2015] 292 EP, Bericht zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG, Berichterstatter Saïd El Khadraoui, A6-0066/2009 vom 18.02.2009. URL: [31.03.2015] 224

Insgesamt ist es ein Nullsummenspiel, das keine Transit-Verlagerung mit sich bringt. Zudem bleibt als Negativpunkt des Beschlusses zu bemerken, dass es keinerlei Verpflichtung für die Einführung dieser Aufschläge für die EU-Staaten gibt und diese vorerst nur auf Autobahnen (und einigen ausgewählten Strecken) für Lkw über 12 t gelten sollen.293 Bis Oktober 2010 konnten sich die EU-Staaten im Ministerrat auf keinen Kompromiss einigen. Ähnlich wie bei der vorhergegangenen Novelle standen sich Befürworter wie Österreich, Frankreich und Luxemburg und „Bremser“ wie Spanien, Italien, Estland und Finnland gegenüber. (Ehlotzky/Kramer 2009, 193; Epiney/Heuck 2012, 169; Heuck 2013, 455; DP 11.03.2010a/b; DS 10.03., 11.03., 30.03. 2009; ORF ON 11.03.2009; TT 11.03.2009) Im Programm der belgischen Ratspräsidentschaft (zweites Halbjahr 2010) war auch die positive Verabschiedung der Änderungsrichtlinie durch den Rat vorgesehen, wobei seit Oktober 2010 Initiativen dahingehend gesetzt wurden. (Belgische Ratspräsidentschaft 2014, 32294; DS 7.10.2010) Der Durchbruch nach dem jahrelangen Tauziehen gelang dann schließlich beim Verkehrsministerrat am 15. Oktober 2010 in Luxemburg. Für die neue Richtlinie stimmte einen Mehrheit der EU-Staaten, wobei Italien, Spanien und Portugal dagegen votierten. Die Niederlande und Irland enthielten sich. Nach der politischen Einigung legte der Rat erst am 14. Februar 2011 seinen gemeinsamen Standpunkt vor.295 Im Detail sollen Lkw über 12 t auf dem gesamten Autobahnnetz und ausgewählten Strecken des TEN-V (ca. 30.000 km) für Lärm, Schadstoffe und Staukosten Mautaufschläge zahlen. Erstmals soll damit in der EU das Verursacherprinzip zur Anwendung kommen. Allerdings steht es den Mitgliedsstaaten frei diese Aufschläge zu verlangen, aber im Gegenzug können auch Lkw ab 3,5 t einbezogen werden. Im Kompromiss des Verkehrsministerrates sind aber auch längere Übergangsbestimmungen für die schadstoffarmen EURO-Klassen V und VI bis 2013 bzw. 2017 enthalten. Im Detail sieht die RL einen Schadstoffaufschlag von maximal 16 Cent pro Lkw und km auf Stadtautobahnen vor sowie auf Fernstraßen bis zu zwölf Cent. Der Lärmaufschlag soll am Tag 1,1 Cent/km in Stadtgebieten und 0,2 Cent/km auf Fernstraßen betragen dürfen. Der

293 EP, Legislative Entschließung des EP vom 11.03 2009 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG, P6_TA(2009)0113 vom 11.03.2009. URL: [31.03.2015] 294 URL: [31.03.2015] 295 Rat, Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der RL 1999/62/EG, 15145/1/2010 vom 15.10.2010. URL: [31.03.2015]; Standpunkt (EU) Nr. 6/ 2011 des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge Vom Rat am 14. Februar 2011, ABl. C 77E vom 11.03.2011, 1-20. 225

Nachtzuschlag auf die Mauten soll maximal zwei Cent in urbanen und 0,3 Cent/km in ländlichen Gebieten ausmachen. In Spitzenzeiten zur Vermeidung von Staus darf die Maut für täglich fünf Stunden um 175% erhöht werden. Insgesamt müssen die Staukosten aber Einnahmenneutral sein, was durch eine Verbilligung auf weniger befahrenen Strecken erreicht werden soll. In Berggebieten ist eine Verdopplung der Lärm- und Schadstoffzuschläge erlaubt, was auch hier ein gewisses Entgegenkommen für Österreich bedeutet. Für den Brennerkorridor würde die neue RL aber nur eine marginale Verteuerung bringen, da das „Kumulierungsverbot“ die gleichzeitige Verrechnung von Mautaufschlägen für externe Kosten und den 25%-Aufschlag für die Querfinanzierung des BBT verbieten würde. Insgesamt dürfte die neue Mautrichtlinie laut Berechnungen der Kommission zusätzliche Mehreinnahmen von drei bis vier Cent/km bringen, aber es ist keine Zweckbindung für die Verwendung der zusätzlichen Maßnahmen für den Umweltschutz vorgesehen. Die Einnahmen aus den externen Kosten können auch zur Stopfung vorhandener Haushaltslöcher verwendet werden. Für ein Inkrafttreten musste allerdings noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments erfolgen, wobei aber erst ein Kompromiss zwischen beiden Positionen gefunden werden musste. Im Vergleich zum Ratsvorschlag ging das Parlament in der ersten Lesung 2009 in einigen Punkten erheblich weiter. Wie oben bereits erwähnt, war auch kein Kumulierungsverbot am Brenner vorgesehen. (Ehlotzky 2014, 242; Epiney/Heuck 2012, 169; DS 15.10.2010a/b; DS 15.10.2010a/b; ORF ON 15.10.2010; TT 15.10.2010) Am 18. Februar 2011 wurde dem Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr der Entwurf des Berichts zur zweiten Lesung vorgelegt.296 Der Bericht sah im Gegensatz zum Ratsstandpunkt eine teilweise Zweckbindung der Mauteinnahmen für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vor. Auch das Einbinden von Lkw ab 3,5 t soll gewährleistet werden. Ausnahmen davon soll es nur dann geben, wenn mit der Exekutierung zu hohe administrative Kosten verbunden wären oder eine Verlagerung auf Ausweichrouten zu befürchten wäre. Deutschland lehnte eine solche Ausdehnung auf Klein-Lkw bisher ab und wollte die Neuregelung nur für Lkw über 12 t. Eine Erhöhung der Maut um 200% soll zu Spitzenzeiten für acht Stunden erlaubt werden (Ratsvorschlag 175% für fünf Stunden). Im Gegensatz dazu erfolgt aber eine Senkung auf anderen Routen, damit keine zusätzlichen Mauteinnahmen entstehen. Für Österreich sah der Bericht aber nun eine bisher verbotene Addierung des Infrastrukturzuschlages für

296 EP, Entwurf einer Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG, Berichterstatter Saïd El Khadraoui, PE458.661 vom 18.02.2011. URL: [31.03.2015] 226

Berggebiete mit den Zuschlägen für Lärm und Luftverschmutzung vor. Beschränkt ist diese Anrechnung aber auf die EURO Klassen 0 bis III, womit ein Anreiz zur Flottenerneuerung gegeben würde. (Ehlotzky 2014, 243; DS 14.03.2011; DP 15.03.2011) Die Abstimmung über den Entwurf des Berichtes fand am 12. April 2011 im Verkehrsausschuss statt. Mit 27 Ja-Stimmen, einer Enthaltung und elf Nein-Stimmen wurde der Bericht angenommen. Die zweite Lesung im Plenum fand schließlich am 7. Juni 2011 statt.297 Bei der Abstimmung im Parlament votierten 505 Abgeordnete für die höheren Mautgebühren, 141 stimmten gegen die „Eurovignette III“. Erlaubt sind nun Zuschläge für Lärm- und Luftverschmutzung. Auf dem Brennerkorridor ist neben dem 25%-Aufschlag auch ein Kostenaufschlag für externe Kosten möglich. Allerdings nur für so genannte „alte Stinker“ der EURO Klassen 0 bis II, die in den Alpen kaum noch unterwegs sind. Die EURO IV Lkw werden erst am dem Jahr 2014 miteinbezogen. Zusätzliche Mauten in sensiblen Gebieten sind aber nach wie vor nicht erlaubt. Kritik an dieser „Kann-Bestimmung“ kam von der österreichischen Transportwirtschaft. Durch diese Lenkung würden insbesondere internationale Transportunternehmen bevorzugt, da sie ihre Transporte außerhalb dieser Stoßzeiten abwickeln können, während die regionalen Verteiler aufgrund der Kundenvorgaben gebunden sind. Kritik kam von Seiten der Grünen, die die Verwässerung des ursprünglichen Vorschlages bedauerten. Offenbar hat sich laut der Meinung der Grünen wieder einmal die Transportlobby durchgesetzt. Auch die SPÖ sah den Erfolg etwas enttäuschend, aber bei einer Ablehnung wäre das Thema externe Kosten für die nächsten Jahre vom Tisch. Lediglich die ÖVP war damit vollstens zufrieden. Allen voran standen Italien, Spanien, Portugal, die Niederlande und Irland der Änderungsrichtlinie ablehnend bis kritisch gegenüber. (ORF ON 13.04, 7.06.2011; DP 7.06.2011; DS 7.06.2011a/b; Epiney/Heuck 2012, 169) Am 12. September billigte der Rat die Änderungswünsche des Parlaments. Gegen den Kompromiss der beiden Institutionen (Trilog) vom 23. Mai 2011 stimmten Italien und Spanien. Irland, die Niederlande und Portugal enthielten sich der Stimme.298 Schließlich wurde die Änderungsrichtlinie 2011/76/EU299 am 27. September 2011 beschlossen und trat am 15. Oktober in Kraft. Bis spätestens 16. Oktober 2013 mussten die

297 EP, Legislative Entschließung des EP vom 7.06.2011 zum Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG, T7- 0252/2011 vom 7.06.2011. URL: [31.03.2015] 298 Rat, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 1999/62/EC on the charging of heavy good vehicles for the use of certain infrastructures (second reading), Adde_dum to “I/A” Item_ote, 2008/0147(COD) vom 2.09.2011. URL : [31.03.2015] 299 RL 2011/76/EU des EP und des Rates vom 27. September 2011 zur Änderung der RL 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge Text von Bedeutung für den EWR, ABl. L 269 vom 14.10.2011, 1–16. 227

Mitgliedstaaten die Richtlinie umsetzen. (Ehlotzky 2014, 243f; Epiney/Heuck 2012, 170; Heuck 2013, 455f; EK 2015300) Mit der neuen Wegekostenrichtlinie wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Kostenwahrheit gesetzt. Neben den Kosten für die Infrastruktur (Art. 2 lit b ba) ist es nun auch möglich die externen Kosten für Luftverschmutzung (Art. 2 lit. b bc) und Lärm (Art. 2 lit. b bd) den Benützern bzw. Verursachern anzulasten. Die Höchstsätze für die Luftschadstoffkosten richten sich nach den EURO-Klassen der Fahrzeuge und nach der Straßenkategorie („Fern-“ oder „Vorstadtstraße“). (vgl. Anhang IIIa Abs. 2). Bei den Höchstsätzen für die Lärmkosten wird neben der Straßenkategorie auch die Tageszeit (Tag oder Nacht) berücksichtigt. Die Anhebung der Maut in Stoßzeiten um bis zu 175% wird ebenfalls ermöglicht. Allerdings nur für maximal fünf Stunden pro Tag. Gleichzeitig bezahlen die Lkw außerhalb dieser Stauzeiten weniger Maut und insgesamt muss die Summe der Mauteinnahmen gleich bleiben (Art. 7g Abs. 3). Für Fahrzeuge, die die strengsten EURO-Standards erfüllen gibt es bei den Gebühren für Luftschadstoffe Ausnahmen. EURO V-Fahrzeuge und EURO VI-Fahrzeuge sind bis 31.12.2013 bzw. 31.12.2017 von diesen Gebühren befreit (Art. 7c Abs. 3). Die Höchstsätze für die Gebühren sind im Anhang IIIb der Richtlinie enthalten. Diese Gebühren werden von den Mitgliedstaaten festgelegt und von der Kommission geprüft und genehmigt (Art. 7 f Abs. 3). (Ehlotzky 2014, 253-255; Ehlotzky 2012, 160f; Epiney/Heuck 2012, 170, 174f, 177f; Heuck 2013, 459f, 467-476; Schroeder 2012, 33; Epiney et al. 2013, 76f) Bisher durften die Gebühren grundsätzlich nur auf dem transeuropäischen Straßennetz erhoben werden. Mit der neuen Richtlinie wurde dies auf alle Autobahnen ausgedehnt (Art. 7. Abs. 1). Nach wie vor ist es den Mitgliedstaaten erlaubt Fahrzeuge unter 12 t von der Maut zu befreien, wenn die Anwendung der Maut nachteilige Auswirkungen oder übermäßige administrative Kosten verursachen würde. Die Kommission muss aber von den Mitgliedstaaten über die Gründe für eine solche Entscheidung informiert werden (Art. 7 Abs. 5). (Ehlotzky 2014, 245f; Ehlotzky 2012, 158f; Epiney/Heuck 2012, 171; Heuck 2013, 459-461) Über die erwirtschafteten Einnahmen aus den externen Kosten können die Mitgliedstaaten frei verfügen – es gibt keine Zweckbindung. Allerdings enthält die Richtlinie Empfehlungen den Verkehr mit den Einnahmen nachhaltiger zu gestalten. Dazu zählen die Förderung einer wirksamen Kostenanlastung, die Verringerung der straßenverkehrsbedingten

Umweltverschmutzung an ihrem Ursprung, die Verringerung des CO2-Ausstoßes und die

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Verbesserung der Energieeffizienz von Fahrzeugen, die Entwicklung alternativer Infrastrukturen und/oder der Ausbau der derzeitigen Kapazitäten, die Unterstützung des transeuropäischen Verkehrsnetzes, die Optimierung der Logistik, die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit und die Bereitstellung sicherer Parkplätze. (Art 9 Abs. 2). (Ehlotzky 2014, 258f; Epiney/Heuck 2012, 173; Heuck 2013, 480f) In den Bergregionen dürfen maximal doppelte Höchstsätze (so genannter „Alpenfaktor“) eingehoben werden. Allerdings sind diese externen Kosten abhängig von den besonderen geographischen und physikalischen Gegebenheiten. Insbesondere sind Straßensteigungen bzw. -gefälle, Temperaturinversion und/oder der Amphitheatereffekt von Tälern zu berücksichtigen. Eine Definition des Begriffes „Bergregion“ fehlt aber in der Richtlinie. Zusätzlich gilt ein Kumulierungsverbot, wenn auf der betroffenen Strecke bereits ein Querfinanzierungszuschlag für vorrangige TEN-Projekte eingehoben wird. Der Querfinanzierungszuschlag muss dann mit den externen Kosten gegengerechnet werden (Art. 7f Abs. 1 und Abs. 5). Eine Ausnahme gibt es für Fahrzeuge der EURO-Kategorie 0 bis II ab 15. Oktober 2011 und für EURO III ab 2015 (Art. 7f Abs. 5). Sämtliche Einnahmen müssen zur Finanzierung der vorrangigen TEN-Projekte verwendet werden. Auf Strecke, wo trotz gegebener Voraussetzungen kein Querfinanzierungszuschlag eingehoben wird, dürfen auch keine externen Kosten angelastet werden (Art. 7f Abs. 4). (Ehlotzky 2014, 256-258; Ehlotzky 2012, 162f; Epiney/Heuck 2012, 176f; Epiney et al. 2013, 74f); Heuck 2013, 464, 477-480) Bis zum 16. Oktober 2015 muss die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Durchführung und die Wirkung dieser Richtlinie vorlegen. Insbesondere soll dabei über die Wirksamkeit der Bestimmungen zur Anlastung der durch die verkehrsbedingten Umweltverschmutzung verursachten Kosten berichtet werden. Auch über eine Einbeziehung von Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht über 3,5 und unter 12 t in das Mautsystem soll Bericht erstattet werden (Art. 11 Abs. 2). (vgl. Epiney/Heuck 2012, 170f) Mit der neuen Wegekostenrichtlinie ist ein erster Schritt in Richtung Kostenwahrheit gelungen. Allerdings zeigt die Analyse, dass „[…] die neu eingeführten Modifikationen in erster Linie auf einem politischen Kompromiss zwischen den wirtschaftlichen Interessen und den notwendigen Umweltschutzmaßnahmen beruhen.“ (Heuck 2013, 482) Bisher durften nur so viel Maut eingehoben werden, dass die Kosten für den Bau und die Erhaltung der Straßen abgedeckt sind. Durch die Einbeziehung der externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärm ist erstmals ein gewisser ökologischer Lenkungseffekt

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möglich. Nach wie vor unberücksichtigt bleiben aber die Unfallfolgekosten, die CO2-Kosten und die Staukosten. Zudem sind die maximalen Höchstsätze und die Übergangsfristen für Fahrzeuge mit neuen Emissionsstandards zu hinterfragen. Auch das Kumulierungsverbot von Querfinanzierungszuschlägen und externen Kosten in den Berggebieten ist negativ anzumerken. Allerdings müssen erst noch die Berggebiete genau definiert werden, wo der „Alpenfaktor“ Anwendung finden soll. Zusätzlich müssen auch die Autobahnen in „Fern-“ und „Vorstadtstraßen“ klassifiziert werden. Schließlich sichert sich die Kommission zudem eine umfassende Pflicht zur Berichterstattung über die gesetzten Maßnahmen in den Mitgliedstaaten. Bisher wurde in Österreich auch noch nicht festgelegt, wofür die zusätzlichen Einnahmen aus den Gebühren für die externen Kosten verwendet werden sollen (vgl. BMVIT 2014301). „Man kann also auch nach der neusten Modifikation der Wegekostenrichtlinie mit guten Gründen vertreten, dass die Verkehrspolitik der Union derart einseitig auf Liberalisierung bzw. die Verwirklichung des Binnenmarkts und damit auch der Dienstleistungsfreiheit ausgerichtet ist und keine wirklich effektiven Maßnahmen für eine nachhaltige Verkehrspolitik in der EU erkennen lässt […].“ (Epiney/Heuck 2012, 179)

3.6 FAZIT ZUR EUROPÄISCHEN VERKEHRSPOLITIK

Als Fazit ist festzustellen, dass die Union mit den im AEUV zur Verfügung gestellten Kompetenzen über einen großen Spielraum verfügt. Sie kann durch rechtliche Vorgaben die Verkehrsströme und auch die Gewohnheiten der Bürger in großem Maße beeinflussen. Die europäische Verkehrspolitik hat nach jahrzehntelanger Untätigkeit und Stagnation durch die Errichtung des Binnenmarktes einen enormen Schub erhalten. Dabei wurde aber der politische Fokus Großteils auf die Liberalisierung gelegt und keine ganzheitliche Verkehrspolitik verfolgt. Gefördert wurde vor allem der Straßenverkehr (Güter- und Personenverkehr). Durch die Liberalisierung und große Investitionen in die Straßeninfrastruktur wurde dieser Verkehrssektor extrem bevorzugt. Mit der damit einhergehenden Verlagerung des Transportaufkommens verlor die Bahn an Bedeutung. Im Bahnsektor kam es erst relativ spät zu ersten langsamen Liberalisierungsschritten, wobei aber einzelne Mitgliedstaaten ihre Staatsbahnen vor allzu großem Wettbewerb zu schützen versuchen. All dies führte zu verkehrsbedingten Umweltbelastungen, die erst in den 1990er Jahren als ernstes Problem erkannt wurden. In zahlreichen Grün- und Weißbüchern hat die Kommission auf dieses Problem hingewiesen und mit einer umweltverträglichen

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Verkehrspolitik für Aufsehen gesorgt. Bei der Umsetzung wurden aber die Umweltbelange meist in den Hintergrund gestellt und die alten ökonomischen Aspekte beibehalten, um auf die zahlreichen Interessen der Mitgliedstaaten und Wirtschaftszweige Rücksicht zu nehmen. So sind fehlt immer noch im Bereich der Tarifierung die Einbeziehung der externen Kosten in die Preise der einzelnen Verkehrsträger (Harmonisierungsdefizite). Des Weiteren mangelt es an Kostentransparenz, da es bisher kein einheitliches europäisches Mautsystem gibt und auch die Mineralölsteuer nur auf ein Mindestmaß harmonisiert wurde. Im Bereich der Infrastruktur mangelt es der europäischen Verkehrspolitik aber an finanziellen Lösungen bei den Infrastrukturkonzepten.

231

TEIL IV: ÖSTERREICHISCHE VERKEHRSPOLITIK 4. RECHTLICHE UND INHALTLICHE VORGABEN DER ÖSTERREICHISCHEN VERKEHRSPOLITIK

4.1 DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN

4.1.1 Allgemeines

Im nachfolgenden ersten Teil des Kapitels wird das österreichische Verkehrsrecht dargestellt. Anzumerken ist aber, dass nur die Rechtslage im Bereich des Straßen-, Eisenbahn- und Kombinierten Verkehrs sowie Umweltbelange explizit angesprochen werden. Einleitend bleibt anzuführen, dass das Verkehrsrecht aufgrund der föderalen Gestaltung des Staates zersplittert ist (vgl. Art. 2 B-VG). Durch dieses bundesstaatliche Prinzip sind die Länder durch den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt. Des Weiteren besitzen die Länder eine autonome Landesverwaltung und haben bei der Vollziehung des Bundes im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung eine Mitwirkungsbefugnis. Neben der föderalen Kompetenzaufspaltung ist im österreichischen Verkehrsrecht immer noch die Trennung in die verschiedenen Verkehrsträger (Straße/Schiene/Luft- und Schifffahrt) vorhanden. „Österreich kennt derzeit kein sachlich abgestimmtes, koordiniertes Verkehrsrecht.“ (Kerschner 2001a, 93) Dazu kommen noch die geringen Ausgestaltungsmöglichkeiten des österreichischen Gesetzgebers im Bereich Verkehrsrecht, da die Dominanz von internationalen und europarechtlichen Vorgaben für das innerstaatliche Recht enorm ist. (Schäfer 2000, 139f) Allen voran ist „[…] die österreichische Verkehrspolitik […] in die europäische Verkehrspolitik eingebunden.“ (Resch 2007, 952) Das österreichische Verkehrsrecht lässt sich analog zum europäischen bzw. schweizerischen in ein nominales und funktionales Verkehrsrecht gliedern. (Kerschner et al. 2001, 62; vgl. Sollberger 2003, 108, 119) „Nominales Verkehrsrecht enthält jene Regelungen, die ausdrücklich unter dem Titel Verkehr erlassen werden […].“ (Kerschner et al. 2001, 62) Darunter sind z. B. explizit die Straßenverkehrsordnung (StVO 1960), das Kraftfahrgesetz (KFG 1967), das Bundesstraßengesetz (BStG 1971), das Bundesstraßen-Mautgesetz (BStMG 2002), das Güterbeförderungsgesetz (GütBefG 1995), das Bundesbahngesetz (BBG 1992), das Eisenbahnbeförderungsgesetz (EBG), das Eisenbahngesetz (EisbG 1957) oder das Hochleistungsstreckengesetz (HL-G) zu nennen. Auch die Umsetzung sämtlicher sekundärrechtlicher Rechtsakte der Europäischen Union zum Thema Verkehr fällt darunter.

232

„Unter funktionalem Verkehrsrecht versteht man hingegen alle jene Normen, die in der Sache Bedeutung, Einfluss auf die Verkehrsgestaltung nehmen.“ (Kerschner et al. 2001, 62) Allen voran sind für den Verkehr die Bereiche Raum- und Bauordnung, Umweltschutz, Finanzplanung, Abgaben, Beihilfen etc. als funktionales Verkehrsrecht bedeutend. Gerade im Bereich des Straßen- und Eisenbahnverkehrs spielt der Umweltschutz eine bedeutende Rolle. Besonders wird auf die gesetzlichen Regelungen im Bereich der Schadstoffemissionen, des Lärmschutzes und der Umweltverträglichkeit hingewiesen (z. B. IG-L, Bundes-LärmG, UVP-G 2000, SV-P-Gesetz).

4.1.2 Verkehr im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Die rechtlichen Vorgaben für die Kompetenzsaufteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich Verkehr sind in Österreich im Bundes-Verfassungsgesetz302 in den Art. 10, 11, 13, 15 B-VG enthalten (vgl. Steininger 2009, 71f; Höfler 2004, 12f; Hachsteiner 2012, 73). Art. 10 B-VG: Nach Art. 10 Abs. 1 B-VG entfallen folgende Angelegenheiten, die den Verkehr betreffen in die ausschließliche Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes:  Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahn […], soweit diese nicht unter Art. 11 fällt; Kraftfahrwesen; Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundestraßen erklärten Straßenzüge außer der Straßenpolizei; […]; Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraßen und Eisenbahn-Hochleistungsstrecken, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Zeile 9)  Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzen entstehen; Luftreinhaltung […] (Zeile 12) „Der Kompetenzstand normiert keine Einschränkung in dem Sinne, dass nur ein Teil des Eisenbahnwesens, nämlich das Verkehrswesen in einem engeren Sinne der Kompetenz des Bundes angehört, sondern es ist damit umgekehrt das gesamte Eisenbahnwesen als ein Teil des Verkehrs gemeint […].“ (Schäfer 2000, 136) Art. 11 B-VG: In Art. 11 Abs. 1 werden weitere Regelungen für den Verkehrsbereich getroffen. Auch hier liegt die Gesetzgebung bei Bund, allerdings liegt die Vollziehung bei den einzelnen Ländern:  Straßenpolizei (Zeile 4)  Assanierung (Zeile 5)

302 BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 102/2014. 233

 Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist; soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, Genehmigung solcher Vorhaben (Zeile 7) Art. 13 B-VG: In Abs. 1 werden die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf dem Gebiet des Abgabenwesens geregelt. Dies wird durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz („Finanz-Verfassungsgesetz“) sichergestellt. Art. 15 B-VG: In Abs. 1 verbleiben alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes übertragen sind, im selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Im Bereich Verkehr verbleiben somit alle Straßenangelegenheiten mit Ausnahme der Bundesstraßen bei den Ländern. Der Art. 15 B- VG enthält die so genannte „Generalklausel“. (Klingenbrunner/Raptis 2009, 144; Steininger 2009, 72; Bußjäger/Fink 2012, 192) Art. 15a B-VG: Dieser Artikel erlaubt dem Bund und den Ländern den Abschluss von Vereinbarungen untereinander, die den jeweiligen Wirkungsbereich behandeln. Art. 16 B-VG: Durch diesen Artikel können die Länder in ihrem Wirkungsbereich Staatsverträge mit an Österreich angrenzende Staaten oder deren Teilstaaten abschließen. Besonders im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sind die beiden Art. 15a und 16 B-VG bedeutend. (vgl. BMöWV 1991, 23; Steininger 2009, 72; Höfler 2004, 12f) Nach dem Bundesministeriengesetz303 (BMG 1986) idgF fällt das Verkehrswesen, soweit es Gesetzgebung und Vollzug Bundessache ist, in den Bereich des Verkehrsministeriums. Das heutige BMVIT ist für die grundsätzliche Ausrichtung und strategische Planung der österreichischen Politik verantwortlich. Als „Infrastrukturministerium“ umfasst es die Schieneninfrastruktur und seit dem Jahr 2000 auch die Angelegenheiten der hochrangigen Straßen (Bundesstraßen), die davor beim Wirtschaftsministerium angesiedelt waren. Dazu kommen noch regulatorische Aufgaben und die Verwaltung für Straße, Schiene, Binnenschiff- und Luftfahrt. Forschung und Innovation im Bereich Verkehr und Mobilität gehören ebenfalls zu den Agenden des BMVIT. In der aktuellen Regierung von Bundeskanzler Werner Faymann (Stand März 2015) ist Alois Stöger (SPÖ) Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie. (vgl. BMVIT 2012, 15; Schäfer 2000, 136; Steininger 2009, 72f) Natürlich spielt auch der Bereich Umwelt in der Gesetzgebung eine große Rolle. Seit 1984 ist die Republik Österreich durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz zum „umfassenden

303 BGBl. Nr. 76/1986 idF BGBl. I Nr. 11/2014. 234

Umweltschutz“ auf allen staatlichen Ebenen (Bund, Länder, Gemeinde) verpflichtet.304 Allerdings gibt es im Bereich Umwelt noch kein einheitliches Umweltrecht, da die gesetzlichen Bestimmungen nicht einheitlich zusammengefasst sind. „Die österreichische Verfassung kennt jedenfalls kein ausdrückliches Grundrecht der Verkehrsfreiheit. Am ehesten wird man ein bestimmtes Ausmaß an Freiheit der Verkehrsmittelwahl bzw. an ausreichender Verkehrsinfrastruktur als sachliche Voraussetzungen zur Ausübung anderer Grundrechte […] sehen müssen.“ (Kerschner et al. 2001, 63) Umweltbedingte Beschränkungen und Verkehrsverbote (v. a. Nachtfahrverbote) greifen aber immer wieder in die Grundrechte der Bürger ein, wie z. B in das Eigentumsrecht (Art. 5 StGG), in die Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG) oder auch in den Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 B-VG). Mit diesen Eingriffen hat sich der VfGH in mehreren Urteilen befasst. (vgl. Kerschner et al. 2001, 125-128) Nicht zu vernachlässigen sind im österreichischen Verkehrsrecht die internationalen und europarechtlichen Vorgaben. An internationalen Vorgaben sind hier die Beschlüsse der CEMT sowie der UN/ECE und deren für Verkehrsfragen zuständigen Unterorganisation ITC305 (Inland Transport Committee) zu nennen. Im ITC sind zahlreiche Arbeitsgruppen für die verschiedenen Verkehrsträger (Straße, Schiene) und verkehrsübergreifenden Themen (Verkehrssicherheit, KV) situiert. Hier sind insbesondere im Eisenbahnrecht die Abkommen über die Transeuropäischen Eisenbahnen (TER306 – Trans European Railway) und über die Hauptlinien des internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC307 – European Agreement on Main International Railway Lines) zu erwähnen. (vgl. Nowotny/Schönauer 2009, 412) Im Straßenbereich ist vor allem das CMR-Abkommen308 vom 19. Mai 1956 anzuführen. Das Abkommen umfasst alle entgeltlichen Beförderungen von Gütern auf der Straße mithilfe von Fahrzeugen (CMR-Frachtbrief). Durch die Ratifikation ist das CMR innerstaatliches Recht in Österreich.309 (vgl. Steger 2009, 287f; Hummer 2005, 61) Beide internationale Organisationen umfassen neben den Mitgliedern der EU auch alle restlichen Staaten Europas sowie zahlreiche außereuropäische Länder (z. B. Kaukasus-Staaten, Israel, USA

304 BGBl. Nr. 491/1984: § 1 Abs. 2: „Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.“ 305 URL: [31.03.2015] 306 URL: [31.03.2015] 307 URL: [31.03.2015] 308 Convention relative au Contrat de transport international de marchandises par route (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr), URL: ; Vertragstext: [31.03.2015] 309 BGBl. Nr. 138/1961 idF BGBl. Nr. 192/1981. 235

etc.). Die europarechtlichen Vorgaben ergeben sich für das österreichische Verkehrsrecht aus dem AEUV. Verankert ist die gemeinsame europäische Verkehrspolitik im Art. 3 EUV und im Art. 4 Abs. 2 lit. g AEUV. Spezielle Vorschriften umfasst der Titel Verkehr des AEUV in den Art. 90 bis 100. Daneben spielen auch noch das Wettbewerbs- und Beihilfenrecht, das Umweltrecht, das Sozialrecht und das Verbot der Diskriminierung eine gewichtige Rolle in der europäischen Verkehrspolitik. Insbesondere die sekundärrechtlichen Rechtsakte der europäischen Verkehrspolitik wirken maßgebend in die rechtliche Ausgestaltung der österreichischen Verkehrspolitik hinein (vgl. Punkt 3.3).

4.1.3 Straßen- und Mautrecht

„Das Straßenrecht regelt den Bau, die Erhaltung, die Finanzierung und die Benutzung von öffentlichen Straßen310.“ (Klingenbrunner/Raptis 2009, 143) Bei den Straßen ist aber eine Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesstraßen zu treffen. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Zeile 9 B-VG hat der Bund die Gesetzgebung und Vollziehung in „Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundestraßen erklärten Straßenzüge“. In diese Bundeskompetenz bei den Bundesstraßen fallen „[…] Regelungen betreffend die Herstellung und Erhaltung des Straßenkörpers […], betreffend die Festlegung der Trasse […], betreffend die Durchführung von Bundesstraßenprojekten, weiters betreffend die Verkehrssicherung […] und die Enteignung für die Zwecke von Bundesstraßen.“ (Klingenbrunner/Raptis 2009, 144f) Ausdrücklich davon ausgenommen sind aber die Bereiche der Straßenpolizei, die gemäß Art. 11 Abs. 1 Zeile 4 B-VG zwar in der Gesetzgebung Bundessache sind, jedoch durch die Länder vollzogen werden. Der Bundesgesetzgeber kann aber selbst durch ein einfaches Gesetz seine eigenen Zuständigkeiten festlegen. Dadurch kann er bestimmen, welche Straßen für den Durchzugsverkehr bedeutend genug sind und daher als Bundesstraßen zu führen sind (so genannte Kompetenz-Kompetenz). Allerdings muss die Umwandlung einer Landes- in eine Bundesstraße sachlich gerechtfertigt sein. (Klingenbrunner 2009, 144; Kerschner et al. 2001, 106; Resch 2007, 958) Umgesetzt wurde der Art. 10 Abs. 1 Zeile 9 B-VG durch das einfachgesetzliche Bundesstraßengesetz von 16. Juli 1971 (BStG 1971311), das seither mehrfach novelliert wurde. Im Anhang des BStG 1971 idgF werden die Bundesstraßen in Autobahnen (Bundesstraßen A) und Schnellstraßen (Bundesstraße B) eingeteilt. Darunter fallen ausschließlich hochrangige und kreuzungsfreie Straßen. Betrieben, geplant, gebaut

310 Öffentliche Straßen dienen dem Gemeingebrauch, dabei sind aber die Besitzverhältnisse an der jeweiligen öffentlichen Straße nicht relevant. (Klingenbrunner/Raptis 2009, 143) 311 BGBl. Nr. 286/1971 idF BGBl. I Nr. 96/2013. 236

und finanziert werden die Bundesstraßen durch die 1982 gegründete und zu 100% im Bundeseigentum stehende ASFINAG312 als Straßenerhalter, die seit 1997 das exklusive Genussrecht an den Erträgen der Bundesstraßen und den damit verbundenen Grundstücken innehat.313 Darunter fällt auch das Recht Maut- und Benützungsgebühren (Vignette, fahrleistungsabhängige Maut, Sondermauten) auf dem hochrangigen Straßennetz einzuheben. (Klingenbrunner/Raptis 2009, 144, 154f; Kummer 2010, 249f; Resch 2007, 984f; Hacksteiner 2012, 74, 76) Auf den hochrangigen Bundesstraßen (Autobahnen und Schnellstraßen) gilt seit 1997 eine generelle Mautpflicht für alle Fahrzeuge. Durch das Bundesstraßen-Finanzierungsgesetz (BStFG 1996) wurde die zeitabhängige Benützungsgebühr 1997 in Form einer Vignette für alle Fahrzeuge eingeführt (Ausnahmen für Einsatz- und Militärfahrzeuge). Ausgenomen von der Vignettenpflicht sind aber die so genannten Sondermautstrecken, wie z. B. die A13 Brennerautobahn, auf denen die Mauteinhebung immer noch auf Grundlage der Straßensonderfinanzierungsgesetzte314 erfolgt. Auf diesen Strecken muss wie auch bisher eine fahrleistungsabhängige Mautgebühr bezahlt werden. Im Jahr 2002 wurde das BStFG 1996 durch das Bundesstraßen-Mautgesetz (BStMG 2002315) idgF ersetzt. Dadurch wurde die bisherige „Lkw-Vignette“ abgeschafft und eine fahrleistungsabhängige Maut für alle Kfz über 3,5 t mit 1. Jänner 2004 eingeführt (so genanntes „Lkw-road pricing“). Für alle Fahrzeuge unter 3,5 t Gesamtgewicht gilt nach wie vor die zeitabhängige Benützungsgebühr in Form der Vignette (Ausnahme Sondermautstrecken). Die Tarifgestaltung der Maut und Vignette liegt beim BMVIT und wird in der Mautordnung316 geregelt. (Klingenbrunner 2009, 249-254; Hacksteiner 2012, 74f; Schäfer 2000, 172-174; Kummer 2010, 272; Ehlotzky 2012, 167f, 170; Resch 2007, 990; Engleder 2003, 92f; Hummer 2000, 99-101; Liebherr 2000, 252f) Alle anderen öffentlichen Straßen, die nicht durch den Art. 10 Abs. 1 Zeile 9 B-VG iVm BStG 1971 idgF erfasst werden, fallen gemäß Art. 15 B-VG in die ausschließliche Kompetenz der Länder. Unter dem Begriff Landesstraßen sind daher sämtliche Landesstraßen B und L sowie alle Gemeinde-, Bezirks-, Konkurrenz-, öffentliche Privatstraßen und Interessenten- und Güterwege subsumiert. Die bisherigen Bundesstraßen B wurden durch das „Bundesstraßen-Überleitungsgesetz“317 2002 vom Bund in das

312 BGBl. Nr. 591/1982 idF BGBl. I Nr. 46/2014 (so genanntes ASFINAG-Gesetz). 313 BGBl. I Nr. 113/1997 idF BGBl. I Nr. 26/2006 (so genanntes ASFINAG-Ermächtigungsgesetz). 314 Z. B. Brenner Autobahn AG (BGBl. Nr. 135/1961), Tauern Autobahn AG (BGBl. Nr. 115/1969), Pyhrn Autobahn AG (BGBl. Nr. 479/1971), Arlberg Straßentunnel AG (BGBl. Nr. 113/1973) etc. (vgl. Resch 2007, 984 (Fn. 166)). 315 BGBl. I Nr. 109/2002 idF BGBl. I Nr. 99/2013. 316 Mauttarifordnung : URL: [31.03.2015] 317 BGBl. I Nr. 50/2002. 237

Eigentum der jeweiligen Länder überführt und aus dem Anhang (Verzeichnis 3) des BStG 1971 gestrichen. Durch diese „Verländerung“, die am 1. April 2004 in Kraft trat, tragen die ehemaligen Bundesstraßen zwar Großteils immer noch den Buchstaben B in der Bezeichnung, aber sie fallen in die ausschließliche Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz der Bundesländer. Dadurch kann im Bereich der Straßenrechtskompetenz nun eine scharfe Trennlinie zwischen Bund und Ländern am hochrangigen bzw. niederrangigen Straßennetz gezogen werden. (Klingenbrunner/Raptis 2009, 144, 158; Resch 2007, 953; Kummer 2010, 250)

4.1.4 Straßenverkehrs- und Kraftfahrrecht

Das Straßenverkehrsrecht stützt sich auf den Art. 11 Abs. 1 Zeile 4 B-VG („Straßenpolizei“) und ist somit in der Gesetzgebung Bundes- und in der Vollziehung Landessache. Die gesetzliche Rechtsgrundlage für das Straßenverkehrsrecht bildet die einfachgesetzliche Straßenverkehrsordnung vom 6. Juli 1960 (StVO 1960318), die bisher mehrmals novelliert wurde. Der Anwendungsbereich der StVO idgF gilt nur für Straßen mit öffentlichem Verkehr. (Hoffer 2009, 160-162; Kerschner et al. 2001, 107; Hacksteiner 2012, 78) Darin geregelt sind insbesondere Vorschriften für alle Verkehrsteilnehmer enthalten, wie z. B. allgemeine Fahrregeln und die Bedeutung der Licht- und Verkehrszeichen. Daneben sind in der StVO 1960 idgF auch Möglichkeiten für Fahrverbote von Lkw enthalten womit der Bereich des Umweltschutzes tangiert wird. „An sich schafft schon § 43 Abs. 2 lit. a [StVO 1960] eine tragfähige Grundlage für die Erlassung von Verordnungen zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren oder Belästigungen durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe.“ (Hoffer 2009, 180) Auf diesen Paragraphen wurden immer wieder Fahrverbote und Geschwindigkeitsbeschränkungen, wie z. B. in der Nacht auf Autobahnen in Tirol, gestützt. Das Thema Luftschadstoffe wird aber gemäß Art. 10 Abs. 1 Zeile 12 B-VG („Luftreinhaltung“) durch das IG-L rechtlich geregelt. Daneben wird in der StVO 1960 idgF auch die Telematik geregelt. Durch den § 44c StVO 1960 idgF wurde die rechtliche Grundlage für die Verkehrstelematik geschaffen. Mittels der so genannten „VBA Umwelt“ werden die Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgrund des IG-L (so genannter „Lufthunderter“) allen Verkehrsteilnehmern kundgemacht (vgl. Punkt 4.1.6). (Hoffer 2009, 180-184) Für den Lkw-Verkehr sind die Vorschriften des § 42 der StVO 1960 idgF bedeutend. Dieser Paragraph enthält das Lkw-Wochenend- und die Ferienfahrverbote. Diese Fahrverbote

318 BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 88/2014. 238

sollen den Freizeit- vom gewerblichen Güterverkehr trennen. Dazu wurde das Lkw- Wochenendfahrverbot zwischen Samstag 15 und Sonntag 24 Uhr erlassen. Diese Regelung gilt auch an Feiertagen von 0 bis 22 Uhr. Betroffen von diesem Verbot sind Lkw mit Anhänger mit mehr als 3,5 t bzw. Lkw, Sattelkraftfahrzeuge und selbstfahrende Arbeitsmaschinen über 7,5 t. Allerdings sind von diesem Fahrverbot zahlreiche Fahrten ausgenommen, wie z. B. der Transport von verderblichen Waren und Lebensmitteln, Postsendungen, Einsatzfahrzeuge, Müllabfuhr etc. Daneben werden vom BMVIT vor gewissen Feiertagen und zu Ferienbeginn bzw. -ende Lkw-Fahrverbote erlassen. (Hoffer 2009, 193f; Hacksteiner 2012, 75f) Der § 42 StVO 1960 idgF regelt auch das seit 1. Jänner 1995 geltende generelle Nachtfahrverbot für Lkw über 7,5 t zwischen 22 und 5 Uhr. Ausgenommen davon sind Kraftfahrzeuge des Straßendienstes, des Bundesheeres sowie lärmarme Lkw, die eine Bestätigung gem. § 8a Abs. 4 KDV 1967319 idgF mitführen müssen. Für den Nachtzeitraum dürfen lärmarme Lkw über 7,5 t lediglich 60 km/h fahren – außer die Behörde erhöht das Tempolimit mittels Verordnung. (Hoffer 2009, 194) Das „Kraftfahrwesen“ wird gem. Art. 10 Abs. 1 Zeile 9 B-VG durch den Bund in Gesetzgebung und Vollzug geregelt. Umgesetzt wurde diese Bundeskompetenz durch das einfachgesetzliche Kraftfahrgesetz vom 23. Juli 1967 (KFG 1967320). Darin wird der Verkehr für Kraftfahrzeuge (Kfz) und Anhänger auf allen öffentlichen Straßen geregelt. (Bauer/Vergeiner 2009, 220; Kerschner et al. 103) Diese Regelung umfasst sämtliche Verkehrsteilnehmer. Unter anderem werden in diesem Bundesgesetz die verkehrspolizeilichen Bestimmungen für die verschiedenen Fahrzeugtypen, die Klasseneinteilung, die Fahrzeugsicherheit sowie die Überprüfung und Begutachtung geregelt. Des Weiteren sind auch zahlreiche Pflichten des Fahrzeughalters (z. B. Versicherungspflicht) und das Fahrschulwesen darin geregelt. (vgl. Bauer/Vergeiner 2009, 221-236) In der Praxis kommt es aber immer wieder zu Überschneidungen der StVO 1960 idgF und des KFG 1967 idgF, da in beiden Bundesgesetzten ähnliche Materien behandelt werden und gewisse Trennungen rein begrifflich sind (vgl. Urteile des VfGH). Dies führt dazu, dass gewisse Materien zwischen den beiden Bundesgesetzten aufgeteilt oder abgegrenzt werden. Als Bespiel dafür sind Fahrräder und Elektrofahrräder (so genannte E- Bikes) anzuführen. Fahrräder fallen in den Bereich der StVO während E-Bikes ab einer gewissen Leistung bzw. Geschwindigkeit unter das KFG fallen. (Hoffer 2009, 161; Kerschner et al. 2001, 103f)

319 Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. Nr. 399/1967 idF BGBl. II Nr. 40/2015. 320 BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 26/2015. 239

Der Bereich des Führerscheins wird in einem eignen Führerscheingesetz (FSG 1997321) idgF gesondert vom KFG behandelt. Eigens geregelt sind zudem auch die internationalen und europarechtlichen Vorgaben der Gefahrenguttransporte im Gefahrgutbeförderungsgesetz322 (GGB-G 1998) idgF. Das Güterbeförderungsgesetz323 (GütbefG 1995) idgF regelt die grenzüberschreitende gewerbsmäßige Güterbeförderung von und nach Österreich für Kfz über 3,5 t Gesamtgewicht (Konzessionen, Gemeinschaftslizenz). Damit werden ebenfalls europarechtliche Vorgaben innerstaatlich umgesetzt. (vgl. Resch 2007, 1048f; Hacksteiner 2012, 75)

4.1.5 Eisenbahnrecht

In Österreich ist das Eisenbahnrecht gemäß Art. 10 Abs. 1 Zeile 9 B-VG („Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahn […], soweit diese nicht unter Art. 11 fällt […], Umweltverträglichkeitsprüfung für […] Eisenbahnhochleistungsstrecken, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist“ in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Bedingt durch die europarechtlichen Vorgaben (Eisenbahnpakete, vgl. Punkt 3.3) wurden die ÖBB durch das Bundesbahngesetz324 (BBG 1992) idgF mehrfach reformiert. Alle anderen „privaten“ Eisenbahnunternehmen fallen unter das Privatbahngesetz325 (PrivbG 2004) idgF. Weitere zentrale eisenbahnrechtliche Bestimmungen enthält das Eisenbahngesetz326 (EisbG 1957) idgF. Darin werden die Behördenzuständigkeiten, die eisenbahnrechtlichen Bauverfahren und die Sicherheitsbestimmungen für die Eisenbahnanlagen geregelt. Auch die rechtlichen Bestimmungen für die Regulierung des Schienenmarktes (u. a diskriminierungsfreier Zugang) und die Interoperabilität finden sich darin (vgl. Punkt 3.3). Ähnlich wie bei den Bundesstraßen kann die Bundesregierung durch das Hochleistungsstreckengesetz (HL-G) bestimmte bedeutende Eisenbahnstrecken bzw. Teile davon samt Eisenbahnanlagen zu Hochleistungsstrecken erklären. Daneben sind im Eisenbahnrecht weitere Bereiche eigens gesetzlich geregelt, wie z. B. das Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz327 (EisbBFG) idgF, das Schieneninfrastrukturgesetz328 (SCHIG-G) idgF und das Öffentliche Personennah- und Regionalverkehrsgesetz329 (ÖPNRV-G 1999) idgF. Nicht zu

321 BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 52/2014. 322 BGBl. I Nr. 145/1998 idF BGBl. I Nr. 91/2013. 323 BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr. 96/2013. 324 BGBl. Nr. 825/1992 idF BGBl. I Nr. 32/2015. 325 BGBl. I Nr. 39/2004 idF BGBl. I Nr. 35/2012. 326 BGBl. Nr. 60/1957 idF BGBl. I Nr. 89/2014. 327 BGBl. I Nr. 40/2013. 328 BGBl. Nr. 201/1996 idF BGBl. I Nr. 51/2012. 329 BGBl. I Nr. 204/1999 idF BGBl. I Nr. 32/2002. 240

vernachlässigen sind auch die zahlreichen internationalen Übereinkommen im Eisenbahnwesen (vgl. Punkt 4.1.1), die im nationalen Eisenbahnrecht umgesetzt werden. Eigens gesetzlich geregelt ist auch der Ausbau der Unterinntaltrasse bzw. der Neubau des BBT im Rahmen der TEN-V. Hierfür wurde BBT AG-G330 und das BEG-G331 erlassen. Seit 2009 ist die Brenner Eisenbahn GmbH (BEG) vollständig in die ÖBB-Infrastruktur AG eingegliedert. (Nowotny/Schönauer 2009, 405, 408-410; Hacksteiner 2012, 75; Kerschner et al. 2001, 107-109, 112)

4.1.6 Umweltrecht im (Straßen-)Verkehrsrecht

Gerade der Bereich Verkehr hat enorme Auswirkungen auf die Umwelt, was sich vor allem im Bereichen Emissionen (Schadstoffe, Lärm) und Landschaftsverbrauch auswirkt. Im B- VG wird das Verkehrsumweltrecht in mehreren Artikeln geregelt. In Art. 10 Abs. 1 Zeile 9 B-VG fallen folgende Kompetenzen in die Gesetzgebung und Vollziehung des Bundes: „Kraftfahrwesen; Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundestraßen erklärten Straßenzüge außer der Straßenpolizei; […]; Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraßen und Eisenbahn-Hochleistungsstrecken, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist.“ Auch der Art. 11 Abs. 1 Zeile 4 B-VG „Straßenpolizei“ sowie die Zeile 7 „Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist“ betreffen das Verkehrsumweltrecht. Wie bereits erwähnt ist hier der Bund für die Gesetzgebung und die Länder für die Vollziehung zuständig. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Generalklausel im Art. 15 B-VG. (Weiß 2009, 352f) Im Bereich der Straßenplanung und des Straßenbaus ist insbesondere die Bestimmungen des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention zu beachten, da es in Österreich innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetztes steht (vgl. Punkt 2.1.4). Umweltschutzbestimmungen sind auch im BStG 1971 idgF im Zuge von Planung und Bau von Bundesstraßen enthalten. Daneben spielt hier auch europäisches Recht eine große Rolle. Insbesondere wird die Umweltverträglichkeitsprüfung durch die so genannte „UVP-RL 97/11/EG“332 geregelt. Umgesetzt wurde diese Richtlinie national durch das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G 2000333) idgF. Bereits 1985 wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung mittels der

330 BGBl. I Nr. 87/2004 idF BGBl. I Nr. 125/2006. 331 BGBl. Nr. 502/1995 idF BGBl. I Nr. 95/2009. 332 RL 97/11/EG des Rates vom 3.03.1997 zur Änderung der RL 85/337/EWG , ABl. L 73 vom 14.3.1997, 5- 15. 333 BGBl. Nr. 697/1993 idF BGBl. I Nr. 14/2014. 241

UVP-RL334 in der Gemeinschaft verankert und von Österreich im Zuge des EU-Beitritts im Jahr 1993 als UVP-G innerstaatlich umgesetzt. Gerade in den Bereich des Bundesstraßenbaus (Autobahnen und Schnellstraßen) hat die Umweltverträglichkeitsprüfung für Straßenprojekte eine nicht zu unterschätzende Auswirkung. Erfasst werden auch die Hochleistungsstreckenneubauten der Eisenbahn. Durch eine weitere Novelle des UVP-G 2000 im Jahr 2004, die aufgrund der RL 2003/35/EG notwendig wurde, kam es zu einer weiteren Anpassung für den Bereich der Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken. Aktuell (Stand März 2015) ist die RL 2011/92/EU335 für die UVP maßgebend. (Weiß 2009, 354f, 356; Epiney 2013, 298f; vgl. Heuck 2013, 357-388) Die so genannte „SUP-RL 2001/42/EG“336 regelt, dass bestimmte „Pläne und Programme“ einer strategischen Umweltprüfung unterzogen werden, darunter fällt auch der Verkehrsbereich. Umgesetzt wurde die SUP-RL in Österreich mit dem Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz 2005337) idgF. (Weiß 2009, 355; Epiney 2013, 319-323; vgl. Heuck 2013, 388-408) „Ziel des SP-V- Gesetzes ist es nach seinem § 1 Abs. 1, vorgeschlagene Netzveränderungen im bundesweiten hochrangigen Verkehrswegenetz einer strategischen Prüfung zu unterziehen. Dennoch findet die generelle Verkehrsplanung in Österreich […] weiterhin im rechtsfreien Raum statt.“ (Weiß 2009, 355) Schließlich enthält auch der Bereich der TEN (vgl. Punkt 3.4) Umweltschutzbestimmungen. Bei der Durchführung der Vorhaben von gemeinsamem Interesse im Rahmen der TEN ist gemäß Art. 8 E 1692/96/EG338 eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Angewendet wird hier die UVP-RL. Des Weiteren ist die SUP-RL (Art. 8) beim Aus- und Neubau von Strecken anzuwenden. Zu beachten sind zudem die Fauna-Flora-Habitat-RL339 sowie die Vogelschutz-RL340. Diese

334 RL 85/337/EWG des Rates vom 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 175 vom 5.7.1985, 40-48. 335 RL 2003/35/EG des EP und des Rates vom 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. L 156 vom 25.6.2003, 17-25. RL 2011/92/EU des EP und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.01.2012, 1-21. 336 RL 2001/42/EG des EP und des Rates vom 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl. L 197 vom 21.7.2001, 30-37. 337 BGBl. I Nr. 96/2005 idF BGBl. I Nr. 25/2014. 338 E 1692/96/EG idF VO (EU) Nr. 1315/2013 des EP und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU, ABl. L 348vom 20.12.2013, 1–128. 339 RL 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.7.1992, 7-50. 340 RL 79/409/EWG des Rates vom 2.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 103 vom 25.4.1979, S. 1-18 idF RL 2009/147/EG des EP und des Rates vom 30.11.2009, ABl. L 20 vom 26.1.2010, 7-25. 242

beiden Naturschutzrichtlinien bilden die europarechtliche Umsetzung der so genannten „Berner Konvention“341 des Europarates aus dem Jahr 1979. Hauptziel dieser beiden Naturschutzrichtlinien ist der Aufbau eines europaweiten ökologisches Netzes von Schutzgebieten (so genannte „Natura 2000“-Schutzgebiete). Dadurch sollen die natürlichen Lebensräume und die biologische Vielfalt dauerhaft geschützt werden (Weiß 2009, 356; Epiney 2013, 508f, 517f; vgl. UBA 2015, EK 2015342; Heuck 2013, 408-433). Ein Beispiel für die europarechtliche bzw. innerstaatliche Anwendung dieser beiden Richtlinien ist die im BStG 1971 idgF vorgesehene S18 Bodenseeschnellstraße343, die aufgrund naturschutzrechtlicher Verletzungen bis heute (Stand März 2015) nicht gebaut wurde. Die 1997 vom Verkehrsministerium erlassene Trassenordnung wurde von zwei Anrainergemeinden beeinsprucht, da diese das Schutzgebiet „Lauteracher Ried“ zwar tangiert aber ebenfalls weitere faktische Vogelschutzgebiete in den Planungen nicht berücksichtige. Der VfGH344 erklärte schließlich die geplante Trasse im Jahr 2006 für rechtswidrig, da sie ein faktisches Vogelschutzgebiet (Stichwort „Wachtelkönig“) durchschnitten hätte und dies bei den Planungen nicht ausreichend berücksichtigt worden ist. (ORF ON 3.07.2006; vgl. Ehlotzky 2014, 189 (Fn. 706); vgl. Epiney 2013, 514f) Bereits 2004 verklagte die Kommission Österreich beim EuGH wegen Verletzung der Vogelschutz- RL beim geplanten Bau der S18.345 Im Urteil des Gerichtshofes346 wurde beanstandet, dass die Trasse durch ein schützenswertes faktisches Vogelschutzgebiete führt, dass aber rechtlich bisher nicht unter Schutz gestellt wurden ist. (ORF ON 23.03.2006) Im Moment (Stand März 2015) liegt der Bau der S18 bis auf weiteres auf Eis. (BMVIT 2015347) Der zweite große Teil des österreichischen Umweltrechts im Straßenverkehr betrifft die Umsetzung der europarechtlichen Emissions- und Lärmregelungen. Wie bereits in Punkt 1.5.5 angeführt regelt die Europäische Union mittels Richtlinien den Bereich der Luftqualität sowie die Emissionen durch Lärm. Die so genannte „NEC-RL 2001/81/EG348“ legt fest, dass die Mitgliedstaaten die im „Göteborg-Protokoll“349 von 1999 festgelegten

341 Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19.11.1979 (in Kraft getreten am 1. Juni 1982). URL: [31.03.2015] 342 URL: ; [31.03.2015] 343 S18: Knoten Lauterach (A14) – Staatsgrenze bei Höchst. 344 VfGH, Urteil vom 27.06.2006, VfSlg 17896/2006. 345 EuGH, Rs. C-209/04 (Kommission/Österreich), Klage vom 12.05.2004, ABI. C. 179 vom 10.07.2004, 7. 346 EuGH, Rs- C-209/04 (Kommission/Österreich); Urteil vom 23.03.2006, Slg. 2006. 347 URL: [31.03.2015] 348 RL 2001/81/EG des EP und des Rates vom 23.10.2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, ABl. L 309 vom 27.11.2001, 22-30. NEC = National Emission Ceilings. 349 „Protocol to Abate Acidification, Eutrophication and Ground-level ozone“ vom 30.11.1999 (in Kraft seit 17.05.2005). URL: [31.03.2015] 243

länderspezifischen Emissionshöchstmengen pro Jahr von bestimmten Luftschadstoffen (versauernde und eutrophierende Schadstoffe sowie das Entstehen des bodennahen Ozons) bis Ende 2010 zu erfüllen haben. Betroffen sind davon die Emissionen von SO2, NOx, VOC 350 und NH3 (Ammoniakemissionen). (Weiß 2009, 357; Epiney 2013, 446-448; EK 2015 ). Weitere wichtige europäische Rechtsakte betreffen die Luftqualität. Die so genannte „Luftqualitäts-RL 2008/50/EG“351 bzw. „CAFE-RL“ (Clean Air for Europe) gilt ab 11. Juni 2010 und hebt die bisherige „Luftqualitätsrahmen-RL 96/62/EG352“ sowie die vier Töchter- RL 1999/30/EG353, 2000/69/EG354, 2002/3/EG355 und 2004/107/EG356 auf. Die bisherigen Vorgaben wurden etwas entschärft und eine größere Flexibilität beim Erreichen der Luftqualitätswerte etabliert. Trotzdem behalten die Grenzwerte der „alten“ Richtlinien ihre Gültigkeit (vgl. Punkt 1.5.5). Durch die CAFE-RL soll die Luftverschmutzung in dem Maß reduziert werden, dass schädliche Auswirkungen von Schadstoffen (SO2, NO2, NOx, PM10,

PM2,5, Blei, Benzol, CO und O3) auf Mensch und Umwelt möglichst gering sind bzw. vermieden und verhindert werden. Dadurch soll eine bestimmte Qualität der Luft sichergestellt werden. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet erforderliche Maßnahmen zu ergreifen und die Grenzwerte einzuhalten. Bei Überschreitung sind Maßnahmen zur Senkung und nationale Aktionspläne durchzuführen. (Weiß 2009, 357f; Epiney 2013, 441- 443; Kerschner et al. 2001, 186f; Obwexer 2006a, 212 f; Hacksteiner 2012, 77; Heuck 2013, 442-447; EK 2015357) „In Österreich wurde versucht die Regelungen dieser RL [96/62/EG und 1999/30/EG] durch das [Immissionsschutzgesetz-Luft] IG-L358 umzusetzen, das nunmehr das zentrale Gesetz zur Luftreinhaltung in Österreich darstellt. Dabei wurde zT von der Möglichkeit der verstärkten Schutzvorschriften Gebrauch gemacht.“ (Weiß 2009, 358; vgl. Obwexer 2006, 56f) Aufgrund der mittelbaren Bundesverwaltung fallen die Kontrolle der Emissionsmessungen sowie die Maßnahmensetzung bei

350 URL: [31.03.2015] 351 RL 2008/50/EG des EP und des Rates vom 21.05.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, ABl. L 152 vom 11.6.2008, 1-44. 352 RL 96/62/EG des Rates vom 27.09.1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität, ABl. L 296 vom 21.11.1996, 55-63. 353 RL 1999/30/EG des Rates vom 22.04.1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft, ABl. L 163 vom 29.6.1999, 41-60. 354 RL 2000/69/EG des EP und des Rates vom 16.11.2000 über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft, ABl. L 313 vom 13.12.2000, 12-21 idF ABl. L 111 vom 20.4.2001, 31. 355 RL 2002/3/EG des EP und des Rates vom 12. Februar 2002 über den Ozongehalt der Luft, ABl. L 67 vom 9.3.2002, 14-30. 356 RL 2004/107/EG des EP und des Rates vom 15.11.2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft, ABl. L 23 vom 26.1.2005, 3-16. 357 URL: [31.03.2015] 358 BGBl. I Nr. 115/1997 idF BGBl. I Nr. 77/2010. 244

Grenzwertüberschreitungen in die Kompetenz der Länder. (Engleder 2003, 101) Vor allem sieht das IG-L idgF den dauerhaften Schutz der Menschen und der Tier- und Pflanzenwelt vor schädlichen und unzumutbaren belästigenden Luftschadstoffen und gleichzeitig die Verringerung der Immissionen derselben (§ 1 IG-L). „Gem. § 3 Abs. 1 IG-L gelten zum Schutz der menschlichen Gesundheit im gesamten Bundesgebiet bestimmte Konzentrationswerte359 […] und Depositionswerte360 […]. Neben den Grenzwerten […] sieht das IG-L auch sog. Zielwerte361 […] und Alarmwerte362, bei deren Überschreitung umgehend Abhilfemaßnahmen zu setzten sind, vor.“ (Weiß 2009, 358) Die Grenzwerte für

Luftschadstoffe, die vor allem vom Verkehr verursacht werden, wie z. B. NO2, PM10 und

PM2,5, sind bedeutend. Zudem sind im IG-L strengere Grenzwerte für den Jahresmittelwert und für die Belastungsspitzen enthalten. Besonders relevant ist der § 14 I-GL für den (Transit-)Verkehr und die draus resultierenden Verkehrsbeschränkungen aus Umweltschutzgründen. Abs. 1 erlaubt Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie zeitliche und räumliche Beschränkungen des Verkehrs für Kraftfahrzeuge oder für bestimmte Gruppen von Kraftfahrzeugen. Als zeitliche und räumliche Beschränkungen des Verkehrs gelten hier Verbote von bestimmten Kraftfahrzeug-Klassen sowie Kraftfahrzeuge mit bestimmten Abgasklassen. Des Weiteren Verbote für Kraftfahrzeuge mit bestimmten Ladungen, Fahrverbote für bestimmte Tage oder bestimmte Tageszeiten und Anordnungen für den ruhenden Verkehr. Für die Anordnung dieser temporären Geschwindigkeitsbeschränkungen erlaubt§ 14 Abs. 1 I-GL den Einsatz von flexiblen Systemen, insbesondere von immissionsabhängigen VBA (so genannte „VBA-Umwelt“). Allerdings sind zahlreiche Ausnahmen von diesen zeitlichen und räumlichen Beschränkungen in § 14 Abs. 2 IG-L enthalten, wie z. B. für Einsatzfahrzeuge, Fahrzeuge der Feuerwehr, Straßenverwaltung, Müllabfuhr etc. Schließlich erlaubt der § 14 Abs. 6a IG-L dem Landeshauptmann die Verordnung vom Geschwindigkeitsbeschränkungen auf dem hochrangigen Straßennetz (Autobahnen und Schnellstraßen) für den Fall von zu erwartenden Überschreitungen der Grenzwerte. Voraussetzung ist die Ausstattung dieser Streckenabschnitte mit einem Verkehrsbeeinflussungssystem (VBA Umwelt) gem. § 44 Abs. 1a StVO 1960 idgF. Gerade in Tirol wurde mittels eines solchen Maßnahmenpaketes nach dem IG-L für das Luftsanierungsgebiet im Unterinntal Geschwindigkeitsbeschränkungen, Nachtfahrverbote und ein sektorales Fahrverbot erlassen. (Weiß 2009, 358f; Obwexer 2006a, 212f)

359 Konzentrationswerte bestehen derzeit für SO2, CO, NO2 und PM10. (Weiß 2009, 358 (Fn. 45)) 360 Depositionswerte bestehen derzeit für Staubniederschlag, Blei und Cd (Cadmium) im Staubniederschlag. (Weiß 2009, 358 (Fn. 46)) 361 Zielwerte bestehen derzeit für Arsen, Cd, Ni (Nickel) und Benzopyren. (Weiß 2009, 358 (Fn. 47)) 362 Alarmwerte bestehen derzeit für SO2 und NO2. (Weiß 2009, 358 (Fn. 48)) 245

Hier soll auch nochmals der Hinweis auf das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention folgen, worin in Art. 3 Abs. 1 VerkP die Verpflichtung der Vertragsstaaten auf eine aufeinander abgestimmten Umwelt- und Verkehrspolitik zur Begrenzung verkehrsbedingter Belastungen und Risiken steht. Besonders in Abs. 1 lit. a wird darauf hingewiesen, dass die Freisetzung von Stoffen die Tragfähigkeit der betroffenen Umweltmedien nicht überfordern soll. (vgl. Punkt 2.1.4) Im Bereich der Lärmemissionen erließ die EU so genannte „Umgebungslärm-RL 2002/49/EG“363, um schädliche Einflüsse von Umgebungslärm zu mindern, zu vermeiden und zu reduzieren. In einer gemeinsamen Methodik wurden Lärmkarten in den einzelnen Mitgliedstaaten erstellt und Lärmindizes definiert und darauf aufbauend wurden Aktionspläne zur Lärmbekämpfung erarbeitet. (Epiney 2013, 454; vgl. Heuck 2013, 438- 442) Innerstaatlich umgesetzt wurde diese Richtlinie in Österreich mit dem Bundes- Lärmumgebungsschutzgesetz (Bundes-LärmG364) idgF. „Erklärtes Ziel nach § 1 Abs. 1, ‚schädliche Auswirkungen von Umgebungslärm auf die menschliche Gesundheit sowie unzumutbaren Belästigungen durch Umgebungslärm vorzubeugen oder entgegenzuwirken‘.“ (Weiß 2009, 360) Der Geltungsbereich des Bundes-LärmG umfasst den Umgebungslärm im Freien von Verkehr auf Bundesstraßen, Eisenbahnen, den zivilen Flugverkehr und Aktivitäten auf Geländen der industriellen Tätigkeit. Für die Landesstraßen erfolgte im Umsetzung der Richtlinie in den jeweiligen Landesstraßengesetzten bzw. Landesstraßenumgebungslärmschutzgesetzten. (Weiß 2009, 360) Weitere europarechtliche Vorgaben regeln die Fahrzeugtypen und deren Emissionsausstoß (z. B. EURO-Klassen) sowie die Qualität von fossilen Brennstoffen (z. B. Schwefelgehalt). Innerstaatlich sind diese Vorschriften in Österreich v. a. im KFG 1967 idgF und in der KDV 1967 idgF umgesetzt. (vgl. Kerschner et al. 2001, 537-548)

4.2 DIE INHALTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN

4.2.1 Allgemeines

Im nachfolgenden Kapitel werden die inhaltlichen Rahmenbedingungen der österreichischen Verkehrspolitik mittels einer kurzen historischen Rückschau auf die bisherigen Gesamtverkehrskonzepte aufgezeigt. Der inhaltliche Rahmen umfasst in erster Linie die verkehrspolitischen Ziele, Grundsätze und die (Verkehrs-) Infrastrukturpolitik.

363 RL 2002/49/EG des EP und des Rates vom 25.06.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm – Erklärung der Kommission im Vermittlungsausschuss zur Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. L 189 vom 18.7.2002, 12-25. 364 BGBl. I Nr. 60/2005. 246

„Obzwar die Regelung von Bau und Erhaltung von Verkehrsinfrastruktur weiterhin in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt, gibt die Union auch für den Bereich der (Verkehrs-) Infrastruktur einen Rahmen vor, der insbesondere in der Leitlinie zum Aufbau transeuropäischer Verkehrsnetze […] niedergelegt ist.“ (Resch 2007, 952) In Österreich wurden die verkehrspolitischen Ziele und Grundsätze in bisher vier Verkehrskonzepten niedergelegt. Das erste Gesamtverkehrskonzept datiert aus dem Jahr 1968. Ein weiteres folgte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1991 (GVK-Ö). Schließlich folgte 2002 mit dem Generalverkehrsplan (GVP-Ö) 2002 eine umfassende Darstellung mit einem Programm zum Ausbau der Infrastruktur im Bereich Straße, Schiene und Wasserstraßen (v. a. Donau). Neben der Finanzierbarkeit der Projekte wurde auch der Realisierungshorizont in Betracht gezogen. Das aktuelle Konzept (Stand März 2015) datiert aus dem Jahr 2012. Im „Gesamtverkehrsplan für Österreich“ (GVP) werden die verkehrspolitischen Leitlinien, Ziele und Maßnahmen bis 2025 beschrieben.

4.2.2 Das Gesamtverkehrskonzept 1968

Das Gesamtverkehrskonzept 1968 wurde aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Nationalrates vom 12. Dezember 1966 erarbeitet. Als Leitziel der österreichischen Verkehrspolitik wird die Sicherstellung von modernen, sicheren, leistungsfähigen und nachfragegerechten Verkehrsdiensten für die Bevölkerung und die Wirtschaft postuliert. Dieses Ziel soll insbesondere durch die „Ökonomisierung des Verkehrs“ erreicht werden und damit die einzelnen Verkehrsträger an die Eigenwirtschaftlichkeit herangeführt werden. (BMVVU 1968, 6; Steininger 2009, 75) Als generelle verkehrspolitische Maßnahmen sah das Gesamtverkehrskonzept u. a. den Abbau sämtlicher wettbewerbsverzerrender Subventionen vor, was zu mehr Wettbewerb und Produktivität unter den einzelnen Verkehrsträgern führen sollte. Auch die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verkehrsträger sollte beachtet werden. Erste Einflüsse der verkehrspolitischen Grundsätze der EWG waren auch schon zu bemerken, wie z. B. der Grundsatz der „Freiheit der Wahl der Transportmittel“. Für eine dynamische Marktwirtschaft mit Wachstum sind zukunftsorientierte Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur unabdingbar. Die Verkehrsinfrastruktur selbst spielte in der Verflechtung zu den (west-) europäischen Ländern eine besondere Rolle, womit bereits auf die Transitfunktion Österreichs hingewiesen wurde. In der Zeit des Kalten Krieges, wo gerade der „Prager Frühling“ von den Warschauer Pakt Staaten wiedergewälzt wurde, kam einer gut ausgebauten Infrastruktur im Verkehrsbereich auch eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung für die Landesverteidigung zu. (BMVVU 1968, 6-8; Steininger 2009, 75f) 247

Inhaltlich wird im Gesamtverkehrskonzept dann jeder Verkehrsträger (Schiene, Straße, Wasserstraßen, Luftverkehr und Rohrleitungen) nach vorhandener Infrastruktur und momentaner Situation ausführlich dargestellt sowie weitere Maßnahmen zur Verbesserung angedacht. So wurde im Straßenbereich z. B. die Aufstellung eines eignen Infrastrukturplans gefordert und im Bereich des Transitverkehrs eine Verlinkung und Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Der Ausbau des hochrangigen Straßennetzes wurde bis dato aus der zweckgebundenen Mineralölsteuer und mit Mitteln des Budgets finanziert. Daneben wurden für einige wichtige Teilabschnitte eigene Sondergesellschaften für den Bau und Betrieb gegründet (vgl. Punkt 4.1.3). Bereits angedacht wurde die Einrichtung einer eigenen Gesellschaft zur Finanzierung des Autobahnbaus (spätere ASFINAG). (vgl. BMVVU 1968, 14-76; 97f; Steininger 2009, 79) Bei den strukturellen Problemen im Schienenverkehr wurde vor allem auf die defizitäre ÖBB hingewiesen. Verluste beim Güter- und Personenverkehr sollten durch Rationalisierung und Attraktivierung des Angebotes verringert werden. Auch Einstellungen von defizitären Nebenbahnen und die Zusammenlegung von Post- und Bahnbus wurden als Einsparungsmöglichkeiten präsentiert. Mit ähnlichen wirtschaftlichen Problemen hatten auch die zahlreichen Privatbahnen zu kämpfen. (BMVVU 1968, 86-88; Steininger 2009, 82f) Im Bereich der Straße war der von 1957 bis 1967 ein enormer Anstieg von Pkw- (+314%) und Lkw-Zulassungen (+56%) zu verzeichnen. Das enorme Wachstum der Zulassungen in Österreich hatte auch negative Auswirkungen auf die Unfallstatistik. Als Maßnahmen für die Verkehrssicherheit wurden die Vereinheitlichung des europäischen Straßen- und Kraftverkehrsrechts, die Gewährleistung einer konstruktiven Verkehrsüberwachung und erste Vorläufer eines Nachschulungssystems vorgeschlagen. Bei den Arbeits- und Sozialvorschriften ward die Angleichung an die internationalen Vorgaben der EWG und der CEMT vorgesehen. (BMVVU 1968, 92-94; Steininger 2009, 86f) Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Verkehrsleistung. Gemessen am BIP erreichte das Wachstum des Verkehrs Mitte der 1960er Jahre rund 7%, wobei im selben Zeitraum aber das Gesamtwirtschaftswachstum deutlich höher lag. (BMVVU 1968, 81; Steininger 2009, 80) Für den Personenverkehr wurde eine Steigerung der Verkehrsleistung von 30 Mrd. pkm (1964) auf rund 43 Mrd. pkm für das Jahr 1975 prognostiziert. Vor allem wurde angenommen, dass der private Individualverkehr ein deutlicher höheres Wachstum zu verzeichnen wird als der öffentliche Verkehr. Beim Güterverkehr ging man bis 1980 um eine Steigerung des Straßengüterverkehrs von rund 80% gegenüber dem Jahr 1960 aus.

248

Prognostiziert wurden auch der Bedeutungsverlust der Schiene und die Verlagerung hin zum Straßengüterverkehr. (BMVVU 1968, 41, 76; Steininger 2009, 80f) Als Schlussfolgerung ist das Gesamtverkehrskonzept 1968 durch seine Ausrichtung auf die einzelnen Verkehrsträger als sektorale Verkehrspolitik einzuordnen. Wicki bezeichnet dies in Anlehnung an dieselbe Entwicklung in der schweizerischen Verkehrspolitik als historisch bedingten „sektoriellen Pragmatismus“, der für die unabhängige Entwicklung der Verkehrsträger verantwortlich war. (Wicki 1999, 47; vgl. Steininger 2009, 74) Im Gegensatz zu den nachfolgenden Entwürfen fehlt hier noch ein Konzept, dass über die einzelnen Verkehrsträger übergreift, die so genannte systemorientierte Verkehrspolitik. Durch eine isolierte Betrachtung der einzelnen Verkehrsträger bleiben Systemvorteile und Synergieeffekte ungenutzt. Teilweise wurden Ausbauprograme für die Straße und für die Bahn ohne jegliche verkehrspolitische Abstimmung forciert. (vgl. BMöWV 1987, 3, 9; BMVIT 2002, 3) Zu würdigen sind aber die damals „visionären“ infrastrukturellen Ausbaupläne im Bereich Straße und Schiene Richtung Osteuropa, die dann aber letztlich wegen mangelnder Finanzierung und wegen des Eisernen Vorhanges nicht verwirklicht wurden. Erst Jahrzehnte später wurden die Projekte wieder reichlich spät angegangen. Erstmals wurde hier aber ein abgestimmtes Verkehrskonzept auf Bundesebene vorgelegt. (BMVIT 2002, 3)

4.2.3 Das österreichische Gesamtverkehrskonzept 1991

Die Veröffentlichung des österreichischen Gesamtverkehrskonzepts 1991, im Langtitel „Mensch – Umwelt – Verkehr: das österreichische Gesamtverkehrskonzept 1991 (GVKÖ – 1991)“, im Juni 1991 war geprägt von zahlreichen internationalen und verkehrspolitischen Umbrüchen. Die zunehmende internationale politische, wirtschaftliche und verkehrsinfrastrukturelle Verflechtung Österreichs aufgrund seiner geopolitischen Lage wirkte sich deutlich auf seine Verkehrspolitik aus. Die Verwirklichung des EG- Binnenmarktes war in der Zielgeraden und damit die gemeinschaftliche Liberalisierung und Harmonierung der Wettbewerbsbedingungen im (Straßen-) Güterverkehr. Damit änderten sich die bisherigen Marktgegebenheiten und verkehrspolitischen Ziele im benachbarten Ausland diametral. Davon betroffen war auch die verkehrsgeographische Situation Österreichs. Diesen außerösterreichischen Entwicklungen konnte sich die Verkehrspolitik nicht länger entziehen. (BMöWV 1991, 21; Steininger 2009, 94, 96; Liebherr 2000, 242) Der Eiserne Vorhang war gefallen und die Frage nach den zwar im Verkehrskonzept 1968 geplanten, aber nur zum Teil verwirklichten, hochrangigeren österreichischen Straßenverbindungen in die neuen Reformländer in Osteuropa wurde dringlich. Auch die 249

teils maroden Bahnverbindungen und Kapazitätsprobleme in diesem Bereich kamen ans Tageslicht. Dazu war das verstärkte Umweltbewusstsein gekommen, dass die negativen ökologischen Folgen der Massenmotorisierung und des ungezügelten Verkehrswachstums anprangerte. Für Teile von Österreich war auch das Problem des Transitverkehrs und die daraus resultierenden negativen Folgen für Mensch und Umwelt von Seiten der Politik nicht mehr zu negieren und auch hier waren Lösungen gefragt. Große Teile Österreichs waren auch von den Auswirkungen des internationalen Tourismus- und Gastarbeiterströmungen betroffen. Dazu kamen noch die Verhandlungen mit der Gemeinschaft über den Transitvertrag und das Aufnahmegesuchen in die EG. Insgesamt war in den 1980er ein generelles Umdenken in der Verkehrspolitik zu beobachten. Bisher bestand die Aufgabe der Verkehrspolitik vornehmlich darin, für den Ausbau einer leistungsfähigen und an der Nachfrage orientierten Infrastruktur zu sorgen. Nun spielten auch die Bereiche Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Verkehrssicherheit und der Schutz der Bevölkerung vor den negativen Auswirkungen eine bedeutende Rolle. Aus einer bisherigen sektoralen Verkehrspolitik wurde eine dynamische, verkehrsträgerübergreifende Verkehrspolitik, die neben dem Verkehr auch alle den Verkehr beeinflussenden Bereiche umfassen sollte (so genannter „systemanalytischer Ansatz“). (BMöWV 1991, 12, 21f; Steininger 2009, 94-96) Zu sehen war die bisherige sektorale Verkehrspolitik vor allem in den verkehrsträgerorientierten Rechtsakten. Dies war historisch bedingt und in der Vergangenheit wurde die „dienende Funktion des Verkehrs“ betont. Probleme verfassungsrechtlicher Natur gab es immer wieder bei der Übernahme von internationalen Rechtsakten durch die Kompetenzaufteilung des B-VG. Neben dem Kompetenzdschungel (Ressortaufteilung) war auch die unübersichtliche Fülle von Gesetzen und Rechtsvorschriften hemmend. Durch einen EG-Beitritt sollte die Rechtssituation noch komplexer werden. Innerstaatlich wurden Verkehrsprojekte zunehmend durch steigendes Umweltbewusstsein und Bürgerbeteiligung erschwert. Das neue Ziel war nun eine Bereinigung, Vereinfachung und Harmonisierung des Rechtsrahmens hin zu einer verkehrsträgerübergreifenden Verkehrspolitik. (BMöWV 1991, 23f; Steininger 2009, 97) Die neuen Ziele der systemorientierten Verkehrspolitik lassen sich bereits in den Prinzipien der österreichischen Verkehrspolitik ablesen:  Menschen und ihre Bedürfnisse (Lebensqualität, intakte Umwelt, Wohlstand und Mobilität) stehen im Mittelpunkt der Verkehrspolitik;  Eine aktive Verkehrspolitik muss verkehrsträgerübergreifend sein und gestaltend in das Verkehrssystem eingreifen (agieren statt reagieren);  Lenkendes Eingreifen der Verkehrspolitik zur Wahrung der volkswirtschaftlichen Interessen gegenüber Einzelinteressen;

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 Aktives Eingreifen der Verkehrspolitik in die ungesteuerte Weiterentwicklung des Verkehrssystems zum Schutz der Bevölkerung und Umwelt:  Interessenausgleich. (BMöWV 1991, 13f; Steininger 2009, 95; Liebherr 2000, 243) Erstmalig veröffentlicht wurde das GVK-Ö im Dezember 1987 nach sieben Jahren Planungsarbeit und dann in einem Konsultationsverfahren mittels zahlreicher Verbesserungsvorschläge überarbeitet, wobei auch bereits neuere Entwicklungen Eingang fanden (z. B. die Grenzöffnung im Osten). Zu erwähnen sind auch die „verkehrspolitischen Leitlinien“, die vom BMöWV im April 1990 veröffentlicht wurden, und bereits auf dem Erstentwurf des GVK-Ö von 1987 basierten. (BMöWV 1991, 12; Liebherr 2000, 242) Insgesamt wurden zehn Leitlinien und im GVK-Ö 1991 zugleich Maßnahmen zur Zielerreichung ausformuliert, die die österreichische Position auch bei den Transitvertragsverhandlungen wiederspiegelten:  Vermeidung von unnotwendigen Verkehr (Vermeidung von Leerfahrten, Vermeidung von Streusiedlungen, Überprüfung von Exportförderungen etc.);  Förderung des umweltfreundlichen Schienenverkehrs, der Schifffahrt und des nicht motorisierten Verkehrs (gerechte Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern, Ausbau der Bahnstrecken Richtung Osten, Attraktivierung des ÖPNV, Vorrang von Straßenbahnen und Bussen im Stadtverkehr, ökologischer Ausbau des Donauwasserweges und der Häfen etc.);  Frühestmögliche Nutzung des jeweiligen Standes der Technik zur Vermeidung von Negativwirkungen des Verkehrs (z. B. Katalysatorregelung für Pkw, lärmarme Lkw, Lärmschutztechnik, Telematik);  Mitwirkung der Betroffenen und Bevölkerungsakzeptanz in der Verkehrspolitik (detaillierte Informationspolitik, Bürgerbeteiligung, Alternativen);  Kostenwahrheit im Verkehr: Internalisierung externer volkswirtschaftlicher Kosten und Anwendung des Verursacherprinzips (Anrechnung der externen Kosten und Internalisierung derselben bei Steuern, Gebühren und Fahrpreisen, Kosten- Leistungs-Transparenz etc.);  Kooperation der Verkehrsträger – Bildung von Transportketten (Nutzen der Vorteile des kombinierten Verkehrs, Verbesserung der Logistik und des Angebots im Güterverkehr, Optimierung der Anschlüsse im ÖPNV zwischen Bus und Bahn, zusätzliche Parkmöglichkeiten für Pendler etc.);  Schaffung eines neuen, adressatenorientierten Verkehrsrechts (Hebung der Verkehrssicherheit, Änderungen der Kompetenzaufteilung bei Notwendigkeit, Vorrang für den ÖPNV etc.);  Verringerungen der Belastungen aus dem Transitverkehr (Überprüfung der Zweckmäßigkeit von Transporten, Verursacherprinzip und Internalisierung der externen Kosten, Plafonierung des Transitverkehrs, Verbesserung des Bahnangebotes im Güterverkehr, Abschluss eines langfristigen Transitvertrages mit der EG, Beibehaltung der bisherigen Transitverkehrspolitik trotz Integration in die EG);  Ökologisch und sozial verträgliche Verkehrsorganisation in Ballungsräumen (raumplanerische Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung, Ausbau der Geh- und Radwege, Parkraumbewirtschaftung, Verkehrsberuhigung, etc.);  Offene Grenzen zu den östlichen Nachbarstaaten (Ausbau der Bahnverbindungen Richtung Osten und Beseitigung von Kapazitätsengpässen, Ausbau des 251

kombinierten Verkehrs, Zurückhaltung beim Bau von neuen Hochleistungsstraßen und lediglich Ausbau von Ortsumfahrungen, verstärkte Nutzung der Donau etc.). (BMöWV 1991, 14-19) Insgesamt sollte das GVK-Ö ein dynamisches System sein und immer wieder laufend aktualisiert werden. Die Erkenntnisse sollten in einem eigenen Bundesverkehrswegeplan ausgearbeitet werden. Darin sind die Prioritäten und der weitere Ausbau sowie die Neugestaltung der gesamten Verkehrswege zu konkretisieren. (BMöWV 1991, 19f) Inhaltlich geht dann das GVK-Ö 1991 wiederum auf die auf die Verkehrsleistung ein. Der Verkehrssektor hatte zwischen 1975 und 1989 einen Anteil von rund 6% am BIP erreicht. Unter Hinzuziehung des Werkverkehrs und Teilen des Rohrleitungsverkehrs erhöht sich der Anteil auf ca. 10 bis 11%. Der Verkehrssektor beschäftigte 1989 insgesamt 218.000 Personen. Daneben sorgte der Sektor für die Erhöhung der räumlichen Mobilität jedes Einzelnen und zur Standortverbesserung des Wirtschaftsstandortes. Im Bundeshaushalt war der Sektor Verkehr (und Nachrichtenübermittlung) im Jahr 1988 für 19,3% der Ausgaben verantwortlich. Darin enthalten waren die Bundesstraßen, die ÖBB, die Post- und Telegraphenverwaltung, Zuschüsse zur Wiener U-Bahn und zum ÖPNV der Gemeinden. Weitere rund 300 Mio. Euro (ca. 4,1 Mrd. ATS) waren für die Ausgaben der Sondergesellschaften im Straßenbau vorgesehen. Dazu kamen noch jährlich rund 7 Mio. Euro (ca. 100 Mio. ATS) für die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG). Für das Jahr 1990 waren im Bereich Verkehr rund 7,5 Mrd. Euro (ca. 103 Mrd. ATS) veranschlagt. Wiederum zusätzlich rund 300 Mio. Euro für die Sonderbaugesellschaften und rund 150 Mio. Euro für das Projekt „Neue Bahn“. Für die privaten österreichischen Haushalte wurde eine Ausgabenquote von ca. 15% für Verkehrsleistungen ermittelt. Allen voran der Beitritt zur Gemeinschaft würde das bisherige Verkehrssystem durch die Liberalisierung grundlegend verändern und die bisherigen staatlichen Lenkungsmöglichkeiten beschränken. Ein Hauptproblem ist demnach auch, dass die verursachten externen Kosten von der Allgemeinheit getragen werden müssen und es dadurch zu Verzerrungen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern kommt. (vgl. BMÖWV 31-35; Steininger 2009, 99f) Weitere Kapitel des GVK-Ö 1991 befassten sich mit der Umweltsituation und der Verkehrssicherheit. Im Bereich Umwelt wurde vor allem auf die Schadstoffemissionen des Straßenverkehrs sowie auf den Flächenverbrauch der Verkehrsinfrastruktur sowie auf die Lärmproblematik hingewiesen. (vgl. BMöWV 1991, 141-155; Steininger 2009, 101-103) Bei der Infrastruktur zeigte die bisherige sektorale Verkehrspolitik auch ihre negativen Auswirkungen. Allen voran wurde vorrangig in das (hochrangige) Straßennetz investiert und andere Verkehrsträger, wie z. B. die Schiene, vernachlässigt. Mit dem Programm „Die

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Neue Bahn“ sollte die bisher eher stiefmütterlich behandelte Eisenbahn wettbewerbsfähiger werden, wobei der Fokus auf den Aus- und Neubau der Infrastruktur gelegt wurde. Rund 2,25 Mrd. Euro sollten bis ins Jahr 2000 dafür bereitgestellt werden. Insgesamt sollte der neue Bundesverkehrswegeplan diese bisherigen Defizite beseitigen und eine verkehrsträgerübergreifende Planung und Finanzierbarkeit ermöglichen. (BMöWV 1991, 40f, 51; Steininger 2009, 107) Sehr Aufschlussreich ist die folgende Analyse der einzelnen Verkehrsträger. Im Schienenverkehr hat die Bahn ihre frühere Dominanz im Personen- und Güterverkehr gänzlich an die Straße verloren. Durch fehlende Investitionen (alte Strecken), fehlende internationale Kooperationen, Inflexibilität und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit fiel die Bahn deutlich zurück. (BMöWV 1991, 61f) Als Maßnahmen zur weiteren Attraktivierung der Bahn wurde die Herstellung von gerechten Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern angestrebt (Stichwort Kostenwahrheit). Das Programm „Die Neue Bahn“ sollte mit Nachdruck verfolgt werden und der Streckenaus- bzw. Streckenneubau zu Fahrzeitverkürzungen führen und eine Bahnhofsoffensive zur Qualitätssteigerung führen. Auch der Ausbau von neuen Hochleistungsstrecken sollte forciert werden. Der „Neue Austro-Takt“ (NAT 91) sollte als neuer Taktfahrplan für alle öffentlichen Verkehrsmittel eingeführt werden und somit das Angebot deutlich verbessern. Im Bereich Güterverkehr sollte das Programm „Die Neue Bahn“ mit dem Ausbau der Kapazitäten und der Terminals der Kombinierte Verkehr gesteigert werden. Für diese Aufgabe sollte die ÖBB auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden (eigene Rechtspersönlichkeit) und an die internationalen Vorgaben angepasst werden (RL 91/440/EWG). (BMöWV 1991, 70-81; Steiniger 2009, 107f, 112) Der Straßenverkehr umfasste als wichtigster Verkehrsträger mehr als 80% der Verkehrsleistungen beim Personenverkehr (pkm) und beim Güterverkehr rund 35% (tkm). Erst Mitte der 1970er Jahre wurde die nachkriegsbedingte übermäßige Förderung des Ausbaus der Straßeninfrastruktur etwas gebremst, trotzdem stieg der Individualverkehr weiter rasant. Erklären ließ sich dies durch die stark gesunkenen Treibstoffpreise und den steigenden Bestand an Kraftfahrzeugen. (BMöWV 1991, 82f; Steininger 2009, 113) Als Maßnahmen für eine systemorientierte Straßenverkehrspolitik wurde die Bündelung der bisher verteilten Agenden in einem Ressort angestrebt. Neu- und Ausbauten des bereits qualitativ hochwertigen österreichischen Straßennetzes sollen kritisch hinterfragt werden. Allen vor soll der gesellschaftlich immer weniger erwünschte Gütertransitverkehr nicht noch weiter erzeugt werden. Die UVP sollte zudem für alle Straßenneu- und

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Straßenausbauten verpflichtet werden. Im Bereich des Schutzes der Bevölkerung waren Nachfahrverbote vorgesehen. Auch das bisherige Lkw-Limit von 38 t sollte zur Schonung der Infrastruktur nicht weiter angehoben werden. Die Verkehrssicherheit sollte durch den Einsatz neuer Technologien weiter erhöht werden (z. B. Telematik). (BMöWV 1991, 88-91; Steininger 2009, 123f) Schließlich führte das GVP-Ö 1991 noch unter dem Kapitel Sonderprobleme diverse Themen an. Eines davon ist der Transitverkehr. Durch die Ostöffnung wird neben dem bisherigen Nord-Süd- auch noch ein starker Ost-West-Transitverkehr auf der A1 Westautobahn entstehen. 1989 wurde von rund elf Mio. Transit-Pkw- und über 25 Mio. Transit-Lkw-Fahrten durch Österreich ausgegangen. Allein 70% davon entfielen auf den Brenne-r, Tauern- und Pyhrn-Korridor. Weitere Wachstumsimpulse für den Nord-Süd- Transitverkehr wurden durch die Liberalisierung und die Vollendung des Binnenmarktes in der Gemeinschaft erwartet. Ohne verkehrspolitischen Gegenmaßnahmen wurde von einer Verdoppelung des Straßentransitverkehrs bis zum Jahr 2000 ausgegangen. Im Bereich Finanzierung arbeitete lediglich die Brennerautobahn bei den Mauten für die Betriebs- und Kapitaldienstausgaben kostendeckend. (BMöWV 1991, 215-217; Steininger 2009, 137f) Als Maßnahmen wurde der kurzfristige (z. B. Umfahrung Innsbruck) und langfristige Ausbau der Schieneninfrastruktur (z. B. BBT) und eine daraus folgende Kapazitätssteigerung an den belastenden Korridoren in Aussicht gestellt. Durch die Bereitstellung einer leistungsfähigen Bahninfrastruktur soll der Güterverkehr signifikant von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Dieses Ziel deckte sich mit den Prioritäten der Bundesregierung. (BMöWV 1991, 224-226; Steininger 2009, 138f) Als ein weiteres Sonderproblem wurde der Kombinierte Verkehr behandelt. Gerade dem KV wurde von Seiten der österreichischen Verkehrspolitik eine zentrale Bedeutung bei der Lösung der Probleme des Straßengüterverkehrs durch die Alpen zugesprochen. Allerdings weist der KV trotz enormer Zuwachsraten noch viele Schwachstellen auf, wobei diese großteils aus Schwachpunkten im Schienenverkehr und an den Schnittstellen zwischen Schiene und Straße resultieren. (BMöWV 1991, 229; Steininger 2009, 132f) Als Schlusspunkt des GVK-Ö 1991 wurde die Erstellung eines Bundesverkehrswegeplans (BVWP) gefordert. Bereits im Arbeitsabkommen der Großen Koalition SPÖ-ÖVP vom Dezember 1990 war die Erstellung eines BVWP vorgesehen. Die verkehrspolitischen Leitziele für den BVWP waren dieselben wie im GVP-Ö 1991. (vgl. BMöWV 1991, 302- 305; Steininger 2009, 140f)

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Zusammenfassend umfasst das GVP-Ö 1991 die Ziele einer neuen österreichischen systemorientierten Verkehrspolitik. Diese verkehrspolitischen Ziele orientieren sich am Umweltschutz sowie am gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung, aber sie umfassen dennoch ein gut funktionierendes Verkehrssystem für den Wirtschaftsstandort Österreich. Berücksichtigung fand auch der bereits fortschreitende europäische Integrationsprozess. (Kovacic 1999, 3; Liebherr 2000, 241) Kritisch bleibt anzumerken, dass dieses Konzept relativ spät kam, obwohl es von Seiten der Politik lange angekündigt war. (Neisser 2008, 157) Trotz der bereits bekannten Folgen der Verkehrs- und Umweltbelastung dauerte es fast ein Jahrzehnt, um auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren.

4.2.4 Der Generalverkehrsplan 2002

Wie bereits erwähnt kamen auch von Seiten der Bundesregierung die Aufforderung einen BVWP zu erarbeiten. Im Arbeitsübereinkommen zwischen der SPÖ und ÖVP für die Neuauflage der Großen Koalition vom November 1994 ist der BVWG wiederum erwähnt. Darin wird als Schwerpunkt „[…] die Erstellung eines koordinierten Konzepts verkehrsträgerübergreifender Masterpläne für den Infrastrukturausbau aller Verkehrsträger auf Basis des Bundesverkehrswegeplans, der 1996 vorzulegen ist [gefordert]. Vorrang für sichere und umweltverträgliche Verkehrsträger.“ (Kovacic 1999, 4) Nach dem vorzeitigen Scheitern dieser Koalitionsregierung wurde der akkordierte BVWP mit der Umsetzung verkehrsträgerübergreifender Infrastrukturkonzepte im Arbeitsübereinkommen der beiden Parteien vom 11. März 1996 als zukünftiger Schwerpunkt der Verkehrspolitik genannt. (Kovacic 1999, 4; Liebherr 2000, 243) Nach diesen politischen Vorgaben wurde der BVWP zwischen 1992 und 1998 erarbeitet. Als Kernstück des BVWP wurde der so genannte Masterplan 2015 von Verkehrsminister Caspar Einem (SPÖ) im Herbst 1998 vorgestellt, der die Entwicklung der Eisenbahn- und Straßeninfrastruktur unter Einbeziehung der Donau und der Flughäfen bis 2015 festlegte. Darin sind alle Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur enthalten, die von gesamtösterreichischer Bedeutung sind. Die zu tätigenden Investitionen sollen aufeinander abgestimmt werden und auch möglichst viele Verknüpfungen zwischen den Verkehrsträger geschaffen werden. (Kovacic 1999, 6, 9; Liebherr 2000, 243) „Ziel des Bundesverkehrswegeplans ist es, für Österreich ein wissenschaftlich breit fundiertes Instrumentarium zu erarbeiten, um die Realisierung eines volkswirtschaftlich optimierten Verkehrsnetzes sicherzustellen. Dieses Instrumentarium schließt daher die wesentlichen Elemente einer strategischen Umweltprüfung ein, berücksichtigt aber in gleicher Weise auch die Bedürfnisse der Wirtschaft.“ (Kovacic 1999, 6f) Bereits bedacht wurden im Masterplan die veränderten Rahmenbedingungen, wie die 255

Einbindung des österreichischen Verkehrsnetzes als integralen Teil in die TEN. Verschiedene Prognosen gingen von unterschiedlichen Szenarien des Verkehrswachstums aus (Stichwort EU-Osterweiterung). Bei allen Szenarien wurde aber große Nachholbedarf von Investitionen in die Schieneninfrastruktur sichtbar. Daher kam man zum Schluss, dass rund 22 Mrd. Euro (300 Mrd. ATS) in die Schiene und lediglich 3 Mrd. Euro (40 Mrd. ATS) in die Straße investiert werden sollten. Das Schienennetz soll dadurch besser erreichbar werden und mit den neuen Kapazitäten soll ein attraktiver Bahnbetrieb ermöglicht werden. Dagegen sollen beim Straßennetz vornehmlich Lückenschlüsse und behutsame Erweiterungen vorgenommen werden. (Kovacic 1999, 8; Liebherr 2000, 243f) Parallel zum von Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (BMWV) erstellten BVWP legte das Bundesministerium für Wirtschaftliche Angelegenheiten (BMwA), das damals für den Bundesstraßenbau zuständig war, im Jahr 1999 die so genannte GSD- Studie365 vor. Aufgrund der etwas unlogischen Ressortverteilung wurde in dieser Sache eine unnötige Doppelgleisigkeit gefahren. In dieser Studie wurden Netzvorschläge für das Bundesstraßennetz und für die Schienenkorridore entwickelt, die über die Vorschläge des Masterplans hinausgehen. Durch einen selektiven Ausbau sollte das Netz leistungsfähiger werden. (Kovacic 1999, 8; Schäfer 2000, 166f) „Das Straßennetz der Zukunft soll nach der im Vorwort zu den Hauptergebnissen zum Ausdruck gebrachten Willen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten ‚so umweltverträglich wie möglich‘ und ‚so leistungsfähig wie nötig‘ [sic!] sein.“ (Schäfer 2000, 167) Als Ergebnisse der GSD- Studie wurde festgestellt, dass die hochrangigen Bundestraßen im BStG 1971 nicht mehr den aktuellen verkehrs- und wirtschaftspolitischen Anforderungen entsprechen. Dies ist vor allem in den fehlenden hochrangigen Straßenverbindungen Richtung Tschechien, Slowakei und Ungarn festzumachen. Im TEN-V für Österreich liegt ein Ungleichgewicht zwischen einem umfangriechen Schienennetz und einem im Vergleich dazu eher kurzem hochrangigen Straßennetz vor. Deshalb wurden weitere Straßen (v. a. Richtung Norden und Osten) als TEN-V würdig vorgeschlagen. (Schäfer 2000, 167f) Insgesamt wurden in der GSD-Studie rund 3.000 km Straßen als höchst- (TEN-V) und hochrangig definiert (Typ I und II). Alle übrigen Bundesstraßen fallen unter den Typ III (rund 9.000 km). (Kovacic 1999, 8; Schäfer 2000, 168) Im Juli 1999 forderte der Nationalrat die Zusammenführung des BWVP und der GSD-Studie und die gemeinsame Festlegung von Verkehrskorridoren, die in das TEN-V-Netz aufzunehmen sind, wobei aber die Indermodalität der Verkehrsträger

365 Vgl. BMwA (1999)„Die Gestaltung des Straßennetzes im Donaueuropäischen Raum unter besonderer Beachtung des Wirtschaftsstandortes Österreich“, Wien. 256

untereinander zu beachten ist. Schließlich wurde im August 1999 das BStG 1971366 dahin geändert, dass die in der GSD-Studie vorgeschlagenen Änderungen des Straßennetzes ins Verzeichnis aufgenommen wurden. (Schäfer 2000, 169, 171f) Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2000 von der Großen Koalition SPÖ/ÖVP hin zu einer Regierung aus ÖVP/FPÖ folgte im Jahr 2002 eine neuerliche Neubewertung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen im Generalverkehrsplan (GVP-Ö 2002). Während der Arbeiten am BVWG änderten sich die wesentlichen Rahmenbedingungen. Durch die bevorstehende EU-Osterweiterung rückte Österreich von einer Randlage ins verkehrspolitische Zentrum Europas. Daraus resultiert eine enorme Verkehrszunahme, vor allem im Straßengüterverkehr durch Veränderungen im Transitvertrag und durch den Wegfall der bilateralen Kontingente für die Beitrittskandidaten. (BMVIT 2001, 4) Die folgenden Abbildungen 20 und 21 zeigen die Engpässe im Jahr 2001 im hochrangigen österreichischen Straßen- und Schienennetz. Abbildung 20: Engpässe im hochrangigen Straßennetz (Jahr 2001)

(Quelle: BMVIT 2002, 7) Eine weitere markante Änderung der Rahmenbedingungen betraf die Etablierung von neuen Finanzierungsinstrumenten. Eine ökologische Veränderung in Bezug auf die Verkehrsnachfrage bringen die beiden neuen Finanzierungsinstrumente. Einerseits ist dies die fahrleistungsabhängige Lkw-Maut auf Autobahnen und andererseits die Benutzungsentgelte im Schienennetz. Neu ist auch die Einbindung von so genannten PPP- Modellen, wofür aber eine verbindliche Verkehrspolitik für prioritäre Vorhaben

366 BGBl. Nr. 286/1971 idF BGBl. I Nr. 182/1999. 257

Voraussetzung ist. Ein weiterer Punkt ist die europäische Raumordnung. Überregionale Verkehrskonten (so genannte „TEN-Knoten“) mit regionalen Verteilerzentren rücken zwischen konkurrierenden Ballungsräumen immer mehr ins Zentrum. Hier wird als Beispiel Wien und Bratislava genannt (so genannte „Twin-City“). Dazu führen verbesserte Verkehrsnetzte zu attraktiveren Wirtschaftsstandorten. Eine organisatorische Veränderung umfasste schließlich die Ressortaufteilung. Seit dem Jahr 2000 sind alle wesentlichen Verkehrsagenden im BMVIT konzentriert. Damit wird die Erarbeitung eines Verkehrskonzeptes für alle Verkehrsträger auf Bundesebene erleichtert. (BMVIT 2002, 8) Nicht behandelt werden im GVP-Ö 2002 der Flugverkehr, der Nahverkehr, das niederrangige Straßennetz (seit 2004 in der Verwaltung der Länder; vgl. Punkt 4.1.3) und die Rohrleitungen. (BMVIT 2002, 9) Abbildung 21: Engpässe im hochrangigen Schienennetz (Jahr 2001)

(Quelle: BMVIT 2002, 7) Der verkehrspolitische Rahmen wird maßgeblich durch europarechtliche Regelungen bzw. internationale, nationale, regionale und lokale Vorgaben festgelegt. Wie bereits im GVK-Ö 1991 ist auch im neuen Generalverkehrsplan der Leitsatz der „Nachhaltigen Mobilität“ unverändert, was auch im Hinblick auf die Vorgaben der EU zutrifft (Beschlüsse von Göteborg 2001; vgl. Punkt 3.5.1). Einerseits soll eine effiziente Verkehrsinfrastruktur den Wirtschaftsstandort Österreich stärken und andererseits das Prinzip der Nachhaltigkeit als Wechselspiel ökologischer, ökonomischer und sozialer Wertvorstellungen Beachtung finden. Das Infrastrukturprogramm des GVP-Ö enthält kurz- und mittelfristige sowie langfristige Investitionspakte für die einzelnen Verkehrsträger. Ein weiterer Schwerpunkt

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liegt im Verkehrsmanagement (Telematik) und in der Senkung der Unfallzahlen sowie in der verstärkten Tunnelsicherheit. (BMVIT 2002, 10f; Steininger 2009, 144) Im GVP-Ö 2002 werden unter dem Titel „nachhaltige Mobilität“ folgende Ziele und Grundsätze der österreichischen Verkehrspolitik postuliert:  Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich (Ausbau Verkehrsinfrastruktur unter besonderer Beachtung der leistungsfähigen, intermodalen TEN-Hauptkorridore);  Effizienter und bedarfsgerechter Netzausbau (bessere Nutzung bestehender Systeme, statt Neubau; Steigerung der Effizienz der Transportsysteme);  Erhöhung der Sicherheit im Verkehrssystem (Tunnelsicherheit);  Förderung der nachhaltigen Mobilität (Verlagerung des modal splits hin zur Schiene);  Sicherstellung der Finanzierung (Entlastung des öffentlichen Haushaltes, Schuldenabbau bei den Finanzierungsgesellschaften, Sicherung des „Vermögens“);  Erleichterung der Umsetzung (Straffung des Planungsmanagements bei Verkehrsprojekten). (BMVIT 2002, 16f; vgl. Steininger 2009, 145) Für die Umsetzung dieser oben genannten Ziele und Grundsätze wurde im GVP-Ö 2002 ein großzügiges Investitionsprogramm festgelegt. Insgesamt wurden ca. 270 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 45,1 Mrd. Euro festgelegt (vgl. Abbildung 22). Diese Projekte wurden in Zusammenarbeit mit den Ländern und den Verkehrsträgergesellschaften (ASFINAG, ÖBB, HL-AG, BEG) abgestimmt. Zwei Drittel der Investitionen sollen dabei in die Schiene fließen (29,9 Mrd. Euro). (BMVIT 2002, 21f; Steininger 2009, 147) Aus der Gesamtinvestitionssumme wurden nach Beurteilungen und Prioritäten Investitionspakete für Schiene und Straße definiert, die ab 2002 bis 2012 bzw. 2017 verwirklicht werden sollten. Diese Pakete umfassten insgesamt ein Volumen von 17,1 Mrd. Euro (Straße 4,7 Mrd. Euro; Schiene 12,4 Mrd. Euro). Im Bereich Straße umfassten die Investitionen in erster Linie die Tunnelsicherheit (Ausbau durch zweite Röhren), diverse Lückenschlüsse, Vollausbauten und die Verbindungen zu den Nachbarstaaten. Dazu kamen durch die „Verländerung“ der ehemaligen Bundesstraßen B auch Straßenprojekte in der Höhe von 7,5 Mrd. Euro. Im Bahnbereich war dies der viergleisige Ausbau der Westbahn (Wien-Wels), der Brennerkorridor (Unterinntalbahn), die Südbahn (Koralmbahn), intermodale Ausbauten (Terminals), Nahverkehrsvorhaben und die Tunnelsicherheit. (BMVIT 2002, 29f; Steininger 2009, 150f) Schlussendlich wurde im GVP-Ö 2002 die Finanzierung dieser Infrastrukturprojekte dargestellt. Als wichtigster konträrer Punkt zu den früheren Konzepten soll die Verkehrsinfrastruktur aufgrund knapperer Budgetmittel in Zukunft verstärkt durch direkte Einnahmen von den Verkehrsnutzern selbst finanziert werden. Dazu zählen bei der Straße die Mauten (Lkw-Maut und Vignette) und bei der Schiene das Schienenbenutzungsentgelt. Die zukünftigen Investitionsprogramme bedürfen aber v. a. bei der Schiene weitere 259

Zuschüsse aus Budgetmitteln. Erprobt werden sollen zur Budgetentlastung zudem PPP- Modelle. Schließlich sollen die Sondergesellschaften ASFINAG bzw. SCHIG (Schieneninfrastrukturgesellschaft) bis 2040 bzw. 2070 entschuldet werden. (BMVIT 2002, 35-38; Steininger 2009, 152-157) Abbildung 22: Gesamtinvestitionsvolumen des GVP-Ö 2002 und Investitionspakete

(Quelle: BMVIT 2002, 21, 38)

260

Für die Überwachung und Ausführung dieser Verkehrsinfrastrukturinvestitionen sah der GVP-Ö ein intensives Controlling und Monitoring vor. (BMVIT 2002, 41-43) Insgesamt enthält der GVP-Ö 2002 ein ambitioniertes Ausbauprogramm für die Verkehrsinfrastruktur durch seine Priorisierung, Kostenschätzung und zeitliche Reihung in einander aufbauenden Paketen bis 2012. (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 8) Durch den weiteren koordinierten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur soll der Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig gestärkt werden. Allen voran sind die Lückenschlüsse im hochrangigen Straßennetz und der weitere Ausbau der Schieneninfrastruktur für den Standort wichtig. Daneben werden endlich leistungsfähige Verkehrsverbindungen in die östlichen Nachbarstaaten umgesetzt. Eine Schwachstelle ist allerdings, dass „[…] die Aufnahme der Projekte in den GVO-Ö […] hingegen auf konsensualer Basis [erfolgte] und […] daher stark von Länderegoismen geprägt [war]. Die Ausführung der Projekte in den […] Rahmenplänen ist nicht verbindlich. Sie haben damit einen richtungsweisenden und empfehlenden Charakter.“ (Kummer 2010, 226) Zusätzlich fehlt im GVP-Ö der nachfragorientierte und verkehrsträgerübergreifende Weitblick vollständig. (Anreiter 2004. 30) Diese gesetzliche Unverbindlichkeit führte dazu, dass die Vorgaben des GVP-Ö in Bereich des Infrastrukturausbaus seit 2002 mehrmals überarbeitet worden sind. Bereits 2004 wurde der Plan überarbeitet, da sich der Zeitplan und die Investitionskosten verändert hatten. (DS 11.08.2004; Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 8; Anreiter 2004, 30) Insbesondere geschah dies nach dem Regierungswechseln 2007 und 2008 sowie aufgrund von budgetären Sparzwängen. Bleibt als Fazit zu bemerken, dass „[…] insgesamt […] der Eindruck [besteht], dass die österreichische Verkehrsplanung – sofern sie überhaupt existiert – bescheidene Effekte zur Lösung der Verkehrsprobleme beiträgt, wenig Innovationen beinhaltet und relativ spät auf Entwicklungen reagiert.“ (Neisser 2008, 158)

4.2.4 Der Gesamtverkehrsplan für Österreich 2012

Im Regierungsprogramm der Koalition von SPÖ und ÖVP vom Jänner 2007 waren für das Infrastrukturausbauprogramm bis 2010 rund zehn Mrd. Euro, bis 2012 gar 17,2 Mrd. Euro vorgesehen. Davon sollten rund sechs Mrd. in den ÖBB-Rahmenplan und 4,5 Mrd. Euro in das ASFINAG-Bauprogramm investiert werden. Trotz vorheriger massiver SPÖ-Kritik am GVP-Ö, die sich damals bei der Erstellung desselben in der Opposition befand, war dies im Großen und Ganzen eine Fortschreibung der bisherigen Beschlüsse aus dem Jahr 2004. Im März 2007 fixierte der damalige Verkehrsminister Werner Faymann (2007-2008, SPÖ) nach einer Tour durch die Länder das neue Bauprogramm der ASFINAG sowie den ÖBB- Rahmenplan. Darin waren für die ÖBB 6,4 Mrd. Euro und für die ASFINAG 4,6 Mrd. Euro 261

an Investitionsvolumen vorgesehen, um 500 Mio. Euro mehr als im Regierungsprogramm. Zusätzlich wurde in einer Vorschau das Vorhaben kundgemacht, bis 2020 rund 40 bis 42 Mrd. Euro in Schiene und Straße zu investieren. (DS 10.01.2007; TT 27.03.2007) Kritik und Skepsis wurde vor allem an der nicht immer nachvollziehbaren Reihung der Projekte laut und am „Wunschkonzert“ der Länder. Fehlende Finanzierungspläne (Stichwort „Schuldenberg“ bei ASFINAG und ÖBB) wurden ebenfalls angeprangert sowie die generelle Frage aufgeworfen, ob Verkehrspolitik nur aus Bauprogrammen bestehen würde. (DS 27.03.2007a/b) In der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 wurden dann zur Ankurbelung der Konjunktur noch einmal großzügige Investitionen in die Infrastruktur beschlossen. Schließlich wurde im Jahr 2009 bekannt, dass das auf 8,6 Mrd. Euro aufgestockte Ausbauprogramm der Autobahnen komplett aus dem budgetierten Rahmen geraten war. Insbesondere hatten sich die damals fixierten Projekte um mehr als zwei Mrd. Euro verteuert. Dazu kamen, ausgelöst durch die Wirtschaftskrise, sinkende Mauteinnahmen bei der ASFINAG. (DS 11.12.2009) All dies führte dazu, dass die Bundesregierung 2010, bedingt durch die angespannte Budgetsituation nach der Wirtschaftskrise, ein Sparprogramm beim Infrastrukturausbau anordnete. Alle Projekte wurden evaluiert und überarbeitet. Gerade bei den so genannten „Megaprojekten“ im Bahn- und Straßenbau, wie z. B. Koralm-, Semmering- und Brennerbasistunnel sowie bei diversen Schnellstraßenprojekten in der Ostregion wurde nach Einsparungspotential gesucht. Insgesamt sollen 4,3 Mrd. Euro weniger bis 2016 ausgegeben werden. Davon entfielen auf die Bahn 1,5 und auf den Straßenbau 2,8 Mrd. Euro. Erreicht wurde dies durch teilweise Zurückstufung und Streichung diverser Projekte. (DS 31.05., 12.11.2010; BMVIT 2015367) Am 1. Februar 2011 beschloss die Bundesregierung schließlich den ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2011 bis 2016. In den fünf Jahren sollen rund 12,8 Mrd. Euro in die Schieneninfrastruktur fließen. Gegenüber den Planungstand von 2009 und dem bisher gültigen Rahmenplan 2009 bis 2014 wurden durch die Evaluierung 2010 1,5 Mrd. Euro eingespart. Dies war aufgrund des Konsolidierungsprogrames der Bundesregierung nötig geworden. Die Schwerpunkte des ÖBB-Rahmenplans liegen im Ausbau des West-, Süd- und Brennerkorridors. Daneben soll das Nahverkehrsnetz und die Bahnhöfe bzw. Haltestellen weiter modernisiert werden. Schließlich sollen bis 2014 alle Langsamfahrstellen beseitigt werden. Ein Bekenntnis gab es auch zum so genannten „Zielnetz 2025“, da den längerfristigen Ausbau beinhaltet. Bei der ASFINAG wurde das

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jährliche Bauprogramm um 25% gekürzt. Der Fokus soll nun primär im Straßenausbau liegen und nicht mehr im Neubau. (DS 1.02, 5.05.2011) Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) präsentierte schließlich am 14. Dezember 2012 den „Gesamtverkehrsplan für Österreich“ (GVP). Darin werden die verkehrspolitischen Leitlinien, Ziele und Maßnahmen bis 2025 beschrieben. Im Gegensatz zum GVP-Ö von 2002 legt der neue Generalverkehrsplan nicht mehr nur den Fokus auf eine Auflistung von Infrastrukturprojekten. Die Verkehrspolitik umfasst alle Verkehrsmittel und -träger. Verkehrsnetzte werden in Zeiten der Globalisierung als verwoben und vernetzt betrachtet. Daher macht die Verkehrspolitik auch nicht an Bundes-, Landes- oder Gemeindegrenzen halt. (BMVIT 2012, 9) Im GVP werden zehn Leitlinien der österreichischen Verkehrspolitik formuliert, die zum Teil auf die bisherigen Leitlinien aus den Vorgängerplänen anknüpfen:  Leistbare Mobilität: Der öffentliche Verkehr wird als Element der Daseinsvorsorge definiert und dadurch wird die leistbare Mobilität sichergestellt (keine Verteuerung über der allgemeinen Inflation). Deshalb soll der ÖPNV weiter ausgebaut werden und die verschiedenen Verkehrsmittel intelligent verknüpft werden.  Sichere Mobilität: Die Sicherheit soll deutlich erhöht werden und die Zahl der Verkehrstoten gegen null reduziert werden.  Nachhaltige Verkehrspolitik: Gezielte Investitionen sollen erfolgen und Rücksicht auf die vorhandenen Ressourcen genommen werden.  Leistungsfähiges Verkehrssystem: Das gut ausgebaute und leistungsfähige Verkehrssystem soll auch in Zukunft weiterentwickelt und optimiert werden.  Zuverlässiges Verkehrssystem: Das österreichische Verkehrssystem verfügt über eine hochwertige Infrastruktur, wobei bei der Weiterentwicklung auf die Zuverlässigkeit Priorität gelegt wird.  Passgenaue Verkehrsinformationen: Durch die technische Weiterentwicklung kann Verkehrsinformation in Echtzeit helfen, dass die Verkehrsteilnehmer den besten und passenden Weg finden.  Transparente Verkehrspolitik: Entscheidungen sollen transparent gemacht und Betroffene und Anspruchsgruppen möglichst eingebunden werden. Damit erhöht sich die Akzeptanz für verkehrspolitische Entscheidungen.  Partizipative Verkehrspolitik: Das gegenseitige Verständnis von Projektinitiatoren und Betroffenen bzw. Nutzern und Anbietern soll gewährleistet werden.  Kooperative Verkehrspolitik: Ein engeres Zusammenspiel zwischen Flächenwidmung, Bebauung, Raumordnung, Infrastrukturausbau und Verkehrsangeboten soll forciert werden.  Vorhersehbares und planbares Verkehrssystem: Klare Ziele und Vorgaben müssen formuliert werden und für alle zugänglich sein. (vgl. BMVIT 2012, 12f) Um diese verkehrspolitischen Leitlinien eines umfassenden Mobilitätsbegriffs zu gewährleisten ist ein Zusammenspiel mit anderen Politikfeldern erforderlich. Im GVP werden unter anderem die Raumordnungs-, Finanz-, Rechts-, Sozial-, Energie-, Umwelt- und Gesundheitspolitik genannt. (BMVIT 2012, 14)

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Als Ziele der österreichischen Verkehrspolitik werden im GVP vier Schlagworte genannt: sozialer, sicherer, umweltfreundlicher und effizienter.  Sozial: Verkehr soll leistbar, bedarfsgerecht und barrierefrei sein. Dazu gehört auch die Qualitätsverbesserung und -sicherung.  Sicher: Österreich soll zu einem der sichersten Länder der EU gemacht werden. Neben der weiteren Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten soll auch auf die Sicherheit von Gefahrengut besonders geachtet werden.  Umweltfreundlicher: Der CO2-Ausstoß soll bis 2025 um 19%, die Feinstaub- Emissionen um 50% und die NOx-Emissionen um bis zu 70% gegenüber 2010 reduziert werden. Der Schutz der Bevölkerung vor Verkehrslärm gehört auch dazu.  Effizient: Das Verkehrssystem soll optimiert und effizienter organisiert werden. Der Energieverbrauch soll im Straßenverkehr gesenkt werden und die Fahrzeiten auf den Haupteisenbahnstrecken reduziert werden. (vgl. BMVIT 45-49) Für die Umsetzung dieser vier Ziele werden mehrere Punkte formuliert. Im Bereich des Infrastrukturausbaus legt der GVP klare Prioritäten bis 2025 und darüber hinaus fest. Das „Zielnetz 2025+“ gibt im Schienenbereich klare Vorgaben. Für den Personenverkehr muss eine Strecke ein Potenzial von 2.000 Fahrgästen pro Tag aufweisen und für den Güterverkehr liegt diese Grenze bei 250.000 Tonnen pro Jahr. Durch den weiteren Ausbau der Schieneninfrastruktur soll der Güterverkehr verlagert und die Voraussetzung für die Einführung eines Taktverkehrs im Personenverkehr ermöglicht werden. Prioritär sollen der West-, Süd- und Brennerkorridor ausgebaut sowie 100 Bahnhofe und Haltestellen modernisiert und vier Güterterminals errichtet werden. Durch die Erhöhung der Schienenkapazitäten um 30% sollen jährlich 300 Millionen Fahrgäste und 40% der Güter mit der Bahn transportiert werden. Bis 2018 sollen 12,7 Mrd. Euro dafür investiert werden. Zusammengefasst sind die Ausbaupläne im aktuellen ÖBB-Rahmenplan 2014-2019368. (BMVIT 2012, 21, 52-54) Bei der hochrangigen Straßeninfrastruktur wurde das Bauprogramm evaluiert und redimensioniert. Dabei wurden der Lückenschluss und die Kosteneffizienz in den Vordergrund gestellt. Bis 2016 werden durch die Evaluierung der Projekte 2,8 Mrd. Euro eingespart. Bis 2018 investiert die ASFINAG laut dem Bauprogramm 2013 bis 2018369 insgesamt 6,9 Mrd. Euro. (BMVIT 2012, 54f) Ein Augenmerk wird auch auf den Ausbau von multimodalen Verkehrsknoten gelegt. Bis 2017 werden vier große Bahnterminals ausgebaut und Förderungen für Anschlussbahnen zu Firmengeländen gewährt. Damit soll mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden. (BMVIT 2012, 56)

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Der öffentliche Verkehr soll weiter gestärkt werden. Die Grundversorgung für die österreichische Bevölkerung soll dabei gewährleistet werden. Durch eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Tarifsysteme soll die Mobilität leistbar bleiben. Dazu zählt auch die intelligente Verknüpfung der Verkehrsträger. Nach Schweizer Vorbild soll schrittweise ein Taktfahrplan in ganz Österreich eingeführt werden. (vgl. BMVIT 2012, 57-60) Neben der Infrastruktur soll auch verstärkt in die Verkehrssicherheit investiert werden (Verkehrssicherheitsprogramm 2011-2020). Die Zahl der Verkehrstoten pro Jahr soll bis 2020 unter 300 gesenkt werden. Auch einer Reduzierung der Verletzten bei Verkehrsunfällen wird angestrebt. Dadurch sollen das menschliche Leid und die volkswirtschaftlichen Unfallkosten gesenkt werden. Besonderer Fokus wird dabei auf bestimmte Risikogruppen gelegt und die Bewusstseinsbildung soll gestärkt werden. Zusätzlich werden 420 Millionen Euro in die Verbesserung der Sicherheit von Eisenbahnkreuzungen investiert. (vgl. BMVIT 2012, 60f) Durch den Einsatz moderner Technologie soll das Verkehrssystem intelligenter gemacht werden. Kernpunkt ist die Entwicklung und Einführung einer intelligenten Verkehrsauskunft. Auch die Forschung und Innovation im Bereich Verkehrs soll weiter forciert werden. Daneben ist auch der Einsatz neuer und verbesserter Technologien im Straßenverkehr (z. B. Emissionsgrenzwerte) wichtig, wodurch auch die Umwelt geschützt wird. (vgl. BMVIT 2012, 61-64) Wichtig sind auch der Umweltschutz und die effiziente Nutzung der Ressourcen. Dabei setzt die österreichische Verkehrspolitik künftig auf die Elektromobilität in einer Kombination der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und umweltfreundlichen Fahrzeugen. Die Verlagerungsstrategie von der Straße auf die Scheine wird weiterhin fokussiert. 2025 sollen 40% des Güterverkehrs auf der Schiene transportiert werden. Dieses Ziel ist aber nur mit der Einführung der Kostenwahrheit (externe Kosten) beim Lkw- Verkehr durchführbar. Mit intelligenten Verkehrssystemen soll en die Staustunden auf dem hochrangigen Straßennetz verringert werden. Für eine Bedienung durch den öffentlichen Verkehr gilt es bei Neubauten die Raumstrukturen effizient zu nutzen. (vgl. BMVIT 2012, 65-68) Die internationale Verflechtung und Vernetzung ist sehr eng. Österreich wird im Rahmen der TEN-V seinen Beitrag zum Ausbau der Brenner-, Doanu- und der Baltisch-Adriatischen Achse leisten. (BMVIT 2012, 69) Mit dem neuen Gesamtverkehrsplan soll die Verkehrspolitik der nächsten 20 Jahre vorgegeben werden. Ähnlich wie der Gesamtverkehrsplan für Österreich (1991) legt der

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GVP einen umfassenden und integrierten für Verkehr und Mobilität vor. Trotz aller vorgelegten Pläne präsentierte sich die Verkehrsinfrastrukturplanung bisher als Stückwerk. Positiv hervorzuheben ist, dass der Bund beim Verkehr und bei der Raumordnung künftig besser koordinieren soll. Für die Umsetzung müssen aber alle Akteure wie Bund, Länder, Gemeinden, Verkehrsbetriebe und Verkehrsverbünde an einem Strang ziehen. Auch die Einführung einer bundesweiten Verkehrsauskunft ist ein begrüßenswerter Schritt. Fraglich ist aber, wie der Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden soll. Trotz der Schließung von zahlreichen Verladestationen soll der Schienenanteil am Güterverkehr von 33 auf 40% steigen. Beim neuen bundesweiten Taktfahrplan muss die Umsetzung diesmal besser vorbereitet und durchgeführt werden, um ein ähnliches Fiasko wie in den 1990er Jahren mit dem „Neuen Austrotakt“ zu vermeiden. Im Gegensatz zum GVP-Ö werden nicht unfinanzierbare und wünschenswerte Infrastrukturprojekte aufgezählt. Ambitioniert sind hingegen die Pläne zur Reduktion der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen. Hier ist die Politik gefordert ein Umdenken bei der Bevölkerung zu erwirken. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs wird dies nicht allein bewerkstelligen. Kritik kommt von den Grünen, die den GVP als „nebulos und widersprüchlich“ sehen. Auch wird darin ein krasser Widerspruch zu den in letzten Jahren gesetzten Regierungsmaßnahmen gesehen. Der VCÖ (Verkehrsclub Österreich) sieht im GVP eine „Chance hin zur Energiewende im Verkehr“. Allerdings müsse der öffentliche Verkehr in den Ballungsräumen und der Radverkehr noch stärker ausgebaut werden. Für die SPÖ ist der GVP dagegen „richtungsweisend“. (BMVIT 2012, 71; DS 14.12.2012; DP 14.12.2012; ORF ON 14.12.2012)

5. VOM TRANSITVERKEHRSABKOMMEN EWG – ÖSTERREICH ZUM TRANSITPROTOKOLL

5.1 DIE ENTWICKLUNG DER TRANSITVERKEHRSPROBLEMATIK

Wie bereits beschrieben bilden die Alpen ein natürliches Hindernis für den Nord-Süd- Verkehr. Bis zum EU-Beitritt lag Österreich zudem als Drittstaat zwischen den E(W)G- Ländern Deutschland und Italien und ab 1989 wurde Österreich zusätzlich zu einem Transitland für den steigenden Ost-West-Verkehr aus den osteuropäischen Reformländern. (Hanreich 1990, 5) In der Zeit des Wirtschaftswunders und besonders ab den 1960er Jahren wuchs das Verkehrsaufkommen in Europa enorm. Während der gesamte Transit durch Österreich im Jahr 1960 noch 5,5 Mio. t betrug, waren es im Jahr 1970 bereits 38 Mio. t. Bis 1986 folgte eine Steigerung auf 60 Mio. t. (Lamprecht 1989, 32f) Dieses Wachstum hatte

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auch dramatische Folgen für den alpenquerenden Verkehr. Die nachfolgenden Zahlen verdeutlichen diesen Trend anschaulich. Im Jahr 1965 betrug der alpenquerende Verkehr insgesamt 18,2 Mio. t (2008: 206 Mio. t), wovon 87% von der Schiene und 13% von der Straße bewältigt wurden. Bis 1990 stieg das Gütervolumen auf 63 Mio. t an und damit einhergehend veränderte sich der modal split durch den massiven Ausbau der Straßen, vor allem des hochrangigen Straßennetzes, zu Ungunsten der Eisenbahn. Bis 1990 sank der Schienenanteil am Güterverkehr auf 51% (2008: 32,9%), wobei dieser Abwärtstrend in den nächsten Jahren noch verstärkt wurde. (Ott 1993, 108). Vor allem die restriktive schweizerische Verkehrspolitik (28-t-Gewichtslimit und generelles Nachtfahrverbot) und der unterschiedliche Ausbau der Straßennetze führten in den Alpenstaaten zu unterschiedlichen Wachstumsszenarien. Während sich in Frankreich und Österreich der alpenquerende Güterverkehr verfünffachte, lag das Wachstum in der Schweiz bei 50% und umfasste fast ausschließlich die Schiene. Zusätzlich verschob sich in Österreich und Frankreich der modal split signifikant hin zur Straße (70%), während in der Schweiz die Bahn weiterhin dominant blieb. (Hanreich 1990, 5; Stickler 1990, 38; Anreiter 2004, 27) Noch 1960 lag der Bahnanteil im Güterverkehr in Österreich bei 91%, der bis 1970 auf 71% sank. Bis 1983 kam es zur Halbierung dieses Wertes auf 34%. Zwischen 1975 und 1990 verzeichnete der Straßengüterverkehr eine jährliche Zuwachsrate von einer Mio. t/Jahr. Im Vergleichszeitraum von 1970 bis 1987 stieg der Straßengütertransitverkehr durch Österreich von 3,2 Mio. t auf 22 Mio. t (+469%). (Pösel 1993a, 26; Hanreich 1990, 5; Stickler 1990, 38) Dagegen verzeichnete die Eisenbahn nur einen Zuwachs von mageren 18% und schwankte zwischen acht und zehn Mio. t, „[…] wofür nicht zuletzt zahlreiche bahneigene, d. h. betriebliche, organisatorische und kommerzielle Mängel etc. mitentscheidend waren.“ (Lamprecht/Lehar 2001, 376) Die enormen Zuwachsraten im Transitverkehr zeigen sich auch in der jährlichen Zuwachsrate von 6% zwischen 1970 und 1989. Dagegen verzeichnete der gesamte Güterverkehr in Österreich „nur“ eine Wachstumsrate von 2,3%. (Koch 1990, 15f) Die Bedeutung Österreichs für die EG als Transitland zeigte auch der Umstand, dass Anfang der 1990er Jahre rund 80% des Straßengütertransitverkehrs interner gemeinschaftlicher Verkehr waren, d. h. Transporte zwischen den einzelnen Mitgliedern. Die restlichen 20% entfielen auf Verkehre zwischen der Gemeinschaft und einem Drittstaat. (Hanreich 1990, 6, 13; Ott 1993, 108) Vom gesamten Straßengütertransitverkehr durch Österreich entfielen Ende der 1980er zwischen 75 und 80% auf den Brennerkorridor, da der Ost-West-Transit durch den Eisernen Vorhang noch behindert wurde. Nicht zu vernachlässigen war aber, dass rund 14% des Transitverkehrs am Brenner von

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österreichischen Frächtern abgewickelt wurde. Obwohl der Güterverkehr am Brenner lediglich 15% des Gesamtverkehrsaufkommens ausmachte, wuchs er zwischen 1960 und 1989 von 0,4 Mio. t auf 17 Mio. t an. (Pösel 1993a, 26; Ott 1993, 108). Ein weiteres Problem war auch der exorbitant angewachsene Umwegverkehr über den Brennerkorridor. Durch die restriktive Politik der Schweiz im Straßengüterverkehr wurde diese großräumig umfahren. (Schweitzer 1995, 9) So schätzte […] „die Schweiz […] nach eigenen Hochrechnungen, dass 90% des Straßengütertransitverkehrs, der nach dem Prinzip der kürzesten Wege der Schweiz zuzuordnen wäre, über Österreich und Frankreich ausweicht.“ (Hanreich 1990, 5) Auf dem Brennerkorridor wurden rund 40% des Straßengütertransitverkehrs nach damaligen Berechnungen als Umwegtransit bewertet. Davon wurden 25% als wirklicher Umwegverkehr bewertet, dessen Weg durch die Schweiz eindeutig kürzer war und die restlichen 15% hätten in der Schweiz die gleichlange Alternativroute gehabt. (Pösel 1993a, 26; Hanreich 1990, 5, 11-13; Hummer 2000, 64; Lamprecht/Lehar 2001, 377; Schweitzer 1995, 9) Bereits 1984 hatte die Tiroler Landesregierung eine Studie zum Umwegtransit in Auftrag gegeben. Darin wurde festgestellt, dass […] „nur 57% (433.000 LFZ) des Lkw-Transits durch Tirol so genannter Bestwegtransit [waren], 25% (191.500) hingegen reiner Umwegtransit, dessen kürzeste Route durch die Schweiz oder auch durch Frankreich geführt hätte. Und immerhin 18% (141.500) waren Mehrwegtransit, für den andere Routen ebenso naheliegend gewesen wären.“ (Sickinger/Hussl 1993, 32) In Österreich wurde bis weit in die 1970er Jahre hin eine extensive Straßenbaupolitik betrieben, die sich im Ausspruch „Verkehr ist Leben“ des Tiroler Landeshauptmanns Eduard Wallnöfer manifestieren lässt. Dahinter stand auch der Glaube von LH Wallnöfer, dass mehr Verkehr noch mehr Tourismus bringt. Heute weiß man, dass mehr Verkehr noch mehr Mobilität mit sich bringt. Die Eröffnung von neuen Autobahnabschnitten wurde von der Politik und der Bevölkerung geradezu euphorisch gefeiert. In dieser Sache herrschte in der Politik ein großer Konsens und die Bevölkerung stand dahinter. Der Ausgangspunkt dieser Euphorie ist im Wiederaufbau und in der Zeit des Wirtschaftswunders zu suchen. Unmittelbar nach Kriegsende war die erste Priorität die entstanden Kriegsschäden an den Verkehrswegen zu beheben und die dringendsten Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen. (Sickinger/Hussl 1993, 11, 13; Meixner 2005, 469; Gehler 1995, 674; Stickler 1990, 44; Achrainer/Hofinger 1999, 94; Anreiter 2004, 26; Knoflacher Vortrag 2007; Befragung Reiter 2006; TT 6.-8.12.2003b) „Infolge des Koreakrieges drängten die westlichen Alliierten ab 1950 aber auf den Ausbau bestimmter Straßenzüge für einen Rücktransport

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ihrer Truppenkontingente von Mitteleuropa durch Tirol nach Oberitalien […].“ (Meixner 2005, 469) Durch die finanziellen Mittel der Westalliierten erfolgten die ersten Ausbaumaßnahen nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch der einsetzte Reiseverkehr in Richtung Süden machte weitere Ausbaumaßnahmen erforderlich. Mit der Erlangung der Souveränität durch den Staatsvertrag wurde der im Zweiten Weltkrieg unterbrochene Autobahnbau wieder aufgenommen, um den aufkommenden motorisierten Verkehr aufzunehmen. Dagegen wurde die Bahninfrastruktur nur langsam modernisiert und Ausbaumaßnahmen fanden nur zögerlich statt. Auf der Brennerstraße riefen vor allem die endlosen Staus und eine überdurchschnittliche Unfallhäufigkeit die bayerische, tirolische und oberitalienische Wirtschaft auf den Plan, die die Errichtung einer Autobahn zwischen München und Verona forderten. Die Ausbaupläne von hochrangigen Straßen der alpinen Nachbarstaaten sah man in Tirol zudem als Konkurrenz. So wurde sogar der Gotthard als „gefährlicher Rivale“ des Brenners gesehen und die „Angst vor der Umfahrung Tirols“ ging umher. (Meixner 2005, 470-473; Lamprecht/Lehar 2001, 353f, 375; Luif, 2007, 193). „Als argumentatives Druck- und Einschüchterungsmittel war das Schüren dieser Angst jedoch äußerst erfolgreich. Immerhin wurde damit eine Fundamentalopposition gegen den Ausbau der Brennerstrecke bereits im Keim unterdrückt.“ (Meixner 2005, 482) Nach längeren politischen Diskussionen über Trassenführung (z. B. Tunnel oder Passstraße) und Interventionen wurde schließlich die heutige Trasse der A13 Brennerautobahn festgelegt und 1959 mit dem Bau begonnen. „Mit dem Bau der Brenner-Autobahn war letztlich auch ein ästhetischer Ehrgeiz Tiroler Straßenbauer verbunden: Sie sollte nicht nur eine wichtige Wirtschaftsverbindung, sondern auch eine Panoramastraße ersten Ranges werden.“ (Lamprecht/Lehar 2001, 354) Die am 17. November 1963 eröffnete Europabrücke wurde neben dem Speicherkraftwerk Kaprun zum Symbol des Wiederaufbaus und der österreichischen Ingenieurskunst. Anfang der 1970er Jahre wurde von der Politik sogar die Metapher des „Tiroler Verkehrskreuzes“ geprägt. Geplant waren nach dem BStG 1971 noch weitere Schnellstraßen durch Tirol, wie z. B. die S12 Loferer Schnellstraße oder die S13 Seefelder Schnellstraße.370 Sogar eine weitere hochrangige Alpentransversale neben dem Brenner über den Fern- und Reschenpass wurde geplant. Im Anschluss an die deutsche Autobahn A7 sollte die S14 Fernpass- und die S15 Reschen Schnellstraße371 eine hochrangige Verbindung zwischen Ulm und Mailand herstellen. Mit dem Bau der Autobahnen und Schnellstraßen wollte Tirol dem internationalen Transitverkehr sogar einen

370 S12: Wörgl (A12) – St. Johann/Tirol – Lofer – Staatsgrenze bei Unken; S 13: Zirl (A12) – Staatsgrenze bei Scharnitz. 371 S14: Imst (A12) – Lermoos – Staatsgrenze bei Vils; S15: Landeck (A12) – Staatsgrenze am Reschenpass. 269

zusätzlichen „Anreiz“ zur Durchfahrt geben. Anfangs erhofften sich zudem die betroffenen Gemeinden an den Transitrouten eine Entlastung der Ortsdurchfahrten durch die Autobahn. Durch den steigenden Individual- und Güterverkehr wurde dieser Wunsch aber bald hinfällig. Dies führte zu steigendem Widerstand in der Bevölkerung und der weitere Ausbau von Schnellstraßen wurde in Tirol (Ausnahme die in Ost-West-Richtung verlaufende S16 Arlberg Schnellstraße) in den späten 1970er Jahren gestoppt und 1999 durch die Rückstufung der Schnellstraßen auch endgültig rechtlich ad actum gelegt.372 Auch Pläne für die so genannte „Alemagna“ Autobahn durch das Zillertal über Südtirol nach Venedig scheiterten am entschiedenen Widerstand der dortigen Bevölkerung. (Meixner 2005, 475- 477, 482; Hussl 1988, 2; Sickinger/Hussl 1993, 15f; Estermann/Fusseis 2001, 24; BMöWV 1991, 221; TT 6.-8.12.2003b) In den späten 1970er Jahren wurde auch in Österreich das Umweltthema öffentlich präsent, was sich wie im restlichen Westeuropa in der Erstarkung der ökologischen Bewegung manifestierte. Auch in der Verkehrspolitik war nun ein ökologischer Schwenk zu beobachten und Fragen nach der Gesundheitsschädlichkeit sowie der Lebensqualität an den Transitrouten kamen auf. In der Bundespolitik wurde bereits in der Regierungserklärung von 1975 und in den nachfolgenden von 1983 und 1987 ein Bekenntnis zur Rückverlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene propagiert. So wurde der weitere Ausbau des Autobahnnetzes sogar etwas verlangsamt. Seit 1984 ist die Republik Österreich auf allen staatlichen Ebenen durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz zum „umfassenden Umweltschutz“373 verpflichtet. (Luif 2007, 193; Stickler 1990) In die öffentliche Tiroler Diskussion gerieten der Transitverkehr und die daraus resultierenden Umwelt- und Gesundheitsbelastungen zunehmend in den 1980er Jahren. Entlang der Transitrouten kam es zu Protesten betroffener Bürger wegen der Lärmproblematik und zahlreiche Anti-Transit-Bürgerinitiativen entstanden. Dieser zunehmende Druck von der Basis machte nun das Thema „Transit“ zu einem politischen Dauerbrenner und es wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten andiskutiert. (Hussl 2005, 31) Zuvor war der Begriff „Transit“ bei der Alpenbevölkerung jahrhundertelang positiv besetzt, da der Durchzugsverkehr Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung auch in die entlegensten Täler Tirols brachte. Daher war die Tiroler Bevölkerung, die bisher traditionell davon profitiert hatte, bis weit in die 1970er Jahre äußerst verkehrsfreundlich eingestellt. (Sickinger/Hussl 1993, 12; Knoflacher 2006, 143; Anreiter 2004, 26)

372 BGBl. I Nr. 182/1999. 373 BGBl. Nr. 491/1984. 270

Bei den Lösungsansätzen des Transitproblems „[…] konzentrierte sich [die Politik] zum Ersten auf die Verlagerungsfähigkeit des Transitverkehrs auf die Schiene, zum Zweiten auf die Frage des sog. Umwegtransits, […], und zum Dritten auf die […] spürbar intensivierte Diskussion neuer Schienen-Verkehrswege durch die Alpen [Stichwort BBT, NEAT] […].“ (Lamprecht/Lehar 2001, 376) Seither wird von der Politik bei jeder Transitdiskussion die Verlagerung auf die Schiene inklusive des Baus des BBT als Standartrepertoire propagiert. (Sprenger 2004, 229) Dabei ging es hauptsächlich um den Huckepackverkehr, die so genannte RoLa, der aber auf italienischer Seite durch die mangelnde Organisationsfähigkeit der italienischen Staatsbahn und unzureichende Bahninfrastruktur behindert wurde. Ehrgeizige Ziele wurden von den Verkehrsministern präsentiert und bis 1989 sollte mittels eines „Transitkorridors“ rund 55% des gesamten Transitverkehrs auf die Schiene verlagert werden. Dieses Projekt scheiterte aber am Streit um die Bahntarife und auch die laufende Erhöhung der Brennermaut hatte wenig Erfolg. (Lamprecht/Lehar 2001, 376f; Puwein 2007, 38) „Zusätzlich setzte Italien wegen der Probleme im operativen Bereich seiner Bahn sowie aus grundsätzlichen verkehrspolitischen Erwägungen kaum Initiativen und zeigte auch sonst wenig Bereitschaft, am Verlagerungsprojekt mitzuwirken.“ (Lamprecht/Lehar 2001, 377) So wurde das Verlagerungsziel mehrmals verschoben und schlussendlich sollte nur mehr der jährliche Zuwachs des Transitverkehrs auf die Schiene gebracht werden. Das Problem des Umwegverkehrs wurde nun ebenfalls diskutiert, wobei aber aus schweizerischer Sicht keine Angleichung des Lkw-Limits von 28 t auf 38 t (Österreich) bzw. 40 t (EG) in Aussicht gestellt wurde. Vielmehr konzentrierte sich die Schweiz auf die Realisierung der NEAT. (Lamprecht/Lehar 2001, 377; Befragung Lamprecht 2006) Neben diesen eher langfristigen Lösungsmöglichkeiten suchte die Bundes- und Landespolitik auch nach kurzfristigen Möglichkeiten der „Transiteindämmung“. So wurden beginnend mit dem Jahr 1986 zahlreiche Nachtfahrverbote auf Tiroler Transitrouten erlassen. Das Nachtfahrverbot gilt für Lkw ab 3,5 t in der Zeit von 22.00 bis 5.00 Uhr. Die Maßnahme gipfelte schließlich am 1. Dezember 1989 in der Erlassung des Nachtfahrverbots für die Inntal- und Brennerautobahn. Das Nachtfahrverbot stand allerdings in absoluter Vereinbarkeit mit dem Art. V GATT374, da es sowohl für in- als auch für ausländische Lkw galt und somit nicht diskriminierend war. Trotzdem führte diese Maßnahme zu heftigen Protesten in den Nachbarstaaten. Auch der österreichische Straßenverkehrsbeitrag und die Erhöhungen der Brennermaut führten zu Retorsionsmaßnahmen für österreichische Frächter in einigen Nachbarstaaten. Besonders in Deutschland gingen die Emotionen hoch, was zu

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schikanösen Kontrollen österreichischer Frächter und zur Einführung eines Nachtfahrverbotes ab 1. Jänner 1990 für österreichische Lkw in Deutschland führte. Schließlich litten sogar der „kleine Grenzverkehr“ mit Deutschland sowie der innerösterreichische Transit über das „Kleine Deutsche Eck“ an der angespannten Situation. Deutschland drohte sogar mit einer Aufkündigung des „Loferer Abkommens“ vom 14. September 1955375, in dem der erleichtere Straßendurchgangsverkehr zwischen Salzburg und Lofer über deutsches Gebiet geregelt wurde. Auch die Verhandlungen zum Transitabkommen mit der Gemeinschaft gerieten ins Stocken, obwohl die EG von Retorsionsmaßnahmen absah. (Lamprecht/Lehar 2001, 360; Hanreich 1990, 6; Hummer 1993a, 365; Sickinger/Hussl 1993, 174-178; Höschen 2007, 316; Sollberger 2003, 194f; Bußjäger/Fink 2012, 196) Neben dem Nachtfahrverbot wurde dann im Jahre 1990 der Transitverkehr bedingt durch den „Kufsteiner Brückenknick“ mehrere Monate massiv behindert. Am 11. Juli 1990 wurde die Inntalbrücke der A12 bei Kufstein unterspült und einer der fünf Pfeiler sackte über ein Meter ab. Plötzlich war eine der wichtigsten europäischen Nord-Süd-Routen blockiert. Am selben Tag mussten auch noch die Bundesstraße und die Eisenbahn wegen dem Innhochwasser gesperrt werden. Mit einem Schlag hatten sich die undenkbarsten Visionen der Transitgegner erfüllt. Natürlich stieg der Druck auf Tirol von Seiten der EG, Deutschlands, Italiens und auch von der Tiroler Wirtschaft selbst diese wichtige Route sofort wieder zu öffnen. Blockabfertigungen waren an der Tagesordnung und ein verstärktes Zugangebot wurde eingerichtet. Mangelnde internationale Solidarität wurde von Tiroler Seite beklagt. In dieser Situation gab es vonseiten Deutschlands sogar ein Gesuch an die Schweiz zur vorübergehenden Öffnung eines 40-t-Korridors am Gotthard. Trotz Erneuerung des Gesuchs durch die Gemeinschaft lehnte die Schweiz das Begehren mit Verweis auf das 28-t-Limit ab. Stattdessen wurde durch die Schweiz lediglich ein zusätzliches Angebot auf der Schiene mittels Huckepack-Verkehr eingerichtet. In der Zwischenzeit wurde der Schwerverkehr (ca. 4.500 Lkw/24h) über Schleichwege durch Kufstein geschleust und der internationale Druck führte sogar zu einer Öffnung der Fern- und Achenpassroute für den internationalen Schwerverkehr. Allerdings führte der Protest der ansässigen Bevölkerung zu einer kurzfristigen Sperrung der beiden Ausweichrouten für den Lkw-Verkehr, was wiederum zu harschen Reaktionen aus Deutschland und Italien führte. Daraufhin sperrte Bayern die Zufahrtsrouten und Italien sperrte die Grenzübergänge für den Schwerverkehr zu Österreich. Ein „Transit-Krieg“ mit Italien bis Mitte 1991 war die Folge, wobei sogar die

375 BGBl. Nr. 241/1957; das Abkommen trat am 31. Oktober 1957 in Kraft. 272

bilateralen Transitabkommen gegenseitig gekündigt wurden. Im September, also rund 50 Tage nach dem Brückenknick, setzte die Gemeinschaft eine schrittweise Öffnung weiterer Ausweichrouten durch. Rund 2.500 Schwerfahrzeuge konnten nun die so genannte „Wildbichlerbrücke“ pro Tag passieren. Bereits nach nur vier Monaten wurde die sanierte Kufsteiner Innbrücke wieder dem Verkehr übergeben. Trotz vielfältiger Diskussionen konnte die Tiroler Landespolitik aus dem „Kufsteiner Brückenknick“ keinen politischen Erfolg erzielen. Pläne für die Einführung eines sektoralen Fahrverbotes oder analog zur Schweiz die Etablierung eines 28-t-Limits konnten politisch nicht durchgesetzt werden. Als weitere Ausgleichsmaßnahme wurde nun das Nachtfahrverbot weiter ausgedehnt. Der VfGH hob dieses generelle Nachtfahrverbot aber wieder auf und bestätigte die Ausnahme für „lärmarme Lkws“. In kürzester Zeit waren aber nur noch „lärmarme Lkws“ unterwegs und somit wurde das Nachtfahrverbot großflächig umgangen. (Sickinger/Hussl 193, 186- 189; TT 6.-8.12.2008d; Höschen 2007, 332-334; Puwein 2007, 38) Ab 1985 bekam das Tiroler Transitproblem schließlich eine europäische Perspektive. Bereits 1978 hatte Österreich ein Memorandum an die CEMT, die Gemeinschaft und an die UNO gerichtet und eine internationale finanzielle Beteiligung für den Ausbau der durch den steigenden Straßentransitverkehr überlasteten Verkehrswege gefordert. (Höschen 2007, 78) Bis 1985 spielte daher in den Verkehrsverhandlungen zwischen Österreichs und der EG die Infrastruktur die größte Rolle. Damals wollte die österreichische Verkehrspolitik eine gerechtere Aufteilung bzw. auf eine Auffächerung des steigenden Verkehrs auf mehrere Transitachsen. Durch den Bau neuer hochrangiger Straßen sollten die besonders stark belasteten Korridore weiter entlastet werden. (Frerich/Müller 2004a, 507; Ogrinz 1993, 143) „Mit dem Ersuchen Österreichs nach einer offiziellen Anerkennung als Transitland war zugleich die Forderung nach einer Bezuschussung des Ausbaus der Straßentransitwege durch die EG verbunden.“ (Frerich/Müller 2004a, 507) Ab 1977 verhandelte Österreich mit der Gemeinschaft über einen Zuschuss von 370 Mio. ECU zur Fertigstellung der Innkreis- Pyhrn-Autobahn (IKPA), der so genannten „Gastarbeiterroute“. Immerhin stammten dort 80% des Verkehres aus der Gemeinschaft. Im April 1980 legte die Kommission eine Mitteilung über die Verkehrsbeziehungen mit Österreich vor (KOM(80) 86 endg.). In einem weiteren Bericht vom 11. September 1981 über die Probleme im Güterverkehr von oder nach der Gemeinschaft durch bestimmte Drittländer (KOM (81) 406 endg.) wurde die gemeinschaftliche Finanzierung von Straßenprojekten in Jugoslawien, Österreich und der Schweiz als dringlich erachtet. Seit Oktober 1982 liefen Verhandlungen zwischen Österreich und der Gemeinschaft über ein Transitverkehrsabkommen, wobei es aber in der

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Frage der Finanzierung der IKPA zu keiner Einigung kam. Auch in den Folgejahren gab es keine Fortschritte in den Verhandlungen. Während die Gemeinschaft den Grundsatz des „freien Transitverkehrs“ durchsetzen wollte, begann in Österreich ein verkehrspolitisches Umdenken. (Frerich/Müller 2004a, 507; Ogrinz 1993, 143; Hummer 2000, 66; Brunner/Hussl 1989, 127; Schweitzer 1995, 9; TT 6.-8.12.2003a) Durch die geänderten verkehrspolitischen Rahmenbedingungen „[…] machte unser damaliger Verkehrsminister Lacina im April 1985 in Brüssel die Gemeinschaft darauf aufmerksam, dass die österreichische Aufnahmekapazität als Drehscheibe des europäischen Nord-Süd-Verkehrs ihre Grenzen hat.“ (Ogrinz 1993, 144) Ende 1986 verzichteten die österreichischen Vertreter auf gemeinschaftliche Infrastrukturzuschüsse für Straßenprojekte. Stattdessen forderten sie nun Verhandlungen über einen gemeinschaftlichen Zuschuss für den Ausbau der Eisenbahn und des kombinierten Verkehrs. (Frerich/Müller 2004a; Ogrinz 1993, 144) Am 7. Dezember 1987 erteilte der Rat der Kommission ein Mandat für die bilaterale Verhandlung zur Lösung der alpenquerenden Verkehrsfragen mit Österreich und der Schweiz sowie mit dem damaligen Jugoslawien. Bereits am 10. Oktober 1986 wurde der Rat durch das Europäische Parlament dazu aufgefordert. Ein Detail am Rande ist, dass das Parlament bereits 1976 die Kontaktaufnahme mit den Alpenländern verlangt hatte. Daraus sollten sich schließlich rund dreieinhalbjährige schwierige Verhandlungen zwischen der Gemeinschaft und Österreich über ein Transitabkommen entwickeln. In den Verhandlungsdirektiven wurde das Augenmerk seitens der Gemeinschaft insbesondere auf die Beseitigung der Hemmnisse des innergemeinschaftlichen Straßentransitverkehrs, wie z. B. Infrastrukturengpässe, Gewichtslimits, Kontingente, Straßenbenutzungsgebühren und lange Wartezeiten an Grenzübergangen, gelegt. Die Forderung nach Transitfreiheit und die freie Wahl des Verkehrsmittels waren weitere gemeinschaftliche Direktiven. Des Weiteren wurde auch der Verzicht auf einseitige verkehrsbeschränkende Maßnahmen gefordert. Dazu sollten die Vorteile des entstehenden Binnenmarktes auch für die drei Drittländer spürbar werden und das Transitverkehrsproblem mittels einer für alle Seiten tragbaren Lösung vertraglich festgehalten werden. Die österreichische Position war dagegen gekennzeichnet von einer Reduzierung der ökologischen Nachteile des Transitverkehrs, die mittlerweile ein gesamteuropäisches Problem darstellte. Allerdings vermisste man auf österreichischer Seite die Akzeptanz der Sorgen und Probleme des ökologisch sensiblen Alpenraumes. Trotz ähnlicher Probleme hatten aber die beiden EFTA-Staaten Österreich und Schweiz keine gemeinsame Verhandlungsstrategie gegenüber der Gemeinschaft. Stattdessen verfolgten beiden Alpenstaaten ihre eigenen Ziele. (Ogrinz 1993, 144f; Topmann 1993, 179; Höschen

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2007, 297; Epiney/Gruber 1997, 173) Das Verhandlungsmandat des Rates wurde am 19. Dezember 1988 erneuert und nun begannen ab Juni 1989, nach den Gesprächen auf Beamtenebene, die eigentlichen politischen Verhandlungen. Allen voran war das Jahr 1989 gekennzeichnet durch dramatische innerösterreichische Veränderungen. Der „Transitwiderstand“ der Bürgerinitiativen entstand an den Hauptrouten und Demonstrationen und Blockaden waren die Folgen (siehe Punkt 7.2.1). Dadurch wurden die Politiker erstmalig zum Handeln gezwungen Schließlich erlebte die bis dahin in Tirol dominierende ÖVP am 12. März ein Wahldebakel. Bei den Landtagswahlen musste die Volkspartei unter LH Alois Partl ein Minus von 15,9% einstecken, was einem politischen Erdbeben im „Heiligen Land Tirol“ gleichkam. Bis dahin waren dies die größten Verluste einer Regierungspartei seit 1945. Allen voran wurde diese Niederlage am Thema Transit und am Druck der Anti-Transit-Bürgerinitiativen von „unten“ festgemacht. (Gehler 1995, 677f; Hanreich 1990, 8; Sprenger 2004, 228f; ; Sauer 2014. 33f; TT 6.-8.12.2003a) Daneben waren auch die ungelösten Probleme der „Wallnöfer-Ära“ ausschlaggebend und „[…] am Thema ‚Transitverkehr‘ entlud sich die Unzufriedenheit mit der Stagnation in Politik und Verwaltung.“ (Achrainer/Hofinger 1999, 96) Von nun an übte die Tiroler Landespolitik in der Verkehrspolitik massiven Druck auf Wien aus. Bereits am 1. Dezember 1989 erließ Verkehrsminister Rudolf Streicher (SPÖ) ein generelles Nachtfahrverbot für nicht-lärmarme Lkws über 7,5 t (Zwischen 22.00 und 5.00 Uhr) auf der Inntal- und Brennerautobahn. Weitere Begleitmaßnahmen waren die Anbringung von „Flüsterasphalt“ auf den Transitrouten sowie „Tempo 60“ für Lkw zur Lärmreduktion. Auch bei den Transitverhandlungen mit der Gemeinschaft war nun LH Alois Partl vertreten. Die Verhandlungen wurden nun aufgrund der geänderten politischen Rahmenbedingungen von österreichischer Seite mit dem Ziel der Transitreduktion bzw. -begrenzung geführt. (Gehler 1995, 677f; Hanreich 1990, 8; TT 6.-8.12.2003a) Dies schlug sich auch im Regierungsprogramm der großen Koalition vom 18. Dezember 1990 nieder. Als Prinzipien einer umweltorientierten österreichischen Verkehrspolitik wurden darin der Abschluss von Transitverträgen mit den Nachbarländern (insbesondere eine dauerhafter Vertrag mit der EG), die Reduktion der Schadstoff- und Lärmemissionen, die Forcierung des öffentlichen und kombinierten Verkehrs und die Einführung eines generellen Nachtfahrverbots für nicht- lärmarme Lkw im Jahr 1994 angeführt. Parallel zu den Transitverhandlungen wurden auch ab 1990 die Gespräche zwischen der EFTA und der Gemeinschaft über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) geführt. Obwohl die Transitverhandlungen bilateral geführt wurden, stellte die EG einen Konnex zu

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den EWR-Verhandlungen her. So wurde eine Junktimierung beider Bereiche hergestellt und die Gemeinschaft bestand vor dem Abschluss des EWR-Vertrages auf eine Einigung in den Transitverhandlungen. Bereits zusätzlich tangiert wurden die Verhandlungen vom österreichischen Beitrittsgesuch zur EG vom 17. Juli 1989. Die Positionen der Verhandlungspartner lagen anfangs weit auseinander, da die Gemeinschaft eine weitgehende Liberalisierung forderte und Österreich bei den EWR-Verhandlungen im Verkehrsbereich zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes aufgefordert wurde. Im Gegenzug wollte Österreich den Transit weiter beschränken und lehnte die Abschaffung mengenmäßiger Beschränkungen im Straßenverkehr, die Anpassung der Maße und Gewichte sowie die Abschaffung der Grenzkontrollen ab. Im Jahr 1989 war aber eine gewisse Bewegung innerhalb der Gemeinschaft zu beobachten. Der neue EG- Verkehrskommissar Karel Van Miert trug wesentlich dazu bei, dass auch in Brüssel die ökologischen Probleme des ungebremsten Verkehrswachstums bewusst wurden. Am Verkehrsministerrat vom 4./5. Dezember 1989 wurde als mittel- und langfristige Lösung die Verlagerung eines Großteiles des alpenquerenden Transitverkehrs mittels kombinierten Verkehrs auf die Schiene propagiert. Außerdem würde das österreichische Nachtfahrverbot für lärmarme Lkw akzeptiert und von etwaigen Sanktionen und Retorsionsmaßnahmen abgesehen. Durch diesen vorsichtigen Paradigmenwechsel konnten die Verhandlungen mit den Alpenstaaten Österreich und Schweiz weiter intensiviert werden. (Gehler 2002b, 477 Dok. 27, 482 Dok. 28; Lamprecht/Lehar 2001, 378; Hummer 1993b, 5f; Luif 2007, 194; Ogrinz 1993, 147; Topmann 1993, 180; Ballarino 1995, 138 f; Sickinger/Hussl 1993, 179; Höschen 2007, 320) Aus der Sicht der Kommission verfolgte die österreichische Verkehrspolitik gegenüber dem gemeinschaftlichen Straßentransitverkehr folgende Ziele:  „Der wegen der restriktiven Maßnahmen der Schweiz nach Österreich umgeleitete Straßentransitverkehr soll wieder in die Schweiz zurückverlagert werden.  Der kombinierte Verkehr soll stärker zum Einsatz kommen (Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Schiene, um die Umwelt zu schützen).  Der verbleibende Straßenverkehr muss mit den Belangen dem Umweltschutzes und der Erhaltung der natürlichen Umwelt vereinbar sein.“ (Gehler 2002b, 477 Dok. 27) Im Jahr 1990 näherten sich die Verhandler in den Punkten „Zusammenarbeit im Eisenbahnverkehr“ und „Förderung des kombinierten Verkehrs“ weiter an. In weiterer Folge legten Österreich und die Kommission jeweils eigene Vertragsentwürfe für ein Transitabkommen vor. Von österreichischer Seite wurde im November 1990 ein erster Entwurf vorgelegt, der bereits eine Kombination der Begrenzung der Lkw- Schadstoffemissionen mit einer fixierten Gesamtzahl von Transitfahrten (Plafonierung) auf

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allen Transitstrecken vorsah. Zudem sollte auch die vorhandene Kapazität der Schiene voll ausgenützt werden und unnötige Leerfahrten vermieden werden. (Ogrinz 1993, 148f) Der Vertragsentwurf der EG enthielt eine Vielzahl von Verpflichtungen für Österreich, bei eher allgemein formulierten Maßnahmen der Gemeinschaft. Hauptschwierigkeiten für einen Kompromiss bestanden nach wie vor bei den bereits skizzierten Kernfragen, nämlich bei der Begrenzung des Straßengütertransitverkehrs, der Plafonierung auf allen österreichischen Transitrouten, der zeitlichen Gültigkeit des Abkommens, der Zulässigkeit von einseitigen Maßnahmen sowie bei den Maßen und Gewichten. Im Dezember 1990 wurden dann im Rahmen einer Arbeitsgruppe in Wien beide Textentwürfe zu einem gemeinsamen Papier zusammengefasst, wobei bei wichtigen Punkten aber trotzdem unterschiedliche Auffassungen bestehen blieben. (Ogrinz 1993, 150f) Im Februar 1991 erhöht die Tiroler Landeregierung den Druck auf Wien. LH Alois Partl übergab das „Tiroler Memorandum“ an die Bundesregierung. Im April folgte das Land Salzburg mit einem eigenen „Transitmemorandum“. Bereits im April drängte die Zeit zu einer Einigung, da das Verhandlungsmandat der EG auslief, wobei aber im Juni 1991 eine Verlängerung bis zu einem Vertragsabschluss erfolgte. Am 16. Mai 1991 verabschiedete der Tiroler Landtag eine Resolution zum sich abzeichnenden Transitabkommen. Darin wurden folgende rechtlich unverbindlichen Forderungen an die österreichische Bundesregierung gestellt: Abschluss des Transitabkommens nur mit Einvernehmen des Landes Tirol; Zustimmung des Landtages zum Abschluss, wenn die Ökopunkteregelung auch die Lärmemissionen einschließt, Bahnausbau inklusive BBT und Zulaufstrecken sowie Verlagerung des Güterverkehrs (plus Rückverlagerung des Umwegtransits) und Sitz und Stimme für Tirol im Transitausschuss. Auch sollten die bilateralen Verhandlungen gänzlich von etwaigen Überlegungen zum EG-Beitritt abgekoppelt werden. Mit diesen zum Teil unrealistischen Forderungen zeigte das Land Tirol Selbstbewusstsein gegenüber Wien und sicherte sich dahingehend ab, falls das Verhandlungsergebnis für Tirol ungünstig war. Damit konnte, wie dies in der Zukunft öfter noch geschehen sollte, gegen Brüssel und Wien gepoltert werden. (Sickinger/Hussl 1993, 208f; Lamprecht/Lehar 2001, 378; Luif 2007, 194; TT 6.- 8.12.2003a) Am 30. Juni 1991 weitete die Tiroler Landesregierung das Nachtfahrverbot weiter aus. Der Durchbruch beim Transitabkommen wurde schließlich auf höchster politischer Ebene am 5. und 12. Oktober 1991 erzielt. Am 21. Oktober 1991 einigten sich Österreich und die Gemeinschaft auf ein bilaterales Transitabkommen. Im Verkehrsministerrat stimmte lediglich Griechenland dagegen, das höhere Transitbewilligungen forderte und auch bekam. Für die Gemeinschaft war damit ein

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wesentliches Hindernis für den positiven Abschluss der EWR-Verhandlungen aus dem Weg geräumt. Die Tiroler Landesregierung stimmte am 26. Oktober dem Verhandlungsergebnis mehrheitlich zu. Die einzige Gegenstimme kam von Landesrat Johannes Lugger (FPÖ). (Gehler 2002b, 482 Dok. 28; Lamprecht/Lehar 2001, 378; Luif 2007, 194; Sickinger/Hussl 1993, 214f; TT 6.-8.12.2003a) Zuvor hatte bereits LH Alois Partl eine Zufriedenheit mit dem Ergebnis kundgetan. Der damalige Landesrat, ÖVP-Landesparteiobmann und spätere LH Wendelin Weingartner stimmte ebenfalls zu. Dies geschah aus Gründen der Loyalität, obwohl der Verwaltungsjurist beim genaueren Studium des Abkommens einen „Schüttelfrost bekommen habe und grundsätzlich an den verwendeten Zahlen zweifelte“. Kurze Zeit später stimmte auch der Tiroler Landtag am 5. November in einer Sondersitzung mit den Stimmen der ÖVP und SPÖ für das Transitabkommen. Sickinger/Hussl konstatieren, dass die beiden Parteien offenbar unter massivem Druck der jeweiligen Bundesparteien standen, die auf die „Priorität der EG-Integration“ setzten. (Sickinger/Hussl 1993, 215, 217f; Sprenger 2004, 231; ; Sauer 2014, 37; Befragung Gurgiser 2006) Bei den Bürgerinitiativen wurde das Ergebnis eher kritisch aufgenommen und das Transitforum lehnte das Abkommen schließlich am 3. November ab (siehe Punkt 7.1.2). „In kürzester Zeit war das ‚Ökopunktesystem‘ in Österreich jedem ein Begriff, der Transitvertrag wurde als Erfolg gefeiert und machte den damaligen Verkehrsminister Rudolf Streicher so populär, das die SPÖ ihn 1992 als Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten aufstellte.“ (Scharsach 1996, 232) In der Bevölkerung und der breiten medialen Öffentlichkeit war nach der Erfüllung nahezu aller Forderungen das Transitthema vorerst vom Tisch. (Rack Interview 2008)

5.2 DAS TRANSITVERKEHRSABKOMMEN VOM MAI 1992

Am 2. Mai 1992 wurde in Porto (Portugal) zeitgleich mit der Unterzeichnung des EWR- Abkommens376 das „Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und Straße“377, das so genannte Transitabkommen bzw. der Transitvertrag EWG–Österreich (TA-AT), unterzeichnet. Bereits am 21. August 1992 notifizierte Österreich die Ratifizierung. Vorausgegangen war die positive Zustimmung des Nationalrates gem. Art. 50 Abs. 2 B-VG am 9. Juli sowie des Bundesrates gem. Art. 50 Abs. 12 B-VG, da einige

376 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen), BGBl. Nr. 909/1993, idF BGBl. 910/1993. 377 Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und Straße – Gemeinsame Erklärungen der Vertragsparteien – Briefwechsel, ABl. L 373 vom 21.12.1992, 6-24. 278

Vertragsbestimmungen den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betrafen. In der Gemeinschaft wurde das Abkommen auf Basis des Art. 91 AEUV (ex-Art. 75 EWGV) von Rat am 27. November 1992 genehmigt.378 Im Vorfeld gab es aber noch eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rat und der Kommission über die Wahl der Rechtsgrundlage für den Abschluss des Abkommens. Die Kommission schlug den Art. 207 AEUV (ex-Art. 113 EWGV) aus dem Bereich der gemeinsamen Handelspolitik vor, der aber eine ausschließliche Außenkompetenz der Gemeinschaft auf dem Verkehrssektor impliziert hätte (vgl. KOM(92) 107 endg., 6). Vorausgegangen war auch die positive Zustimmung des Europäischen Parlaments am 30. Oktober, obwohl dies vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht noch nicht erforderlich war. Das Transitabkommen trat somit mit 1. Jänner 1993 in Kraft und wurde für die Dauer von zwölf Jahren bis Ende 2004 abgeschlossen (Art. 23 TA-AT). (Obwexer 2006, 300; Frerich/Müller 2004b, 637; Hummer 1993a, 340; Hummer 1993b, 6f; Stickler 2002, 277; Pösel 1993b, 156f; Luif 2007, 194; Ballarino 1995, 139)

5.2.1 Inhalt des Transitabkommens von 1992

Inhaltlich besteht das Transitabkommen aus einer Präambel und fünf Teilen mit insgesamt 25 Artikeln sowie zehn Anhängen. Teil I enthält die Ziele, den Anwendungsbereich und die Definitionen (Art. 1 bis 3), Teil II befasst sich mit der Eisenbahn und dem kombinierten Verkehr (Art. 4 bis 11), Teil III mit dem Straßenverkehr (Art. 12 bis 16), Teil IV die Kontrolle (Art. 17) und schließlich Teil V die Schlussbestimmungen (Art. 18 bis 25). In der Präambel werden als die Ziele des Abkommens die Förderung des internationalen Austausches und der Zusammenarbeit durch eine koordinierte Verkehrspolitik genannt. Allerdings führt der erste Erwägungsgrund bereits an, dass die durch den alpenquerenden Transitverkehr verursachten Probleme einer dauerhaften Lösung bedürfen. Dadurch soll die Lebensqualität der Bevölkerung und der Umweltschutz sichergestellt, aber auch der internationale Handel nicht behindert werden. Interessant ist auch der dritte Erwägungsgrund, in dem festgestellt wird, dass der Entwicklung des Straßenverkehrs in den Alpen natürliche Grenzen gesetzt sind. Schließlich soll durch eine forcierte Nutzung des kombinierten Verkehrs der alpenquerende internationale Güterverkehr bewältigt werden. (Präambel TA-AT)

378 Beschluss 92/577/EWG des Rates vom 27. November 1992 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße, ABl. L 373 vom 21.12.1992, 4-5. 279

Das Ziel des Abkommens gemäß Art. 1 TA-AT ist die verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und Österreich in bestimmten Bereichen des Verkehrs, wobei insbesondere auf den alpenquerenden Verkehr verwiesen wird. Deshalb sollen die Eisenbahn und der kombinierte Verkehr durch koordinierte Maßnahmen gefördert werden. Der Straßenverkehr soll zum Schutz der Gesundheit und Umwelt geregelt werden. (Hummer 1993a, 339) Als Anwendungsgebiet nennt das Abkommen in Art. 2 Abs. 1 TA- AT den Transitverkehr auf Schiene und Straße durch Österreich. Als „Transitverkehr“ wird jeder Verkehr verstanden, der durch österreichisches Hoheitsgebiet führt und bei dem Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen. „Straßengütertransitverkehr“ ist jeder Transitverkehr, der mit Lkw, die in der Gemeinschaft bzw. Österreich zugelassen sind, durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lkw beladen oder unbeladen sind. (Art. 3 Ziff. 1f TA-AT; Hummer 1993a, 341) Im Eisenbahn- bzw. beim kombinierten Verkehr sollen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung und Förderung des Bahntransports über die Alpen ergriffen werden. Besonders beim kombinierten Verkehr soll die Koordination und die Abstimmung der Dienstleistungen verbessert werden. (Art. 4 Abs. 1 TA-AT) Dazu werden vier europäische Eisenbahnachsen festgelegt, auf denen die eben genannten Prinzipien verwirklicht werden sollen. Dazu gehören gemäß Art. 5 Abs.1 TA-AT iVm Anhang I die Brennerachse (München–Verona–Bologna), die Tauernachse (München–Salzburg–Villach), die Achse Pyhrn-Schoberpass (Regensburg–Graz) und die Donauachse (Nürnberg–Wien). Zur Umsetzung verpflichtet sich Österreich zu infrastrukturellen Maßnahmen auf dem Schienennetz dieser Achsen, die zu einer wesentlichen Kapazitätssteigerung führen (z. B. Ausweitung der Tunnelprofile, zweigleisiger Ausbau, Bahnhofsumbauten, bessere Blockeinteilung etc.). Auch der Bau des Brennerbasistunnels als längerfristige Alternative wird im Transitabkommen erstmals genannt. (vgl. Art. 6 TA-AT iVm Anhang II). Im Gegenzug dazu verspricht die Gemeinschaft die weitere infrastrukturelle Verbesserung der Zulaufstrecken zu diesen Achsen (v. a. in Deutschland, Italien, Niederlanden), soweit dies in ihrer Kompetenz steht (Art. 7 TA-AT iVm Anhang III und IV). (Frerich/Müller 2004a, 508) Die Bestimmungen zur Ausweitung der Bahnkapazitäten enthält der Art. 8 iVm Anhang V TA-AT: Bei den Tarifen soll im kombinierten Verkehr eine Vergleichbarkeit zum Straßenverkehr hergestellt werden, was die Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich erhöhen soll. Unter der Einhaltung gewisser Rahmenbedingungen sind auch Beihilfen für den kombinierten Verkehr erlaubt. (Art. 10 TA-AT; Hummer 1993a, 341f)

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Nach dem Eisenbahnbestimmungen folgt mit dem Teil über den Straßenverkehr schließlich das Kernstück des Transitabkommens. In Art. 12 TA-AT ist gleich eine wichtige Bestimmung enthalten. Dadurch muss Österreich seine bisherigen Bestimmungen an die gemeinschaftlichen Vorgaben für Abmessungen und Gewichte anpassen. Bei Lkw mit Anhängern liebt das Gesamtgewicht im Vor- bzw. Nachlauf zwischen 38 und 42 t. (Hummer 1993a, 345) Bei den Emissionsvorschriften vereinbaren die beiden Vertragsparteien durch die Einführung von Umweltnormen auf hohem Schutzniveau die Reduzierung der Abgas-, Partikel- und Lärmemissionen von Lkw. Gestützt werden sollen diese Maßnahmen auf die fortschrittlichste und wirtschaftlichste vertretbare Technologie (Art. 13 Abs. 1 TA-AT iVm Anhang VII). Bei der Kostenwahrheit wird die Anstrebung einer gemeinsamen Lösung zur Anlastung der Wegekosten in Aussicht gestellt. In der ersten Stufe sollen den Kraftfahrzeugen die Wegekosten angelastet werden und schließlich in einer zweiten Phase dann die externen Kosten (insbesondere die Umweltkosten). Dabei soll dem Territorialitätsprinzip Rechnung getragen werden und auch die besonderen Kosten in der Alpenregion berücksichtigt werden. (Art. 14 TA-AT; Hummer 1993a, 346f) Schließlich folgt mit Art. 15 TA-AT (iVm Anhängen VIII und IX) unter der Überschrift „Reduktion der Umweltbelastungen (Ökopunktesystem)“ die zentrale Bestimmung des Abkommens. Mit der Einführung des Ökopunktesystems soll „[…] der unerlässliche Schutz der Umwelt und der Bevölkerung […] [gewährleistet werden] […]“ und der Transitverkehr durch Österreich reguliert werden (Art. 15 Abs. 1 TA-AT). Allen voran sollen die Abgase und Lärmemissionen der Transit-Lkw durch Österreich verringert werden. Erreicht werden soll diese Vorgabe durch die Reduzierung der NOx-Emissionen (Art. 15 Abs. 2 TA-AT). Gemäß dem Art. 15 Abs. 3 TA-AT soll das gesamte verursachte NOx-Emissionsniveau von Lkw über 7,5t im Transitverkehr durch Österreich innerhalb von zwölf Jahren (ab 1992) bis Ende 2003 um 60% reduziert werden. Als Bezugsjahr diente 1991. (Frerich/Müller 2004b, 639; Hummer 1993a, 349; Hummer 2001, 150). Zur Erreichung dieses Reduktionsziels wird das Ökopunktesystem eingeführt. Jeder Lkw im Transit durch Österreich benötigt eine bestimmte Anzahl von Ökopunkten (Art. 15 Abs. 6 iVm Anhang IX TA-AT), die dem Wert der NOx-Emissionen des jeweiligen Lkw entsprechen (zugelassen gemäß „Conformity of Production“ – COP-Wert – abgeleitet von der Zulassung). Als Ausgangspunkt für die Berechnungen der Anzahl der Ökopunkte diente die Multiplikation der Transitfahrten des Referenzjahres 1991 mit dem gesetzlich zugelassen COP-Wert von 15,8 g NOx/kWh (Art. 4 Abs. 3 TA-AT). Bis Ende 2003 soll dann dieses Ökopunktekontingent durch eine jährliche

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Verringerung um 60% reduziert werden. (Art. 15 Abs. 4 TA-AT; Frerich/Müller 2004b, 639; Satzinger 2012, 24; Hilpold 2014, 125f) Tabelle 19: Die jährliche Reduktion der Ökopunkte gemäß Anhang VIII iVm Art. 15 TA-AT Jahr %-Satz der Ökopunkte 1991 100,0% 1992 96,1% 1993 87,9% 1994 79,5% 1995 71,1% 1996 65,0% 1997 59,1% 1998 54,8% 1999 51,9% 2000 49,8% 2001 48,5% 2002 44,8% 2003 40,0% (Quelle: Anhang VIII iVm Art. 15 TA-AT; Stickler 2002, 278; Schweitzer 1995, 14) Zur Wahrung des Grundsatzes des Nichtdiskriminierung sind auch in Österreich zugelassene Lkw, die im Transit durch Österreich unterwegs sind, dem Ökopunktesystem unterworfen (Art. 15 Abs. 8 TA-AT). Neben diesen Vorgaben enthält das Abkommen aber auch eine mengenmäßige Beschränkung der Transitfahrten. Mit der so genannten „108%- Regel“ sollte verhindert werden, dass das Ökopunktesystem durch den Fortschritt bei der Entwicklung abgasärmerer Motoren unterlaufen wird. Die jährliche Anzahl der Transitfahrten durch Österreich wird dem Niveau von 1991 festgefroren und darf jährlich nur um 8% überschritten werden. Sollte die Anzahl aber um mehr als 8% überschritten werden, sollen die Ökopunkte im darauf folgenden Jahr entsprechend der vorgegebenen Vorschriften verringert werden. (Art. 15 Abs. 5 Ziff. 2 TA-AT iVm Anhang IX Abs. 4; Frerich/Müller 2004b, 639; Satzinger 2012, 24) Art. 16 TA-AT klärt schließlich noch das Verhältnis des Abkommens zu den bisherigen bilateralen Vereinbarungen im Straßengütertransitverkehr zwischen der Gemeinschaft und Österreich (Ausnahmen des Ökopunktesystems). Im Teil IV regelte schließlich Art. 17 TA-AT noch die Art und Dichte der Kontrollen. In den Schlussbestimmungen wird in Art. 18 TA-AT noch einmal auf das Prinzip der Nichtdiskriminierung verwiesen, sowie in Art. 19 TA-AT der Verzicht auf einseitige Maßnahmen. Mit Art. 21 TA-AT erfolgte die Einrichtung eines Transitausschusses, der für die Durchführung des Abkommens verantwortlich ist und seine ordnungsgemäße Anwendung überwacht. Beschickt wird der Ausschuss von Vertretern der Gemeinschaft und Österreichs, wobei der Vorsitz abwechselnd ausgeübt wird. Ein

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besonders wichtiger Punkt für Österreich ist die Einstimmigkeit bei den zu fassenden Beschlüssen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 2 TA-AT). Zusammenfassend sind als die zentralen Bestimmungen des Transitabkommens folgende Punkte zu nennen:  Straßenverkehr: Anwendung der gemeinschaftlichen Vorschriften bzgl. Abmessungen und Gewichten in Österreich; bei Lkw mit Anhängern liegt das höchstzulässige Gesamtgewicht zwischen 38 und 42 t; geplante Einführung von Umweltnormen sowie die stufenweise Einführung eines Systems der Wegekostenanlastung; Kernstück ist die Ökopunkteregelung und die Plafonierung der Transitfahrten („108%-Klausel“);  Eisenbahn- und kombinierter Verkehr: Förderung und Verbesserung durch Ausbau der Infrastruktur sowie weitere umfangreiche Begleitmaßnahmen;  Formalitäten und Kontrollen: an zweckmäßigen Orten und in der notwendigen Dichte erlaubt; Verweis auf Protokoll Nr. 10 des EWR-Abkommens379 (Vereinfachung). (Frerich/Müller 2004b, 636)

5.2.1 Das Rechtliche Verhältnis des Transit- zum EWR-Abkommen

Das rechtliche Verhältnis des Transitabkommens zum gleichzeitig unterzeichneten EWR- Abkommen (in Kraft ab 1. Jänner 1994) wurde im Protokoll Nr. 43380 geregelt. Dadurch sollte mögliche Konfliktlinien zwischen dem bilateralen Transitabkommen und dem EWR- Vertrag (v. a. freier Warenverkehr und Dienstleistungsfreiheit) vorgebeugt werden. „Das Protokoll Nr. 43 stellt grundsätzlich klar, dass die Bestimmungen des Transitvertrages ‚den Bestimmungen des vorliegenden Abkommens (gemeint ist das EWR-Abkommen) vorgehen, soweit sie die dieselben Sachgebiete betreffen und in dem Maße, wie dies in dem vorliegenden Abkommen im Einzelnen festgelegt ist’.“ (Pösel 1993b, 157; vgl. Hummer 2000, 68; Satzinger 2012, 23f) Diese Tatsache war für Österreich sehr bedeutend. Zudem war in diesem Protokoll auch eine Evaluierungsklausel für das Vertragsende vorgesehen. Sechs Monate vor Ablaufen des Transitabkommens (Mitte 2004) sollten Österreich und die Gemeinschaft die „Lage im Straßenverkehr gemeinsam prüfen“. (Pösel 1993b, 157; Gehler 2002b, 482 Dok. 28; Hummer 2001, 150)

5.3 UMSETZUNG DES ÖKOPUNKTESYSTEMS

Die Kernbestimmung des Transitabkommens war das Ökopunktesystem. Mit 1. Jänner 1993 wurde das Ökopunktesystem eingeführt. Die ergänzenden Regelungen zum Zeitpunkt und zu den Einführungsmodalitäten sind in der am 23. Dezember 1992 unterzeichneten

379 Protokoll 10 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum über die Vereinfachung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr, BGBl. Nr. 909/1993 bzw. ABl. L 1 vom 3.1.1994, 168. 380 Protokoll 43 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum über das Abkommen zwischen der EWG und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf Schiene und Straße, ABl. L 1 vom 3.1.1994, 209 bzw. BGBl. Nr. 909/1993. 283

Verwaltungsvereinbarung381 zwischen der Gemeinschaft und Österreich enthalten. Vorausgegangen war dem der Beschluss 93/117/EWG382 der Kommission vom 22. Dezember 1992. (Frerich/Müller 2004b, 639) In diesem Verwaltungsabkommen wurde in Art. 2 die Zahl der geschätzten Transitfahrten für die Gemeinschaft (Referenzjahr 1991) auf 1,264 Mio. festgelegt (gewerblicher Verkehr, Werkverkehr und Leerfahrten). Für Österreich lag die ermittelte Zahl bei 211.100 Transitfahrten. Ursprünglich wollte die Gemeinschaft sogar 1,690 Mio. Transitfahrten, die aber aufgrund der vorgelegten österreichischen Statistiken reduziert werden konnten. Anhand dieser beiden Werte wurde die Anzahl der Ökopunkte für 1991 festgelegt. Die Anzahl der gesamten Ökopunkte lag bei 23.306.580, wobei auf die Gemeinschaft 19.971.200 und auf Österreich 3.335.380 entfielen. 1995 sollte die Zahl auf 16.710.818 vermindert und bis 2003 schließlich auf 9.322.632 abgesenkt werden. (Frerich/Müller 2004b, 641; Obwexer 2006, 304f; Hummer 2001, 151; Hilpold 2014, 126) Allerdings gab es bereits damals schon Bedenken, dass die ermittelte Zahl viel zu hoch angesetzt sei. Stickler spricht von rund 1,100 bis 1,150 Mio. Transitfahrten und meint, dass damit der Wert um 28 bis 34% zu hoch angesetzt worden ist. Knoflacher geht gar nur von 1,06 Mio. Transitfahrten aus. Demnach wurde auch der durchschnittliche COP-

Wert mit 15,8 g NOx/kWh viel zu hoch angesetzt. Stickler vertritt hier eher den Wert von

14,0 g NOx/kWh. (Stickler 2002, 282, 284; Knoflacher 2006, 153; Befragung Stubenböck 2006; Befragung Gurgiser 2006) „Auf Grund des durchschnittlichen NOx-Ausstoßes und der für das Jahr 1991 ermittelten Anzahl der Transitfahrten hätte das Ausgangsniveau 15,4 bis 16,1 Mio. Ökopunkte betragen müssen. Das vereinbarte Ausgangsniveau 1991 mit 23,3 Mio. Ökopunkten wurde um 45 bis 51% zu hoch angesetzt.“ (Stickler 2002, 284) In Art. 3 der Verwaltungsvereinbarung wird festgesetzt, dass jeder Lkw-Lenker für jede Transitfahrt ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular (so genannte „Ökokarte“) oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte mitzuführen hat. Dieses Dokument muss jederzeit der österreichischen Exekutive bei Verlangen vorgezeigt werden. Zudem müssen alle Lkw, die nach dem 1. Oktober 1990 zugelassen wurden ein einheitliches

COP-Dokument mitführen und bei Verlangen vorweisen, in welchem die NOx-Emission des Fahrzeugs nachgewiesen wird. Bei allen Fahrzeugen, die vor dem 1. Oktober 1990 zugelassen wurden bzw. jenen die kein COP-Dokument vorweisen konnten, wird

381 Verwaltungsvereinbarung zur Festlegung des Zeitpunktes und der Modalitäten der Einführung des im Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße vorgesehenen Ökopunktesystems, ABl. L 47 vom 25.2.1993, 28-41. 382 Beschluss 93/117/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1992 über den Abschluss der in den Transitverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Österreich einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz andererseits vorgesehenen Verwaltungsvereinbarungen, ABl. L 47 vom 25.2.1993, 27. 284

automatisch ein COP-Wert von 15,8 g/KWh festgesetzt. Die weiteren Artikel der Verwaltungsvereinbarung regeln die praktische Handhabung des Ökopunktesystems (siehe Punkt 6.1.1). Gemäß dem Transitabkommen stellten die zuständigen österreichischen Behörden der Gemeinschaft die Ökopunkte zur Verfügung. An die Mitgliedstaaten wurden sie dann durch die Kommission in zwei Tranchen verteilt und schließlich von den nationalen Behörden an die Güterverkehrsunternehmen weitergeleitet. (Frerich/Müller 2004b, 639) Die VO 3637/92383 regelte die Aufteilung des Gemeinschaftskontingents. Demnach wurden 99,6% der Ökopunkte nach einem bestimmten Schlüssel an die damaligen zwölf Mitgliedstaaten verteilt (Art. 2 Abs. 1 VO 3637/92). Die größte Anzahl an Ökopunkten erhielten dabei Italien (510.000) und Deutschland (482.500). Damit entfielen rund zwei Drittel der ökopunktepflichtigen Fahrten auf diese beiden Mitgliedstaaten. Die Niederlande folgten mit 123.500, Griechenland mit 60.500, Dänemark mit 40.500 und Belgien 32.500. (Anhang I VO 3637/92) Die restlichen Ökopunkte verteilten sich auf die anderen sechs Mitgliedstaaten. Voraussichtlich nicht benötigte Ökopunkte mussten bis 15. Oktober an die Kommission zurückgegeben werden. Diese bildeten zusammen mit den verbliebenen 3,34% des Kontingents die so genannte Gemeinschaftsreserve (Art. 4 Abs. 1 VO 3637/92). Die Gemeinschaftsreserve wurde dann den Mitgliedstaaten bis spätestens Ende November zugeteilt. Bei dieser Zuteilung waren aber auf die besondere Lage Italiens und Griechenlands (Anhang II), auf ungünstige Ausgangspositionen, auf Schwierigkeiten bei der Emissionsminderung, auf geographische Gegebenheiten sowie auf unvorhergesehene Ereignisse Rücksicht zu nehmen (Art. 4 Abs. 2 VO 3637/92). (Frerich/Müller 2004b, 641)

5.4. DIE BEITRITTSVERHANDLUNGEN ÖSTERREICHS MIT DER EU

Österreich hatte am 17. Juli 1989 den Beitrittsantrag in die Europäischen Gemeinschaften (EWG, EGKS und EURATOM) gestellt. In der heißen Phase der Verhandlungen zum Transitabkommen war bereits klar, dass ein etwaiger bilateraler Vertrag bei einem Beitritt gegenstandslos wird und Österreich den gesamten Acquis communautaire zu übernehmen hat. Im Vorfeld zu den Beitrittsverhandlungen legte die große Koalition aus SPÖ und ÖVP die Verhandlungslinie fest. Neben der Wahrung der immer währenden Neutralität und der Wahrung der hohen Umweltschutzstandards wurde für die Verhandlungen „[…] die ‚Lösung des Transitproblems’ durch eine Entlastung der Straßen als ‚eines der

383 VO (EWG) Nr. 3637/92 des Rates vom 27.11.1992 über die Verteilung von Transitrechten (Ökopunkten) für Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen, die in einem Mitgliedstaat zugelassen sind und Österreich durchqueren, ABl. L 373 vom 21.12.1992, S. 1-3. 285

vordringlichen Ziele der Verkehrspolitik angesehen’.“ (Gehler 2002a, 465) Die Gemeinschaft selbst war aber zu diesem Zeitpunkt mit der Vollendung des Binnenmarktes und der Vorbereitung auf den Vertrag von Maastricht beschäftigt. So wurden Österreich erst Verhandlungen im Jahr 1993 in Aussicht gestellt. (Gehler 2002a, 467f) Bereits am 31. Juli 1991 nahm die Kommission mit ihrer vorläufigen Stellungnahme („Avis“) zum Thema Transit Stellung: Allen voran wurde auf die wichtige Stellung Österreichs als Transitland für die Gemeinschaft hingewiesen, da die Schweiz eine restriktive Politik verfolge. Aber auch Österreich ist durch den wachsenden Transitverkehr und den zunehmenden Widerstand der Bevölkerung zu einer restriktiven Politik im Straßentransit übergegangen. Allen voran wurde auf die Erhöhung der Benützungsgebühren und auf das Nachtfahrverbot hingewiesen. Durch den Binnenmarkt wird der Transitverkehr, wie jeder andere internationale Verkehr ab 1992, völlig liberalisiert werden. (Gehler 2002b, 476 Dok. 27; Sickinger/Hussl 1993, 213) Die Schlussfolgerung der Kommission daraus war, „[…] dass Österreich im Falle eines Beitritts seine restriktive Politik im Bereich des innergemeinschaftlichen Straßenverkehres aufgeben und den Besitzstand der Gemeinschaft übernehmen müsste.“ (Gehler 2002b, 476 Dok. 27) Selbst die Kommission ging in ihrer Stellungnahme in den zu erwartenden Verhandlungen von „harten Auseinandersetzungen“ in der Frage des Transitverkehrs aus. (Gehler 2002b, 476 Dok. 27; Sickinger/Hussl 1993, 214) Von der österreichischen Bundesregierung wurde am 12. November 1991 ein Transitpositionspapier vorgelegt, worin gefordert wurde „[…] in den Beitrittsvertrag die gleichen Übergangsregelungen und -fristen aufzunehmen, wie [sie] für transitrelevante EG- Rechtsakte im EWR-Abkommen vorgesehen sind.“ (Gehler 2002b, 626) In dieselbe Kerbe schlug der Nationalrat am 9. Juli 1992, indem er die Bundesregierung aufforderte, dass die Beibehaltung des Transitabkommens eine unabdingbare Voraussetzung für den EU-Beitritt Österreichs sei. (Hussl 2005, 84; Hummer 2001, 152; Satzinger 2012, 24) Während sich die österreichische Regierung auf schwierige Verhandlungen im Verkehrsbereich vorbereitete, wurde im Vorfeld das Transitabkommen in den Medien von Seiten der Politik als unantastbar und unverrückbar dargestellt. „So war also bei Beginn der Verhandlungen über den österreichischen Beitritt unter der Bevölkerung die Meinung weit verbreitet, dass der Transit als Thema abgeschlossen sei, da der Transitvertrag weiterhin gilt.“ (Scharsach 1996, 233) Eröffnet wurden die Beitrittsverhandlungen am 1. Februar 1993, wobei Österreich zugutekam, dass es bereits einen Großteil des gemeinschaftlichen Rechtsbestandes durch den Beitritt zum EWR übernommen hatte. Natürlich spielte dann auch der alpenquerende

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Transitverkehr bei den Beitrittsverhandlungen neben der Landwirtschaft als das schwierigste Thema. Gerade von österreichischer Seite wurde der Transit von Anbeginn an zu einem essentiellsten Bereich gemacht. Allen voran musste das bilaterale Transitabkommen durch einen EU-Beitritt auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt werden. (Scharsach 1996, 340; Schweitzer 1995, 16) Die österreichische Verhandlungsposition lag nach dem Ministerratsbeschluss vom 21. Jänner 1993 darin, „[…] dass der gesamte Inhalt des Transitabkommens zwischen Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für die volle Laufzeit dieses Abkommens gewahrt wird.“ (Gehler 2002b, 626) Von Seiten der Kommission wurden die Verhandlungsleitlinien der Gemeinschaft im Verkehrsbereich bereits am 22. September 1993 festgelegt. (Frerich/Müller 2204b, 637; Obwexer 2006, 301) „Die Union vertrat diesbezüglich den Standpunkt, dass der Beitritt Österreichs zwar impliziert, dass alle vor dem Beitritt mit der Union geschlossenen bilateralen Abkommen erlöschen und Österreich den gemeinschaftlichen Besitzstand grundsätzlich übernimmt, dass jedoch während einer Übergangszeit für Österreich Sondermaßnahmen in Aussicht genommen werden könnten […].“ (Obwexer 2006, 301) Gerade das „Prinzip des freien Warenverkehrs von Gütern und Dienstleistungen“ wurde ausdrücklich postuliert und das Transitabkommen mit seinen Verkehrsbeschränkungen als Hindernis gesehen. Insgesamt lehnte die Kommission das bisherige Abkommen als Verhandlungsbasis ab und bot mit Übergangsbeschränkungen die zukünftige Etablierung eines Systems der Kostenanlastung zur Verkehrsregelementierung an. (TT 29.09.1993b) Trotz der Aussagen von europäischer Seite, dass das bisherige Transitabkommen wahrscheinlich nicht vollständig übernommen werden würde, ging man von österreichischer Seite zuversichtlich in die Verhandlungen. Zuhause versicherten inzwischen vom Verkehrsminister Viktor Klima (1992-1996, SPÖ) abwärts alle Politiker, dass das Transitabkommen so bleibt wie es ist, was sich auch in der medialen Berichterstattung zum Thema niederschlug. Im Nachhinein betrachtetet handelte es sich um eine bewusste Desinformationspolitik der Bevölkerung, da sie von der Mitgliedschaft überzeugt werden musste, um einen positiven Ausgang der Volksabstimmung zu gewährleisten. Mit diesem Schachzug hoffte man „[…] darauf, den EU-Verhandlern mit der Botschaft gegenüber treten zu können: Der Transitvertrag darf unter keine Umständen angetastet werden, das ist der Bevölkerung bereits versprochen worden. Wenn er nicht vollständig übernommen wird, kann die Volksabstimmung negativ ausgehen.“ (Scharsach 1996, 233) Mit Fortdauer der Verhandlungen wurden in Österreich die negativen Signale der Gemeinschaft vernommen, die das Transitabkommen mittlerweile bestenfalls als Diskussionsgrundlage sah und strikt

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gegen eine automatische Übernahme war. Mitte 1993 kippte die mediale Berichterstattung und der Bevölkerung wurde nun bewusst, dass das Transitabkommen längst nicht über die volle Laufzeit gelten würde und ein Hindernis für den Beitritt darstellt. Auch die Beitrittsgegner und die zahlreichen Anti-Transit-Bürgerinitiativen sprangen auf diesen Zug auf. (Scharsach 1996, 236-240) Unerwartete Schützenhilfe bot auch der positive Ausgang des Plebiszits über die Alpeninititative in der Schweiz (siehe Punkt 8.1.2 bzw. 9.2.1). Damit wurde das gemeinschaftliche Argument der vorzeitigen Auflösung des Transitabkommens politisch untergraben. (Wicki 2000a, 135) „Der Schweizer Volksentscheid stärkte damit indirekt – zumindest vorübergehend – die österreichische Position in den Beitrittsverhandlungen.“ (Wicki 2000a, 135) Allerdings löste sich dieser Vorteil bald wieder in Luft auf, da die Gemeinschaft den Start der bilateralen Verhandlungen mit der Schweiz auf Eis legte und damit mögliche Allianzen der Alpenländer verhinderte. (Wicki 2000a, 135) Am 1. März 1994 endeten in Brüssel in einer Schlussrunde die Beitrittsverhandlungen mit Österreich, wobei auch das Kapitel 5 zum Thema Verkehr abgeschlossen wurde. In dieser Schlussphase der Beitrittsverhandlungen wurden die Bestimmungen des Transitabkommens in ihrer Substanz in den österreichischen Beitrittsvertrag aufgenommen. Begonnen hatten die Verhandlungen im Herbst 1993 mit einem Angebot der Gemeinschaft das Transitabkommen lediglich für weitere drei Jahre in Geltung zu belassen. Dieser auf Druck Italiens zustanden gekommener Vorschlag schockierte die Österreicher anfänglich. Allerdings gelang den Verhandlern die Beibehaltung der Ökopunkte im gesamten Bundesgebiet. Die Gemeinschaft wollte lediglich die Alpenregion in die Punkteregelung einbeziehen. Bereits im Februar hatten sich bei den Knackpunkten Kompromisse abgezeichnet. So deutete Verkehrsminister Klima an, dass es eine „Toleranzgrenze“ beim Lkw-Gewicht geben könne. Damit würde das bisherige österreichische 38-t-Limit beibehalten und die 40-t-Lkw der EU, wie bisher toleriert. Von österreichischer Seite wurde auch das Angebot in den Raum gestellt, die bilateralen Fahrten in die Ökopunkte einzubeziehen und die Grenzkontrollen durch ein elektronisches Abbuchungssystem abzuschaffen. (TT 29./30.01, 11.02.1994) Auch die EU bewegte sich und stellte eine Mitfinanzierung des Bahnausbaus an der Brennerroute in Aussicht. Allerdings müssen sich die betroffenen Staaten erst auf den Bau des Brennerbaistunnels einigen. (TT 2.03.1994) Ursprünglich wollte die EU Österreich diese Sonderregelung nur bis 1998 zugestehen, während die österreichischen Verhandler auf die volle Laufzeit bis 31. Dezember 2004 beharrten. „Die EU tat sich vor allem mit der Form der vereinbarten Laufzeit des

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Transitvertrages schwer, weiniger mit dem Inhalt, der den umweltpolitischen Zielsetzungen der Union ja nicht widersprach.“ (Scharsach 1996, 242) Als Kompromiss wurde das Transitprotokoll um ein Jahr gekürzt und die zweimalige Überprüfung der Ziele vereinbart (so genanntes „3+3+3-Modell“). (TT 3.03.1994; Satzinger 2012, 24f) Zuhause wurde das Ergebnis der Transitverhandlungen als voller Erfolg verkauft, obwohl in der Bevölkerung nach den bisherigen Aussagen der österreichischen Politiker ohnehin die Meinung vorherrschte, dass alles so bleibt wie es ist. (Scharsach 1996, 241) Die Bundesregierung schrieb dazu in ihrem Bericht zu den Ergebnissen der Beitrittsverhandlungen, dass „Österreich […] damit das erste Land in der EU mit einer langfristig garantierten ökologischen Regelung des Transitverkehrs [ist].“ (Gehler 2002b, 628) Verkehrsminister Viktor Klima präsentierte die Transitlösung im Nationalrat als vollen Erfolg. Der Verzicht auf ein Jahr der bisherigen Laufzeit des Transitabkommens sei nur ein symbolischer Entgegenkommen Österreichs, da die Ziele des Abkommens bereits Ende 2003 erreicht werden müssen. Kritisiert wurde aber die deutliche Senkung der Straßenverkehrsabgabe, die deutlich mehr Lkw-Verkehr verursachen wird. Kompensiert sollte diese Verbilligung aber durch ein neues Mautsystem, dem so genannten road pricing, für Lkw werden. (Liebherr 2000, 249; TT 4.03.1994) Am Ergebnis der Verhandlungen gab es aber von Seiten der EU-Beitrittsgegner heftige Kritik. Allen voran wurden die „Aushöhlung“ des Transitabkommens und der Verzicht auf das österreichische 38-t-Limit angeprangert. Die Grünen hielten das Abkommen an sich für unzureichend. Zusammen mit der FPÖ kritisierten sie diesen „Vertragsbruch“ und wollten von den Garantien des Beitrittsvertrages nichts wissen. Der EU-Beitritt erlaubt zudem einzelnen Mitgliedern mehr Transit-Lkw durch Österreich. Probleme wurden auch mit dem Fall der Grenzkontrollen gesehen, da dort bisher die Ökopunkte kontrolliert wurden. (Scharsach 1996, 244f) Natürlich wurde auch im am meisten von Transitverkehr betroffenen Bundesland Tirol heftig polemisiert und die harte Haltung Tirols in dieser Frage betont. Landeshauptmann Wendelin Weingartner drohte des Öfteren mit einem „Nein Tirols zur EU“ und zeigte unverhohlen seine Skepsis zum Transitabkommen und zum EU-Beitritt. Allen voran hatte LH Weingartner dabei die bevorstehenden Landtagswahlen am 13. März 1994 vor Augen, die mit einem „Anti-Wien-Kurs“ geführt wurden. Trotz dieses taktischen Schwenks gegenüber der EG-freundlichen Bundespartei endete der Urnengang aber mit Verlusten für die Tiroler Volkspartei. (Gehler 1995, 682, 684; Gehler 2004, 258; Sauer 2014, 38) Für seine Zustimmung zum Transitprotokoll erhielt er damals von der Bundesregierung die Finanzierungszusage für den Bau der unterirdischen Unterinntaltrasse. Damit konnte LH

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Weingartner die Landtagswahl von der Volksabstimmung thematisch trennen. Bekanntlich endete die Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 in Tirol mit dem österreichweit niedrigsten Zustimmungswert (56,7% Ja-Stimmen), was sicherlich mit dem Thema Transit zu erklären ist. (TT 28.02, 3.03, 4.03.1994; Gehler 2004, 258; Sauer 2014, 38; Befragung Lamprecht 2006; Befragung Greil/Ruziczka 2006) Selbst die Tiroler SPÖ unter ihrem Vorsitzenden und Verkehrslandesrat Hans Tanzer forderte keinerlei Kompromissbereitschaft. Auch die Bürgerinitiativen wie z. B. die „ARGE STOP TRANSIT“ mit dem Sprecher Fritz Gurgiser warnten vor der drohenden Lkw-Lawine aus der EU und dem Souveränitätsverlust in der Verkehrspolitik. Von „Verrat“ wurde gesprochen und mit neuerlichen Autobahnblockaden gedroht. Von den Gegnern wurde immer wieder auf die Schweiz verwiesen, da man als Drittstaat besser und rigoroser gegen den Transitverkehr vorgehen kann. Als EU-Mitglied sei man an das geltende Gemeinschaftsrecht gebunden. (TT 29.09.1993a, 3.03.1994, 6.- 8.12.2003c;) Das Protokoll Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie über den kombinierten Verkehr in Österreich (so genannte „Transitprotokoll“, TP) vom 24. Juli 1994384 ersetzte mit dem EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 das bisherige Transitabkommen von 1992. Allen voran wurden aber die Kernbestimmungen des bisherigen Transitabkommens, wie die Ökopunkte und die Plafonierung der Transitfahrten unverändert in das Transitprotokoll übernommen. Der Hauptunterschied zum bisherigen Transitabkommen liegt in der rechtlichen Qualität des Transitprotokolls, da es als Teil des Beitrittsvertrags Teil des primären Gemeinschaftsrechts gemäß ex-Art. 228 Abs. 7 EGV (Art. 260 AEUV) war. (Obwexer 2006, 301f; Gehler 2002b, 568 Dok. 5; Luif 2007, 194; Hummer 2001, 151; Schweitzer 1995, 15) „Dem folgend können die darin enthaltenen Bestimmungen – soweit in der Beitrittsakte nicht etwas anderes vorgesehen ist – nur im Vertragsänderungsverfahren gemäß Art. 48 EUV ausgesetzt, geändert oder aufgehoben werden. (Obwexer 2006, 303)

5.5 INHALT DES TRANSITPROTOKOLLLS

Das Protokoll Nr. 9 zum Beitrittsvertrag besteht aus vier Teilen, 16 Artikeln und fünf Anhängen und ist somit deutlich kürzer als das bisherige Transitabkommen. Teil I enthält die Begriffsbestimmungen (Art. 1), Teil II befasst sich mit dem Schienen und kombinierten Verkehr (Art. 2 bis 9), Teil III mit dem Straßenverkehr (Art. 10 bis 15) und schließlich folgen in Teil IV die allgemeinen Bestimmungen (Art. 16).

384 Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, Protokoll Nr. 9 – über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich, ABl. C 241 vom 29.8.1994, 361. 290

In Art. 1 TP sind analog zum Art. 3 TA-AT die Begriffsbestimmungen enthalten, die fast identisch übernommen und teilweise ergänzt und angepasst wurden. Im zweiten Teil sind gemäß Art. 2 TP Maßnahmen enthalten, die den Schienen und kombinierte Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet betreffen. In Art. 3 TP wird zudem festgelegt, dass die Gemeinschaft und die betroffenen Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Entwicklung und Förderung dieser beiden Verkehre durch die Alpen ergreifen. Durch den Art. 4 iVm Anhang 1 TP wurden auch die speziellen Eisenbahnachsen (Brennerachse, Tauernachse, Achse Pyhrn-Schoberpass, Donauachse und Pontebba-Achse) in die unimodale Leitlinie für den kombinierten Verkehr385 aufgenommen. (Frerich/Müller 2004a, 508) Damit verpflichtete sich die Gemeinschaft, dass diese Strecken ein Teil des transeuropäischen Netzes für den Schienenverkehr und den kombinierten Verkehr bilden und auch als Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausgewiesen werden.386 In Art. 5 TP iVm Anhang 2 verpflichten sich die Vertragsparteien zum weiteren Ausbau der Infrastruktur im Bereich des Schienen- und kombinierten Verkehrs sowie zur Bereitstellung von zusätzlichen Bahnkapazitäten (Art. 6 iVm Anhang 3). Gemäß Art. 7 TP sollen Maßnahmen zum weiteren Ausbau des Schienenverkehrs und des kombinierten Verkehrs ergriffen werden. Damit soll die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit weiter gesteigert werden. Beim Kombinierten Verkehr soll aber auf Kostentransparenz und die Konkurrierbarkeit der Preise mit anderen Verkehrsträgern geachtet werden. Staatliche Beihilfen, die für diese Zwecke gewährt werden, müssen aber im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehen. Schließlich folgen in Teil III (Art. 10 bis Art. 15 TP) die Bestimmungen des Straßengüterverkehrs im Gebiet der Gemeinschaft (Art. 10 TP). Wie bereits im Transitabkommen von 1992 sind darin als Kernpunkte das Ökopunktesystem (Art. 11 Abs. 2 lit. a und b TP) und die Plafonierung der Transitfahrten – die „108%-Klausel“ – (Art. 11 Abs. 2 lit. c TP) enthalten. Das Transitprotokoll verfolgt gemäß Art. 11 Abs. 2 lit. a TP weiterhin das Ziel die NOx-Gesamtemission von Lastkraftwagen im Transit durch Österreich im Zeitraum zwischen 1. Jänner 1992 und 31. Dezember 2003 um 60% zu reduzieren. Art. 11 Abs. 2 lit. b TP verpflichtet Lkw mit einem Gesamtgewicht über 7,5 t zur Entrichtung von Ökopunkte bei jeder Transitfahrt durch Österreich. Die Ökopunkte berechnen sich aus der NOx-Emission des Motors („COP-Wert“). Sollten die Transitfahrten in einem Jahr den zahlenmäßig festgelegten Referenzwert um 8% übersteigen, so hat die

385 E 93/628/EWG des Rates vom 29.10.1993 zur Schaffung eines transeuropäischen Netzes für den kombinierten Verkehr, ABl. L 305 vom 10.12.1993, 1-10. 386 Vgl. E 1692/96/EG des EP und des Rates vom 23.07.1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 228 vom 9.09.1996, S. 1-104 idF der Berichtigung ABl. L 15 vom 17.01.1997, 1. 291

Kommission gemäß Art. 11 Abs. 2 lit. c TP in Übereinstimmung mit Anhang 5 Nr. 3 TP geeignete Maßnahmen zu treffen. Eine Neuerung gegenüber dem Transitabkommen ist im Art. 11 Abs. 3 TP enthalten. Der verbleibende Zeitraum des Ökopunktesystems bis Ende 2003 wurde in drei Perioden unterteilt, die insgesamt zweimal überprüft werden sollen („3+3+3-Modell“). Die erste dreijährige Periode dauerte gemäß Art. 11 Abs. 2 TP bis zum 1. Jänner 1998. Für die zweite dreijährige Periode wurde folgende Regelung festgelegt: Gemäß Art. 11 Abs. 3 TP überprüft der Rat auf Grundlage eines Berichts der Kommission vor dem 1. Jänner 1998 das Funktionieren der Bestimmungen über den Straßengütertransitverkehr durch Österreich. Geprüft werden die Gemeinschaftsgrundsätze, wie das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes, der freie Waren- und Dienstleitungsverkehr, der Schutz der Umwelt und die Verkehrssicherheit. Darauf aufbauend kann der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments einstimmig andere Maßnahmen beschließen. Falls der Rat davon nicht Gebrauch macht gilt das Ökopunktesystem unverändert bis 1. Jänner 2001. Für die letzte dreijährige Periode legt Art. 11 Abs. 4 TP fest, dass die Kommission gemeinsam mit der Europäischen Umweltagentur vor dem 1. Jänner 2001 eine wissenschaftliche Studie zu erstellen hat. Darin soll festgestellt werden, inwieweit das in Art. 11 Abs. 2 lit. a festgelegte Ziel (Reduktion der

NOx-Gesamtemission um 60%) erreicht worden ist. Gelangt die Kommission zum Schluss, dass diese Ziel einer „dauerhaften und umweltgerechten Grundlage erreicht worden ist“, laufen die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 2 mit 1. Jänner 2001 aus. Falls die Kommission zum Umkehrschluss kommt, dass dieses Ziel „nicht auf einer dauerhaften und umweltgerechten Grundlage erreicht worden ist“, dann kann der Rat gemäß Art. 91 AEUV (ex-Art. 75 EWGV) Maßnahmen „im Gemeinschaftsrahmen“ erlassen. Diese Maßnahmen müssen aber „einen gleichwertigen Schutz der Umwelt, insbesondere eine Reduzierung des Umweltbelastungen um 60 v. H. gewährleisten“. Sofern der Rat keine diesbezüglichen Maßnahmen erlässt verlängert sich das Ökopunktesystem letztmalig um drei Jahre bis zum 31. Dezember 2003 (Art. 11 Abs. 4 TP). (Obwexer 2006, 307f; Satzinger 2012, 25) Schließlich legt Art. 11 Abs. 5 TP noch fest, dass am Ende der Übergangsfrist (31. Dezember) der gemeinschaftliche Besitzstand volle Anwendung findet. Im Art. 11 Abs. 6 TP sind noch die konkreten verwaltungstechnischen Maßnahmen zur Ausgestaltung des Ökopunktesystems enthalten. Die Art 12 bis 15 TP brachten auch noch nachfolgende Änderungen mit sich, da sich die gemeinschaftliche Verkehrspolitik gerade im Abschluss der Verwirklichung der Dienstleistungs- und Kabotagefreiheit befand. Allerdings galten auch hier für Österreich abweichend zu den gemeinschaftlichen Vorgaben gewisse

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Übergangsregelungen. Daher galten nun für Österreich auch im gewerblichen grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr bis 31. Dezember 1996 bestimmte Ausnahmeregelungen von der VO 881/92 (Art. 12 Abs. 1 TP). Der freie Dienstleistungsverkehr galt ab 1. Jänner 1997 und bis dorthin sollten alle noch vorhandenen Kontingente abgebaut werden und es galt das Verbot für grenzüberschreitende Beförderungen zwischen zwei Mitgliedstaaten für österreichische Verkehrsunternehmer (Art. 12 Abs. 2 und 5 TP). (Frerich/Müller 2004b, 637; Satzinger 2012, 25) „Im Straßengütertransitverkehr durch Österreich fanden die gemeinschaftlichen Vorschriften zum gewerblichen Verkehr und zum Werkverkehr bis zum 1. Jänner 1998 nur unter dem Vorbehalt der Bestimmungen zum Ökopunktesystem Anwendung […].“ (Frerich/Müller 2004b, 637) Bei der Kabotage VO 3118/93 galten ähnliche Bestimmungen. Bis zum 31. Dezember 1996 war für österreichische Verkehrsunternehmen die Kabotage in der Gemeinschaft verboten. Umgekehrt galt für denselben Zeitraum auch das Kabotageverbot für gemeinschaftliche Verkehrsunternehmen in Österreich (Art. 13 TP). Auch bei den Straßenbenützungsgebühren galt für Österreich gemäß Art. 15 TP eine Übergangsfrist. Bis zum 31. Dezember 1995 konnte Österreich 3.750 ECU pro Jahr (375 ECU pro Monat, 99 ECU pro Woche und 18 ECU pro Tag) einheben, was im Gegensatz zu den Bestimmungen der Eurovignettenrichtlinie 93/89/EWG (insbesondere Abs. 7) stand. Für das Jahr 1996 galt die Maximalgebühr von 2.500 ECU pro Jahr (250 ECU pro Monat, 66 ECU pro Woche und 12 ECU pro Tag). Ausnahmen davon gab es für Fahrzeuge aus den peripheren Mitgliedstaaten Griechenland, Italien und Portugal, die eine 50% Ermäßigung bei den österreichischen Straßenbenützungsgebühren erhielten. Eine weitere gravierende Änderung durch den Beitritt war auch die Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen Österreich und den EU-Mitgliedstaaten Deutschland und Italien. Allerdings gewährt Art. 14 Abs. 1 TP bis 31. Dezember 1996 physische nichtdiskriminierende Kontrollen der Ökopunkte, die aber nicht den normalen Verkehrsfluss stören dürfen. Nach dieser Übergangsfrist sind nur mehr Kontrollen in elektronischer Form erlaubt (elektronische Verwaltung des Ökopunktesystems ab 1997; vgl. Art. 14 Abs. 2 TP). (Frerich/Müller 2004b, 637) Im Teil IV mit den allgemeinen Bestimmungen ist in Art. 16 TP die Einrichtung eines Ausschusses vorgesehen, der von den Mitgliedstaaten beschickt wird und in dem der Kommissionsvertreter den Vorsitz führt. Weiters sind auch noch die Verfahren des Ausschusses darin geregelt. Im Zuge des EU-Beitritts von Österreich, Finnland und Schweden musste auch die Zahl der Ökopunkte neu berechnet werden. Der um die zwei neuen EU-Mitglieder Schweden und Finnland angepasste Referenzwert von 1991 betrug nun 1.490.900 Transitfahrten. In der VO

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3298/94387 wurde in Art. 9 die Anzahl der Ökopunkte des Basisjahres 1991 auf 23.556.220 angehoben. Dies brachte natürlich auch eine Änderung des bisherigen Verteilungsschlüssels mit sich. Abzüglich der Gemeinschaftsreserve von 3,34% erhielten nun Italien 34,06%, Deutschland 32,22%, Österreich 14,34%, die Niederlande 8,25%, Griechenland 4,04%, Dänemark 2,70% und Belgien 2,17% des Ökopunktekontingents (99,66%). (Frerich/Müller 2004b, 641f; Obwexer 2000, 434; Obwexer 2006, 305; Hummer 2001, 151; Satzinger 2012, 25; Hilpold 2014, 126) „Diese (beitrittsbedingte) sekundärrechtliche Änderung des primärrechtlichen Transitprotokolls ist in Anhang 4 Transitprotokoll ausdrücklich vorgeschrieben.“ (Obwexer 2006, 305) Für das Jahr 1995 standen nun insgesamt 16.889.810 Ökopunkte für den Transit durch Österreich zur Verfügung. Bis 2003 musste die angepasste Gesamtzahl der Ökopunkte um 60% gesenkt werden, was für 2003 den Wert von 9.442.488 Ökopunkten ergab. (Frerich/Müller 2004b; Obwexer 2006, 305; Hilpold 2014, 126)

5.6 INHALTLICHER VERGLEICH VON TRANSITABKOMMEN UND TRANSITPROTOKOLL

Wie bereits erwähnt wurde im Protokoll Nr. 9 zum Beitrittsvertrag zwar der Großteil des bisherigen Transitabkommens übernommen, trotzdem sind ein paar signifikante Unterschiede festzustellen:

 Ziele: Die 60% NOx-Reduktion ist sowohl das Hauptziel im Transitabkommen (Art. 15 Abs. 2 TA-AT) als auch im Transitprotokoll (Art. 11 Abs. 2 lit a und b TP). Die weiteren in der Präambel des Transitabkommens formulierten Ziele, wie z. B. die dauerhafte Lösung der Probleme des Alpenverkehrs, der Schutz der Umwelt und der Bevölkerung vor den negativen Auswirkungen des Verkehrs oder die Verlagerung hin zum kombinierten Verkehr haben keinen Eingang ins Transitprotokoll gefunden.  Laufzeit: Im Gegensatz zum Transitabkommen wurde die zwölfjährige Laufzeit (Art. 23 TA-AT) im Transitprotokoll um ein Jahr gekürzt und in das so genannte „3+3+3-Modell“ umgewandelt (Art. 11 Abs. 3 und 4 TP). Dieses Modell sah eine zweimalige Überprüfung der Sonderregelungen vor und auch die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung falls bestimmte Voraussetzungen als erfüllt galten.  Schienenverkehr: Während im Transitabkommen die Förderung und Entwicklung des Eisenbahn- und des kombinierte Verkehrs noch als „wesentliches Mittel zur Lösung der insbesondere durch den Straßengüterverkehr durch die Alpen verursachten Probleme“ (Art. 4 Abs. 1 TA-AT) festgelegt wurde, sind im Transitprotokoll lediglich allgemeine Maßnahmen zur Entwicklung und Förderung beider Verkehre enthalten (Art. 3 TP). Daneben wird auch jede Wertung zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln vermieden (vgl. freie Wahl des Verkehrsmittels). Eine eher vernachlässigbare Änderung gegenüber dem Transitabkommen (Art. 5 iVm Anhang 1 TA-AT) ist die Erwähnung der „Pontebba-Ache“ als fünfte

387 VO (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom 21.12.1994 über verfahrenstechnische Einzelheiten im Zusammenhang mit dem System von Transitrechten (Ökopunkten) für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich, begründet durch Artikel 11 des Protokolls Nr. 9 zur Akte über den Beitritt Norwegens, Österreichs, Finnlands und Schwedens, ABl. L 341 vom 30.12.1994, 20-36. 294

Eisenbahntransversale im Transitprotokoll (Art. 4 iVm 1 TP). Viel bedeutender dagegen ist die Aufnahme dieser Eisenbahnachsen in das TEN-V.  Straßengüterverkehr: Hier sind keine wesentlichen Unterschiede feststellbar. Bei den Ökopunkten ist lediglich eine Erhöhung durch den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten anzumerken (von 23.306.580 auf 23.556.200) sowie die Verpflichtung der elektronischen Verwaltung bzw. Abbuchung (Art. 14 Abs. 2 TP).  Kostenwahrheit: Im Transitabkommen war die Internalisierung der externen Kosten vorgesehen (Art. 14 TA-AT), während im Transitprotokoll in Art. 15 auf die gemeinschaftlichen Bestimmungen verwiesen wird. Gerade die RL 93/89/EWG verbietet die Internalisierung der externen Kosten und Österreich war sogar gezwungen seine bisherigen hohen Autobahnmauten gemeinschaftskonform zu senken.

5.7 AUSDEHNUNG DES ÖKOPUNKTESYSTEMS AUF MEHRERE DRITTSTAATEN

Das Ökopunktesystem wurde nach dem österreichischen EU-Beitritt auch auf die EWR- Staaten, die Schweiz und auf einige Balkanländer ausgedehnt. Dem Verkehrsabkommen mit der Republik Slowenien vom April 1993388 wurde am 11. Dezember 1997 ein Zusatzprotokoll389 angehängt, dass die Einführung des Ökopunktesystems im Transit durch Österreich für den 1. Jänner 1997 vorsah. Für die Jahre 1995 und 1996 galten noch die bisherigen Bestimmungen des Abkommens von 1993 zwischen Österreich und Slowenien. In einen weiteren Abkommen in Form eines Briefwechsels390 wurden die Ökopunkte für Slowenien festgelegt. Im Jahr 1997 wurden Slowenien 429.539 Ökopunkte zugewiesen, die sich bis 2003 auf 290.720 reduzierten. Daneben konnten bis zu 22,6% des slowenischen Ökopunktekontingents an Benützer der RoLa vergeben werden. Das Abkommen selbst wurde mit dem Beschluss 1999/457/EG391 des Rates vom 22. April genehmigt. Für Slowenien und die weiteren Drittstaaten galten die gleichen verfahrenstechnischen Regelungen und Ausnahmen wie für den gemeinschaftlichen Transitverkehr durch Österreich. (Frerich/Müller 2004b, 645; Hummer 2005, 76) Wie mit Slowenien wurden auch mit den Balkanländern Kroatien und Mazedonien gleiche Abkommen zur Ökopunkteeinführung abgeschlossen. Im Verkehrsabkommen mit der

388 Verkehrsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Slowenien - Erklärung der Gemeinschaft - Gemeinsame Erklärung, ABl. L 189 vom 29.7.1993, 161-170. 389 Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Slowenien auf dem Gebiet des Verkehrs, ABl. L 351 vom 23.12.1997, 63-65. 390 Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Slowenien über das Ökopunktesystem, das ab dem 1.01.1997 auf den slowenischen Transitverkehr durch Österreich anzuwenden ist, ABl. L 182 vom 16.7.1999, 21-39. 391 Beschluss 1999/457/EG des Rates vom 22.04.1999 über den Abschluss des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Slowenien über das Ökopunktesystem, das ab dem 1.01.1997 auf den slowenischen Transitverkehr durch Österreich anzuwenden ist, ABl. L 182 vom 16.7.1999, 20. 295

Republik Mazedonien vom April 1997392 wurde die Einführung des Ökopunktesystems für den 1. Jänner 1999 vorgesehen. Bis 31. Dezember 1998 galt noch das bilaterale Abkommen von 1996 zwischen Österreich und Mazedonien. Die Ökopunkte für Mazedonien wurden im Abkommen in Form eines Briefwechsels393 für das Jahr 1999 mit 57.401 festgesetzt. Bis 2003 war eine Reduktion auf 44.240 vorgesehen. Hier belief sich das Ökopunktezusatzkontingent für die RoLa auf 50%. Mit dem Beschluss 2003/197/EG394 bzw. dem Beschluss 2003/278/EG395 wurde es ab dem 1. Jänner 2002 angewendet. (Frerich/Müller 2004b, 644-647; Hummer 2005, 76, 80) Im Transit durch Österreich galt für kroatische Benützer bis zum 31. Dezember 2002 das bilaterale Abkommen zwischen Österreich und Kroatien. Das am 29. Oktober 2001 zwischen der Gemeinschaft und der Republik Kroatien unterzeichnete Interimsabkommen über Handel und Handelsfragen396 sah im Protokoll Nr. 6 die Einführung des Ökopunktesystems für 2003 vor. Das Abkommen in Form eines Briefwechsels397 legte die Ökopunkteanzahl für 2003 mit 171.904 fest. Bis zu 40% des Ökopunktekontingents (68.762 Punkte) waren für Benutzer der RoLa bereitgestellt. Der Beschluss 2003/440/EG398 bzw. 2003/740/EG399 des Rates setzte das Ökopunktesystem mit 1. Jänner 2003 in Geltung. (Frerich/Müller 2004b, 648; Hummer 2005, 80)

392 Verkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien, ABl. L 348 vom 18.12.1997, 170-177. 393 Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien über das Ökopunktesystem, das ab dem 1.01.1999 auf den Transitverkehr der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien durch Österreich anzuwenden ist, ABl. L 75 vom 21.3.2003, 34-53. 394 Beschluss 2003/197/EG des Rates vom 21.10.2002 über die im Namen der Gemeinschaft erfolgende Unterzeichnung und vorläufige Anwendung eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien über das Ökopunktesystem, das auf den Transitverkehr der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien durch Österreich anzuwenden ist, ABl. L 75 vom 21.3.2003, 33. 395 Beschluss 2003/278/EG des Rates vom 14.04.2003 über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien über das Ökopunktesystem, das auf den Transitverkehr der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien durch Österreich anzuwenden ist, ABl. L 101 vom 23.4.2003, 12. 396 Interimsabkommen über Handel und Handelsfragen zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Republik Kroatien andererseits – Schlussakte, ABl. L 330 vom 14.12.2001, 203. 397 Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Kroatien über das Ökopunktesystem, das ab dem 1.01.2003 auf den Transitverkehr der Republik Kroatien durch Österreich anzuwenden ist, ABl. L 150 vom 18.6.2003, 33-50. 398 Beschluss 2003/440/EG des Rates vom 8.05.2003 über die Unterzeichnung - im Namen der Europäischen Gemeinschaft - eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Kroatien über das Ökopunktesystem, das ab dem 1.01.2003 auf den Transitverkehr der Republik Kroatien durch Österreich anzuwenden ist und über die vorläufige Anwendung dieses Abkommens, ABl. L 150 vom 18.6.2003, 32. 399 Beschluss 2003/740/EG des Rates vom 7.10.2003 über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Kroatien über das Ökopunktesystem, das ab 1.01.2003 auf den kroatischen Transitverkehr durch Österreich anzuwenden ist, ABl. L 268 vom 18.10.2003, 67. 296

Auch die EWR-Mitgliedstaaten Island, Liechtenstein und Norwegen wurden mit dem Beschluss 15/1999 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 29. Jänner 1999400 in das Ökopunktesystem integriert. Für die drei Staaten wurde die Anzahl der Transitfahrten des Referenzjahres 1991 um 406.060 auf 1.523.200 Mio. erhöht (23.962.280 Mio. Ökopunkte; 2003: 9.584.012 Mio.). Der Verteilungsschlüssel zwischen den EU-Mitgliedern und den drei EWR-Staaten wurde ebenfalls neu festgesetzt und ergab für Island 100 Ökopunkte, für Liechtenstein 21.000 und für Norwegen 4.600. (Frerich/Müller 2004b, 648) Im Art. 11 des Landverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft401, das am 1. Juni 2002 in Kraft trat, wurde ein gleichwertiges Ökopunktesystem für schweizerische Verkehrsunternehmer durch Österreich eingeführt. Dieses System ist analog zum Art. 11 TP. Am 9. September 1999 legten Österreich und die Schweiz in einem bilateralen Abkommen die Modalitäten dieses Systems fest. (Frerich/Müller 2004b, 648f; Hummer 2005 79f)

6. ÖKOPUNKTE UND BRENNERMAUT

6.1 DAS VERSAGEN DES ÖKOPUNKTESYSTEMS

6.1.1 Die praktische Anwendung des Ökopunktesystems

Eine weitere verwaltungstechnische Veränderung brachte die VO 1524/96402 mit sich. Dadurch wurde die Verwaltung und die Abbuchung des Ökopunktesystems ab 1. Jänner 1998 auf elektronische Basis umgestellt. Die praktische Handhabung des Ökopunktesystems wurde in einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Gemeinschaft und Österreich festgelegt.403 Gemäß Art. 4 mussten die Ökopunkte ursprünglich in Form von Wertmarken auf ein einheitliches Formular in dreifacher Ausfertigung aufgeklebt und durch eine Unterschrift bzw. Stempel entwertet werden. Dieses Formular, die so genannte Ökokarte, musste bis 1. April 1998 zusammen mit dem COP-Dokument des Lkw (als Nachweis der

400 Beschluss des gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 15/1999 vom 29.01.1999 über die Änderung des Anhangs XIII (Verkehr) des EWR-Abkommens, ABl. L 35 vom 10.2.2000, 45-51. 401 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse - Schlussakte - Gemeinsame Erklärungen - Mitteilung über das Inkrafttreten der sieben Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft in den Bereichen Freizügigkeit, Luftverkehr, Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße, öffentliches Beschaffungswesen, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen und Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABl. L 114 vom 30.4.2002, 91. 402 VO (EG) Nr. 1524/96 der Kommission vom 30. Juli 1996 zur Änderung der VO (EG) Nr. 3298/94 über ein System von Ökopunkten für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich, ABl. L 190 vom 31.7.1996, 13-19. 403 Verwaltungsvereinbarung zur Festlegung des Zeitpunktes und der Modalitäten der Einführung des im Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße vorgesehenen Ökopunktesystems, ABl. L 47 vom 25.2.1993, 28-41. 297

benötigten Ökopunkte) der österreichischen Exekutive bei der Einreise vorleget werden. Dort wurde eine Ausfertigung der Ökokarte einbehalten und die zwei restlichen abgestempelt. Bei der Ausreise musste der Fahrer die abgestempelte Ökokarte als Beweis für die Entrichtung der Ökopunkte abgeben. Schließlich konnte er die dritte Ausfertigung der Ökokarte als Beleg für das Verkehrsunternehmen behalten. Die Ökopunkte galten jeweils vom 1. Jänner bis zum 31. Jänner des darauffolgenden Jahres (Art. 6). Durch den Wegfall der Grenzkontrollen zu Deutschland und Italien am 1. April 1998 durch den Beitritt zum Schengen-Übereinkommen musste hier eine neue Regelung getroffen werden. Bei den EU-Außengrenzen wurde das bisherige System beibehalten. Bei den unkontrollierten Binnengrenzen wurden nun Automaten für die selbstständige Entwertung aufgestellt. Mittels Stichproben wurden dann die Lkw innerhalb von Österreich auf die ordnungsgemäße Entwertung kontrolliert. Gerade das Abschaffen der bisherigen lückenlosen Kontrollen führte in der Übergangsphase zu einem erhöhten Missbrauch. Im zweiten Quartal 1998 wurden, trotz gleichbleibendem Verkehr, rund 100.000 Lkw weniger mit Ökopunkten registriert. Ab 1. April 1998 erfolgte die Abwicklung an den österreichischen Transitrouten durch ein elektronisches auf Telematik gestütztes Abbuchungssystem. Dieses System von der Firma KAPSCH AG betrieben. (Hummer 2001, 152; Hummer 2000, 85, 87f; Puwein 2000, 51; DP 7.09.1996; DS 7.09., 15.10.1996; SN 9.10.1998) Ähnlich der „Go-Box“, die heute zur Abbuchung der Lkw-Maut in Österreich verwendet wird, mussten die Fahrer in ihrem Lkw an der Windschutzscheibe ein Abbuchungsgerät anbringen (gem. Art. 1 Abs. 3 VO 1524/96). Mit dem so genannten Umweltdatenträger (ecotag) wurden die fahrzeugspezifischen Daten erfasst (v. a. Angabe der NOx-Emissionen) und beim Passieren einer Ökopunktestation wurden die Ökopunkte mittels Mikrowellen ordnungsgemäß vom Guthaben des jeweiligen Mitgliedstaates abgebucht. Beim Passieren der Grenze musste der Fahrer allerdings selbst mittels Eingabe bestätigen, ob es sich um eine anrechnungspflichtige Transitfahrt oder um eine bilaterale Fahrt handelte. (Art. 2. Ab2. 2 VO 1524/96; Puwein 2000, 51; Hummer 2000, 85). Verwaltet wurde alles über einen zentralen Rechner und der jeweilige Verkehrsunternehmer musste dafür sorgen, dass sein Konto mit genügend Ökopunkten aufgeladen war. Stichprobenartige Kontrollen der Umweltdatenträger und der Ökokarten sowie Kontrollen bei Verdachtsfällen (z. B. Manipulationen des ecotags oder zu wenig gebuchter Ökopunkte) waren der österreichischen Exekutive unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit jederzeit erlaubt (Art. 5 Abs. 4 bis 5 VO 1524/96). Bis zum Jahr 2000 wurden über 95% der Transitfahrten aus der Gemeinschaft mittels des elektronischen Weges abgebucht, was die

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Verwaltung und die statistische Auswertung enorm vereinfachte. Ein geringerer Teil an Ökopunkten (max. 0,6%) konnten laut VO 1524/96 nach wie vor in Papierform abgewickelt werden, da einige Mitgliedstaaten nur wenige Transitfahrten durch Österreich vorweisen konnten (z. B. UK, IE, PT, FI, SE und ES erhielten zusammen rund 9.000 Papierökopunkte). (KOM (2000) 862 endg.; Obwexer 2000, 435) Alles in allen erforderte die Anwendung des Ökopunktesystems trotz der späteren elektronischen Umstellung einen extrem hohen Verwaltungsaufwand. Auch hohe Kosten waren damit verbunden, die mit staatlichen Mitteln finanziert wurden. (Liebherr 2000, 252; Puwein 2000, 51) Im Ökopunktesystem waren aber auch gemäß Anhang C der VO 3298/94 zahlreiche

Befreiungen vorhanden, obwohl diese Fahrzeuge ebenfalls NOx-Emissionen ausstießen. Von der Ökopunktepflicht waren generell alle Lkw bis zu 7,5 t Gesamtgewicht ausgenommen sowie alle Lkw im bilateralen Verkehr von und nach Österreich (inklusive Vorlauf für den grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr). Eine weitere Ausnahme genossen auch Lkw mit CEMT-Genehmigungen, die ungehindert Österreich transitieren konnten (Art. 3 VO 3298/94). Die Kommission ging hier von rund 40.000 CEMT- Transitfahrten pro Jahr aus, wobei diese Fahrzeuge großteils mit alten Motoren ausgestattet waren und deshalb große Schadstoffausstöße verursachten. Dazu umfassten die CEMT- Genehmigungen im Jahr 2000 mehr Fahrten als das Ökopunktekontingent von fünf Mitgliedstaaten. (KOM(2000) 862 endg.; Liebherr 2000, 251) Im Jahr 2003 verfügten insgesamt 752 Verkehrsunternehmen in den EU-15 über solche CEMT-Genehmigungen, die beliebig oft benutzt werden konnten. (Spendel 2004, 135) Weitere Ausnahmen gab es auch für den Transport von bestimmten Transitgütern durch Österreich (z. B. Postsendungen, Müll und Fäkalien, beschädigte oder reparaturbedürftige Fahrzeuge, Kunstgegenstände, medizinische Hilfsgüter, Transporte von hochwertigen Materialien in Spezialfahrzeugen etc.). Bis zum Abschluss weiterer bilateraler Übereinkommen zwischen der Gemeinschaft und weiterer Drittstaaten war der Großteil der in Drittstaaten zugelassen Lkw von der Ökopunktepflicht befreit. Nicht zu vergessen war das größte Schlupfloch im Ökopunktesystem, nämlich der innerösterreichische Lkw-Verkehr. Sämtliche innerösterreichische Fahrten waren trotz der gleichen Umweltbelastungen vom Ökopunktesystem ausgenommen, was sich als großer Vorteil für die österreichische Wirtschaft erwies. (KOM(2000), 862 endg.)

6.1.2 Verlängerung der Ökopunkteregelung

Wie bereits beim inhaltlichen Teil des Transitprotokolls angeführt wurde die Gültigkeit des Ökopunktesystems in drei Dreijahresperioden aufgeteilt. Die erst Periode reichte dabei bis 299

zum 1. Jänner 1998 (Art. 11 Abs. 2 TP). Für eine weitere Verlängerung um drei Jahre musste der Rat auf Grundlage eines Berichtes der Kommission vor dem 1. Jänner 1998 das Funktionieren des Straßengüterverkehrs durch Österreich überprüfen (Art. 11 Abs. 3 TP). Dem folgend legte die Kommission am 10. Jänner 1998 ihren Bericht über den Straßengütertransitverkehr durch Österreich vor (KOM(98) 6 endg.). Darin stellte die Kommission fest, „[…] dass das Ökopunktesystem ein angemessenes und wirksames Mittel für die Reduzierung der Verschmutzung durch Lkw im Transit durch Österreich darstellt. […] Überdies ist die Kommission der Ansicht, dass sich das Ökopunktesystem bestens dafür eignet, die Verschmutzung durch Lastkraftwagen einzudämmen.“ (KOM(98) 6 endg., 8) Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Verkehrspolitik des Drittlandes Schweiz für die Verlagerung des gemeinschaftlichen Verkehrs nach Österreich und dessen nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt verantwortlich ist. Aufgrund dieses Berichtes machte der Rat von seiner Rechtsetzungsmöglichkeit nicht Gebrauch und daher galt das Ökopunktesystem unverändert bis 1. Jänner 2001 weiter (Art. 11 Abs. 3 TP). (Obwexer 2006, 307f; Hummer 2000, 80; Hummer 2001, 153) Gemäß Art. 11 Abs. 4 TP musste die Kommission zur Überprüfung der letzten Dreijahresperiode in Zusammenarbeit mit der Europäischen Umweltagentur eine wissenschaftliche Studie dem Rat vorlegen. Bereits im November 2000 hatte die Europäische Umweltagentur eine Studie mit dem Titel „road freight transport and the environment in mountainous areas“ (EEA 2001) vorgelegt. Darin wurden Auswirkungen des Ökopunktesystems wissenschaftlich analysiert und inwieweit die geforderte 60%-NOx- Reduktion bereits verwirklicht wurde. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die bisherigen technischen Verbesserungen infolge des Ökopunktesystems durch das Verkehrswachstum kompensiert wurden. Des Weiteren wurde festgestellt, dass technische Maßnahmen für die Eindämmung der Umwelt- und Lärmbelastung in den Gebirgstälern nicht ausreichen werden. Neben fiskalischen (ökologisiertes road pricing) und infrastrukturellen Maßnahmen werden auch dirigistische (Verlagerung auf die Schiene, KV) und limitierende Maßnahmen (Lkw-Limitierung in sensible Zonen) notwendig sein. (EEA 2001, 33; ATLR 2001, 11). Mit dem Bericht über den Straßengüterverkehr in Österreich (KOM(2000) 862 endg.) vom 21. Dezember 2000 wurden die Vorgaben erfüllt. Aus dem Bericht ergab sich, dass das Ziel des

Transitprotokolls (Art. 11 Abs. 2 lit. a TP), nämlich die dauerhafte 60%-Reduktion der NOx- Gesamtemissionen von schweren Lkw im Transit durch Österreich Ende 2000 noch nicht erreicht worden ist (bisher 55,7%). Kritisiert wurde aber, dass der österreichische Binnenverkehr nicht erfasst werde. Mit der ausschließlichen Konzentration auf den Transit

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werde das Schadstoffproblem nur teilweise gelöst. (SN 21.12.2000; Hummer 2001, 147f, 155; Hummer 2000, 80f; Hilpold 2014, 128) Trotzdem legte die Kommission noch am selben Tag gemäß Art. 4 Abs. Satz 4 TP einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung des Protokolls Nr. 9 vor (KOM(2000) 862 endg.). Darin war vorgesehen die bisherige Plafonierung der Zahl der Transitfahrten („108%-Klausel“) durch die Streichung von Art. 11 Abs. 2 lit. c und Anhang 5 Nr. 3 TP aufzuheben. Der Hauptgrund für diese Streichung dürfte wohl die im selben Jahr stattgefundene erstmalige Überschreitung des Schwellenwertes und die daraus folgenden Streitigkeiten gewesen sein (vgl. Punkt 6.1.3). Als Begründung führte der Vorschlag im vierten Erwägungsgrund an, dass „[…] Verkehrsunternehmen mit in der EU zugelassenen Lastkraftwagen angehalten werden, für Transitfahrten durch Österreich umweltfreundliche Fahrzeuge zu nutzen. Da das Ziel des Ökopunktesystems darin besteht, Verkehrsunternehmer zur Nutzung emissionsärmerer Fahrzeuge für den Transit durch Österreich zu bewegen, lässt sich eine Sanktion kaum rechtfertigen, die gereift, wenn ein Lkw ‚zu umweltfreundlich‘ [sic!] ist.“ (KOM(2000) 862 endg.) Allerdings wurde dieser Kommissionsvorschlag weder vom Europäischen Parlament noch vom Rat bis zum 31. Dezember 2000 verabschiedet, womit sich das Ökopunktesystem automatisch letztmalig um drei Jahre bis zum 31. Dezember 2003 verlängerte (Art. 1 Abs. 4 TP). Auch von Seiten der österreichischen Verkehrsministerin Monika Forstinger (FPÖ) kam die Drohung, bei einer Streichung der „108%-Klausel“ vor dem EuGH zu klagen. (Obwexer 2001b, 790f; Hummer 155f; NZZ 22.12.2000; SN 22.12.2000) „Der Hauptgrund dafür mag wohl darin gelegen haben, dass die von der Kommission vorgeschlagene Streichung der 108%-Klausel klar im Widerspruch zu den primärrechtlichen Vorgaben des Transitprotokolls stand [v. a Art. 11 Abs. 4 TP].“ (Obwexer 2006, 309)

6.1.3 Das Versagen des Ökopunktesystems

Zwischen der Einführung des Ökopunktesystems und dem Jahr 1999 gab es bei der Abwicklung zunächst zwischen der Gemeinschaft und Österreich keine gröberen Reibungsflächen. Probleme bereiteten allerdings die zahlreichen illegalen Transitfahrten (so genannte „Blacklistfahrten“), die seit der Abschaffung der Grenzkontrollen zu Deutschland und Italien überhandnahmen. Laut Berechnungen der Kommission betraf dies rund 4% aller Transitfahrten, was einer Nichtentrichtung von rund 500.000 Ökopunkten pro Jahr entsprach. Allein im Jahr 1999 wurden durch das Land Tirol 61.238 illegale Fahrten aufgedeckt, wovon allein 18.761 Fahrten auf Tiroler Frächter fielen. Ein weiteres Problem war die illegale Umgehung der Ökopunktpflicht. Durch Umladen der Güter auf 301

österreichischem Gebiet wurden immer wieder Transitfahrten zu bilateralen Fahrten deklariert (so genannte „miteinander verbundene bilaterale Fahrten“). (KOM(2000), 862 endg.; Hummer 2001, 146) Mittels der VO 609/2000404 sollte diese bisherige Grauzone rechtlich geregelt werden. In Art. 14 der VO 609/2000 wurde festgelegt, dass eine Fahrt, bei der das Fahrzeug entweder eine vollständige Ladung in Österreich absetzt oder aufnimmt und im Fahrzeug geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden, ungeachtet der Strecke, über die die Einreise des Fahrzeuges nach Österreich oder die Ausreise erfolgt, als bilaterale Fahrt gilt und von der Ökopunktepflicht befreit ist. (Obwexer 2006, 311) Ebenfalls geändert wurde in der VO 609/2000 die Zuteilung der Raten der elektronischen Ökopunkte. Bisher wurden die Ökopunkte in zwei Tranchen jeweils am 1. Oktober der Vorjahres und am 1. März zur Verfügung gestellt. Durch den Art. 6 Abs. 3 VO 609/2000 wurde dies nun auf drei gleiche Tranchen geändert. Ausgabetermine waren nun vor dem 1. November des Vorjahres, der 1. März und der 1. Juli des betreffenden Jahres. (Obwexer 2000, 435) Im Jahr 1999 wurde erstmals der im Transitprotokoll festgelegte Höchstgrenze deutlich um mehr als 8% überschritten, was zu einer erstmaligen Aktivierung der Schutzmechanismen der „108%-Klausel“ führte. Insgesamt zählte man 1.706.436 Transitfahrten durch Österreich. Dadurch wurde der festgelegte Referenzwert von 1991 mit 1.490.900 Transitfahrten deutlich überschritten. Insgesamt wurden um 14,57% mehr Transitfahrten durch Österreich gezählt. Als Gründe wurden das Wachstum im Güterverkehr gegenüber den Vorjahren und die Tatsache angeführt, dass einige Transportunternehmen mehr Fahrten durchführten als ihnen aufgrund des Ökopunktekontingents zustanden. Rund 15% der Transitfahrten durch Österreich entfielen auf österreichische Frächter. Durch die Überschreitung um mehr als 8% (=1.610.173 Transitfahrten) hätte laut Art. 11 Abs. 2 lit. e TP die Zahl der Ökopunkte für das Jahr 2000 gemäß der Berechnungsmethode in Anhang 5 Nr. 3 TP reduziert werden müssen. Durch diese primärrechtliche Schutzklausel wäre die Gemeinschaft zu dieser Reduktion verpflichtet gewesen. (Obwexer 2000, 435; Obwexer 2001, 331; Obwexer 2006, 311; Hummer 2001, 146; Satzinger 2012, 25; KOM(2000) 395 endg., 2; KOM(2000) 862 endg.) Die Kommission legte schließlich nach längerer Untätigkeit am 20. Mai 2000 einen Verordnungsentwurf zur Reduzierung der Ökopunkte vor, obwohl eine Reduktion bereits am 1. März 2000 hätte erfolgen müssen. Die Tatsache, dass der Plafond überschritten wird, lag bereits Ende Oktober 1999 vor. Dennoch wurden die vorgesehenen Ökopunktetranchen im November 1999 ausgegeben. In diesem Vorschlag

404 VO (EG) Nr. 609/2000 der Kommission vom 21.03.2000 zur Änderung der VO (EG) Nr. 3298/94 über verfahrenstechnische Einzelheiten im Zusammenhang mit dem System von Ökopunkten für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich, ABl. L 73 vom 22.3.2000, 9-12. 302

war die Senkung der Ökopunkte für das Jahr 2000 um 18% (2.184.522 Ökopunkte) oder 350.000 Transitfahrten vorgesehen, was zu einem Engpass an Ökopunkten im vierten Quartal geführt hätte. Allerdings waren im Mai 2000 bereits ein zwei Drittel des Ökopunktekontingents an die Mitgliedstaaten verteilt und bereits großteils verbraucht worden. Ohne Ökopunkte wäre der Transit durch Österreich ab November 2000 nahezu unmöglich gewesen, was nachteilige Auswirkungen für die EU-Wirtschaft gehabt hätte. Insbesondere hätte diese geforderte Kürzung auch die österreichische Transportwirtschaft betroffen, da sie dadurch bereits das österreichische Ökopunktekontingent für 2000 im Juni 2000 aufgebraucht hätten. Damit stand Österreich selbst am Pranger der „Ökopunkte- Sünder“, da die heimischen Frächter Mitschuld an der Ökopunkteüberziehung trugen. (Obwexer 2000, 436; Obwexer 2001, 433; KOM(2000) 395 endg., 2; DP 27.07.2000) „Davon ausgehend machte die Kommission den Vorschlag, die einschlägigen Bestimmungen des Transitprotokolls im Lichte der Grundfreiheiten des Binnenmarktes auszulegen und die Verringerung der Ökopunkte auf die Jahre 2000 bis 2003 zu verteilen.“ (Obwexer 2006, 311f) Anstatt auf das Jahr 2000 wurde die Reduktion nun auf die restliche Geltungsdauer des Transitprotokolls ausgedehnt. Für die Jahre 2000, 2001 und 2002 war eine Reduzierung um 30% und für 2003 eine Verringerung um die restlichen 10% vorgesehen. Diese „dynamische Auslegung“ war laut Kommission gerechtfertigt, weil damit immer noch die geforderte Schadstoffreduktion erreicht würde. Das Transitprotokoll enthielt aber keinerlei Angaben über die Aufteilung der Reduktion. Deshalb war die Reduzierung der Ökopunkte nur für jene Mitgliedstaaten vorgesehen, deren Transportunternehmen im Jahr 1999 zur Überschreitung des Referenzwertes um mehr als 8% beigetragen hatten. (Deutschland, Österreich, Italien, Belgien und Griechenland). Zudem wurde der Vorschlag gemacht, die Schutzklausel in Art. 11 Abs. lit. c TP für das Jahr 2000 ausnahmsweise auszusetzten, da die Befürchtung herrschte, dass es zu einer erneuten Überschreitung des Referenzwertes um mehr als 8% kommen könnte. Für die Jahre 2001 bis 2003 sollte sie aber wieder in Geltung bleiben. (Obwexer 2000, 436; Obwexer 2006, 312; KOM(2000) 395 endg., 2f) Im sogenannten „Ökopunkte-Ausschuss“ fand der Kommissionvorschlag aber am 31. Mai 2000 keine qualifizierte Mehrheit, da Österreich, Deutschland, Italien, Belgien, und Griechenland dagegen stimmten. (DP 2.06.2000) Daraufhin musste die Kommission dem Rat gemäß Art. 16 Abs. 3 TP einen Vorschlag unterbreiten, was am 21. Juni 2000 geschah (KOM(2000) 395 endg.). Der Vorschlag war zum größten Teil ident mit dem bereits dem Ökopunkte-Ausschuss vorgelegten Papier. Vor dem nächsten Verkehrsministerrat signalisierte Verkehrsminister

303

Michael Schmid (FPÖ) eine gewisse Verhandlungsbereitschaft und befürwortete zunächst ein „Stretching“ (Streckung) der Ökopunkte obwohl Österreich eindeutig im Recht war. Vor allem aus Tirol kam Kritik daran und eine Klage beim EuGH wurde gefordert. Es folgten dann der österreichische Meinungsumschwung und die Forderung nach der Erfüllung des Transitabkommens auf Punkt und Beistrich. (DP 23.05., 24.05.2000; NZZ 24.02.2001; Lichtenberger Interview 2008) Als besondere Schwäche erwies sich dabei im Vorfeld, dass der österreichische Verkehrsminister aufgrund der Sanktionen der EU-14 gegen die schwarz-blaue Regierung keine bilateralen Konsultationen mit seinen EU-Amtskollegen hatte. Dies hätte eventuell eine Einigung erleichtern können. (DP 24.06., 27.06.2000) Im Verkehrsministerrat vom 26. Juni 2000 verwies der österreichische Verkehrsminister Michael Schmid, dass der Kommissionsvorschlag für Österreich völlig inakzeptabel und eine „Bankrotterklärung für den Transitvertrag wäre“. Daher werde man klagen und die österreichischen Interessen verteidigen. Auch hatte Österreich bereits im Oktober 1999 auf die bevorstehende Überschreitung um mehr als 8% hingewiesen. Im Rat wurde aber ebenfalls keine qualifizierte Mehrheit erreicht, da Österreich bereits im Vorfeld sein Veto angekündigt hatte. Weitere Verhandlungen für einen Kompromiss folgten nun auf EU- Botschafter Ebene. (Obwexer 2000, 437; DP 27.06.2000; DS 27.06.2000) Nach rechtlicher Prüfung gab die Kommission am 26. Juli 2000 einen Teil der dritten Tranche von 1.500.000 Ökopunkten (=230.000 Transitfahrten) frei, womit bis September eine Übergangslösung gefunden wurde. Damit verstieß die Kommission nicht gegen die primärrechtlichen Vorgaben des Transitprotokolls, das in dieser Situation eine Reduktion der Ökopunkte forderte. Allerdings wurde bei der Vergabe ein eigener Schlüssel angewandt, bei dem diejenigen Staaten weniger bekamen, die ihr Kontingent bereits überschritten hatten. (Obwexer 2000, 438f; DP 27.07.2000; DS 27.07.2000) Schließlich befasste sich der Verkehrsministerrat am 21. September 2000 erneut mit der Thematik. Nachdem am Tag zuvor bei einem außerordentlichen Treffen keine Einigung erzielt werden konnte, legte die französische Ratspräsidentschaft einen Kompromissvorschlag vor. Aufbauend auf dem bisherigen Kommissionsvorschlag sollte für die Berechnung der Ökopunktereduktion bis

2003 eine neue Berechnungsmethode angewandt werden (neuer durchschnittlicher NOx- Emissionswert von 6,917 g/kWh) womit lediglich eine Reduktion von 1.009.498 erreicht wurde (ca. 146.000 Fahrten). Daraufhin änderte die Verkehrskommissarin nun prompt den bereits dem Rat vorgelegten Kommissionsvorschlag diesbezüglich ab. Der Rat nahm daraufhin gegen die Stimme Österreich den französischen Kompromiss an. (Obwexer 2000, 440; Obwexer 2006, 312)

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Die VO 2012/2000405 verringerte die Gesamtzahl der Ökopunkte im Zeitraum 2000 bis 2003 um rund eine Million. Durch den Art. 1 VO 2012/2000, die am 26. September 2000 in Kraft trat, wurde die VO 3298/94 und der im Primärrecht stehende Anhang Nr. 4 des TP dahingehend geändert. Festgelegt wurde auch, dass die durch die Schutzklausel verursachte Verringerung künftig auf mehrere Jahre verteilt werden kann (Art. 2 Nr. 1 VO 2012/2000). Art. 2 Nr. 4 regelte dann noch die bereits angesprochene Reduzierung der Ökopunkte für Deutschland, Italien, Österreich, Belgien und Griechenland. (Obwexer 2006, 312f; Satzinger 2012, 26) Im Lichte von Verletzungen wesentlicher Formvorschriften beim Zustandekommen der VO (z. B. Änderung des Kommissionsvorschlages, der bereits dem Rat vorgelegt war) und unzulässiger primärrechtlicher Änderungen des Transitprotokolls (Reduktion über vier Jahre, neue Berechnungsmethode und neuer Verteilungsschlüssel) ergriff Österreich rechtliche Mittel. Am 4. Dezember 2000 klagte Österreich daraufhin beim EuGH gemäß Art. 263 AEUV (ex-Art. 230 EGV), um die VO 2012/2000 für nichtig zu erklären.406 „Mit besonderem Schriftsatz vom selben Tag stellte Österreich gem. [ex-]Art. 242 EGV [Art. 278 AEUV] und [ex-]Art. 243 EGV [Art. 279 AEUV] den Antrag, die Anwendung der angefochtenen Verordnung auszusetzten und eine einstweilige Anordnung zu erlassen.“ (Obwexer 2001a, 331) Am 23. Februar 2001 setzte der Präsident des EuGH den Vollzug des Art. 2 Nr. 1 der VO 2012/2000 bis zum Erlass des Urteils in der Hauptsache aus.407 Die Aussetzung der übrigen Bestimmungen der VO und die einstweilige Anordnung wurden vom Gerichtshof aber zurückgewiesen. Als Begründung wurde angeführt, dass das im Primärrecht stehende Transitprotokoll die Reduzierung der Ökopunkte bei einer Überschreitung des Schwellenwertes im selben Jahr vorsieht. Die Ausdehnung dieser Reduktion auf mehrere Jahre widerspricht demnach den rechtlichen Bestimmungen.408 Damit wurde die Erstreckung der Ökopunktreduktion auf die restliche Laufzeit des Transitprotokolls vorübergehend unterbunden. (Obwexer 2006, 313) Am 13. Februar 2003 folgten schließlich die Schlussanträge im gegenständlichen Fall. Generalanwalt Jean Mischo forderte darin die Art. 1 und Art. 2 Nr. 1 und 4 für nichtig zu

405 VO (EG) Nr. 2012/2000 des Rates vom 21. 09.2000 zur Änderung des Anhangs 4 des Protokolls Nr. 9 zur Beitrittsakte von 1994 und der VO (EG) Nr. 3298/94 über ein System von Ökopunkten für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich, ABl. L 241 vom 26.9.2000, 18-20. 406 Klage der Republik Österreich gegen den Rat der Europäischen Union, eingereicht am 4.12.2000 (Rs. C- 445/00), ABl. C 45 vom 10.2.2001, 9 f. 407 EuGH, Rs. C-445/00 (Österreich/Rat), Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23.02.2001. Slg. 2001, I-1461 ff. 408 EuGH, Rs. C-445/00 (Österreich/Rat), Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23.02.2001. Slg. 2001, I-1461 ff, Rn. 85 (Obwexer 2006, 312 (Fn. 49)). 305

erklären. Allerdings sollen die Wirkung der betreffenden Artikel aufrechterhalten werden.409 Damit hielt der Generalanwalt die VO 2012/2000 für teilweise rechtswidrig. Dieser Linie folgte dann auch der EuGH in seinem Urteil vom 11. September 2003.410 Der Art 2 Nr. der VO 2012/2000 wurde für nichtig erklärt und auch die Art. 1 und Art 2 Nr. 4. Für die beiden letztgenannten Artikel blieb aber deren Wirkung bis zu einem Erlass neuer Maßnahmen in Geltung. Als Begründung führte der EuGH an, dass der erste österreichische Klagegrund, in welchem die Verletzung wesentlicher Formvorschriften bei der Verabschiedung, abgewiesen wurde. Das Kommissionskollegium hatte Verkehrskommissarin Loyola de Palacio dazu ermächtigt, den nach dem französischen Vorschlag abgeänderten Vorschlag dem Rat vorzulegen. Es liegt hier nach Art. 13 der Geschäftsordnung der Kommission keine Verletzung des Kollegialprinzips vor. Abgelehnt wurde auch der zweite Klagegrund, der daraufhin wies, dass die Kommission gemäß Art. 16 TP nicht befugt sei, einen bereits dem Rat vorgelegten Vorschlag im Nachhinein wesentlich zu verändern. Trotz nachmaliger Veränderung des Kommissionvorschlages ist diese Vorgehensweise und durch Art. 293 AEUV (ex-Art. 250 EGV) ausreichend rechtlich gedeckt. Dieser Artikel erlaubt Veränderungen bis zur endgültigen Verabschiedung des Rechtsaktes. Ebenso als unbegründet abgewiesen wurde der dritte Klagegrund, der auf mangelnde Begründung der VO verwies. (EuGH, Rs. 445/00, I-8549ff, Rn. 37-52) Mit dem ersten Teil des vierten Klagegrundes machte Österreich die primärrechtliche Verletzung der VO geltend. Der Art. 2 Nr. 1 mit der Erstreckung der Verringerung der Ökopunkte über mehrere Jahre steht eindeutig im Widerspruch zum Anhang 5 Nr. 3 TP, der eine Reduktion „für das folgende Jahr“ vorsieht. Die primärrechtlichen Bestimmungen einer Beitrittsakte, dazu gehören auch die Protokolle und Anhänge, können nur in den für die Revision der ursprünglichen Verträge vorgesehenen Verfahren ausgesetzt, geändert oder aufgehoben werden. Deshalb ist dieser Art. 2 Nr. 1 der VO 2012/2000 für nichtig zu erklären. Damit wurde Österreich in dieser Frage Rechtsschutz gewährt, da dieser Schaden nicht mehr rückwirkend gut gemachten werden kann. (EuGH, Rs. 445/00, I-8549ff, Rn. 53-64; Obwexer 2006, 314; DS 24.02.2001) Bei der Erstreckung der Reduktion im konkreten Anlassfall argumentierten der Rat und Italien (als Streithelferin), dass Österreich selbst an der Situation schuld sei, da es verabsäumt wurde die im TP geregelten Maßnahmen zur Förderung des Schienenverkehrs zu forcieren. Der EuGH konnte aber keinen rechtlichen Zusammenhang zwischen den

409 EuGH, Rs. C-445/00 (Österreich/Rat), Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 13.02.2003, Slg. 2003, I-8549 ff. 410 EuGH, Rs. C-445/00 (Österreich/Rat), Urteil vom 11.09.2003, Slg. 2003, I-8549 ff; ABI. C 264 vom 01.11.2003, 5. 306

Ökopunkten und diesen Maßnahmen feststellen. Der Gerichtshof stand aber dem Rat zu, dass die Verringerung der Ökopunkte über das Jahr 2000 hinaus bis ins Jahr 2001 erstreckt werden durfte. Das Verfahren nach Art. 16 TP den Gemeinschaftsorganen erlaubt einen „Entscheidungsspielraum“, um in solchen Situationen „geeignete Maßnahmen zu treffen“. In diesem Zusammenhang akzeptierte der EuGH auch den Ausnahmecharakter des Ökopunktesystems vom Gemeinschaftsrecht. Bemängelt wurde aber die fehlerhafte Übermittlung der statistischen Daten der Transitfahrten von 1999 im März 2000 durch Österreich. Die endgültige Statistik lag erst im September 2000 vor und führte somit zu Verzögerungen. Dadurch wurde die Reduktion der Ökopunkte nur in letzten Monaten des Jahres 2000 anwendbar. Dies stellt aber einen unverhältnismäßigen Eingriff dar und führt zum fast völligen Stopp des Straßengütertransitverkehrs durch Österreich und steht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht (v. a. freier Warenverkehr und Binnenmarkt). Deshalb ist eine Verteilung der Reduktion für die restlichen Monate des Jahres 2000 und über das gesamte Jahr 2001 zulässig. Lediglich die Erstreckung über vier Jahre verstößt gegen das TP. (EuGH, Rs. 445/00, I-8549ff, Rn. 65-77) „Damit erlaubte der EuGH allerdings – abweichend von seiner eigenen Argumentation – einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.“ (Obwexer 2006, 315) Im zweiten Teil des vierten Klagegrundes beschwerte sich Österreich über den neuen Verteilungsschlüssel der Ökopunkte im Art. 2 Nr. 4. Weil das TP die Verteilung der Ökopunkte offen lasse, sollte nach österreichischer Rechtsauffassung das Solidaritätsprinzip gelten. Auch hier verfügt der Rat über einen „Entscheidungsspielraum“, da gemäß Art. 11 Abs. 6 und Art. 16 TP die Verteilung der Ökopunkte bei der Kommission und gegebenenfalls beim Rat liegt. Durch die Verteilung der Reduktion nach der Überschreitung des Schwellenwertes wurde der Entscheidungspeilraum nicht überschritten. (EuGH, Rs. 445/00, I8549ff, Rn. 78-85; Obwexer 2006, 315) Schließlich wandte sich Österreich im fünften Klagegrund gegen die neue Berechnungsmethode der Ökopunkte. Im Anhang 5 Nr. 3 TP ist die

Berechnungsmethode enthalten, nämlich der durchschnittliche NOx-Emissionswert. „Bei der Ermittlung dieses Wertes müssen auch die ‚illegalen‘ Transitfahrten (‚Schwarzfahrten‘) mit einbezogen werden.“ (Obwexer 2006, 315f) Auch ein „Schwarzfahrer“ verursacht NOx- Emissionen im Transit durch Österreich, obwohl er keine Ökopunkte entrichtet hat. (vgl. EuGH, Rs. 445/00, I-8549ff, Rn. 86-97) Die österreichische Berechnung war somit falsch und entspricht nicht dem Geist des Protokolls. Trotz dieses gewissen rechtlichen Teilerfolges hatte Österreich beim Thema Ökopunktereduktion in den Jahren 2001, 2002 und 2003 ziemlich empfindliche Niederlagen

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einstecken müssen. Trotz statistisch von Österreich festgestellter Überschreitungen des Schwellenwertes um mehr als 8%, kam es zu keiner weiteren Reduktion der Ökopunkte mehr. Stattdessen beanstandete die Kommission die österreichische Berechnungsmethode und erkannte die österreichische Transitfahrtenstatistik nicht an. Wie bereits 1999 wurde nach österreichischer Berechnung auch im Jahr 2000 wiederum der Schwellenwert deutlich überzogen, nämlich um 13,81%. Die von Österreich im April 2000 vorgelegten statistischen Daten wiesen insgesamt 1.696.794 Transitfahrten aus. Wie bereits in den Vorjahren wurden dabei die deklarierten Transitfahrten gezählt. Daraufhin forderte Österreich die Kommission auf tätig zu werden und die Ökopunkte für das Jahr 2001 zu senken. Allerdings zweifelten einige Mitgliedstaaten und die vor allem die Kommission an der Richtigkeit der übermittelten Daten. Vorerst blieb daher der Ökopunkte-Ausschuss untätig. Strittig waren insbesondere 9.210 Anfahrten zur RoLa, 92.816 „verlorene Fahrten“ (Fehlen der Ausreiseinformationen) und 54.386 „Stichfahrten“ (Ein- und Ausreise erfolgte über dieselbe Grenzstation). Die Kommission sah darin unerlaubte Rechentricks. Nach Abzug dieser strittigen Fahrten blieben nur mehr 1.540.382 Transitfahrten übrig, womit der Schwellenwert deutlich unterschritten wurde. Die Beweislast lag nun bei Österreich, um zu beweisen dass es sich bei den „verlorenen Fahrten“ tatsächlich um Transitfahrten handelte. (DP 24.07.2001) Die Kommission blieb bei ihrer Linie und beschloss daraufhin am 25. Juli 2000 die österreichische Forderung vom 17. Juli nach einer Vorlage eines Verordnungsentwurfes zur Reduzierung der Ökopunkteanzahl für 2001 zu negieren. Stattdessen verteilte sie die bisher zurückgehaltenen elektronischen Ökopunkte für das Jahr 2001 ohne Abstriche. Beide Entscheidungen wurden von der EU-Verkehrskommissarin Österreich am 26. Juli 2000 schriftlich mitgeteilt. Verkehrsministerin Monika Forstinger bezeichnete nun abermals eine Klage Österreichs als logischen Schritt. (Obwexer 2006, 316f; EuGH, Rs. C-356/01, I1406ff, Rn. 20-26; DP 26.07.2001; DS 25.07.2001; NZZ 26.07.2001; SN 26.07.2001) „Österreich erhob am 20. September 2001 gemäß [263 AEUV] ([ex-]Art. 230 EGV) Klage auf Nichterklärung der Entscheidung der Kommission vom 25. Juli 2001 […], hilfsweise, auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom selben Tag über die ungekürzte Freigabe der für das Jahr 2001 verbliebenen Ökopunkte.“ (Obwexer 2006, 317) Wie bei der vorherigen Rs. C-445/00 folgte die Urteilsverkündung des EuGH im Jahr 2003. Im Urteil vom 20. November 2003411 wurde die österreichische Klage als unbegründet abgewiesen. Nach der Anerkennung und dem Abzug der Transitfahrten zum kombinierten Verkehr (RoLa) (9.210 Transitfahrten) durch Österreich ging es im

411 EuGH, Rs. C-356/01 (Österreich/Kommission), Urteil vom 20.11.2003, Slg. 2003, I-14061 ff; ABI. C 7 vom 10.01.2004, 12. 308

gegenständlichen Verfahren um die restlichen strittigen Transitfahrten (92.816 „verlorene Fahrten“ und um 54.836 „Stichfahrten“). Die Frage war also, ob diese strittigen Fahrten nun zu den Transitfahrten zu rechnen sind oder nicht, und ob damit eine Überschreitung des Schwellenwertes im Jahr 2000 vorliegt. Zuerst definierte der Gerichtshof den Transitverkehr durch Österreich gemäß Art. 1 lit. c TP als Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen müssen. Da sich der definierte Transitverkehr aus Einzelfahrten zusammensetzt gilt dies auch für die einzelnen von Art. 11 Abs. 2 lit. c TP erfassten Fahrten. Daher müssen vom Ökopunktesystem erfasste Transitfahrten ihren Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb von Österreich haben. Deshalb ist auch die Ausreise aus Österreich nachzuweisen. (EuGH, Rs. C-365, I-14061, Rn. 40-44; Obwexer 2006, 317f) Es obliegt daher den österreichischen Behörden, dass sie ein technisches System einrichten, bei dem nicht nur die Ein- sondern auch die Ausreise aus Österreich kontrolliert wird. Allein aufgrund der Einstellung des Umweltdatenträgers bei der Einfahrt nach Österreich auf „Transit“ anstatt auf „bilaterale Fahrt“ (so genanntes Deklarationsprinzip) entsteht noch keine ökopunktepflichtige Transitfahrt (Art. 11 Abs. 2 lit. c TP). Dieses Vorgehen findet in den gemeinschaftlichen Rechtsbestimmungen keinerlei Grundlage. In beiden Fällen der strittigen Transitfahrten („verlorene Fahrten“ und „Stichfahrten“) handelte es sich demnach nicht um Transitfahrten, die vom Art. 11 Abs. 2 lit. c TP erfasst werden. Von österreichischer Seite fehlt der stichhaltige Beweis, dass es sich um tatsächlich durchgeführte Transitfahrten handelte. Daher wurden die vorgelegten österreichischen Zahlen von der Kommission berichtigt. Österreichs Verkehrsminister Hubert Gorbach zeigte sich vom Ausgang des Verfahrens unbeeindruckt, da auch ein positives Urteil für Österreich ohne Auswirkungen geblieben wäre. (EuGH, Rs. C-356/01, I14061ff, Rn. 47, 51- 54; Obwexer 2006, 318; DP 2011.2003; DS 21.11.2003) Auch in den nächsten zwei Jahren wiederholte sich die gleiche Konfrontation zwischen Österreich und der Kommission. Wie bereits 1999 und 2000 wurde auch im Jahr 2001 nach österreichischer Berechnung wiederum der Schwellenwert überschritten. Bei der Übermittlung der 1.640.416 deklarierten Transitfahrten im April 2002 betrug die Überziehung 10,03%. Wie bereits im Jahr zuvor wurden Zweifel an den Daten gehegt und der Ökopunkte-Ausschuss blieb untätig. Trotz österreichischer Forderung legte die Kommission keinen Entwurf zur Ökopunktereduzierung für das Jahr 2002 vor. Am 24. Juli 2002 beschloss die Kommission, dass nach Abzug der strittigen Fahrten lediglich 1.448.898 Transitfahrten übrig blieben und daher keine Überziehung des Schwellenwertes vorliegt. Wiederum zog die Kommission 49.504 „Stichfahrten“, 91.250 „verlorene Fahrten“ sowie

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10.764 Fahrten zur RoLa ab. Dabei handelte es sich nach Meinung der Kommission um mehr als 9% von Fahrten, die nicht als Transitfahrten stattgefunden haben. Als Begründung wurde angeführt, dass die österreichischen Statistiken lediglich die deklarierten und nicht die tatsächlich durchgeführten Transitfahrten enthalten. Dementsprechend wurden am 29. Juli 2002 die verbliebenen elektronischen Ökopunkte für das Jahr 2002 wiederum ungekürzt verteilt. (EuGH, Rs. C-296, I-9159ff, Rn. 41-44; Obwexer 2006, 319; DP 24.07.2002; DS 25.07.2002) Wiederum klagte Österreich die Kommission vor dem EuGH. In der Klageschrift vom 20. August 2002412 beantragte Österreich gemäß Art. 263 AEUV (ex-Art. 232 EGV) die Nichtigkeitserklärung der Kommissionentscheidung vom 24. Juli 2002. Ebenso sollte hilfsweise der Beschluss der der ungekürzten Ökopunktevergabe für nichtig erklärt werden. Mit besonderem Schriftsatz vom selben Tag beantragte Österreich zudem gemäß Art. 278 und 279 AEUV (ex-Art. 242 und 243 EGV) die Aussetzung des Kommissionsbeschlusses vom 24. Juli 2002. (EuGH, Rs. C-296/02 R, I-9159 ff, Rn. 1f; Obwexer 2006, 320) Bereits am 23. Oktober 2002 wies der EuGH413 den Antrag auf einstweilige Anordnung „[…] wegen nicht nachgewiesener Notwendigkeit und fehlender Dringlichkeit zurück.“ (Obwexer 2006, 384) Nach Abwägung der Argumente der Streitparteien wurde als Begründung angeführt, dass die Rechtfertigungen und Erläuterungen der Kommission und ihrer Streithelferinnen (Italien und Deutschland) gewichtiger sind und eher den Zielen des Ökopunktesystems und dem Wortlaut des Transitprotokolls entsprechen. Allen voran wurde das österreichische Deklarationsprinzip beanstandet. (EuGH, Rs. 296/02 R, I-9159, Rn. 70- 98; Obwexer 2006, 320f) Nach der Niederlage im ähnlich gelagerten Fall in der Rs. C- 356/01 zog Österreich die Klage zurück. Durch den Beschluss des Präsidenten des EuGH vom 16. März 2004414 wurde die Streichung der gegenständlichen Rechtssache aus dem Register angeordnet. Wie bereits in den drei Vorjahren wies die österreichische Ökopunktestatistik für das Jahr 2002 ebenfalls eine Überschreitung des Schwellenwertes aus. Diesmal wurden 1.718.622 deklarierte Transitfahrten gezählt, was einer Überschreitung des Referenzwertes von 1991 um 15,27% entsprach. Wie bereits in den Jahren davor senkte die Kommission durch Streichung strittiger Fahrten die Zahl der Transitfahrten unter den maßgeblichen Schwellenwert, nämlich auf 1.588.735. Insgesamt wurden 56.242 „Stichfahrten“, 69.433

412 EuGH, Rs. C-296/02 (Österreich/Kommission), Klageschrift; ABI. C 233 vom 28.09.2002, 19. 413 EuGH, Rs. C-296/02 R (Österreich/Kommission), Beschluss vom 23.20.2002, Slg. 2002, I9159ff. 414 EuGH, Rs. C-296/02 (Österreich/Kommission), Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichtshofes vom 16.03.2004, Streichung; ABI. C 106 vom 30.04.2004, 53. 310

„verlorene Fahrten“ und 7.812 Anfahrten zur RoLa gestrichen. Trotz österreichischer Aufforderung zum Tätigwerden beschloss die Kommission am 1. Juli die Nichtanwendung der 108%-Klausel und die Ausgabe der restlichen elektronischen Ökopunkte für das Jahr 2003. (EuGH, Rs. C-393/03 R, I-13593, Rn. 25-32; Obwexer 2006, 321f; SN 28.06.2003) Wie bereits 2002 beantragte Österreich am 11. September 2003415 gemäß Art. 263 AEUV (ex-Art. 230 EGV) die Nichtigkeit der Nichtanwendung der Ökopunktreduktion sowie der ungekürzten Ausgabe des Ökopunktekontingents für 2003. Ebenfalls wie 2002 wurde gemäß Art. 278 und 279 AEUV (ex-Art. 242 und 243 EGV) eine Aussetzung des Kommissionsbeschlusses vom 1. Juli 2003 gefordert. Dieser Antrag auf einstweilige Anordnung wurde mit Beschluss des EuGH vom 14. November 2003416 ebenfalls wie derjenige von 2002 abgelehnt. Als Begründung verwies der Gerichtshof auf den Beschluss in der Rs. C-296/02. Inhaltlich werden dieselben Argumente von Österreich angeführt, die bereits abgelehnt wurden. (EuGH, Rs. 393/03 R, I13593, Rn. 55-66; Obwexer 2006, 322f) Auch diese Klage wurde von Österreich nach der Niederlage in der Rs. C-356/01 zurückgezogen. Durch den Beschluss des Präsidenten des EuGH vom 16. März 2004417 wurde die Streichung der gegenständlichen Rechtssache aus dem Register angeordnet. Damit hatte Österreich mit allen Klagen zum Thema Ökopunkte vor dem EuGH teils empfindliche Niederlagen hinnehmen müssen. Offensichtlich wurde aber auch, dass die Kommission mit allen rechtlichen Mitteln versuchte, das Ökopunktesystem zu Fall zu bringen. Einerseits wurde zwar die Senkung der durchschnittlichen NOx-Emissionen zwischen 1993 und 1999 um 44,7% positiv hervorgehoben. (KOM(2000) 862 endg.) Andererseits lag dies aber nicht an der zahlenmäßigen Reduktion der Transitfahrten, die im selben Zeitraum um fast 50% zunahmen. Der Rückgang der Ökopunktezahlen wurde durch die Einführung von umweltfreundlicheren Lkw verursacht, die insgesamt weniger Punkte verbrauchten. Hier ist aber der grundsätzliche Fehlkonstruktion des Ökopunktesystems auszumachen. Als die Mechanismen der „108%-Klausel“ durch die Überschreitung des Schwellenwertes aktiv wurden, bekämpfte die Kommission mit allerlei rechtlichen Mitteln die Senkung der Ökopunkte. Dass sich Österreich mit der etwas ungeschickten Übermittlung von fehlerhaften Daten selbst ins politische Abseits stellte und an Glaubwürdigkeit verlor, war dabei sicherlich hilfreich.

415 EuGH, Rs. C-393/03 (Österreich/Kommission), Klageschrift; ABI. C 264 vom 1.11.2003, 25. 416 EuGH, Rs. C-393/03 R (Österreich/Kommission), Beschluss vom 14.11.2003, Slg 2003, I-13593ff. 417 EuGH, Rs. C-393/03 (Österreich/Kommission), Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichtshofes vom 16.03.2004, Streichung; ABI. C 106 vom 30.04.2004, 54. 311

Als weiterer Kritikpunkt am Ökopunktesystem ist anzuführen, dass das System bis 1999 über ausreichend Punkte verfügte. Bis dorthin waren mehr Punkte im Umlauf als verbraucht wurden. Nichtverbrauchte Punkte aus den mitgliedstaatlichen Kontingenten gingen zurück an die Gemeinschaft und erhöhten die Gemeinschaftsreserve. Dadurch fehlte den Verkehrsunternehmen ein Druckmittel, um von sich aus nach Transportalternativen zu suchen. Eine weitere Frage stellt sich auch, warum bis auf die NOx-Emission alle weiteren Schadstoffe, die ebenfalls gesundheitliche Belastungen bei den betroffenen Anrainern verursachen, ausgeblendet wurden. Eine Fokussierung auf sämtliche externen Effekte inklusive Lärm hätte sicher mehr gebracht Fraglich ist auch die Ausdehnung des Ökopunktesystems auf ganz Österreich, obwohl es nur den alpenquerenden Verkehr und spezielle für die Probleme am Brenner-Korridor von Relevanz war.

6.2 DIE BRENNERMAUTKLAGE

6.2.1 Die Ausgangslage

Im ersten Jahr der österreichischen EU-Mitgliedschaft kam es bereits mit der Kommission zu einer Konfrontation über die Mauthöhe der Brennerautobahn. Aus diesem Konflikt sollte sich schließlich ein rund zehnjähriger Streit zwischen Österreich und der Kommission entwickeln. Das Jahr 1995 war gekennzeichnet von einem exorbitanten Anstieg des Straßengütertransitverkehrs und der Stickoxide durch Tirol. (TT 9.06.1995) Durch den Beitritt wurde die bisherige kilometerabhängige österreichische „Straßenverkehrsabgabe“418 gemäß der RL 93/89/EG in eine pauschale und zeitunabhängige Straßenbenützungsgebühr umgewandelt. Die Gebühren von 20,35 Euro (280 ATS) im Jahr 1995 auf 5,81 Euro (80 ATS) pro Tageskarte im Jahr 1997 abgesenkt werden. Für Vielfahrer gab es eigene Rabattangebote mit Jahres-, Monats- und Wochenkarten. Im Gegenzug kam es zu einer geringfügigen Erhöhung der Mineralölsteuer auf Diesel um 0,02 Cent/l. Durch diese Maßnahmen, die aufgrund des Gemeinschaftsrechtes bedingt waren, bekam die Straße noch mehr Attraktivität. Dagegen verzeichnete der kombinierte Verkehr, insbesondere die RoLa, Einbrüche von rund 20%. Von der vereinbarten Kostenwahrheit war also keine Rede mehr. Dies führte zu weiteren Protesten der Bürgerinitiativen und auch die Tiroler Landespolitik forderte Maßnahmen. Ins Spiel gebracht wurden Mauterhöhungen, Lkw-Überholverbote und Geschwindigkeitslimits auf der Inntalautobahn sowie die generelle Einführung des road pricings für Lkw auf allen Autobahn- und Schnellstraßen. Gerade durch eine Mauterhöhung

418 Die Straßenverkehrsabgabe wurde in Österreich 1978 für in- und ausländische Lkw eingeführt. Nach dem EU-Beitritt musste die Jahrespauschale von 6.278,93 Euro (86.400 ATS) aufgrund der RL 93/89/EWG bis 1997 stufenweise auf 1.213,64 Euro (16.700 ATS) abgesenkt werden (Puwein 2000, 45; Liebherr 2000, 260) 312

erwartete man sich mehr Kostenwahrheit und die Attraktivierung des kombinierten Verkehrs. (ATLR 2004, 33; Schweitzer 1995, 21f; Pösel 2000, 39; Puwein 2000, 45; Hilpold 2014, 136; TT 28.08.1995; DP 19.05.1995; DS 15.03.1995) Bereits am 1. Jänner 1995 wurde das generelle Nachtfahrverbot für nicht lärmarme Lkw auf ganz Österreich ausgedehnt. Kritik kam aber vom Transitorium Austria-Tirol am so genannten „Lärmarm-Schwindel“. Schärfere Kontrollen sollten vor der missbräuchlichen Verwendung des „Lärmarm-Pickerls“ schützen. Offenbar gab es zahlreichen Missbrauch und die Forderung nach einem generellen Nachtfahrverbot für alle Lkw (Ausnahme verderbliche Güter) wurde immer lauter. (TT 23.08., 24.08.1995) Eine weitere Diskussion machte sich breit, als davon gesprochen wurde, dass die Ökopunkte wohl für 1995 nicht reichen werden. Gegen eine eventuelle Aufstockung sprach sich der Tiroler LH Wendelin Weingartner aus. Nachdem bekannt wurde, dass die Schadstoffwerte in den Jahren 1993 und 1994 entgegen der versprochenen Reduktion weiter gestiegen sind, wurde bereits von Fritz Gurgiser, Obmann des Transitforums Austria-Tirol, vom „Transitschwindel“ und „Transitmärchen“ gesprochen. Auch eine neuerliche Diskussion über den überhöhten Ausgangswert des Jahres 1991 brach vom Zaun. Kritik wurde vor allem von den Tiroler Grünen, Freiheitlichen und vom Transitforum Austria-Tirol Richtung Verkehrsminister Viktor Klima artikuliert. Einen neuerlichen Höhepunkt erreichte die innenpolitische Transitdebatte im Juni 1995, als Verkehrsminister Klima Fehler in der Transitpolitik zugab. Statt der versprochenen Entlastung sei es zu einer Belastung der Tiroler Bevölkerung gekommen. Durch eine Mauterhöhung sollte dies nun korrigiert werden. Bereits damals war die Erhöhung innerösterreichisch umstritten und der Fachverband des Güterbeförderungsgewerbes drohte mit einer Klage beim EuGH. (TT 9.06., 19.07.1995; DP 9.06.1995) Am 17. Mai 1995 forderte schließlich der Tiroler Landtag die Bundesregierung auf, die Maut am Brenner zu erhöhen. Gleichzeitig sollen aber die „heimischen Frächter“ vor dieser „enormen Belastung“ geschützt werden. Diesem protektionistischen Ansinnen entsprach schließlich die Bundesregierung. (NZZ 25.02.2000; Hilpold 2014, 136) Am 1. Juli 1995 wurde die Maut auf der A13 Brennerautobahn für Lkw mit mehr als drei Achsen auf der Gesamtstrecke (zwischen den Auffahrten Innsbruck-Ost bzw. Innsbruck- West und der Staatsgrenze am Brenner) erhöht. Der bisherige Mauttrauf für lärmarme Lkw von 54,50 Euro (750 ATS) aus dem Jahr 1993 wurde abgeschafft und somit mussten auch lärmarme Lkw den vollen Preis von 72,67 Euro (1.000 ATS) bezahlen. Ersatzlos abgeschafft wurden auch die Rabattangebote, wie die „Punktekarte“ für Vielfahrer, womit sich die Maut auf bis zu 43,60 Euro (600 ATS) bzw. 36,34 Euro (500 ATS) für lärmarme

313

Lkw verringern ließ. Allerdings blieben die so genannten Teilstrecken der A13 von der Mauterhöhung ausgeschlossen – dort blieb der bisherige Mauttarif von 21,80 Euro (300 ATS). Auch hier wurde die bisherige „Punktekarte“ abgeschafft, aber gleichzeitig durch eine „Wertkarte“ ersetzt. Durch diese „Wertkarte“ blieb aber der ermäßigte Preis weiterhin bei 14,53 Euro (200 ATS). Bei diesen Teilstrecken handelte es sich um die Strecken Innsbruck – Schönberg, Matrei/Steinach – Brenner, Innsbruck – Patsch/Igls, Innsbruck – Stubaital und Matrei/Steinach – Nößlach. (EuGH, Rs. 205/98, I-7367, Rn. 12-17; Obwexer 2000, 840; Hilpold 2014, 136; ATLR 2004, 32f) Die bevorstehende Mauerhöhung hatte Österreich bereits ordnungsgemäß in einem Schreiben der Kommission am 31. Mai 1995 mitgeteilt. Daraufhin wurde Österreich von der Kommission am 9. Juni aufgefordert nähere Auskünfte über die bevorstehende Mauterhöhung zu erteilen sowie eine Stellungnahme zur Vereinbarkeit mit der RL 93/89/EWG abzugeben. Die österreichische Antwort folgte am 29. Juni 1995. Die Kommission ließ aber auch nach der erfolgten Mauterhöhung nicht locker und forderte am 4. August 1995 von den österreichischen Behörden eine jährliche Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben der Brennerautobahn für die letzten zehn Jahre. Ferner forderte sie zudem Planwerte für die nächsten zwei bzw. drei Jahre. Mit diesen Daten wollte die Kommission, die aus ihrer Sicht, beträchtliche Anhebung der Brennermaut auf ihre Rechtskonformität prüfen. Die geforderten Daten erhielt die Kommission aber erst am 15. Jänner 1996 und zugleich die Kenntnisnahme, dass die österreichische Regierung am 9. Jänner beschlossen hatte, die Brennermaut neuerlich zu erhöhen. Auf ein neuerliches Schreiben der Kommission vom 25. Jänner teilten die österreichischen Behörden die Einzelheiten zur Mauterhöhung am 9. Februar mit. Eine weitere Erhöhung für Lkw über drei Achsen für die Gesamtstrecke erfolgte am 1. Februar 1996. Für lärmarme Lkw wurde der Tarif auf 83,57 Euro (1.1150 ATS) und für alle übrigen Kfz mit mehr als drei Achsen auf 109,01 Euro (1.500 ATS) erhöht. Der Nachttarif (zwischen 22 Uhr und 5.00 Uhr) wurde für alle Fahrzeuge auf 167,15 Euro (2.300 ATS) angesetzt. Die Tarife für die Teilstrecken blieben wiederum gleich. (ATLR 2004, 33; Pösel 2000, 39; Hilpold 2014, 136; DP 11.01.1996; EuGH, Rs. 205/98, I-7367, Rn. 18-21, 24-29) Die weitere Mauterhöhung führte nun zu Prosteten von in- und ausländischen Frächtern, insbesondere aus Deutschland, Italien und Südtirol. Kritik kam auch von zahlreichen Regierungen aus den anderen Mitgliedstaaten und vom Europäischen Parlament an der aus ihrer Sicht „einseitigen, EU-widrigen und unökologischen“ Mauterhöhung. (DP 1.02.1996) Im Mahnschreiben, datiert mit 9. April 1996, teilte die Kommission der österreichischen Regierung mit, dass die beiden Erhöhungen der Brennermaut gegen die RL 93/89/EWG

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verstoßen. Einerseits liegt damit ein Verstoß gegen den Art. 7 lit. b vor. Durch diese Mauerhöhung kommt es zu einer Ungleichbehandlung auf dieser wichtigen Transitstrecke, da überwiegend Kraftfahrzeuge aus anderen Mitgliedstaaten die Gesamtstrecke benutzen. Dagegen werden die von der Mauterhöhung nicht betroffenen Teilstrecken überwiegend von in Österreich zugelassenen Kraftfahrzeugen benutzt. Andererseits würden die erhöhten Mauteinnahmen nicht zur Kostendeckung für den Bau, den Betreib und den weiteren Ausbau der Brennerautobahn erhoben, womit ein Verstoß gegen Art. 7 lit. h vorlag. Das Argument der Deckung der Infrastrukturkosten sah die Kommission nicht erfüllt, da 1995 bei der Brennerautobahn Einnahmen von rund 90 Mio. Euro Ausgaben von lediglich 34 Mio. Euro gegenüberstanden. (DP 21.02.1996) Am 5. Juni 1996 wies Österreich die Anschuldigungen des Mahnschreibens zurück. Durch die erhöhten Kosten auf dem gesamten österreichischen Autobahnnetz, die von der hoch verschuldeten ASFINAG zu tragen sind, sei die Mauterhöhung auf der Brennerautobahn absolut begründbar. Außerdem würde eine Mauterhöhung auf den Teilstrecken eine ungewünschte Verlagerung des Lkw- Verkehrs unter 7,5 t auf das untergeordnete Straßennetz bewirken. (DP 7.06.1996; EuGH, Rs. 205/98, I-7367, Rn. 30-32) Diese Argumentation war allerdings nicht überzeugend genug. Am 13. Jänner 1997 forderte die Kommission erneut die österreichische Regierung auf binnen zwei Monaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Verpflichtungen aus der RL 93/89/EWG zu erfüllen. Nun drohte die Kommission unverhohlen mit einer Vertragsverletzungsklage. (EuGH, Rs. C-205/98, I-7367, Rn. 34-36; Liebherr 2000, 261) Die Kommission zeigte sich ihrerseits aber ab Dezember 1997 kompromissbereit. Im zweiten Halbjahr 1998 hatte Österreich erstmals die EU- Präsidentschaft inne und Verkehrsminister Caspar Einem (1997-2000, SPÖ) griff das Angebot zur Klageabwendung gerne auf. Zur selben Zeit fanden gerade die Schlussverhandlungen über das Landverkehrsabkommen zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz statt. Der so genannte „Kompromiss von Kloten“ wurde von österreichischer Seite abgelehnt, da eine Transitfahrt durch die Schweiz 200 Euro kosten sollte. Daher hätte die Maut am Brenner sogar noch erhöht werden müssen. Von österreichischer Seite wurde offen mit einer Blockade des Abkommens gedroht, falls zum Brenner kein tragbarer Kompromiss gefunden wird. Allen voran störte man sich an der „Besserstellung und an den Privilegien eines Nicht-EU-Landes“ in der Alpenverkehrspolitik. Primäres nationales Ziel von Verkehrsminister Einem war die Rückverlagerung des „Umwegtransits“ von Tirol in die Schweiz durch die Abschaffung des 28-t-Limits. (DP 27.01., 26.02.1998; NZZ 28.01.1998; Liebherr 2000, 257f, 261f) Schließlich gelang nach längeren Verhandlungen

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am 19. März 1998 mit EU-Verkehrskommissar Neil Kinnock in Brüssel der Durchbruch. Als Kompromiss wurde das so genannte „Mautstretching“ präsentiert. Durch die Ausdehnung der Mautstrecke vom Brenner bis Kufstein (110 anstatt 35 km) könnte die bisherige durchschnittliche Brennermaut in der Höhe von 85,46 Euro (1.176 ATS) beibehalten werden. Beim Verkehrsministerrat am 30. November und 1. Dezember 1998 in Brüssel wurde nochmals eine österreichische Erklärung abgegeben, dass sich die Maut auf der Strecke Brenner bis Kufstein EU-konform auf 84 Euro (inkl. Ust.) belaufen soll. Im Zuge des Abschlusses der Gemeinschaft mit der Schweiz über das Landverkehrsabkommen und der Einigung über die RL 1999/62/EG wäre eine gütliche Einigung im Mautstreit möglich gewesen. (Hussl 2005, 35; Luif 2007, 195; Hummer 2000, 94; Liebherr 2000, 257f, 261; DP 19.03.1998; DS 02.12.1998; TT 19.03.1998; ATLR 2003, 32) „Damit würde das Argument der EU-Seite, die Maut am Brenner sei zu hoch, außer Kraft gesetzt werden, da der Betrag nun auf eine längere Strecke (mit höheren Infrastrukturkosten) aufgeteilt worden wäre.“ (Luif 2007, 195) Die Tiroler Landesregierung unter LH Wendelin Weingartner lehnte unter dem Druck verschiedener Tiroler Frächter und Industrieller eine Ausweitung der Maut ins Unterinntal kategorisch ab. Sogar die naturschutzrechtliche Genehmigung für die Mauthäuschen wurde verweigert. Allen voran würde diese „Sondermaut“ im Unterinntal nach Meinung der Tiroler Volkspartei katastrophale Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Tirol haben. Daher sei sie undenkbar und sogar verfassungswidrig (Gleichheitsprinzip in Art. 7 B-VG). In dieselbe Kerbe schlug auch die Tiroler SPÖ nach der Landtagswahl 1999. Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner (SPÖ) sah die technische Verwirklichung der Unterinntalmaut nicht vor dem 1. Juli 2000 gegeben, womit die Einigung torpediert wurde. Die EU pochte allerdings auf eine Umsetzung bis 1. Juli 1999, oder auf eine Senkung der Maut auf 50,87 Euro. Damit hätte die EU die Klage zurückgenommen und eventuelle Regressforderungen von Frächtern könnten vermieden werden. Aus Tiroler Sicht sollten vorrangig die ausländischen Transit-Lkw mit der erhöhten Maut belastet werden und zugleich die heimischen, vornehmlich Tiroler Frächter geschützt werden. LH Weingartner forderte in der Sache ein Hartbleiben von Österreich und die „Durchfechtung“ und die Verteidigung der „Tiroler Position“ vor dem EuGH. Nach den negativen Signalen aus Österreich, allen voran nach der Ankündigung den Mautkompromisses erst 2001 umsetzten zu wollen, leitete die Kommission schließlich am 29. Mai 1998 gemäß Art. 258 AEUV (ex-Art. 226 EGV) ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 1996/2059) gegen Österreich ein. In ihrer Klage sah die Kommission den eindeutigen Verstoß gegen die Art. 7 lit. b und h der RL 93/89/EWG. Auch die Senkung der

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Brennermaut auf 77,76 Euro (1.070 ATS) mit 1. Juli 1999 konnte die Klage nicht mehr abwenden. (Luif 2007, 196; Sprenger 2004, 232f; Liebherr 2000, 263f; ATLR 2004, 33; Hummer 2000, 92f; Hilpold 2014, 136; DP 31.07.1997; 23.03.1999; TT 31.07.1997, 23.01.1999; DS 29.06.1998, 20.01., 3.05.1999; Leichtfried Interview 2008; Befragung gegenverkehr Lienz 2006; Befragung Greil/Ruziczka 2006)

6.2.2 Das Urteil des EuGH

Das Urteil des EuGH folgte am 26. September 2000419. Es folgte in allen Punkten dem Schlussantrag des Generalanwaltes Antonio Saggio vom 24. Februar 2000.420 Zunächst stellte der Gerichtshof fest, dass beide strittigen Mauterhöhungen gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit in Art. 7 lit. b der RL 93/89/EWG verstoßen. Die Mauterhöhungen betreffen nur Kraftfahrzeuge mit mehr als drei Achsen, die die Gesamtstrecke benutzten. Davon sind aber rund 84% in anderen Mitgliedsaaten zugelassen. Im Gegensatz dazu benutzten die Teilstrecken fast zu 100% in Österreich zugelassene Kraftfahrzeuge mit mehr als drei Achsen. Für letztere blieb der Mauttarif aber gleich. Der Durchschnittspreis für die Teilstrecken liegt bei 1,11 Euro (15,34 ATS) während der günstigste Tagestarif für lärmarme Kfz für die Gesamtstrecke bei 2,42 Euro (33,33 ATS) pro km liegt. Als Schlussfolgerung betrafen diese beiden Mauterhöhungen überwiegend Kraftfahrzeuge, die in anderen Mitgliedstaaten zugelassen sind und im Allgemeinen von Wirtschaftstreibenden aus diesen Mitgliedstatten eingesetzt werden (EuGH, Rs. C-205/98, I-7367, Rn. 63, 67, 80, 101; Obwexer 2000, 841; Hummer 2001, 146; Hilpold 2014, 136) Aufgrund dieser Feststellungen beinhalten die beiden Mauterhöhungen eine dem Art. 7 lit. c der RL 93/98/EWG verstoßende mittelbare unterschiedliche Behandlung aufgrund des Ausgangs- und Zielpunktes des Verkehrs. Dies resultiert daraus, dass mit Kraftfahrzeugen für den Gütertransport mit mehr als drei Achsen bei der Benützung der Gesamt- oder einer der drei Teilstrecken unterschiedliche Gebühren anfallen. Dieser Umstand wirkt sich vor allem negativ zu Lasten des Transitverkehrs aus, während österreichische Verkehrsunternehmen begünstigt werden. Dabei wurde die österreichische Meinung vom Gerichtshof abgelehnt, dass bei einem Vergleich der Durchschnittspreise je Streckenkilometer mit der Gesamtstrecke die Summe aller Teilstrecken gegenüberzustellen sei. Negativ angemerkt wurde auch die Entstehungsgeschichte dieser beiden Mauterhöhungen. In einem Entschließungsantrag vom 17. Mai 1995 forderte der Tiroler Landtag die „heimischen Frächter“ vor der „drastischen

419 EuGH, Rs. C-205/98 (Kommission/Österreich), Urteil vom 26.09.2000, Slg. 2000, I-7367. 420 EuGH, Rs. C-205/98 (Kommission/Österreich), Schlussanträge, Slg. 2000, I-7367. 317

Belastungen“ zu schützten, die sich aus den gegenständlichen Mauterhöhungen ergeben. Eine klare Maßnahme mit protektionistischer Stoßrichtung. (EuGH, Rs. 205/98, I-7367, Rn. 74, 81, 115; Obwexer 2000, 841; NZZ 25.02.2000) Abgelehnt wurden vom EuGH auch die österreichischen Rechtfertigungen für diese Mauterhöhungen. Einerseits wurde als Argument angeführt, dass die erhöhten Mauttarife aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt seien. Vor allem würde eine Erhöhung der Maut auf den Teilstrecken zu einer Verlagerung des regionalen Lkw-Verkehrs auf das untergeordnete Straßennetz führen. Dies wäre für die örtliche Bevölkerung unannehmbar. Andererseits wurden die Mauerhöhungen zur Lenkung des Verkehrs beitragen. Dadurch soll das Phänomen „Umwegtransit“, das durch die schweizerische Verkehrspolitik verursacht wird, bekämpft werden. Ein zusätzlicher preislicher Ansporn führe zur Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. Solche Gründe des Umweltschutzes oder der nationalen Verkehrspolitik konnten mit den Wegekostenrichtlinien 93/89/EWG und 1999/62/EG nicht begründet werden (vgl. Punkt 3.5.2). (EuGH, Rs. 205/98, I-7367, Rn. 89, 96,98) Beim zweiten Klagegrund stellte der EuGH fest, dass die Mauterhöhungen nicht mit dem im Art. 7 lit. h der RL 93/89/EG postulierten Grundsatz gerechtfertigt sind. Bereits zum Zeitpunkt der strittigen Mauterhöhungen überstiegen die lukrierten Mauteinnahmen der Brennerautobahn (nach den österreichischen Angaben) bereits die Kosten für den Bau, Betrieb und weiteren Ausbau derselben um mehr als 150%. Auch wurde die zweite strittige Mauerhöhung von österreichischer Seite vor allem mit verkehrs- und umweltpolitischen Gründen gerechtfertigt. (EuGH, Rs. 205/98, I-7367, Rn. 135f; Obwexer 2000, 341) Durch dieses Urteil wurde der österreichischen Politik bewusst, dass die Mauthoheit seit 1995 bei der EU lag und auch in der Verkehrspolitik das Gemeinschaftsrecht galt. Mit der diskriminierenden – die Einheimischen bevorzugenden – und überteuerten Brennermaut bekam Österreich eine schallende Ohrfeige und die erste von vielen weiteren EuGH- Niederlagen in Sachen Transitverkehrspolitik.

6.2.3 Die Rückerstattung der gemeinschaftswidrigen Brenner-Maut

Nach der Verurteilung durch den EuGH behob Österreich das preisliche Ungleichgewicht zwischen der Gesamt- und den Teilstrecken am 1. Februar 2001. Der hohe Gesamttarif blieb allerdings auch nach einer marginalen Senkung am 1. März 2001 trotzdem aufrecht. Aufgrund des Urteils klagten rund 300 österreichische Frächter die Republik Österreich auf Rückerstattung der gemeinschaftsrechtswidrigen erhöhten Maut, obwohl im EuGH-Urteil keine allfällige Rückerstattungspflicht erwähnt wird. Nach der Urteilsverkündung hatte Verkehrsminister Michael Schmid noch keine Regressforderungen von Seiten der Frächter 318

erwartet, da dies aus dem österreichischen Zivilrecht kaum ableitbar sei. Erwartet wurden aber lange Musterverfahren, da es keine Präzedenzfälle zu dieser Causa gab. (ATLR 2004, 33; Hilpold 2014, 136; DS 27.09.2000; 10.01.2006; NZZ 27.09.2000) Mit einem Fall musste sich sogar wieder der EuGH befassen. Die Firma „Rieser Internationale Transporte GmbH“, die im Transit regelmäßig die A13 Brennerautobahn benutzte, war der Auffassung, dass sie zwischen dem 1. Jänner 1997 und 31. Juli 2000 überhöhte Mauttarife bezahlt habe. Daher forderte sie im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens die Rückerstattung der zu viel bezahlten Maut von der ASFINAG. Die Firma „Rieser“ berief sich dabei auf das Urteil in der Rs. C-205/98. Nach Ansicht der ASFINAG konnten sich österreichische Frächter aber nicht auf das Verbot jeglicher Ungleichbehandlung in Art. 7 lit. b der RL 93/89/EWG berufen. Das Erstgericht wies die Klage der Firma „Rieser“ ab. Begründet wurde dies damit, dass der Art. 7 lit. h der RL 93/89/EWG unmittelbar anwendbar ist und auf den Art. 7 lit. b könne sich die klagende Partei nicht berufen. Daraufhin ging die Firma „Rieser“ in Berufung und der Fall landete schließlich beim OGH. Im Verfahren hatte allerdings der OGH verschiedene Zweifel und wandte sich am 22. März 2002421 im gegenständlichen Fall um eine Vorabentscheidung an den EuGH. Insbesondere wollte der OGH in vier Punkten Klarstellung: Ist die ASFINAG bei Abschließung von Verträgen mit Straßenbenutzern zur Einhaltung der unmittelbar anwendbaren („self-executing“) Bestimmungen der RL 93/89/EWG und 1999/62/EG verpflichtet? Sind daher die verletzten Bestimmungen der beiden Wegekosten-RL unmittelbar anwendbar? Weiters stellt sich die Frage nach der Mautberechnung, und ob sich die österreichischen Frächter darauf berufen können, bei einem überhöhten Tarif diskriminiert zu werden. Schließlich forderte der OGH noch Klarstellungen zu den Rechtswirkungen der beiden Wegekosen-RL. (EuGH, Rs. C-157/02, I-1477, Rn. 12-19; Schoißwohl 2004, 222; Novacek 2004, 299f; Sallinger 2004, 390) Am 9. September 2003 folgte der Schlussantrag von Generalanwalt Siegbert Alber.422 Die Entscheidung des EuGH folgte am 5. Februar 2004.423 Darin bejahte der Gerichtshof die unmittelbare Anwendbarkeit der RL-Bestimmungen auf juristische Personen des Privatrechts. Die ASFINAG als staatlich beauftragte Gesellschaft zur Einhebung der Mautgebühren fällt durch den Abschuss von Verträgen mit Straßenbenutzern darunter. Daher kam sich jeder Einzelner unmittelbar auf das Diskriminierungsverbot in Art. 7 lit b

421 EuGH, Rs. C-157/02 (Rieser Internationale Transporte GmbH/ASFINAG, Ersuchen; ABI. C. 169 vom 13.07.2002, 17. 422 EuGH, Rs. C-157/02 (Rieser Internationale Transporte GmbH/ASFINAG), Schlussanträge, Slg. 2004, I- 1477. 423 EuGH, Rs. C-157/02 (Rieser Internationale Transporte GmbH/ASFINAG), Urteil vom 5.02.2004, Slg 2004, I-1477; ABI. C. 71 vom 20.03.2004, 4. 319

der RL 93/89/EWG bzw. auf Art. 7 Abs. 4 der RL 1999/62/EG berufen. Dieses Verbot gilt auch für die österreichischen Frächter. Daher können auch sie geltend machen, dass sie durch den überhöhten Tarif auf der Gesamtstrecke der A13 Brennerautobahn gegenüber all jenen Straßenbenützern diskriminiert wurden, die lediglich die Teilstrecken derselben benützt haben. Eine Klarstellung wurde auch dahin gehend getroffen, dass die Wirkungen der durch den EuGH aufgehobenen RL 93/89/EWG424 bis zum 20. Juli 1999 galten (vgl. Punkt 3.5.2). An diesem Tag trat die neue Wegekosten-RL 1999/62/EG in Kraft. Bei der Berechnung der Mautgebühr lassen die beiden Wegekosten-RL den Mitgliedstaaten bei der exakten Berechnungsmethode aber einen weiten Spielraum zu. Daher lehnte der Gerichtshof eine unmittelbare Anwendbarkeit dieser Bestimmungen der Richtlinie ab. Durch diese Entscheidung konnten nun auch die inländischen Frächter die überhöhte Maut zurückfordern. (EuGH, Rs. C-157/02; I-1477, Rn. 29, 44, 54, 61; Schoißwohl 2004, 423; Novacek 2004, 300-302; DS 10.09.2003) Neben dem EuGH hatte nun auch der OGH festgestellt, dass die Mauterhöhungen gegen das Gemeinschafsrecht verstoßen haben. Nach rund fünf Jahren endete am 9. Mai 2005 vor dem Handelsgericht in Wien ein Musterprozess gegen die Republik Österreich mit einem unanfechtbaren Vergleich zwischen der ASFINAG und den Frächtern. Unter der Berücksichtigung aller Verfahrensergebnisse wurden 38,5% der für die Benützung der Gesamtstrecke der A13 Brennerautobahn bezahlten Nettomautgebühren zwischen Juli 1995 und Anfang 2001 rückerstattet. Die betroffenen Verkehrsunternehmen konnten nun bis 31. Dezember 2005 einen Antrag auf Rückerstattung stellen. Vorgelegt werden mussten die Anspruchsdaten und sämtliche Beweisunterlagen. Von Seiten der Republik Österreich und der ASFINAG wurde nach Vorlage der Unterlagen eine rasche Erledigung der Anträge binnen zehn Wochen versprochen. Insgesamt wurden 300 Mio. Euro rückerstattet, wobei 50 Mio. Euro vom Bund (für 1995/96) und 200 Mio. Euro von der ASFINAG (1997 bis 2001) bereitgestellt werden mussten. Ursprünglich rechneten die Vertreter der Frächter gar mit ASFINAG-Rückerstattungen in der Höhe von 250 Mio. Euro, da sie von einer Quote von 70% ausgingen. (Luif 2007, 196; Hussl 2005, 36; DP 10.02.2005; DS 16.09.2005; 10.01.2006; TT 13.05.2005, 5.01.2006)

6.2.4 Die Einigung im Mautstreit

Wie bereits erwähnt wurde die Brennermaut auf der Gesamt- und auf den Teilstrecken am 1. Februar 2001 infolge des EuGH-Urteils angepasst. Dadurch sah die Kommission den

424 EuGH, Rs. C-21/94 (Parlament/Rat), Slg. 1995, I-1827. 320

Vorwurf der mittelbaren Diskriminierung als ausgeräumt an. Am 1. März erfolgte auf der Gesamtstrecke im Ausgleich zur Erhöhung der Straßenbenützungsabgabe eine geringfügige Absenkung von 77,76 Euro (1.070 ATS) auf 75,60 Euro (1.040 ATS). Allerdings verstieß Österreich mit der Mauthöhe nach Ansicht der Kommission immer noch gegen den Art. 7 Abs. 9 der RL 1999/62/EG (ex-Art. 7 lit. h RL 93/89/EWG). Bereits am 21. Dezember 2001 erfolgte ein neuerliches Mahnschreiben der Kommission. (ATLR 2004, 33; DS 16.02.2001) Im Jahr 2002 war es dann in der Causa eher ruhiger, da alles auf die Verlängerung der Ökopunkte gerichtet war und die Kommission nicht zusätzliches Feuer in den Transit-Streit gießen wollte. Zu Ende des Jahres wurde aber mit einer neuerlichen Klage und mit Bußgeldern für die Nichtumsetzung des Urteils von 2000 gedroht. (DP 19.12.2002a) Im Jahr 2002 wurden schließlich das Bundestraßen-Mautgesetz (BStMG 2002) und die Mauttarifverordnung für die neue fahrleistungsabhängige Maut für Kfz über 3,5 t (road pricing) verabschiedet (vgl. Punkt 4.1.3). Mit 1. Jänner 2004 erfolgte die Einführung der Lkw-Maut im gesamten österreichischen hochrangigen Straßennetz. Im Gegenzug entfiel die Vignettenpflicht für Lkw zwischen 3,5 und 12 t und die Straßenbenützungsabgabe für Lkw über 12 t. Auch die Kfz-Steuererhöhung aus dem Jahr 2001 wurde um 60 Mio. Euro reduziert. Allerdings blieb die bisherige Maut auf den Sondermaustrecken bestehen. Für die Brennerstrecke wurde aber eine Tarifanpassung in Aussicht gestellt. Im Zuge der Einführung dieser Lkw-Maut wurden wiederum Forderungen von der Wirtschaftskammer und der Politik (u. a. LH Jörg Haider) nach Kompensationen für die „leittragende österreichische Wirtschaft“ laut. (ATLR 2004, 33; DS 10.11.2003; Klingenbrunner 2009, 250; Engleder 2003, 91f) Bereits im November 2003 machte die Verkehrskommissarin erneut Druck in Sachen österreichischer Lkw-Maut und forderte in einem Schreiben Auskunft über die Mauthöhe. Die Kommission zweifelte an der Richtigkeit der im Vergleich zu Deutschland (11 Cent/km) hohen österreichischen Lkw-Maut von durchschnittlich 22 Cent/km. Auch unter Einbeziehung der höheren Erhaltungskosten der Straßen aufgrund der Topographie schien sie überteuert. Insgesamt wurde Zweifel an der Konformität der Lkw-Maut mit der RL 1999/62/EG laut. Dazu stand die Doppelbemautung auf den zahlreichen Transitrouten auf dem Prüfstand Brüssels. (ATLR 2004, 33; SN 6.11.2003; DP 19.11.2003) Mit der Einführung des Lkw-road pricings wurde die bisherige Sondermaut auf der A13 Brennerautobann mit 1. Jänner 2004 soweit abgesenkt, dass sich die Gesamtstrecke zwischen Kufstein und dem Brenner nicht verteuerte. Damit wurde die bereits seit 1998 vorgeschlagene Variante des Strechtings der Brennermaut auf das Unterinntal verwirklicht. Bei allen anderen österreichischen Sondermautstrecken wurde das

321

road pricing aber auf den Zulaufstrecken ganz normal eingehoben, womit sich die Lkw- Maut auf diesen Transitrouten verteuerte. Auf dem Tauernkorridor verteuerte sich dadurch die Lkw-Nettomaut um 45 Euro, was wiederum zu einer Verlagerung von Lkw auf die Brennerroute führte. (ATLR 2005, 10). Trotzdem sah die Kommission in ihrem Mahnschreiben vom 7. Juli 2004 (Ergänzung zum Vertragsverletzungsverfahren Nr. 1996/2059) die Mauthöhe am Brenner immer noch als zu hoch an. Eigentlich hätte Österreich nach dem Urteil in der Rs. C-205/98 die Maut nach Ansicht der Kommission um weitere 40% senken müssen. Von österreichischer Seite wurde der Mauttarif zwar schon um 35% gesenkt, aber die 75,6 bzw. 59,8 Euro waren der Kommission immer noch viel zu hoch. Zudem hatte die Kommission nach eigenen Angaben genug von der österreichischen Hinhaltetaktik. Die Einnahmen für die Brennerautobahn überstiegen nach Kommissionansicht die Ausgaben immer noch um 65%. So gab es im Jahr 2003 einen Überschuss von 35 Mio. Euro an Sondermauteinnahmen am Brenner. (ATLR 2005, 26; Engleder 2003, 94; TT 28.12.2001; DS 7.03.2005) In einem weiteren Mahnschreiben vom 7. Juli 2004 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2004/2012) wegen der österreichischen Sondermautstrecken angekündigt. Die Mauttarife auf der A9 Pyhrnautobahn (Bosruck- und Gleinalmtunnel), A10 Tauernautobahn (Tauerntunnel) und A13 Brennerautobahn verstoßen gegen die RL 199/62/EG. Die Einnahmen der S16 Arlbergschnellstraße (Arlbergtunnel) und der A11 Karawankenautobahn (Karanwankentunnel) sind konform, da sie die Ausgaben für Betriebs- und Erhaltungskosten nicht übersteigen. Beanstandend wurden auch die unterschiedlichen Höhen zwischen den Sondermaustrecken und dem normalen Tarif. (ATLR 2005, 26; DP 8.09.2004; vgl. Engleder 2003, 94f) Am 19. Juli 2004 leitete die Kommission zum zweiten Mal nach 1998 eine Vertragsverletzungs- und eine Bußgeldklage gem. Art. 258 und 260 AEUV gegen Österreich ein. Damit drohte eine weitere Klage vor dem EU-Höchstgericht. In diesem Fall müsste Österreich auch mit einer Beugestrafe von rund 100.000 Euro pro Tag rechnen. (DS 28.07.2004) Grund war die aus ihrer Sicht immer noch zu hohen Mauten auf den österreichischen Sonderstrecken, insbesondere am Brenner. Während der Verhandlungen zur neuen Wegekosten-RL hoffte Österreich auf das Einlenken von EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot. Als eine Lösungsmöglichkeit bot Verkehrsminister Gorbach an, dass die Brennermaut „ökologisiert“ werden soll, d. h. die Maut soll nach den Schadstoffklassen differenziert werden. Auch eine Koppelung mit der Arlbergtunnel-Sondermaut zu einem einheitlichen Tarifsystem stand im Raum. Von Tiroler

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Seite wurde dies aber abgelehnt. (ATLR 2005, 26; DP 11.12.2004; DS 1.10, 11.12.2004; 13.05.2005) Durch die Einigung auf die neue Wegekosten-RL im Jahr 2005 wurde die Klage gegen Österreich auf Eis gelegt. Bei einer Verurteilung hätten Österreich Einbußen von rund 46 Mio. Euro pro Jahr an Mauteinnahmen gedroht. Die Bestimmungen der RL 2006/38/EG erlaubten die Erhebung eines 25%-Zuschlages zur Querfinanzierung anderer Verkehrsträger in Berggebieten (für den BBT). Inklusive dieses Zuschlages ist die Brennermaut gleich hoch, wie sie im Moment von österreichischer Seite eingehoben wird. Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach gab sich euphorisch und meinte, dass damit das über 15 Jahre alte Transitproblem nun endgültig vom Tisch sei. (DS 22.04., 15.12.2005b) Seit 1. Jänner 2006 ist die ASFINAG durch die Änderung des ASFINAG-Gesetzes425 dazu verpflichtet, eine 20%-Rückstellung der Nettomauteinnahmen der A 13 Brennerautobahn für die Finanzierung des österreichischen teils des BBT zu bilden. (ATLR 2005, 24; Resch 2007, 990; ORF ON 25.01.2006; Hilpold 2014, 137; Befragung Lamprecht 2006)

6.3 DIE NACHFOLGERGELUNG ZUM TRANSITPROTOKOLL

6.3.1 Der „Transitstreit“ und die Nachfolgeregelung

Da das Auslaufen der Transitsonderregelung immer näher rückte, bemühte sich Österreich bereits 2001 um eine Verlängerung des bisherigen Transitprotokolls (Ökopunktesystem und „108%-Klausel“) über das Jahr 2003 hinaus. Von Seiten der Kommission wurde das Ansinnen 2001 aber eher mit Ablehnung betrachtet und Verkehrskommissarin Loyola de Palacio meinte, dass auch im Transit durch Österreich „die Regeln des freien Warenverkehrs gelten“ müssen. Der belgische Ratsvorsitz sprach sich vor allem gegen eine mengenmäßige Beschränkung aus. (DS 27.06., 11.07.2001; DP 19.06.2001) Auf österreichische Initiative hin forderte der Europäische Rat bei seiner Tagung in Laeken am 14./15. Dezember 2001 die Kommission auf, sobald wie möglich einen Rahmenvorschlag zur Tarifierung der Infrastrukturnutzung sowie zur Sicherheit von Tunneln vorzulegen (im Hinblick auf das Mont-Blanc Tunnel Unglück). In der Zwischenzeit soll aber eine interimistische Regelung für die Verlängerung des Transitprotokolls unterbreitet werden. Die Verlängerung des Ökopunktesystems war für den Zeitraum von 2004 bis 2006 vorgesehen. Bereits am 20. Dezember unterbreitete die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung eines Ökopunktesystems für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich für das Jahr 2004 (KOM(2001) 897 endg.). (Frerich/Müller 2004b, 644;

425 BGBl. I Nr. 26/2006. 323

Obwexer 2005b, 25; Obwexer 2006, 323f; Hummer 2005, 77; Luif 2007, 197; Satzinger 2012, 26DS 17.12., 21.12.2001; SN 17.12., 21.12.2001; TT 6.-8.12.2003)

Insbesondere sah der Kommissionsvorschlag eine Begrenzung der NOx-Gesamtemission von Lastkraftwagen im Transit durch Österreich (über 7,5 t) für den Zeitraum zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2004 vor (Art. 3 Abs. 2 lit. a iVm Anhang 1). Dafür soll das bisherige Ökopunktesystem vorläufig weiter verwendet werden (pro Fahrt Ökopunkteverbrauch gemäß COP-Wert, Art. 3 Abs. 2 lit. b iVm Anhang 2) und das verfügbare Kontingent für 2004 auf 9.422.488 Ökopunkte festgelegt werden. Diese Zahl entsprach 40% des neu berechneten Referenzwertes von 1991 für die EU-15. Gemäß Art. 3 Abs. 3 sollten diese Bestimmungen maximal zwei Jahre gelten, falls der angekündigte Rahmenvorschlag für die Tarifierung der Infrastrukturbenützung nicht im selben Zeitraum verabschiedet wird. Ersatzlos gestrichen wurde allerdings die „108%-Klausel“. (KOM(2001) 897 endg., 1-7) Im Vorfeld des Kommissionsvorschlages hatte das Europäische Parlament bereits gegen eine mengenmäßige Beschränkung votiert. Am 5. September 2001 stimmten 303 Abgeordnete für die Kommissionsinitiative zur sofortigen Aufhebung der bisherigen Obergrenze beim Lkw-Transit durch Österreich. Gegen den Vorschlag votierten insgesamt 253 Abgeordnete, womit das österreichische Lobbying dagegen eine empfindliche Niederlage erlitt. (DS 6.09.2001; DP 6.09.2001; Luif 2007, 197; NZZ 7.09.2001) Allerdings zog sich die Verabschiedung des „Ökopunkte“-Kommissionsvorschlags im Mitentscheidungsverfahren äußerst lange hin. Bereits am 29. Mai 2002 hatte der WSA dazu Stellung genommen und für die Vorläufigkeit der Lösung plädiert.426 Im Rat dagegen ging im Jahr 2002 überhaupt nichts weiter. Vor allem Österreich legte sich im Verkehrsministerrat quer und das ganze Jahr über prägten der so genannte „Transitstreit“ mit der EU die österreichische Innenpolitik und die Medienberichterstattung. Dabei waren auch der häufige Wechsel bzw. das eher glücklose Verhandlungsgeschick der FPÖ- Verkehrsminister Monika Forstinger (2000-2002), Mathias Reichhold (2002-2003) und Hubert Gorbach (2003-2007) ein Dauerthema. Nicht sehr förderlich waren auch die unterschiedlichen Positionen der Landeshauptleute und die gänzliche Ablehnung jeglicher Beschränkungen durch die österreichische Transportwirtschaft. (Befragung Hradecsni 2006; Befragung Zwerschitz 2006; Befragung Wiesflecker 2006; Befragung Lamprecht 2006) „Dazu nützten auch die Beschlüsse des Tiroler Landtages vom 20. März 2002 und 4.

426 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Ökopunktesystems für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich für das Jahr 2004“, ABl. C 221 vom 17.09.2009, 84-87. 324

Oktober 2002 nichts, die einstimmig die Fortführung des Ökopunktesystems forderten.“ (Hilpold 2014, 128) Die Verlängerung des Transitabkommens wurde zum elementaren österreichische Interesse hochgeschaukelt, scheiterte schließlich aber auf der europäischen Bühne am mangelnden Lobbying und an der notwendigen Suche nach Verbündeten, da teilweise sogar politische Gegengeschäfte misslangen. Zum Bumerang erwiesen sich dann auch die durchaus akzeptablen Angebote seitens der EU. Die Verkehrsminister lehnten aber alle angebotenen Vorschläge ab, da die österreichische Bundesregierung mehr erreichen wollte. Von Anfang an war klar, dass sowohl im Rat als auch im Europäischen Parlament die Verlängerung des Transitprotokolls in der bisherigen Form keine Mehrheit finden würde. Auch die Vetodrohungen gegen die EU-Osterweiterung (Stichwort „Atomkraftwerk Temelin“) bzw. gegen den EU-Verfassungsvertrag wurden von den anderen EU-Partnern als Bluff durchschaut und Österreich „nervte“ zusehends mit seinen Wünschen nach Sonderregelungen. (DP 28.11.2003; TT 6.-8.12.2003c; Befragung Gurgiser 2006; Befragung Hradecsni 2006; Befragung Stubenböck 2006; Kaschnitz Interview 2008) Hauptgrund war die Nachsicht mit dem hausgemachten Lkw-Verkehr in Österreich, gegen den man weniger rigoros vorging. Daneben führten auch die Klagen und Prozesse rund um das Ökopunktesystem zu einem Vertrauensverlust. Hingewiesen wurde auch auf die nicht eingehaltenen österreichischen Versprechen des Bahnausbaus. (DP 19.12., 21.12.2002; SN 11.11.2003) Inhaltlich wurde von den anderen EU-Mitgliedern die „108%-Klausel“ überhaupt abgelehnt und Österreich wurde nach zähen Verhandlungen die Verlängerung des Ökopunktesystems bis 2006 in Aussicht gestellt. Allen voran forderte Italien weitgehende Zugeständnisse bzw. freie Fahrt für seine Verkehrsunternehmen. Auch Deutschland wollte den „Hörbranz-Transit“ und den Ost-West-Transit gänzlich vom Ökopunktesystem ausnehmen. (DS 4.10., 19.11.2002) Dazu erwies sich die Zahl von 9.422.488 Ökopunkten des Kommissionsvorschlags im Rat als nicht konsensfähig. (Frerich/Müller 2004b, 644) Anfang Dezember 2002 blockierte Österreich neuerlich einen Kompromissvorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft im Verkehrsministerrat. Dadurch kam das Transitthema auf die Agenda des Europäischen Rates von Kopenhagen am 12./13. Dezember 2002, wo die EU-Osterweiterung beschlossen wurde. Bereits im Vorfeld drohte Österreich mit dem Aufhalten des Abschlusses des Verkehrskapitels mit den EU-Beitrittsstaaten. (DS 6.12., 14.12. 2002; SN 12.12., 14.12.2002) Nach einer erneuten Aufforderung des Gipfels an den Rat die Nachfolgeregelung bis zum Jahresende zu verabschieden, kam es unter dänischer Vermittlung bei einer Ratssondersitzung am 31. Dezember 2002 zu einer Einigung. Der „Silvesterkompromiss“ enthielt ein Fahrverbot von EURO 0 Lkws (Ausnahme für

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Griechenland und Portugal) sowie die freie Fahrt von EURO IV Lkws, wobei aber das Ökopunktesystem für das ganze österreichische Bundesgebiet gelten sollte. Zwar wurde beim Ministerrat kein formaler Beschluss gefasst, da wegen des Silvestertages nicht genügend Verkehrsminister und Staatssekretäre anwesend waren. Elf Länder signalisierten aber ihre Zustimmung zum Kompromiss und Österreich drohte im Rat mit einem qualifizierten Mehrheitsbeschluss überstimmt zu werden. Neben Österreich waren auch Italien, Belgien und die Niederlande gegen diesen Beschluss, da sie eine völlige Liberalisierung des Straßenverkehrs durch Österreich forderten. Der österreichische Verkehrsminister Mathias Reichhold (FPÖ) empfahl daraufhin Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) von dem bereits 2002 mehrmals angedrohten Veto gegen die EU- Osterweiterung Gebrauch zu machen und den Beitrittsvertrag am 16. April 2003 in Athen nicht zu unterzeichnen. Allerdings lehnte Kanzler Schüssel diese „Option“ ab. (DS 2.01.2003; DP 31.12.2002; 2.01.2003; NZZ 3.01.2003; Befragung Moser 2006; Rack Interview 2008; Rat 2015427) Harsche Kritik gegen den dänischen Kompromissvorschlag kam auch von Seiten des Tiroler Landeshauptmanns Herwig van Staa (ÖVP), der vehement nach dem Scheitern der gesamtösterreichischen Transitlösung eine Sonderregelung für Tirol verlangte. Nach seinem Vorschlag sollte Tirol zur sensiblen Zone erklärt werden, womit höhere Mauten verlangt werden könnten. (DS 3.01.2003; DP 4.01.2003) Etwas schleppender verlief die Diskussion im Parlament, wo sich der Ausschuss für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr 2002 in mehreren Sitzungen mit dem Vorschlag befasste. Als Berichterstatter wurde Luciano Caveri gewählt. Am 21. Jänner 2003 folgte die Annahme des Berichts428 im Verkehrsausschuss. Dabei stimmten 41 dafür, bei vier Gegenstimmung und einer Enthaltung. Im Ausschuss gab es für die österreichische Position eine noch größere Niederlage als im Rat. Im Gegensatz zum Rat plädierte der Ausschuss für die Ausnahme der Lkw der Klasse EURO III vom Ökopunktesystem bereits ab dem Jahr 2004. Zudem sollten in einem weiteren Schritt die verbleibenden Lkw (EURO II und I) im Jahr 2005 und 2006 nur noch auf den drei Haupttransitrouten Brenner, Tauern und Pyhrn unter das Ökopunktesystem fallen. Auf allen anderen Routen sollten alle Beschränkungen fallen. Der Transit für Fahrzeuge der Klasse EURO 0 bleibt aber untersagt. Wie bereits die österreichischen Vertreter im Verkehrsministerrat standen die

427 Rat, Land Transport Alpine Transit - Transitional transit system, 05345/2003 vom 04.02.2003, URL: [31.03.2015] 428 EP, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Ökopunktesystems für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich für das Jahr 2004, Be- richterstatter Luciano Caveri, A5-0019/2003 vom 28.01.2003. URL: [31.03.2015] 326

österreichischen EU-Parlamentarier im Verkehrsausschuss mit ihrer Position ziemlich isoliert da. (DS 22.01.2003; DP 22.01.2003a/b; SN 22.01.2003) In seiner ersten Lesung am 12. Februar 2003 nahm das Parlament den Entwurf des Verkehrsausschusses mit 430 gegen 79 Stimmen an. Insgesamt wurden gegenüber dem Kommissionsvorschlag 16 Änderungen vorgenommen. Neben semantischen Änderungen wie z. B. der Ersetzung des Wortes „Ökopunktesystem“ durch „eine auf Punkten basierende Übergangslösung“ sollte sich der Geltungsbereich lediglich auf die „österreichischen Alpen“ beschränken. Falls es zu keiner Verabschiedung der Rahmenrichtlinie für die Infrastrukturbenützung kommen sollte, wäre für die Jahre 2005 und 2006 ein Fahrverbot für Lkw der Klassen EURO 0 und I sowie eine Kontingentierung von EURO II vorgesehen gewesen.429 Übrig blieb durch diese weitgehende Liberalisierung also nur eine Minimalvariante der Verlängerung des Transitprotokolls bis 2006. (DS 13.02.2003a/b; DP 12.02.a/b, 13.02.2003; SN 13.02.2003) Schließlich legte die österreichische Regierung im März 2003 die Veto-Drohung gegen die Osterweiterung nieder und machte somit vom stärksten Druckmittel keinen Gebrauch. (DP 27.02.2003) Nach dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 28. März (formale Annahme des „Silvesterkompromisses“)430, gegen den Österreich, Italien, Belgien und die Niederlande stimmten, und der zweiten Lesung im Parlament vom 3. Juli 2003431 konnte zwischen den Institutionen keine Einigung erzielt werden. Das Parlament beharrte mit 346 Ja-Stimmen gegenüber 102 Nein-Stimmen auf seinem bisherigen Vorschlag. (DS 30.06.2003; DP 28.03., 20.03., 4.07.2003) Im Herbst gingen die Verhandlungen unter italienischer Ratspräsidentschaft zur Transitlösung weiter, wobei die vorgelegten Vorschläge aus österreichischer Sicht nicht akzeptabel waren. (DP 14.10., 29.10.2003) Bewegung in die Diskussion kam dann auf EU-Ebene wiederum im Oktober. Bereits am 9./10. Oktober hatte der Rat seine bisherige Position („Silvesterkompromiss“) bestätigt, womit ein sechswöchiges Vermittlungsverfahren zur Kompromissfindung zwischen Parlament und Rat nötig wurde. Die Deadline für den Vermittlungsausschuss war der 25. November (Möglichkeit der Verlängerung bis 9. Dezember). (DP 6.11.2003). Am 30. Oktober wurde auf der EU-Botschafterebene gegen die Stimme Österreichs der „italienische Kompromiss-Vorschlag“ angenommen. Dieser Kompromiss bildete die Position des Rates

429 EP, LKW-Transit durch Österreich: Ökopunktesystem 2004, T5-0048/2003 vom 12.02.2003, URL: [31.03.2015] 430 Rat, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 40/2003 vom Rat festgelegt am 28.03.2003, ABl. C 214 E vom 9.9.2003, URL: [31.03.2015] 431 EP, LKW-Transit durch Österreich: Übergangsregelung für 2004, T5-0328/2003 vom 03.07.2003, URL: [31.03.2015] 327

für das Vermittlungsverfahren. Inhaltlich soll das bestehende Ökopunktesystem im Gegensatz zum Parlamentsvorschlag weiterhin für ganz Österreich gelten. Allerdings mit freier Fahrt für „saubere“ Lkw, die weniger als vier Ökopunkte benötigen. Ein Fahrverbot für so genannte „Stinker“ sollte ab neuen Ökopunkten bestehen (ca. 2% aller Transitfahrten). Das Kontingent von 9,4 Mio. Ökopunkten für 2004 sollte in den darauf folgenden Jahren leicht gekürzt werden, womit trotzdem ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen. Laut Berechnungen der österreichischen Regierung würde mit diesem Vorschlag rund eine halbe Mio. Transit-Lkw vom Ökopunktesystem ausgenommen werden. Die Zahl von derzeit 1,7 Mio. Transit-Lkw würde sich dadurch ab 2004 auf rund 2,5 Mio. erhöhen. Anders formuliert würde mit dieser Liberalisierung der Transitverkehr bis 2006 um 50% steigen. (DS 31.10.2003; DP 30.10.2003a/b; Rack Interview 2008) Verkehrsminister Hubert Gorbach setzte trotzdem noch auf weitere Verhandlungen auf EU- Ebene, da im Vermittlungsverfahren eine weitere Verschlechterung befürchtet wurde. Daneben wurden aber von Seiten des Verkehrsministeriums und der Landeshauptleute weitere innerstaatliche Maßnahmen zur Transitbeschränkung ins Spiel gebracht. Die Rede war von noch schärferen Lkw-Kontrollen, Straßenblockaden, Tempolimits sowie von weiteren Nachtfahr- und sektoralen Fahrverboten. Der Tiroler Landesregierung zeigte sich über vorgelegten Kompromiss wenig erfreut und Landeshauptmann Herwig van Staa (ÖVP) dachte über eine „Lkw-Kontingentierung für die Europabrücke“ aus „Sicherheitsgründen“ nach. Zudem forderte er auch eine Anhebung der Brennermaut auf das Niveau der Schweizer LSVA und die Mehreinnahmen sollten in den Bau des BBT fließen. (DS 30.10.2003; DP 30.10.2003c, 31.10.2003) Indes drohte der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) zum wiederholten Mal mit einem Veto gegen die EU-Osterweiterung, die noch nicht vom österreichischen Parlament abgesegnet worden war. Vizekanzler und Verkehrsminister Gorbach teilte diesen Ansinnen seines Parteikollegen aber eine klare Absage. (DS 3.11.2003; DP 4.11.2003) Bei einem „Transitgipfel“ zwischen der Bundesregierung, der Opposition und den Länderchefs am 5. November wurde aber keine einheitliche Vorgehensweise erzielt. Die Vorschläge reichten von einer Mauterhöhung (auch für einheimische Frächter), Fahrverboten für ältere Lkws, Überholverboten bis hin zu schärferen Lkw-Kontrollen. Lediglich die Junktimierung von Transit und EU-Erweiterung wurde abgelehnt. (DS 6.11.2003; DP 5.11.2003a/b, 6.11.2003) Am 11. November trafen sich die Verhandler zur zweiten Runde im Vermittlungsausschuss, wobei aber kein Kompromiss gefunden wurde und Verkehrsminister Hubert Gorbach noch einmal die

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österreichischen Einwände vorbrachte. Lediglich die Einbindung der neuen Mitgliedstaaten in das Ökopunktesystem wurde beschlossen. (DS 12.11.2003; DP 13.11.2003). In den folgenden Tagen forderte der Tiroler Landtag mit Unterstützung des Landes Salzburg die Bundesregierung einstimmig auf, die EU vor dem EuGH zu verklagen, da das im auslaufenden Transitabkommen primärrechtlich verankerte Ziel einer Schadstoffreduktion von 60% im alpenquerenden Güterverkehr nicht erreicht worden sei. Dieses Ansinnen erhielt aber bereits am 20. November durch ein anderes Urteil des EuGH einen Dämpfer. In seinem Urteil zur nicht erfolgten Verringerung der Ökopunkte im Jahr 2001 befürwortete der EuGH die Position der Kommission.432 Durch die gerichtliche Bestätigung der Zählweise der Kommission bei den Ökopunkten erlitt die österreichische Position in der heißen Phase der Verhandlungen eine weitere Schwächung. In der Zwischenzeit versuchte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einen nationalen Schulterschluss und einen Allparteienkonsens für die finalen Verhandlungen zu finden. (DS 21.11., 22.11.2003; DP 19.11, 20.11.2003a/b) Schließlich wurde am 25. November im Vermittlungsausschuss zwischen Parlament und Rat doch noch ein gemeinsamer Entwurf gebilligt. Allerdings stimmte Österreich trotz des Entgegenkommens gegen den erzielten Kompromiss. Im Europäischen Parlament erfolgte die Verabschiedung der Verordnung am 18. Dezember in der dritten Lesung mit breiter Mehrheit. Insgesamt stimmten 348 Abgeordnete für den Kompromiss, 102 dagegen und 32 enthielten sich ihrer Stimme. Der Rat der Umweltminister (sic!) billigte trotz des heftigen Widerstands des österreichischen Vertreters die Verordnung am 22. Dezember. Das Ergebnis war die VO 2327/2003433, die gemäß ihrem Art. 6 am 31. Dezember 2003 in Kraft trat. Sowohl der Rat auch als das Parlament sahen in dieser Übergangslösung ein Privileg für Österreich gegenüber den anderen Alpenländern, da damit noch für maximal drei weitere Jahre eine Ausnahme von Regelfall des freien Warenverkehrs bestehen wird. (Obwexer 2005b, 25f; Obwexer 2006, 324; Hummer 2005, 78; Luif 2007, 199; Rack Interview 2008; DS 27.11., 28.11., 23.12.2003; DP 26.11., 27.11., 18.12., 23.12.2003; NZZ 27.11.2003; SN 27.11.2003)

6.3.2 Inhalt der Verordnung (EG) Nr. 2327/2003

Die VO 2327/2003 ist als Übergangslösung für das am 31. Dezember 2003 auslaufende Transitprotokoll verabschiedet worden und besteht neben einer Präambel aus sechs Artikeln

432 EuGH, Rs. C-356/01 (Österreich/Kommission), Urteil vom 20.11.2003; ABl. C 7 vom 10.01.2004, 12. 433 VO (EG) Nr. 2327/2003 des EP und des Rates vom 22. Dezember 2003 zur Einrichtung einer auf Punkten basierenden Übergangsregelung für Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich für das Jahr 2004 im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrspolitik, ABl. L 345 vom 31.12.2003, 30-33 idF. ABl. L 235 vom 6.7.2004, 23-23 (DE). 329

und zwei Anhängen. Der Transit durch Österreich sollte dadurch für die Jahre 2004 bis 2006 geregelt werden. Begründet wird diese Maßnahme damit, dass die im Weißbuch zur europäische Verkehrspolitik bis 2010 (KOM(2001) 370 endg.) vorgesehenen Annahme des Rahmenvorschlags für die Tarifierung der Infrastrukturnutzung noch nicht geschehen sei. Die Kommission hatte den Vorschlag bis zum Juli 2003 vorzulegen (KOM(2003) 448 endg.; vgl. Punkt 3.5.2). (3. Erwägungsgrund). Daneben ist diese Übergangsregelung auch gerechtfertigt, um die Umwelt vor den Konsequenzen der Verschmutzung zu schützen, die auf den Transit der hohen Zahl von Schwerlastkraftwagen zurückzuführen ist. (4. Erwägungsgrund). Hingewiesen wird auch auf die bevorstehende Ost-Erweiterung der Europäischen Union, die zu einem enormen Anstieg des Transitverkehrs führen wird (5. Erwägungsgrund). Der Art. 1 enthält wiederum die bereits aus dem Transitabkommen und dem Transitprotokoll bekannten Definitionen. In Art. 2 wird der Geltungsbereich der VO festgelegt, die im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr der Gemeinschaft gilt. Zudem impliziert die auf Punkten basierende Übergangslösung keine direkte Begrenzung der Anzahl der Transitfahrten durch Österreich. (Frerich/Müller 2004b, 644) Die Kernbestimmungen der VO 2327/2003 sind im Art. 3 enthalten. Gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. a sind Schwerlastkraftwagen von über 7,5 t, die fünf oder weniger Punkte verbrauchen würden, von dieser Übergangsregelung ausgenommen. Die Klassen EURO IV und EURO III können somit Österreich ungehindert und frei passieren, was auf ca. 80% der damaligen Lkw zutraf. (Obwexer 2005b, 26f; Obwexer 2006, 325; Frerich/Müller 2004b, 644) Diese Bestimmungen werden in Art. 3 Abs. 2 mit der Förderung der Verwendung umweltfreundlicher Schwerlastkraftwagen für den Transitverkehr durch Österreich im Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2004 begründet. Erfasst werden von der Übergangsregelung nur Schwerlastkraftfahrzeuge die sechs, sieben oder acht Punkte verbrauchen (Art. 3 Abs. 2 lit. b). Für den Transit durch Österreich benötigen sie, wie im bisherigen Ökopunktesystem gemäß dem Transitprotokoll, eine Anzahl von Punkten, die ihrem NOx-Emissionswert (zulässiger Wert gemäß COP oder Typengenehmigung) entspricht. Hingegen ist Schwerlastkraftwagen, die mehr als acht Punkte brauchen, künftig der Transit durch Österreich untersagt. Dieses Transitverbot betrifft Schwerlastkraftwagen der Klasse EURO 0. Allerdings gilt davon einerseits eine Ausnahme für in Griechenland zugelassene Lkw sowie für den Transit von bestimmten hoch spezialisierten, kostenaufwändigen Fahrzeugen mit langer wirtschaftlicher Nutzungsdauer (Art. 3 Abs. 2 lit. c). Die Berechnung und Verwaltung der Punkte legt der Anhang II fest (Art. 3 Abs. 2 lit. e). Gemäß Anhang I stehen für das Jahr 2004 insgesamt 6.593.487 Mio. Punkte zur Verfügung.

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Für die Jahr 2005 und 2006 reduziert sich die Zahl auf 6.246.462 bzw. 5.899.436 Mio. Punkte. (Obwexer 2006, 326f; Frerich/Müller 2004b, 644; Hilpold 2014, 128) „Die jeweilige Gesamtpunktezahl wurde auf der Basis der Transitverkehrsdaten (insbesondere der Flottenzusammensetzung und der NOx-Emissionen der Schwerlastkraftwagen) des Jahres 2002 berechnet.“ (Obwexer 2006, 326) Für die Ausgabe und Verwaltung der Punkte hat Österreich rechtzeitig zu sorgen (Art. 3 Abs. 2 lit. f). Die Kommission wendet bei der Verwaltung und Aufteilung der Punkte zwischen den Mitgliedstaaten die Grundsätze des Ökopunktesystems aus dem Jahr 2003 gemäß VO 3298/94 an (Art. 3 Abs. 2 lit. g). Die Neuzuteilung aus der Gemeinschaftsreserve gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. h soll anhand der tatsächlichen Nutzung und der besonderen Bedürfnisse der Verkehrsunternehmer erfolgen, die Österreich auf der Strecke Lindau-Bregenz-St. Margarethen („Hörbranz-Transit“) durchqueren. Mit dieser auf Punkten basierenden Übergangslösung werden lediglich die Klassen EURO II und EURO I erfasst, wobei aber für die Schwerlastkraftwagen so viele Punkte zur Verfügung stehen, dass sie zu keinerlei Beschränkung der Transitfahrten führen. Dadurch wird auch das bereits erwähnte Ziel der Förderung der Verwendung umweltfreundlicher Schwerlastkraftwagen (Art. 3 Abs. 2) ad absurdum geführt. Daneben ist in der VO 2327/2003 auch kein konkretes Reduktionsziel mehr enthalten und die bisherige „108%-Klausel“ wurde ersatzlos gestrichen. (Obwexer 2005b, 27f; Obwexer 2006, 326; Frerich/Müller 2004b, 644f; Hilpold 2014, 128) „Die gegenständliche Regelung führt insoweit in der Praxis zu einer bloßen Zählung der Schwerlastkraftwagen und hat weder eine verkehrslenkende noch eine umweltschützende Wirkung.“ (Obwexer 2006, 326) Die Geltungsdauer der VO 2327/2003 beschränkte sich zunächst auf das Jahr 2004. Wird der Vorschlag für die Tarifierung der Infrastrukturbenutzung nicht bis zum 31. Dezember 2004 (2005) verabschiedet, verlängert sich die Gültigkeit der VO 2327/2003 jeweils um ein weiteres Jahr. Nach dem Jahr 2006 ist keine weitere Anwendung dieser Übergangsregelung mehr vorgesehen. (Obwexer 2005b, 28) Der Inhalt der Verordnung wirft aber laut Obwexer einige Rechtsfragen auf, die nicht ganz eindeutig sind:  Unterschiedliche Sprachfassungen des Transitverbots für Schwerlastkraftwagen der Klasse EURO 0: In der verbindlichen deutschen Fassung war zuerst von „Schwerlastkraftwagen, die acht Punkte oder mehr verbrauchen“ die Rede, während in den anderen authentischen Sprachfassungen von Schwerlastkraftwagen, die mehr als acht Punkte verbrauchen die Rede war. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind solche Divergenzen nicht zulässig. Am 6. Juli 2004 wurde diese Divergenz mit der Angleichung der deutschen Version an die anderen Sprachfassungen korrigiert.  Fehlende Definition des Begriffes „Transit bestimmter hoch spezialisierter, kostenaufwendiger Fahrzeuge mit langer wirtschaftlicher Nutzungsdauer“:

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Schwerlastkraftwagen, die in diese Definition fallen sind vom Transitverbot der Klasse EURO 0 ausgenommen. Allerdings findet sich nirgends in der VO eine Definition dieser Begriffe. Daher ist diese Ausnahme wegen fehlender Definition nicht unmittelbar anwendbar und bedürfte weiterer Durchführungsvorschriften.  Unklare Reichweite der auf Punkten basierenden Übergangslösung: Fraglich ist zudem, ob vom Transitverbot ausgenommene Lkw der Klasse EURO 0 überhaupt Punkte entrichten müssen, wenn sie mehr als acht Punkte bei der Durchfahrt durch Österreich benötigen würden, da dies im Art. 3 Abs. 2 lit. a nicht erwähnt wird. Hingegen schreibt Art. 3 Abs. 2 lit. e vor, dass alle Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich eine Punkteanzahl benötigen, die seinem NOx-Emissionswert gemäß COP-Dokument oder Typengenehmigung entspricht. Daraus lässt sich ableiten, dass davon auch die Klasse EURO 0 betroffen ist.  Unklare Regelung zur verpflichteten Mitnahme eines COP-Dokuments: Die Lkw- Klassen EURO IV und EURO III unterliegen nicht der auf Punkten basierenden Übergangsregelung und sind deshalb auch nicht verpflichtetet ein COP-Dokument mitzuführen, aus welchem die NOx-Emissionen hervorgehen. Das steht im klaren Widerspruch zu Anhang II der VO 2327/2003 worin jeder Fahrer eines Schwerlastkraftwagens bei der Überquerung der österreichischen Grenze (in eine Richtung) zur Vorlage eines Dokuments verpflichtet ist, aus welchem der NOx- Emissionswert des betreffenden Fahrzeugs hervorgeht. Zudem werden in Art. 3 Abs. 2 lit. e alle Schwerlastkraftwagen erfasst und darin auf Anhang II verwiesen.  Berechnung der Zahl der Punkte: Die Kommission zog zur Berechnung der Punkte die Ökopunkteanzahl des Jahres 2002 heran, was zu einer höheren Punktezahl führte (Erhöhung um rund eine Million). Laut österreichischer Meinung wäre aber auf das Jahr 2003 Bezug zu nehmen gewesen. (Obwexer 2005b, 29-31; Obwexer 2006, 330- 332)

6.3.3 Nichtumsetzung durch Österreich

Nachdem Österreich bereits gegen die VO 2327/2003 gestimmt hatte, wurde die Verordnung wegen mangelnder Administrierbarkeit und primärrechtlicher Bedenken in der Praxis nicht umgesetzt. Bereits nach dem erzielten Kompromiss der EU-Institutionen am 25. November 2003 kündigte die österreichische Regierung die Nichtumsetzung an. Auch wurden Klagen und innerstaatliche Maßnahmen, wie verschärfte Lkw-Kontrollen und bundesländerübergreifende Nachtfahrverbote ins Auge gefasst. Neben den Drohgebärden setzte Österreich nun auch auf die weiteren Verhandlungen zur neuen „Eurovignetten-RL“ als letzte Perspektive. Einen gewissen Lenkungseffekt wurde auch von der kilometerabhängigen Lkw-Maut (über 3,5 t) erhofft, die planmäßig am 1. Jänner 2004 auf allen österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen eingehoben wurde. Von Regierungsseite wurde der Kommission schriftlich mitgeteilt, dass die in der Verordnung enthaltene Regelung unnötige Kosten verursache (ca. neun Mio. Euro) und dass dieses Punktezählsystem keinerlei Schadstoff- und Verkehrsreduktionen verursache. Sogar ein Rückschritt hinter bereits erreichte Umweltstandards wurde angeführt. Verkehrsminister Hubert Gorbach bezeichnete es schlicht als „teures Lkw-Zählsystem“ (Obwexer 2005b, 32;

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Obwexer 2006, 333; Luif 2007, 1999; DP 3.11., 29.11., 29.12.2003; SN 28.11.2003; Befragung Stubenböck 2006; Befragung Gurgiser 2006). Kritik an der Nichtumsetzung der VO kam aber auch aus den Nachbarländern. Allen voran wurde kritisiert, dass nun auch die umweltbelastenden EURO 0 und EURO I Lkw ohne Ökopunkte fahren können, womit ausschließlich österreichische Interessen geschützt werden sollen, da die „ausländischen“ Transporteure ihre Flotten längst auf saubere Lkw umgestellt haben. (DP 2.01.2004). Anfang Jänner drohte die EU-Kommission Österreich mit rechtlichen Schritten und mit einer Klage vor dem Höchstgericht. Die österreichische Regierung reagierte darauf weiter mit Härte und kündigte im Gegenzug an, selbst gegen die VO Klage zu erheben. (DS 9.01.2004; DP 3.01., 8.01.2004) Nachdem Österreich im Jänner 2004 seitens der Kommission zur Übermittlung der Punkte aufgefordert wurde und dies mit Hinweis auf die Nichtumsetzung der VO 2327/2003 ablehnte, eröffnete die Kommission gemäß Art. 258 AEUV (ex-Art. 226 EGV) ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich.434 Mit Mahnschreiben vom 31. März 2004 wurde Österreich dahingehend aufgefordert binnen zwei Monaten eine Stellungnahme zur Nichtanwendung der Verordnung abzugeben, was am 1. Juni 2004 erfolgte. Im Gegenzug erhob die Republik Österreich am 24. März 2004 gemäß Art. 263 AEUV (ex-Art. 230 EGV) vor der EuGH Klage gegen das Europäische Parlament und den Rat, um die VO 2327/2003 für nichtig zu erklären.435 Dies war seit 2000 bereits die fünfte österreichische Klage gegen Aspekte des Ökopunktesystems. (Obwexer 2005b, 32; Obwexer 2006, 333; DP 24.03., 30.03.2004; EuGH, Rs. C-161/04, I-07183, Rn. 2, 19-21) Nach Meinung Österreichs verstößt die VO 2327/2003 gegen folgende primärrechtliche Vorgaben:  Verstoß gegen das primärrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip436: Angesichts wissenschaftlich fundierter Verkehrsprognosen sei die VO 2327/2003 zur Erreichung, der in den Erwägungsgründen niedergelegten Zielsetzung der Reduktion der Belastungen durch den Schwerverkehr im Sinne einer nachhaltigen und umweltgerechten Lösung, als (absolut) ungeeignet einzustufen. Weiters würde die für die notwendige Vollziehung der VO 2327/2003 notwendige Umrüstung des bis zum 31. Dezember 2003 verwendeten Ökopunktesystems, sowie dessen laufender Betrieb und Wartung, Kosten in der Höhe von neun Mio. Euro verursachen. Da die VO 2327/2003 aber Kosten in der Höhe von neun Mio. Euro verursache und damit letztlich nur die Zunahme der Emissionen bedingt, verletzte die Verordnung das

434 Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2029 betreffend den Vollzug der VO (EG) Nr. 2327/2003; SG (2004) D/201310. (Obwexer 2006, 333 (Fn. 92)) 435 EuGH, Rs. C-161/04 (Österreich/Parlament und Rat), Klageschrift; ABl. C 106 vom 30.04.2004, 49f. 436 Art. 5 Abs. 4 EUV: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus. Die Organe der Union wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an.“ 333

primärrechtlich verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip und allein schon aus diesem Grund sei sie für nichtig zu erklären.  Verstoß gegen die Vorgaben der Umwelt-Querschnittsklausel: In der VO 2327/2003 bewirkt keine Abnahme der Emissionen, sondern vielmehr eine Zunahme. Daher verstößt sie gegen den im Art. 11 AEUV (ex-Art 6 EGV) verankerten größtmöglichen und optimalen Umweltschutz.  Verstoß gegen primärrechtliche Vorgaben aus Art. 11 des Transitprotokolls: Zwar ist das Ökopunkteregime mit Jahresende 2003 ausgelaufen, aber es bleibe jedoch die im Transitprotokoll implizierte Zielsetzung einer nachhaltigen und umweltgerechten Lösung, der durch den Verkehr verursachten Umweltprobleme bestehen. Begründet wird dies folgendermaßen: die bisherige Übergangsregelung des Art. 11 TP könne nicht so gesehen werden, dass die zunächst im Transitabkommen EWG – Österreich verbürgte und danach in das Transitprotokoll übernommene Regelung zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung nach einer bestimmten Übergangsfrist einfach (ersatzlos) auflaufe und verpflichtend in ein gemeinschaftliches System überführt werde, dessen Schutzstandards (weit) darunter liegen. Eine solche Übergangslösung würde ihre nützliche Wirkung großteils verlieren und hätte, falls so gewollt, von den Mitgliedstaaten als „Herrn der Verträge“ auch in eindeutiger Weise so formuliert werden müssen. Das Ziel des bisherigen Transitregimes (Schutz der Umwelt und der Gesund im Allgemeinen sowie 60% Reduktion der NOx-Emissionen im Besonderen) sei auch nach Ablauf der Übergangszeit am 31. Dezember 2003 weiter anzuwenden. Diese Ziel sei Bestandteil des primären Gemeinschaftsrechts und deshalb für die Gemeinschaft verbindlich. In diesem Fall sei die Gemeinschaft verpflichtet, das Ziel des Transitregimes weiter einzuhalten. Alle sekundärrechtlichen Bestimmungen, die dieses Ziel verletzten, sind daher rechtswidrig. Die VO 2327/2003 ist daher primärrechtswidrig.  Verstoß gegen das Bestimmtheitsgrundsatz: Auch hier widerspricht die VO 2327/2003 dem gemeinschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Wie bereits erwähnt fehlt die Definition was unter „bestimmten hoch spezialisierten, kostenaufwändigen Fahrzeuge mit langer wirtschaftlicher Nutzungsdauer“ (Art. 3 Abs. 2 lit. c) zu verstehen ist. Auch fehlt die klare Verpflichtung zum Mitführen von Kontrolldokumenten für jene Lkw-Klassen, die von der auf Punkten basierenden Übergangsregelung befreit sind. (Obwexer 2005b, 33f; Obwexer 2006, 334-336; EuGH Rs. C-161/04, I-07183, Rn. 33-38, 54-56, 62-65, 75-78) Mit Beschluss des Präsidenten vom 22. Juli 2004 wurde die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates zugelassen. Die mündliche Verhandlung fand schließlich am 17. November 2005 statt. (ATLR 2006, 21; DS 15.11.2005b) Am 26. Jänner 2006 legte Generalanwalt Leendert A. Geelhoed seine Schlussanträge vor.437 Darin wurde der Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit u. a. mit der Begründung abgewiesen, dass der Transit der am stärksten verschmutzenden Lkw-Klasse untersagt wird und ein degressives Ökopunktesystem vorgesehen ist, welches im Gegensatz zur vollen Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstandes zu einem besseren Schutz der Umwelt beitragen hat. Dadurch werde der Einsatz umweltfreundlicher Lkw weiter

437 EuGH, Rs. C-161/04 (Österreich/Parlament und Rat), Schlussanträge vom 26.01.2006, Slg. 2006, I-07183 ff. 334

gefördert. Weiters wurde auch der Verstoß gegen die Umwelt-Querschnittsklausel negiert. Die Vorschrift der Querschnittsklausel ist zwar in imperativer Form formuliert, doch legt sie entgegen der österreichischen Position keinen Maßstab fest, wonach der Umweltschutz bei der Festlegung von Gemeinschaftspolitiken immer Vorrang hat. Nur bei einem groben Verstoß dagegen kann dieser Artikel als Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit dienen. Ansonsten herrscht die Verpflichtung, dass die Kommission die ökologischen Belange beachtet. In der Verordnung ist weder als übermäßig einschränkend für den Binnenmarkt noch als offensichtlich unzulänglich für den Umweltschutz anzusehen. Auch der dritte Grund der Rechtswidrigkeit wurde abgelehnt, da das bisherige Ziel des Transitprotokolls nicht als Maßstab zur Beurteilung der VO 2327/2003 herangezogen werden könne. Das Ziel des Transitprotokolls sei rechtlich nicht bindend, sondern nur politisch. Das Vertragsziel war zwar klar formuliert, konnte aber während der Laufzeit nicht erreicht werden. Die gegenständliche VO ist ein eigner Rechtsakt und sie wurde auch nicht auf das ausgelaufene Transitprotokoll gestützt. Rechtsverbindlich ist ausschließlich das Instrument des Ökopunkteregimes. Schlussendlich wurde auch der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot abgelehnt, da gewisse Unschärfen zum Wesen jeder Rechtsvorschrift gehören. Damit wurden alle von österreichischer Seite vorgebrachten Einwände von Generalanwalt Geelhoed abgewiesen. Als Ergebnis schlug Generalanwalt Geelhoed dem Gerichtshof vor, die Klage von Österreich für zulässig zu erklären und sie gleichzeitig als unbegründet abzuweisen. (ATLR 2007, 21; EuGH Rs. C-161/04, I-07183, Rn. 39-53, 57-61, 66-74, 79-85; TT 26.01., 27.01.2006; ORF ON 26.01., 27.01.2006) Mit dem Entscheidungsvorschlag des Generalanwaltes, dessen Argumentation der Gerichtshof in vier von fünf Fällen folgt, wurde eine Nachfolgeregelung für das Transitprotokoll endgültig abgelehnt. Damit war für Österreich jegliche Sonderregelung im Bereich des Verkehrs beendet. Am 6. September 2006 folgte der Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichthofes.438 Bereits am 3. Juli 2006 hatte Österreich dem EuGH mitgeteilt, dass es die Nichtigkeitsklage zurücknehme. Damit wurde das Verfahren eingestellt und die Rs. C-161/04 aus dem Register des Gerichtshofes gestrichen. Parallel zur Nichtigkeitsklage erhob Österreich noch eine weitere Klage gegen die Kommission. Am 31. März 2004 forderte Österreich die Kommission auf einen Verordnungsvorschlag vorzulegen, der dem Transitprotokoll inhaltlich voll gerecht wird. Dieser Vorschlag soll „[…] den sich aus dem Transitprotokoll ergebenden Verpflichtungen zur Gewährleistung des Schutzes der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung auf einer

438 EuGH, Rs. C-161/04 (Österreich/Parlament und Rat), Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichtshofes vom 6.09.2006, Streichung, Slg. 2006, I-07183 ff; ABI. C 294 vom 02.12.2006, 35. 335

dauerhaften und umweltgerechten Grundlage nach[…]kommen und einen Vorschlag für ‚eine Verlängerung des Ökopunktesystems oder andere Maßnahmen als Ersatz […] oder zur Erreichung gleicher Wirkung’ […]“ enthalten. (Obwexer 2004, 338) Bei Nichttätigwerden der Kommission drohte Österreich eine Klage wegen Untätigkeit gemäß Art. 265 AEUV (ex-Art. 232 EGV) einzubringen. Die Kommission lehnte mit Schreiben vom 22. Juni 2004 jegliches Tätigwerden ab und verwies auf keinerlei diesbezügliche Verpflichtungen im Transitprotokoll. Gegen dieses Schreiben der Kommission mit der ausdrücklichen und endgültigen Ablehnung jeglichen Tätigwerdens, reichte Österreich gemäß Art. 263 AEUV (ex-Art. 230 EGV) am 1. September 2004 eine weitere Nichtigkeitsklage beim EuG ein.439 Inhaltlich decken sich die Klagegründe und wesentlichen Argumente mit dem Punkt „Verstoß gegen die primärrechtlichen Vorgaben des Art. 11 Transitprotokoll“ der bereits behandelten Rs C-161/04. (Obwexer 2006, 338f) Seitens der Kommission trat der Rat als Streithelfer bei. Wie bereits bei der Rs. C-161/04 beantragte Österreich am 27. Juni 2006 die Zurücknahme der Nichtigkeitsklage. Mit Beschluss des Präsidenten der vierten Kammer des Gerichtes wurde am 6. September 2006 die vorliegende Rs. aus dem Register des EuG gestrichen.440

6.3.4 Einbeziehung der neuen EU-Mitgliedsstaaten und weiterer Drittstaaten

Infolge des Kommissionsvorschlages vom 20. Dezember 2001 gab Österreich das Verkehrskapitel bei den Beitrittsverhandlungen frei. Im Gegenzug wurde aber die Einbindung der Beitritts-Länder in das Ökopunktesystem gefordert, was von Seiten der EU- Verkehrskommissarin aber nicht deutlich genug kommuniziert wurde. (Luif 2007, 198f; DS 21.02.2001) Die VO 2327/2003 wurde nun im Zuge der EU-Erweiterung auf die neuen Mitgliedstaaten441 ausgedehnt. In einem eigenen Addendum442 zur VO 2327/2003 wurde vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission in einer

439 EuG, Rs. T-361/04 (Österreich/Kommission), Klageschrift; ABI. C 300 vom 4.12.2004, 44. 440 EuG, Rs. T-361/04 (Österreich(Kommission), Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichtshofes vom 6.09.2006, Streichung; ABI. C. 261 vom 28.10.2006, 31. 441 Slowenien stellt dabei einen Sonderfall dar und war davon nicht betroffen, da es bereits von 1997 bis 2003 Ökopunktesystem teilgenommen hat. Die Gemeinschaft und Slowenien hatten bereits am 13. Jänner 2004 ein Abkommen in Form eines Briefwechsels über die auf Punkten basierende Übergangslösung vom 1. Jänner bis 31. April 2004 unterzeichnet (ABl. L 57 vom 25.2.2004, 14-15; vgl. Beschluss 2004/181/EG des Rates vom 13.01.2004, ABl. L 57 vom 25.2.2004, 13). Aufgrund dieses vorläufigen Systems wurden Slowenien 118.816 Punkte zugeteilt. In der VO 863/2004 bekam Slowenien gleichviel Punkte wie 2003 zugewiesen. (Hummer 2005, 79) 442 Addendum zur VO (EG) Nr. 2327/2003 des EP und des Rates vom 22.12.2003 zur Einrichtung einer auf Punkten basierenden Übergangsregelung für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich für das Jahr 2004 im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrspolitik - Erklärung des Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission, ABl. L 8 vom 14.1.2004, 3. 336

interinstitutionellen Erklärung die Zahl der Punkte für die Übergangslösung festgelegt. Interessanterweise wird hier nicht von Punkten sondern von „Transit-Ökopunkten“ gesprochen. Die Punkte berechnen sich aus der Gesamtzahl der im Jahr 2002 durchgeführten Transitfahrten durch Österreich, der mit dem NOx-Faktor für 2003 multipliziert wird. Zwischen 1. Mai und 31. Dezember 2004 wird die Zahl der Punkte um 33,33% vermindert, da die neuen Mitgliedstaaten mit 1. Mai beitraten. Bei einer Verlängerung der VO 2327/2003 für die Jahre 2005 und 2006 wird die Zahl der Punkte an die Entwicklung der für die EU-15 vereinbarten Punkte gekoppelt. (Obwexer 2005b, 35; Obwexer 2006, 336, Hummer 2005, 78) Mit der VO 863/2004443 vom 29. April 2004 wurde die VO 2327/2003 an den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten angepasst und darin die Zahl der Punkte für die einzelnen Länder im Zeitraum zwischen 2004 und 2006 festgelegt. Durch die Nichtumsetzung der VO 2327/2003 durch Österreich wurden aber weitere Schritte der gemeinschaftlichen Rechtssetzung obsolet. Wie bereits das Ökopunktesystem wurde auch die auf Punkten basierende Übergangslösung auf die EWR-Staaten und einige Drittstaaten ausgedehnt. Mit dem Beschluss 76/2004 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 8. Juni 2004444 folgte die Einbeziehung von Island, Liechtenstein und Norwegen in die auf Punkten basierende Übergangslösung. Für die drei Staaten wurden darin für die Jahre 2004 bis 2006 zur Verfügung stehenden Punkte festgelegt. Neben den EWR-Staaten waren auch die Republik Mazedonien, die Republik Kroatien und die Schweizerische Eidgenossenschaft in das bisherige Ökopunktesystem einbezogen. Am 22. Dezember legte die Kommission dem Rat Vorschläge (KOM(2003) 833, 836 und 837 endg.) für die Ausdehnung der auf Punkten basierenden Übergangslösung auf diese drei Drittstaaten vor. Diese Abkommen in Form eines Briefwechsels sollten ab dem 1. Jänner 2004 Gültigkeit haben. Anfang 2004 wurden die Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen Mazedonien445, Kroatien446 und der Schweiz447 akkordiert. Schwerlastkraftwagen

443 VO (EG) Nr. 863/2004 des Rates vom 29.04.2004 zur Anpassung der Verordnung (EG) Nr. 2327/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates im Bereich Verkehr aufgrund des Beitritts der Tschechischen Republik, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns, Maltas, Polens, Sloweniens und der Slowakei, ABl. L 161 vom 30.4.2004, 44-47. 444 Beschluss 2004/76 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 76/2004 vom 8. Juni 2004 zur Änderung des Anhangs XIII (Verkehr) des EWR-Abkommens, ABl. L 349 vom 25.11.2004, 34-35. 445 Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien über die auf Punkten basierende Übergangsregelung für Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich, ABl. L 57 vom 25.2.2004, 23-24. 446 Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Kroatien über die auf Punkten basierende Übergangsregelung für Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich, ABl. L 57 vom 25.2.2004, 20-21. 337

über 7,5 t, die sechs, sieben oder acht Punkte verbrauchen, unterliegen im Transit durch Österreich der Übergangslösung. Schwerlastkraftwagen, die weniger als sechs Punkte verbrauchen sind befreit und solche die mehr als acht Punkte benötigen ist der Transit durch Österreich verboten. In den jeweiligen Abkommen ist die Anzahl der Punkte für die jeweiligen Drittstaaten von 2004 bis 2006 angeführt. Für die Schweiz wurde außerdem vereinbart, dass ein Fünftel der Punkte in Papierform auszugeben seien. Die Abkommen traten ab dem Tag nach der Notifizierung des Abschlusses der internen Verfahren durch beide Parteien in Kraft (bis zum Außerkrafttreten der VO 2327/2003). Die Abkommen galten vorläufig ab dem 1. Jänner 2004. Es kam aber nie zu einer vorläufigen Anwendung noch zu einem endgültigen Abschluss dieser drei Abkommen. (Frerich/Müller 2004b, 648f; Obwexer 2005b, 35f; Obwexer 2006, 336-338; Hummer 2005, 80)

6.3.5 Schlussfolgerung

Bei kritischer Betrachtung der Ökopunktenachfolgeregelung VO 2327/2003 findet sich kein objektiv nachvollziehbarerer Grund für eine Umsetzung. Das Punkteregime kann die in den Erwägungsgründen der VO 2327/2003 postulierten Zielsetzungen, insbesondere die Umwelt vor den Konsequenzen der Verschmutzung zu schützen, nicht erfüllen. Bereits der Titel der Verordnung, der die „Nachhaltige Verkehrspolitik“ enthält, ist durch die nachfolgenden Artikel widersprüchlich. Obwohl die Verordnung auf dem bisherigen Ökopunktesystem aufbaut, fehlt darin jede Begrenzung für Transitfahrten. Auch die komplette Liberalisierung für die Lkw-Klassen EURO III und IV, die mehr als 80% der Transitfahrten ausmachen, macht diese Punktesystem mehr als ineffizient. Für die restlichen 20% sind zudem so viele Punkte vorgesehen, dass es zu keiner Überschreitung kommen würde. Allerdings sind in der Verordnung auch keinerlei Sanktionsmöglichkeiten bei einer Überschreitung der Gesamtemissionen enthalten. Die Nichtumsetzung durch Österreich war im Nachhinein sicherlich die richtige Vorgehensweise, obwohl die VO 2327/2003 im Jahr 2004 auch angewendet werden hätte können und dann anhand von Daten ihre Ineffizienz zu untermauern.

447 Verwaltungsvereinbarung in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die auf Punkten basierende Übergangsregelung für Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich, ABl. L 57 vom 25.2.2004, 17-18. 338

7. TIROL UND DER TRANSITVERKEHR

7.1 DIE „UMWELTBEDINGTEN“ VERKEHRSBESCHRÄNKUNGEN

Wie bereits mehrfach angeschnitten ist Tirol durch den vielbefahrenen Brennerkorridor die Alpenregion mit einen dem größten (Transit-) Verkehrsaufkommen und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Parallel zur österreichischen Bundespolitik sucht die Tiroler Landespolitik seit Ende der 1980er Jahre nach Lösungen zur Eindämmung des Transitverkehrs und zum Schutz der Bevölkerung. Eine der ersten Maßnahmen war die Einführung des generellen Nachfahrverbotes. Weitere „umweltbedingte“ Verkehrsbeschränkungen folgten nach der gescheiterten Verlängerung des Transitprotokolls bzw. nach der Nachfolgeregelung, die von Österreich als unzureichend nicht umgesetzt wurde. Die Geschwindigkeitsbeschränkungen und das sektorale Fahrverbot auf Teilen der A12 Inntalautobahn sowie mittlerweile auch das Nachtfahrverbot wurden auf das IG-L gestützt, das wiederum europarechtliche Vorgaben innerstaatlich umsetzte (vgl. Punkt 4.1.6). Gerade das sektorale Fahrverbot aus Gründen des Umweltschutzes, das aus Sicht der Kommission den freien Warenverkehr einschränkt, führte zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Österreich und der EU.

7.1.1 Das Nachtfahrverbot

Seit 1. Dezember 1989 gilt auf dem den Brennerkorridor (A12 Inntalautobahn und A13 Brennerautobahn) ein Nachtfahrverbot (zwischen 22 und 5.00 Uhr) für Lkw über 7,5 t. Mit dieser Maßnahme „zum Schutz der Bevölkerung und Natur vor den negativen Auswirkungen des Alpentransitverkehrs“ war ein kontinuierlicher Rückgang des Schwerlast-Transits in den Nachtstunden verbunden. Allerdings wurde diese Maßnahme dadurch konterkariert, dass lärmarme Lkw davon ausgenommen waren und mit der Zeit fast nur noch lärmarme Lkw unterwegs waren. Kritiker, wie das Transitforum Tirol, sprachen vom „Lärm-arm-Schwindel“. Dies führte dazu, dass der Schwerverkehr in den Nachtstunden wieder deutlich anstieg. Daher wurden Forderungen nach einem generellen Nachtfahrverbot laut, das lediglich Ausnahmen für verderbliche Güter enthalten sollte. Schließlich wurde am 1. Jänner 1995 das generelle Nachtfahrverbot für nicht-lärmarme Lkw auf ganz Österreich ausgedehnt. Ab Februar 1996 wurde der Nachtarif auf der Brennerautobahn deutlich erhöht, was zu einer Reduktion des Lkw-Verkehrs um ca. 30% führte (vgl. Punkt 6.2.1). Ab 1997 war wiederum eine Trendumkehr zu verspüren und

339

deutliche Wachstumsraten in den Nachtstunden zu verzeichnen. (ATLR 2001, 25; Hilpold 2014, 129; TT 23.08., 24.08.1995)

Allein zwischen 1990 und 2003 nahmen die NOx-Emissionen in Tirol um 43% zu. Bei anderen Emittenten, wie z. B. Industrie und Kleinverbraucher, war dagegen ein Rückgang zu verzeichnen. In Tirol hatte der Verkehr 2003 einen Anteil von 72% der gesamten NOx-

Emissionen (1990: 63%). Allein im Unterinntal ist der Verkehr für rund 85% aller NOx- Emissionen verantwortlich, wovon wiederum auf der A12 Inntalautobahn rund 65% auf den Straßengüterverkehr fallen. (ATLR 2005, 15f) Weitere Maßnahmen in Bezug auf das Nachtfahrverbot machte das IG-L in Umsetzung der Luftqualitätsrahmen-RL 96/62/EG und deren „Töchter-RL“ nötig. Tirol war damit das erste Bundesland, das davon Gebrauch machen musste. Im Jahr 1999 wurde an der Messstelle

Vomp (A12 Inntalautobahn) der NO2-Halbstundenmittelwert drei Mal überschritten. Daher waren laut IG-L Maßnahmen zur Reduzierung dieser Schadstoffemissionen notwendig. Als Hauptgrund für die Überschreitung wurde der Straßenverkehr angesehen, der für rund 85% der NOx-Emissionen im Unterinntal verantwortlich ist. Bereits am 23. März 2002 hatte der Tiroler Landtag einstimmig „umweltbedingte“ Verkehrsbeschränkungen beschlossen. Dadurch sollte jeder zehnte Lkw im Inntal von der Straße verbannt werden. Neben dem sektoralen Fahrverbot (vgl. Punkt 7.1.4) waren Geschwindigkeitsbeschränkungen (vgl. Punkt 7.1.2) und das Nachtfahrverbot für Lkw vorgesehen. Daher wurde am 1. Oktober 2002 ein befristetes Nachtfahrverbot gestützt auf die §§ 10, 12 und 14 IG-L auf der A12 Inntalautobahn (Wörgl-West bis Hall Mitte) für den Schwerverkehr über 7,5 t zwischen 22.00 und 5.00 Uhr erlassen.448 Verordnet wurde dies vom Tiroler Landeshauptmann. Dadurch erhoffte man sich eine Senkung der Emissionen. Ursprünglich war das Nachtfahrverbot zwischen 1. Oktober und 31. März eines jeden Jahres vorgesehen. Ausnahmen vom Verbot gab es für Transporte von leicht verderblichen Gütern, periodischen Druckwerken, medizinischer Versorgung sowie für Fahrzeuge der Straßenmeisterei, Abschleppdienste und für Fahrzeuge des Bundesheeres. Kritik kam von der Wirtschaftskammer Tirol und aus Bayern, die das Nachtfahrverbot für inakzeptabel und für einen Schnellschuss hielten. Im so genannten „Luftsanierungsgebiet“ zwischen Hall und Wörgl ging der Lkw-Gesamtverkehr um 50 bis 60% und der SLZ-Verkehr gar um 60 bis 70% zurück. Dieser Rückgang führte auch zur weiteren Abnahme des Lkw-Nachtverkehrs

448 BGBl. II Nr. 349/2002 idF BGBl. II Nr. 423/2002. 340

auf der Brennerautobahn. (ATLR 2003, 21-25; ATLR 2004, 23f, 35; Wasserer 2009, 115f; Hilpold 2014, 128f; DS 20.03.2003; DP 18.09.2002; Obwexer 2005, 43; ATLR 2015449)

Im Jahr 2002 und 2003 wurden die NO2-Jahresmittelwerte im Unterinntal neuerlich überschritten. Das bisherige Nachtfahrverbot vom Winterhalbjahr 2002/2003 wurde am 25. März 2003 mit einer VO bis zum 31. Mai eines jeden Jahres ausgeweitet.450 Bereits am 27. März 2003 wurde das bisherige Nachtfahrverbot auf das ganze Jahr zwischen Kundl und Ampass ausgedehnt.451 (ATLR 2004, 35; Obwexer 2005, 43; Obwexer 2006a, 213; Bußjäger/Fink 2012, 197; ATLR 2015452) „Infolge des Nachtfahrverbotes ging der SLZ- Verkehr in den Nachtstunden (22.00 bis 5.00 Uhr) im Jahr 2003 auf ein Drittel zurück. Die Verlagerung des nächtlichen Schwerverkehrs in den Tag dehnte sich gegenüber der Einführungsphase aus, und zwar bis um 15.00 Uhr.“ (ATLR 2004, 35) Dadurch wurden die

NO2-Emissionen besser verteilt, was auch einen Rückgang zur Folge hatte. Wie bereits mit den vorhergehenden Tiroler Nachtfahrverboten musste sich auch diesmal der VfGH mit dem Nachtfahrverbot nach IG-L im Winterhalbjahr 2002/2003 beschäftigen. Mit Erkenntnis vom 27. November 2003 wurde die erste Nachtfahrverbots-VO vom VfGH bestätigt. Auch die zweite VO vom 27. März wurde mit Erkenntnis vom 2. Dezember 2004 vom VfGH für verfassungskonform erklärt. Zum selben Schluss kam auch der VwGH in seinen Erkenntnissen vom 9. November 2006 und 17. Oktober 2007, wobei auch ausdrücklich die Gemeinschaftsrechtskonformität betont wurde. (ATLR 2004, 35; ATLR 2005, 23; Weiß 2009, 370; Hilpold 2014, 129f) „Er begründete dies damit, dass die Lkw- NachtfahrverbotsV[O] ein geeignetes erforderliches und verhältnismäßiges Mittel seien, um die Grenzwertüberschreitungen bei NO2 im Sanierungsgebiert zu vermeiden.“ (Weiß 2009, 370f) Eine neuerliche zeitliche Ausdehnung erfuhr das Lkw-Nachtfahrverbot im Jahr 2004. Durch eine VO des Landeshauptmanns vom 20. Oktober 2004453 wurde das Nahtfahrverbot auf der A12 zwischen im Winterhalbjahr (1.11 bis 31.04) von 20.00 bis 5.00 Uhr ausgeweitet. Neben den bisherigen Ausnahmen vom Verbot waren nun auch die die eher „umweltfreundlichen“ Lkw der Klassen EURO IV und V ausgenommen, womit ein Anreiz zur Flottenerneuerung gegeben sein sollte. Die NOx-Emissionen dürfen aber nicht mehr als 3,5 g/kWh betragen und müssen mittels eines Dokuments nachgewiesen werden. (ATLR 2005, 15; Obwexer 2006, 357; ATLR 2015454) „Während der zusätzlichen Verbotsstunden

449 URL: [31.03.2015] 450 BGBl. II Nr. 192/2003. 451 BGBl. II Nr. 278/2003. 452 Siehe Fn. 449. 453 LGBl. Tirol Nr. 79/2004. 454 Siehe Fn. 449. 341

(20.00 bis 22.00 Uhr) nahm der Lkw-Verkehr um rund zwei Drittel ab. Die stärksten zeitlichen Verlagerungen traten in den Morgen- sowie in den Abendstunden auf.“ (ATLR 2005, 15) Auch diese dritte Nachtfahrverbots-VO wurde vor dem VfGH geprüft und zwar auf Antrag der Vorarlberger Landesregierung, die gegen die Ausdehnung des Nachtfahrverbotes war und wirtschaftliche Nachteile für Vorarlberg fürchtete. Mit Erkenntnis vom 3. März 2005 wurde die verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit bestätigt. (ATLR 2005, 23; Weiß 2009, 371; Hilpold 2014, 130; DS 20.11.2004, 22.04.2005a; DP 20.11.2004) „Der VfGH führte in seiner Entscheidung aus, dass der Tiroler Landeshauptmann – gestützt auf Gutachten – annehmen konnte, dass das Lkw- Nachtfahrverbot eine ‚zielführende Maßnahme im Sinne des Umweltschutzes sei. In der […] ‚umweltpolitisch fast aussichtslos erscheinenden Lage‘ müsse es zu einer Abwägung der ‚schwerwiegenden Interessen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes‘ mit den negativen wirtschaftlichen Folgen […] kommen.“ (ATLR 2005, 23) Insgesamt brachte das verlängerte

Nachtfahrverbot eine Verbesserung beim NO2-Jahresmittel zwischen minus 4 bis 5%. Allerdings waren die Effekte der Ausweitung von 20.00 bis 22.00 Uhr etwas geringer als erwartet, da in dieser Zeit nur zwei Drittel des Lkw-Verkehrs „verlagert“ wurde anstatt fast 80% beim Nachtfahrverbot ab 22.00 Uhr. (ATLR 2005, 16f) Die Europäische Kommission sah im erweiterten Nachtfahrverbot eine wünschenswerte Alternative zum sektoralen Fahrverbot, die sie bereits mehrmals kundgetan hatte. (EuGH, Rs. C-320/03, I-9871, Rn. 45) Am 11. Oktober 2005 beschloss die Tiroler Landesregierung das so genannte „Aktionsprogramm zur Verbesserung der Luftgüte in Tirol“, das der Tiroler Landtag am 16. November 2005 zur Kenntnis nahm. Das Luftsanierungsgebiet wurde aufgrund der schlechten Messwerte weiter ausgedehnt und 415.629 Tiroler – rund die Hälfte der Gesamtbevölkerung – war davon betroffen. (TT 24.07.2006) Ein Teilbereich stellt das spezifische IG-L Programm für den Verkehr dar. Darin wurden zahlreiche Maßnahmen festgelegt, die stufenweise eingeführt werden sollen. Beim Lkw-Nachtfahrverbot soll eine räumliche Ausdehnung bis 2007 erfolgen sowie die bisherigen Ausnahmen zeitlich befristet und abgeschafft werden (1.11.2008 bzw. 1.11.2009). Schließlich wurden mit der VO des Landeshauptmannes vom 25. November 2006455 die bereits genannten Ziele umgesetzt. Das Nachtfahrverbot wurde von Kufstein bis Zirl West räumlich ausgeweitet und die bisherigen Ausnahmegenehmigungen für die EURO Klassen IV und V zeitlich befristet. Die angekündigte Einführung der EURO Klasse VI verzögerte sich aber bis Ende 2012. Mit der

455 LGBl. Tirol Nr. 91/2006. 342

VO vom 27. Oktober 2010456 bzw. vom 10. Oktober 2011457 wurde die Ausnahmegenehmigung für die EURO Klasse V jeweils um ein Jahr verlängert. 2012 ging die Tiroler Landesregierung davon aus, dass bis zum Auslaufen der Ausnahmeregelung genügend EURO-Klasse-VI-Fahrzeuge am Markt vorhanden sein werden. Mit der VO vom 25. Oktober 2012458 wurde das Nachtfahrverbot weiter ausgedehnt. Seit 1. November 2012 durften nur mehr Fahrzeuge mit EEV- oder EURO-VI-Motoren ohne Ausnahmengenehmigung fahren. Für die EEV-Klasse gilt diese Ausnahme bis 31. Oktober 2013 und für die EURO VI Klasse bis 31. Dezember 2015. (ATLR 2007, 14-16; Hilpold 2014, 130; DS 16.10.2006; ORF ON 29.12.2006, 22.03.2007, 22.04.2010; TT 22.04.2010, 29.11.2012; Ehlotzky 2012, 3; ATLR 2015459) Mit 1. November 2013 liefen die bisher geltenden Ausnahmegenehmigungen aus. Seither dürfen nur mehr schadstoffarme und saubere Lkws mit EURO-VI-Motoren in der Nacht zwischen 20 bzw. 22 Uhr und 5 Uhr früh unterwegs sein. Auch waren bisher Lkw, die verderbliche Waren, dringende Medikamente oder lebende Tiere geladen hatten vom allgemeinen Nachtfahrverbot ausgenommen. Laut LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) braucht es für Ausnahmen künftig eine individuelle Genehmigung, die von den zuständigen Bezirkshauptmannschaften erteilt werden muss. Mit der weiteren Einschränkung sollen die Luftgüte verbessert werden, da es hier nach wie vor zu Überschreitungen kommt. Auch der nächtliche Lärmpegel soll damit weiter gesenkt werden. Die Verschärfung des Nachtfahrverbots soll zudem ein Signal Richtung Brüssel für die Wiedereinführung des sektoralen Fahrverbots sein. Kritik an der Neuregelung kam von der Tiroler Wirtschaftskammer bzw. dem Wirtschaftsbund, die eine Ausnahme für EURO-V-(EEV- )Lkw forderte sowie eine Zunahme der Bürokratie befürchtete. Mobil machte auch der Tiroler Lebensmittelhandel, die vor Versorgungsengpässen für die Bevölkerung warnte. Argumentiert wurde damit, dass die EURO VI Klasse im gerade im Nahverkehr noch nicht ausreichend für Verfügung stehe und die Maßnahme die Tiroler Frächter und nicht den Transitverkehr treffe. (ORF ON 22.10., 31.10.2013; TT 18.10., 22.10., 30.10.2013) Die Tiroler Transportwirtschaft und die Wirtschaftskammer setzen sich aber schon seit längerem für die Aufhebung des Nachtfahrverbotes ein. Als Argument wird angeführt, dass dadurch die untertags überfüllten Straßen entlastet werden. Auch Zweifel an der generellen

456 LGBl. Tirol Nr. 64/2010. 457 LGBl. Tirol Nr. 94/2011. 458 LGBl. Tirol Nr. 119/2012. 459 Siehe Fn. 449. 343

Sinnhaftigkeit wurden laut, da trotz des Rückgangs des Lkw-Verkehrs um ein Viertel die Luftqualität nicht besser wurde.

7.1.2 Geschwindigkeitsbegrenzungen

Im Mai 2005 wurde österreichweit die erste Verkehrsbeeinflussungsanlage (VBA) auf der A12 (Zirl bis Kufstein) und auf der gesamten A13 Brennerautobahn in Betrieb genommen (Probebetrieb ab Herbst 2004). Damit hielt die Telematik auf Tirols Autobahnen Einzug. (ATLR 2004, 19; Obwexer 2006, 359f; Obwexer 2005,45)

Nach den Überschreitungen der NO2-Emissionen im Jahr 2002 und 2003 und der Ausweitung des Nachtfahrverbotes und des sektoralen Fahrverbotes wurden Stimmen nach einer Geschwindigkeitsbeschränkung für Pkw im Luftsanierungsgebiet auf Grundlage des

IG-L laut. Gerade ein Pkw-Tempolimit würde nachweislich zu einer Senkung der NOx- und

PM10-Emissionen führen. Allen voran sah die Europäische Kommission in einer Geschwindigkeitsbeschränkung das wirksamere Mittel zur Schadstoffreduktion als durch ein sektorales Fahrverbot. Gerade im Gemeinschaftsrecht sind die diskriminierungsfreie Ausgestaltung zu beachten und auch der allgemeine Gleichheitssatz. Daher soll der gesamte Verkehr erfasst werden und nicht nur der Schwerverkehr rüber 7,5 t. Die Vorarlberger Landesregierung und die Wirtschaftskammer Tirol schloss sich unter Zuhilfenahme eines wissenschaftlichen Gutachtens der TU Graz dieser Forderung an. Als probates Lösungsmittel wurde nun von Seiten der Tiroler Landesregierung ein flexibles immissionsgesteuertes Tempolimit für Pkw mittels Kundmachung über die VBA ins Spiel gebracht. Durch dieses System würde ein starres Pkw-Tempolimit nicht erforderlich werden und dieses nur dann gelten, wenn es lufthygienisch sinnvoll ist. Allerdings war eine Änderung des bisherigen IG-L notwendig, was im Jahr 2006 geschah.460 Nach der rechtlichen Voraussetzung erfolgte die technische Umsetzung. Bereits im Winter 2006/07 folgte nach der infrastrukturellen Umrüstung der VBA der europaweite erste Testbetrieb der immissionsgesteuerten Tempolimits. (ATLR 2005, 23f; ATLR 2006, 17; Obwexer 2006, 359; Lindenberger Vortrag 2006) Im Tiroler Aktionsprogramm zur Verbesserung der Luftgüte war die Geschwindigkeitsbegrenzung ebenfalls ein zentraler Pfeiler des Maßnahmenbündels. In der ersten Phase wurde ein statisches Tempolimit von 100 km/h im Luftsanierungsgebiet auf der A12 zwischen Kufstein und Zirl West vom 1. November 2006 bis 30. April 2007

460 BGBl. I Nr. 115/1997 idF BGBl. I Nr. 34/2006. 344

eingeführt („Lufthunderter“).461 Bereits im Winterhalbjahr 2005/06 war im Tiroler Oberland auf der A12 zwischen Imst und Zams ein solches Tempolimit eingeführt worden. Diese Maßnahme wurde von den Umweltverbänden als erster Schritt gelobt. Kritik kam vornehmlich von den Autofahrerclubs. Damit leistete auch der Pkw-Verkehr im Jahr 2006/07 einen Beitrag zur Absenkung der Emissionen. Während des Tempolimits gingen die NOx-Gesamtemissionen um ca. 10% zurück, beim PM10 waren es gar 16% (3,4 t) und beim NO2 6% (82 t). Dazu kamen noch ein flüssigerer Verkehrsfluss zu den Stoßzeiten und eine Senkung der Unfallzahlen. Bei allen Messstationen in Autobahnnähe war dieser Rückgang deutlich zu spüren. Seit 8. November 2007 wird das Tempolimit auf der A12 im Abschnitt zwischen Zirl und der Staatsgrenze zu Deutschland mittels der flexiblen immissionsgesteuerten „VBA-Umwelt“ geregelt.462 Laut Berechnungen erreicht dieses flexible Tempolimit aber lediglich 60% des Reduktionspotentials einer ganzjährigen statischen Geschwindigkeitsbegrenzung. Auf diesen Umstand wurde wiederholt von der Kommission hingewiesen. (ATLR 2007, 15f, 18f; DS 16.10.2006; ORF ON 29.12.2006, 4.05., 5.05.2007; ATLR 2015463; Hilpold 2014, 132; Ehlotzky 2012, 3; Lindenberger Vortrag 2006) Wie auch beim Nachtfahrverbot wurden solche Geschwindigkeitsbeschränkungen immer wieder vor den Gerichten bekämpft. Bereits 1993 erkannte der VfGH eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen zur Nachtzeit als zulässig. Mit Erkenntnis vom 20. Juni 2001 sah der VfGH im verordneten Tempo 100 auf der A10 Tauernautobahn (Zederhaustal) keinen Verstoß gegen die Verfassung. Der Begründung der Notwendigkeit aufgrund der ökologischen Situation dieser Beschränkung wurde stattgegeben. Ein ähnliches Urteil des VfGH folgte in einem Erkenntnis vom 25. September 2007 zu einer bekämpften Geschwindigkeitsbeschränkung auf der A1 Westautobahn in Oberösterreich. (Weiß 2009, 370) Im Jahr 2008 musste die VO464 novelliert werden, da aufgrund der VBA-Verordnung IG- L465 der Schaltlogorythmus um ein Prognosemodul erweitert werden musste. Seit 11. Februar 2009 wird auf der A12 der Abschnitt zwischen Zams und Imst die Geschwindigkeit ebenfalls mittels der flexiblen immissonsgesteuerten „VBA-Umwelt“ geregelt. Beide Verordnungen wurden dann zur besseren Übersicht in die VO vom 6. Februar 2009466

461 LGBl. Tirol Nr. 86/2006. 462 LGBl. Tirol Nr. 72/2007. 463 URL: [31.03.2015] 464 LGBl. Tirol Nr. 68/2008 idF 70/2008. 465 BGBl. II Nr. 302/2007. 466 LGBl. Tirol Nr. 19/2009 idF 48/2009. 345

zusammengefasst. Seit 22. April 2011 gilt die VO vom 5. April 2011467, „mit der auf bestimmten Abschnitten der A 12 Inntalautobahn eine immissionsabhängige Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eingeführt wird.“ Mit der VO vom 25. November 2013468 wurde eine Klarstellung hinsichtlich der in der Verordnung enthaltenen Gebietsbeschreibungen vorgenommen. (ATLR 2015469) Nach einem längeren Diskussionsprozess einigte sich die Schwarz-Grüne Landesregierung darauf, dass ab Herbst 2014 auf Teilen der Inntal- und Brennerautobahn Tempo 100 eingeführt wird. Tempo 100 gilt als Voraussetzung für die Wiedereinführung des sektoralen Fahrverbotes für Lkw. Bereits seit längerem wurden aber die Grenzwerte bei den Schadstoffen überschritten. Bis 2020 müsste Tirol ohnehin die Belastung bei den Stickstoffoxiden um ein Drittel senken, ansonsten droht ein EU- Vertragsverletzungsverfahren. Im Gegensatz zum grünen Koalitionspartner hatte sich die ÖVP lange vehement gegen Tempo 100 auf den Tiroler Autobahnen ausgesprochen (siehe Punkt 7.1.4). In ihrer Sitzung vom 24. Juni 2014 fixierte die Landesregierung einerseits den Kraftwerksausbau und andererseits die Einführung von Tempo 100. Die Tempobeschränkung gilt vorerst befristet für ein Jahr (Stand März 2015) auf der Inntalautobahn zwischen Kufstein und Zirl, zwischen Karrösten und Zams und auf der Brennerautobahn zwischen Schönberg und Innsbruck. Mit der VO vom 17. November 2014470 wurde die permanente Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf Teilabschnitten der Inntal- und Brennerautobahn mit Wirksamkeit 20. November 2014 erlassen. Damit wurde die VO vom 25. November 2013 außer Kraft gesetzt. (ATLR 2015471) LH Günther Platter (ÖVP), der bisher Tempo 100 ablehnte, argumentierte seinen Meinungsumschwung damit, dass die Gesundheit der Tiroler Bevölkerung gefährdet sei. Damit sollen die Schadstoffe um bis zu 15 Prozent gesenkt werden. In dem Maßnahmenpakt zum Verkehr sind neben der neuerlichen Einführung des sektoralen Fahrverbots für Lkw im November 2015 (siehe Punkt 7.1.4) auch die stufenweise Ausdehnung des Fahrverbots für Schwerfahrzeuge sowie ein Förderpaket für die Stilllegung von schadstoffeichen Lkw und Bussen und die Umrüstung auf schadstoffarme Fahrzeuge enthalten. Heftige Kritik auf die Einigung in der Koalition sowie auf das Junktim zwischen Kraftwerksausbau und Tempo 100 erntete die Landesregierung von der Opposition. Die FPÖ nannte Tempo 100 „einen

467 LGBl. Tirol Nr. 36/2011. 468 LGBl. Tirol Nr. 129/2013. 469 Siehe Fn. 463. 470 LGBl. Tirol Nr. 145/2014. 471 Siehe Fn. 463. 346

Kniefall der ÖVP vor den Grünen.“ Auch die Liste Fritz ortete einen „Kuhandel“. Transitforum-Austria-Obmann Fritz Gurgiser forderte für eine weitere Schadstoffreduzierung und für die Verkehrssicherheit ein zusätzliches Lkw-Tempolimit auf 60 oder 70 km/h. Zudem solle Tempo 100 auf den gesamten Korridor zwischen Rosenheim und Verona ausgedehnt werden. Laut Gurgiser müsse es auch effiziente Kontrollen und rigorose Strafen geben. (DS 24.06.2014; ORF ON 24.06.2014; TT 24.06., 25.06. 26.06.2014)

7.1.3 Fahrverbot für emissionsintensive Schwerfahrzeuge

Die Forderungen nach einen Fahrverbot für die besonders schadstoffreichen Lkw der Klassen EURO 0, I und II bestand schon seit längerem. Auch die Nachfolgeregelung des Transitprotokolls enthielt ein solches Durchfahrtsverbot für die Klasse EURO 0. Lediglich die Klassen EURO I und II hätten für den Transit durch Österreich Punkte entrichten müssen (vgl. Punkt 6.3.2). In Tirol stießen solche Pläne eines Verbotes der EURO Klassen 0 und I immer auf heftigen Widerstand, da besonders die Tiroler Bauwirtschaft mit vorrangig solchen „alten Stinkern“ ausgerüstet war. Das Tiroler Luftaktionsprogramm sah nach den bereits erwähnten Maßnahmen auch ein Verbot dieser Motorklassen vor. Am 24. November 2006 erließ der Landeshauptmann eine VO472, die das Fahrverbot besonders emissionsintensiver Schwerfahrzeuge über 7,5 t auf der A12 Inntalautobahn zwischen Kufstein und Zirl (Luftsanierungsgebiet) vorsieht. Seit 1. Jänner 2007 gilt dieses Fahrverbot für Sattelfahrzeuge und Lkw mit Anhänger über 7,5 t, deren NOx-Emission den Grenzwert von 7,0 g/kWh übersteigt (EURO 0 und I). Ab 1. November 2008 wurde dieser Grenzwert auf 5,0 g/kWh abgesenkt und dadurch auch die EURO Klasse II mit einem Fahrverbot belegt. Schließlich durften ab 1. November 2009 auch Lkw ohne Anhänger der Klassen EURO 0 und I auf der A12 nicht mehr fahren. Diese Maßnahme wurde vom Transitforum aber als „Augenauswischerei“ bezeichnet, da diese Fahrzeugklassen kaum noch in Verwendung sind. Der Tiroler Umweltlandesrat Hannes Gschwentner (SPÖ) sah dies anders, denn durch die dreijährige Übergangsphase hatte die Transportwirtschaft genügend Zeit zur Umstellung. (ATLR 2007, 16; Hilpold 2014, 133; DS 16.10.2006; ORF ON 29.12.2006, 7.02., 22.03.2007, 2.12.2009; Befragung Bachmann 2006; Ehlotzky 2012, 3; ATLR 2015473) ) „Gemäß Zahlen des Landes werden 77% der Fahrten auf der A12 von Lkw EURO V und VI durchgeführt.“ (Hilpold 2014, 133)

472 LGBl. Tirol Nr. 90/2006. 473 URL: [31.03.2015] 347

Weitere Fahrverbote für die Klassen EURO 0 und I wurden auch auf dem Brennerkorridor verabschiedet. Bereits 2005 vereinbarten die drei Länder der „Euregio Tirol“ ein gemeinsames Auftreten gegen die Belastungen des Transitverkehrs. Im November 2006 unterzeichneten die Euregio-Landeshauptleute von Tirol, Südtirol und dem Trentino eine Programmvereinbarung zur Verbesserung der Luftqualität im sensiblen Korridor Brenner. Darin wurde ein totales Fahrverbot für Lkw über 7,5 t der Klassen EURO 0 und I auf dem italienischen Teil der Brennerautobahn (zwischen Brenner und Verona) sowie auf der Brenner Staatsstraße vom 1. November bis 30. April vereinbart. Das Verbot trat nach einer Verordnung des italienischen Verkehrsministeriums am 10. Jänner 2007 in Kraft und galt bis 30. April. Damit waren die besonders „alten Stinker“ zwischen Wörgl und Verona von der Autobahn verbannt. (TT 2.11.2006; ORF ON 6.12.2005, 4.05.2006) Nach wie vor (Stand März 2015) gibt es aber kein Fahrverbot für die Klassen EURO 0, I und II auf der gesamten Transitstrecke zwischen Rosenheim und Verona.

7.1.4 Das sektorale Fahrverbot

Bereits 1993 erließ die Tiroler Landesregierung ein sektorales Fahrverbot für Lkw auf der B312 Loferer Straße. Mit der VO vom 13. Juli 1993474 wurde das Fahrverbot auf § 43 Abs. 2 StVO 1960 idgF gestützt. Wie bereits erwähnt, wurde auch diese verkehrsbeschränkende Maßnahme vor der VfGH bekämpft. Allerdings sah auch hier der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 1995475 keinen Verstoß gegen die Verfassung. (Weiß 2009, 371) Begründet wurde dies damit, dass sich „[…] eine doppelte Einschränkung des Verkehrsverbotes auf bestimmte Schwerfahrzeuge […] als notwendig [erweise], um sowohl dem gesetzlich vorgegebenen Zweck des Fahrverbotes als auch der seiner Erlassung zwingend vorgegebenen Interessensabwägung gerecht zu werden.“ (Weiß 2009, 371) Zudem sah der VfGH auch nicht den Gleichheitssatz verletzt und ebenso wenig die garantierten Rechte aus Erwerbsfreiheit sowie auf Freizügigkeit des Vermögens. (Weiß 2009, 371) Die weitreichendste Maßnahme der Tiroler Landesregierung, zu der sie sich aufgrund der

Grenzwertüberschreitung für NO2 im Jahr 2002 bzw. 2003 gezwungen sah, war das sektorale Fahrverbot auf einem Teil der A12 Inntalautobahn. Mit VO vom 27. Mai 2003476 erließ der Landeshauptmann von Tirol auf Grundlage der §§ 10, 11 und 14 IG-L „auf der A12 Inntalautobahn verkehrsbeschränkende Maßnahmen (sektorales Fahrverbot)“ auf

474 LGBl. Tirol Nr. 58/1993. 475 VfGH, Erkenntnis vom 20.06.1995, VfSlg 14169/1995. 476 BGBl. II Nr. 279/2003. 348

unbestimmte Zeit. Dadurch sollten rund 200.000 Lkw von der Straße auf die Schiene verbannt werden (rund 13% des damaligen Gesamtaufkommens). Mit dem IG-L wollte die Tiroler Landesregierung nach ihrer Sicht die einzige Möglichkeit nutzen, um sich mit einer Ersatzregelung für das auslaufende Transitprotokoll gegen den Transit zu wehren. In § 1 der VO wird als Zielbestimmung die Verringerung der durch den Menschen beeinflussten Emissionen, die zur Grenzwertüberschreitung geführt haben, und die Verbesserung der Luftqualität genannt. Dadurch soll der dauerhafte Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Tier- und Pflanzenwelt und der Sach- und Kulturgüter gewährleistet werden. Als „Luftsanierungsgebiet“ wurde der rund 46 km lange Abschnitt der A12 zwischen Kundl und Ampass festgelegt. Gemäß § 3 der VO ist in diesem Sanierungsgebiet das Fahren mit Lkw oder Sattelfahrzeugen sowie von Lkw mit Anhängern mit einer höchst zulässigen Gesamtmasse von über 7,5 t zum Transport folgender bahnaffine Güter verboten: alle Abfälle (gem. Abfallverzeichnis der EK, vgl. E 200/52/EG477), Getreide, Rundholz und Kork, Nichteisen- und Eisenerze, Steine, Erden, Aushub, Kraftfahrzeuge, Anhänger und Baustahl. Angeführt wird auch, dass das Verbot direkt wirkt und es keiner bescheidmäßigen Anordnung einer Behörde bedarf. Schließlich enthält der § 4 die Ausnahmen vom sektoralen Fahrverbot. Ausgenommen sind alle Kraftfahrzeuge bei Fahrten zum Zweck einer Ladetätigkeit in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, deren Ausgangs- oder Zielpunkt im Stadtgebiet von Innsbruck bzw. in den Bezirken Innsbruck-Land, Schwaz und Kufstein liegt. Daneben sind hier auch noch die Ausnahmen gem. § 14 Abs. 2 IG-L idgF zu beachten (vgl. Punkt 4.1.6). Die VO hätte mit 1. August 2003 unmittelbar in Kraft treten sollen, wozu es allerdings nicht kam. (Obwexer 2006, 363; Obwexer 2005, 45f; Obwexer 2006a, 213f; Weiß 2009, 371; Wasserer 2009, 116; Obwexer 2012, 80; Hilpold 2014, 130; DP 6.05.2003) In der heißen Phase der Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung für das Ende 2003 auslaufende Transitabkommen brachte dieses sektorale Fahrverbot zusätzliche Brisanz. Das sektorale Fahrverbot für Schwerfahrzeuge hätte auf einer der wichtigsten Nord-Süd- Transitverbindungen zu einem totalen Verbot für einen nicht unerheblichen Teil von Transporten geführt. Praktischerweise war aber der heimische (Tiroler) Lkw-Verkehr durch die Ausnahmen befreit. Gerade diese Störung des Handelsverkehrs zwischen Deutschland und Italien und die kurze Ankündigung des Inkrafttretens rief sofort die Kommission auf

477 E 2000/532/EG der Kommission vom 3.05.2000 zur Ersetzung der Entscheidung 94/3/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß Artikel 1 Buchstabe a) der Richtlinie 75/442/EWG des Rates über Abfälle und der Entscheidung 94/904/EG des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle, ABl. L 226 vom 6.9.2000, 3-24 idF E 2001/573/EG des Rates vom 23.07.2001, ABl. L 203 vom 28.7.2001, 18-19. 349

den Plan. Diese wollte das Inkrafttreten der VO unbedingt verhindern und ging ungewöhnlich schnell rechtlich dagegen vor. Bereits am 25. Juni 2003 leitete die Kommission gegen Österreich mit einem Mahnschreiben ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2003/2123) gemäß Art. 258 AEUV (ex-Art. 226 EGV) ein. Die österreichische Antwort folgte am 3. Juli. Nach der aus Kommissionssicht unzureichenden österreichischen Stellungnahme folgte bereits am 9. Juli ein weiteres Schreiben aus Brüssel, worauf Österreich am 18. Juli antwortete. Nach nicht einmal einem Monat seit Ausfertigung des Mahnschreibens ging am 24. Juli 2003 die Klageschrift der Kommission beim EuGH ein.478 Die Kommission war der Ansicht, dass Österreich damit gegen wichtige primär- und sekundärrechtliche Vorgaben verstoßen würde. Eine Behinderung des freien Warenverkehrs liegt eindeutig vor, da diese Maßnahme für die betroffenen Frächter einen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand bedeuten würde. Durch das Fahrverbot werde auch der internationale Transitverkehr indirekt diskriminiert, da für den lokalen bzw. nationalen Verkehr Ausnahmen vom Verbot gelten. Diese Ausnahmen lassen sich mit Umweltschutzargumenten nicht untermauern. Zudem fehlen die Verhältnismäßigkeit und ebenso alternative Maßnahmen, die mit weniger Behinderung des freien Warenverkehrs denselben Zieleffekt hätten. Ein weiterer Verstoß liegt auch gegen die Dienstleitungsfreiheit im Straßengüterverkehr (VO 881/92) sowie gegen die Kabotagefreiheit (VO 3118/93) vor. Mit besonderem Schriftsatz vom 25. Juli 2003 beantragte die Kommission zudem, dass gemäß 278 und 279 AEUV (ex-Art. 242 und 243 EGV) Österreich im Wege einer einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet wird, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Vollzug der strittigen VO auszusetzten. Dies soll solange geschehen bis der Gerichtshof in der Hauptsache entscheidet. (Obwexer 2006, 364f; Obwexer 2005, 47; Obwexer 2006a, 214; Obwexer 2012, 80; EuGH, Rs. C-320/03 R, I-7929 ff, Rn. 1f, 24; Weiß 2009, 372; Wasserer 2009, 116; Sallinger 2004, 389; Sauer 2014, 47; DP 25.06.2003) Dieser Argumentation folgte der EuGH mit Beschluss des Präsidenten Gil Carlos Rodriguez Iglesias vom 30. Juli 2003.479 Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wurde die VO über das sektorale Fahrverbot vorläufig ausgesetzt. Im Vorfeld beharrte Tirol trotz Warnungen von Europarechtsexperten und eines drohenden Vertragsverletzungsverfahrens auf die Umsetzung des Fahrverbotes. Mit Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen am 28. September 2003 zeigte der Tiroler LH Herwig van Staa (ÖVP) und sein Koalitionspartner SPÖ weiterhin Härte im Transitkampf. In Tirol zeigte man sich über die Europäische Kommission empört und enttäuscht, dass die Warenverkehrsfreiheit über dem

478 EuGH, Rs. C-320/03 (Kommission/Österreich), Klageschrift; ABl. C 226 vom 20.09.2003, 10f. 479 EuGH, Rs. C-320/03 R (Kommission/Österreich), Beschluss vom 30.07.2003, Slg. 2003, I-7929ff. 350

Schutz der Gesundheit und der Umwelt steht. Nach der Aussetzung sollte ein neues Verbot, wie von der Kommission gefordert, die EURO Klassen 0 und I von der Straße verbannen. Dagegen lief allerdings die Tiroler Wirtschaft als Hauptbetroffener Sturm und die Verordnung wurde vorläufig nicht verabschiedet. Gerade hier zeigte sich wieder das doppelte Spiel der Tiroler Politik. Man wollte die „alten Stinker“ der heimischen Unternehmen nicht verbieten und verwies lieber auf die „bösen“ Transit-Lkw, wobei aber bewusst vergessen wurde, dass die internationalen Lkw-Flotten seit den 1990er Jahren mit den schadstoffärmeren EURO-Klassen unterwegs waren. (Sprenger 2004, 232; Hilpold 2014, 130; DS 25.07., 31.07., 2.08.203; DP 2.04., 31.07.2003; NZZ 31.07.2003; SN 26.06.2003) In Folge traten Deutschland und Italien der Kommission als Streithelfer bei. Während des weiteren Verfahrens unterstützten auch noch die Niederlande die Kommission als Streithelferin. Allen voran wurde von diesen der Umstand angeführt, dass die kurze Zeitspanne (zwei Monate) des Erlasses und des Inkrafttretens der VO zu erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Frächter (Logistik- und Finanzprobleme) und auf das Funktionieren des Binnenmarktes führe. Laut deutschen Angaben würde das Fahrverbot rund 54.000 Fahrten zwischen Deutschland und Italien betreffen. Unzureichend ist auch die angebotene Ersatzlösung der Verlagerung auf die Bahn (nur „RoLa“-Transport) bzw. das Benützen von erheblich weiteren Ausweichroten (höhere Kosten). Bestritten wurde allerdings von den Streitparteien nicht, dass die NO2-Emissionen im Jahr 2002 überschritten wurden, aber die VO wurde nur wenige Monate nach dem Nachtfahrverbot erlassen und somit konnte dessen Auswirkung auf die Emissionen nicht ausreichend geprüft werden. Beim Thema Diskriminierung konnte aber nach der ersten Prüfung nicht ausgeschlossen werden, dass sie indirekt sei, obwohl vom Fahrverbot auch österreichische Frächter betroffen waren. Die einstweilige Anordnung der Aussetzung der VO über das sektorale Fahrverbot wurde dann, nach Anhörung der Streitparteien, vom Präsidenten des EuGH mit Beschluss vom 2. Oktober bis 30. April 2004 verlängert.480 Die Streitparteien wurden aufgefordert bis Februar 2004 Informationen über die Entwicklung der Luftqualität im Luftsanierungsgebiet sowie über die Auswirkungen des nun ganzjährig gültigen Nachtfahrverbots und über die Perspektiven des Transports per Bahn und der allfälligen Ausweichrouten vorzulegen. (Obwexer, 2006, 365f; Obwexer 2005, 48; Obwexer 2006a, 214; EuGH, Rs. C-320/03 R, I-11655, Rn. 51, 57, 65-75, 105-108)

480 EuGH, Rs. C-320/03 R (Kommission/Österreich), Beschluss vom 2.10.2003, Slg. 2003, I 11665ff. 351

Allerdings kam es bis zum vorgegebenen Termin des Gerichtshofes zu keiner Eignung zwischen den Streitparteien und durch die nachgereichten Argumente wurden keine neuen Erkenntnisse vorgelegt. Daher verlängerte EuGH-Präsident Vassilios Skouris den Beschluss der Aussetzung des sektoralen Fahrverbotes am 27. April 2004 bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichtshofes.481 In seinem Beschluss verwies der EuGH auch noch auf weitere effektivere Alternativmaßnahmen zur Verringerung der Schadstoffmaßnahmen, wie z. B. Fahrverbote für Schwerfahrzeuge der Klassen EURO 0, I und II oder ein generelles Tempolimit. Eine Kombination aus diesen Maßnahmen könne zu einer erheblichen Verringerung der Schadstoffemissionen führen. (Obwexer 2006, 370; Obwexer 2005, 52; Obwexer 2006a, 214f; EuGH, Rs. C-320/03 R, I-3593, Rn. 23-26; DP 28.04.2004) Die einstweilige Anordnung des EuGH führte zu einer „Sperrwirkung“, in welcher das Land Tirol die VO über das sektorale Fahrverbot (oder sachlich ähnlich lautende Verbote) bis zur endgültigen Entscheidung nicht vollziehen durfte. Mit VO vom 28. April setzte der Landeshauptmann von Tirol das sektorale Fahrverbot vorläufig bis zur allfälligen Entscheidung des EuGH aus. (Obwexer 2006, 371; Obwexer 2005, 51; Obwexer 2006a, 215) Schließlich folgten am 14. Juli 2005 die Schlussanträge des Generalanwaltes Leendert A. Geelhoed.482 Laut den Ausführungen des Generalanwaltes sollte der Gerichtshof feststellen, dass das sektorale Fahrverbot „[…] wegen seiner unzulänglichen Vorbereitung, des Fehlens vorheriger Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und der Kommission sowie der extrem kurzen Frist für die Einführung des Verbots mit den Verpflichtungen der Republik Österreich nach Art. […] [34 bis 36 AEUV] unvereinbar ist.“ (EuGH; Rs. C-320/03, Slg. 2005, I-9871, Rn. 124; vgl. Obwexer 2006, 371; DP 14.07.2005) Zur Vereinbarkeit mit den Luftqualitätsrichtlinien führte der Generalanwalt folgende Argumente an: Festgestellt wurde, dass das IG-L die europarechtlichen Vorgaben der Luftqualitätsrahmenrichtlinie richtig umsetzt. Allerdings kann das sektorale Fahrverbot, wie nachfolgend angeführt, nicht auf Art. 8 Abs. 3 der Luftqualitäts-RL 96/92/EG gestützt werden, obwohl die Mitgliedstaaten bei Überschreitung der Grenzwerte vorgeschriebene Maßnahmen ergreifen müssen. Zudem haben auch die Grenzwerte für NO2, die zwar erst ab 2010 gültig sind, gewisse Rechtsfolgen. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten dieses Ergebnis innerhalb der gesetzten Frist stufenweise erreichen müssen. Daher waren die österreichischen Behörden zum Handeln verpflichtet. Gemäß Art. 8 Abs. 3 der RL 96/92/EG hätte die österreichische

481 EuGH, Rs. C-320/03 R (Kommission/Österreich), Beschluss vom 27.04.2004, Slg 2004, I-3593ff. 482 EuGH, Rs. C-320/03 (Kommission/Österreich), Schlussanträge des Generalanwaltes Geelhoed, Slg. 2005, I-9871ff. 352

Regierung nach der Feststellung des Problems ein Programm oder einen Plan samt Zeitplan (detailliertes Aktionsprogramm) für dessen Durchführung erlassen müssen Dieser Plan oder Programm muss die in Anhang IV der RL 96/92/EG aufgezählten Informationen, wie z. B. Einzelheiten des Überschreitungsortes, den Verschmutzungsursprung sowie eine Lageanalyse über bestehende und beabsichtigte Maßnahmen, enthalten. Ferner müssen die Maßnahmen geeignet sein, wenn sie speziell auf die Verringerung bestimmter Schadstoffe ausgerichtet sind (unter Beachtung der örtlichen Topographie). Die im österreichischen IG- L angeführten Maßnahmen (§10, 11 und 14) sind aber zu allgemein formuliert und kein Plan oder Programm im Sinne des Art. 8 Abs. 3 iVm Anhang IV der RL 96/92/EG. Obwohl das sektorale Fahrverbot auf Grundlage des IG-L verordnet worden ist, wurde es aber eindeutig nicht im Rahmen eines zusammenhängenden Maßnahmenkomplexes (Programm oder Plan) zur Verringerung der NO2-Emissioen im betreffenden Gebiet erlassen. (EuGH. Rs. C-320/03, I-9871, Rn. 73, 80-84; Obwexer 2006, 372f) Eine Möglichkeit für umweltschutzbedingte Maßnahmen bietet in diesem Fall der Art. 193 AEUV (ex-Art. 176 EGV). Dieser Artikel erlaubt Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, die über die Vorgaben des Art. 192 AEUV (ex-Art. 175 EGV) hinausgehen. Allerdings dürfen diese Maßnahmen nicht die sonstigen Bestimmungen des AEUV verletzten. In diesem Fall darf keine Verletzung des freien Warenverkehres und der Dienstleistungsfreiheit im Transportsektor vorliegen. (EuGH, Rs. C-320/03, I-9871, Rn. 85; Obwexer 2006, 373) Grundsätzlich wird zum freien Warenverkehr festgestellt, dass die Beförderung von Waren auf den wichtigsten gemeinschaftlichen Verkehrsachsen des Straßennetzes grundsätzlich sichergestellt werden muss. Daher stellt ein vollständiges Transportverbot für bestimmte Güter eine Blockade dar und ist als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine Einfuhrbeschränkung zu beurteilen. Allerdings liegt im vorliegenden Fall keine mittelbare Diskriminierung vor, obwohl Ausnahmen für den lokalen Ziel- und Quellverkehr vorhanden sind. Eine solche Maßnahme bedingt Ausnahmen für die Beförderungen mit dem Ziel- oder Ausgangspunkt im Luftsanierungsgebiet. (EuGH, Rs. C-320/03, I-9871, Rn. 94f; Obwexer 2006, 373) Beim Thema Rechtfertigung des sektoralen Fahrverbotes wird festgehalten, dass es grundsätzlich aus Umweltschutzerwägungen erlassen und vollzogen werden kann. Zum Zwecke des Umweltschutzes erlassene Maßnahmen sind zulässig, auch wenn diese den Handel mit eingeführten Waren stärker behindern als mit inländischen Waren. Allerdings fehlt seitens des EuGH in diesem Bereich eine eindeutige Rechtsprechung. (EuGH, Rs. C- 320/03, I-9871, Rn. 104, 108; Obwexer 2006, 374; Befragung Aschwanden 2006)

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Schließlich stellt sich noch die Verhältnismäßigkeit des sektoralen Fahrverbotes. Ersteres betrifft die Vorbereitung dieser weitreichenden Maßnahme. Da das Ziel dieses Fahrverbotes die Verlagerung der Beförderung der betroffenen Güter von der Straße auf die Schiene ist, hätte auch im Vorfeld geprüft werden müssen, ob genug Schienenkapazitäten zur Verfügung stehen. Aus Gründen der Transparenz und um die Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht als vereinbar anzusehen können, müsste diese Information im Vorfeld deutlich kund gemacht werden. Trotzdem haben die österreichischen Behörden bei der Vorbereitung des sektoralen Fahrverbotes nicht berücksichtigt, ob das Ziel der Verringerung der Schadstoffemissionen durch andere und weniger beschränkende Maßnahmen erreicht werden könnte. Auch wurden nicht andere Alternativen berücksichtigt, wie die Beförderung der betroffenen Güter mit anderen Verkehrsträgern oder über andere Straßenverbindungen. Zweitens verletzte Österreich die in Art. 4 EUV (ex-Art. 10 EGV) festgelegten Pflichten der Konsultation der betroffenen Mitgliedstaaten und der Kommission. Gerade eine so weitreichende Maßnahme für die betroffenen Sektoren bedingt dies, was aber von Österreich im Vorfeld gänzlich unterlassen wurde. Drittens muss den betroffenen Sektoren ausreichend Zeit gegeben werden, um sich einer solchen gravierenden Veränderung anzupassen. Eine solche Maßnahme kann nur schrittweise und mit einer ausreichend langen Übergangszeit eingeführt werden. Eine solche Übergangszeit kann mehrere Jahre dauern. Die Frist von zwei Monaten, die zwischen dem Erlass und dem Inkrafttreten des sektoralen Fahrverbotes liegt, ist eindeutig zu kurz und daher unverhältnismäßig. Daher ist die Art, in welcher das spektrale Fahrverbot eingeführt werden sollte, unverhältnismäßig und mit dem Art. 34 AEUV (ex-Art. 28 EGV) unvereinbar. Daraus resultierend liegt aber kein ein Verstoß gegen die Art. 1 bis 3 der VO 881/92 (freier Zugang zum Güterverkehrsmarkt) und die Art. 1 bis 6 der VO/3118/93 (Kabotage) vor. (EuGH, Rs. C-320/03, I-9871, Rn. 113- 116; Obwexer 2006, 374-376; Obwexer 2012, 86; Ehlotzky 2014, 43f) Am 15. November 2005 verurteilte der EuGH schließlich Österreich (Urteil Sektorales Fahrverbot I).483 Im Wesentlichen folgte die große Kammer des Gerichtshofes dabei den Schlussanträgen des Generalanwaltes Geelhoed. Die VO des Landeshauptmanns von Tirol vom 17. Mai 2003 über das sektorale Fahrverbot verstößt gegen die Warenverkehrsfreiheit und insbesondere gegen die Art. 34 und 35 AEUV (ex-Art. 28 und 29 EGV). Zwar sind der Umweltschutz sowie der Schutz der Luftqualität wesentliches Ziel der Union, aber in der konkreten VO war der Gerichtshof zum Urteil gekommen, dass die Verhältnismäßigkeit verletzt wurde. Gerade der Übergangszeitraum von lediglich zwei Monaten vom Erlass der

483 EuGH, Rs. C-320/03, Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 15.11.2005, Slg. 2005, I-9871ff. 354

VO bis zum Inkrafttreten derselben war viel zu kurz und den betroffenen Wirtschaftstreibenden für eine schnelle Anpassung unzumutbar. (Obwexer 2006, 376; Obwexer 2006, 216f; Weiß 2009, 372; Obwexer 2012, 80; Hilpold 2014, 130; EuGH, Rs. 320/03, Slg. 2005, I-9871, Rn. 90-92, 96; DS 15.11.2005c; DP 15.11.2005; ORF ON 15.11.2005; TT 15.11.2005) In seinem Urteil stellt der EuGH fest, dass die VO über das sektorale Fahrverbot den freien Warenverkehr behindert, da sich die betroffenen Frächter kurzfristig um wirtschaftlich vertretbare Transportalternativen umsehen müssen. Dies fällt laut Wasserer unter das sehr weite Beschränkungsverbot der „Dassonville-Formel“. Berücksichtigt wurde lediglich die mitgliedstaatliche Verletzung des Gemeinschaftsrechtes durch die Unverhältnismäßigkeit. Auch bisher wurde in der Rechtsprechung das Verhältnismäßigkeitsprinzip sehr restriktiv ausgelegt. Die aufgeworfene Frage einer diskriminierenden Wirkung des Fahrverbotes wurde überhaupt nicht behandelt. (Wasserer 2009, 122) Allerdings verneinte der Gerichtshof im selben Urteil nicht grundsätzlich das Verbot einer Einführung eines sektoralen Fahrverbotes. „Daraus resultiert im Umkehrschluss, dass ein Fahrverbot für den Transport bestimmter Güter mit der Freiheit des Warenverkehrs vereinbar ist, sofern es dem Umweltschutz dient und verhältnismäßig ist.“ (Obwexer 2006, 376; vgl. Obwexer 2006a, 218; vgl. Bidner Interview 2008) In diesem Punkt ist erstmals eine klare Trendwende in der bisherigen Verkehrspolitik festzustellen. „Damit geht der GA [Generalanwalt] erstmals vom bisher stets vertretenen Grundsatz der ‚Neutralität der Verkehrsträger‘ ab und gibt Argumenten für eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene zum Schutz der Umwelt und wohl auch der öffentlichen Gesundheit Raum […].“ (Hummer 2005, 90; vgl. Obwexer 2006a, 220f) Ein sektorales Fahrverbot ist aber nur die ultimativ letzte Maßnahme, falls alle anderen möglichen und weniger den freien Warenverkehr behindernden Verkehrsbeschränkungen zu keiner signifikanten Schadstoffreduktion führen. Falls eine solche Einführung notwendig sein sollte, wäre aber nur eine schrittweise und über Jahre dauernde Übergangszeit vorstellbar. (Luif 2007, 201) Bleibt noch die Tiroler Vorgangsweise zu hinterfragen. Die überhastete Einführung des sektoralen Fahrverbots war sicherlich etwas dilettantisch. Gerade die bewusste Missachtung des von der EU geforderten Maßnahmenbündels und die Nichtinformierung der Nachbarstaaten bleiben unverständlich. Nicht einmal die ebenfalls vom Transit geplagten Südtiroler wurden im Vorfeld informiert und schieden somit als Partner aus. Bleibt der fahle Nachgeschmack eines politischen Schnellschusses mit Blick auf die Landtagswahlen 2003. (DS 15.07.2005; Befragung Gurgiser 2006; Befragung Lamprecht 2006)

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Damit war aber die neuerliche Erlassung eines sektoralen Fahrverbotes durch die Tiroler Landesregierung noch nicht vom Tisch. Nach der parallelen Niederlage Österreich in der Nichtigkeitsklage gegen die Nachfolgeregelung zum Transitprotokoll Anfang 2006 (vgl. Punkt 6.3.3) kam das sektorale Fahrverbot als einzig mögliche Alternative zur Transiteindämmung wieder ins Spiel. (ORF ON 27.01, 29.01.2006; TT 27.01.2006) Eine rasche erneute Einführung durch die Tiroler Landespolitik wurde gefordert, wobei aber mit einer Vorlaufzeit von bis zu zwei Jahren gerechnet wurde. Als Reaktion auf das Urteil in der Rs. C-320/03 folgte aber eine umfangreiche und gewissenhafte Einarbeitung der Erkenntnisse desselben in die neue Verordnung. Als erstes wurde das vom EuGH als ausständig urgierte Programm gemäß Anhang IV der RL 96/92/EG durch eine Novellierung des IG-L eingeführt. Dadurch muss der jeweilige LH ein Programm zur Reduzierung der Schadstoffe erstellen (gemäß Verursacherprinzip) und konkrete Maßnahmen anordnen. Es folgten weitere auf dem Programm aufbauende Studien zu den Auswirkungen von weniger weitreichenden Maßnahmen zur Erreichung der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Grenzwerte. Daher wurden die flexible Geschwindigkeitsbeschränkung für Pkw und das Fahrverbot für besonders emissionsintensive Schwerfahrzeuge erlassen sowie eine Kampagne für den richtigen Umgang mit Holzheizungen imitiert (vgl. Punkt 7.1.2 und 7.1.3). Daneben wurden auch die möglichen Transportalternativen ausreichend überprüft und auf die zu verlagernden Güter abgestimmt. Im dieser Phase folgten diesmal auch intensive Konsultationen mit der Kommission, den Nachbarstaaten und Regionen sowie mit Vertretern der Wirtschaft. Mit der Umsetzung der vom EuGH im Urteil in der Rs. C-320/03 vorgegebenen Punkte war die Tiroler Landesregierung zuversichtlich, dass die Verordnung diesmal halten würde. Allerdings nahm man von österreichischer Seite vornherein eine einstweilige Verfügung und den Klageweg in Kauf. (Wasserer 2009, 124f; ATLR 2007, 16f; Obwexer 2006, 378f; Hussl 2005, 37; Befragung Gurgiser 2006; Obwexer Interview 2005; Bidner Interview 2008; ORF ON 30.11., 4.12.2007) Nach dieser gründlichen Vorbereitungsphase folgte am 17. Dezember 2007 auf Grundlage der §§ 10 und 16 Abs. 1 Ziff. 4 IG-L idgF die VO des Landeshauptmanns, mit der auf der A12 Inntalautobahn der Transport bestimmter Güter im Fernverkehr verboten wird (Sektorale Fahrverbot-VO).484 Die VO verbannt bestimmte Güter von der Straße und soll zu einer teilweisen Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene beitragen. Die Zeitbestimmung in § 1 der VO über das neue sektorale Fahrverbot entspricht im Wesentlichen jenem vom 2003. Diesmal wurde aber das sektorale Fahrverbot für die

484 LGBl. Tirol Nr. 92/2007. 356

erfassten Gütergruppen mittels eines Stufenplans erlassen. Die erste Stufe trat gemäß § 3 am 2. Mai 2008 in Kraft. Darin wurden Lkw oder Sattelkraftfahrzeugen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t sowie Lkw mit Anhängern, bei denen die Summe der höchst zulässigen Gesamtgewichte beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, der Transport von Abfällen (gem. Abfallverzeichnis der EK, vgl. E 200/52/EG485), Steinen, Erden und Aushub auf einem bestimmten Teilabschnitt der A12 verboten. Dieses Verbot um fasst die A12 Inntalautobahn zwischen dem Streckenkilometer 6,35 (Gemeindegebiet Langkampfen) und Streckenkilometer 90,00 (Gemeindegebiet Zirl). Durch diese erste Phase erhoffte die Tiroler Landesregierung rund 35.000 Transitfahrten im Jahr 2008 auf die Schiene zu verlagern. Eine Erweiterung des Fahrverbotes sollte mit der Einführung der Stufe zwei folgen. Gemäß § 3 dürfen ab 1. Jänner 2009 auch kein Rundholz und Kork, Nichteisen- und Eisenerze, Kraftfahrzeuge und Anhänger, Stahl (ausgenommen Bewehrungs- und Konstruktionsstahl für die Belieferung von Baustellen), Marmor und Travertin sowie Fliesen im angegebenen Sanierungsgebiet befördert werden. Davon betroffen wären rund 170.000 Fahrten. Insgesamt würden dann rund 200.000 Fahrten von rund 2 Mio. Fahrten verlagert werden. Die Ausnahmen wurden diesmal aber erweitert. Ausnahmen gemäß § 4 der VO sind wiederum für den Ziel- oder Quellverkehr im Sanierungsgebiet vorgesehen (so genannte „Kernzone“). Die Kernzone umfasst die Bezirke Imst, Innsbruck Land und Stadt, Kufstein und Schwaz. Daneben sind auch Fahrten (Quelle und Ziel) in einem gewissen Umkreis vom Verbot ausgenommen (so genannte „erweiterte Kernzone“). Da Schienentransporte nur ab einer Distanz von mehr als 200 km sinnvoll sind, wurden diese Gebiete ausgenommen (Ziel- und Quellverkehr). Diese erweiterte Kernzone umfasst Gebiete in Österreich (Bezirke Landeck, Lienz, Reutte und Zell am See), Deutschland (Landkreise Bad Tölz, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach, Rosenheim und Traunstein) und Italien (Bezirksgemeinschaften , Pustertal und Wipptal). Weiters ist der Vor- und Nachlauf zur Bahnverladung zum Bahnterminal Hall und Wörgl vom Verbot ausgenommen. Weiterhin gelten auch die Ausnahmen gemäß § 14 Abs. 3 und 4 IG- L idgF. (Wasserer 2009, 125; Obwexer 2012, 81; Hilpold 2014, 131; EuGH, Rs. C-28/09, Slg. 2010, Rn. 21; DS 2.05.2008; ORF ON 19.05.2008; Bidner Interview 2008; Ehlotzky 2012, 2; ATLR 2015486) Wie bereits in den vorhergehenden Punkten angeführt wurden parallel zur neuen sektoralen Fahrverbots-VO auch weitere Maßnahmenbündel zur Verbesserung der Luftqualität im Luftsanierungsgebiet, wie die Geschwindigkeitsbegrenzung für Pkw, das ausgeweitete

485 Vgl. Fn. 477. 486 URL: [31.03.2015] 357

Nachtfahrverbot und das Fahrverbot für besonders emissionsintensive Schwerfahrzeuge erlassen. Trotz der Umsetzung der Vorgaben des EuGH aus dem Urteil in der Rs. C-320/03 sah die Kommission dies anders. (vgl. ATLR 2007, 13-16; Obwexer 2012, 81) Bereits am 20. Juli 2006 hatte die Tiroler Landesregierung die Kommission über das Maßnahmenbündel zur Verbesserung der Luftqualität entlang der A12 informiert. Darin wurde auch die Einführung eines sektoralen Fahrverbotes angeführt, das im November 2007 wirksam werden soll. Es folgten im Winter bzw. Frühjahr 2007 intensive und Konsultationen und Verhandlungen mit der Kommission und den Nachbarländern. Die Niederlande waren aber gegen jegliche Beschränkung des freien Warenverkehres durch Tirol und kündigten rechtliche Schritte an. Schließlich folgte die Stellungnahme der Kommission am 20. Juli 2007, worin diese einen erneuten Verstoß gegen die Art. 34 und 35 AEUV (ex-Art. 28 und 29 EGV) attestierte. Alle anderen beschränkende Maßnahmen des Tiroler „Luftgüte-Pakets“ akzeptierte die Kommission dagegen. (ORF ON 7.02., 22.03., 20.07., 23.07.2007; DS 20.08.2006, 23.07., 29.09.2007; TT 20.07.2007) Trotzdem blieb die Tiroler LH Herwig van Staa sowie der zuständige Verkehrslanderat Hans Lindenberger (SPÖ) bei ihrer Linie. Einziges Zugeständnis war die Verschiebung des Inkrafttretens der sektoralen Fahrverbots-VO vom 1. November 2007 auf 1. Jänner 2008. Trotz weiterer Konsultationen, Verhandlungen und einer „Werbetour“ von Verkehrsminister Werner Faymann bei den europäischen Amtskollegen im Herbst 2007 blieb die Kommission bei ihrer ablehnenden Haltung. (ORF ON 2.10., 30.11.2007; TT 3.10., 28.11., 29.11.2007) Nach in Krafttreten der Verordnung forderte die Kommission die Republik Österreich am 31. Jänner 2008 mit einem Mahnschreiben gemäß Art. 226 EGV zu einer Stellungnahme auf. Die Kommission stand auch weiterhin eher negativ zu den Tiroler Plänen und verwies auf das Urteil in der Rs. 320/03. Offen blieb allerdings, ob das Inkrafttreten der Verordnung mittels einstweiliger Verfügung wiederum von Vornherein verhindert wird. (DS 9.01., 31.01.2008; ORF ON 31.01.2008; TT 31.01.2008) Die Antwort von österreichischer Seite folgte am 15. Februar 2008. Darin vertrat Österreich die Meinung, dass das neue sektorale Fahrverbot aufgrund seiner Ausgestaltung nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit verstößt. Kritik am Fahrverbot kam auch aus Österreich (Wirtschaftskammer, Frächter), Bayern, Deutschland, Südtirol, Italien sowie vom europäischen und internationalen Frächterverband, die in Brüssel eine einstweilige Verfügung gegen das Tiroler Fahrverbot forderten. Durch den Umwegverkehr würden zusätzlich 60.000 t CO2 entstehen und es wurde wörtlich gar von einem „Transitkrieg“ gesprochen. (DS 23.04., 28.04., 2.05., 25.05.2008) Die Kommission verzichtete aber im Gegensatz zu 2003 auf eine einstweilige Verfügung womit

358

die erste Phase des sektoralen Fahrverbots am 2. Mai 2008 in Kraft trat. Im Vorfeld wurden zudem die Kapazitäten der RoLa durch die ÖBB deutlich ausgeweitet. Mit dem zweiten Mahnschreiben vom 8. Mai 2008 erneuerte die Kommission den Verstoß Österreichs gegen die Art. 34 und 35 AEUV (ex-Art. 28 und 29 EGV) und setzte eine Frist von einem Monat zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen. Als besonders problematisch sah die Kommission vor allem, dass das sektorale Fahrverbot nicht nach den vom Kraftfahrzeug verursachten Emissionen, sondern lediglich nach der transportierten Fracht verhängt wurde. Dies entspricht in kleinster Weise dem Verursacherprinzip. Zielführender sei dagegen ein generelles Tempo 100. Außerdem wollte die Kommission einen Präzedenzfall verhindern. Falls Tirol damit vor dem EuGH durchkommen sollte, würden andere Regionen dem Beispiel folgen und ebenfalls Fahrverbote erlassen. Dann müsste der freie Warenverkehr, die heilige Kuh der Union, eingeschränkt werden. (EuGH, Rs. C-28/09, Rn. 23-27; DS 2.05.2008; TT 2.05., 6.05, 7.05.2008; ORF ON 2.05., 25.20.2008; Kaschnitz Interview 2008; Bidner Interview 2008) Im Antwortschreiben vom 9. Juni 2008 hielt Österreich aber an der bisherigen Rechtsauffassung fest und die Tiroler Landesregierung und das Verkehrsministerium kündigten an den Fall neuerlich bis zum EuGH ausfechten zu wollen. Den ganzen Herbst 2008 über folgten Konsultationen und Verhandlungen zwischen Tirol und der Kommission mit dem Ziel der Abwendung einer Klage. Allerdings wurde das sektorale Fahrverbot als eine Art Entgegenkommen gegenüber der EU mit VO des Landeshauptmanns von Tirol am 13. November 2008 neu verordnet.487 Dadurch wurde der Abschnitt zwischen Ampass (Streckenkilometer 72,00) und Zirl bis Ende 2010 vom sektoralen Fahrverbot ausgenommen. Bis dorthin können Lkw, die aus Westen kommen ungehindert die A12 und A13 benützen. Als Grund für diese Aussetzung wurde angeführt, dass die Wirtschaft trotz der rechtzeitigen Ankündigung nicht ausreichend darauf vorbereitet sei. Besonders im Bereich zwischen Ampass und Zirl bestand zu diesem Zeitpunkt noch keine akkurate Verlagerungsmöglichkeit via Schiene und dadurch würde Umwegverkehr erzeugt werden. In der Zwischenzeit wurde eine Klage eines deutschen Frächters gegen das sektorale Fahrverbot vom Landesgericht Innsbruck abgewiesen. Zudem kamen auch Querschüsse aus Vorarlberg. Die dortige Wirtschaftskammer beschwerte sich bei der Kommission gegen die Ausweitung des Fahrverbotes und fehlende Transportkapazitäten. Zugleich wurden von der Brüsseler Behörde eine einstweilige Verfügung und eine Klage verlangt. (EuGH, Rs. C-28/09, Rn. 27; ORF ON 1.12.2008; TT 2.10., 1.12.2008) Mit VO vom 23. Dezember 2008 wurde das sektorale Fahrverbot abermals

487 LGBl. Tirol 74/2008. 359

novelliert.488 Darin wurde der bisherige zweistufige Plan abgeändert. Das sektorale Fahrverbot galt ab 1. Jänner 2009 zusätzlich zu den bereits erfassten Gütern (Abfälle, Steine, Erden und Aushub) nur mehr für Rundholz und Kork sowie für Kraftfahrzeuge und Anhänger. Für die restlichen Güter soll das Transportverbot nun ab 1. Mai 2009 gelten. Mit diesem diplomatischen Etappensieg erreichte Tirol bei der Kommission den endgültigen Verzicht auf eine einstweilige Verfügung gegen die Ausweitung des bisherigen Fahrverbotes. Gleichzeitig kündigte die Kommission aber an, Klagen zu wollen. (EuGH, Rs. C-28/09, Rn. 28; DS 16.12.2008; ORF ON 17.12.2008; ATLR 2015489) Trotz dieses Entgegenkommens erhob dann die Kommission am 21. Jänner 2009 gemäß Art. 258 AEUV (ex-Art. 226 EGV) Klage beim EuGH.490 Wie bereits in der Rs. C320/03 sah die Kommission durch das sektorale Fahrverbot einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 und 35 AEUV). Als Begründung wurde angeführt, dass das sektorale Fahrverbot als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen ist. Daneben ist es weder geeignet noch erforderlich die Verbesserung der Luftqualität an der A12 herbeizuführen, da die Zielgerichtetheit fehle. Außerdem wurden keine ausreichenden Alternativangebote nachgewiesen. Kritisiert wurden auch die Ausnahmen für den lokalen und regionalen Verkehr und die Beschränkung auf Waren, aber nicht auf die Schadstoffklassen. Die Einführung eines ganzjährigen Tempolimits würde den größeren Beitrag zur Schadstoffreduzierung leisten. Generell ortet die EU einen Handlungsbedarf bei den Pkw. Anstatt dem Lkw-Fahrverbot werden schadstoffgestaffelte Lkw- und Pkw-Mauttarife sowie eine höhere Dieselsteuer angedacht. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes traten am 19. Juni 2009 Italien und die Niederlande der Kommission als Streithelfer bei.491 Dänemark trat am 19. August 2009 als Streithelfer für die österreichische Position bei492 und zog dieses Ansuchen am 5. Juli 2010 wieder zurück.493 (Obwexer 2012, 81, 86-88; TT 19.02, 9.08., 30.12.2009) Mit VO vom 23. Juni 2009 wurde das sektorale Fahrverbot abermals geändert. Wiederum wurde der bisherige Stufenplan weiter aufgeteilt. Zu den bisherigen Gütern, die vom sektoralen Fahrverbot betroffen waren, kamen ab 1. Juli 2009 keramische Fliesen und Stahl (ausgenommen Bewehrungsstahl für die Belieferung von Baustellen hinzu). Für die restlichen Güter (Nichteisen- und Eisenerze sowie Marmor und Travertin) sollte das

488 LGBl. Tirol Nr. 84/2008. 489 Siehe Fn. 486. 490 EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Klageschrift; ABI. C. 69 vom 21.03.2009, 28. 491 EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Beschluss vom 19.06.2009, Slg. 2009. 492 EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich); Beschluss vom 19.08.2009, Slg. 2009. 493 EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Beschluss vom 5.07.2010, Slg. 2010. 360

sektorale Fahrverbot ab 1. Juli 2010 in Kraft treten. Der Grund dafür war, dass sich die Stadt Kufstein weigerte einen temporären Terminal zuzulassen. Damit reichten die Kapazitäten der RoLa zur gänzlichen Umsetzung der Verordnung nicht aus. Zusätzlich sollte die bisherige Ausnahme zwischen Ampass und Zirl mit 31. Dezember 2010 enden.494 Die letzte und vierte Stufe des sektoralen Fahrverbots ist dann am 1. Juli 2010 in Kraft getreten. Die letzte Änderung der sektoralen Fahrverbots-VO folgte am 1. Dezember 2010.495 Darin wurde festgelegt, dass das Verbot auf dem Abschnitt zwischen Ampass und Zirl erst mit 1. Jänner 2013 anstatt mit 1. Jänner 2011 in Kraft treten soll. Durch die Verlängerung der Ausnahmeregelung sollte einerseits die EU besänftigt werden und andererseits erhalten die Frächter mehr Zeit zur Umstellung ihrer Logistik. (TT 16.06.2009; ORF ON 3.12.2010; ATLR 2015496) Die mündliche Verhandlung vor dem EuGH begann am 19. Oktober 2010. Im Vorfeld zeigten sich alle Tiroler Landesregierungsmitglieder und LH Günter Platter (ÖVP) optimistisch, da das Fahrverbot behutsam eingeführt worden sei und alle Nachbarländer informiert wurden. Auch sei es bisher zu keinerlei Behinderungen des freien Warenverkehrs gekommen. (TT 18.10.2010) Am 16. Dezember 2010 folgten die Schlussanträge von Generalanwältin Verica Trstenjak.497 Laut den Ausführungen der Generalanwältin sollte der Gerichtshof entscheiden, dass die Republik Österreich mit der VO des Landeshauptmanns von Tirol vom 17. Dezember 2007 über das sektorale Fahrverbot gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 34 und 35 AEUV (ex-Art. 28 und 29 EGV) verstoßen hat. (EuGH Rs. C-28/09, Rn. 137) Als Begründung wurden folgende Punkte angeführt: Im ersten Teil wurde das sektorale Fahrverbot als Maßnahme zur Umsetzung der Luftqualitäts-RL 96/62/EG und 1999/30/EG analysiert. Alle Verfahrensbeteiligten erkannten an, dass es entlang der A12 im

Zeitraum 2005 bis 2007 hohe bzw. sehr hohe NO2-Konzentrationen aufgetreten sind. An der

Messstelle Vomp überschritten die gemessenen NO2-Konzentrationen die von der RL 1999/30/EG festgesetzten Jahreswerte samt Toleranzgrenzen von 2002 bis 2007. Daneben wurden im Zeitraum 2005 bis 2007 in Tirol die im IG-L festgesetzten NO2-Jahregrenzwerte mehrfach überschritten. Deshalb wurde 2007 ein Programm zur Reduzierung der Luftbelastung erlassen, das auch das sektorale Fahrverbot als Maßnahme enthält. Diesmal entspricht die Erlassung der VO den rechtlichen Vorgaben der beiden Luftqualitäts-RL. Als

494 LGBl. Tirol Nr. 49/2009 495 LGBl. Tirol Nr. 49/2009 idF LGBl. Nr. 93/2010. 496 Siehe Fn. 486. 497 EuGH Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Schlussanträge vom 16.12.2010, Slg. 2010. 361

Ergebnis hielt die Generalanwältin fest, dass die sektorale Fahrverbots-VO zwar in Umsetzung der RL 96/92/EG und 1999/30/EG erlassen wurde, womit aber einer Überprüfung derselben mit der Warenverkehrsfreiheit nichts entgegensteht. (EuGH, Rs. C- 28/09, Rn. 52-54, 58; Obwexer 2012, 82) Interessanter sind die Ausführungen der Generalanwältin zum Thema, ob eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit vorliegt oder nicht. Das Verbot umfasst rund 194.000 Lkw-Transporte im Jahr auf einem 90 km langen Abschnitt der A12. Die Verlagerung dieser Transporte auf die Schiene bzw. die Umleitung auf Alternativrouten bleibt zwischen den Verfahrensbeteiligten höchst umstritten. Vor allem eine Umleitung über die Schweiz wurde von Italien wegen der dortigen Restriktionen bezweifelt („Tropfenzählersystem“ beim Gotthartstraßentunnel). Österreich konnte wiederum keinen ausreichenden Nachweis über Alternativen und Ausweichrouten für die vom Verbot betroffenen Güter erbringen. In Bezug nehmend auf das Urteil in der Rs. C-320/03 ist auch die neue sektorale Fahrverbots-VO dazu geeignet den Handelsverkehr zwischen Nordeuropa und Italien zu beschränken. Deshalb ist die VO wie eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung zu beurteilen und verstößt gegen die Art. 34 und 35 AEUV (ex-Art. 28 und 29 EGV). (EuGH Rs. C-28/09, Rn. 60-64, 69f; Ehlotzky 2012a, 3; Obwexer 2012, 82) Wiederum vertrat die Generalanwältin die Ansicht, dass Österreich gegen die Warenverkehrsfreiheit verstößt. Als Rechtfertigung der Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch das Fahrverbot führte Österreich einerseits den unionsrechtlichen Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens und die zwingenden Gründe des Umweltschutzes an. Allerdings sah die Generalanwältin keine Verletzung der Grundrechte durch die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung entlang der Transitachsen, da Österreich dies nicht ausreichend nachweisen konnte. Grundsätzlich ist solche eine weitreichende Maßnahme, wie im Urteil in der Rs. C- 320/03 bereits festgestellt wurde, auf der Grundlage von zwingenden Gründen des Umweltschutzes zu rechtfertigen, aber sie muss mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar sein. (EuGH, Rs. C-28/09, Rn. 71f, 77, 89-91; Obwexer 2012, 83, 88f; Ranacher 2012, 107) Unbestritten ist, dass das sektorale Fahrverbot aus Gründen des Umweltschutzes erlassen wurde. Die Frage spießt sich aber an der Verhältnismäßigkeit. Bei der Überprüfung der Perspektive des Umweltschutzes fiel auf, dass die RoLa dazu geeignet wäre besonders stark emittierende Lkw zu transportieren. Beim sektoralen Fahrverbot müssen aber Transporte von bahnaffinen Gütern ausweichen, wobei aber der Schadstoffemission der

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eingesetzten Fahrzeuge keine Beachtung geschenkt wird. Bei einer NO2- Schadstoffreduzierung von lediglich 1,5% ist die gänzliche Verbannung von 194.000 Lkw von der Straße viel zu wenig. Das sektorale Fahrverbot ist daher ein weitreichender Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit, bei dem 6,6% aller Fahrten von Schwerfahrzeugen auf der A12 untersagt werden. Im Vergleich dazu wurde durch die flexible

Geschwindigkeitsbeschränkung bereits eine NO2-Emissionsreduzierung von über einem Prozent errichte werden konnte. Daher kann sie auch keinen Zielkonflikt daraus erkennen. Wie bereits 2005 wurden die nicht ausreichend nachweißbaren Alternativen für die Beförderung der betroffenen Güter bemängelt (RoLa und Ausweichrouten). Zur Erreichung der verfolgten Ziele des Umweltschutzes (Senkung der NO2-Konzentration) ist diese VO nicht erforderlich und nur sehr bedingt geeignet. Daher ist dies als „radikaler Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit zu werten“ und unverhältnismäßig. (EuGH Rs. C-28/09, Rn. 100 f, 116f, 132-134; Ehlotzky 2012a, 5f; Ehlotzky 2014, 159; Obwexer 2012, 83f, 93f; Hilpold 2014, 131) Keinerlei Berücksichtigung im Urteil fand die Alpenkonvention und das Verkehrsprotokoll. (Ehlotzky 2012a, 6) Damit folgte die Generalanwältin im Großen und Ganzen den Argumenten der Kommission. Die Tiroler Politiker zeigten sich vom Schlussantrag enttäuscht. Durch die intensiven Vorbereitungen seit 2006 und das behutsame Vorgehen bei der Einführung in vier Etappen glaubte man, dass die Verordnung einer Prüfung vor dem EuGH standhalten werde. Der Tiroler Landtag ersuchte in einem Antrag die Bundesregierung um Unterstützung damit die Klage von der Kommission zurückgezogen werde. Allen voran würde die Klage in einem Widerspruch zur Luftqualitäts-RL stehen. Daneben schloss der Tiroler Landtag auch eventuelle Notwehrmaßnahmen der Bevölkerung im Falle einer Aufhebung nicht aus. (DS 16.12.2010; ORF ON 16.12.2010a/b; TT 16.12., 17.12.2010a; EuGH Rs. 28/09, Rn. 89) Vom Landesgericht Innsbruck wurde ebenfalls ein Urteil zum sektoralen Fahrverbot gefällt. Ein deutscher Frächter hatte die Republik Österreich wegen der Behinderungen, die aus dem sektoralen Fahrverbot entstehen, auf eine Entschädigung von 132.125 Euro geklagt. Mit Urteil vom 7. Juni 2011 hat das Landesgericht die Klage abgewiesen und somit hat das sektorale Fahrverbot zumindest vor einem österreichischen Gericht gehalten. Inhaltich begründet wurde die Abweisung, dass die notwendigen Auflagen, die der EuGH für eine Einführung im Urteil Rs. C-320/03 gemacht hatte, diesmal in der sektoralen Fahrverbots- VO erfüllt worden sind. Bei der Interessensabwägung zwischen Warenverkehrsfreiheit und Recht auf Gesundheit plädierte das Gericht zugunsten Letzterem. Aufgrund der Vorgaben

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der Luftqualitäts-RL und dessen innerstaatlicher Umsetzung im IG-L ist das Land bei der Überschreitung der Schadstoffgrenzwerte zum Handeln gezwungen. Dazu sieht das Gericht genügend Möglichkeiten dem sektoralen Fahrverbot auszuweichen (Schweiz und RoLa). Die Tiroler Landespolitik sah in dem richtungsweisenden Urteil einen ersten Teilerfolg und hoffte auf Rückenwind für die Entscheidung des EuGH. (TT 6.07.2011a/b) Am 21. Dezember 2011 verkündete schließlich der EuGH sein lang erwartetes Urteil (Urteil Sektorales Fahrverbot II).498 Erneut wurde das sektorale Fahrverbot vom Höchstgericht gekippt. Im Großen und Ganzen folgte der Gerichtshof dem Schlussantrag der Generalanwältin. Das sektorale Fahrverbot verletzt den freien Warenverkehr und verstößt gegen die Warenverkehrsfreiheit der Art. 34 und 35 AEUV (ex.-Art. 28 und 29 EGV). Grundsätzlich hält der EuGH aber eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit aus Gründen des Umweltschutzes für zulässig und erforderlich. Die österreichischen Behörden hätten nicht nachgewiesen, dass die von der Kommission verlangten Alternativen ungeeignet wären. Vor der Einführung einer solchen einschränkenden Maßnahme müssen alle anderen Möglichkeiten umfassen geprüft und ausgeschöpft werden, die den freien Warenverkehr weniger einschränken. Hier wird abermals auf die permanente Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h sowie auf die Ausweitung von Fahrverboten auf bestimmte EURO-Klassen verwiesen. (EuGH, Rs. C-28/09, Rn. 116f, 140-151; 153; Ehlotzky 2012a, 6; Obwexer 2012, 82, 84, 93f; Epiney et al. 2013, 35; Hilpold 2014, 131) „Das gegenständliche Urteil des EuGH zum zweiten sektoralen Fahrverbot ist insoweit positiv, als es ein derartiges Fahrverbot grundsätzlich zulässt und als geeignete Maßnahme zum Schutz der Umwelt qualifiziert.“ (Obwexer 2012, 98; vgl. Ranacher 2012, 101) Allerdings wird das sektorale Fahrverbot nach wie vor als „radikale Maßnahmen“ eingestuft. Zuerst müssen gelindere Mittel ergriffen werden und erst nach Erfüllung von strengen Anforderungen kann diese Maßnahme als „letzte Möglichkeit“ eingesetzt werden. (Obwexer 2012, 98) Obwexer/Ranacher sehen dadurch den Ermessungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Einhaltung der Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG erheblich eingeschränkt. (Obwexer 2012, 98; Ranacher 2012, 111) Mit der VO vom 12. Jänner 2012499 hob der Tiroler Landeshauptmann die Sektorale Fahrverbots-VO rückwirkend mit 21. Dezember 2011 wieder auf. Mit Beschluss vom 31. Mai 2012 stellte die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren ein. (Obwexer 2012, 95)

498 EuGH, Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Urteil vom 21.12.2011, Slg. 2012. 499 LGBl. Tirol Nr. 4/2012. 364

Enttäuscht vom Urteil zeigte sich die Tiroler Landeregierung, die von einem „unverständlichen Urteil“ und von einem Sieg der Frächterlobby sprach. LH Günther Platter (ÖVP) betonte aber, dass man am Fahrverbot festhalten werde und bereits 2012 über eine erneute Einführung nachdenke. In der Zwischenzeit sollen verstärkte Kontrollen und die beschlossene Mauterhöhung im Unterinntal zur Reduktion beitragen. Erneut abgelehnt wurde vom Umweltlandesrat Hannes Gschwentner (SPÖ) die Einführung eines generellen Tempolimits von 100 km/h. Stattdessen wurde durch die „Sensibilisierung der Schaltquote“ die variable Tempobeschränkung ausgeweitet. Zusätzlich förderte die Landesregierung die Anschaffung von emissionsarmen Lkw der Klassen EURO VI und EEV mit 5.000 Euro. Das Transitforum Austria-Tirol kritisierte den EuGH als „willfährigen Handlanger einer aus den Fugen geratenen EU“. Transitforum-Chef Fritz Gurgiser sieht darin eine deutliche Verletzung der Grundrechte. Die Wirtschaftskammer verlangte dagegen eine genaue Analysierung des Urteils und verwies drauf, dass die Politik jahrelang wider besseres Wissen gehandelt habe. (DS 21.12.2011; DP 21.12.2011; NZZ 21.12.0211; ORF ON 21.12.2011; TT 21.12.2012) Die von der EU geforderte generelle Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h (so genannter fixer „Lufthunderter“) auf Tirols Autobahnen sorgte für Diskussionen in der Tiroler Landespolitik. Am 6. November 2012 hatte LH Günther Platter angekündigt einen neuen Anlauf für ein sektorales Lkw-Fahrverbot zu nehmen. Allerdings betonte LH Platter, dass die Einführung eines fixen Tempos 100 für Pkw ausgeschlossen bleibe. Wörtlich bezeichnete er ein solches Ansinnen als „Schwachsinn“. Auch die FPÖ ist gegen ein solches Tempolimit. Kritik an den Aussagen des Landeshauptmanns kam vom damals zuständigen LR Thomas Pupp (SPÖ), den Grünen sowie von Fritz Gurgiser. Auch Verkehrsministerin Dores Bures (SPÖ) sah gute Chancen für eine Wiedereinführung. Dazu müssen die Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden, wozu auch ein durchgängiges Tempo 100 gehört. (ORF ON 7.11.2012a/b; TT 26.11.2012a; Hilpold 2014, 132) Nach den Landtagswahlen am 28. April 2013 wurde in Tirol eine Schwarz-Grüne Koalition gebildet. Im Arbeitsübereinkommen wird auch die Wiedereinführung des sektoralen Fahrverbots sowie die Einführung von Tempo 100 für Pkws als Ziel genannt, „sofern die Anerkennung des sektoralen Fahrverbots mit dieser Maßnahme von der Europäischen Kommission in Aussicht gestellt wird“. Damit rückte LH Günther Platter von seinem bisherigen kategorischen Nein zu „Tempo 100“ ab. Bis zu 200.000 zusätzliche Lkw-Fahrten sollen mit der Wiedereinführung von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Auch eine Ausweitung des Fahrverbots für Lkw bestimmter EURO-Klassen steht im Raum.

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Letzteres wird aber von der Wirtschaftskammer abgelehnt. (DS 14.05.2013; Arbeitsübereinkommen für Tirol, 31; ORF ON 6.07.2013; TT 19.09.2013; Hilpold 2014, 132) Durch die Zunahme des Transitverkehrs auf der Brennerachse im 1. Quartal 2014 aufgrund der Wirtschaftserholung in Italien wurden Stimmen für die Einführung des sektoralen Fahrverbots wieder lauter. Verkehrslandesrätin LHStv. Ingrid Felipe (Die Grünen) stelle ein Maßnahmenpaket in Aussicht, mit welchem der Transitverkehr um 10 Prozent gesenkt werden soll. Nach wie vor gibt es innerhalb der ÖVP Widerstand gegen eine Einführung von „Tempo 100“ auf der A12 im Unterinntal. Diese Maßnahme gilt als Preis für die Wiedereinführung. Die ÖVP liebäugelte aber mit einem sektoralen Fahrverbot ohne Tempo 100. Dem Anti-Transit-Kämpfer Fritz Gurgiser ging dies alles zu langsam und er kündigte weitere Protestmaßnahmen an. Auch Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) meinte in einem Zeitungsinterview vom April 2014, dass sie auf konkrete Vorschläge aus Tirol warte. (TT 6.04., 23.04.2014; ORF ON 21.04.2014) Schließlich fixierte die Tiroler Landesregierung in ihrer Sitzung vom 24. Juni 2014 die Einführung von Tempo 100 auf Teilen der Inntal- und Brennerautobahn ab Herbst 2014 (siehe Punkt 7.1.2). Im November 2015 soll schließlich wieder das sektorale Fahrverbot (Sektorales Fahrverbot III) wieder eingeführt werden (Stand März 2015). (DS 24.06.2014; ORF ON 24.06.2014; TT 24.06., 25.06.2014) Mit der Einführung von Tempo 100 hätte Tirol dann die Vorgaben der EU erfüllt. (Obwexer 2012, 98f) Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck glaubt daher in einem Zeitungsinterview, dass Tirol dieses Mal gute Karten habe. Zudem geht er davon aus, dass eine eventuelle Klage gegen das sektorale Fahrverbot, dieses Mal abgewiesen werden. (TT 26.06.2014) Verkehrsexperten sehen das sektorale Fahrverbot aber eher nüchtern. Mit insgesamt zwei bis drei Prozent weniger Lkw-Verkehr werden die Anrainer kaum entlastet. Dasselbe gilt für die Reduzierung der Lärm- und Schadstoffbelastung. Allenfalls wird der Vor- und Nachlauf zu den Eisenbahnterminals verstärkt, was bei den dortigen Anrainern wiederum zu mehr Belastungen führt. Die Schadstoffemissionen sind immer noch an einigen Messstellen viel zu hoch und widersprechen den Vorgaben des IG-L. Wie bei anderen transitbeschränkenden Maßnahmen gilt auch hier das Prinzip, dass sich dadurch der lokale Verkehr verteuert, aber für eine Transitfahrt von Nordeuropa nach Italien sind dies nur marginale Mehrkosten. Ein weiteres Paradoxon ist auch, dass die EU einerseits die Senkung der Schadstoffemissionen im Luftsanierungsgebiet fordert und andererseits besitzt der Umwelt- und Gesundheitsschutz dann gegenüber dem freien Warenverkehr doch wieder das Nachsehen.

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Ein weiterer unkalkulierbarer Faktor ist in diesem Spiel Italien. Obwohl es zusammen mit Österreich seit Jahren auf den Bau des BBT drängt, schloss es sich der Klage gegen Österreich an. Anstatt für die Verlagerung auf die Scheine zu kämpfen damit der BBT halbwegs betriebswirtschaftlich geführt werden kann, bekämpfte Italien das – aus seiner Sicht – unlogische, diskriminierende und unverhältnismäßige sektorale Fahrverbot. Durch das Urteil des EuGH ist der BBT trotz des begonnen Baus deutlich in Frage gestellt. Ohne eine verbindliche Verlagerung macht dieses Projekt kaum jemals Sinn. (EuGH Rs. C-28/09, Rn. 45; DS 25.05.2008; TT 17.12.2008b)

7.1.5 Exkurs: Emissionsgestaffelte Lkw-Maut

Durch die Wegekostenrichtlinie 2006/38/EG wurde eine Differenzierung der Maut nach den EURO-Klassen erlaubt. Diese Ökonomisierung der Lkw-Maut wurde bereits 2004 vom damaligen Verkehrsminister Gorbach ins Spiel gebracht (siehe Punkt 6.2.4). Im Regierungsprogramm der SPÖ/ÖVP-Koalition 2007 war dies ebenfalls enthalten. Am 20. Juli 2009 unterzeichnete Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) eine Verordnung über die Ökologisierung der Lkw-Maut. Die Änderungen traten mit den neuen Mauttarifverordnung 2010500 am 1. Jänner 2010 in Kraft. Dadurch wurde zur Achsenzahl als zusätzliches Berechnungskriterium für die zu entrichtende Maut die EURO-Emissionsklasse herangezogen. Damit soll für die Transportunternehmen ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden ihre alten Lkw umzurüsten („indirekte Verschrottungsprämie“). Unterteilt wurden die Lkw in eine Gruppe A (EURO EEV und VI) mit dem geringsten Schadstoffausstoß, die 10% weniger Maut und eine Gruppe B (EURO IV und V), die 4% weniger zahlen. Für die Gruppe C mit dem höchsten Schadstoffausstoß (EURO 0, I und II) erhöht sich dagegen die Maut um 10%. Diese Regelung umfasst neben den Lkw auch alle Busse. Geplant war, dass diese Mautreform sich kostenneutral auswirken sollte, also keine Minder- oder Mehreinnahmen für die ASFINAG bringen sollte. Naturgemäß wurde diese Maßnahme von den Frächtern kritisiert und als Belastung empfunden. Auch die Busunternehmen warnten vor Preiserhöhungen im Touristenverkehr. Eher kritisch sahen diesen Lenkungseffekt auch die Umweltorganisationen, da zu rechnen ist, dass bis dorthin die meisten Lkw auf EURO IV und V umgerüstet sind. Die Mautökologisierung zeigte aber bereits im Juni 2010 erste Erfolge. Bis dorthin konnte die Fahrleistung von „sauberen“ Lkw der EURO-Klassen IV und V deutlich gesteigert werden. Insgesamt wurde durch diese Maßnahmen 2010 ein Mautplus von zwei Prozent verzeichnet. Laut Angaben des BMVIT wurde durch die

500 BGBl. II Nr. 417/2010. 367

Mautökologisierung bei den Stickoxiden ein Rückgang von 8% und bei den Partikeln um 10% verzeichnet. Beschleunigt wurde auch die Umrüstung der Flotten. 2011 betrug der Anteil der umweltfreundlichen EURO-Klassen EEV, VI, V und IV bei der Fahrleistung auf den Autobahnen bereits mehr als 50%. Zwischen 2009 und Ende 2013 stieg laut BMVIT der Anteil von „sauberen Lkw“ der EURO-Klasse EEV von 0,8 auf 32 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil von Lkw der EURO-Klasse III von 58 auf 21 Prozent. (ORF ON 20.07.2009; TT 29.08.2010; DP 5.05.2011; BMVIT 2014501)

7.2 DER „TRANSITWIDERSTAND“ DER BÜRGERINITIATIVEN

7.2.1 Die Tiroler Anti-Transitbürgerinitiativen

In den 1980er Jahren begann an den Tiroler Transitrouten die Meinung der Bevölkerung durch die wachsenden Schadstoff- und Lärmbelastungen zu kippen. Während die Tiroler Landespolitik noch mehr Verkehr durch die Planung von zwei weiteren Transitrouten (Alemagna, Ulm-Mailand) durch Tirol führen wollte, leideten die Menschen entlang der vielbefahrenen Transitrouten – so entstanden die ersten Bürgerinitiativen. Mitte der 1980er Jahre veränderte sich auch das bisherige politische System in Tirol und die Vormachtstellung und Themenführerschaft der Tiroler Volkspartei geriet ins Wanken. Gerade im Landtagswahlkampf 1988/89 spielte das Thema Transit die entscheidende Rolle und führte zur katastrophalen Wahlniederlage der Tiroler Volkspartei. Bereits seit 1985 war die Diskussion über den ausufernden Transitverkehr auf der Landesebene angekommen. Auf der Ebene der Bürger war zu dieser Zeit eine massive Mobilisierungswelle zu beobachten. Erste Bürgerinitiativen wurden gegründet. (Sickinger/Hussl 1993 19f; Achrainer/Hofinger 1999, 94) „[Jetzt] begann […] eine neue Phase des Transitwiderstandes, in der zunehmend gegen den Transit auf der bereits vorhandenen Route Inntal-Brenner und verschiedenen Nebentransitrouten (z. B. Fernpass-Reschenpass-Route) mobilgemacht wurde, eine klare Verminderung diese Verkehres gefordert und ansatzweise auch die ökonomischen Ursachen speziell des Güterverkehrs andiskutiert wurden.“ (Sickinger/Hussl 1993, 20) Laut Sickinger/Hussl war der ausschlagende Punkt für die Gründung aller Antitransit-Bürgerinitiativen die in den 1980er Jahren aufflammende nationale und internationale Debatte über die Luftqualität. Daneben spielten auch das Thema des Waldsterbens und die Lärmemissionen des Straßen- und Bahnverkehrs mit in die Diskussion. (Sickinger/Hussl 1993, 20; Skatsche 1989, 6)

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Vorläufer dieser Bürgerinitiativen gab es aber bereits Ende der 1970er Jahre. „1979 schlossen sich rund 20 Bürgerinitiativen, die sich gegen die Auswirkungen des Autobahnverkehrs richteten, zu einer ‚ARGE Rettet den Lebensraum Alpen‘ zusammen.“ (Achrainer/Hofinger 1999, 94) Schließlich gründeten sich Mitte der 1980er Jahre entlang des Brennerkorridors die Bürgerinitiativen „ARGE Lebensraum Tirol“, „Initiative für ein lebenswertes Wipptal“, das „Komitee Baumkirchen“ und das „Komitee Vomp“. Natürlich hatten all diese Initiativen unterschiedliche Zielrichtungen. Die im Sommer 1985 gegründete Initiative „ARGE Lebensraum Tirol“ ging aus der Bürgerinitiative „Haller Luft“ hervor, die sich gegen die Luftverschmutzung der „Röhrenwerke“ in Hall engagierte. 1986 wurde die ARGE als Verein eingetragen und war der erste tirolweite Vereinigung gegen die negativen ökologischen Auswirkungen des Schwerverkehrs. (Achrainer/Hofinger 1999, 94; Hussl/Sickinger 23f) Die im März 1986 als Verein angemeldete Initiative zur Rettung des Wipptals erregte tirolweites Aufsehen als sie die Brennerbundesstraße 1986 ohne behördliche Genehmigung blockierte. Heute (Stand März 2015) existiert die Bürgerinitiative als Verein „Lebenswertes Wipptal“ immer noch. In den letzten Jahren wurde vor allem gegen den Bau des BBT mobil gemacht. Allen voran wurden die notwendigen Bescheide für den Bau beeinsprucht, da man negative Auswirkungen auf das Wipptal befürchtet. Für das Jahr 2012 forcierte der Verein eine europäische Bürgerinitiative. Die Schritte dafür wurden auf der 18. Internationalen Tagung der „Europäischen Verkehrsinitiative“ (ITE) im Mai 2011 in Steinach gesetzt. Konkret werden auch Schritte zur Mauterhöhung gefordert, da die Fertigstellung des BBT noch in weiter Ferne ist. (Sickinger/Hussl 1993, 24; Bergmeister 2011, 73; TT 8.05.2011) Das „Komitee Baumkirchen zur Rettung des Lebensraumes von Baumkirchen“, ab Mai 1986 dann „Komitee Baumkirchen zur Rettung des Lebensraumes Tirol“ wurde als Reaktion auf die Ankündigung Baus eines Lokwechselbahnhofes gegründet. (Sickinger/Hussl 1993, 25) Als gewissermaßen federführend erwies sich die Bürgerinitiative aus Vomp, das zwischen der A12 Inntalautobahn und der Unterinntaleisenbahn liegt. Am 9. Jänner 1987 wurde das „Komitee Vomp zur Rettung des Lebensraumes Tirol“ gegründet. Gerade die Lage des Ortes mobilisierte die Bürger gegen die Schadstoffbelastung und gegen den Straßen- und Bahnlärm. Dieses überparteiliche Komitee, dem bereits der spätere Obmann des Transitforums Fritz Gurgiser angehörte, wurde zur treibenden Kraft des „Transitwiderstandes“ in Tirol. Schlussendlich folgte noch 1988 die Gründung der Bürgerinitiative „Lebensqualität für Schönberg“. Zusätzliche ökologisch kompetente „Verstärkung“ erhielten die Bürgerinitiativen durch zahlreiche Ärzte, Wissenschaftlicher

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und Landesbeamte, die sich in der „Aktion Umwelt Tirol“ oder im „Forum Österreichische Wissenschaftler für Umweltschutz“ organisierten. Weitere Initiativen gründeten sich in den 1990er Jahren wie z. B. „Gegenverkehr Lienz“ oder die Gruppe „Alpentransit Außerfern“ (ATA). (Hussl/Sickinger 1993, 28f; Brückl/Gurgiser 2004, 57; vgl. Hussl 1988, 2) Zwischen 1985 und 1988 versuchte die „ARGE Lebensraum Tirol“ die einzelnen Initiativen zu koordinieren und zu vernetzten. Dadurch sollte der Druck auf die Politik und die Verwaltung gebündelt werden. Dies war nicht besonders einfach, aber trotzdem einigten sich die Bürgerinitiativen auf einen gemeinsamen Forderungskatalog. Bei einer ersten Demonstration vor dem Tiroler Landhaus am 8. November 1986 wurden die „Schweizer Regelungen“ (28-t-Limit, Nachtfahrverbot) und die „Untertunnelung Tirols“ gefordert. Erst 1991 schlossen sich mehrere dieser Initiativen zum „Transitforum Tirol“ zusammen. Damit begann eine neue Ära des so genannten „Transitwiderstandes“ in der Alpenregion. (Achrainer/Hofinger 1999, 94; Sickinger/Hussl 1993, 24, 30; Bergmeister 2011, 75) Ende der 1980er wurde die Durchsetzung des Lkw-Nachtfahrverbotes zur zentralen Forderung aller Initiativen. (vgl. Hussl 1988, 5-15) Dieser Forderung wurde vor allem durch Demonstrationen Nachdruck gegeben. Hilfreich waren dabei auch durch die Behörden ausgesprochene Verbote. Dadurch wurde den Initiativen die gewollte Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich wurde für den 19. Juni 1987 eine Blockade der A13 Brennerautobahn geplant. Allerdings untersagten die Tiroler Behörden diese Demonstration und bei der genehmigten Ersatzkundgebung bei der Wiltener Basilika beteiligten sich rund 300 Personen. Neben dieser genehmigten Kundgebung folgten auch aktionistische Maßnahmen, wie z. B. das Langsamfahren auf der Autobahn. Am 8. Jänner 1988 wurde zum ersten Mal illegal durch eine solche Aktion die A12 Inntalautobahn bei der Karlskirche in Volders für rund 20 Minuten blockiert. Die Kundgebung wurde umgehend von der Exekutive aufgelöst. Bei einer gleichzeitig in Innsbruck abgehaltenen Pressekonferenz wurden die Forderungen transportiert. Natürlich war die Blockade ein Medienereignis. Durch die nationalen und internationalen Medien wurde das Thema Transit erstmals überregional wahrgenommen. Der mediale österreichweite Durchbruch gelang dann mit der ORF-Live-Sendung „Argumente-Bürgerforum“ zur Tiroler Transitproblematik. In dieser Fernsehdiskussion sah sich Verkehrsminister Rudolf Streicher (SPÖ) erstmals direkt mit den Argumenten der Transitgegner konfrontiert. Auch die Politik musste sich nun mit dem Druck „von unten“ auseinandersetzten und konnte von nun an die Bürgerinitiativen nicht mehr ignorieren. (Sickinger/Hussl 1993, 105-108, 113f, 130-134; Achrainer/Hofinger 1999,

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94 f; Brückl/Gurgiser 2004, 57f; Sprenger 2004, 229f; Bergmeister 2011, 75; Hilpold 2014, 139) Besonders spannend sollte dann die Tiroler Landtagswahl im Jahr 1989 werden. Zentrale Forderung der Bürgerinitiativen war die Einführung des generellen Nachtfahrverbotes, das zusammen mit der Verlagerungsforderung bahnaffinier Güter und der Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen 1988 in der „Vomper Resolution“ verabschiedet wurde. Der Druck auf die Tiroler Volkspartei, die ohne ihre „Integrationsfigur Wallnöfer“, ihre fast 65% von der Wahl 1984 zu verteidigen hatte, war enorm. (Sickinger/Hussl 1993, 135f; Sprenger 2004, 228) „Neben der innerparteilichen Rücksichtnahme auf die Interessen der Wirtschaftsvertreter machte es der ÖVP auch ihre eigne EG-freundliche Haltung schwer, Forderungen der Bürgerinitiativen ernst zu nehmen.“ (Achrainer/Hofinger 1999, 95) LH Alois Partl negierte im Wahlkampf die Forderungen der Bürgerinitiativen nach sofortigen Verkehrsbeschränkungen. Für ihn waren die Bürgerbewegungen durch ihre illegalen Aktionen keine wirklichen Ansprechpartner. „Satt auf die Forderungen der Transitgegner einzugehen, suchte Partl (wie schon sein Vorgänger Wallnöfer) in einem Großprojekt eine Antwort auf die Kritik an der Verkehrspolitik. Er enddeckte den Brennerbasistunnel […] als Lösung für das Problem.“ (Sprenger 2004, 229) Die Wahl vom 12. März 1989 führte zu den herben Verlusten der Tiroler Volkspartei und zu einer Zäsur in der Tiroler Verkehrspolitik. Die massive Unzufriedenheit der Tiroler Bevölkerung hatte sich am Transitthema manifestiert. Nun ging es schnell und bereits zwei Monate nach der Wahl trat der Tiroler Landtag – mit Ausnahme von zwei Mandataren des Wirtschaftsbundes – geschlossen für die Einführung des Nachtfahrverbotes ein. Durch den Druck aus Tirol sah sich Verkehrsminister Rudolf Streicher zur Einführung des Nachtfahrverbotes gezwungen. Bereits am 1. Dezember 1989 wurde ein Lkw-Nachtfahrverbot auf der Inntal- und Brennerautobahn verordnet. Einen Schönheitsfehler aus Sicht der Bürgerinitiativen hatte dies allerdings, da auf Druck der Frächterlobby, der Gemeinschaft und der Nachbarstaaten lärmarme Lkw davon ausgenommen wurden. Durch den anhaltenden Druck der Initiativen und als Signal der Unterstützung der Politik für die Betroffenen wurden weitere Maßnahmen verabschiedet. Darunter fielen weitere Fahrverbote auf den Ausweichrouten, Lärmschutzmaßnahmen (Lärmschutzwände und Flüsterasphalt), der Ausbau der RoLa und der Bau der Eisenbahnumfahrung Innsbruck. (Sickinger/Hussl1993 1993, 157; Sprenger 2004, 230f) Neben den Verhandlungen zum Transitabkommen, die von den Bürgerinitiativen eher kritisch beäugt wurden, dämmerten dann auch noch die Beitrittsverhandlungen zur EG. Am

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6. November 1990 wurde die „Tiroler Transiterklärung“ von den Bürgerinitiativen als Forderungskatalog an die neue SPÖ/ÖVP-Koalition vorgestellt. Aus dieser Erklärung ging dann schließlich 1991 das „Transitforum Tirol“ mit den Sprechern Fritz Gurgiser und Richard Hussl hervor. (Sickinger/Hussl 1993, 192-195) Der Fortgang der Verhandlungen zum Transitabkommen führte zu einer Mobilmachung der Bürgerinitiativen. Nach der Ablehnung im März wurde im April 1991 zum ersten Mal die A12 Inntalautobahn mit rund 1.000 Teilnehmern blockiert. Mit dieser Aktion sollte der Druck auf die österreichischen Verhandler verstärkt werden. Der „Avis“ der Kommission zur wirtschaftlichen Situation und Beitrittsfähigkeit Österreichs vom August 1991 bestätigte mit seinen Liberalisierungsforderungen im Güterverkehr (gänzliche Übernahme des Acquis communautaire) alle Befürchtungen der Transitgegner. (Sickinger/Hussl 1993, 199, 204- 206; 213f; Brunner/Hussl 1989, 126; Bergmeister 2011, 75) Bei den Verhandlungen am 5. und 12. Oktober 1991 gelang der Durchbruch zum Transitabkommen. Nach der mehrheitlichen Zustimmung der Tiroler Landesregierung am 26. Oktober 1991 zum Transitabkommen legte das Transitforum am 3. November 1991 seine Stellungnahme vor. In diesem „offenen Brief“ an Verkehrsminister Streicher wurde das Abkommen gänzlich abgelehnt. Allen voran war man mit den vorgelegten Zahlen und Fakten nicht einverstanden. Von einer Reduzierung des Transitverkehrs war keine Rede mehr. Generell wurden die Vollziehung und die Erreichung der im Abkommen festgelegten Ziele angezweifelt, was sich im Nachhinein als Richtig herausstellen sollte. Obwohl die Transitgegner weiter Druck ausübten, stimmte auch der Tiroler Landtag in einer Sondersitzung mit den Stimmen der ÖVP und der SPÖ für das Transitabkommen. Die FPÖ und die Grünen votierten dagegen. (Sickinger/Hussl 1993, 214f, 217f; Gehler 2002b, 482 Dok. 28; Lamprecht/Lehar 2001, 378; Luif 2007, 194; Sprenger 2004, 231; f; TT 6.- 8.12.2003a; Befragung Gurgiser 2006) Während der weiteren Verhandlungen zum EU-Beitritt blieben die Bürgerinitiativen nicht untätig. Auch die praktische Umsetzung des Transitabkommens wurde immer wieder kritisiert. Als Konfliktherd des Jahres 1992/93 bahnte sich die großzügige Tiroler Praxis der Ausnahmegenehmigungen für 40-t-Lkw an. (TT 29.03.1993) Ein weiteres medienwirksames Spektakel war die am 25. Februar 1994 abgehaltene Pressekonferenz auf der A12 Inntalautobahn bei Vomp. Für eine Stunde blockierten rund 200 Aktivisten von 20 Umweltorganisationen die Autobahn. Als Botschaft an die österreichische Bundesregierung und an die EU wurde die Überführung des gesamten Transitabkommens gefordert. Tirol werde sich nicht überrollen lassen. Im Anschluss reiste sogar extra Verkehrsminister Viktor

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Klima nach Vomp und ließ über eine Stunde lang über die Sorgen der Bürgerinitiativen informieren. Daneben berichtete der Minister auch über den Stand der Beitrittsverhandlungen. (Brückl/Gurgiser 2004, 61; TT 26.2.1994) Kurz vor der Volksabstimmung über den EU-Beitritt gab es am 8. Juni 1994 noch einmal ein ORF „Bürgerforum“ in Jenbach. Dabei hatten die Transitgegner die Möglichkeit mit Verkehrsminister Viktor Klima zu diskutieren. (Brückel/Gurgiser 2004, 64; Befragung Gurgiser 2006) Aufbauend auf die „Tiroler Transiterklärung“ wurde am 11. August 1994 das „Transitforum Austria-Tirol“ als Verein zum Schutz des Lebensraumes in der Alpenregion mit Sitz in Innsbruck gegründet. Im Vorfeld gab es Diskussionen, ob die Tätigkeit eingestellt oder ob man sich neu organisieren sollte. Tätigkeitsfeld ist nun das gesamte Bundesgebiet und die Nachbarregionen der Alpenländer. Mittlerweile ist das Transitforum mit zahlreichen Bürgerinitiativen entlang der Transitrouten in Bayern und Südtirol vernetzt, daneben auch mit jenen an den österreichischen Hauptrouten. Der Verein selbst ist überparteilich und unabhängig und wird seit seiner Gründung von Fritz Gurgiser als Obmann geleitet. Bereits 1995 umfasste das Transitforum 25 Tiroler Gemeinden, Alpenvereine, Umweltgruppen und zahlreiche einfache Mitglieder. (Brückl/Gurgiser 2004, 65; TT 3.07.1995) Ziele des Vereins sind die Erhaltung und Verbesserung einer lebenswerten und naturbelassenen Umwelt sowie der Lebensqualität in der Alpenregion. Zur Erreichung dieses Ziels soll die Verkehrsbelastung und die daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt reduziert werden. Die europäische Verkehrspolitik soll dahingehend geändert werden, dass sie sich an den Grundsätzen „Vermeiden, Vermindern und Verlagern“ orientiert. Damit soll dem Schutz der Menschen und der Umwelt Vorrang vor dem freien Warenverkehr gegeben werden. Die bisherige „Tiroler Transiterklärung“ wurde dann von der „Alpenschutz-Transiterklärung“ abgelöst. In dieser bereits mehrmals aktualisierten Erklärung (zuletzt 2002) sind die zentralen Forderungen des Transitforums enthalten. Das Forderungsprogramm basiert auf den rechtlichen Grundlagen des Bundesverfassungsgesetzes über den umfassenden Umweltschutz, den Zielen der Alpenkonvention sowie auf dem Vertrag von Amsterdam (ex-Art. 95 EGV, heute Art. 115 AEUV). Zum Schlagwort wurde „pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten“. Die Menschen fordern ihr verfassungsmäßig gewährtes Recht auf einen dauerhaften und nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsraum ein. Die primärrechtlichen Ziele des Transitprotokolls sollen endlich dauerhaft umgesetzt werden und die Beibehaltung der mengenmäßigen Beschränkung bei den Lkw-Transitfahrten wurde gefordert. Zudem wurde

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auf das Schlussprotokoll des Europäischen Rates von Göteborg von 2001 verwiesen, worin die Entkoppelung des Verkehrs von der Wirtschaft gefordert wurde. Die Politik soll endlich für vernünftige Rahmenbedingungen für das Nebeneinander von Verkehr und Umwelt sorgen. Dieser Verpflichtung ist sie bisher in keinster Weise nachgekommen. Der begrenzte Lebensraum der Alpen schließt einen unbegrenzten Verkehr kategorisch aus. Als zentrale Punkte wurde die Umsetzung der Kostenwahrheit, die Nutzung der vorhandenen Eisenbahnkapazitäten, der Ausbaustopp weiterer Alpentransversalen, ein generelles Nachtfahrverbot für die Alpentransitrouten, Tempo 80/110 auf Bundesstraßen/Autobahnen, effiziente Kontrollen, faire Bedingungen für Berufskraftfahrer sowie die Förderung des Kaufs von regionalen Produkten zur Verkehrsvermeidung gefordert. (Brückl/Holt 1996, 4; Transitforum Austria-Tirol 2002, 7-9, 13-17; Transitforum Austria-Tirol 2015502) Natürlich beschränkte sich das Transitforum Austria-Tirol in den Folgejahren nach seiner Gründung nicht nur auf publizistische Aktionen. Weitere Blockaden der A13 Brennerautobahn folgten in den Jahren 1995, 1998 und 2000. (Bergmeister 2011, 75) Die mittlerweile berühmte Bürgerversammlung im Jahr 1998 führte zum bekannten „Schmidberger-Urteil“ des EuGH (siehe Punkt 7.2.2). Die vollständige Blockade am 24. und 25. Juni 2000 stand im Eindruck des Ringens zwischen Österreich und der EU um eine Ökopunktereduzierung. Aus Sicht des Transitforums handelte es sich bei der nicht gewährten Ökopunktereduktion um eine Vertragsverletzung. Die Transitgegner wollten dadurch auf das Versagen des Transitprotokolls hinweisen und den damit verbundenen steigenden Transitverkehr durch die sensiblen Bergregionen. In nur zehn Jahren hatte sich der Transitverkehr verdoppelt. Präsentiert wurde bei der Bürgerversammlung auch eine „Alpenschutzerklärung“, in der die Kostenfrage als Schlüssel für die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene präsentiert wurde. Die angekündigten Staus sind aber diesmal ausgeblieben. (DP 24.06.2000; DS 24.06.2000; Brückl/Gurgiser 2004, 68) Seit 1998 „[…] gehört es zum guten Ton der Parteien, Vertreter zu entsenden, um dort ihre Solidarität mit der transitgeplagten Bevölkerung zu bezeugen.“ (Sprenger 2004, 243) Diese politische Unterstützung führte daher zu heftigen negativen Reaktionen der Frächterlobby. Klagen über Schadensersatz wurden im Jahr 2000 wiederum in den Raum gestellt. Am 25. Oktober 2002 folgte eine weitere Blockade mit dem Titel „5 nach 12“ auf der A12 Inntalautobahn bei Vomp. Mit der zwölfstündigen Protestversammlung wurde gegen die Aufhebung der „108%-Klausel“ bei den Verhandlungen für die Nachfolgeregelung des Transitprotokolls mobil gemacht. Zu Solidaritätskundgebungen kam es auch in den

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benachbarten Transitrouten (Felbertauern und A10 Tauernautobahn), um den Ausweichverkehr zu behindern. Der Fernpass wurde von der Bürgerinitiative „Alpentransit Außerfern“ ebenfalls für sechs Stunden blockiert. (Brückl/Gurgiser 2004, 73f; Bergmeister 2011, 76; DS 8.10.2002; DP 5.10.2002; SN 5.10.2002) Am 16. November 2002 verabschiedeten 20 Verkehrsinitiativen aus Vorarlberg, Tirol, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Bayern und Italien unter der Leitung des Transitforums und des Oesterreichischen Alpenvereins in Kufstein einen „Pakt für die Zukunft unseres Lebens- und Wirtschaftsraumes“. Damit sollte die Einhaltung der Alpenkonvention kontrolliert und politischer Druck auf die Bundesregierung und die EU bei den laufenden Transitverhandlungen ausgeübt werden. In Zukunft sollen auch gemeinsame Anti-Transit-Aktionen gestartet werden. (SN 21.11.2002; Transitforum Austria-Tirol 2015503) Nach dem Ende der Ökopunkteregelung Anfang 2004 und der freien Fahrt für die Transit- Lkw blieben auch die Transitinitiativen nicht untätig. In der Karwoche kam es an drei Tagen auf den Hauptrouten in Tirol, Salzburg, Kärnten und Niederösterreich zu Protestmärschen. Allerdings gab es kaum Behinderungen und Staus. Sogar die Proteste der heimischen Wirtschaft und der internationalen Frächerlobby blieben aus. Die Teilnehmer warfen der Politik „Versäumnisse“ und „Untätigkeit“ vor. Nach der Politik standen auch die Bürger den verkehrspolitischen Geschehnissen eher tatenlos gegenüber. Dies war auch an der abnehmenden Zahl der Kundgebungsteilnehmer abzulesen. (DS 9.04.2004; SN 3.04., 8.04.2004) Eine weitere Blockade gegen den enormen Anstieg des Lkw-Verkehrs nach dem Auslaufen der Ökopunkteregelung folgte am 27. Mai 2005 auf der A12 bei Vomp. Für eine halben Tag lang wurde die Autobahn mit der Forderung nach einer Million Lkw pro Jahr weniger auf der Tiroler Haupttransitroute blockiert. Einige hundert Transitgegner waren gekommen und die Staus hielten sich in Grenzen. (TT 27.05. 28.05.2005; Bergmeister 2011, 76) Eine weitere Blockadeaktion des Transitforums fand am 26. Mai 2006 mit rund 1.500 Teilnehmern am Brennerpass statt. Bei der erstmaligen länderübergreifenden Bürgerversammlung mit rund 50 Umweltgruppen, davon rund 25 aus Südtirol, wurde von Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser das „Brenner-Memorandum“504 präsentiert. Dieses Memorandum wurde von 40 bis 50 Gruppen zwischen Rosenheim und Verona unterzeichnet. Die Forderungen, angesichts von rund zwei Mio. Transit-Lkw, die den Brennerkorridor passieren, umfassen eine gemeinsame Brennerpolitik, eine EU-konforme

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Angleichung der Mauttarife (Anhebung auf bayerischer und Süd- bzw. Welschtiroler Seite), eine Ausdehnung des Nachtfahrverbots auf die Gesamtstrecke zwischen Rosenheim und Verona, eine VO zum sektoralen Fahrverbot und ein intensives Kontrollprogramm. Zum ersten Mal wurde bei dieser Protestaktion auch gegen den BBT mobil gemacht. Allerdings kam dies bei der Lokal-, Landes- und Bundespolitik nicht gut an. Sämtliche Bürgermeister des Wipptales sowie die Landeshauptleute von Nord- und Südtirol distanzierten sich erstmals von einer solchen Veranstaltung. Bisher genossen solche Protestaktionen immer das Wohlwollen der Parteien und Politiker. Dabei kritisierte Südtirols LH Luis Durnwalder generell die Blockade, die „wenig oder nichts bringt“. Ähnlicher Meinung war Tirols LH Herwig van Staa und sein Verkehrslandesrat Hans Lindenberger, die wie LH Durnwalder, den BBT als einzige Lösung für das Transitproblem sehen. In eine ähnliche Kerbe schlug auch Verkehrsminister Hubert Gorbach. (Gurgiser 2006, 75-81; Bergmeister 2011, 76; DS 26.05., 27.05.2006; ORF ON 23.05., 26.05.2006; TT 27.05.2006) Die letzte größere Blockade des Transitforums (Stand März 2015) fand am 28. September 2012 statt. Die A12 Inntalautobahn wurde von rund 1.000 Transitgegnern zwischen den Anschlussstellen Vomp und Schwaz für zwölf Stunden für den gesamten Verkehr blockiert. Trotz wochenlanger Informationen im Vorfeld hatten sich kilometerlange Staus gebildet. Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser forderte die Wiedereinführung des vom EuGH aufgehobenen sektoralen Lkw-Fahrverbots (siehe Punkt 7.1.4). Auch ein Bündel von Maßnahmen wie die Einführung von ständigen Tempolimits von 60, 90 und 110 km/h für alle Fahrzeuge sowie ein Fahrverbot für Lkw der Klasse EURO III wurde gefordert. Auch müsse der Transitverkehr zwischen Rosenheim und Verona gleich teuer sein wie jener in der Schweiz. Zudem plädierte Gurgiser auch für eine Erhöhung des Drucks auf die Südtiroler Landespolitik, da dort bisher wenig zum Schutz der Bevölkerung passiert sei. Daher soll auf Bürgerebene ein Pakt mit Südtiroler Transitgegnern geschlossen werden. (ORF ON 28.09.2012; TT 28.09.2012; SN 29.09.2012; Hilpold 2014, 139) Aktuell (Stand März 2015) konzentriert sich die Kampagne des Transitforums gegen das Sanierungsgebiet im Unterinntal und gegen, die aus ihrer Sicht, zahnlosen Maßnahmen der Tiroler Landesregierung. Auch die Wiedereinführung des sektoralen Lkw-Fahrverbots ist eine zentrale Forderung und mit weiteren Autobahnblockaden wird gedroht. (vgl. Transitforum Austria Tirol 2007; Transitforum Austria-Tirol 2015505) Die Angleichung der Maut in Bayern und Südtirol/Trentino an das Tiroler Niveau ist nach wie vor eine unerfüllte Forderung des Transitforums wie auch das Nachtfahrverbot zwischen Rosenheim und

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Verona. Verlangt wird zudem die Bildung einer offiziellen „Brennerallianz“ zwischen den Ländern Bayern, Tirol, Südtirol und dem Trentino. (TT 25.02.2008). Ein weiterer Hauptkritikpunkt richtet sich gegen den Bau des BBT. Die aus Sicht des Transitforums seit nahezu 25 Jahren existierende „Verlagerungslüge“ soll durch den Bau des gigantischen Projekts weitergesponnen werden. Solange die EU keine rechtlichen Möglichkeiten zur Verlagerung erlaubt, macht der Tunnel keinen Sinn und minimiert den Transit nicht. (ORF ON 9.06.2007; vgl. Gurgiser Fritz 2007a) Nach wie vor ist das Transitforum die größte und wichtigste Bürgerinitiative gegen den Transitverkehr. Obmann Fritz Gurgiser ist seit mehr als 25 Jahren als „alpiner Kämpfer“ gegen den Transitverkehr tätig und für viele Tiroler das Synonym dafür schlechthin. Mittlerweile ist der Verkehrsexperte als politischer Faktor ist in der Landespolitik nicht mehr wegzudenken. Von 2008 bis 2013 war der „Populist in Sachen Transit“, der oft mit markigen Sprüchen auffällt, im Tiroler Landtag als Mandatar (2008/09 für die „Liste Fritz Dinkhauser“ bzw. ab 2009 für die „Liste BürgerKlub Tirol)“ vertreten. Dort profilierte er sich als fundierter Kritiker der europäischen und österreichischen Verkehrspolitik. Bei den Landtagswahlen 2013 verpasste Gurgiser mit seiner Liste nur knapp den Einzug in den Landtag. Wichtig für den Erfolg des Transitforums ist nach wie vor die Medienarbeit und das Veröffentlichen von zahlreichen Publikationen zum Thema sowie als NGO die Stellungnahme zu den verkehrspolitischen Tagesthemen. (Befragung Stubenböck 2006; Hilpold 2014, 139) Neben den zahlreichen Anti-Transit-Bürgerinitiativen ist auch die Frächterlobby außerhalb der Wirtschaftskammer in Tirol organisiert. Mit dem 2001 gegründeten „Transportforum“ verfügen die Tiroler Frächter über eine eigene Interessensgemeinschaft. In der Zwischenzeit umfasst das Transportforum über 300 Transportunternehmen aus Österreich und beinahe allen EU-Mitgliedstaaten an. (Transportforum 2015506) Am 24. November 2004 blockierten nicht die Transitkritiker sondern Frächter des Transportforums die A12 Inntalautobahn bei Münster. Protestiert wurde gegen die Verlängerung des Nachtfahrverbotes. (DS 24.11.2004) Dem BBT steht das Transportforum laut Sprecher Bernhard Haid aber „neutral“ gegenüber, aber man werde auch künftig dort fahren, wo es wirtschaftlicher ist. (TT 29.11.2012) Einen etwas anderen Protest gab es auch am 14. Mai 2010 als 18 Wipptaler Bürgermeister die A13 Brennerautobahn blockiert hatten, um dem raschen Bau des BBT Nachdruck zu verleihen. Eine ähnliche Protestaktion der Bürgermeisterinitiative gab es vor dem Verkehrsministerium in Wien. In die Kritik geriet diese Initiative durch eine Subvention von 100.000 Euro von der Tiroler Landesregierung. Von Seiten der Opposition wurde die

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schiefe Optik angeprangert. (ORF ON 14.05., 1.11.2010; TT 13.05.2010; Bergmeister 2011, 76)

7.2.2 Das „Schmidberger-Urteil“

Der Umweltschutzverein „Transitforum Austria Tirol“ veranstaltete am 12. und 13. Juni 1998 auf einem Teil der A13 Brennerautobahn (zwischen Raststätte Europabrücke und Mautstelle Schönberg) eine Protestversammlung. Als erklärtes Hauptziel der Versammlung wurde angegeben, dass die österreichischen und gemeinschaftlichen Behörden aufgefordert werden sollen Maßnahmen zur Reduzierung des Schwerverkehrs auf der A13 und den daraus resultierenden Umweltbelastungen zu ergreifen. Die Protestveranstaltung wurde vom Transitforum bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ordnungsgemäß nach dem Veranstaltungsgesetz am 15. Mai 1998 angemeldet. Am gleichen Tag unterrichtete Obmann Fritz Gurgiser die Medien über die bevorstehende Blockade der Brennerautobahn. Auch die Automobilclubs wurden unterrichtet, die wiederum praktische Hinweise zur Umfahrung der Blockade an ihre Mitglieder weitergaben. Im Vorfeld verteilte das Transitforum in Tirol Flugzettel („Am Brenner für die Alpen – am Brenner für die Kinder!“) mit der Einladung zur Teilnahme. Ziel der Demonstration war der Kampf für eine Entlastung vom Transitverkehr sowie die Umsetzung aller Verträge und Vereinbarungen, die für den Schutz der Bevölkerung getroffen wurden. Darunter fallen die Alpenkonvention, die Kostenwahrheit und Schadstoffreduktion im Transitverkehr sowie diverse Fahrverbote. Rund 100 Organisationen und Gemeinden unterstützten die Blockade. Darunter waren auch die Alpenvereine aus Nord- und Südtirol, die Naturfreunde, Familienverbände, die Arbeiterkammer, die Wiltener Schützen etc. Erstmals nahm die katholische Kirche mit dem Bischof von Innsbruck Stellung gegen die Auswirkungen des Transitverkehrs. Auch LH Wendelin Weingartner und die Südtiroler Volkspartei bekundeten ihre Unterstützung für die Transitgegner. (DP 9.06., 12.06.1998; DS 4.06., 13.06., 15.06.1998; TT 12.06.1998; Brückl/Gurgiser 2004, 66f) Da die Demonstration den österreichischen Gesetzen nicht widersprach, wurde sie von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft genehmigt. Eine Prüfung über etwaige Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht erfolgte allerdings nicht. Die Protestversammlung wurde dann durchgeführt und führte am Fronleichnamswochenende zu einer insgesamt dreißigstündigen vollständigen Sperre dieser wichtigen Nord-Süd- Verbindung. Die Autobahn war vom 12. Juni, 9.00 Uhr, bis 13. Juni, 15.30 Uhr für den gesamten Verkehr gesperrt. Da es sich um einen Samstag handelte, galt für Lkw bei der Öffnung ab 15.00 Uhr das Wochenendfahrverbot. Der Schwerlastverkehr konnte erst wieder ab 14. Juni, 22.00 Uhr, rollen, falls er als lärmarm eingestuft war. Lkw unter 7,5 t konnten 378

auf die Brenner Bundesstraße ausweichen, die aber heillos verstopft war. In Salzburg und Vorarlberg kam es aus Solidarität zu weiteren Straßenblockaden. Bereits im Vorfeld kam es zu heftigen Protesten von deutschen und österreichischen Frächtern, die in der Genehmigung der Blockade einen Rechtsbruch sahen. (EuGH Rs. C-112/00, Rn. 7-10; EuGH Rs. C-112/00, I-5659, Rn. 10-14; DP 12.06., 13.06.1998) Die deutsche Transportfirma Schmidberger, die auf Holz- und Stahltransporte zwischen Deutschland und Italien spezialisiert ist, klagte in der Folge die Republik Österreich auf Schadensersatz, der ihr durch die genehmigte Versammlung entstanden ist. Beim Landesgericht Innsbruck klagte die Firma Schmidberger die Republik auf Zahlung von 10.714,20 Euro (140.000 ATS) Schadensersatz. Darin enthalten waren die Stehzeiten für fünf Lkw, der Verdienstausfall und die Fixkosten für die Fahrer. Durch die Genehmigung dieser Veranstaltung war die Autobahn an vier aufeinanderfolgenden Tagen für Lkw über 7,5 t gesperrt. Der Donnerstag war ein Feiertag und am Samstag und Sonntag gilt großteils das österreichische Wochenendfahrverbot. Durch die Genehmigung der Versammlung kam es zu einer Blockierung dieser einzigen möglichen Transitroute zwischen Deutschland und Italien. Dadurch habe Österreich gegen das Prinzip des freien Warenverkehrs verstoßen. Österreich sah dagegen keinen Verstoß, da die Untersagung einer gemeldeten Versammlung gegen das verfassungsrechtlich gewährte Grundrecht der Versammlungsfreiheit verstoße. Auch sei in Österreich, Deutschland und Italien bereits vorab von der Blockade informiert worden. (EuGH, Rs. C-112/00, I-5659, Rn. 16f) Das Landesgericht Innsbruck wies die Klage der Firma Schmidberger am 23. September 1998 ab. Begründet wurde das Urteil damit, dass das Unternehmen nicht ausreichend beweisen konnte, ob es die Transporte zur fraglichen Zeit durchführen wollte und daraus ein Schaden entstanden sei. Daraufhin legte die Firma Schmidberger Berufung beim Oberlandesgericht Innsbruck ein. Das Oberlandesgericht sah bei dieser Entscheidung aber die Auslegung des Gemeinschaftsrechtes erforderlich und legte gemäß Art. 234 EGV dem EuGH sechs Fragen zur Vorabentscheidung vor. Grundsätzlich hatte der EuGH nun zu entscheiden inwieweit die Sicherstellung der Warenverkehrsfreiheit mit der Grundfreiheit der Versammlungsfreiheit kollidiert. (EuGH, Rs. C-112/00, I-5659, Rn. 18f) Nach den Schlussanträgen von Generalanwalt Francis G. Jacobs am 7. Juli 2002507 folgte das Urteil des EuGH am 6. Dezember 2003.508 Grundsätzlich stellte der Gerichtshof in seinem Urteil fest, dass die Warenverkehrsfreiheit einer der tragenden Grundsätze der Gemeinschaft ist. Daher sind auch alle mengenmäßigen Beschränkungen sowie alle

507 EuGH Rs. C-112/00 (Schmidberger/Österreich), Schlussanträge vom 11.07.2002, Slg. 2002. 508 EuGH Rs. C-112/00 (Schmidberger/Österreich), Urteil vom 6.12.2003, Slg. 2003, I-5659. 379

Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. Auch sind die Mitgliedstaaten zur aktiven Abwehr aller Behinderungen verpflichtet (öffentliche Sicherheit), auch von privaten Dritten. Daher habe Österreich durch die Genehmigung dieser Veranstaltung gegen das Prinzip des freien Warenverkehrs gemäß Art. 34 AEUV (ex-Art. 28 EGV) verstoßen, sofern die Nichtuntersagung nicht objektiv gerechtfertigt werden kann. (EuGH, Rs. C-112/00, I-5659, Rn. 51, 55, 64) Bei der Genehmigung der Versammlung achteten die österreichischen Behörden auf die Grundrechte der Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit, wie sie in der EMRK und in der österreichischen Verfassung gewährt sind. Die Grundrechte gehören nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den allgemeinen Grundsätzen. Daher kann der Gerichtshof keine Maßnahme in der Gemeinschaft als rechtens anerkennen, die im Widerspruch zu den anerkannten und gewährleisteten Menschenrechten stehen. (EuGH, Rs. C-112/00, I-5659, Rn. 69, 71-73) Allerdings haben das hier zu behandelnde Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit wie auch die Warenverkehrsfreiheit keinen uneingeschränkten Geltungsanspruch. Im Gegensatz zu den anderen durch die ERMK gewährten Grundrechte, wie das Recht auf Leben oder das Verbot der Folter, die uneingeschränkt gelten, können die oben erwähnten Rechte keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen. Daher kann das Recht auf Versammlungsfreiheit Beschränkungen unterworfen werden, sofern dies tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen. Die bestehenden Interessen müssen daher abgewogen werden und jeder Einzelfall ist zu prüfen und die zuständigen Stellen verfügen über einen weiten Ermessungsspielraum. Im gegenständlichen Fall ist aber zu prüfen, ob die Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Verkehrs in einem angemessenen Verhältnis zum berechtigten Ziel, dem Schutz der Grundrechte, gestanden sind. (EuGH, Rs. C-112/00, I-5659, Rn. 79-82) Nach Ansicht des Gerichtshofes hätten daher strengere Auflagen hinsichtlich des Ortes der Demonstration (z. B. neben der Autobahn) als übermäßige Beschränkung und als Eingriff in die Grundrechte der Demonstranten wahrgenommen werden können und der Aktion einen wesentlichen Teil ihrer Wirkung entzogen. Es lässt sich bei solchen Aktionen aber nicht vermeiden, dass für unbeteiligte Personen Nachteile entstehen. Dies muss aber hingenommen werden, wenn der Zweck verfolgt wird auf aufrichtige Weise seine Meinung öffentlich kund zu tun. Durch den weiten Ermessensspielraum konnten die österreichischen Behörden annehmen, dass das mit dieser Versammlung verfolgte Ziel nicht durch andere Maßnahmen erreicht werden konnte, die den freien Warenverkehr weniger beschränkt hätten.509 In einem älteren Urteil hatte der

509 Vgl. EuGH Rs. C-265/95 (Kommission/Frankreich), Slg. 1997, I-6959. 380

Gerichtshof Frankreich in einer ähnliche Sache verurteilt. Bei so genannten „Bauernprotesten“ hatten die französischen Behörden die gewalttätigen Demonstranten nicht davon abgehalten spanische Lkw auf der Autobahn zu stoppen und umzuwerfen. Da das Versammlungsrecht auf friedliche und rechtmäßige Weise ausgeübt wurde und die Verkehrsteilnehmer rechtzeitig informiert wurden, war dies rechtens. Daher entschied der EuGH, dass die Nichtuntersagung der Blockade nicht gegen die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der ex-Art. 28 und 29 EGV (Art. 34 und 35 AEUV) iVm ex-Art. 10 EGV verstoßen hat. (EuGH, Rs. C-112/00, I-5659, Rn. 93-97; DP 13.06.2003; DS 12.07.2002) Die Entscheidung des EuGH zur Rechtssache Schmidberger regelt zum ersten Mal das Verhältnis zwischen den (wirtschaftlichen) Grundfreiheiten und den Grundrechten. Obwohl die Grundfreiheiten und die Grundrechte auf derselben Stufe stehen, ist im Falle eines Zweifels nach sorgfältiger Abwägung des Einzelfalles dem Grundrecht der Vorrang zu geben. Somit steht das Demonstrationsrecht über der europäischen Freiheit des Warenverkehrs. Nicht entschieden hat der Gerichtshof beim Urteil über die „Brennerblockade“ über den grundsätzlichen Konflikt zwischen dem freien Warenverkehr und dem Schutz der Gesundheit und der Umwelt in den Alpen. Generalanwalt Jacobs führt aber in seinen Schlussanträgen dass, „[…] bestimmte Beschränkungen, z. B. die verbreiteten Wochenend- und Nachtfahrverbote für Lkws, die in mehreren Mitgliedstaaten bestehen […], könnten aus Gründen des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sein.“ (EuGH, Rs. C-112/00, Rn. 54, 87) Praktisch hat dieses Urteil für eine etwaige Beschränkung des Transitverkehrs keinerlei Bedeutung, wie auch die späteren Blockaden der Autobahnen zeigten. Im Urteil wurden nur das Verhältnis zwischen den Grundfreiheiten und den Grundrechten behandelt. Der Gerichtshof wies eindeutig darauf hin, dass der Grund für die Blockade, nämlich der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt in dieser Entscheidung nicht zur Diskussion stand. (Hilpold 2014, 139; Befragung Gurgiser 2006; Bidner Interview 2008)

7.3 EXKURS: DER BRENNERBASISTUNNEL (BBT)

7.3.1 Entstehungsgeschichte und aktueller Stand des BBT

In der aktuellen Transitdiskussion wird von Seiten der Politik der Bau des Brennerbasistunnels als „Allheilmittel“ versprochen, der durch die so genannte Verlagerung die zukünftigen Verkehrsprobleme lösen soll. Ob dies der Fall sein wird, bleibt dahin gestellt. Hier soll nun ein kurzer geschichtlicher Abriss über das größte österreichische bzw.

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europäische Infrastrukturprojekt und das wichtigste Kernprojekt einer leistungsfähigen Eisenbahnhochgeschwindigkeitsachse Berlin – Palermo (TEN-Achse Nr. 1) folgen. Der BBT bildet das Kernelement der rund 2.200 km langen Eisenbahn-Hochleistungsachse Berlin-München-Verona-Bologna-Palermo. Im Fokus steht aber der 425 km lange Abschnitt zwischen München und Verona. Der Brennerbasistunnel selbst besteht aus zwei großen Bauabschnitten. Einerseits einem Erkundungsstollen (Durchmesser 5 bis 6 m) zwischen Innsbruck und Aicha mit rund 54 km und andererseits dem eigentlichen Hauptstollen mit jeweils zwei einspurigen Röhren (Durchmesser 8,1 m) für Personen- und Güterverkehr zwischen Innsbruck und Franzensfeste mit 55 km. Der Erkundungstollen dient zur geologischen und hydrogeologischen Auskundschaftung des Gesteins und wird nach Inbetriebnahme als Servicetunnel verwendet. Durch die Vorerkundung soll das Bau- und Kostenrisiko minimiert werden. Der eigentliche Haupttunnel liegt zu 60% in Österreich (31 km) und zu 40% in Italien (24 km). Das Nordportal in Innsbruck liegt auf einer Seehöhe von 609 m und das Südportal in Franzensfeste auf 747 m. Der Scheitelpunkt des Basistunnels liegt bei der Staatsgrenze auf 794 m Seehöhe. Rein technisch wäre ein niedriger Scheitelpunkt auf italienischer Seite möglich gewesen, was aber aufgrund des Staatsvertrages ausgeschlossen wurde. Die Entwässerung des Tunnels soll über den jeweiligen Anteil der beiden Staaten erfolgen. Im Gegensatz zur Bestandsstrecke mit einer Steigung von 23 bis 26 Promille weist der BBT eine Steigung zwischen vier und sieben Promille auf. Geplant sind zudem drei Multifunktionsstellen (Bahnhöfe für Rettungs- und Wartungsmaßnahmen sowie zur Überholmöglichkeit), in denen in der Bauphase die Zwischenangriffe vorgenommen werden. An die 17,8 Mio. m³ Aushubmaterial sind zu deponieren. Allerdings sind dies nur 75% des gesamten Ausbruchmaterials. Der Rest wird wieder beim Bau verwendet. Mit 55 km wird der BBT nach dem Gotthartbasistunnel der zweitlängste Tunnel der Welt sein. Rechnet man den Inntaltunnel der Umfahrung Innsbruck noch hinzu, mit dem der BBT ebenfalls verknüpft wird, kommt man auf 64 km. Insgesamt werden rund 200 km Tunnel gebaut (beiden Hauptstollen inklusive Erkundungsstollen und aller Fenster- und Querstollen). Die Fertigstellung des Brennerbasistunnels ist für 2025/26 vorgesehen. Im Betreib ist der Tunnel für einen Maximalgeschwindigkeit von 250 km/h ausgelegt. Die Kapazität soll zwischen 260 bis 300 Züge in 24 Stunden betragen, wobei 80% auf den Güterverkehr fallen (mit max. 120 km/h) und 20% auf den Personenverkehr (max. 250 km/h). (Kußtatscher 2008a, 27f; Bergmeister 2008a, 72; Bergmeister 2008b, 1;

382

Bergmeister 2011, 105, 192f, 211; Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 8; WIA 02.2010, 9; Hilpold 2014, 140; BBT SE 2015510) Abbildung 23: Das Tunnelsystem des BBT

(Quelle: BBT SE 2015511) Der BBT allein funktioniert aber nur mit dem Ausbau der Zulaufstrecken. Die Zulaufstrecke Nord (ca. 170 km) reicht von München bis Innsbruck. In Bayern, das sich gegen eine finanzielle Beteiligung am BBT ausgesprochen hat, wird noch geplant. Die Kosten belaufen sich auf rund 2,6 Mrd. Euro. Allerdings sah der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) noch 2010 für den weiteren Ausbau der Strecke von Seiten der DB keine Priorität. Schließlich wurde am 15. Juni 2012 ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und Österreich über die nördliche Zulaufstrecke geschlossen. Damit wurde die grenzüberschreitende Planung des Ausbaus der Bahnstrecke München-Rosenheim-Kiefersfelden bis Kundl/Radfeld vertraglich fixiert. Allerdings sieht der deutsche Verkehrsminister die bilanzierten Kosten von 2,6 Mrd. Euro für die deutsche Zulaufstrecke als nicht ausreichend an. Am 10. Oktober 2012 hat das deutsche Bundesverkehrsministerium die DB Netz AG beauftragt die Planungen für die Zulaufstrecke aufzunehmen. Eine baldige Realisierung ist aber eher fraglich. Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) geht in einem Zeitungs-Interview im April 2014 davon aus, dass „wir die Kapazitäten erst 2030 [brauchen] und dafür gibt es mit Deutschland einen Planungsvertrag.“ Auch der bayerische Verkehrsminister Joachim

510 URL: ; [31.03.2015] 511 URL: [31.03.2015] 383

Hermann (CSU) betonte bei einem Besuch der BBT-Baustelle im Mai 2014, dass Bayern die nördliche Zulaufstrecke voranbringen und kein Nadelöhr für den Basistunnel sein wolle. Vor allem bei den Anrainern im bayerischen Inntal stoßen die Ausbaupläne auf erbitterten Widerstand. (DS 14.05.2010; Kußtatscher 2008a, 25f; Bergmeister 2008a, 79f; WIA 02.2010, 11; ORF ON 27.10.2010, 15.06.2012, 2.05.2014, 18.03.2015; TT 29.06.2011, 8.02.2013a, 6.04.2014, 3.05.2014, 19.03.2015; BBT SE 2015512) Bei der Unterinntalbahn wurde der erste Abschnitt zwischen Kundl und Baumkirchen viergleisig ausgebaut. Die Fertigstellung folgte im Jahr 2010 und seit 9. Dezember 2012 wird die Strecke fahrplanmäßig befahren. Der zweite Abschnitt zwischen Kundl und Kufstein befindet sich noch in der Planungsphase. Die südliche Zulaufstrecke ist 189 km lang. Zwischen Franzensfeste und Waidbruck soll ein zweiröhriger Tunnel anschließen. Bis Kardaun reicht dann die Kapazität aus. In Bozen und Trient soll jeweils eine Güterzugumfahrung für Entlastung sorgen. Für das Südtiroler Unterland ist der Ausbau von Branzoll bis Salurn erforderlich. Zudem ist ein neuer Knotenpunkt in Verona vorgesehen. Bisher liegen für den italienischen Teil allerdings nur für vier Abschnitte konkrete Planungsunterlagen vor, die bis 2011 abgeschlossen werden sollten. Der Baubeginn für diese Abschnitte war mit 2013 vorgesehen, dürfte sich aber beim den Umfahrungen Trient und Rovereto und beim Knoten Verona bis 2016 verzögern (Stand März 2015). Für das fünfte Baulos Branzoll bis Salurn wurde die Trassenwahl abgeschlossen. Laut Aussagen des italienischem Verkehrsministers Antonio Di Pietro aus dem Jahr 2008 soll die italienische Zulaufstrecke bis 2030 ausgebaut sein. Die italienische Regierung rechnet für den Ausbau des südlichen Zugangs insgesamt mit Kosten von rund sechs Mrd. Euro. (Kußtatscher 2008a, 25f; Bergmeister 2008a, 79f; WIA 02.2010, 11; 27.10.2010; Bergmeister 2011, 107, 109; Bergmeister Podiumsdiskussion 2008; TT 19.03.2015; BBT SE 2015513) Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Tunnelpläne zum Ausbau der 1867 eröffneten Brennereisenbahnstrecke. Weitere Projekte in den 1940er, 1950er und 1960er Jahren sahen einen Scheiteltunnel am Brenner bzw. den Neubau einer Alpentransversale zwischen München und Verona (mit einem Basistunnel westlich von Innsbruck) vor. Weitere Projekte in den 1960er brachten erstmals einen Basistunnel unter dem Alpenhauptkamm zwischen Innsbruck und in Südtirol aufs Tapet. (Lamprecht/Lehar 2001, 381; Bergmeister 2011, 153; BBT SE 2014514) Weitere Studien des internationalen Eisenbahnverbandes (UIC) in den 1970er Jahren befassten sich mit der zukünftigen Aufnahmefähigkeit der

512 URL: [31.03.2015] 513 URL: [31.03.2015] 514 URL: [31.03.2015] 384

wichtigen europäischen Eisenbahnkorridore. Im Jahr 1971 beschloss der UIC-Ausschuss „Planung“ die Installierung einer eigenen Arbeitsgruppe für die Achse Brenner. In dieser Arbeitsgruppe saßen Vertreter der drei Staatsbahnen DB, FS Und ÖBB. Ziel war die Planung einer neuen Brennerflachbahnbahn samt Basistunnel. In all diesen Studien wurde aber deutlich, dass die bisherige Brennerbahn dem gewachsenen Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen sein wird. Kurz- und langfristige Verbesserungsmöglichkeiten wurden erarbeitet. Durch die Studien kam auch wieder der Basistunnel ins politische Gespräch. Die Tiroler Handelskammer sowie ihre Schwesterorganisationen in München, Bozen, Trient und Verona unterstützen dieses Projekt vehement und betreiben seither Lobbying für die Realisierung des BBT. Im Februar 1977 erteile das Land Tirol einen Auftrag für die Erstellung eines Vorprojektes für eine Flachbahn, das in Zusammenarbeit mit den drei Bahnverwaltungen erstellt werden sollte. In den 1980er Jahren kursierten zudem Pläne für einen „EG- oder Europa-Tunnel“ der zwischen Garmisch-Partenkirchen und Sterzing Tirol komplett untertunneln sollte. Dieses Projekt galt aber als unfinanzierbar. (Lamprecht/Lehar 2001, 381; Bergmeister 2011, 153; BBT SE 2015; ORF ON 18.04.2011) „Angesichts der auch im gesamten Alpentransit immer schwieriger werdenden Verkehrssituation vereinbarten die Verkehrsminister von Deutschland, Österreich und Italien am 11.7.1986 in Rom eine Machbarkeitsstudie für den Brenner Basistunnel.“ (Lamprecht/Lehar 2001, 381) Die technische Machbarkeitsstudie der neuen Flachbahn durch den Alpenhauptkamm wurde durch das „Internationale Brennerkonsortium“ zwischen 1987 und 1989 erstellt. Die drei Verkehrsminister nahmen diese Studie am 16. April 1989 in Udine entgegen und beschlossen die Einsetzung einer so genannten „Trilateralen Kommission“ zur Machbarkeitsstudie der nördlichen und südlichen Zulaufstrecke zum Tunnel. Der Endbericht für eine neue Eisenbahnachse zwischen München und Verona wurde am 31. Mai 1993 den drei Staatsbahnen DB, FS und ÖBB vorgelegt. Im „Memorandum von Montreux“ fassten die Verkehrsminister von Deutschland, Italien und Österreich sowie die EU auf den Beschluss zum Ausbau der Eisenbahnachse München – Verona (Festlegung der heutigen Trasse). Daneben sollten die bestehenden Strecken weiter optimiert werden. (Lamprecht/Lehar 2001, 382; Bergmeister 2011, 153f; Hummer 2000, 61; BBT SE 2015515) Bereits als Vorgriff der neuen Eisenbahnachse wurde zwischen 1989 und 1994 die Güterzugumfahrung Innsbruck gebaut. Dieser Umfahrungstunnel dient primär zur Entlastung des Innsbrucker Hauptbahnhofes sowie der Lärmentlastung des Stadtgebietes und wird ausschließlich von Güterzügen befahren. Im Moment (Stand März 2015) ist der

515 Siehe Fn. 514. 385

Inntaltunnel mit 12,7 km der längste Eisenbahntunnel Österreichs. Im Inntaltunnel wurde bereits ein 200 m langer Stollen als Abzweigung zum BBT errichtet. (Lamprecht/Lehar 2001, 357, 382) Am 27. September 1995 wurde schließlich die Brenner Eisenbahn GmbH (BEG)516 zur Umsetzung des „Memorandums von Montreux“ gegründet, das die Beseitigung des Nadelöhrs zwischen Kundl und Baumkirchen vorsah. Bis zu ihrer vollständigen Eingliederung in die ÖBB mit 1. Jänner 2009 (bereits seit 2005 eine Tochtergesellschaft der ÖBB) war die BEG für die Finanzierung, Planung und den Bau der österreichischen Zulaufstrecke zum BBT verantwortlich. Die neue 40 km lange zweigleisige und Großteils unterirdische Unterinntalbahn (ca. 80%) dient zur Entlastung der bisherigen zweigleisigen Bestandsstrecke und mündet bei Baumkirchen in die Umfahrung Innsbruck. Realisiert wurde bisher der erste Bauabschnitt zwischen Kundl und Baumkirchen. Der zweite Abschnitt zwischen Kundl und Kufstein befindet sich noch in der Planungsphase. Am 18. September 2009 wurde das Trassenfindungsverfahren zwischen Schaftenau und Kundl abgeschlossen. Derzeit läuft die UVP. (ÖBB 2015517) Start der Planungsphase für den ersten Abschnitt war 1996. Am 14. April 1999 wurde der erste Erkundungsstollen feierlich angeschlagen. (DS 14.04.1999) Nach dem positiven Abschluss der UVP begannen die Arbeiten im Jahr 2002. Der eisenbahnrechtliche Bescheid folgte am 24. Februar 2002 und der offizielle Spatenstich erfolgte am 3. Oktober 2002. (DS 3.10.2002) Am 9. Dezember 2012 ist die Strecke offiziell in Betrieb genommen worden. Für die Finanzierung des ersten Bauabschnittes schlossen die österreichische Bundesregierung und das Land Tirol 1996 einen eigenen Staatsvertrag ab. Damals wurde mit Kosten von 1,24 Mrd. Euro (17 Mrd. ATS) gerechnet. Im Jahr 1993 gab es eine Prognose mit 1,65 Mrd. Euro. (Lamprecht/Lehar 2001, 35, 382; Kußtatscher 2008a, 25; WIA 02.2010, 10) 2002 rechnete die BEG mit Gesamtkosten von 1,35 Mrd. Euro und einer Fertigstellung bis 2009. (DS 3.10.2003; Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 6) Im Jahr 2007 hatten sich die Kosten laut DI Johann Herdina (BEG) bereits auf 1,9 Mrd. Euro (Preisbasis 2002) erhöht. In jedem Jahr von 2001 bis 2011 wurden laut Herdina 220 Mio. Euro ausgegeben. Von Seiten der EU erhielt die BEG für den Bau bis 2007 52 Mio. Euro wobei sich diese zu 50% an den Planungskosten beteiligte. Im Finanzierungszeitraum 2007 bis 2013 stellte die Kommission für die Arbeiten 58,3 Mio. Euro und für die technische Entwicklung 15 Mio. Euro (European Rail Traffic Management System, ERTMS) zur Verfügung. Die Europäische

516 BGBl. Nr. 502/1995 idF BGBl. I Nr. 95/2009. 517 URL: [31.03.2015] 386

Investitionsbank (EIB) hat zudem das Projekt mit einem Darlehen von einer Mrd. Euro finanziert. (Vortrag Herdina 2007; Bergmeister 2011, 107; TT 26.11.2012) Insgesamt kostete das Projekt Unterinntalbahn rund 2,35 Mrd. Euro und war somit um ganze 13% teurer als veranschlagt. Als Gründe wurden angeführt, dass Technik eingebaut wurde (z. B. Zugsicherungssystem „ETCS Level 2“), die es bei der damaligen Planung noch gar nicht gab. (ORF ON 19.08., 6.12.2010c; Rechnungshof 2010518; DS 26.11.2012; TT 26.11.2012) Auf europäischer Ebene wurde der Schienenkorridor am Brenner als Teil der Achse Berlin – Palermo als prioritäres Projekt Nr. 1 kategorisiert. Bereits bei den 14 prioritären Projekten, die beim Europäischen Rat in Essen am 9./10. Dezember 1994 beschlossen wurden, ist die Brennerachse im Katalog zu finden. Dies wurde auch beim Beschluss der TEN-Leitlinien519 im Jahr 1996 bestätigt. Die TEN-Achse Nr. 1 verläuft als kombinierter Hochgeschwindigkeitskorridor zwischen München und Verona. Auch im Verkehrsweißbuch von 2001 war die Brennerachse zu finden. Im Rahmen der EU- Osterweiterung wurden die TEN-Leitlinien 2004 novelliert und 30 prioritäre Vorhaben festgelegt und seither zweimal angepasst.520 Seiher wird die Hochgeschwindigkeitsachse Berlin – Palermo mit dem Brennerbasistunnel als zentrales Projekt als Vorhaben Nr. 1 geführt. (siehe Punkt 3.4). (Schneider 2005, 234; Lamprecht/Lehar 2001, 382; Bergmeister 2011, 105; Hilpold 2014, 139; BBT SE 2015521) Das „Memorandum von Montreux“ wurde 21. November 1994 durch das „Memorandum von Brüssel“ abgelöst. Schließlich folgte 1998 der Beschluss für die Gründung einer Projektorganisation für die Planung des Brennerbasistunnels und zur Abstimmung der Vertragsstaaten. Darauf folgte am 15. April 1999 die „Gemeinsame Erklärung“ der Verkehrsminister von Italien und Österreich zur Gründung einer zwischenstaatlichen Projektgesellschaft. Damit wurde die rechtliche Basis geschaffen und die BEG und die italienische Staatsbahn FS gründeten gemeinsam die „BBT Brenner Basistunnel EWIV522 – GEIE Galleria di base del Brennero“ zur Projektierung des BBT. Beide Gesellschaften waren jeweils mit 50% am Kapital beteiligt. Diese Planungsgemeinschaft wurde am 11. November 1999 offiziell mit Sitz in Innsbruck gegründet. Mit 1. Dezember 1999 wurde durch die BBT EWIV die Planungsphase I gestartet. Die Kosten der Phase I beliefen sich auf 18 Mio. Euro (50% übernahm die EU).

518 URL: [31.03.2015] 519 E 1692/96/EG des EP und des Rates vom 23.07.1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 228 vom 9.09.1996, 1-104 idF der Berichtigung ABl. L 15 vom 17.01.1997, 1. 520 Beschluss 661/2010/EU des EP und des Rates vom 7.07.2010 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 204 vom 5.8.2010, 1-129. 521 URL: [31.03.2015] 522 EWIV: Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung 387

(Lamprecht/Lehar 2001, 383; Bergmeister 2011, 161f, 170; Kußtatscher 2008a, 29; Hummer 2000, 61; BBT SE 2015523) Am 1. April 2003 folgte eine gemeinsame Erklärung der Verkehrsminister von Italien und Österreich. Daraufhin wurde mit der Verabschiedung des „Memorandums von Rom“ am 10. September 2003 die Planungsphase II für den BBT gestartet. Die Kosten der Phase II beliefen sich auf 90 Mio. Euro (50% übernahm die EU). Konkret wurde der Bau erstmals mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages von Salzburg („Abkommen zur Verwirklichung eines Eisenbahntunnels auf der Brennerachse“524) zwischen Italien und Österreich am 30. April 2004. Aufgrund dieses Staatsvertrages wurde am 16. Dezember 2004 die „Galeria di Base del Brennero – Brenner Basistunnel BBT SE“525 durch Verschmelzung mit der BBT EWIV gegründet. Die BBT SE zeichnet sich nun für die Planung und den Bau des BBT verantwortlich. An der BBT SE waren bei der Gründung die Republik Österreich (25%), das Land Tirol (25%) und die italienische RFI (Infrastrukturbereich der Staatsbahn FS; 50%) beteiligt. Mittlerweile wurde Gesellschaftsstruktur dahingehend geändert, dass sich der österreichische 50%-Anteil der Aktien vollständig im Besitz der ÖBB befindet. Die Republik Österreich und das Land Tirol haben sich schrittweise zurückgezogen. Am 14. April 2011 wurden die Anteile des Landes Tirol an die ÖBB übertragen. Auf italienischer Seite wurde am 7. März 2006 die Gesellschaft „Tunnel Ferroviario del Brennero Società Finanziaria de partecipazone“ (TFB) gegründet. Diese AG hält den italienischen Anteil von 50%. An der TFB AG sind wiederum die RFI mit 84,08% sowie die Autonomen Provinzen Bozen und Trient mit jeweils 6,15% und seit 2007 die Provinz Verona mit 3,62% beteiligt. Vorstandvorsitzende der BBT SE sind seit 3. Mai 2010 Univ.-Prof. DI DDr. Konrad Bergmeister und Dott. Ing. Raffaele Zurlo (Stand März 2015). Der Sitz der BBT SE befand sich bis 30. Juni 2011 in Innsbruck und eine Zweigniederlassung in Bozen. Am 1. Juli 2011 wurde der Rechtssitz der Gesellschaft mit Start der Phase III nach Bozen verlegt. Seiher ist der Hauptsitz in Bozen und die Zweiniederlassung in Innsbruck. Nach Ende der Bauarbeiten und in der Betriebsphase folgt wieder die Rückverlagerung des Hauptsitzes nach Innsbruck. Dies wurde als politischer Kompromiss im Staatsvertrag vom 3. April 2004 beschlossen. (Schneider 2005, 237; Kußtatscher 2008a, 29f; Bergmeister 2008a, 81; Bergmeister 2011, 162f, 165, 168, 174; Bußjäger/Fink 2012, 202; Hilpold 2014, 139f; WIA 02.2010, 17; ORF ON 14.04.2011; TT 14.04.2011; BBT SE 2015526)

523 Siehe Fn. 521. 524 Siehe Fn. 521. 525 SE: Societats Europaea (Europäische Aktiengesellschaft); die BBT SE war die erste Gesellschaft dieser Form in der EU. (Schneider 2005, 237) 526 Siehe Fn. 521. 388

Schließlich wurde am 15. März 2005 die zwischenstaatliche Kommission (CIG) gegründet. Die CIG dient zur Förderung und Koordinierung aller Tätigkeiten und Verfahren für den BBT sowie zur Entwicklung einer gemeinsamen Verlagerungsstrategie. Zur besseren Optimierung der Bestandsstrecken und zur Abstimmung der Rahmenbedingungen für eine Verlagerung wurde am 22. Mai 2005 die Brenner Corridor Platform (BCP) durch den TEN- Achse Nr. 1 Koordinator Karel van Miert gegründet. Ziel des BCP ist die Entwicklung eines integrierten Lösungsansatzes für Schiene und Straße. In neun verschiedenen thematischen Arbeitsgruppen werden Maßnahmen erarbeitet. In diesen Arbeitsgruppen sind neben Vertretern von Deutschland, Italien und Österreichs, die fünf Länder Bayern, Tirol, Südtirol, das Trentino und Verona und die Eisenbahngesellschaften DB, ÖBB und RFI sowie die BBT SE vertreten. Am 10. Juli 2007 wurde das so genannte „Memorandum of Understanding“527 in Wien zwischen dem österreichischen Verkehrsminister Werner Faymann und seinem italienischen Amtskollegen Di Pietro unterzeichnet. Bei der Zeremonie waren auch der deutsche Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, die Landeshauptleute Van Staa (Tirol), Durnwalder (Südtirol) und Dellai (Trentino) und Karel van Miert anwesend. Darin wurde eine gemeinsame Finanzierung zu jeweils einem Drittel für die EU, Italien und Österreich sowie die Fertigstellung bis 2022 vereinbart. Deutschlands Verkehrsminister Tiefensee versprach mündlich bis dahin auch die Zulaufstrecken zu realisieren. (Bergmeister 2011, 127-129, 144-147; DS 10.07.2007; ORF ON 10.07.2007; TT 10.07.2007; BBT SE 2015528) Das letzte „BBT-Memorandum“ wurde am 18. Mai 2009 in Rom verabschiedet. Gleichzeitig verabschiedete die BCP einen „Brenner-Aktionsplan“ von 2009 bis 2022 der die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen festlegen soll. Dieser Aktionsplan enthält u. a. Maßnahmen zur bestmöglichen Nutzung der Bestandsstrecke, zur Optimierung der Bahnlogistik und zur Förderung der Querfinanzierung von Infrastrukturen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass nach 2022/25 die Schieneninfrastruktur optimal genutzt wird. Ein weiteres Ziel ist auch die Optimierung der Logistik und der Interoperabilität. Politische Uneinigkeit herrscht nach wie vor über Fahrverbote, die eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene bewirken sollen. (Bergmeister 2011, 147-150; Hilpold 2014, 140; DS 18.05.2009; ORF ON 18.05.2011; TT 19.05.2009; WIA 02.2010, 6f; BBT SE 2015529) Schließlich wurde bei einem feierlichen Festakt in Innsbruck am 18. April 2011 die Phase III, der Bau des Hauptstollens, offiziell gestartet. Am Festakt nahmen Verkehrskommissar

527 Siehe Fn. 521. 528 Siehe Fn. 521. 529 Siehe Fn. 521. 389

Sim Kallas, BBT-Koordinator Pat Cox, Verkehrsministerin Doris Bures und ihr italienischer Amtskollege Altero Matteoli sowie die Landehauptleute Günther Platter (Tirol) und Luis Durnwalder (Südtirol) teil. Damit fiel der endgültige politische Beschluss den BBT zu bauen, bei dem es wohl kein Zurück mehr gibt. (DS 19.04.2011; ORF ON 18.04.2011; TT 18.04.2011) Neben dem Bau und der Planung ist auch die Finanzierung dieses gewaltigen Mammutprojektes von zentraler Bedeutung. Anfänglich wurden die Kosten für den Brennerbasistunnel auf rund 3,8 Mrd. Euro geschätzt (Lamprecht/Lehar 2001, 382; Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 6) Im GVP-Ö wurde der österreichische Betrag mit 1,45 Mrd. Euro beziffert, wobei diese Zahl aber nur die Kosten der ÖBB beinhaltete. Für den eigentlichen Bau war die Errichtung einer eigenen Gesellschaft vorgesehen. Diese Kosten erhöhten sich dann währen der weiteren Planung im Jahr 2006 auf 4,5 bis fünf Mrd. Euro. (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 12; Lamprecht 2006, 27; DS 13.09., 2.04.2007; Rechnungshof 2008530) Ein wichtiger Punkt war auch die Mitfinanzierung der Planungsphase durch die EU. Bei der Unterzeichnung der Patronatserklärung am 5. Mai 2006 zwischen der EU, Österreich, Tirol und der TFB (Italien) wurde die gemeinsame Deckung der Kosten für die Erkundungsstollen verabschiedet. Damals wurden die Kosten für die Erkundungsstollen mit 450 Mio. Euro beziffert, wovon 50% auf die EU entfielen. Auf der Preisbasis 2006 waren Kosten von rund sechs Mrd. Euro für den BBT vorgesehen. Für den Bau des Hauptstollens (inklusive gesamter Ausbau mitsamt den Deponien) waren Kosten in Höhe von 5,48 Mrd. Euro vorgesehen. Die restlichen 0,52 Mrd. verteilen sich auf die Vorarbeiten und den Bau der Erkundungsstollen. (Bergmeister 2008b, 6; Bergmeister Podiumsdiskussion 2008; TT 5.05.2006; Lindenberger Vortrag 2006; Vortrag Bodenseer 2007; Rechnungshof 2008531) Ursprünglich war auch die Beteiligung privater Investoren am BBT mittels eines PPP- Modells angedacht. Das Interesse war aber verhalten und 2008 entschied sich die Politik daher endgültig zur öffentlichen Finanzierung. (DS 21.01.2008; ORF ON 21.01.2008) Auf Preisbasis 1. Jänner 2012 werden die Gesamtbaukosten mit 8,54 Mrd. Euro beziffert (inklusive Risikovorsorgung). Durch die Vorausvalorisierung bis 2025 wird mit Kosten bis zu zehn Mrd. Euro gerechnet, wobei die mindestens drei Mrd. Euro Finanzierungskosten nicht eingerechnet sind. (BBT SE 2015532; TT 29.07.2013, 19.03.2015) Beim Haupttunnel

530 URL: [31.03.2015] 531 Siehe Fn. 521. 532 URL: [31.03.2015] 390

übernimmt die EU 40% der Kosten. In der Planungs- und Erkundungsphase für den BBT beteiligte sich die EU noch mit 50% an den Kosten. Im Finanzrahmen 2007 bis 2013 waren 786 Mio. Euro für den BBT und 117 Mio. Euro für die Zulaufstrecken vorgesehen. Zusätzlich wurde 2013 von Österreich eine weitere EU-Förderung lukriert. Bei einer EU- weiten Ausschreibung zur Qualitätsverbesserung von TEN-Projekten konnten 106 Mio. Euro Förderungen für den BBT an Land gezogen werden. Das zusätzliche EU-Geld soll für den Pilotstollen und für die nördliche Zulaufstrecke verwendet werden. Die übrigen Kosten des BBT teilen sich Italien und Österreich zu je 50%. Der österreichische Anteil am BBT beträgt fünf Mrd. Euro, die die ÖBB im Auftrag der Bundesregierung finanzieren. Dazu soll noch rund eine Mrd. Euro an Einnahmen aus der Querfinanzierung der Mautzuschläge am Brenner kommen. Am 1. Februar 2011 hatte der österreichische Ministerrat grünes Licht für den Start der Hauptbauphase gegeben. Der Finanzierungsbeschluss fiel dazu am 14. April 2011 im ÖBB-Aufsichtsrat. (Bergmeister 2011, 110f, 167, 220; Hilpold 2014, 140; DS 18.02., 18.04.2011; ORF ON 1.02., 14.04, 18.04.2011; TT 14.04, 18.04.2011, 29.07.2013, 19.03.2015) Vorausgegangen war dem ein monatelanges Hickhack zwischen dem Finanz- und Verkehrsministerium sowie der ÖBB-Führung. Verkehrsministerin Doris Bures stellte im Rahmen der Evaluierung aller Infrastrukturprojekte den BBT mehrmals in Frage. Ohne Bundeszuschuss für die ÖBB wäre die Finanzierung unmöglich gewesen. Dies rief natürlich heftige Reaktionen und Emotionen auf Seiten der Tiroler Landespolitik hervor. Auch die EU zeigte sich mehrmals irritiert und verwies auf den Verfall der zugesagten Mittel. Im Oktober wurden die EU-Mittel bis 2015 verlängert. Zusätzlicher Druck kam auch aus Italien, dass am 18. November 2010 4,6 Mrd. Euro für den Bau des BBT genehmigte. Erst am 29. März 2011 einigte sich die Bundesregierung Im Rahmen des ÖBB- Infrastrukturplans, dass bis 2016 1,3 Mrd. Euro verbaut werden. Das Land Tirol beteiligt sich mit 120 Mio. Euro am Bau und übernimmt somit 5,5% am österreichischen Kostenanteil. Dazu kommen noch 20 Mio. Euro, die sich aus den Vorleistungen seit 1999 zusammensetzen, sowie 50 Mio. Euro Zuschuss zum Erkundungsstollen. Damit zahlt das Land Tirol insgesamt 190 Mio. Euro. Ursprünglich waren 350 Mio. Euro vorgesehen, die das Land Tirol im April 2010 bei Verhandlungen mit dem Finanzministerium erfolgreich reduzieren konnte. (Bergmeister 2011, 108, 181; Bußjäger/Fink 2012, 202; DS 17.02.2011; ORF ON 27.10., 18.11.2010; TT 29.03.2011; BBT SE 2015533) Bei der Brennermaut wurden auf österreichischer Seite von 2006 bis 2015 rund 200 Mio. Euro zur Querfinanzierung mittels des 25%-Mautzuschlags eingenommen. Dazu kommen

533 Siehe Fn. 521. 391

noch weitere 25 Mio. Euro aus dem Unterintal-Mautzuschlag. Die italienische Autobahngesellschaft (Brennerautobahn AG) hat bis 2014 bereits über 550 Mio. Euro für den BBT angespart. 2011 begann schließlich auch eine politische Diskussion über einen 25%-Mautzuschlag im Unterinntal, der rechtlich möglich wäre und bisher nicht eingehoben wurde. Vom Verkehrsministerium wurde dies mit Ende 2011 beantragt. Daneben wurde darauf hingewiesen, dass diese Erhöhung Teil der bereits beschlossenen Finanzierung des BBT ist. Erwartet werden daraus Einnahmen von 13,7 Mio. Euro. Für Fahrten im Unterinntal würde die Maut um 25% teurer und für Transit-Lkw durchschnittlich um 2,9%. Allerdings war die Tiroler Landesregierung wieder einmal dagegen, weil dies die Tiroler Wirtschaft benachteiligen würde und den heimischen Frächtern schadet. Stattdessen soll die Maut auf der Strecke Rosenheim bis Verona insgesamt erhöht werden. Dies soll in Absprache zwischen den beteiligten Ländern erfolgen. Nach heftigem politischem Tauziehen einigte sich LH Günther Platter mit Verkehrsministerin Bures bei einem Mautgipfel am 18. Oktober 2011. Der Mautzuschlag wird seit 1. Jänner 2012 im Unterinntal eingehoben. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2012 wurden 4,9 Mio. Euro lukriert. Allerdings erfolgt die Einhebung etappenweise. Ab 2012 werden zehn Prozent, 2013 15 Prozent, und 2014 20 Prozent eingehoben. Erst ab 2015 soll der volle Mautzuschlag von 25% erreicht werden. Trotz dieser Einging forderte LH Platter aber eine Gesamtlösung für den Korridor zwischen München und Verona. Dafür soll der Druck auf die deutsche und italienische Regierung erhöht werden. Von bayerischer Seite kam aber zuletzt im November 2012 eine Ablehnung die Lkw-Maut zu erhöhen. Kritik kam von der Tiroler Wirtschaftskammer, die das Aus dieser „Sondermaut“ forderte. Sie prognostizierte ab 2014 für die Tiroler Wirtschaft einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 42 Mio. Zudem werden Jobs und der Standort Tirol gefährdet. (Ehlotzky 2012, 168f; Bußjäger/Fink 2012, 202; ORF ON 8.06.2011, 18.02.2015; TT 29.02., 3.02., 8.06., 18.11.2011, 12.10., 29.11.2012, 19.03.2015; ATLR 2011, 15; DS 30.11.2012) Der Stand der Bauarbeiten zeigt sich mit 31. März 2015 folgendermaßen. Die ersten Untersuchungen für den Bau des BBT begannen 1999. Darunter fielen Probebohrungen, Vermessung, die Erstellung von Verkehrsprognosen und die Ausarbeitung eines Betriebsmodells. Bereits im Dezember 2004 wurde in Italien die UVP für den ersten Probestollen gestartet. Am 30. Juni 2006 gab es einen offiziellen Spatenstich für die BBT- Erkundungsstollen mit viel Polit-Prominenz aus Österreich und Italien in Tirol. Dies war eher ein symbolischer Spatenstich und galt dem öffentlichkeitswirksamen Abschluss der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. (DS 30.06.2006; NZZ 3.07.2006; ORF ON 2006;

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TT 2.07.2006) Schließlich begannen am 20. August 2008 die Bauarbeiten am ersten Abschnitt des Erkundungstollens zwischen Aicha und Mauls (Südtirol). Der Spatenstich war bereits am 28. April 2004 erfolgt. Damit begann der offizielle Start der Bauarbeiten am BBT. (ORF ON 28.04.2008) Während des Jahres 2008 wurde in Italien und Österreich die UVP für den Bau des Hauptstollens eingereicht. In Österreich erhielt das Projekt am 15./16. April 2009 die Baugenehmigung. (Bergmeister 2011, 165; Hilpold 2014, 140; ORF ON 18.04.2009) In der Sillschlucht bei Innsbruck erfolgte unter Anwesenheit von Verkehrsministerin Doris Bures am 4. Dezember 2009 der Spatenstich für den 5,6 km langen Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental, der 2013 fertig gestellt werden soll. Zwischen Juli 2010 und Oktober 2012 wurde der 2,4 km lange Zufahrtstunnel Ahrental vorangetrieben. Seit Mai 2012 liefen auch die Arbeiten am Zufahrtstunnel Ampass. Der 1,4 km lange Tunnel wurde im Mai 2013 fertig ausgebrochen. Der Erkundungstollen zwischen Aicha und Mauls (Südtirol) wurde am 3. November 2010 durchgeschlagen, womit der erste Durchschlag für das BBT-Projekt erfolgt ist. Auch die beiden Logistiktunnels (Padaster- und Saxnertunnel) in Steinach am Brenner wurden fertig ausgebrochen (Bergmeister 2011, 192, 249-253; DS 4.12.2010; ORF ON 6.12.2009; TT 4.12.2009; BBT SE 2015534) 2011 begann in Südtirol auch der Sprengvortrieb durch die „Periadriatische Naht“. Diese 1,3 km breite geologische Störungszone in den Alpen wurde in Richtung Brenner durchquert. (BBT SE 2015535) Anfang November 2013 wurde auch mit den Arbeiten am Baulos in Wolf bei Steinach begonnen. Dort wurde ein 4 km langer Zufahrtstunnel errichtet. (BBT SE 2015536) Insgesamt waren 2014 21 km Erkundungs- bzw. Verbindungstollen in Bau. Laut Verkehrsministerin Doris Bures wurde 2013 ein Bauvolumen von einer Mrd. Euro ausgeschrieben. Am 27. September 2013 erfolgte die Ausschreibung von diversen Tunnels zwischen Tulfes und Pfons sowie die Arbeiten an der Eisackunterquerung nördlich von Franzensfeste. Die geschätzte Bausumme beläuft sich dabei auf rund 830 Mio. Euro. Schließlich startete am 22. April 2014 der Vortrieb für den Lüftungsschacht Patsch, der im September 2014 fertig gestellt wurde. Laut BBT-Vorstand Konrad Bergmeister wurden bis Mai 2014 schon 600 Millionen Euro verbaut. Am 17. Juli erfolgte der Spatenstich zum Baulos Tulfes-Patsch und die Bauarbeiten begannen am 9. September 2014. Beim bisher größten Baulos des BTT (Stand März 2015) mit einem Auftragsvolumen von 380 Mio. werden entlang des bestehenden Eisenbahnumfahrungstunnel Innsbruck Rettungsstollen,

534 URL: [31.03.2015] 535 URL: [31.03.2015] 536 URL: < http://www.bbt-se.com/projekt/baufortschritt/wolf/> [31.03.2015] 393

Erkundungsstollen und Verbindungstunnels mit einer Länge von 38 km errichtet. (TT 29.07.2013, 3.05.2014 BBT 2015537) Abbildung 24: Stand der BBT-Bauarbeiten im April 2015

(Quelle: BBT SE 2015538) Laut dem so genannten „Bergmeister-Plan“ vom Mai 2010, der im Rahmen der Finanzierungsdiskussion in Österreich entstand und zur gewollten Verzögerung für Einsparungseffekte führt, werden bis 2015 die Erkundungsstollen weiter vorangetrieben. 2012 werden die ersten Teile des Haupttunnels in Angriff genommen (Innsbruck-Ahrental und Franzensfeste-Trens). Am 19. März 2015 wurden mit einem Festakt und einem symbolischen Spatenstich unter Anwesenheit der neuen EU-Verkehrskommissarin Violeta Bluc und von sieben Verkehrsministern bei Tulfes die Hauptarbeiten am Bau des BBT begonnen. Mit Stand März 2015 sind bereits 36 Tunnel-Kilometer beiderseits des Brenners ausgebrochen. Baubeginn für den Hauptteil zwischen Ahrental und Brenner auf österreichischer Seite ist 2016. Das geschätzte Auftragsvolumen beträgt dafür 1,8 Mrd. Euro. Mit der endgültigen Fertigstellung des BBT wird nun frühestens 2025 gerechnet – 2026 soll er in Betrieb gehen. Noch 2006 ging man von einer Fertigstellung bis 2015 aus, die dann auf 2018 und schließlich auf 2022 revidiert wurde. (Bergmeister 2011, 167; DS 6.02.2009; ORF ON 1.02.2011, 19.03.2015a/b; TT 29.07.2013, 6.04.2014, 19.03.2015)

7.3.2 Der Brennerbasistunnel als Lösung?

Der BBT wirft seit seiner Planung und erst recht seit dem Start der Bauphase große Fragen auf. Ist der BBT ein Milliardengrab oder eine Jahrhundertchance? Mittlerweile wird, je nach Sichtweise, der BBT als Lösung aller Transitproblem gehandelt oder komplett verteufelt.

537 URL: ; ; [31.03.2015] 538 URL: [31.03.2015] 394

Die Politik sieht im Tunnel die zukünftige Bewältigung des Transitproblems und eventuelle Alternativen werden komplett negiert. Dagegen sprechen Kritiker von Geldverschwendung, Ineffizienz, fehlender Wirtschaftlichkeit und bezweifeln überhaupt die Sinnhaftigkeit des Projektes. Berechtigte Zweifel herrschen an der Finanzierung und an der Auslastung des BBT. Bei der Finanzierung ist bereits jetzt zu beobachten, dass sich die Kosten bei der aktualisierten Schätzung deutlich erhöhen. Sprach man anfängliche von Kosten von 3,8 Mrd. Euro liegt die Kostenschätzung mit Stand 1. Jänner 2012 bei 8,5 Mrd. Euro. Hinzu kommen noch die Finanzierungskosten von drei Mrd. Euro. Beim Rückblick auf ähnlich große Tunnelbauten in der Vergangenheit sind eine Kostensteigerung und eine Kostenüberschreitung gang und gäbe. Grundsätzlich werden bei solchen Infrastrukturprojekten die Kosten gerne unterschätzt, hinzukommen oft Probleme bei Bau oder geänderte politische Rahmenbedingungen. Gerade bei großen Tunnelprojekten in den letzten Jahren zeigt sich dies deutlich. Der 50 km lange Euro- oder Kanaltunnel zwischen Dover (Vereinigtes Königreich) und Calais (Frankreich) hat anstatt der veranschlagten sieben Mrd. Euro schlussendlich über 15 Mrd. Euro gekostet. (Überschreitung von 114%). Auch die neue Unterinntalbahn wurde deutlich teurer. Anstatt der geplanten 1,35 Mrd. sind es nun 2,35 Mrd. Euro geworden (Überschreitung von 70%). (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 6f) In Verkehrsexpertenkreisen wird daher mit einem 50%-Aufschlag auf die bisherigen Kosten gerechnet. Das würden beim BBT Kosten bis zu 20 Mrd. Euro bedeuten. (Schopf Podiumsdiskussion 2008) Ein weiteres Problem bei der Finanzierung stellt in Österreich die hochverschuldete ÖBB dar. Ursprünglich war für den Bau des BBT eine Sonderfinanzierung durch den Bund vorgesehen, die aber zugunsten einer Finanzierung über die ÖBB ausgetauscht wurde. 2011 hatte die ÖBB schon fast 18 Mrd. Euro an Verbindlichkeiten, die durch den Bau des BBT weiter erhöht werden. Nicht zu vergessen sind weitere, politisch gewollte und ebenfalls umstrittene, Infrastrukturbauten wie der Semmering- und Koralmtunnel, die sich mit 5,4 bzw. 2,8 Mrd. Euro zu Buche schlagen werden. Bei der Gesamtstrecke der neuen Koralmbahn zwischen Graz und Klagenfurt sind die ursprünglichen Kostenschätzungen von 3,6 Mrd. Euro inzwischen auf 5,37 Mrd. Euro (Stand März 2015) angestiegen. Für die Verwirklichung des „Zielnetzes 2025+“ sollen bis 2025/2030 insgesamt 56 Mrd. Euro investiert werden. Dieser Schuldenberg soll dann bis 2073 wieder abgetragen werden. Hier stellt sich also grundsätzlich die Frage, ob die ÖBB den Bau überhaupt finanziell bewältigen kann. (DS 18.02.2011, 4.04.2012, 24.04.2014; DP 4.07.2011; ORF ON 4.07.2011; TT 4.07.2011a) Kritik an den steigenden Kosten kam

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bereits 2008 vom Rechnungshof, der die entstandenen Kosten von 500 Mio. Euro durch den überhasteten Start der Erkundungsphase unter Verkehrsminister Hubert Gorbach hinterfragte. (DS 28.04.2008; Rechnungshof 2008539) Ähnlich sieht es in Italien aus. Kann sich das hochverschuldete Italien den BBT überhaupt leisten? Hauptkritikpunkt bilden auch die fehlenden Zulaufstrecken ohne die der BBT keinen Sinn macht. Lediglich in Österreich wird gebaut, während in Italien und Deutschland überhaupt erst geplant wird. Sogar die Kommission hat Italien bereits mit einer Aberkennung der TEN-Förderung für die Zulaufstrecken gedroht. Dazu fehlt auch bei den Zulaufstrecken das Geld in Italien. (ORF ON 22.10.2010) Die Finanzierung basiert lediglich auf den jeweiligen Zusagen der österreichischen und italienischen Regierung. Probleme könnte dies allerdings mit sich bringen, wenn sich einer der Staaten vom Bau aus Geldmangel verabschiedet und sich nicht mehr an die Zusagen gebunden fühlt. (DS 20.04.2011) Neben der Finanzierung bereiten die Wirtschaftlichkeit und die Auslastung des BBT die größten Sorgen. Der Nord-Süd-Güterverkehr ist nicht mehr so dynamisch wie früher. Auf der bisherigen Bestandsstrecke über den Brenner gäbe es sogar noch zusätzliche freie Kapazitäten für weitere Güterzüge, die aber bisher durch den Engpass im Unterinntal nicht genutzt werden können. Mit der Eröffnung der Unterinntalstrecke 2012 dürfte dieser „Flaschenhals“ wegfallen und es ist eine weitere Auslastung zu erwarten. Ein erhöhtes Wachstum ist dagegen im Ost-West-Verkehr zu beobachten. Der Brennerkorridor ist nur für Verkehr zwischen Nordeuropa und Italien interessant. Sämtliche alpenquerende Verkehre zwischen Ost- und Südosteuropa werden eher den Tauern-, Pyhrn bzw. über Wien den Pontebbakorridor (Semmering bzw. Koralm) nutzen. (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 8, 10- 12; 15f; Lamprecht 2006, 25) Durch die schweizerische NEAT, die bereits teilweise 2007 eröffnet wurde (Lötschbergbasistunnel), erhält der BBT ab 2016 einen nicht zu unterschätzenden Konkurrenten im Güterverkehr nach Italien. Durch den momentanen Ausbau der Eisenbahnachse zwischen München und Lindau wird die nördliche Zulaufstrecke zum Gotthardbasistunnel für den bayerischen Gütertransport wegen der kürzeren Strecke nach Norditalien attraktiver. Insgesamt hat der BBT dann mit einer billigen Straße und fünf weiteren konkurrierenden Bahnstrecken zu kämpfen. (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 8; TT 22.09.2006; Schopf Podiumsdiskussion 20008; Befragung Westerhof 2006; Hilpold 2014, 141) Skepsis herrscht auch bei der Kosten- Nutzen-Analyse. Verkehrsexperten aus Mailand sehen in einer im Auftrag der BBT SE verfassten Studie aus dem Jahr 2012 die Rentabilität und die Wirksamkeit des Tunnels

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kritisch. Darin werden die erwarteten Warenverkehrsströme von 78 Mio. t im Jahr 2030 als unrealistisch angesehen. Diese dürften auf der Basis von 2012 (40.6 Mio. t) wohl eher 30 Prozent unter den erwarteten Prognosen liegen. Bei der Kosten-Nutzen-Analyse wurde von den Experten errechnet, dass Kosten und Nutzen 2030 im Verhältnis 1:0,7 liegen. (DS 12.05.2014) Auch der geplante Hochgeschwindigkeitspersonenverkehr durch den BBT wirft viele Fragen auf. Die Berechnungen der BBT SE, dass jährlich bis zu sechs Mio. Passagiere den BBT benutzen werden, hält der Verkehrsexperte Sebastian Kummer für überhöht. Für 2010 sah die Prognose für die alte Bestandsstrecke zwei Mio. Passagiere vor, tatsächlich geworden ist es lediglich halb so viel. Gerade die Sparmaßnahmen der italienischen Staatsbahn FS führen zu einer Ausdünnung des internationalen Verkehrs. (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 9f; TT 24.05.2010) Trotz der nicht zu vernachlässigenden Verkürzung der Reisezeit wird der Personenverkehr zwischen München und Mailand nicht interessanter, da das Flugzeug deutlich schneller ist. Positive Auswirkungen durch die deutliche Reduzierung der Fahrzeiten dürfte hingegen auf die Relationen Innsbruck-Bozen bzw. Innsbruck-Trient oder für die Relation München-Verona zu erwarten sein. (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 9f; Lamprecht 2006, 24; Kusstatscher Interview 2008) Bei den Betriebskosten des Brennerkorridors muss auch mit deutlich höheren Kosten gerechnet werden. Ab 2026 wird mit Betriebskosten für den BBT von jährlich 22 Mio. Euro gerechnet. Darin enthalten sind 16 Mio. für Betreib und Erhaltung sowie sechs Mio. Euro für Erneuerungsmaßnahmen. Diese Kosten teilen sich Österreich und Italien jeweils zur Hälfte. (DP 4.07.2011; TT 4.07.2011b) Neben dem BBT samt Zulaufstrecken bleibt ja auch die bisherige Bestandsstrecke voll in Betrieb. Auf dieser wird der Personennah- sowie auch Güterverkehr abgewickelt. Damit bleiben die bisherigen Betriebskosten gleich und zusätzlich kommen noch diejenigen des BBT hinzu. Insgesamt ist von einer deutlichen Steigerung der Betriebskosten auszugehen. Mit der Schienenmaut allein wird dies nicht zu decken sein. Auch die Querfinanzierung durch die erhöhten Mauteinnahmen dürfte wohl nicht reichen. Man dürfte wohl um öffentliche Zuschüsse für den Betrieb des BBT nicht umherkommen. Zudem werden wohl die bisherigen Subventionen für die RoLa aufrecht bleiben müssen. Zur zusätzlichen Attraktivierung bräuchte es auch ein umfassendes Dienstleistungsangebot und eine Herauslösung des BBT aus den nationalen Netzten. Anstatt der drei staatlichen Bahnen DB, FS und ÖBB sollte eine Betreibergesellschaft zuständig sein. (Kummer/Nagl/Schlaak 2006, 13; Schopf Podiumsdiskussion 2008; Befragung Lamprecht 2006)

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Eine 2007 vorgelegte Studie der Medizinischen Universität Innsbruck belegt zudem, dass der BBT kaum positive Effekte für die Gesundheit und Umwelt bringt. Die Studie wurde im Auftrag der BBT SE für die Umweltverträglichkeitsprüfung erstellt. Eine erhoffte Entlastung der lärmgeplagten Bevölkerung entlang der bisherigen Bahnstrecke über den Brenner wird sich wohl noch länger nicht erfüllen, da bis zur endgültigen Fertigstellung aller Arbeiten an den Zulaufstrecken im Jahr 2040 weiterhin über die Scheitelstrecke Güterverkehr abgewickelt werden soll. Ähnliches gilt auch für die Luftverschmutzung auf dem Brennerkorridor. Trotz des Tunnelbetriebs wird sich die Schadstoffbelastung und Luftverschmutzung nicht deutlich verbessern oder gar reduzieren, da nur ein Teil des neuen bzw. zusätzlichen Schwerverkehrs in den Tunnel verlagert würde. Laut Studie bräuchte es neben dem Tunnelbau auch noch flankierende Maßnahmen wie Lärmschutzwände, Nachtfahrverbote und Geschwindigkeitsbeschränkungen. Nur durch den Tunnelbau allein würde kaum eine Umweltentlastung zu erwarten sein. Für einen medialen Wirbel sorgte die Studie nochmals im Jahr 2014. Sieben Jahre lang wurde im kaum beachtet, da sie nie vollständig veröffentlich wurde. Italienische Parlamentarier rund um den Oppositionspolitiker Pepe Grillo sorgten im Frühjahr 2014 für eine Veröffentlichung und eine neuerliche Diskussion. Auch Transitforum-Chef Fritz Gurgiser sah durch die Studie seine bisherigen Argumente gegen den Bau des BBT bestätigt. (DS 4.05.2014; ORF ON 5.05.2014b; TT 5.05.2014) Die fehlende rechtsverbindliche und damit zwingende Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene steht weiter aus. So lange die EU auf ihrer „heiligen Kuh“, der Wahl des freien Verkehrsmittels festhält, wird es keine verbindlichen Rechtsvorschriften dahingehend geben. Besonders deutlich wird dies beim „Kampf“ der Kommission gegen die Verkehrsbeschränkungen in Tirol (Stichwort Sektorales Fahrverbot). Das Pochen ohne Wenn und Aber auf den freien Warenverkehr ist für den BBT das größte Problem. Der Bahnausbau allein genügt sicherlich nicht. Ohne dirigistische Maßnahmen (z. B. Alpentransitbörse, vgl. Punkt 8.2.5) wird sich auch kein einziger Lkw auf die Schiene verlagern lassen. Das so genannte „Verlagerungslüge“, wie es Transitforums-Obmann Gurgiser bezeichnet, hat auch in der Vergangenheit zu keiner Reduktion des Transitverkehrs geführt. Lediglich die jährliche Zunahme des Güterverkehrs könnte mit dem BBT abgewickelt werden, wobei der Tunnel wohl eine Verschnaufpause für das Verkehrswachstum von 15 Jahren bringen dürfte. Dies belegen auch Studien der BBT SE, die für die Straße den gleichen Anteil an Lkw vorhersagt wie bisher und das trotz schienenfreundlicheren Rahmenbedingungen. Für eine Verlagerung aus reinen

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Kostengründen müsste die Lkw-Maut am Brennerkorridor verdoppelt bzw. verdreifacht werden. Politisch wird dies wohl in nächster Zeit aufgrund des Widerstandes aus Deutschland und Italien nicht durchsetzbar sein. Solch eine drastische Erhöhung würde zudem zu einer Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf Strecken in die Schweiz bzw. zu Ausweichverkehren auf den Reschen bzw. Tauern führen. Ohne flankierende Maßnahmen, die zu einer Verteuerung der Straße führen, wird sich der BBT wohl nie wirtschaftlich rentieren. Eine zusätzliche Komponente kommt noch hinzu, dass der BBT selbst Verkehr anzieht, anstatt ihn generell zu vermeiden. (Kummer/Nagl/Schlaak, 12f; Tappeiner Podiumsdiskussion 2008, Schopf Podiumsdiskussion 2008; Stoiber Vortrag 2007; Befragung Inntal Gemeinschaft e. V. 2006; Gurgiser 2008, 320; Hilpold 2014, 141; Befragung Gurgiser 2006; DS 10.07.2007; ORF ON 22.10.2010, 20.03.2015; TT 21.03.2015) Alles in allem bleibt wohl der Bau des BBT, trotz aller stichhaltigen Gegenargumente, im Moment die einzige gangbare und politisch gewollte Alternative. Sämtliche Alternativvorschläge zum BBT – wie z. B. ein kurzer Scheiteltunnel am Brennerpass oder ein reiner Güterverkehrstunnel – wurden politisch verworfen. Durch die Attraktivierung der Bahn am Brennerkorridor kann zumindest der Versuch unternommen werden den Transitverkehr auf die Schiene zu verlagern. Eine Verlagerung auf dem Verordnungsweg wird sich wohl auch naher Zukunft politisch nicht durchsetzen lassen. Zumindest wird mit dem Bau des BBT der geplagten Bevölkerung entlang der Transitrouten gezeigt, dass die Politik etwas für die Lösung unternimmt.

7.4 FAZIT ZUR TIROLER VERKEHRSPOLITIK

Im Rückblick ist die Tiroler (Transit-) Verkehrspolitik durch Niederlagen und Teilerfolge gekennzeichnet. Einen ersten vollständigen Bruch stellte das Jahr 1989 dar, in dem die bisherige jahrzehntelange verkehrspolitische Doktrin abgewählt wurde. Seither verfolgt das Transitthema jede Landtagswahl in Tirol. 1989 folgte auf die Wahlniederlage der ÖVP als Reaktion die Einführung des Nachtfahrverbotes. Umgekehrt ging es 2003. Im Vorfeld der Wahl wurde das sektorale Fahrverbot überhastet eingeführt und von der EU gestoppt. Damit hatte der Landeshauptmann ein ideales Wahlkampfthema um gegen Brüssel zu poltern. (Sprenger 2004, 231) Zählte man 1991 noch 848.000 Transitfahrten durch Tirol stieg dieser Wert bis 2013 auf über 1,98 Mio. pro Jahr. Trotz aller bisherigen Maßnahmen der Politik und von Seiten der Bürgerinitiativen ist die zu hohe Schadstoffkonzentration entlang der Transitrouten immer noch das Hauptproblem. „Die Tiroler Landespolitik zeichnet sich in

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der Transitfrage seit Beginn der 90er Jahre durch zahnlose Maßnahmen (parlamentarische Beschlüsse, Resolutionen, Appelle etc.) zufolge fehlender rechtlicher Kompetenzen und zugleich durch eine über weite Strecken demonstrative Einheit der Landtagsparteien in dieser Frage aus.“ (Sprenger 2004, 232) Gerade diese demonstrative Einheit missfällt der Tiroler Wirtschaft, die es leid ist immer den „schwarzen Peter“ in Sachen Verkehr zugeschoben zu kommen. Andererseits ist die Einteilung in „gute“ inländische und „böse“ ausländische Lkw immer wieder anzutreffen. Gerade bei für die Tiroler Wirtschaft unpopulären und nachteiligen Entscheidungen (z. B. Brennermaut-Stretching, sektorales Fahrverbbot oder Mautzuschlag in Unterinntal) kann der Verdacht der Bevorzugung der heimischen Unternehmen nicht immer ganz geleugnet werden. Hier blickt dann die Tiroler Volkspartei doch wieder auf ihre Stammklientel aus der Wirtschaft und verzögert und blockiert. Natürlich wurde dieses doppelte Spiel auch in Brüssel durchschaut und führte zu den beschriebenen Folgen. Trotz der nicht gelungen Verringerung des Transitverkehrs gelangen auch Erfolge, wie die Schaffung umweltverträglicher Verkehrsstrukturen. Neben dem Bau der Unterinntalbahn konnte nun auch das „Allheilmittel“ BBT in die Bauphase überführt werden. Zu nennen sind hier auch noch das Nachtfahrverbot und die Maßnahmen, die durch das IG-L im Sanierungsgebiet bedingt wurden. (Gehler 2004, 259; Befragung Lamprecht 2006; Lichtenberger Interview 2008) Den Kardinalfehler in der „scheinheiligen“ Tiroler Transitpolitik sieht Sprenger darin, dass die Landespolitik der Bevölkerung immer suggerierte, dass sie die rechtlichen Kompetenzen zur Problemlösung besitzen würde. Diese sind nach wie vor beim Bund und seit 1995 großteils auf der supranationalen europäischen Ebene angesiedelt. (Sprenger 2004, 234; vgl. Liebherr 2000, 246; Leichtfried Interview 2008)

400

TEIL V: SCHWEIZER VERKEHRSPOLITIK 8. DER SCHWEIZER WEG ALS ALTERNATIVE?

8.1 DIE RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN

8.1.1 Allgemeines

Im folgenden Kapitel wird das nominale und funktionale Verkehrsrecht in der Schweiz dargestellt. Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft540 idgF dient dabei als Hauptrechtsquelle. Neben einem eigenen Verkehrskapitel im 3. Titel über Bund, Kantone und Gemeinden (2. Kapitel Zuständigkeiten, 5. Abschnitt öffentliche Werke und Verkehre) sind darin auch zahlreiche Querschnittsklauseln enthalten, die ihrerseits in den Verkehrsbereich hineinwirken. Besonders zu beachten sind in der Schweiz auch die Besonderheiten des politischen Systems, wie z. B. das Proporzsystem (vgl. Besetzung des Bundesrates), die direktdemokratischen Elemente (das Referendum und die Volksinitiative541) sowie der ausgeprägte Föderalismus und Korporatismus. Gerade der Föderalismus hat in der Schweiz eine jahrhundertelange Tradition, was besonders in Art. 3 BV zum Tragen kommt. Gemäß diesem Artikel sind die Kantone souverän und üben alle Rechte aus, sofern diese Souveränität nicht durch verfassungsrechtliche Beschränkungen dem Bund übertragen worden ist. Daneben sind die Kantone an allen Phasen der politischen Willensbildung beteiligt, was sich insbesondere im Ständerat (eine der Kammern des Parlaments) und im Ständemehr542 auszeichnet. (Höschen 2007, 28f; Sollberger 2003, 10) „Gerade im Bereich des – über die Kantonsgrenzen hinaus – raumverbindenden Verkehrs lag es indes nahe, die Rechtsetzungszuständigkeit durch die Verfassung weitgehend dem Bund zuzuteilen.“ (Sollberger 2003, 10) Trotzdem besitzt der Bund aber nicht die alleinige Zuständigkeit und die Kantone üben insbesondere im Straßenverkehr eigene Hoheiten aus.

540 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) idF vom 9.02.2014 URL: (31.03.2015) 541 Die Volksinitiative erlaubt dem schweizerischen Souverän die Mitwirkung an Verfassungsänderungen. Innerhalb von 18 Monaten müssen für die Behandlung 100.000 Stimmberechtigte unterschreiben. (Höschen 2007, 31 Fn. (45)) 542 Neben dem Volksmehr (Mehrheit der stimmberechtigten Bürger) muss auch die Mehrheit der Stände (d. h. Kantone) einer Abstimmung zustimmen. (Höschen 2007, 29 Fn. (36)) 401

8.1.2 Verkehr in der Schweizer Bundesverfassung

Die schweizerische Bundesverfassung regelt in den Art. 81 bis 88 (Abschnitt öffentliche Werke und Verkehr) die Zuständigkeiten im Verkehrsreich. Hier verfügt der Bund aber nicht über die allgemeine Zuständigkeit für den Verkehr. Lediglich für einige Verkehrsträger hat der Bund die umfassende Gesetzgebung (z. B. Eisenbahn). Interessant sind im Vergleich mit dem österreichischen B-VG die Artikel 84 und 85 BV, die speziell auf die Regelung des Transitverkehrs abzielen. Wie in der direktdemokratischen Schweiz Gang und Gäbe wurden beide Artikel durch Volksinitiativen und daraus resultierende positive Volksabstimmungen in die Schweizer Bundesverfassung reklamiert. Der Art. 81 BV (Öffentliche Werke) regelt die Möglichkeit der Errichtung oder des Betriebes öffentlicher Werke durch den Bund. Straßenverkehr (Art. 82 BV): Gemäß Art. 82 BV fallen folgende Kompetenzen, die den Straßenverkehr betreffen, in die Verantwortung des Bundes:  Abs. 1: Der Bund erlässt Vorschriften über den Straßenverkehr.  Abs. 2: Er übt die Oberaufsicht über die Straßen von gesamtschweizerischer Bedeutung aus; er kann bestimmen, welche Durchgangsstraßen für den Verkehr offen bleiben müssen.  Abs. 3: Die Benützung öffentlicher Straßen ist gebührenfrei. Die Bundesversammlung kann Ausnahmen bewilligen. Die Rechtsetzungspflicht des Bundes umfasst aber nicht die Bereiche, die in der Straßenhoheit der einzelnen Kantone liegen. „Dieser betrifft die Bereiche des straßenbezogenen Polizei-, Straf-, Haftpflicht- und Versicherungsrechtes sowie des Rechts über die Zulassung von Fahrzeugen und Fahrzeugführern […].“ (Sollberger 2003, 11; vgl. Cornu 2000, 201f) Bei den Straßen wird aber gemäß Art. 82 BV zwischen Straßen von regionalem und gesamtschweizerischen Interesse sowie zwischen den Nationalstraßen unterschieden. Bei den regionalen Straßen üben die Kantone ihre Straßenhoheit aus und sind für den Bau, den Unterhalt und die Finanzierung verantwortlich. Bei Straßen mit gesamtschweizerischer Bedeutung teilen sich der Bund und die Kantone die Verantwortung. Dabei hat der Bund die Oberaufsicht und gibt die Planungsrichtlinien vor. Beim Netz der Nationalstraßen, das alle Autobahnen sowie Autostraßen und andere wichtige Hauptrouten umfasst, hat der Bund gemäß Art. 83 BV (Nationalstraßen) die die alleinige Kompetenz zur Planung, Bau, Finanzierung und Betreib derselben. (Sollberger 2003, 12f)

402

Einfachgesetzlich umgesetzt ist der Art. 82 BV im Straßenverkehrsgesetz (SVG543) idgF. Daneben sind zur Unterscheidung der einzelnen Straßentypen auch noch die Verkehrsregelnverordnung (VRV544) idgF und die Signalisationsverordnung (SSV545) idgF zu beachten. Die Liste der Nationalstraßen findet sich beim Bundesbeschluss über das Nationalstraßennetz546 idgF im Anhang. Im Zuge der EUROLEX-Vorlagen, des EWR- Folgeprogramms und des Landverkehrsabkommens wurde das SVG an das geltende EU- Recht angepasst und somit liberalisiert. (Cornu 2000, 201f) Alpenquerender Transitverkehr (Art. 84 BV): Mit der Annahme der so genannten „Alpeninitiative“ wurde der Art. 84 BV (Art. 36sexies aBV) Teil der Schweizer Bundesverfassung:  Abs. 1: Der Bund schützt das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs. Er begrenzt die Belastungen durch den Transitverkehr auf ein Maß, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie für deren Lebensräume nicht schädlich ist.  Abs. 2: Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene. Der Bundesrat regelt die notwendigen Maßnahmen. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn die unumgänglich sind. Sie müssen durch ein Gesetz näher bestimmt werden.  Abs. 3: Die Transit-Straßenkapazität im Alpengebiet darf nicht erhöht werden. Von dieser Beschränkung ausgenommen sind Umfahrungsstraßen, die Ortschaften vom Durchgangsverkehr entlasten. Der Art. 196 Ziff. 1 BV (Art. 21 aBV) enthält eine Übergangsbestimmung zum Art. 84 BV: Die Verlagerung des Gütertransitverkehrs auf die Schiene muss zehn Jahre nach der Annahme der Volksinitiative zum Schutz des Alpengebietes vor dem Transitverkehr abgeschlossen sein. Im Mai 1989 wurde die „Volksinitiative zum Schutz der Alpen vor dem Transitverkehr“ (kurz „Alpeninitiative“) lanciert. Mit Mitglieder der Alpeninitiative rekrutierten sich aus den Transit-Kantonen Wallis, Uri, Graubünden und Tessin sowie aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten und waren bereits seit Mitte der 1980er Jahre – analog zu den österreichischen Anti-Transit-Bürgerinitiativen – gegen den steigenden Transitverkehr aktiv geworden. (Höschen 2007, 214; Wicki 2000a, 133; Sager 1999, 325) „Sie stellte im Kern

543 Straßenverkehrsgesetz (SVG) vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01) idF vom 1.01.2015. 544 Verkehrsregelnverordnung (VRV) vom 13. November 1962 (SR 741.11) idF vom 1.01.2014. 545 Signalisationsverordnung (SSV) vom 5. September 1979 (SR 741.21) idF vom 1.01.2015. 546 Bundesbeschluss über das Nationalstraßennetz vom 21. Juni 1960 (SR 725.113.11) idF vom 1.01.2002. 403

eine Antwort auf die insbesondere in Umweltkreisen nicht mehr genehme internationale Verkehrspolitik des Bundesrates dar, hauptsächlich in Bezug auf die Transitfrage.“ (Wicki 1999, 55) Gleichzeitig tangierte diese Initiative die Verhandlungen zum Transitabkommen zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz. Von diesen Transitverhandlungen fühlten sich die Umweltgruppen komplett ausgeschlossen. (Wicki 1999, 56; Wicki 2000b, 29; Epiney/Gruber 1997, 181) Allen voran wollten die Initiatoren den Bau einer zweiten Straßentunnelröhre am Gotthard sowie einen 40-t-Lkw-Korridor durch das Schweizer Mittelland bzw. durch die Romandie (französischsprachige Schweiz) verhindern. Dieser Korridor war bei den Transitverhandlungen kurzfristig andiskutiert worden. Die Befürworter der Volksinitiative forderten die Aufnahme ihrer Forderungen mittels des Art. 36sexies aBV in die Bundesverfassung. Am 20. Februar 1994 fand schließlich die Volksabstimmung über die Alpeninitiative statt. Mit 51,9% der Stimmen und der Mehrheit der Kantone wurde die Initiative gegen die ausdrückliche Empfehlung des Bundesrates in die Verfassung aufgenommen. Kurz davor hatte sich der Bundesrat dagegen ausgesprochen, da völkerrechtliche Bedenken geltend gemacht wurden und die Alpeninitiative gegen das Transitabkommen von 1992 verstoße – insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 15 und gegen das Verbot der Erlassung einseitiger Maßnahmen in Art. 16 TA-CH. Allerdings macht der Bundesrat keinen Gegenvorschlag und bereits 1992 hatte die Bundesversammlung die Alpeninitiative durch die Annahme des Transitabkommens als „gegenstandslos“ erkannt. (Wicki 1999, 56f; Wicki 200b, 29f; Epiney/Gruber 1997, 182 (Fn. 108); Danielli/Maibach 2014, 35; Sager 1999, 325; Maibach et al. 1999a, 75; Cornu 2000, 204f; Gruber 2005, 123f; Satzinger 2012, 21f) Mit dem Art. 84 BV (Art. 36sexies aBV) änderten sich die bisherigen internationalen verkehrspolitischen Grundlagen für die Schweiz dramatisch. Bereits das schweizerische Nein zum EWR-Vertrag hatte die Beziehungen zur EG/EU getrübt. Gerade in der Vorbereitungsphase zur Aufnahme von bilateralen Verhandlungen schlug das Abstimmungs-Ja wie eine Bombe ein. Die Gemeinschaft legte daraufhin den Start der Verhandlungen auf Eis (siehe Punkt 9.2.1). In dieser angespannten Phase suchte der Bundesrat einen Ausweg aus der innen- und außenpolitischen Sackgasse. Mit dem praktischen Umsetzungskonzept der Alpeninitiative räumte der Bundesrat die Bedenken der Gemeinschaft aus dem Weg und brachte damit die bilateralen Verhandlungen wieder in Gang. (Epiney/Gruber 1997, 183; Wicki 1999, 57, 80; Wicki 2000b, 30) Die Erklärung des Bundesrates vom 9. September 1994 enthielt vier konkrete Vorschläge:  Nichtdiskriminierung: Alle Transporte, egal ob in- oder ausländisch, werden nur bei der Benützung von bestimmten „Transitstraßen im Alpengebiet“ der Verlagerung 404

auf die Schiene unterworfen. Die Aufzählung der „Transitstraßen“547 erfolgt in einem eigenen Gesetz.  Freie Wahl der Verkehrsmittels: Die Verlagerung soll aber nicht als Zwangsmaßnahme durchgeführt werden, sondern durch marktkonforme fiskalische Lenkungsmaßnahmen erfolgen. Zur Umsetzung der Kostenwahrheit wird die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) eingeführt. Zusätzlich für die Benützung der „Transitstraßen“ gem. STVG eine eigne Alpentransitgebühr (ATA) eingehoben werden.  Förderung des Kombinierten Verkehrs durch Bereitstellung der Infrastruktur: Durch eine Modernisierung der Bahn (Stichwort Bahnreform) soll die zu erwartende Nachfragesteigerung aufgefangen werden. Des Weiteren soll auch das Projekt NEAT weiter vorangetrieben werden.  Internationale Zusammenarbeit: Die Schweiz strebt eine europaweit abgestimmte Preis- und Infrastrukturpolitik im alpenquerenden Transitverkehr an. Damit soll der ineffiziente Umwegtransit via Österreich und Frankreich möglichst vermieden werden. (Epiney/Gruber 1997, 184-186; Epiney 1996, 42f; vgl. Sollberger 2003, 72- 74; Wicki 2000a, 136; Cornu 2000, 206; Gruber 2005, 124f) Nach der grundsätzlichen außenpolitischen Einigung mit der Gemeinschaft ging es um die innerstaatliche Umsetzung der Alpeninitiative. Da der Art. 84 Abs. 2 BV die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs innerhalb von zehn Jahren auf die Schiene verlangt und die Erhöhung der Transitstraßenkapazität im Alpengebiet verbietet, wurde am 8. Oktober 1999 das Verlagerungsgesetz548 erlassen. Dadurch sollte eine nichtdiskriminierende Umsetzung des Verfassungsartikels gewährleistet werden. Im Gesetz wurde die Reduzierung des alpenquerenden Güterschwerverkehrs auf 650.000 Fahrten auf den Straßentransitachsen pro Jahr festgesetzt (Halbierung der Straßentransitzahlen). Erreicht werden soll dieses Ziel zwei Jahre nach der Eröffnung des Lötschbergbasistunnels. Das Gesetz trat am 1. Jänner 2001 in Kraft und galt bis längstens 31. Dezember 2010. (Danielli/Maibach 2014, 35f; Friedli 2001, 488; Berger et al. 2007, 145f; Cornu 2000, 218; Ecoplan et al. 2007, 62; Anreiter 2003, 8) „Erst die Kombination mit der Erhebung der LSVA und der Praktizierung des Dosierungssystems549 an Gotthard und San Bernardino, verbunden mit den rigorosen Polizeikontrollen des Schwerverkehrs […] und dem Nacht- und Sonntagsfahrverbot, machen das Bild der Verlagerungsbemühungen vollständig.“ (Berger et al. 2007, 146; vgl. Gruber 20005, 135) Neben dem Verlagerungsgesetz wurden

547 Bundesgesetz über den Straßentransitverkehr im Alpengebiet (STVG) vom 17. Juni 1994 (SR 725.14): Als Transitstraßen gelten die San Bernadinoroute, die Gotthardroute, die Simplonroute und die Große St. Bernhardroute. (Epiney/Gruber 1997, 184 (Fn. 124)) 548 Bundesgesetz zur Verlagerung von alpenquerendem Güterschwerverkehr auf die Schiene vom 8. Oktober 1999 (SR 740.1). 549 Seit dem Brand im Gotthardstraßentunnel im Jahr 2001 wird das so genannte „Tropfenzählersystem“ für Schwerfahrzeuge angewendet. Durch Ampeln wird pro Minute jeweils zwei bis drei Lkw die Einfahrt in den Tunnel erlaubt, um den Sicherheitsabstand von 150 m zwischen den Schwerfahrzeugen zu gewährleisten. Dazwischen werden jeweils Pkw eingegliedert. Damit wird die maximale Zahl der Durchfahrten für Lkw pro Tag auf 3.000 bis 4.000 beschränkt. (Ecoplan et al. 2007, 66; Satzinger 2012, 19f; UEVK 2014, URL: [31.03.2015]) 405

weitere flankierende Maßnahmen vom Schweizer Parlament beschlossen (z. B. internationale Förderung des Schienengüterverkehrs, Erhöhung der Terminalkapazitäten, Rückerstattung der LSVA im Vor- und Nachlauf zum KV, Trassenpreisverbilligungen etc.). Finanziert werden diese flankierenden Maßnahmen durch den Bund, wobei die Einnahmen aus der LSVA stammen. Insgesamt wurden zwischen 2000 und 2010 2,83 Mrd. Schweizer Franken dafür bereitgestellt. Neben der Einführung der LSVA sollten auch eine Modernisierung der Bahn sowie die Fertigstellung der NEAT einen weiteren Anreiz zur Verlagerung bilden. (Danielli/Maibach 2014, 36f, 44; Friedli 2001, 489; Gruber 2005, 134; Befragung Lamprecht 2006) Allerdings gab es aufgrund der Zahlen von Anfang an Bedenken, ob das angestrebte ehrgeizige Verlagerungsziel bis 2009 erreicht werden kann. Daher kam es zu einer Neufassung des Verlagerungsgesetztes. Durch das Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG550) vom 18. Dezember 2008 idgF wurde das bisherige Verlagerungsziel auf das Jahr 2019 verschoben. Am bisherigen Zielwert von 650.000 Fahrten pro Jahr wird, gegen den Willen des Bundesrates, festgehalten. Dies soll nun gemäß Art. 3 GVVG zwei Jahre nach der Eröffnung des Gotthardbasistunnels (2019) erreicht werden. Bereits 2011 soll das Zwischenziel von höchstens einer Mio. Fahrten nicht überschritten werden. Eine Überschreitung in einzelnen Jahren mit besonders hoher Wirtschafts- bzw. Verkehrsentwicklung ist erlaubt. Allerdings sind im Art. 5 GVVG auch befristete Maßnahmen zur Erhöhung der Transitabgaben enthalten – falls der Bahnverkehr nicht genügend ausgelastet sein sollte. Eine völlige Neuerung ist der Art. 6 GVVG, der die rechtliche Grundlage für die Einführung einer Alpentransitbörse schafft. Die bisherigen Förderungen des kombinierten Verkehrs werden gem. Art. 8 GVVG beibehalten, womit dieser gegenüber dem Straßenverkehr weiterhin konkurrenzfähig bleibt. Die Förderungen werden aber sukzessive Jahr für Jahr weniger. Das GVVG trat mit 1. Jänner 2010 in Kraft. Im Jahr 2013 lag die Schweiz mit 1,143 Mio. Transitfahrten pro Jahr aber immer noch deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen Verlagerungsziel. Trotz der geplanten Eröffnung des Gotthardbasistunnels im Jahr 2016 dürfte das Ziel wohl verfehlt werden. Der Bundesrat will daher weitere Maßnahmen erlassen, wie zum Beispiel eine Erhöhung der Terminalkapazitäten südlich der Alpen oder dem Bau eines Vier-Meter-Korridors für die Verladung von Sattellauflegern mit einer Höhe von 4 Metern auf der Gotthardachse. (Danielli/Maibach 2014, 41; BAV 2011, 4; Satzinger 2012, 22; UEVK 2014551) Insgesamt

550 Bundesgesetz über die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene (Güterverkehrsverlagerungsgesetz, GVVG) vom 18. Dezember 2008 (SR 740.1) idF vom 1.01.2010. 551 URL: [31.03.2015] 406

lässt sich mit der Umsetzung des Alpenschutzartikels eine Neuausrichtung der schweizerischen Verkehrspolitik konstatieren. „Es geht nicht mehr ausschließlich um eine nachfrageorientierte Bereitstellung von Infrastrukturen, sondern um eine Verwirklichung der Kostenwahrheit im Verkehr und eine Förderung von Umweltschutz- und Raumordnungskriterien vorteilhafteren Verkehrsträgern.“ (Sollberger 2003, 74) Schwerverkehrsabgabe (Art. 85 BV): Neben der Abstimmung über die Alpeninitiative fand am 20. Februar 1994 auch ein Votum über die Weiterführung der Straßenabgaben statt. Die als Übergangslösung eingeführte Vignette wurde nun definitiv beschlossen und der Inflation angepasst. (Wicki 1999, 57f; Wicki 2000b, 30) „Der Reinertrag der Abgabe wird seither nicht mehr für die allgemeine Bundeskasse, sondern in erster Linie für Straßenzwecke verwendet.“ (Wicki 1999, 57) Der wichtigere Punkt war aber die Fortführung der pauschalen Schwerverkehrsabgabe für weitere zehn Jahre als Übergangslösung. Gleichzeitig wurde mit dem Art. 85 BV (Art. 36quater aBV) die verfassungsrechtliche Grundlage für die Einführung einer leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) geschaffen:  Abs. 1: Der Bund kann auf dem Schwerverkehr eine leistungs- oder verbrauchsabhängige Abgabe erheben, soweit der Schwerverkehr der Allgemeinheit Kosten verursacht, die nicht durch andere Leistungen oder Abgaben gedeckt sind.  Abs. 2: Der Reinertrag der Abgabe wird zur Deckung von Kosten verwendet, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen.  Abs. 3: Die Kantone werden am Reinertrag beteiligt. Bei der Bemessung der Anteile sind die besonderen Auswirkungen der Abgabe in Berg- und Randgebieten zu berücksichtigen. Der Art. 196 Ziff. 2 BV enthält wiederum zahlreiche Übergangsbestimmungen für den Art. 85 BV. Mit dem Schwerverkehrsabgabegesetz (SVAG552) idgF vom 19. Dezember 1997 wurde dieser Verfassungsartikel umgesetzt. Dadurch wird die LSVA von allen Fahrzeugen über 3,5 t, egal ob in- oder ausländisch, im gesamten schweizerischen (und liechtensteinischen) Straßennetz flächendeckend erhoben. Das SVAG wurde vom Schweizer Volk am 27. September 1998 mit 57,2% Ja-Stimmen überraschend befürwortet. Dadurch wurde ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Güterverkehrsstrategie genehmigt. Gleichzeitig erfolgte mit der Gemeinschaft in den parallel verlaufenden Verhandlungen zum bilateralen

552 Bundesgesetz über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (Schwerverkehrsabgabegesetz; SVAG) vom 19. Dezember 1997 (SR 641.81) idF vom 1.04.2008. 407

Landverkehrsabkommen eine Einigung zur Einführung in drei Stufen (siehe Punkt 9.2.2). Die LSVA selbst ist dann am 1. Jänner 2001 in Kraft getreten. Mit der LSVA werden erstmals die externen Kosten flächendeckend eingerechnet. Daneben soll die LSVA das Wachstum des Schwerverkehrs bremsen und die Verlagerung auf die Schiene fördern. Damit soll die Umwelt weiter entlastet werden. (Wicki 1999, 59; Danielli/Maibach 2014, 57f; Maibach et al. 1999a, 87; Cornu 2000, 207; Epiney et al. 2013, 94f; Bundesamt für Raumentwicklung/UVEK 2012, 6f; Ehlotzky 2012, 175 (Fn. 108); Heuck 2013, 524f; Bundesamt für Raumentwicklung 2015553) Die Berechnung der LSVA hängt vom Gesamtgewicht des Fahrzeuges, der EURO- Emissionsstufe sowie von der Anzahl der gefahrenen Kilometer ab. Unter die Regelung fallen alle Motorfahrzeuge mit Anhänger, die mehr als 3,5 t Gesamtgewicht aufweisen sowie dem Gütertransport dienen. Die Tarife der LSVA betrugen zwischen 2001 und 2004 für einen Lkw mit 34 t (gleichzeitige Erhöhung des Gewichtslimits) auf der Referenzstrecke Basel – Chiasso zwischen 205 (EURO 0) und 145 Schweizer Franken (EURO II und III), da entspricht 1,6 Rappen/tkm. In der zweiten Phase zwischen 2005 und 2007 wurden die Tarife der LSVA erstmalig angehoben (2,44 Rappen/tkm). Bei gleichzeitiger Anhebung des Gewichtslimits auf 40 t bezahlten Lkw der Klassen EURO bzw. EURO III bis V zwischen 346 und 258 Schweizer Franken. Mit der Fertigstellung des Lötschbergbasistunnels 2007 wurde mit 1. Jänner 2008 eine weitere Erhöhung durchgeführt (2,7 Rappen/tkm) und das endgültige Vertragsregime des Landverkehrsabkommens etabliert. Die aktuellen Werte (Stand März 2015) für 40-t-Lkw (EURO V) liegen auf der Referenzstrecke zwischen der deutschen und italienischen Grenze (ca. 300 km) bei 274 Schweizer Franken. Das Maximum für die Klasse EURO 0 beträgt auf dieser Strecke 372 Schweizer Franken. (Danielli/Maibach 2014, 59; Bundesamt für Raumentwicklung/UVEK 2012, 7; Eidgenössische Zollverwaltung 2015554) Tabelle 20: Aktuelle Tarife für die LSVA (Stand 2014): EURO- Abgabenkategorie Tarif Emissionsklasse I EURO II, I und 0 3,10 Rappen/tkm II EURO III 2,69 Rappen/tkm EURO IV und V 2,28 Rappen/tkm III EURO VI 2,05 Rappen/tkm (Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung 2015555)

553 URL: [31.03.2015] 554 URL: [4.08. 2014] 555 Siehe Fn. 554. 408

Am 1. Juli 2012 wurden gemäß dem Beschluss des Gemischten Landverkehrsausschuss Schweiz-EU die LSVA-Tarife an die Teuerung angepasst. Damit wurden alle Tarife um 0,97% angehoben. Auf der Referenzstrecke (300 km) sind das für einen 40-t-Lkw insgesamt drei Schweizer Franken mehr als bisher. Gleichzeitig erhalten die EURO-Klassen II und III mit Partikelfiltern sowie die EURO-Klasse VI eine LSVA-Ermäßigung von 10%. Der Rabatt für die EURO-Klasse VI gilt vorerst bis Ende 2014 und soll ein Anreiz zur raschen Flottenerneuerung sein. (Bundesrat 2015556) Von der LSVA ausgenommen sind Fahrzeuge der Schweizer Armee, der Polizei, der Feuer-, Öl- und Chemiewehr sowie Ambulanzen. Ferner sind auch der Linienverkehr, landwirtschaftliche Fahrzeuge, Elektro- und Raupenfahrzeuge von der Abgabe befreit. Sonderregelungen für die LSVA gelten bei Fahrten im unbegleiteten kombinierten Verkehr (pauschale Teilrückerstattung), bei Transporten von Rohholz, offener Milch und landwirtschaftlichen Nutztieren. (Danielli/Maibach 2014, 59; Bundesamt für Raumentwicklung/UVEK 2012, 14f; Eidgenössische Zollverwaltung 2015557) Für Reisebusse, Wohnmobile, schwere Personenfahrzeuge und für Traktoren ist eine pauschale Schwerverkehrsabgabe (PSVA) zu entrichten. Bei Reisebussen bewegen sich die gewichtsabhänigigen Tarife zwischen 2.200 und 5.000 Schweizer Franken. (Bundesamt für Raumentwicklung/UVEK 2012, 15; Eidgenössische Zollverwaltung 2015558) Die Erfassung der LSVA erfolgt im gesamten Straßennetz auf elektronischem Wege. Für die Einhebung ist die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) verantwortlich. Dazu wird, wie bei der österreichischen Lkw-Maut, das Erfassungsgerät, die so genannte On-Board-Unit (OBU), in den Fahrzeugen angebracht. Bei ausländischen Lkw ist auch die Verrechnung mittels einer Identifikationskarte möglich. In der Schweiz wird die OBU „Tripon“ gratis an alle in- und ausländischen Frächter abgegeben. Zwischen 2010 und 2012 lief der Umtausch von „Tripon“ auf die neue OBU „Emotach“. Die OBU ist mit dem Fahrtenschreiber der Fahrzeuge verbunden womit die zurückgelegten Kilometer ermittelt werden. Beim Verlassen der Schweiz wird die Zählfunktion der OBU mittels eines Funkbalkens aktiviert oder deaktiviert. Die LSVA wird nach der Datenübertragung an die Oberzolldirektion monatlich verrechnet. Bei ausländischen Fahrzeugen wird die LSVA beim Verlassen der Schweiz zur Zahlung fällig. (Danielli/Maibach 2014, 60; Bundesamt für Raumentwicklung/UVEK 2012, 12f; Eidgenössische Zollverwaltung 2015559)

556 URL: [31.03.2015] 557 Siehe Fn. 554. 558 URL: [31.03. 2015] 559URL: [31.03.2015] 409

Die Einnahmen der LSVA gegen zu einem Drittel an die Kantone und zu zwei Drittel an den Bund. Die Kantone verwenden ihren Anteil überwiegend zum Straßenbau bzw. zur Deckung der externen Kosten des Verkehrs. Für den Bund sind die LSVA-Einnahmen die Finanzierungsquelle für die Umsetzung von Großprojekten des öffentlichen Verkehrs. Damit wird die NEAT und der Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz realisiert. Des Weiteren dienen die Einnahmen zur Umsetzung von „Bahn 2000“ und zur Lärmsanierung der Bahn. (Danielli/Maibach 2014, 60; Sollberger 2003, 60; Bundesamt für Raumentwicklung 2015560) Verbrauchssteuer auf Treibstoffe und übrige Verkehrsabgaben (Art. 86 BV): Auf den Art. 86 BV ist die Mineralölsteuer auf Treibstoff als wichtigste Abgabe gestützt. Immerhin sind 50% der Einnahmen aus dieser Abgabe für den Nationalstraßenbau reserviert. Damit werden die Errichtung, der Unterhalt und der Betrieb der Nationalstraßen bestritten. Daneben werden auch weitere Maßnahmen wie z. B. die Förderung des kombinierten Verkehrs, die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Städten und Agglomerationen sowie der Schutz gegen Naturgewalten aus diesen Einnahmen finanziert. Die restliche Hälfte geht in den allgemeinen schweizerischen Bundeshaushalt. (Danielli/Maibach 2014, 61; Sollberger 2003, 58f; Eidgenössische Zollverwaltung 2015561) Eisenbahnen und weitere Verkehrsträger (Art. 87 BV): Der Art. 87 BV verleiht dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Eisenbahnverkehrs. Den Kantonen bleibt nur bei der Bewilligung bzw. Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen ein gewisser Einflussbereich. Infolge des EWR-Folgeprogramms und der Bahnreform von 1999 wurde das Eisenbahnrecht (EBG und SBBG562 idgF) liberalisiert und an die europarechtlichen Vorgaben angepasst. (Sollberger 2003, 15; Cornu 2000, 203) Schließlich umfasst der Art. 88 BV (Fuß- und Wanderwege) noch eigene Regelungen für die Fuß- und Wanderwege.

8.1.3 Funktionales Verkehrsrecht in der Schweiz

Wie auf europäischer Ebene und in Österreich bildet auch in der Schweiz der Umweltschutz eine wichtige Querschnittsklausel, die in das Verkehrsrecht hineinreicht. Das Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG563) idgF beruht auf Art. 74 Abs. 1 BV, wonach der Bund Vorschriften zum Schutz der Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder

560 URL: [31.03.2015] 561 URL: [31.03. 2015] 562 Eisenbahngesetz (EBG) vom 20. Dezember 1957 (SR. 742.101) idF vom 14.01.2014; Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) vom 20. März 1998 (SR. 742.31) idF vom 1.12.2011. 563 Bundesgesetz über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG) vom 7. Oktober 1983 (SR 814.01) idF vom 1.04.2015. 410

lästigen Auswirkungen erlässt. Damit verfügt die Schweiz im Gegensatz zu Österreich über einen eigenen Verfassungsartikel über den umfassenden Umweltschutz. Das USG wurde bereits 1983 erlassen und enthält das Vorsorge- (Art. 1 Abs. 2) und Verursacherprinzip (Art. 2). Die Verursacher sollen selbst ihre Kosten tragen, womit insbesondere auf die Internalisierung der externen Kosten abgezielt wird (vgl. LSVA). Seit 1988 ist im USG zudem die UVP enthalten (Art. 10a bis 10d). Sämtliche Projekte, die die Umwelt belasten könnten, sind durch das USG UVP-pflichtig. Weitere Bereiche betreffen insbesondere die Bekämpfung der Quellen von Luft- und Lärmemissionen durch geeignete Maßnahmen (Emissionsbegrenzungen, Art. 11 bis 15). Des Weiteren sind zusätzliche Vorschriften für den Schutz vor Lärm und Erschütterungen enthalten (Art. 19 bis 25). (Berger et al. 2007, 240; Cornu 2000, 203f) Zu nennen sind hier auch noch die Luftreinhalte- (LRV564) idgF und die Lärmschutz-Verordnung (LSV565) idgF, da sie für den Straßen- und Schienenverkehr von großer Bedeutung sind. Bei diesen Verordnungen übernimmt die Schweiz ebenfalls das sekundärrechtliche Gemeinschaftsrecht im so genannten „autonomen Nachvollzug“. (Sollberger 2003, 77f) Für den Vollzug der Gesetzte im Bereich des Umweltschutzes sind gemäß Art. 74 Abs. 3 BV die Kantone zuständig. Ausnahmen bestehen hier lediglich in denjenigen Bereichen, in welchen sich der Bund den Vollzug selbst vorbehalten hat. Ein Beispiel dafür ist die LSVA, die in ausschließliche Bundeskompetenz fällt. Die Grenzwerte bei den Emissionen und Immissionen legt der Bund fest, während die Kantone für den Vollzug verantwortlich sind. Auch hier orientiert sich die Schweiz bei den Grenzwerten an den europarechtlichen Vorgaben. (Sollberger 2003, 19f) Eine weitere Querschnittsklausel betrifft die Raumplanung. Die Kompetenzen in der Raumplanung sind in Art. 75 BV geregelt, wobei auch hier wiederum eine Kompetenzteilung zwischen Bund und den Kantonen vorliegt. Umgesetzt ist dieser Verfassungsartikel im Raumplanungsgesetz (RPG566) idgF. Gemäß Art. 13 erarbeitet und gibt der Bund im Verkehrsbereich die Konzepte und Sachpläne vor. Die Kantone erarbeiten ihrerseits selbst Pläne und mit gegenseitiger Information, Koordination und Kooperation erfolgt die Abstimmung. (Sollberger 2003, 16f) Daraus ergibt sich im Verkehrsbereich laut Sollberger eine Verteilung der raumplanerischen Verantwortung: „Der Bund bestimmt in seiner Kompetenz zur Planung von überkantonalen Netzten von Eisenbahnen,

564 Luftreinhalte-Verordnung (LRV) vom 16. Dezember 1985 (SR 814.318.142.1) idF vom 4.02.2014. 565 Lärmschutz-Verordnung (LSV) vom 15. Dezember 1986 (SR 814.41) idF vom 1.02.2015. 566 Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) vom 22. Juni 1979 (SR 700) idF vom 1.05.2014. 411

Nationalstraßen und […] Hauptstraßen weitgehend die großräumige landverkehrliche Raumplanung der Schweiz; die Kantone […] [und die Gemeinden] sind hauptsächlich für die Feinverteilung des Verkehrs verantwortlich […].“ (Sollberger 2003, 17f)

8.2 DIE INHALTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN

8.2.1 Allgemeines

Im nachfolgenden Kapitel werden die inhaltlichen Rahmenbedingungen anhand eines historischen Aufrisses der eidgenössischen Verkehrspolitik aufgezeigt. Wie auch in Österreich war die schweizerische Verkehrspolitik bis in die 1980er Jahre durch eine sektorielle Ausrichtung geprägt, die sich an der unabhängigen Entwicklung der einzelnen Verkehrsträger deutlich zeigte. (Gruber 2005, 117) „Jeder Verkehrsträger besaß eine eigene Gesetzgebung, Infrastrukturplanung und Finanzierungsmethode. […] Eine verkehrsträgerintegrierende Koordination auf Bundesebene fehlte.“ (Wicki 1999, 48f; vgl. Wicki 2000b, 23) Die Schweiz war immer schon Transitland für den alpenquerenden Nord-Süd-Verkehr, was durch die verkehrsgeographische Lage – ähnlich derer Österreichs – bedingt war. Durch den Bau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert konzentrierte sich der Transit allerdings vorerst auf den Schienenverkehr. Dies zeigt sich vor allem in den Abkommen mit den Nachbarsaaten Deutschland und Italien über den Bau der großen transalpinen Eisenbahntransversalen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts (Gotthard und Simplon). (Wicki 1999, 49; Wicki 2000b, 23; Gruber 2005, 117) Bis in die 1940er Jahre hinein dominierte auch in der Schweiz die Eisenbahn als Transportmittel. Mit dem aufkommenden Autoverkehr veränderte sich die Situation aber grundlegend. „Es etablierte sich ein Konkurrenzkampf zwischen Schiene und Straße, der sich ausgeprägt beim Güterverkehr manifestierte und zu einem wesentlichen Teil die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen bis heute mitbestimmte.“ (Wicki 1999, 48) Verschärft wurde diese Situation auch noch durch den Bau von transalpinen hochrangigen Verkehrswegen (die Straßentunnel am Großen St. Bernhard, am San Bernardino und am Gotthard), die zu einem enormen Verkehrswachstum führten. Bis in die 1970er Jahre gab es daher seitens des Gesetzgebers immer wieder Bemühungen diese beiden konkurrierenden Verkehrsträger zu koordinieren. Dies führte schließlich zur Erarbeitung einer Gesamtverkehrskonzeption. Die Gesamtverkehrskonzeption Schweiz (GVK-CH) wurde 1977 veröffentlicht. Ein weiteres inhaltliches Programm aus der GVK heraus bildete das Konzept der koordinierten Verkehrspolitik (KVP), das aber 1988 in einer Volksabstimmung

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abgelehnt wurde. (Wicki 1999, 48; Wicki 2000b, 24; Danielli/Maibach 2014, 26f; Epiney/Gruber 1997, 166; Sager 1999, 313-316; Maibach et al. 1999a, 62)

8.1.2 Die Gesamtverkehrskonzeption Schweiz (GVK-CH)

Mit der Erarbeitung einer Gesamtverkehrskonzeption für die Schweiz (GVK-CH) wurde vom Bundesrat 1972 eine eigene Expertenkommission beauftragt. Dadurch sollten die bisherigen Nachteile der sektoriellen Verkehrspolitik durch eine Koordination der einzelnen Verkehrsträger verbessert und die bisherigen Scheuklappen in den Verkehrsfragen abgelegt werden. Insbesondere gab es Probleme beim unkoordinierten Ausbau der Straße und Schiene, bei der Raumordnungs- und Umweltpolitik sowie bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs, die durch einen Kompetenzdschungel mitverursacht wurden. (Berger et al. 40f; Wicki 1999, 49; Wicki 2000b, 24; Danielli/Maibach 2014, 26f; Höschen 2007, 54; Sager 1999, 321) „In diesem Auftrag ging es darum, Mittel und Wege aufzuzeigen, wie das schweizerische Verkehrssystem den Anforderungen der Zukunft angepasst werden kann.“ (Berger et al. 2009, 41) Neben diesen verkehrspolitischen Zielen sollte sich die Kommission auch mit allgemeinen staats- und gesellschaftlichen Anliegen befassen, die zur allgemeinen Wohlfahrt der Schweiz und zur weiteren Chancengleichheit zwischen den Regionen und Volksgruppen führen sollten. Schließlich legte die Kommission im Jahr 1977 nach fünfjähriger Arbeit ihren Abschlussbericht vor. In insgesamt 40 Thesen hatte die Kommission die völlige Neuausrichtung der schweizerischen Verkehrspolitik zusammengefast. Dazu gehörten auch die Neuorganisation der Bundesverwaltung im Verkehrsbereich sowie die Anpassung des Verkehrsrechtes in der schweizerischen Bundesverfassung. (Berger et al. 42; Wicki 1999, 49f; Danielli/Maibach 2014, 27; Maibach et al. 1999a, 64; Höschen 2007, 56f) Im Schlussbericht zum GVK wurden vier neue verkehrspolitische Grundsätze für die Schweiz festgelegt:  Koordination der Planung: Periodische Festlegung der verkehrspolitischen Ziele, koordinierte Ausbau der Verkehrsträger, wirtschaftlicher Mitteleinsatz und Kosten- Nutzen-Analyse.  Langfristige Eigenwirtschaftlichkeit: Internalisierung der externen Kosten, Abbau der Wettbewerbsverzerrungen und volle Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen.  Zweckmäßige Aufgabenteilung: Bundeszuständigkeit für das nationale Straßen- und Schienennetz, mehr Zuständigkeiten der Kantone im Regionalverkehr und einheitliche Grundsätze und Förderung des öffentlichen Verkehrs.  Sicherstellung der Finanzierung: Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen aus Bundesmitteln, Finanzierung der Straßen über Treibstoffzölle und Benützungsgebühren und Fonds für den öffentlichen Verkehr. (Berger et al. 2009, 43; Wicki 1999, 49; Wicki 2000b, 25)

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Bei der Verkehrsinfrastruktur sah die GVK-CH den weiteren Ausbau des 1959 beschlossenen Nationalstraßennetzes vor. Allerdings sollte der Netzplan an die geänderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Durch den Bau einer weiteren Ost-West- Eisenbahnhaupttransversale (NHT) sollte die Bahn vor allem für den Personenverkehr leistungs- und konkurrenzfähiger werden. Bei den verkehrspolitischen Zuständigkeiten schlug die GVK-CH die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen vor. Der Bund sollte sich mit dem Verkehr von nationaler Bedeutung beschäftigen, während der Regionalverkehr den Kantonen vorbehalten sein sollte. Damit hätten die einzelnen Kantone die gemeinwirtschaftlichen Leistungen für den ÖPNV bestimmt und bezahlt. Ein eigner Lastenausgleich zwischen Bund und Kantonen hätte aber für eine faire Aufgabenverteilung gesorgt. (Danielli/Maibach 2014, 27; Höschen 2007, 35, 68) Die GVK-CH stand der freien Wahl des Verkehrsmittels positiv gegenüber, wobei aber eine Einschränkung im Güterverkehr bei einem staatlichen Gesamtinteresse und bei einem politischen Konsens möglich war. Der Güter- und der Transitverkehr sollten soweit wie möglich grundsätzlich mittels Schiene erfolgen. Beim Thema Transit fehlte damals noch die dringende Problematik aufgrund des geringen Aufkommens (Rezession). Daneben sah man mit den bisherigen restriktiven Beschränkungen (Lkw-Nachtfahrverbot und das zur gleichen Zeit eingeführte 28-t-Gewichtslimit für Lkw) das Auslangen. Besonders im Bereich des Güterverkehrs waren die Wettbewerbsverzerrungen zwischen Straße und Schiene deutlich. Bei den Kosten wurde der Vorschlag gemacht, dass der Schwerverkehr eine eigene Abgabe zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur leisten sollte. Insgesamt sollte die Finanzierung der Verkehrsträger angeglichen werden, was neben der bereits erfolgten Finanzierung der Nationalstraßen auch eine Bundesfinanzierung der Bahninfrastruktur bedeutet hätte. Durch die bessere Abstimmung des Bundes mit den Kantonen sollte auch ein Gesamtverkehrssystem für die gesamte Schweiz etabliert werden. Ein wichtiger Punkt der GVK-CH war der Vorschlag der Kostenwahrheit. Neben den volkswirtschaftlichen Kosten des Verkehrs sollten auch die externen Kosten Beachtung finden. Jeder Verkehrsteilnehmer sollte dabei seine verursachten Kosten selbst tragen. Dadurch sollte das bisherige Ungleichgewicht zwischen dem Straßen- und Schienenverkehr beseitigt werden. (Danielli/Maibach 2014, 27f; Wicki 1999, 50; Höschen 2007, 69). Im Bereich der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sah die GVK-CH die Einrichtung von zwei Bundesfonds vor, wobei je einer für die Straßen- und die Bahninfrastruktur vorgesehen war. Beide Fonds sollten durch verschiedene Einnahmen aus Steuern, Zöllen und Benützungsgebühren gespeist werden und zur Verringerung der

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Wettbewerbsverzerrungen beitragen. Für die SBB sollte in Zukunft die unternehmerische Freiheit gelten. Damit einhergehen sollte die freie Gestaltung des Leistungsangebots sowie der Tarife im Personen- und Güterfernverkehr. Dadurch würden die SBB im Personen- und Güterfernverkehr in direkter Konkurrenz zu anderen Verkehrsträgern stehen. Dies wäre mit einer Streichung der bisherigen staatlichen Subventionen verbunden gewesen. (Danielli/Maibach 2014, 28; Höschen 2007, 67; Wicki 2000b, 25f) Im Vergleich mit dem Gesamtverkehrskonzept 1968 in Österreich, das noch zu sehr im traditionellen Blick auf die einzelnen Verkehrsträger verharrt, enthält die GVK-CH bereits einige zukunftsweisende Ansätze. „Mit der GVK wurde erstmals ein integraler Kostenansatz thematisiert. Gegenüber der damaligen EG-Verkehrspolitik stellte dieses Konzept ein progressiver Schritt dar.“ (Wicki 1999, 50) Wie auch in Österreich spielte in der Schweiz in den 1970er Jahren das Thema Transit noch nicht die heutige Rolle. „Als eine Lücke in den GVK-Arbeiten zeigt sich im Rückblick auch die wenig systematisch erfasste Einbindung der Schweiz in das internationale – vor allem in das europäische – Verkehrsgeschehen.“ (Berger et al. 2009, 42)

8.2.3 Die Koordinierte Verkehrspolitik (KVP)

Ursprüngliches Ziel des Bundesrates war es die GVK-CH als Gesamtpaket in eine Vorlage für eine Koordinierte Verkehrspolitik (KVP) zu überführen. Damit sollte die bisherige Verkehrspolitik grundlegend neu geordnet werden. Trotzdem wurden bereits Forderungen nach einer Vorziehung einzelner Maßnahmen laut. Die Eidgenössischen Räte verlangten bereits 1978 die Einführung einer Abgabe für die Straßenverkehrsinfrastruktur (Autobahnvignette bzw. Schwerverkehrsabgabe). Insgesamt wurde die GVK-CH aber von den Räten positiv bewertet, vor allem der gesamtheitliche Blick auf den Verkehr und die verstärkte Beachtung der Raumplanung und der Umweltpolitik. Etwas skeptischer waren die Kantone allerdings bei der neuen Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Überhaupt fehlte die Betrachtung des Verkehrs in den Agglomerationen. (Wicki 1999, 51f; Danielli/Maibach 2007, 30f; Sager 1999, 321f; Maibach et al. 1999, 64f) „Als weitere Schwäche der GVK[-CH] bezeichnete die Mehrheit der Kantone die ungenügende Berücksichtigung der Energieprobleme und der Lebensqualität.“ (Danielli/Maibach 2014, 29) Durch die Vorschläge der GVK-CH wurden auch erstmals Umweltgruppen auf die Verkehrspolitik aufmerksam. Der Verkehrsclub Schweiz (VCS) lancierte zusammen mit Umweltorganisationen 1982 die „Initiative für eine gerechte Belastung des Schwerverkehrs – Schwerverkehrsabgabe“ (so genannte „VCS-Initiative“) und forderte die umgehende 415

Einführung derselben. Kritisiert wurde die bisherige finanzielle Unterdeckung der Straßeninfrastruktur durch den Schwerverkehr (z. B. waren es 1978 lediglich 54%). Finanziert wurde der Bau der Nationalstraßen durch den so genannten „Treibstoffzoll“ (Art. 86 BV), wobei aber die ausländischen Lkw meist außerhalb der „teuren“ Schweiz tankten. Damit kollidierten die Anliegen der Initiative mit jenen der KVP-Vorlage des Bundesrates, welche nahezu ident war. Bereits 1984 wurde nach längerer Diskussion eine pauschale Abgabe in Form einer Vignette und einer eigener Schwerverkehrsabgabe als Übergangslösung bis zur Verwirklichung der KVP-Vorlage eingeführt. Beide Abgaben wurden in einer Volksabstimmung am 26. Februar 1984 mehrheitlich angenommen. Diese Abgaben (rund 400 Mio. Franken) dienten allerdings eher fiskalpolitischen Bedürfnissen und darin spielte der primäre Umweltgedanken eine untergeordnete Rolle. Die Gemeinschaft war allerdings über den schweizerischen Sonderweg der Gebühreneinführung wenig erfreut und drohte mit Retorsionsmaßnahmen gegenüber den schweizerischen Frächtern. Das neue Hindernis im internationalen Transport wurde als Verletzung des Freihandelsabkommens von 1972 gesehen. Insbesondere in Deutschland, Italien und Frankreich wurde vehemente Kritik laut. Da beide Verkehrsabgaben für alle Verkehrsteilnehmer galten, konnte der gemeinschaftliche Vorwurf der Diskriminierung von schweizerischer Seite umgehend ausgeräumt werden. Die „VCS-Initiative“ selbst wurde am 7. Dezember 1986 in einer Volksabstimmung abgelehnt. (Wicki 1999, 51f; Wicki 2000a, 109f, 113f; Wicki 2000b, 26f; Danielli/Maibach 2014, 30f; Höschen 2007, 65, 159f; Sager 1999, 322f; Maibach et al. 1999a, 67-69, 70f) „Hervorzuheben gilt es in Verbindung mit der [VCS-]Initiative vor allem die erstmaligen öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Internalisierung der externen Kosten beziehungsweise der gerechten Kosten im Verkehr.“ (Wicki 1999, 52) Insgesamt ist aber anzumerken, dass in der Schweiz seit jeher ein starkes Umweltbewusstsein vorhanden war. Vor allem die Alpen und im speziellen der Gotthard wurden immer als nationale Symbole angesehen. Dazu kam noch die enorme wirtschaftliche Bedeutung der Natur für den Tourismus. (Höschen 2007, 58) Schließlich veröffentliche der Bundesrat im März 1983 die Botschaft über eine koordinierte Verkehrspolitik (KVP). Die Vorlage war das Resultat einer umfassenden Vernehmlassung567 auf Grundlage der Ergebnisse des GVK-CH. Die Ziele der GVK-CH sollten auf eine verfassungsrechtliche Basis gestellt werden. Allerdings sollte nicht die gesamte schweizerische Verkehrsverfassung geändert werden, sondern nur zwei zusätzliche

567 Dieses Verfahren folgt vor der parlamentarischen Beratung über ein Vorhaben des Bundesrates. Darin fordert der Bundesrat die Kantone sowie betroffene Verbände auf, zu einer Gesetzesänderung bzw. zu einem völkerrechtlichen Vertrag Stellung zu nehmen. (Höschen 2007, 29 (Fn. 37)) 416

Verfassungsartikel (Art. 36ter und Art. 37 aBV) über die Koordination der einzelnen Verkehrsträger bzw. die Festlegung der Ziele der gesamtheitlichen Verkehrspolitik und die Finanzierung hinzugefügt werden. (Wicki 1999, 52; Wicki 2000b, 27; Danielli/Maibach 2014, 30f; Sager 1999, 322; Höschen 2007, 157; Maibach et al. 1999a, 67) „Zentrale Eckpfeiler der vorgesehenen neuen Ordnung waren die gesamtheitliche Betrachtungsweise der Verkehrspolitik, die Verankerung des Grundsatzes der Eigenwirtschaftlichkeit, die Aufgabenumverteilung zwischen Bund und Kantonen und der Finanzierungsmodus.“ (Wicki 1999, 52f) Im Bereich des Transitverkehrs war auch in der KVP-Vorlage die größtmögliche Verlagerung des Güterverkehrs vorgesehen. Im Bereich der Schieneninfrastruktur war die Planung einer neuen Alpentransversale – die spätere NEAT – vorgesehen. Die Planung ließ aber die Linienführung offen und der Bau sollte erst bei Bedarf erfolgen, da aufgrund von Prognosen bis zum Jahr 2000 genügend Ressourcen vorhanden seien. Insgesamt spielten der Transitverkehr und die politische Verkehrskoordination mit der Gemeinschaft in der KVP-Vorlage nur eine untergeordnete Rolle. (Wicki 1999, 66; Wicki 2000b, 27) In der Volksabstimmung am 12. Juni 1988 wurde die KVP-Vorlage mit deutlicher Mehrheit vom Volk (54,4% Nein-Stimmen) und von den Ständen (19 Nein-Stimmen) abgelehnt. Bereits im Vorfeld gab es heftige Diskussionen zwischen den Parteien und den Interessensverbänden, wobei das bürgerliche Regierungslager zunehmend Distanz zum Entwurf zeigte. Lediglich in den vom Transit besonders betroffenen Kantonen (an den Hauptrouten) gab es eine Mehrheit für die Vorlage. Offenbar war man dort mit den Auswirkungen des steigenden Transitverkehrs, die seit der Eröffnung des Gotthardstraßentunnels besonders akut wurden, unzufrieden. Mit dieser Ablehnung wurde der Versuch einer koordinierten Verkehrspolitik ad acta gelegt, wobei der Bundesrat aber nicht eine komplette verkehrspolitische Wendung vollzog und einige Vorschläge durch die Hintertür verwirklicht wurden. Trotzdem wurde an den beiden verkehrspolitischen Grundpfeilern der umweltverträglichen Gestaltung des Straßengüterverkehrs (inklusive Abwicklung des Transitverkehrs auf der Schiene) und an der gezielten Förderung des öffentlichen Verkehrs festgehalten. (Wicki 1999, 53f; Wicki 2000a, 108; Wicki 2000b, 28; Danielli/Maibach 2014, 30; Höschen 2007, 69, 166-168; Berger et al. 2007, 159; Sager 1999, 324; Maibach et al. 1999, 72) „Ein wichtiger Grund für die Ablehnung war der Paketcharakter der KVP, der zu viel auf einmal verlangte und dadurch sehr komplex war.“ (Danielli/Maibach 2014, 30) Trotz dieser Ablehnung wurden Teile der GVK bzw. KVP im

417

Laufe der Zeit umgesetzt, wie z. B. die Schwerverkehrsabgabe oder der Leistungsauftrag für die SBB, die bis dahin mit enormen Defiziten zu kämpfen hatte.

8.2.4 Aktuelle Ziele der schweizerischen Verkehrspolitik

Trotz der Ablehnung der wesentlichen Ergebnisse der GVK-CH in der KVP-Vorlage hat sich die schweizerische Verkehrspolitik in den 1990er Jahren hin zur nachhaltigen Mobilität weiterentwickelt. Die aktuell gültigen Ziele der Verkehrspolitik (Stand März 2015) legte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie- und Kommunikation (UVEK) im Jahr 2001 fest. 2012 wurde diese Strategie überarbeitet und den neuen Gegebenheiten angepasst. (UVEK 2012, 3; Danielli/Maibach 2014, 18f) Die nachhaltige Entwicklung ist seit 1997 Teil der schweizerischen Regierungspolitik. Daher nimmt das UVEK bei der Umsetzung auf die ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit besonders Rücksicht. Bei der ökologischen Nachhaltigkeit wird insbesondere auf das Vorsorge- und Verursacherprinzip geachtet. Bei der Wirtschaftlichkeit ist die optimale und effiziente Nutzung der Verkehrsinfrastruktur und die Erhöhung der Eigenwirtschaftlichkeit (inklusive externe Kosten) zu erwähnen. Voraussetzung sind wettbewerbsfähige Verkehrsunternehmen und die Definierung und Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Bei der sozialen Nachhaltigkeit sichert das UVEK die landesweite und diskriminierungsfreie Grundversorgung („Service public“). Dazu gehören auch die Reduktion der Unfälle und das sozial verträgliche Verhalten der Verkehrsunternehmen. Diese Ziele der Departement- Strategie sind bis 2030 ausgerichtet. (UVEK 2012, 13f, 17; Danielli/Maibach 2014, 19, 31f) Die Grundsätze der schweizerischen Verkehrspolitik lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:  Ökologische Nachhaltigkeit: Möglichst umweltgerechte Abwicklung der Mobilität mit Internalisierung der externen Kosten;  Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: Volkswirtschaftlich effiziente Abwicklung der Mobilität und tragbare finanzielle Kosten für die öffentliche Hand;  Soziale Nachhaltigkeit: Zugang zur Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen und Landesteile;  Koordinierte Verkehrspolitik: Sinnvolle und effiziente Einsetzung der einzelnen Verkehrsträger sowie deren Verknüpfung (z. B. im KV); Abstimmung zwischen Raumordnungs- und Verkehrspolitik;  Verkehrsmanagement: Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten zur Optimierung der Infrastrukturen, Fahrzeuge und Treibstoffe; optimale und umweltschonende Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur statt Neubau;  Internationale Vernetzung: Abstimmung mit der europäischen Verkehrspolitik und aktiver Einsatz für eine nachhaltige Verkehrspolitik in Europa;  Prinzip der Kostenwahrheit: Die einzelnen Verkehrsträger sollen ihre betriebswirtschaftlichen und externen Kosten selber tragen; Ausnahme für den finanziell abzugeltenden „Service public“; 418

 Umweltschonende Mobilität: Erhöhung des öffentlichen Verkehrs sowie des Rad- und Fußgängerverkehrs am Gesamtverkehr; dieses Ziel umfasst auch den alpenquerenden Güterverkehr;  Verkehrssicherheit: Beibehaltung des hohen Standards und eine weitere Erhöhung im Straßenverkehr. (UVEK 2015568, Danielli/Maibach 2014, 19f) Der öffentliche Landverkehr hat die Hauptaufgabe die landesweite Grundversorgung zu gewährleisten sowie als Hauptverkehrsträger die Abwicklung in und zwischen den Agglomerationen zu besorgen. Dazu gehört auch der europäische Fernverkehr. Bei längeren Distanzen im Güterverkehr soll er zur Entlastung der Straße beitragen. Durch ein attraktives Angebot soll der nationale Anteil des öffentlichen Verkehrs weiter gesteigert werden. Dazu gehört die Umsetzung des Konzeptes „Bahn 2000“ mit einem Taktfahrplan, einem einfachen Tarifsystem und attraktive Umstiegsmöglichkeiten. Im internationalen Personenverkehr folgt durch den Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz eine zusätzliche Attraktivierung womit eine mittel- und langfristige Verlagerung auf die Bahn erreicht werden soll. Im Güterverkehr hat das bisherige Halten des hohen Schienenanteils oberste Priorität. Zur Umsetzung des Alpenschutzartikels wird im alpenquerenden Transitverkehr die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene weiter forciert. Dazu gehören auch die längeren Strecken auf nationaler Ebene. Erreicht werden soll dies durch die Förderung des kombinierten Verkehrs (Straße/Schiene) und durch eine verbesserte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Voraussetzung für die eben genannten Punkte ist die Anpassung der Eisenbahninfrastruktur an die aktuellen Erfordernisse (z. B. Interoperabilität) und die optimale Ausnützung aller vorhandenen Kapazitäten. 2004 folgte bereits mit der Eröffnung der Neubaustrecken der ersten Etappe von „Bahn 2000“ eine deutliche Angebotserweiterung. Die zügige Fertigstellung der NEAT und der Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz sind weitere Meilensteine. Schließlich soll die Effizienz und die Produktivität des öffentlichen Verkehrs generell gesteigert werden. Allerdings sollen spezielle Rahmenbedingungen den Wettbewerb derart beschränken, dass der öffentliche Verkehr auch weiterhin in seiner Gesamtheit funktioniert. (Danielli/Maibach 2014, 20f; UVEK 2015569) Im Bereich des Straßenverkehrs soll das beschlossene Nationalstraßennetz zügig fertig gestellt werden. 2024 soll das Netz rund 1.900 Kilometer umfassen. Ende 2012 standen rund 1.800 Kilometer in Betrieb. Deshalb soll der weitere Ausbau bis zur Fertigstellung ruhend gestellt werden. Davon ausgenommen sind neuralgische Punkte aus Gründen der

568 URL: ; [31.03. 2015] 569 Siehe Fn. 568. 419

Funktionsfähigkeit oder der Verkehrssicherheit. Der Substanzerhaltung des Nationalstraßennetzes wird durch vermehrten Unterhalt gewährleistet. Zusammen mit dem gezielten Ausbau und dem Einsatz von Telematik soll das schweizerische Verkehrsnetz funktionsfähig bleiben. Schließlich wird das UVEK durch eine sinnvolle Ausgestaltung der Vorschriften auch in Zukunft den Zugang zum Verkehrsraum Straße sowie die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer gewährleisten. (Danielli/Maibach 2014, 20; vgl. UVEK 2015570)

8.2.5 Exkurs: Die Alpentransitbörse

Zurzeit wird die Alpentransitbörse als ein Lösungsmodell für den alpenquerenden Verkehrs diskutiert. In der Schweiz wurde die Diskussion mit einem Expertenbericht im Jahr 2004 in Gang gesetzt. Mit Hilfe dieser Alpentransitbörse sollen Durchfahrtsrechte für die Alpen gehandelt werden. Die Variante „Slotmanagement“ sieht dabei ein freiwilliges System von frei handelbaren, kostenpflichtigen Reservationsrechten vor. Diese Rechte beinhalten die Alpenpassage innerhalb eines klar definierten Zeitfensters (Slot). Dadurch sollen die knappen Transit-Kapazitäten besser ausgenutzt werden. Dringende Fahrten („Fast Track“) wie z. B. verderbliche Güter können durch die Reservation bei Staus schneller passieren und bezahlen dafür einen marktüblichen Preis. Alle Fahrzeuge ohne eine solche Reservation müssen länger warten. (Danielli/Maibach 2014, 44f; Ecoplan et al. 2007, 59f; Vortrag Alde 2007; Epiney 2012, 114; Ehlotzky 2014, 261; Epiney et al. 2013, 8f) „Die zweite Variante ‚Plafonierung und Handel‘ [‚Cap-and-Trade‘] ist ein obligatorisches System handelbarer Alpentransitrechte mit dem Ziel, eine mengenmäßige Begrenzung der alpenquerenden Gütertransporte auf der Straße volkswirtschaftlich effizient umzusetzen.“ (Ecoplan et al. 2007, 59f; vgl. Ehlotzky 2014, 262) Bei diesem Modell können die Rechte zum Fixpreis verkauft, mittels Auktion versteigert oder kostenlos verteilt werden. (Ecoplan et al. 2007, 111-114) Danach können die erworbenen Rechte am Markt frei gehandelt werden. Diese Verknappung des Angebots soll zur Verteuerung und Vermeidung des Straßenverkehrs führen und zu einer weiteren Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene beitragen. Die zur Verfügung gestellte Menge kann bei diesem Modell je nach Verlagerungsziel gesteuert werden. (Danielli/Maibach 2014, 44f; Vortrag Alde 2007; Epiney et al. 2013, 8f) Der Handel dieser Rechte kann bei beiden Alpentransitbörsemodellen entweder zwischen den Frächtern direkt, über Zwischenhändler oder über das Internet erfolgen. Zusätzlich kann dieser Handel auch außerhalb und innerhalb der eigentlichen Börse erfolgen. Abgewickelt werden soll dies alle voll elektronisch werden, wobei eine Interoperabilität mit den OBU der

570 Siehe Fn. 568. 420

LSVA hergestellt werden soll. (Ecoplan et al. 2007, 123-128) Beide Modelle sind laut einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2007 sowohl technisch als auch betriebswirtschaftlich umsetzbar (vgl. Ecoplan et al. 2007; Epiney 2013, 114 (Fn. 4); Epiney et al. 2013, 8f). Voraussetzung ist allerdings eine gemeinsame Umsetzung durch alle Alpenstaaten, um insbesondere beim Cap-and-Trade-Modell Umwegtransit zu verhindern. Aktuell (Stand März 2015) sind aber noch zahlreiche – vor allem rechtliche – Fragen offen und die Diskussion in den Alpenstaaten verläuft unterschiedlich. (vgl. Epiney 2013, 125- 132) Allen voran stellt sich noch der Umgang mit dem Kurzstrecken- und Binnenverkehr. Jedenfalls könnte eine Sonderbehandlung des Lokal- und Kurzstreckenverkehrs gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) sowie gegen den freien Warenverkehr (Art. 34 AEUV) verstoßen (vgl. sektorales Fahrverbot, Punkt 7.1.4). Insbesondere gibt es rechtliche Vorbehalte gegenüber der Cap-and-Trade-Variante. Zudem ist die Vereinbarkeit mit dem Landverkehrsabkommen Schweiz – EU nicht eindeutig geklärt. Allen voran besteht laut Epiney ein klarer Widerspruch zu den in dem Abkommen festgelegten Gebührenregelungen. Art. 38 Abs. 2 LVA sieht nur Abgaben aus der Kraftfahrzeugsteuer, der Mineralölsteuer und der Straßenbenutzungsgebühren (vgl. LSVA gem. Art. 40 Abs. 5 LVA) vor. Außerdem ist im Landverkehrsabkommen gem. Art. 8 Abs. 6 seit dem 1. Jänner 2005 jegliche Kontingentierung für Fahrzeuge verboten, die die einschlägigen Vorschriften erfüllen. Eine Alpentransitbörse sieht aber eine Kontingentierung des alpenquerenden Verkehrs vor. (Epiney 2013, 124f; Epiney et al. 2013, 95-97; Heuck 2013, 279-283; Danielli/Maibach 2014, 44f; Ecoplan et al. 2007, 174-176, 235-237; Aschwanden 2006, 109f; Vortrag Alde 2007; vgl. Ehlotzky 2014, 263-269)

9. VOM TRANSIT- ZUM LANDVERKEHRSABKOMMEN

9.1 DAS TRANSITAKOMMEN EWG – SCHWEIZ

9.1.1 Die schweizerische Transitverkehrspolitik bis 1985

Bis weit in die 1980er Jahre hinein betrieb die Schweiz eine Verkehrspolitik, die primär auf die nationalen Bedürfnisse ausgerichtet war. Mit den Nachbarstaaten bzw. mit der Gemeinschaft wurden lediglich Fragen zur Infrastruktur, wie Linienführungen und Grenzabfertigungen, koordiniert. (Wicki 1999, 66) Das erste Transitkonzept des Bundesrates stammte aus dem Jahr 1972. Darin wurde der weitere Ausbau der Schienenkapazitäten auf der Lötschberglinie (zweites Gleis) sowie der Bau einer neuen Gotthardlinie und falls wirtschaftlich notwendig der Bau einer Ostalpenbahn postuliert.

421

Durch die Rezession aufgrund der Ölkrise und dem damit verbundenen Rückgang des Güteraufkommens wurde 1976 der Bau einer neuen Alpentransversale durch den Bundesrat verschoben. Stattdessen sollten die erweiterten Kapazitäten der Lötschberglinie zur Bewältigung des Transitverkehrs beitragen. Auch hier zeigten sich in erster Linie nationalen Überlegungen zur Infrastruktur und nicht die internationale Dimension zur Transitbewältigung. (Höschen 2007, 40, 50; Wicki 1999, 66) Bis weit in die 1970er Jahre hinein war in der Schweiz sowohl die Politik als auch die breite Masse der Bevölkerung der Ansicht, dass die neuen Autobahnen primär dem Pkw-Verkehr vorbehalten sein sollen. „Vor diesem Hintergrund hat denn auch die Akzeptanz gegenüber dem Transitverkehr in der Schweiz in dem Maße abgenommen wie die Verkehrsbelastung an den Alpenübergängen zugenommen hat […].“ (Epiney/Gruber 1997, 167) Dies wird auch in einer Botschaft des Bundesrates von 1973 deutlich, worin die Verlagerung der ausländischen Lkw auf die Schiene verlangt wird. (Höschen 2007, 59f) „So war es nicht verwunderlich, dass schon vor der Eröffnung des Gotthard-Straßentunnels im Jahr 1980 Anstrengungen existierten, durch flankierende Maßnahmen ausufernden Straßenverkehr zu vermeiden.“ (Höschen 2007, 59) Parallel zum GVK-CH wurde deshalb bereits an einem Maßnahmenpaket gearbeitet, um den befürchteten Anstieg des Schwerverkehrs entgegenzuwirken. Zu dieser Zeit verlor die Bahn ihre bisherige Vormachtstellung im Transitverkehr. 1978 hatte sich die EG- Kommission für eine europaweite Angleichung des Lkw-Gewichtslimits auf 38 t ausgesprochen, was in der Schweiz auf prompte Ablehnung stieß. Bereits zuvor hatte es mit den Nachbarstaaten Konflikte über die Anhebung des schweizerischen Limits gegeben, was sogar zu einem „Lkw-Krieg“ wegen eines 32-t-Korridors durch die Schweiz mit Italien führte (1968-1972). Dagegen galt in der Schweiz seit 1972 ein Gewichtslimit von 28 t (vorher waren es 26 t). Gerade durch die Fertigstellung des Gotthardstraßentunnels war ein enormer Anstieg des Straßentransitverkehrs zu befürchten, da dies die kürzeste Route zwischen Südwestdeutschland und Oberitalien darstellt. Mit dem 28-t-Limit war aus schweizerischer Sicht eine wirksame Barriere gegeben. (Höschen 2007, 64 (Fn. 166), 65; Maibach et al. 1999a, 57; Sager 1999, 319) Mit einem eigenen leistungsfähigen Eisenbahnkorridor sollte deshalb der Schwerverkehr mittels des seit 1968 etablierten Huckepack-Verkehrs abgewickelt werden. Gerade im Hinblick auf den steigenden Straßentransitverkehr in Österreich und in Frankreich sollte der Huckepack-Verkehr ausgebaut werden und dadurch eine Alternative für den europäischen Schwerverkehr über 28 t bilden. Allerdings stieß die SBB selbst an ihre Kapazitätsgrenzen und hatte auf italienischer Seite Probleme mit der maroden Staatsbahn FS. Bis zur Eröffnung des

422

Gotthardstraßentunnels gab es zudem keine wintersichere Straßenverbindung zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin. Hier mussten die Fahrzeuge mittels des so genannten „Autoverlad“ transportiert werden, was oftmals ziemlich zeitintensiv war. (Höschen 2007, 61f, 64) Auf internationaler Ebene wurde in derselben Zeit das Thema Alpentransit auf das Parkett gebracht. Auf der CEMT-Konferenz 1978 wurden erstmals die Förderung des kombinierten Verkehrs sowie eine Standardisierung des Rollmaterials beschlossen. Im Gegensatz zu Österreich forderte die Schweiz aber keinerlei internationale Finanzbeteiligung zum weiteren Ausbau der Straßeninfrastruktur. Der ansteigende Transitverkehr sollte weiterhin von der Straße auf die Schiene verlagert werden. (Höschen 2007, 78) Hier trennen sich bereits zum ersten Mal die verkehrspolitischen Wege von Österreich und der Schweiz, obwohl Österreich später ebenfalls auf den Verlagerungszug aufsprang. Am 5. September 1980 wurde dann der Gotthardstraßentunnel eröffnet. „Das bestehende 28-t-Limit, das Nachtfahrverbot und die bis dahin fehlende wintersichere Straßenverbindung waren die Faktoren, die die Schweiz bis 1980 vor einem starken Anstieg des Lkw-Schwerverkehrs bewahrten, so die Beurteilung des Verkehrsdepartements von 1978.“ (Höschen 2007, 65) Trotz dieser neuen wintersicheren Straßenverbindung durch die schweizerischen Alpen wies der Straßentransitverkehr aber nicht dieselben Steigerungsraten wie andere Alpenkorridore auf. Während 1983 der Brenner bereits über 95% Transit-Lkw zu verzeichnen hatte, lag dieser Wert am Gotthard bei lediglich 30%. (Höschen 2007, 87 (Fn. 255)) Trotz der Fertigstellung dieser wichtigen alpenquerenden Transitroute blieben aber die bisherigen schweizerischen Restriktionen gegenüber dem Lkw-Verkehr aufrecht. Dazu kam die großzügige Förderung des Huckepack-Verkehrs durch die Schweiz, die den Verkehrsanstieg auf der Straße etwas verlangsamte. Trotzdem übte die Gemeinschaft in der Folgezeit Druck auf die Schweiz aus, um das 28-t-Gewichtslimit aufzuheben. Von schweizerischer Seite wurde aber damit argumentiert, dass die Verkehrsinfrastruktur nicht für 40 t Lkw571 ausgelegt sei und zudem wurde auf das bilaterale Freihandelsabkommen572 zwischen der EWG und der Schweiz von 1972 verwiesen. Darin sind aber keine direkten Bestimmungen zum Thema Verkehr enthalten. Es befindet sich lediglich die Erklärung darin, dass sich beide Vertragsparteien zur Nichtdiskriminierung verpflichten sowie den freien Warenverkehr nicht benachteiligen. (Höschen 2007, 90f; Sollberger 2003, 178;

571 In der EG galt seit Dezember 1984 im internationalen Verkehr ein Gewichtslimit von 40 t. Im nationalen Verkehr waren den einzelnen Mitgliedstaaten nach wie vor Abweichungen von den 40 t gestattet. (Maibach et al. 1999a, 73) 572 Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 22.07.1972, ABl. L 300 vom 31.12.1972, 189. 423

Maibach et al. 1999a, 39; Epiney 1996, 4; Cottier 1998, 99; Sollberger/Epiney 2001, 13; Cornu 2000, 193; Zäch 2002, 3) Insbesondere der sich abzeichnende EG-Binnenmarkt stellte die schweizerische Verkehrspolitik vor neue Aufgaben. Durch den Binnenmarkt gewann die Schweiz verkehrsgeographisch als Transitland noch mehr Bedeutung für die Gemeinschaft. Daher genügten der Gemeinschaft auch nicht mehr die bisherigen Durchfahrts- und Freihandelsabkommen, um ihre verkehrspolitischen Interessen gegenüber der Schweiz durchzusetzen. Das Jahr 1987 sollte schließlich zu einem Schlüsseljahr werden. Von Seiten der Gemeinschaft wurde der Druck auf die Schweiz weiter erhöht, die Lkw-Restriktionen aufzuheben. Der deutsche Verkehrsminister kritisierte das Ungleichgewicht, dass Schweizer Lkw mit 40 t in der gesamten Gemeinschaft ungehindert fahren dürfen und die Niederlande forderten die Angleichung an europäische Standards. Sogar mit Restriktionen bei nationalen Alleingängen wurde gedroht. Inzwischen kam es auch zu Meinungsverschiedenheiten mit Österreich, das auf die Rückverlagerung des Umwegverkehrs in die Schweiz beharrte. (Höschen 2007, 150f; Wicki 1999, 66; Sollberger/Epiney 2001, 14)

9.1.2 Die Verhandlungen zum Transitabkommen

Wie auch bei den Verhandlungen zum österreichischen Transitabkommen stand am Beginn der Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1987 zur Lösung der verkehrspolitischen Probleme (siehe Punkt 5.1). Durch diesen Beschluss erhielt die Kommission das Mandat bilaterale Verhandlungen über ein Transitabkommen mit der Schweiz, Österreich und Jugoslawien aufzunehmen. Im Einklang mit der europäischen Verkehrspolitik sollten für diese Drittländer insbesondere die drei Prinzipien der Nichtdiskriminierung, der freien Verkehrsmittelwahl und der Grundsatz der Marktkonformität von Maßnahmen gelten. Anfang 1988 skizierte die Schweiz ihre Verhandlungsposition gegenüber der Gemeinschaft. Bundesrat Adolf Ogi, der Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiedepartements, beharrte dabei auf der Beibehaltung der 28-t-Gewichtsbegrenzung und der anderen Restriktionen. Stattdessen sollte der alpenquerende Transitverkehr durch die Schiene bewältigt werden. Dafür wird eine neue Eisenbahn Alpentransversale (die so genannte NEAT) durch die Schweiz gebaut und eigenständig finanziert. Bei der NEAT werden aber die Nachbarstaaten und die Gemeinschaft durch Konsultationen eingebunden. Gleichzeitig sollen durch die Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft die Rahmenbedingungen für den Kombinierten Verkehr verbessert werden. Im Gegenzug erklärte sich die Schweiz zur Teilnahme an der gemeinschaftlichen Harmonisierung der Abgaben im Straßenverkehrsbereich bereit und forderte den freien Zugang zum 424

europäischen Binnenmarkt für ihre Frächter. (Höschen 2007, 297f, 301 (Fn. 1121); Epiney/Gruber 1997, 165; Wicki 1999, 66f; Wicki 2000a, 115; Maibach et al. 1999a, 74; Cornu 2000, 194) Auch gegenüber der österreichischen Regierung, die die Rückverlagerung des Umwegverkehrs forderte, blieb die Schweiz hart. Obwohl beide Länder die Zukunft des alpenquerenden Verkehrs auf der Schiene sahen, war die Schweizer Regierung zu keinerlei Zugeständnissen bei den Lkw-Restriktionen bereit. (Höschen 207, 299) Auch die Gemeinschaft sah in den anstehenden Verhandlungen das 28-t-Gewichtslimit als größtes Hemmnis für den ungehinderten Transitverkehr. Allerdings wurde der angekündigte Bau der NEAT durch die Schweiz positiv gesehen. Mit Hinblick auf den Binnenmarkt, der bis 1992 realisiert werden sollte, forderte die Gemeinschaft als Übergangslösung bis zur Fertigstellung der NEAT die Aufhebung sämtlicher Lkw-Restriktionen und die freie Durchfahrt für 40 t Lkw. Im Forderungskatalog der Gemeinschaft war daher die befristete Öffnung eines Nord-Süd-Korridors für 40 t Lkw mitsamt Kontingentierung das Hauptanliegen. Zur umweltpolitischen Kompensierung bot die EG die Verschärfung der Abgas- und Lärmemissionen für neue Lkw aus der Gemeinschaft ab 1989 an. Durch Begleitmaßnahmen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten soll der Kombinierte Verkehr gefördert und die Zusammenarbeit der Eisenbahnen forciert werden. Schließlich wurde der Zugang für Schweizer Frächter in den liberalisierten EG-Verkehrsmarkt in Aussicht gestellt. (Höschen 2007, 299f, 301 (Fn. 1121); Wicki 1999, 67; Sager 1999, 325) Im Jahr 1988 verliefen die Verhandlungen auf Beamtenebene eher schleppend. „Besonders das seit Ende der 1980er-Jahre zu einem Schweizer Mythos stilisierte 28-t-Lkw-Limit wirkte wie ein Hemmschuh.“ (Höschen 2007, 383) Seither hatte sich das Gewichtslimit zu einem verkehrspolitischen Abwehr- und Schutzinstrument für die Bahn entwickelt. Während die Schweiz über das Gewichtslimit gar nicht diskutieren wollte, verlangte die EG einen 40-t-Korridor durch die Schweiz. Gerade aus innenpolitischen Gründen wollten die Schweizer Verhandler von ihrer Position nicht abrücken, da „[…] die im Schweizer Bewusstsein zementierte Gewichtsbeschränkung […] als ökologisches und transitverkehrspolitisches Bollwerk gegen eine EG-Lkw-Transitschwemme angesehen [wurde].“ (Höschen 2007, 383) Als Druckmittel drohte die EG-Verhandler mit möglichen Restriktionen für schweizerische Frächter, die bisher ungehindert die Gemeinschaft mit ihren 40 t Lkw befahren durften. In dieser Frage schienen die Positionen verhärtet. Italien, Deutschland und die Niederlande schlossen sich der Forderung nach Öffnung eines 40-t- Korridors durch die Schweiz an. Die einflussreiche europäische Frächterlobby und der der deutsche Verkehrsminister Jürgen Warnke (1987-1989, CSU) forderten vehement die

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Aufhebung der schweizerischen Lkw-Beschränkungen. Zur Überbrückung der Zeit bis zur voraussichtlichen Fertigstellung der NEAT bot die Schweiz die Errichtung eines Huckepack-Korridors an. Ähnlich wie in Österreich mit der RoLa waren dafür aber Ausbaumaßnahmen (z. B. Ausweitung der Tunnelprofile) und der Abschluss eines trilateralen Abkommens mit Deutschland und Italien notwendig. In diesem Abkommen sollten ebenfalls die Zulaufstrecken zur NEAT festgelegt werden. (Höschen 2007, 301, 304, 307; Wicki 2000a, 116) Im Jahr 1989 wurde Karel van Miert EG-Verkehrskommissar und brachte neuen Schwung in die festgefahrenen Verhandlungen. Trotz der neuen Aufgeschlossenheit der Gemeinschaft gegenüber dem Kombinierten Verkehr und der NEAT blieb es bei der Forderung der befristeten und quantitativen Öffnung eines 40-t-Korridors. Durch die Einführung des österreichischen Nachtfahrverbotes und der schweizerischen Unnachgiebigkeit kamen die Verhandlungen mit den Alpenländern 1989 vorübergehend zum Stillstand. Erst Ende 1989 kam es zu einem verkehrspolitischen Umdenken in Brüssel. Am Verkehrsministerrat vom 4./5. Dezember 1989 wurde als mittel- und langfristige Lösung die Verlagerung eines Großteiles des alpenquerenden Transitverkehrs mittels kombinierten Verkehrs auf die Schiene propagiert. Zusätzliche Entspannung brachte die Akzeptanz des österreichischen Nachtfahrverbotes für lärmarme Lkw durch den EG-Verkehrsministerrat. Auch der durchgängige 40-t-Korridor durch die Schweiz wurde nicht mehr gefordert. Durch diesen vorsichtigen Paradigmenwechsel wurden die festgefahrenen Verhandlungen mit beiden Alpenstaaten im Jahr 1990 wieder intensiviert. (Höschen 2007, 316f; Maibach et al. 1999a, 74 f; Wicki 2000a, 117; Hummer 1993b, 5f; Ogrinz 1993, 147; Topmann 1993, 180; Sickinger/Hussl 1993, 179) Im Jahr 1990 wurden die Verhandlungen zwischen der EG und den EFTA-Staaten über die Bildung des EWR gestartet. Für die Schweiz als EFTA-Mitglied bedeutete dies zunächst die Aufgabe des bisherigen sektoriellen und bilateralen Ansatzes der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit zugunsten einer multilateralen Anbindung an die Gemeinschaft. Dafür wurde sogar ein ganzes Paket von Gesetzesänderungen (EUROLEX) in der Schweiz verabschiedet, um die Rechtsordnung EWR-kompatibel zu machen. In diesem Kontext wurde das zu verhandelnde Transitabkommen als Ergänzung des EWR-Abkommens gesehen. Wie auch Österreich war die Schweiz aber gegen eine Junktimierung der EWR- und der Transitverhandlungen. (Epiney/Gruber 1997, 169; Wicki 1999, 67; Epiney 1996, 6f; Cottier 1998, 100; Maibach et al. 1999a, 76; Gruber 2005, 119) „Der Bundesrat wollte zwei voneinander unabhängige Vertragswerke […]. Die Schweizer Regierung befürchtete, dass

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die Bevölkerung einen EWR-Beitritt nicht zustimmen würde, was bei einem Vertragswerk folglich den Abschluss des Transitvertrages sowie den Bau einer NEAT gefährdet hätte.“ (Höschen 2007, 329) Die Gemeinschaft stellte aber trotzdem dem Konnex zwischen beiden Materien her und bestand auf eine Einigung bei den bilateralen Transitverhandlungen vor dem Abschluss des EWR-Vertrages. (Hummer 1993b, 5f; Wicki 2000a, 119) Eine Einigung in einem anderen Bereich des Verkehrs erfolgte am 21. November 1990 mit der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr.573 Durch dieses Abkommen, das am 1. Juli 1991 in Kraft trat, konnten bereits in einer Phase der Stagnation bei den Transitverhandlungen wesentliche Erleichterungen beim Grenzübertritt erreicht werden. Später wurde das Abkommen in das Protokoll Nr. 10 des EWR-Abkommens574 überführt. (Frerich/Müller 2004b, 649) Auch das restliche Jahr 1990 brachte keinerlei Bewegung in den Transitverhandlungen. Beide Parteien beharrten auf ihren Positionen, dazu kam noch die Uneinigkeit zwischen den Mitgliedstaaten. Deutschland, Griechenland und Italien beklagten sich über die mangelnde Unterstützung ihrer Anliegen im Alpentransitverkehr durch die anderen Mitgliedstaaten und kritisierten zudem die Verhandlungsstrategie der Kommission. (Wicki 2000a, 117) Schließlich rückte der EG-Verkehrsministerrat in seiner Sitzung vom 17. Dezember 1990 erstmals von seiner generellen Forderung eines 40-t-Korridors ab. Für verderbliche Güter wurden aber weiterhin Ausnahmeregelungen gefordert. Trotzdem lehnte die Schweiz jeglichen Transit von Lkw mit 40 t ab. Als Antwort forderte die Gemeinschaft nun ein Entgegenkommen der Schweiz bis Ende Mai 1991. Als Druckmittel wurde eine Junktimierung mit den EWR-Verhandlungen in Aussicht gestellt. (Höschen 2007, 336) Der Druck auf die Schweiz erhöhte sich aber 1991 durch die sich abzeichnende Einigung zwischen der Gemeinschaft und Österreich. Mit dem damals als umweltpolitisch revolutionär angepriesenen Ökopunktesystem wurde die Schweiz unter Zugzwang gesetzt. (Wicki 2000a, 118) „Anstatt starrer Gewichtslimits wurde die Umweltbelastung der Lkw als Messgröße für den Transitverkehr herangezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Ogi teilweise versucht, sich auf eine gemeinsame Transitpolitik für beide Alpenländer zu verständigen – wenn auch mit gewissen Schweizer Besonderheiten.“ (Höschen 2007, 345)

573 Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr, ABl. L 116 vom 8.5.1990, 19-23. 574 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum - Protokoll 10 über die Vereinfachung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr, ABl. L 1 vom 3.1.1994, 168-171. 427

Um die verfahrenen Transitverhandlungen wieder in Gang zu bringen wollte die EG der Schweiz ebenfalls das Ökopunktesystem schmackhaft machen. Damit wäre auch wieder ein 40-t-Straßenkorridor durch die Schweiz möglich geworden. Dieses Ansinnen wurde von schweizerischer Seite aber umgehend mit dem Hinweis auf die hohen administrativen Kosten sowie der Gefahr eines Referendums abgelehnt. Zudem würde die Förderung der Verlagerung auf die Schiene mit diesem System unterlaufen. Trotzdem brachte aber die bevorstehende Einigung zwischen Österreich und der EG wieder Bewegung in die Verhandlungen. (Höschen 2007, 346; Maibach et al. 1999, 76; Wicki 2000a, 118) An den zwei Punkten Marktzugang für schweizerische Frächter und an den Ausnahmeregelungen vom 28-t-Limit spießte sich immer noch ein positiver Abschluss. Schließlich bewegte sich im Juni 1991 der schweizerische Bundesrat in der Frage des 28-t-Limits und rüttelte erstmals an diesem Mythos. „Das Schweizer Angebot sah Ausnahmegenehmigungen von 50 [40 t] Lkw pro Tag vor, die verderbliche Güter in Containerform befördern sollten. Um diese Genehmigung zu erhalten, musste der EG-Spediteur beweisen, keinen freien Platz im Kombi- oder Huckepack-Verkehr erhalten zu haben.“ (Höschen 2007, 355) Diese Ausnahmegenehmigungen sollten aber nur bis 1994 gelten. Bis dorthin sollten die von der Schweiz lancierten Übergangslösungen greifen (v. a. Bereitstellung von genügenden Ressourcen im Huckepack-Verkehrs). Da der Bundesrat auch über eine Erhöhung des Limits auf 30 t nachgedacht hatte, gingen die innenpolitischen Wogen in der Schweiz hoch. Der EG-Verkehrsministerrat lehnte das Angebot der Schweiz aber im September 1991 als unzureichend ab und forderte stattdessen Ausnahmegenehmigungen für 200 bis 250 Lkw pro Tag. Durch die gleichzeitige Ablehnung des Luftverkehrsabkommens erzeugten die EG- Verkehrsminister noch stärkeren Druck auf die Schweiz. (Höschen 2007, 352, 355) Der endgültige Verhandlungsdurchbruch gelang, wie auch im österreichischen Fall, erst im Oktober 1991. Beigetragen hat neben dem so genannten „Überlaufmodell“575 auch der positive Abschluss der trilateralen Vereinbarung zwischen Deutschland, der Schweiz und Italien über die Verbesserung des kombinierten Verkehrs Straße/Schiene durch die Schweiz.576 Über dieses Vertragswerk wurde bereits seit geraumer Zeit verhandelt und es wurde am 3. Dezember 1991 in Bonn unterzeichnet. Mit dem Ausbau des kombinierten Verkehrs sollten die anstehenden Probleme des alpenquerenden Güterverkehrs kurz- und

575 Das Überlaufmodell wurde von der Schweiz im Sommer 1991 in die Verhandlungen eingebracht. Damit sollte für den Transitverkehr zur politisch gewollten Schienenvariante zusätzlich auch eine eingeschränkte Möglichkeit auf der Straße geboten werden. (Höschen 2007, 369) 576 Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland, dem Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiedepartements der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Verkehrsminister der Italienischen Republik über die Verbesserung des kombinierten alpenquerenden Güterverkehrs Schiene/Straße durch die Schweiz. (Höschen 2007, 366 (Fn. 1423)) 428

mittelfristig gelöst werden. Zusätzlich verschaffte diese Vereinbarung mit den beiden Mitgliedstaaten Deutschland und Italien der Schweiz mehr Glaubwürdigkeit in der anstehenden Schlussrunde. Am 22. Oktober 1991 verkündete Bundesrat Adolf Ogi den positiven Abschluss der Transitverhandlungen. Mit zäher Hartnäckigkeit hatte sich die Schweiz mit ihren Zielen großteils durchgesetzt und einen nicht zu unterschätzenden Verhandlungserfolg erreicht. Auch weiterhin sollte der Transitverkehr durch die Schweiz vorrangig im kombinierten Verkehr abgewickelt werden und nicht auf der Straße. Dazu verpflichtete sich die Gemeinschaft zum Ausbau der Zulaufstrecken und der Terminals für den Kombinierten Verkehr. Der größte Erfolg war wohl aus Schweizer Sicht die Beibehaltung der 28-t-Gewichtsbeschränkung. Das Überlaufmodell als einziges schweizerisches Zugeständnis sah aber die Tolerierung von 50 Lkw pro Tag und Richtung vor, die mehr als 28 t Gesamtgewicht aufwiesen. Im Überlaufmodell waren für diese Tolerierung aber klar definierte Umstände vorgesehen. Auch das Nacht- und Sonntagfahrverbot konnte die Schweiz erfolgreich verteidigen. Nicht zu vergessen aber der eigenfinanzierte Bau der NEAT als Grundbedingung für das Transitabkommen. Mit diesem „Pfand“ erkaufte sich die Schweiz quasi den Vertrag und somit Zugang zum Binnenmarkt. Vor allem innerhalb der Gemeinschaft war der uneingeschränkte Zugang der Schweizer Frächter zum Binnenmarkt umstritten. Griechenland votierte beim Verkehrsministerrat dagegen. Als Kompromiss wurde eine eigene Kommission gebildet, die die Gemeinschaft vor einer Überschwemmung mit 40 t Lkw aus der Schweiz schützen sollte. (Höschen 2007, 364-367, 388f; Sollberger 2003, 181; Sager 1999, 327; Maibach et al. 1999a, 77) „Folglich hatte es der Schweizer Bundesrat geschafft, die ökologischen Folgen einer ungebremsten Lkw-Lawine abzuwenden und die Anwohner der Transitachsen vor einer Lkw-Schwemme zu verschonen.“ (Höschen 2008, 367) Trotz diesen überwältigenden Erfolges gab es in der Schweiz auch Kritik an der Laufzeit des Transitabkommens und an den fehlenden flankierenden Maßnahmen. Zusätzlich wurde die lange Bauzeit der NEAT sowie deren Finanzierung hinterfragt.

9.1.3 Inhalt des Transitabkommens von 1992

Am 2. Mai 1992 wurde in Porto (Portugal) zeitgleich mit der Unterzeichnung des EWR- Abkommens das „Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Straße und

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Schiene“577, das sog. Transitabkommen bzw. der Transitvertrag EWG – Schweiz (TA-CH), unterzeichnet. Am 30. September 1992 genehmigte der Ständerat des Schweizer Parlaments einstimmig das unterzeichnete Abkommen. Bereits am 27. September hatte das Schweizer Stimmvolk in einer Abstimmung die NEAT als wichtigen Teil des Transitabkommens mehrheitlich mit 63,5% genehmigt. Die zweite Kammer des schweizerischen Parlaments nahm das Transitabkommen am 16. Dezember einstimmig an. Allerdings hatte sich in der Zwischenzeit das Umfeld deutlich verändert, da das Schweizer Stimmvolk (50,3% Nein- Stimmen) und die Mehrheit der Stände (16 Nein-Stimmen) am 6. Dezember 1992 den EWR-Vertrag abgelehnt hatten. Für die Ratifizierung des Transitabkommens selbst war keine fakultative Volksabstimmung notwendig. In der Gemeinschaft wurde das Abkommen auf Basis des Art. 91 AEUV (ex-Art. 75 EWGV) vom Rat am 30. November 1992 genehmigt.578 Im Vorfeld gab es aber noch eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rat und der Kommission über die Wahl der Rechtsgrundlage für den Abschluss des Abkommens. Vorausgegangen war auch die positive Zustimmung des Europäischen Parlaments am 30. Oktober, obwohl dies vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht noch nicht erforderlich war. Das Transitabkommen trat somit mit 22. Jänner 1993 in Kraft und wurde für die Dauer von zwölf Jahren bis zum 21. Jänner 2005 abgeschlossen (Art. 20 TA-CH). (Höschen 2007, 373; Frerich/Müller 2004b, 650; Wicki 2000a, 119-121; Epiney 1996, 30f; Maibach et al. 1999a, 79; Sager 1999, 327; Cornu 2000, 194; Cottier 1998, 100) Inhaltlich besteht das Transitabkommen aus einer Präambel und fünf Teilen mit insgesamt 23 Artikeln sowie acht Anhängen. Teil I enthält die Ziele, den Anwendungsbereich und die Begriffsbestimmungen (Art. 1 bis 3), Teil II befasst sich mit der Eisenbahn und dem kombinierten Verkehr (Art. 4 bis 9), Teil III mit dem Straßenverkehr (Art. 10 bis 13), Teil IV mit der Erleichterung des Grenzüberganges und Vereinfachung der Formalitäten (Art. 14) und schließlich enthält Teil V die Schlussbestimmungen (Art. 15 bis 23). In der Präambel werden als die Ziele des Abkommens die Förderung der internationalen Zusammenarbeit und des internationalen Warenverkehrs durch eine koordinierte europäische Verkehrspolitik genannt. Allerdings führt der erste Erwägungsgrund bereits an, dass die durch den alpenquerenden Transitverkehr verursachten Probleme einer dauerhaften Lösung bedürfen. Dadurch soll die Lebensqualität der Bevölkerung und der Umweltschutz

577 Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güterverkehr auf Straße und Schiene - Erklärungen der Verhandlungspartner - Gemeinsame Erklärung zu den Massen und Gewichten der Fahrzeuge - Briefwechsel über den Marktzugang, ABl. L 373 vom 21.12.1992, 28-46. 578 Beschluss 92/578/EWG des Rates vom 30. November 1992 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güterverkehr auf Straße und, ABl. L 373 vom 21.12.1992, 26-27. 430

sichergestellt werden. Eine flüssigere Verkehrsabwicklung trägt auch die Verwirklichung des Binnenmarktes der EG sowie des EWR bei. Erwähnenswert ist auch der dritte Erwägungsgrund, in dem festgestellt wird, dass der Entwicklung des Straßenverkehrs in den Alpen natürliche Grenzen gesetzt sind. Dies erklärt wiederum gewisse Unterschiede zwischen dem Straßenverkehrsrecht der Vertragsparteien. Trotzdem empfiehlt es sich dennoch bestimmte Erleichterungen im Straßengüterverkehr vorzusehen. Schließlich soll durch eine forcierte Nutzung des kombinierten Verkehrs der Zuwachs des alpenquerenden internationalen Güterverkehrs bewältigt werden. Der letzte Erwägungsgrund postuliert, dass die verschiedenen Verkehrsträger für ihre verursachten Kosten selber aufkommen müssen. (Präambel TA-CH) Das Ziel des Abkommens gemäß Art. 1 TA-CH ist die verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz in bestimmten Bereichen des Verkehrs, wobei insbesondere auf den alpenquerenden Transitverkehr verwiesen wird. Deshalb sollen die Eisenbahn und der kombinierte Verkehr durch koordinierte Maßnahmen gefördert werden. Der Straßenverkehr soll zum Schutz der Gesundheit und Umwelt geregelt werden. Daneben soll aber der Marktzugang verbessert und der Straßenverkehr durch geeignete Maßnahmen erleichtert werden. Als Anwendungsbereich nennt das Abkommen in Art. 2 Abs. 1 TA-CH den Transitverkehr durch die Schweiz sowie bestimmte Fragen des bilateralen Verkehrs. Die Zusammenarbeit erstreckt sich insbesondere auf die Verkehrsinfrastruktur, die zum Ausbau des Eisenbahnverkehrs und des kombinierten Verkehrs notwendigen Begleitmaßnahmen, den Marktzugang und den ständigen Austausch von Informationen über die Entwicklung der Verkehrspolitik. (Art. 2 Abs. 2 TA-CH; Hummer 1993a, 362) Als „Transitverkehr“ wird jeder Verkehr verstanden, der durch schweizerisches Hoheitsgebiet führt und bei dem Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb der Schweiz liegen. „Güterverkehr“ sind jene Fahrten, die mittels Lkw, die in der Gemeinschaft bzw. in der Schweiz zugelassen sind, durchgeführt werden, unbeschadet ob diese Lkw beladen oder unbeladen sind. (Art. 3 TA-CH) Im Eisenbahn- bzw. beim kombinierten Verkehr sollen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung und Förderung des Bahntransports über die Alpen ergriffen werden, die im Zuständigkeitsbereich der Vertragspartner liegen. Dies stellt die Schlüsselrolle zur Lösung der Transitprobleme durch die schweizerischen Alpen dar. (Art. 4 Abs. 1 TA-CH) In Art. 4 Abs. 2 TA-CH wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen im Einklang mit der trilateralen Vereinbarung verwirklicht werden, da die Gemeinschaft im Bereich der Infrastruktur nur begrenzte Kompetenzen besitzt. In Art. 5 iVm Anhang 2 TA-

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CH verpflichtet sich die Schweiz zum Bau von kurz-, mittel- und langfristigen Infrastrukturvorhaben. (Hummer 1993a, 362f; Epiney/Gruber 1997, 174 (Fn. 73); Sollberger/Epiney 2001, 15) Bei den kurz- und mittelfristigen Maßnahmen verpflichtet sich die Schweiz zur Kapazitätserhöhung im alpenquerenden kombinierten Verkehr auf jährlich 710.000 Fahrten. Zur Beschleunigung bedarf es zudem einer weiteren Verbesserung der Schieneninfrastruktur auf den Transitstrecken am Gotthard, Lötschberg und Simplon. Als langfristige Maßnahme wird von schweizerischer Seite die NEAT mit dem Gotthard- und Lötschbergbasistunnel gebaut. Im Gegenzug sollen von Seiten der Gemeinschaft gemäß Art. 6 iVm der Erklärung in Anhang 3 TA-CH folgende Maßnahmen umgesetzt werden: Aus- und Neubau der intermodalen Terminals, Erweiterung der Tunnelprofile auf den norditalienischen Eisenbahnstrecken für den kombinierten Verkehr sowie Anhebung der Kapazitäten auf bestimmten Teilstrecken in Süddeutschland, Norditalien und den Niederlanden. (Art 6 iVm Anhang 4 TA-CH; Frerich/Müller 2004a, 508; Sollberger 2003, 180f; Sollberger/Epiney 2001, 15) Neben den infrastrukturellen Verbesserungen soll die Attraktivität des Eisenbahnverkehrs und speziell des kombinierten Verkehrs durch bestimmte Maßnahmen gefördert werden. Dazu zählen u. a. die Verringerung der administrativen Kontrollen, die Vereinheitlichung von technischen Merkmalen, die Befreiung des Vor- und Nachlaufes von der Genehmigungspflicht und die Einführung von Haftungsregelungen. Hierbei handelt es sich allerdings nur um Absichtserklärungen. (Art. 7 TA-CH; Frerich/Müller 2004b, 650; Epiney/Gruber 1997, 175) Art. 8 TA-CH regelt die Festsetzung der Preise, die den kombinierten Verkehr gegenüber der Straße wettbewerbsfähig machen sollen. Bei Einhaltung gewisser Rahmenbedingungen sind auch Beihilfen erlaubt. Nach dem Teil über den Eisenbahnverkehr folgen die Bestimmungen für den Straßengüterverkehr. Bereits der Art. 10 Abs. 1 TA-CH enthält eine Kernbestimmung des Transitabkommens mit der Schweiz. Darin wird der Schweiz die grundsätzliche Beibehaltung des 28-t-Gewichtslimits und des Sonntags- und Nachtfahrverbot mit einigen modifizierten Ausnahmen zugestanden. „Nach dem Scheitern des EWR ist die Gewichtsregelung – unterhalb der 28-t-Beschränkung – nun nicht mehr mit der EWG anzupassen, sondern muss an die Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG) angepasst werden.“ (Hummer 1993a, 366) Zur Erleichterung des Straßengüterverkehrs sind in Anhang 6 TA-CH drei Kategorien von Ausnahmen vom 28-t- Limit vorgesehen: Die erste und zweite Kategorie erlauben z. B. Fahrten im Umkreis von 10 km in der schweizerischen Grenzzone mit 40 t Lkw bzw. mit 44 t Lkw für den Straßenvor-

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und -nachlauf zum kombinierten Verkehr. Diese beiden Ausnahmen wurden auch schon bisher durch die Schweiz toleriert. Neu ist aber die dritte Kategorie von Ausnahmen, die das so genannte „Überlaufmodell“ enthält. Ausschließich auf der Achse Basel-Chiasso können Sonderbewilligen zum Transit für gemeinschaftliche Straßenfahrzeuge mit mehr als 28 t Gesamtgewicht, die mit leicht verderblichen Gütern oder anderen dringlichen Sendungen beladen sind, erteilt werden. Die Voraussetzungen für diese Sonderbewilligungen sind dann vorhanden, wenn im kombinierten Verkehr die Kapazitäten erschöpft sind. Allerdings beschränkt sich diese Ausnahme für 50 Fahrzeuge mit mehr als 28 t pro Tag und Richtung. Die jährliche Höchstzahl wird auf 15.000 Genehmigungen für jede Richtung festgelegt (jährliches Maximum von 30.000 Fahrzeugen). Generell werden solche Sondergenehmigungen mittels des Überlaufmodells nur für gemeinschaftliche Straßenfahrzeuge erteilt, die den neusten EG-Emissionsstandards entsprechen. Für die Anwendung des Überlaufmodells wurde eine gesonderte Verwaltungsvereinbarung geschlossen. (Hummer 1993a, 366f; Frerich/Müller 2004b, 650) „Das [Überlauf-]System spielte in der Praxis aufgrund der ausgesprochen selten ausgelasteten Kapazitäten beim kombinierten Verkehr allerdings keine nennenswerte Rolle.“ (Sollberger 2003, 182) Laut Sollberger wurden zwischen 1993 und 1997 lediglich 24 solcher Genehmigungen erteilt. (Sollberger 2003, 182 (Fn. 35)) Daneben fordert der Art. 10 Abs. 2 TA-CH gewisse technische Harmonisierungen und die Fertigstellung und Verbesserung des schweizerischen Nationalstraßennetzes. Gemäß Art. 10 Abs. 3 TA-CH darf die Schweiz ausländischen Lkw, die in der Gemeinschaft rechtmäßig zugelassen sind und das 28-t-Gewichtslimit erfüllen, nicht die Durchfahrt verweigern. In Art. 11 TA-CH werden Regelungen für den besseren Schutz der Umwelt vereinbart. Durch Verringerung der Abgas-, Partikel- und Lärmemissionen von schweren Nutzfahrzeugen soll die Einführung von Umweltnormen auf hohem Schutzniveau gewährleistet werden. (Hummer 1993a, 369; Epiney/Gruber 1997, 177; Sollberger 2003, 181; Wicki 1999, 67) In Fragen der Besteuerung streben die Vertragsparteien die schrittweise Einführung von koordinierten Lösungen für die Besteuerung des Straßenverkehrs an. In einer ersten Phase sollen die Wegekosten und in einer zweiten Phase schließlich die externen Kosten, wobei insbesondere die „Umweltkosten“ genannt werden, angelastet werden. Berücksichtigung bei der Berechnung sollen auch die „besonderen Kosten der Alpenregion“ finden. (Art. 12 Abs. 1 und 2 TA-CH) „Allerdings ist ihre Formulierung so zurückhaltend ausgefallen, dass sie kaum Grundlage für konkretisierbare Pflichten der Vertragsparteien bilden kann […].“ (Epiney/Gruber 1997, 178) Im Art. 13 TA-CH hätte der Zugang zum Verkehrsmarkt (inklusive Kabotagerechte)

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im Rahmen des EWR-Abkommens geregelt werden sollen. Durch das Scheitern des EWR- Abkommens in der Schweiz kommt den Bestimmungen des Art. 13 iVm Anhang 8 TA-CH aber eine besondere Bedeutung zu. Dadurch sind die beiden Vertragsparteien zur Aufnahme von bilateralen Verhandlungen zum Abschluss eines weiteren Landverkehrskommens geradezu verpflichtet. (Hummer 1993a, 369; Frerich/Müller 2004b, 650; Wicki 1999, 67; Sollberger 2003, 183) Im Teil IV regelte schließlich Art. 14 TA-CH noch die Erleichterung des Grenzüberganges und die Vereinfachung der Formalitäten mit Verweis auf das Abkommen vom 21. November 1990 (sieh Punkt 9.1.2). In den Schlussbestimmungen wird in Art. 15 TA-CH noch einmal auf das Prinzip der Nichtdiskriminierung und auf den Verzicht einseitiger Maßnahmen verwiesen. Mit Art. 18 TA-CH erfolgte die Einrichtung eines „Gemischten Landverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz“, der für die Durchführung des Abkommens verantwortlich ist und seine ordnungsgemäße Anwendung überwacht. Beschickt wird der Ausschuss von Vertretern der Gemeinschaft und der Schweiz, wobei der Vorsitz abwechselnd ausgeübt wird. Eine wichtige Bestimmung des Transitabkommens war das Überlaufmodell. Mit 22. Jänner 1993 wurde das Überlaufsystem eingeführt. Die ergänzenden Regelungen zum Zeitpunkt und zu den Einführungsmodalitäten sind in der am 23. Dezember 1992 unterzeichneten Verwaltungsvereinbarung579 zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz enthalten. Vorausgegangen war dem der Beschluss 93/117/EWG580 der Kommission vom 22. Dezember 1992. (Frerich/Müller 2004b, 650) Mit Inkrafttreten des Landverkehrsabkommens am 1. Juli 2001 wurde das Transitabkommen für die Restlaufzeit bis 2005 durch dieses teilweise überlagert (insbesondere Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 LVA). Damit einher ging auch ein Bedeutungsverlust, obwohl einige Regelungen im Transitabkommen (Internalisierung der externen Kosten, Einführung von Umweltnormen auf hohem Schutzniveau) für die Schweiz deutlich bessere Vorteile gebracht hätten. (Sollberger/Epiney 2001, 17)

579 Verwaltungsvereinbarung über die Anwendung des im Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz über den Schienen- und Straßengüterverkehr vorgesehenen Überlaufsystems, ABl. L 47 vom 25.2.1993, 42-53. 580 Beschluss 93/117/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1992 über den Abschluss der in den Transitverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Österreich einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz andererseits vorgesehenen Verwaltungsvereinbarungen, ABl. L 47 vom 25.2.1993, 27. 434

9.2 DAS LANDVERKEHRSABKOMMEN

9.2.1 Die Verhandlungen zum Landverkehrsabkommen

Mit der Ablehnung des EWR-Abkommens durch das Schweizer Volk fehlte die Regelung des gegenseitigen Zugangs der Gemeinschaft bzw. der Schweiz zum Verkehrsmarkt. Nach dem Scheitern der umfassenden Lösung des EWR-Abkommens musste die Schweiz ihre Integrationspolitik neu definieren. Auch das schweizerische Beitrittsgesuch zur EG vom 26. Mai 1992 konnte nicht mehr weiterverfolgt werden. Trotz gültigem Transitabkommen sollten auch die zukünftigen verkehrspolitischen Beziehungen neu geregelt werden. Um einer Isolierung gegenüber der Gemeinschaft zu entgehen und die Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren, kehrte die Schweiz wieder zur bisherigen Praxis der bilateralen Abkommen zurück. „Dies steht im Gegensatz zu dem multilateralen Ansatz des EWR-Vertrages oder gar eines EU-Beitritts.“ (Epiney/Gruber 1997, 170) Bei diesen bilateralen Verträgen sollten aber nur mehr sektorielle Bereiche herausgegriffen werden, da die Schweiz aufgrund der innenpolitischen Vorgaben von einer umfassenden Teilnahme am Binnenmarkt sowie von der EWR- bzw.- EU-Beitritts-Option Abstand nehmen musste. (Epiney/Gruber 1997, 170; Frerich/Müller 2004b, 651; Wicki 1999, 68; Wicki 2000a, 125f; Maibach et al. 1999, 79; Epiney 1996, 7-9; Epiney 2000, 103; Cottier 1998, 100; Ambühl 2001, 510; Sager 1999, 327; Sollberger/Epiney 2001, 18; Gruber 2005, 120, 123) In Lichte dieser Veränderungen unterbreitete der Schweizer Bundesrat der Gemeinschaft am 5. Februar 1993 ein umfassendes Gesprächsangebot über 15 unterschiedliche Themenbereiche. Im so genannten EWR-Folgeprogramm legte der Bundesrat am 24. Februar 1993 die neue schweizerische Integrationsstrategie fest. Darin wurden die bilateralen Verhandlungen als momentan einzig möglicher Weg festgelegt. Die Kommission befürwortete nach längerem Zögern schließlich am 14. September 1993 das schweizerische Angebot, wobei die Verhandlungen aber vorerst auf sieben Bereiche begrenzt und mittels des so genannten „angemessenen Parallelismus“581 zu einem Gesamtpaket verknüpft wurden. Damit wurde der Schweiz das so genannte „Rosinenpicken“ verunmöglicht. Erst bei einem positiven Abschluss sollten die weiteren Bereiche in Angriff genommen werden. Diese sieben unterschiedlichen Dossiers wurden von der Gemeinschaft dann zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt. Beim Dossier

581 „Dieser so genannte ‚angemessene Parallelismus‘, der auf die von der Gemeinschaft formulierten Bedingungen zur Verhandlungsbereitschaft zurückgeht, sollte insbesondere ein ausgewogenes Gleichgewicht von gegenseitigen Vorteilen und Zugeständnissen sowohl innerhalb als auch zwischen den einzelnen Abkommen gewährleisten.“ (Sollberger/Epiney 2001, 18) 435

Landverkehr stand in erster Linie der gegenseitige Zugang zum Verkehrsmarkt im Vordergrund, ebenso verhielt es sich beim Dossier Luftverkehr. Alle anderen Bereiche des Landverkehrs waren in der Zwischenzeit durch das Transitabkommen von 1992 geregelt. Gerade die Kleinheit des schweizerischen Marktes bedingt das Interesse, dass die Unternehmer uneingeschränkten kommerziellen Zugang zum großen Verkehrsmarkt der Gemeinschaft erhalten. Bereits im Mai 1993 folgten im Verkehrsbereich erste Sondierungsgespräche zwischen der Schweiz und der Gemeinschaft. Darin beharrte die Schweiz auf der Beibehaltung ihrer bisherigen Restriktionen im Straßenverkehr (allen voran des 28-t-Limits). Daneben wurde aber die Bereitschaft betont, dass die Schweiz den Acquis communautaire der Gemeinschaft vollständig übernehmen würde. Im Gegensatz zu den vorhergegangenen Transitverhandlungen lag diesmal das Interesse primär auf Schweizer Seite, womit die Schweiz in eine Art Bittstellerposition gegenüber der Gemeinschaft geriet. Die Kommission empfahl daher dem Rat am 24. September 1993 die Aufnahme von Verhandlungen im Bereich des Straßen- und Luftverkehrs. (Frerich/Müller 2004b, 651; Wicki 1999, 78f; Wicki 2000a, 126; Epiney/Gruber 1997, 170f; Sager 1999, 328; Sollberger 2003, 198f; Maibach et al. 1999a, 79; Thürer/Hillemanns 2002, 17f; Ambühl 2001, 510; Zäch 2002, 4; Cornu 2000, 209; Ambühl 2000, 19; vgl. KOM(93) 486 endg., 3) Diesem Vorschlag stimmte der Rat am 10. bzw. 29 November 1993 zu. Allerdings wurde der erwähnte Kommissionvorschlag am 2. Februar 1994 nochmals leicht modifiziert und die Ausarbeitung eines Verhandlungsmandats für die Verabschiedung am Verkehrsministerrat vom 18. April wurde vorbereitet. In der Zwischenzeit kam es zu einer gravierenden Änderung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen in der Schweiz. Gegen die Empfehlung des Bundesrates und des Parlaments stimmten das Schweizer Volk und die Mehrheit der Stände am 20. Februar 1994 für die Annahme der „Alpeninitiative“. Durch diesen neuen Verfassungsartikel (Art. 84 BV) war die Verlagerung des Gütertransitverkehrs bis 2004 auf die Scheine vorgesehen sowie ein Ausbaustopp für alle Transitverkehrsachsen im Alpenraum. Eine zusätzliche Initiative forderte die Ersetzung der bisherigen zeitabhängigen Schwerverkehrsabgabe durch eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Auch diese Initiative nahm das Schweizer Volk mehrheitlich an (Art. 85 BV) (siehe Punkt 8.1.2). Daraufhin verschob die Gemeinschaft den Beginn der Verhandlungen auf unbestimmte Zeit und legte die Ausarbeitung des Verhandlungsmandates auf Eis. Dadurch geriet der Schweizer Bundesrat in eine äußerst schwierige außenpolitische Lage, da durch den Parallelismus das Gesamtpaket in Frage gestellt wurde. (Frerich/Müller 2004b, 651; Epiney/Gruber 1997, 183; Wicki 1999, 57, 80;

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Wicki 2000a, 131f; Sollberger 2003, 199; Maibach et al. 1999, 80; Sollberger/Epiney 2001, 19; Sager 1999, 325; Gruber 2005, 123f) „Die Gemeinschaft reagierte entrüstet und beschuldigte die Schweiz des Vertragsbruches, da es sich um ein unilaterales Vorgehen handle, das den Zugang von Fahrzeugen […] beschränke, die Freiheit der Verkehrsträgerwahl beeinträchtige und vor allem eine Diskriminierung des Transitverkehrs […] bedeute.“ (Frerich/Müller 2004b, 651) Bis in den Herbst 1994 hinein herrschte trotz der Aufforderung des Europäischen Parlaments Stillstand. Der Rat der Außenminister verlangte von der Schweiz am 16./17. Mai 1994 eine Erklärung, wie der neue Verfassungsartikel umgesetzt werden soll. Erst mit einer Erklärung des Schweizer Bundesrates zur Alpeninitiative vom 9. September 1994 bewegte sich wieder etwas. In dieser „EU- kompatiblen“ Erklärung verpflichtete sich die Schweiz zur Beibehaltung der Prinzipien der Nichtdiskriminierung, der freien Verkehrsmittelwahl, der Umsetzung der LSVA, der ATA und der NEAT (siehe Punkt 8.1.2). Ende Oktober 1994 erhielt die Kommission vom Rat die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen in fünf sektoriellen Bereichen. Am 12. Dezember 1994 begannen die Verhandlungen in den Bereichen Freizügigkeit, technische Handelshemmnisse, öffentliche Aufträge, Landwirtschaft und Forschung. Lediglich die Bereiche des Land- und Luftverkehrs blieben vorerst ausgeklammert. Nach einer umfassenden Situationsanalyse durch die Kommission erteilte der Rat schließlich am 7. März 1995 ein Verhandlungsmandat für diese beiden Bereiche. (Frerich/Müller 2004b, 652; Epiney/Gruber 1997, 183; Wicki 1999, 57, 80; Wicki 2000a, 135-140) Am 21. März 1995 begannen die eigentlichen Verhandlungen zwischen der Kommission und der Schweiz. Während die Verhandlungen in den anderen Teilbereichen bis Ende 1996 zügig voran gingen, gab es bei der Personenfreizügigkeit und beim Landverkehr zahlreiche Divergenzen. Die Schweiz beharrte auf die Umsetzung der Alpeninitiative (LSVA, ATA), der NEAT, der Bahnreform sowie auf die Beibehaltung der bisherigen Restriktionen. Ein weiterer zentraler Punkt war der freie Zugang für die schweizerischen Frächter zum liberalisierten Verkehrsbinnenmarkt. Mit einem Abkommen im Bereich des Landverkehrs sollte zudem das 2005 auslaufende Transitabkommen weiterentwickelt werden. Im Gegenzug forderte die Kommission die Erhöhung des Lkw-Gewichtslimits auf 40 t und die Absenkung der Obergrenze für Transitabgaben, da hier die freie Wahl des Verkehrsmittels beeinflusst wird. Im Großen und Ganzen waren die gemeinschaftlichen Forderungen dieselben wie bereits in den Verhandlungen zum Transitabkommen. Die Mitgliedstaaten Österreich und Frankreich forderten die Rückverlagerung des Umwegverkehrs und die Umsetzung des Prinzips des kürzesten Weges. Daneben befürchteten Italien und

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Griechenland steuerliche Barrieren durch eine Verteuerung des Schweizer Alpentransits. Zusätzlich wurde das Dossier Landverkehr mit jenem des Luftverkehrs verknüpft, womit sich zusätzlicher Druck aufbaute. Allen voran wurde von Seiten der Gemeinschaft deutlich gemacht, dass die Schweiz die gewünschten Vorteile nicht ohne entsprechende Gegenleistungen erhalten wird. Gerade hier unterschieden sich die Verhandlungen gegenüber jenen zum Transit- und den EWR-Abkommen. (Epiney/Gruber 1997, 293f; Wicki 1999, 79; Frerich/Müller 2004b, 652; Maibach et al. 1999a, 81; Cornu 2000, 210; Ambühl 2001, 510f; Epiney et al. 2013, 84 (Fn. 389)) Bei den Verhandlungen konzentrierten sich beide Parteien auf den Marktzugang (Schiene, Straße) und auf die koordinierte Verkehrspolitik in den Alpen. Vor allem der Bereich der Maße und Gewichte (28-t-Limit), die Kabotage und insbesondere die Umsetzung des Alpenschutzartikels kristallisierten sich als Probleme heraus. (Wicki 1999, 80; Wicki 2000a, 140) Im Herbst 1995 scheitere die erste Verhandlungsrunde an den großen Divergenzen im Bereich des Landverkehrs (v a. am Festhalten am 28-t-Limit) und beim freien Personenverkehr. In der ersten Hälfte 1996 kam dann der schweizerische Paradigmenwechsel hin zu einer marktkonformen und emissionsabhängigen LSVA. Auch die Alpentransitabgabe (ATA) als weiteres marktwirtschaftliches Steuerungsinstrument war noch nicht vom Tisch. Am 3. April 1996 stellte der Schweizer Bundesrat mit einem erweiterten Verhandlungsmandat erstmals die Aufhebung des 28-t-Limits nach einer Übergangsfrist in Aussicht. Damit einhergegangen war auch der Wechsel im Schweizer Verkehrsdepartement (EVED bzw. UVEK) von Bundesrat Adolf Ogi hin zu Moritz Leuenberger (1995-2010). Mit dieser neuen Strategie schlachtete Bundesrat Leuenberger die heilige Kuh 28-t-Limit, was von Seiten der EU-Verkehrsminister begrüßt wurde. Trotzdem gab es aber immer noch keine Einigung im Bereich der Verkehrsabgaben, der Kabotage und des Zugangs von 40 t Lkw in die Stadtzentren. In dieser Phase hatte die Schweiz neben den schwierigen außenpolitischen Verhandlungen auch einen innenpolitischen Spagat zu bewältigen. Das 28-t-Limit galt als nationaler Mythos und die absehbare Aufhebung bedurfte einer Lösung, die sowohl von einer politischen als auch von einer stimmberechtigten Mehrheit getragen wird. Gefunden wurde diese Lösung in der LSVA. Mit diesem marktwirtschaftlichen Instrument war die bisherige Verlagerung durch das 28-t-Limit überholt. Gerade deshalb musste die Schweiz einen hohen Preis für die Anhebung des Gewichtslimits auf 40 t herausverhandeln. (Sollberger 2003, 200f; Wicki 1999, 82f, 85; Wicki 2000a, 144-146; Maibach et al. 1999a, 81; Sager 1999, 307; Weber/Friedli 2002, 389; Weber/Friedli 2007, 411f; Cornu 2000, 210f) Mit der Aufgabe des

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Gewichtslimits und der Etablierung der LSVA gelang der Schweiz der „[…] Wechsel von einer defensiven Transitpolitik (tiefe Gewichtslimite) [hin] zu einem offensiven, aktiven Instrumentarium (verursachergerechte Abgabepolitik) […].“ (Wicki 1999, 85) Zusätzlich wurden auch ökonomische Gründe angeführt, da ein 40 t Lkw mehr Güter als ein 28 t Lkw transportieren kann. Damit werden auch Lastwagenfahrten vermieden. (Friedli 2001, 485) Das ganze Jahr 1997 war geprägt von zähen Verhandlungen über Tariffragen. Die Schweiz wollte einen möglichst hohen Transittarif, um die Finanzierung der NEAT sicher zu stellen und die Umsetzung der Alpeninitiative zu gewährleisten. Die EU-Seite wollte auf keinen Fall den Transit durch die Schweiz verteuern. Dazu kam noch die Forderung der EU- Alpenstaaten Österreich, Frankreich und Italien, die jegliche Besserstellung der Schweiz im Alpentransit kategorisch ablehnten. Zur gleichen Zeit liefen auch die Verhandlungen über die Wegekosten-RL 1999/62/EG. Mit der Verknüpfung dieser beiden unterschiedlichen Bereiche, versuchte die Gemeinschaft eine möglichst europakonforme Lösung mit der Schweiz herbeizuführen. Dieses Junktim erwies sich aber als hemmend, da sich die EU- internen Verhandlungen zur neuen Wegekostenrichtlinie ebenfalls in einer Sackgasse befanden. Das Angebot der Schweiz lag zuerst bei 600 Schweizer Franken und jenes der Gemeinschaft bei 200 Schweizer Franken. Die Gemeinschaft reagierte zunächst empört auf das überhöhte Schweizer Angebot. (Sollberger 2003, 201f; Wicki 1999, 87; Wicki 2000a, 155 f) „In der Folge passte die Schweiz ihr Angebot mehrmals gegen unten an, behielt sich dabei jedoch vor, den angestrebten Verlagerungseffekt mittels einer Subventionierung der Schiene zu erreichen und forderte […] eine Schutzklausel.“ (Sollberger 2003, 202) Durch gegenseitiges Entgegenkommen schien auch im Transittarif eine Einigung in greifbare Nähe gerückt. Zur Abfederung der sinkenden Straßentransitgebühren gab der Bund im Oktober 1997 200 Mio. Schweizer Franken zur Subventionierung des Huckepackverkehrs frei. Schließlich wurde mit der europakompatiblen Verabschiedung des Bundesgesetztes über die LSVA im Dezember 1997 ein weiterer Stolperstein aus dem Weg geräumt. (Wicki 1999, 88; Wicki 2000a, 157) „Da es auch 1997 trotz verstärkter Bemühungen der Kommission und neuer Initiativen Luxemburgs, der Niederlande und der Schweiz keinen Durchbruch gab, mahnte das Europäische Parlament […] einen Abschluss der Verhandlungen bis zum Jahresende an.“ (Frerich/Müller 2004b, 652) Ohne den positiven Abschluss des Dossiers zum Landverkehr konnten die bilateralen Verhandlungen nicht beendet werden, da es ich um eine Paketlösung handelte. Der Durchbruch bei den Verhandlungen gelang Bundesrat Moritz Leuenberger und Verkehrskommissar Neil Kinnock schließlich am 23. Jänner 1998. Der so genannte

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„Kompromiss von Kloten“ beinhaltete eine schrittweise Anhebung des Gewichtslimits auf 40 t bis 2005, eine Übergangsphase mit Kontingenten, die Einführung eines gänzlich neuen Straßengebührensystems mit Koppelung an die EURO-Emissionsklassen, die Beibehaltung des Nachtfahrverbotes und die Gewährleistung eines ausreichenden Angebots auf der Schiene. Der Transittarif wurde schließlich mit 330 Schweizer Franken festgelegt. (Frerich/Müller 2004b, 652; Sollberger 2003, 202; Wicki 1999, 89; Weber/Friedli 2002, 389; Weber/Friedli 2007, 411f; Cornu 2000, 211) „Im Übrigen kam der Schweiz – anders als bei den Verhandlungen zum Transitvertrag – ohnehin die Position der Bittstellerin zu, was der EG gewisse Verhandlungsvorteile bescherte.“ (Sollberger 2003, 202f)

9.2.2 Inhalt des Landverkehrsabkommens von 1999

Nach der grundsätzlichen Eignung bei den Verhandlungen zog sich der politische Abschluss aber noch bis in den Herbst hinein. Gerade innerhalb der Gemeinschaft gab es zwischen den Mitgliedstaaten unterschiedliche Meinungen. Die Gemeinschaft musste aufgrund des Junktims die Verhandlungen zur Wegekostenrichtlinie finalisieren. Eine Einigung stand auf Ratsebene im Raum. Allen voran war Deutschland gegen den „Kompromiss von Kloten“ und erst mit dem Regierungswechsel nach den Bundestagswahlen am 27. September 1998 kam es zu einem Meinungsumschwung. Italien wehrte sich vor allem gegen einen fiskalischen Alpenriegel und den damit befürchteten Standortnachteil. Neben Italien hatte auch Österreich den Abschluss des Landverkehrsabkommens und der Wegekostenrichtlinie blockiert. Für beide Bereiche legte Österreich ein Veto ein und erreichte somit eine Junktimierung. Aus österreichischer Sicht wollte man eine Schlechterstellung in der Frage der Brennermaut gegenüber dem EU-Drittland Schweiz mit aller Macht verhindern. Auch an der Rückverlagerung des Umwegtransits vom Brenner in die Schweiz wurde beharrt. Zu dieser Zeit war auch die Brennermautklage der Kommission anhängig. Noch am 17. März 1998 fand der Kompromiss von Kloten im Rat keine Mehrheit. Auch Österreich legte sein Veto ein und forderte eine gleichwertige Regelung (z. B. eine „Brenner-Klausel“ in der Eurovignetten-RL). Nach der Zusage zu einer nicht-diskriminierenden Lösung in der Frage der Brennermaut stimmte Österreich schließlich zu (siehe Punkt 6.2). Daneben wurden noch die Ergebnisse der Volksabstimmungen in der Schweiz über die LSVA und die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs am 27 September bzw. 29. November abgewartet. Beide Abstimmungen gingen positiv aus. (Sollberger 2003, 203; Wicki 1999, 89, 145-147; Wicki 2000a, 168; Hummer 2000, 69f; Maibach et al. 1999a, 87; Sollberger/Epiney 2001, 20; Hey 2000a, 15f; Liebherr 2000, 257f) Der „Kompromiss von Kloten“ wurde vom Rat am 30. November in der „langen Nacht von Brüssel“ angenommen und am 10. Dezember 440

1998 gebilligt. Die Mitgliedstaaten einigten sich mit der Schweiz bis zum 1. Dezember 1998 über das Abkommen. Allerdings musste die Schweiz bei den Übergangsbestimmungen höhere Kontingente für 40 t Lkw bis 2005 zulassen. Im Gegenzug wurden die Höhe der LSVA und die Beibehaltung des Nachtfahrverbots zugesichert. Die maximale LSVA- Gebühr von 225 bis 330 Schweizer Franken durfte aber erst ab 2008 (Eröffnung des Lötschbergtunnels) eingehoben werden. Der Abschluss der bilateralen Verhandlungen wurde schließlich in Wien unter österreichischer Ratspräsidentschaft am 11. Dezember 1998 verkündet. Am 21. Juni 1999 wurde das „Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße“582 zusammen mit den anderen sechs sektoriellen Abkommen in Luxemburg unterzeichnet. Die Bundesversammlung genehmigte die sieben bilateralen Abkommen am 8. Oktober 1999. Das Schweizer Volk befürwortete in einer Volksabstimmung mit 67,2% Ja-Stimmen die Ratifikation. (Frerich/Müller 2004b, 652; Sollberger 2003, 203; Wicki 1999, 90; Wicki 2000a, 170; Maibach et al. 1999, 88; Friedli 2001, 483; Weber/Friedli 2002, 389f) Das Europäische Parlament stimmte dem Landverkehrsabkommen583 (LVA) und den anderen sechs bilateralen Verträgen am 4. Mai 2000 zu. Allerdings konnte das gesamte Vertragswerk dadurch noch nicht in Kraft treten, da alle 15 Mitgliedstaaten das Abkommen über die Personenfreizügigkeit ratifizieren mussten, da dies in die mitgliedstaaliche Kompetenz fällt. Der Ratifizierungsprozess verlief innerhalb der EU-Mitgliedstaaten aber schleppend. Bereits am 1. Jänner 2001 kam es zu einer faktischen Anwendung von Teilen des Landverkehrsabkommens seitens der Schweiz durch die Einführung der LSVA und der Anhebung des Gewichtslimits auf 34 t. Gleichzeitig wurden die dem Abkommen entsprechenden Kontingentierungen für gemeinschaftliche Lkw zwischen 34 und 40 t angewendet. Für die Aufteilung dieser Kontingente innerhalb der Mitgliedstaaten wurde die VO 2888/2000/EG584 erlassen. Nach dem positiven Abschluss der Ratifikation innerhalb der Mitgliedstaaten folgte am 28. Februar 2002 die formelle

582 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße - Schlussakte - Gemeinsame Erklärungen - Mitteilung über das Inkrafttreten der sieben Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft in den Bereichen Freizügigkeit, Luftverkehr, Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße, öffentliches Beschaffungswesen, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen und Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABl. L 114 vom 30.4.2002, 91- 131. 583Legislative Entschließung des EP zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates und – bezüglich des Abkommens über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit – der Kommission über den Abschluss von Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits (7260/2000 - KOM(1999) 229 - C5-0204/2000): Abkommen über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Straße (9750/1999 - C5-0199/2000 - 1999/0105(AVC)), ABl. C 41 vom 7.2.2001, S. 41. 584 VO (EG) Nr. 2888/2000 des EP und des Rates vom 18.12.2000 über die Verteilung von Genehmigungen für Lastkraftwagen, die in der Schweiz fahren, ABl. L 336 vom 30.12.2000, 9-13. 441

Genehmigung im Rat. Mit dem Beschluss 2002/309/EG/Euratom585 genehmigte die Gemeinschaft am 4. April 2002 die sieben Abkommen. Nach Abschluss der Notifizierung traten die sieben Abkommen am 1. Juni 2002 in Kraft. (Sollberger 2003, 204-206; Frerich/Müller 2004b, 654f; Sollberger/Epiney 2001, 20; Zäch 2002, 5) „Das bilaterale Landverkehrsabkommen ist trotz eigener allgemeiner und institutioneller Bestimmungen sowie vollständiger materieller Abgeschlossenheit mit den anderen sechs gleichzeitig abgeschlossenen sektoriellen Abkommen verbunden.“ (Sollberger 2003, 196) Das Landverkehrsabkommen ist gemäß Art. 58 Abs. 2 LVA zunächst auf sieben Jahre abgeschlossen (bis zum 31. Mai 2009). Wenn keine der Parteien die Nichtverlängerung notifiziert, verlängert sich das Abkommen auf unbestimmte Zeit. Dies ist mittlerweile der Fall. Trotz der thematischen Trennung bilden die sieben Abkommen ein unzertrennbares Ganzes. Durch den Parallelismus können die Abkommen nur gemeinsam in Kraft treten. Bei einer Kündigung bzw. Nichtverlängerung eines Abkommens, treten auch gleichzeitig alle anderen außer Kraft (so genannte „Guillotine-Klausel“). (Sollberger 2003, 197, 223; Sollberger/Epiney 2001, 18, 26; Zäch 2002, 4; Thürer/Hillemanns 2002, 29) Inhaltlich besteht das Landverkehrsabkommen aus einer Präambel und fünf Teilen mit insgesamt 58 Artikeln sowie elf Anhängen. Teil I enthält die Allgemeinen Bestimmungen (Art. 1 bis 4), Teil II befasst sich mit dem grenzüberschreitenden Straßenverkehr (Art. 5 bis 22), Teil III mit dem grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr (Art. 23 bis 29), Teil IV mit der Koordinierten Verkehrspolitik (Art. 30 bis 48) und schließlich enthält Teil V die Allgemeinen- und Schlussbestimmungen (Art. 49 bis 58). In der Präambel werden die Ziele des Abkommens genannt. Als erstes wird die Kontinuität der bisherigen verkehrspolitischen Zusammenarbeit mit Verweis auf Art. 13 (gegenseitiger Marktzugang) des Transitabkommens genannt. Des Weiteren soll eine abgestimmte Verkehrspolitik entwickelt werden, die den Anliegen des Umweltschutzes, der Effizienz der Verkehrssysteme im Alpenraum und dem gesunden Wettbewerb der Verkehrsträger inklusive der verursachten Kosten entspricht. Dafür soll der rechtliche und ordnungspolitische Rahmen koordiniert werden. (Präambel LVA; Sollberger 2003, 206f; Weber/Friedli 2002, 391) In Art. 1 LVA werden die Grundsätze und Ziele beschrieben: Als Ziel soll die Liberalisierung den Vertragsparteien den Zugang zum Güter- und Personenverkehrsmarkt uneingeschränkt öffnen und damit eine effiziente Verkehrsabwicklung gewährleisten. Hier

585 Beschluss 2002/309/EG/Euratom des Rates und - bezüglich des Abkommens über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit - der Kommission vom 4.04.2002 über den Abschluss von sieben Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 442

soll insbesondere der bisherige Umwegverkehr vermieden werden. Als weiteres Ziel sollen auch die Bedingungen für eine abgestimmte Verkehrspolitik festgelegt werden, was aber einer weiteren Harmonisierung bedürfte. Im Gegensatz zum Transitabkommen ist hier keine umweltpolitische Zielbestimmung enthalten. Hier muss grundsätzlich auf die koordinierte Verkehrspolitik des Titels IV verwiesen werden. (Art. 1 Abs. 1 LVA; Sollberger 2003, 213f; Sollberger/Epiney 2001, 21; Weber/Friedli 2002, 392; Cornu 2000, 212) Als Grundsätze werden in Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 LVA die Gegenseitigkeit, die freie Wahl des Verkehrsträgers und das Prinzip der Nichtdiskriminierung angeführt. (Epiney et al. 2013, 85; Heuck 2013, 516) „Die Tragweite des Grundsatzes der freien Wahl des Verkehrsträgers ist – auch abgesehen von seinem in Art. 1 Abs. 2 LVA bloß auslegungsleitenden Charakter – nicht ohne weiteres zu erfassen, insbesondere weil […] [dies] weder im schweizerischen noch im innergemeinschaftlichen Verkehrsrecht ausdrücklich gewährleistet ist.“ (Sollberger 2003, 217; vgl. Sollberger/Epiney 2001, 22; Gruber 2005, 133; Heuck 2013, 514f; siehe Punkt 3.1.2) Der sachliche Geltungsbereich des LVA umfasst den bilateralen Güter- und Personenverkehr zwischen den Vertragsparteien, den Transit durch das Gebiet der Vertragsparteien, den Dreiländerverkehr und die große Kabotage für die Schweiz (Art. 2 Abs. 1 LVA). Im Schienenbereich umfasst das Abkommen den grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr sowie den kombinierten Verkehr (Art. 2 Abs. 2 LVA). Anwendbar ist das Abkommen gemäß Art. 2 Abs. 3 LVA auf alle Unternehmer (Straße und Eisenbahn), die in einer Vertragspartei zugelassen sind. Art. 3 LVA enthält zahlreiche Begriffsbestimmungen und gemäß Art. 4 LVA bleibt der Vorbehalt der Bestimmungen des Transitabkommens von 1992 ausdrücklich bestehen. Dadurch wird er Konnex beider Verträge betont. Die Verpflichtungen des Transitabkommens behalten ihre Gültigkeit. Lediglich bei abweichenden Bestimmungen wie in Art. 7 (technische Normen), Art. 8 (Übergangsregelung für Fahrzeuggewicht), Art. 15 (Nacht- und Sonntagsfahrverbot) sowie Art. 16 (Aufhebung bestimmter Ausnahmen von der Gewichtsbegrenzung) geht das Landverkehrsabkommen vor. (Sollberger 2003, 224; Sollberger/Epiney 2001, 26; Weber/Friedli 2002, 394; Cornu 2000, 212; Epiney et al. 2013, 95) Im Straßengüterverkehr sind der Zugang zum Beruf (Art. 5 LVA), die Sozialvorschriften (Art. 6 LVA) und die technischen Normen (Art. 7 LVA) geregelt. Hier erfolgt eine Angleichung an das Gemeinschaftsrecht. Allen voran beinhaltet der Art. 7 Abs. 3 die größte Veränderung für die Schweiz. Ab dem 1. Jänner 2001 hebt die Schweiz das höchstzulässige Gesamtgewicht für Lkw auf 34 t an. Schließlich passte die Schweiz am 1. Jänner 2005 ihre

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Rechtsvorschriften über die höchstzulässigen Gewichte für Lkw im grenzüberschreitenden Verkehr an das gültige Gemeinschaftsrecht an (40- bzw. 44-t-Gewichtslimit). Bis zur Umsetzung der stufenweisen Angleichung werden die Kontingente für 40 t Lkw schrittweise angehoben (Art. 8 LVA). Im Gegenzug wird parallel die Straßenbenützungsgebühr (LSVA) eingeführt (Art. 7 Abs. 4 LVA). Im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr zwischen der Schweiz und der EU wird gem. Art. 9 LVA lediglich eine Gemeinschaftslizenz (VO 881/92) bzw. eine entsprechende schweizerische Zulassung benötigt. Dasselbe gilt für den Transitverkehr durch das Gebiet der Vertragsparteien (Art. 10 LVA). Damit wird der gesamte Marktzugang im Straßenverkehr liberalisiert. Eine Sonderregelung besteht lediglich für den Transit durch Österreich, da die Schweizer Lkw dort ebenfalls unter das (bis Ende 2003 geltende) Ökopunktesystem fallen. Mittlerweile ist dieser Artikel aber aufgrund des ersatzlosen Auslaufens der Sonderregelung völlig obsolet geworden. (Art. 11 LVA; Frerich/Müller 2004b, 653; Friedli 2001, 483; Sollberger/Epiney 2001, 26; Weber/Friedli 2002, 400f; Epiney et al. 2013, 85) Ab 1. Jänner 2005 wird die große Kabotage vollständig liberalisiert (Art. 12 LVA). Die kleine Kabotage (Transporte schweizerischer Lkw innerhalb der Mitgliedstaaten) bleibt aber weiterhin untersagt (Art. 14 LVA). „Der Dreiländerverkehr wird in gesonderten Abkommen zwischen der Gemeinschaft bzw. der Schweiz mit dem jeweiligen Staat gesondert geregelt.“ (Frerich/Müller 2004b, 653; Art. 13 LVA) Schließlich bestätigt der Art. 15 LVA das bisherige Nachtfahrverbot in der Schweiz (22.00 bis 5.00 Uhr). Allerdings werden iVm mit Anhang 6 gewisse Ausnahmen von der Gewichtsobergrenze sowie vom Sonntags- und Nachtfahrverbot angeführt. Schließlich enthalten die Art. 17 bis 22 LVA die Regelungen für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen. (vgl. Frerich/Müller 2004b, 653; Sollberger/Epiney 2001, 35f; Weber/Friedli 2002, 403-404) Nach dem Teil über den Straßenverkehr folgen die Regelungen für den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr. Darin wird die Schweiz zur vollständigen Übernahme des gemeinschaftlichen Sekundärrechtes im Bereich des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs verpflichtet, womit die Schweiz in dasselbe integriert wird (Art 24 bis 29 LVA). Unter anderen sind dort die Zugangsrechte zum Eisenbahnfahrweg bzw. Transitrechte, die Zuweisung der Zugtrassen und Sicherheitsbestimmungen geregelt. Allerdings hatte die Schweiz bereits im Vorfeld ihr Eisenbahnrecht großteils europarechtskonform durch die Bahnreform 1999 angepasst (z. B. Umsetzung der RL 91/440/EWG). Dadurch gewähren sich die Gemeinschaft und die Schweiz gegenseitigen

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freien Zugang im Güterverkehr zu den Schienennetzen (free access). (Friedli, 2001, 484; Sollberger 2003, 263; Sollberger/Epiney 2001, 39; Weber/Friedli 2002, 404-409; Frerich/Müller 2004b, 654) Der vierte Teil umfasst die koordinierte Verkehrspolitik zwischen den Vertragsparteien. In diesem Titel ist die eigentliche Innovation des Abkommens zu finden. Im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen wird hier nicht auf das geltende sekundärrechtliche Gemeinschaftsrecht verwiesen. (Sollberger 2003, 276; Sollberger/Epiney 2001, 36; Weber/Friedli 2002, 409; Epiney et al. 2013, 85) Als Ziel soll durch eine abgestimmte Verkehrspolitik eine effizientes Verkehrssystem entwickelt werden, das mit dem Umweltschutz in Einklang gebracht wird und eine auf Dauer tragbare Mobilität gewährleistet (Art. 30 Abs.1 LVA). Dafür bemühen sich die Vertragsparteien eine weitgehende Vergleichbarkeit der Bedingungen im Verkehrsbereich mit Einschluss der Steuervorschriften in ihren jeweiligen Gebiet zu schaffen. Insbesondere sollen Umwegverkehre im Alpenraum vermieden und dort eine bessere Verkehrsverteilung erzielt werden (Art. 30 Abs. 2 LVA). Der Art. 31 LVA enthält die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele. Darunter sind insbesondere jene zu nennen, die einen lauteren Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern gewährleisten und den umweltverträglicheren Einsatz von Verkehrsmitteln im Güter- und Personenverkehr erleichtern. Der Art. 32 LVA enthält wiederum unumstößliche Grundsätze für die Umsetzung der koordinierten Verkehrspolitik. Zu nennen sind hier das Diskriminierungsverbot, die freie Wahl des Verkehrsträgers, die Nichteinführung mengenmäßiger Beschränkungen, das Territorialitätsprinzip, die Verhältnismäßigkeit der dem Verkehr angelsteten Kosten, die Transparenz, die Vergleichbarkeit der Benutzungsbedingungen zwischen alpenquerenden Strecken, die Vermeidung von Verzerrungen des Verkehrsflusses im Alpenraum und die Gegenseitigkeit. Die eben genannten Ziele werden nun in den nachfolgenden Artikel für den Eisenbahnverkehr und kombinierten Verkehr konkretisiert. In Art. 34 LVA werden die Infrastrukturverpflichtungen des Art. 5 und 6 TA-CH von beiden Seiten bekräftigt (Bau der NEAT durch die Schweiz und Umsetzung Begleitmaßnahmen seitens der Gemeinschaft/Union). Weitere Maßnahmen zur Steigerung des konventionellen Eisenbahnverkehrs sowie des kombinierten Verkehrs werden in Art. 35 LVA aufgelistet (z. B. staatliche Subventionen, Förderung des kombinierten Verkehrs, Abschluss von Verträgen über gemeinwirtschaftliche Leistungen). (vgl. Heuck 2013, 517-519) In Art. 36 LVA werden verschiedene Qualitätsparameter zur Effizienzsteigerung festgelegt.

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Das Kapitel über die Gebührenregelungen im Straßenverkehr stellt eine der tragenden Säulen des Abkommens dar. Der Art. 37 LVA zielt mit Verweis auf Art. 12 Abs. 1 TA-CH auf die Verwirklichung der Kostenwahrheit im Verkehrs ab. Durch eine schrittweise Einführung von Gebührenregelungen sollen den Straßenfahrzeugen und den anderen Verkehrsträgern ihre verursachten Kosten angelastet werden. Die Grundsätze für diese Gebührenregelungen enthält der Art. 38 LVA. In Abs. 1 wird insbesondere auf die in Art. 32 LVA festgelegten Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz verwiesen. Der Abs. 2 setzte fest, dass sich die Abgaben aus der Kraftfahrzeugsteuer, der Mineralölsteuer und aus den Straßenbenutzungsgebühren zusammensetzen. Der Abs. 3 wiederholt die grundsätzliche Vermeidung von Umwegverkehren. Ein wichtiger Punkt ist in Art. 38 Abs. 5 LVA enthalten: Die Gebührenregelungen dieses Abkommens gelten nur für Fahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 12 t oder mehr. Es ist aber jeder Vertragspartei freigestellt auf ihrem Gebiet Maßnahmen für Fahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von weniger als 12 t zu ergreifen. Die Schweiz machte von dieser Regelung bei der LSVA gebrauch. Schließlich verbietet Art. 38 Abs. Abs. 6 LVA direkte oder indirekte staatliche Beihilfen zur Gebührenrückerstattung. Für einen ungehinderten Verkehrsflusses wird über Konsultationen im gemischten Ausschuss die Interoperabilität der elektronischen Einhebungssysteme der Straßenbenutzungsgebühren gefördert. (Sollberger 2003, 305-307; Weber/Friedli 2002, 416; Heuck 2013, 520-522) Als Kompensation für die Erhöhung des Gewichtslimits und zur Erreichung der in Art. 37 LVA durfte die Schweiz die LSVA einführen (vgl. Art. 7 Abs. 3 LVA). In zwei Stufen (ab 1. Jänner 2001 bzw. 1. Jänner 2005) führte die Schweiz eine nichtdiskriminierende Gebührenregelung für Kraftfahrzeuge ein. Dabei sind aber die Grundsätze des Art. 38 Abs. 1 iVm Anhang 10 festgelegten Anwendungsmodalitäten zu beachten (Art. 40 Abs. 1 LVA). In Punkt 8.1.2 werden bereits die Anwendung und die Höhe der LSVA-Tarife ausführlich beschrieben. Die Alpentransitabgabe (ATA) wollte die Schweiz ursprünglich zusätzlich zur LSVA einheben. Gemäß Art. 40 Abs. 5 LVA kann ein Teil der Gebühren aus Mauten für die Benutzung besonderer alpiner Infrastrukturen bestehen. Dieser Teil darf aber nicht mehr als 15% der festgelegten Gebühren ausmachen. (Weber/Friedli 2002, 417; Cornu 2000, 215; Epiney et al. 2013, 85f, 94f; Heuck 2013, 522-525) „Dies bedeutet, dass die allfällige Erhebung der ATA notwendigerweise auf Kosten der LSVA gehen müsste, deren Maximalsatz um den Betrag der ATA gekürzt werden müsste.“ (Sollberger 2003, 315f) Daher hat die Schweiz von ihrem ursprünglichen Plan der Einführung der ATA Abstand

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genommen. Das Landverkehrsabkommen verpflichtet hingegen die Gemeinschaft zur Entwicklung von Gebührenregelungen, die für ihr Gebiet gelten und die im Zusammenhang mit den durch die Infrastrukturbenutzung entstandenen Kosten stehen. Diese Regelungen stützen sich auf das Verursacherprinzip (Art. 41 LVA). Die LSVA-Gebühren werden am 1. Jänner 2007 erstmals und danach alle zwei Jahre an die Inflationsrate angepasst. Für die Anpassung ist der Gemischte Ausschuss Gemeinschaft/Schweiz zuständig (Art. 42 Abs. 1 LVA). Neben der Einführung der LSVA enthält die koordinierte Verkehrspolitik auch zahlreiche Begleitmaßnahmen. Darunter fallen die Erleichterung der Grenzkontrollen (Art. 43 LVA), das Bekenntnis zur Einführung von Umweltschutznormen auf hohem Niveau für Nutzfahrzeuge (Art. 44 LVA) und die Errichtung einer Verkehrsbeobachtungsstelle (Art. 45 LVA). Den Abschluss des Titels über die koordinierte Verkehrspolitik bilden die Korrektivmaßnahmen. Natürlich steht es beiden Vertragsparteien frei, einseitige Schutzmaßnahmen zu treffen. Allerdings enthält Art. 46 LVA Bestimmungen zur Inkraftsetzung einseitiger Schutzmaßnahmen. Der Schutzmechanismus kann durch die Schweiz ausgelöst werden, wenn trotz wettbewerbsfähiger Preise im Eisenbahnverkehr sowie der Anwendung der Maßnahmen des Art. 36 LVA der mittlere Auslastungsgrad der angebotenen schweizerischen Eisenbahnkapazität (Huckepack-Verkehr und KV) während eines Zeitraums von zehn Wochen unter 66% liegt. Erfüllt werden müssen auch die in Anhang 9 festgelegten Qualitätskriterien des Bahnangebotes. Als Schutzmaßnahme kann die Schweiz die Gebühren um 12,5% erhöhen, wobei diese Mehreinnahmen der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahn und des kombinierten Verkehrs zukommen. (Art. 46 Abs. 1 LVA; Frerich/Müller 2004b, 654; Sollberger/Epiney 43f; Weber/Friedli 2002, 425f; Epiney et al. 2013, 85; Heuck 2013, 526f) Art. 46 Abs. 3 LVA beschränkt die Anwendung der Schutzmaßnahmen allerdings auf ein Limit von höchstens sechs Monaten (plus eine einmalige Verlängerung um sechs Monate). Der Gemischte Ausschuss Gemeinschaft/Schweiz muss aber vor der Anwendung der Schutzmaßnahmen in Kenntnis gesetzt werden und nicht anderes beschließen. Erst dann kann die betroffene Vertragspartei den Schutzmechanismus in Kraft setzten (Art. 46 Abs. 4 LVA). Die Bedingungen zur Auslösung des Schutzmechanismus durch die Gemeinschaft sind allerdings sehr schwammig formuliert. Im Gegensatz zu den konkreten Auslösungsfällen für die Schweiz ist in Art. 46 Abs. 2 LVA von „gleichen Umständen“ bzw. „vergleichbaren Bedingungen“ die Rede, zu deren Behebung „analoge Maßnahmen“ ergriffen werden können. „Die Ausgestaltung von Art. 46 LVA weist jedoch darauf hin, dass die Bestimmung auf das

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schweizerische Ziel, einen möglichst großen Teil des Straßengüterverkehrs auf die Schiene zu verlagern, ausgerichtet ist.“ (Sollberger 2003, 321) Neben den einseitigen werden auch konsensuelle Schutzmaßnahmen in Art. 47 LVA festgelegt. Im Falle von schweren Störungen des alpenquerenden Verkehrsflusses, die die Ziele des Art. 30 LVA (nachhaltiges und effizientes Verkehrssystem unter Berücksichtigung des Umweltschutzes) wird der gemischte Ausschuss Gemeinschaft/Schweiz von einer Vertragspartei einberufen. Zusätzlich muss die einberufende Vertragspartei unverzüglich die Verkehrsbeobachtungsstelle hiervon in Kenntnis setzten, damit diese innerhalb von 14 Tagen einen Bericht anfertigen kann. Daraufhin tritt der Gemischte Ausschuss nach 15 Tagen zusammen und prüft die Situation unter Berücksichtigung des Berichtes. Nach dieser Analyse beschließt der Gemischte Ausschuss innerhalb von 60 Tagen Maßnahmen zur Behebung dieser Störung (Fristverlängerung mit gegenseitigem Einverständnis möglich). Wie bereits bei den einseitigen Schutzmaßnahmen gilt auch bei den konsensuellen der Grundsatz, dieses auf das unbedingte erforderliche Maß zur Behebung der Schwierigkeiten zu beschränken. Allen voran sollen die gewählten Maßnahmen das Funktionieren dieses Abkommens so wenig wie möglich stören. „Allerdings gilt es daran zu erinnern, dass die Bestimmung grundsätzlich auf die Sicherstellung des Verkehrsflusses ausgerichtet ist und demnach Maßnahmen zur Behebung (ausschließlich) der Störung des ökologischen Gleichgewichts nicht in den Anwendungsbereich des Art. 47 LVA fallen.“ (Sollberger 2003, 327; Heuck 2013, 527) Als Abschluss der Korrektivmaßnahmen sind im Art. 48 LVA noch Maßnahmen im Falle von höherer Gewalt (insbesondere Naturkatastrophen) angeführt. In diesen Fällen treffen die Vertragsparteien in abgestimmter Weise für ihr Gebiet alle Vorkehrungen, die für die Umleitung des Verkehrs geeignet sind. Als Fazit der Korrektivmaßnahmen wird deutlich, wie eingeengt nun der Handlungsspielraum der Schweiz ist. Abseits der genannten Korrektivmaßnahmen erlaubt das Abkommen keine weiteren Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung Im Titel V sind, wie bereits in Titel I, teilweise Allgemeine sowie die Schlussbestimmungen enthalten. In Anlehnung an ex-Art. 10 EGV ergreifen die Vertragsparteien alle zur Erfüllung der Verpflichtungen des Abkommens erforderlichen Maßnahmen (Abs. 1). Im Gegenzug unterlassen sie alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Abkommensziele gefährden könnten (Abs. 2). In Abs. 3 wird noch auf den Zeitplan der Umsetzung des Abkommens verwiesen (Gewichtslimitanhebung und LSVA). Art. 50 LVA verweist nochmals auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit (vgl. Abs. 1 Abs. 2 LVA) und enthält Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts. Der Art. 51 LVA enthält die

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institutionellen Regelungen für die Verwaltung und Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung des Abkommens. Dafür wird der so genannte „Gemischte Landverkehrsausschuss Gemeinschaft/Schweiz“ als das politische Koordinationsforum mit Vertretern der Vertragsparteien eingerichtet, der den Gemischten Ausschuss des Transitabkommens ablöst. Dadurch wird die notwendige Kohärenz zwischen beiden Abkommen hergestellt. (Art. 18 TA-CH; Sollberger/Epiney 2001, 27f; Weber/Friedli 2002, 430; Epiney et al. 2013, 86) „Der Ausschuss nimmt zugleich Aufgaben der Information, der Konsultation, der Kontrolle, der Beschlussfassung und der Streitbeilegung wahr.“ (Sollberger 2003, 209) Wichtige Bereiche sind der gegenseitige Daten- und Informationsaustausch, die Überwachung und Berichterstattung, Streitbeilegung und Beschlussfassungen (z. B. Gebührensätze, Schutzmaßnahmen, Rechtsentwicklung, Abkommensänderung). Bei seiner gesamten Tätigkeit äußert sich der Gemischte Ausschuss in gegenseitigem Konsens. (Art. 51 Abs. 1 LVA; Sollberger/Epiney 2001, 27f) Ein weiterer wichtiger Artikel behandelt die Rechtsentwicklung des Abkommens. Art. 52 Abs. 1 LVA erlaubt es beiden Vertragsparteien ihre internen Rechtsvorschriften unter Wahrung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung und der Bestimmungen des Abkommens einseitig zu ändern. Sobald eine Vertragspartei neue Rechtsvorschriften im Bereich des Landverkehrsabkommens erarbeitet, holt sie auf informellem Weg die Stellungnahme von Sachverständigen der anderen Vertragspartei ein. Während der Zeit bis zur Verabschiedung des Rechtsaktes finden gegenseitige Informationen und Konsultationen statt. Auf Verlangen einer der Vertragsparteien kann ein erster Gedankenaustausch im Gemischten Ausschuss stattfinden (Abs. 2). Sobald eine der Vertragsparteien den Rechtsakt verabschiedet hat, wird die andere Partei notifiziert. Dies muss spätestens innerhalb von acht Tagen nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union bzw. in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechtes geschehen (Abs. 3). Das Anpassungsverfahren findet dann im Gemischten Ausschuss statt, der innerhalb von zwei Monaten reagieren muss. Allerdings kann sich laut Sollberger die Schweiz aus politischen Gründen nicht so einfach der Weiterentwicklung des Unionssrechts im Verkehrsreich entziehen. Obwohl kein Anpassungsautomatismus im Abkommen vorgesehen ist, muss die Schweiz diese Entwicklung in ihrem Recht nachvollziehen. (Solberger 2003, 335f; Weber/Friedli 2002, 430 ) Die Art. 53, 54 und 55 LVA beinhalten Regelungen zur Vertraulichkeit, das Prozedere zur Streitbeilegung sowie die Revision des Abkommens. Da es sich um einen klassischen völkerrechtlichen Vertrag handelt, können Änderungen des Abkommens nur von beiden Vertragsparteien beschlossen werden. (Friedli 2001, 486) Abschließend enthält der Art. 57

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den räumlichen Geltungsbereich des Landverkehrsabkommens. Gemäß diesem Artikel gilt das Abkommen für die Europäische Union und für die Schweiz. Hinsichtlich der Union folgt aber eine Präzisierung: „Einerseits gilt das Abkommen im Anwendungsbereich des EGV [AEUV] […]. Gleichzeitig impliziert die Formulierung von Art. 57 LVA auch das völkerrechtliche Prinzip der beweglichen Vertragsgrenzen, wonach auch künftige Mitgliedstaaten der […] [EU] automatisch zu Vertragspartner (im weiteren Sinne) werden.“ (Sollberger 2003, 219; vgl. Sollberger 2001, 25; Thürer/Hillemanns 2002, 27f)

10. DIE SCHWEIZER VERKEHRSPROJEKTE

10.1 DIE FINANZIERUNG DER SCHWEIZER BAHNPROJEKTE

10.1.1 Finanzierung von Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs (FinöV)

Am 29. November 1998 stimmten das Schweizer Volk und die Stände der Vorlage über die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs (FinöV) mehrheitlich zu. Vorausgegangen war dem ein Bundesbeschluss586, der die umfassende Modernisierung und den Ausbau der schweizerischen Eisenbahninfrastruktur vorsieht. Durch die positive Zustimmung wurden für die Realisierung rund 32,1 Mrd. Schweizer Franken (Stand 1995) für die nächsten 20 Jahre bewilligt (längstens bis zum Bauende bzw. zum Ende der Beschussungsrückzahlung). Das bedeutet eine jährliche Investition von über 1,5 Mrd. Schweizer Franken in die Bahninfrastruktur. Dazu wurde der so genannte „FinöV-Fonds“ rückwirkend mit 1. Jänner 1998 außerhalb des ordentlichen Bundesbudgets eingerichtet. Dieser Fonds wird durch zwei Drittel der Einnahmen der LSVA, der Mehrwertsteuer (ein Promille), der Erträge der Mineralölsteuer (für 25% der Kosten der NEAT) und durch Darlehen gespeist. In den ersten Jahren lagen die jährlichen Ausgaben des Fonds deutlich über den Einnahmen. Daher erhielt der Fonds Vorschüsse in Form von Darlehen seitens des Bundes. Diese Vorschüsse kann der Bund dem Fonds aber längstens bis 2015 gewähren. Die Höchstgrenze (so genannte „Bevorschussungslimite“) wurde vom Parlament mit 8,6 Mrd. Schweizer Franken (Stand 1995) festgelegt (2010 durch Inflationsanpassung auf 10,2 Mrd. erhöht).587 Ab 2015 müssen dann aber die Hälfte der Einnahmen des Fonds wiederum zur Rückzahlung der Bevorschussung verwendet werden. Bis 2010 hat sich der Bund um

586 Bundesbeschluss über das Reglement des Fonds für die Eisenbahnprojekte vom 9. Oktober 1998. 587 VO der Bundesversammlung über das Reglement des Fonds für die Eisenbahnprojekte vom 9. Oktober 1998 (SR 741.140) idF vom 1.01.2011. 450

rund sieben Mrd. Schweizer Franken zusätzlich verschuldet. (Danielli/Maibach 2014, 67; Berget et al. 2007, 112f; Anreiter 2003, 9; BAV 2015588; NZZ 19.01.2012) Im FinöV-Paket sind zahlreiche Großprojekte enthalten, die durch die Mittel realisiert werden. Das größte Projekt des FinöV-Fonds ist die Finanzierung der NEAT (Gotthard- und Lötschbergbasistunnel). Weitere Projekte sind die „Bahn 2000“ inklusive der Ausbauten für die zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) sowie der Anschluss der Ost- und Westschweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsbahnnetz (so genannter „HGV- Anschluss“). Schließlich werden aus dem Fonds auch die Lärmsanierungen entlang der Korridore der Eisenbahnstrecken (Lärmschutzwände, Schallschutzfenster sowie Erneuerung des Rollmaterials) bestritten. (Danielli/Maibach 2014, 67; Berger et al. 2007, 112f, 172)

10.1.2 Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI)

Im Jahr 2009 erhielt das UVEK in Verbindung mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) vom Schweizer Bundesrat den Auftrag Lösungsvorschläge für die langfristige Finanzierung der Bahninfrastruktur auszuarbeiten. Basierend auf diesem Bericht hat der Bundesrat am 30. März 2011 ein umfassendes Paket zur zukünftigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur verabschiedet und in die Vernehmlassung geschickt. Der Zeitplan der Vorlage FABI (Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur) sah die Beratung im Parlament für 2012/13 vor. Der Ständerat hat die Vorlage mit Anpassungen am 3. Dezember 2012 gutgeheißen. Der Nationalrat stimmte am 21. Juni 2013 für die Vorlage. Schließlich hat der Bundesrat den 9. Februar 2014 als Termin für die Volksabstimmung festgelegt, wobei das Volk die Vorlage mit 62% Ja-Stimmen und 22 von 23 Standes-Stimmen annahm. Die Beschlüsse des Bundesrates sollen nun am 1. Jänner 2016 in Kraft treten. Die FABI-Vorlage des Bundesrates ist ein direkter Gegenentwurf zur Volksinitiative „Für den öffentlichen Verkehr“ des VCS und anderer Organisationen vom 6. September 2010. Diese Initiative wurde im Sommer 2013 zurückgezogen. Der Bundesrat lehnte diese Vorlage grundsätzlich ab. (BAV 2015589; NZZ 19.01.2012, 9.02.2014) Mit dem neuen Bahninfrastrukturfonds (BIF) wird in der Schweiz die Finanzierung der Bahninfrastruktur auf eine neue Basis gestellt. Allen voran traten durch erhöhte Kosten bei der NEAT Finanzierungslücken auf, die durch diesen zeitlich unbegrenzten Fonds gedeckt werden sollen. Mit dem BIF sollen zukünftig der Betrieb, der Substanzerhalt und der Ausbau der Bahninfrastruktur einheitlich finanziert werden. Dadurch soll auch der zeitlich

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befristete FinöV-Fonds abgelöst werden. Gespeist werden soll der BIF aus den bisherigen Finanzierungsquellen des FinöV-Fonds (zwei Drittel der LSVA sowie der Mineral- und Mehrwertsteuer). Das würde Einnahmen von insgesamt 1,6 Mrd. Schweizer Franken pro Jahr bringen (Stand 2010). Auf der Ausgabenseite müsste der BIF ab 2016 die rund neun Mrd. Schweizer Franken des FinöV-Fonds tilgen (Stand 2010). Zusätzlich würden als Einnahmen in den BIF auch die bisherigen Bundeszuschüsse für die Bahninfrastruktur (SBB, Privatbahnen) in Form der Leistungsvereinbarungen fließen (ca. 2,4 Mrd. Schweizer Franken pro Jahr, Stand 2010). Natürlich bedürfen die deutlichen Mehrausgaben für den Ausbau der Bahnen auch neuer Einnahmen. Rund 300 Mio. Schweizer Franken pro Jahr sollen durch die Erhöhung der Tarife für die Nutzer der Bahninfrastruktur (2013 und 2017) in den BIF gespült werden. Weiteres soll ein Promille der Mehrwertsteuer (360 Mio. Schweizer Franken) von 2018 bis 2030 in den BIF fließen. 200 Mio. Schweizer Franken sollen auch die Kantone jährlich an den BIF zahlen, da sie vom weiteren Ausbau der Bahn deutlich profitieren. Schließlich sollen noch 200 Mio. Schweizer Franken jährlich durch eine Änderung der bisherigen Pendlerpauschale zusätzlich für den BIF lukriert werden. Über die Verwendung der Gelder soll das Parlament alle vier Jahre entscheiden. Der weitere Ausbau der Eisenbahninfrastruktur soll dann alle vier bis acht Jahre festgelegt werden. Der Bundesrat schlägt für einen ersten Ausbauschritt bis 2025 3,5 Mrd. Schweizer Franken vor. Die Verkehrskommission des Ständerates befürwortete die Aufstockung der Mittel auf 6,4 Mrd. Schweizer Franken. (BAV 2015; SBB 2015590; NZZ 19.01.2012)

10.1.3 Exkurs: Der Infrastrukturfonds

Der Infrastrukturfonds löste die bisherige Spezialfinanzierung des Straßenverkehrs ab. Insgesamt wird dieser „Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Straßennetz sowie Hauptstraßen in den Berggebieten und Randregionen“ mit 20,8 Mrd. Schweizer Franken für die Laufzeit von 20 Jahren dotiert. Die Einnahmen stammen aus den jährlichen Erträgen der zweckgebundenen Geldern aus der Mineralölsteuer und der Nationalstraßenabgabe (NSA). Als Ersteinlage steuerte der Bund 2,6 Mrd. Schweizer Franken hinzu. Die jährlichen Einlagen werden dann mittels Parlamentsbeschluss bestimmt. Der Fonds dient zur Fertigstellung und Engpassbeseitigung des schweizerischen Nationalstraßennetzes. Dafür sind insgesamt 14 Mrd. Schweizer Franken vorgesehen. Zusätzlich sind sechs Mrd. Schweizer Franken für Projekte zur Verbesserung der Situation des privaten und öffentlichen Agglomerationsverkehrs reserviert. Für die Substanzerhaltung

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der Hauptstraßen in den Berggebieten und Randregionen sind 0,8 Mrd. Schweizer Franken vorgesehen. Diese Projekte müssen aber einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, was bedeutet, dass die Gelder auch für den Schienenverkehr verwendet werden können. Der Infrastrukturfonds wurde am 6. Oktober 2006 von den eidgenössischen Räten beschlossen und das Infrastrukturfondsgesetz (IFG591) idgF ist mit 1. Jänner 2008 in Kraft getreten. (Danielli/Maibach 2014, 91; Berger et al. 2007, 173f; ARE 2015592)

10.2 DIE NEUE EISENBAHN-ALPENTRANSVERSALE (NEAT)

10.2.1 Entstehungsgeschichte der NEAT

Die schweizerische Neue Eisenbahn Alpentransversale (NEAT) gehört im Moment weltweit zu den zu den größten Bauprojekten. Im nichtdeutschsprachigen Ausland wird für den Begriff NEAT meist der sprachunabhängige Terminus „AlpTransit“ verwendet. Auch in der mehrsprachigen Schweiz ist offiziell der Begriff AlpTransit in Gebrauch. Für das Ziel der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und den Abbau der ökologischen Belastungen ist die Realisierung der NEAT die Hauptbedingung. Erst durch den Ausbau der Schieneninfrastruktur werden die Kapazitäten geschaffen. Durch die 200 bis 250 km/h schnellen AlpTransit-Reisezüge verkürzen sich die bisherigen Reisezeiten zwischen Zürich und Mailand um eine Stunde, womit die Bahn mit dem Auto und dem Flugzeug konkurrieren kann. Zusätzlich wird die Strecke durch die neue Gotthardbahn in der Schweiz um 40 km kürzer. Mit den beiden NEAT-Achsen Gotthard und Lötschberg wird die bisherige Kapazität des Güterverkehrs von 20 Mio. auf 50 Mio. t pro Jahr erhöht. Damit kann die prognostizierte steigende Nachfrage bewältigt werden. Daneben hat sich die Schweiz im Transitverkehrsabkommen von 1992 und im Landverkehrsabkommen von 1999 völkerrechtlich zum Bau der NEAT verpflichtet. (Danielli/Maibach 2014, 74; AlpTransit Gotthard AG 2005, 3, 5) Bereits Anfang der 1960er Jahre kam aufgrund des Beschlusses des Nationalstraßennetzes die Idee eines neuen Eisenbahnbasistunnels in die politische Diskussion. Eine Erste Idee für einen neuen Gotthardtunnel gab es bereits 1947. Der Basler Ingenieur und Verkehrsplaner Carl Eduard Gruner schlug einen zweistöckigen kombinierten Bahn- und Straßentunnel zwischen Amsteg und Bodio vor. Im Jahr 1962 erarbeitete das Eidgenössische Departement des Inneren ein Projekt für einen Basistunnel durch den Gotthard. Dieser 45 km lange

591 Bundesgesetz über den Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Nationalstraßennetz sowie Hauptstraßen in Bergregionen und Randgebieten (Infrastrukturfondsgesetz, IFG) vom 6. Oktober 2006 (SR 725.13) idF vom 1.01.2013. 592 URL: [31.03.2015] 453

Tunnel sollte zwischen Amsteg und Giornico verlaufen. Im Jahr 1963 wird die „Kommission Eisenbahntunnel durch die Alpen“ (KEA) durch das Eidgenössische Verkehrs- und Energiedepartement eingesetzt. Diese Kommission evaluierte den Ausbau verschiedener Eisenbahnlinien durch die Alpen, da die Einzelinteressen der Kantone in der Frage der Linienwahl diametral auseinanderklaffen. Schließlich wurden insgesamt fünf neue Linien vorgeschlagen: die Lötschbergbasislinie, die Gotthardbasislinie und die Varianten Gotthard West, Tödi-Greina und Splügen. Im Endbericht von 1970 empfahl die KEA dem Bundesrat die Realisierung eines Gotthard-Basistunnels und den zweigleisigen Ausbau der bestehenden Lötschbergstrecke. Dies griff der Bundesrat in seinem ersten Transitkonzept aus dem Jahr 1972 auf. Darin wurden der weitere Ausbau der Schienenkapazitäten auf der Lötschberglinie (zweites Gleis) sowie der Bau einer neuen Gotthardlinie beschlossen. Die SBB wurden mit der Projektierung des Gotthardbasistunnels (GBT) beauftragt. Falls es wirtschaftlich notwendig sein sollte, wurde auch der Bau einer Ostalpenbahn angekündigt. Der Bau einer neuen Alpentransversale wurde aber 1976 wegen dem deutlichen Rückgang des Güterverkehrs (Ölkrise, Rezession) durch den Bundesrat auf unbestimmte Zeit verschoben. Im GVK-CH wurde der Ausbau der nördlichen Zulaufstrecke (Basel-Olten- Bern) zur Lötschberglinie als notwendig erachtet. Für den Bau neuer Alpentunnel sah das GVK-CH im Vorfeld eine ausführliche Prüfung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit vor. Berücksichtigung sollte in erster Linie die tatsächliche Verkehrsentwicklung finden. (Berger et al. 2009, 107; AlpTransit Gotthard AG 2005, 14; AlpTransit Gotthard AG 2015593; Höschen 2007, 42-44, 51) Schließlich befürwortete der Bundesrat im Jahr 1983 den Bau einer neuen Alpentransversale. Aufgrund der Verkehrsentwicklung wurde der Bau aber nicht vor dem Jahr 2000 als notwendig angesehen. Allerdings war in der Frage der Linienwahl noch kein Beschluss gefasst worden. Ab 1985 entflammte die Diskussion abermals für die bereits fünf erwähnten neuen Streckenvarianten. Schließlich fiel 1989 die Wahl des Bundesrates auf den Bau des Gotthard- und Lötschbergbasistunnel (LBT). Die Forderung der Ostschweizer Kantone zum Bau des Splügen-Basistunnels wurde durch die gleichzeitige Festlegung auf den BBT in Österreich und Italien konterkariert. Infolge dessen gaben sich die Ostschweizer jedoch mit dem Versprechen einer direkten Anbindung an die NEAT (u. a. Bau des Hirzeltunnels) zufrieden. Im Jahr 1990 beschloss der Bundesrat gegen den Widerstand der SBB die so genannte „Netzlösung“ mit Gotthard und Lötschberg. Mit einer Kombination der Transversalen Gotthard und Lötschberg/Simplon sollten regionalpolitische Interessen

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berücksichtigt werden. Dadurch wurde auch der teure Ausbau der Zulaufstrecken überflüssig, der bei der Realisierung nur eines Basistunnels nötig gewesen wäre, um den gesamten Verkehr auf diese Linie zu konzentrieren. Zudem dient der LBT als Ersatz für den nicht gebauten Rawil-Tunnel der Nationalstraße N6 zwischen den Kantonen Bern und Wallis. Ebenfalls im Konzept enthalten ist die Anbindung der Ostschweiz. Das NEAT-Konzept mit den zwei neuen Basistunneln samt Ausbauten der Zulaufstrecken wurde am 4. Oktober 1991 als so genannter „Alpentransitbeschluss“ im Schweizer Parlament befürwortet. Das Alpentransit-Gesetz (AtraG594) idgF sieht als Ziel die Wahrung der verkehrspolitischen schweizerischen Interessen in Europa vor. Zusätzlich sollen die Alpen vor den steigenden ökologischen Belastungen geschützt werden. Zur Erreichung dieser Ziele wird ein neuer leistungsfähiger Schienenkorridor benötigt. Schließlich befürwortete das Schweizer Volk am 27. September 1992 den Bau der NEAT mit 64% Ja- Stimmen, was gleichzeitig auch eine Bedingung für den positiven Abschluss des Transitabkommens zwischen der EWG und der Schweiz war. (Berger et al. 2009, 108, 114; Höschen 2007, 267; BAV 2015595; AlpTransit Gotthard AG 2015596; Anreiter 2003, 8f) Nach dem Abschluss des Transitabkommens verschlechterten sich in den Folgejahren aber die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Das ursprüngliche NEAT-Konzept wurde von der eingesetzten „FinöV-Arbeitsgruppe“ überarbeitet und schließlich vom Bundesrat 1996 deutlich redimensioniert. Nicht unbedingt notwendige Zulauf- und Neubaustrecken wie zwischen Arht-Goldau-Erstfeld und Biasca-Camorino bzw. der Zimmerberg- und Hirzeltunnel wurden zurückgestellt. Beide Basistunnel am Gotthard und am Lötschberg (nur einspurig) werden gebaut. Dazu kommt noch der Ceneribasistunnel (CBT) auf der Gotthardlinie. Diesem überarbeiteten Konzept stimmten am 29. November 1998 das Schweizer Volk und die Stände in der Vorlage über die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs (FinöV) mehrheitlich zu (siehe Punkt 10.1.1). Gemäß diesem FinöV-Beschlusses erfolgt die Realisierung der NEAT in mehreren Etappen. (Danielli/Maibach 2014, 74; Berger et al. 2007, 110, 112; BAV 2015597; AlpTransit Gotthard AG 2015598; Anreiter 2003, 9) „So bleiben die Kosten besser unter Kontrolle, und das Schienenangebot kann auf die wachsende Verkehrsnachfrage abgestimmt werden.“ (Danielli/Maibach 2014, 74)

594 Bundesgesetz über den Bau der schweizerischen Eisenbahn-Alpentransversale (Alpentransit-Gesetz, AtraG) vom 4. Oktober 1991 (SR 742.104) idF vom 1.01.2009. 595 URL: [31.03.2015] 596 Siehe Fn. 593. 597 Siehe Fn. 595. 598 Siehe Fn. 593. 455

Für den Bau der NEAT wurden die AlpTransit Gotthard AG (ATG) und die BLS AlpTransit AG (BLS AT) gegründet. Beide Gesellschaften üben für den Bund die Funktion des Bauherrn aus. Die ATG wurde am 12. Mai 1998 gegründet und ist eine 100%- Tochtergesellschaft der SBB. Sitz der Gesellschaft ist Luzern und weitere Außenstellen befinden sich in Altdorf, Sedrun, Faido und Bellinzona. Bei der ATG sind rund 160 Mitarbeiter beschäftig (Stand März 2015). Zuständig ist die ATG für die Achse Gotthard der NEAT mit den GBT und CBT. (AlpTransit Gotthard AG 2015599; AlpTransit Gotthard AG 2005, 13; Anreiter 2003, 12) Die BLS AT wurde am 8. Juni 1993 als eine 100%- Tochter der BLS AG gegründet. Der Sitz der Gesellschaft lag in Thun mit Außenstellen in Thun, Blausee-Mitholz und Steg VS. Die BLS AT war für den Bau des LBT zuständig, wofür rund 30 Mitarbeiter tätig waren. Mit der Inbetriebnahme des LBT im Jahr 2007 hatte die BLS AT ihren Auftrag erfüllt und die Gesellschaft wurde am 1. Jänner 2009 mit der bisherigen BLS-Infrastruktur zur BLS Netz AG fusioniert. (BLS 2015600)

10.2.2 Aktueller Stand beim NEAT-Ausbau

Mit den beiden Tunneln am Gotthard und Ceneri entsteht eine moderne Flachbahn. Diese ermöglicht die Fahrt mit längeren Güterzügen, die mit 4.000 t doppelt so schwer wie heute beladen werden können. Mit 160 km/h fahren diese dann auch doppelt so schnell. Durch die geringeren Steigungen werden auch weniger Lokomotiven benötigt, was die Wirtschaftlichkeit zusätzlich erhöht. Auf der alten Gotthardstrecke verkehren bisher 150 Güterzüge. Mit der Flachbahn ist eine Kapazitätssteigerung auf 200 Güterzüge möglich. (AlpTransit Gotthard AG 2005, 10f) Der östliche Ast der NEAT setzt sich aus den beiden Basistunneln am Gotthard und Ceneri zusammen. Der GBT besteht aus zwei 57 km langen eingleisigen Tunneln, die jeweils alle 325 m durch 178 Querschläge verbunden sind. Insgesamt misst das gesamte Tunnelsystem des GBT mit allen Verbindungs- und Zugangsschächten rund 152 km. Das Nordportal des GBT befindet sich in Erstfeld (Kanton Uri) auf 475 m Seehöhe und das Südportal in Bodio (Kanton Tessin) auf 321 m Seehöhe. Der Scheitelpunkt des GBT befindet sich auf 550 m Seehöhe und ist damit gleich hoch wie die Stadt Bern. Der Scheitelpunkt der bisherigen Gotthardbahn liegt auf 1.150 m Seehöhe. Die alte Gotthardbahn hat Steigungen bis zu 26 Promille. Im GBT sind es lediglich acht Promille und auf der gesamten Flachbahn maximal 15,5 Promille. Neben dem längsten Tunnel der Welt wird der GBT auch einen weiteren Rekord halten. Mit einer Felsüberlagerung von bis zu 2.300 m wird der auch der bisher

599 URL: [31.03.2015] 600 URL: [31.03.2015] 456

tiefste je gebaute Tunnel sein. Im GBT befinden sich zwei Multifunktionsstellen mit Nothaltestellen und Möglichkeiten zum Spurwechsel zwischen den Tunnelröhren. Diese sind in den Ortschaften Faido und Sedrun angesiedelt und unterteilen den GBT in drei gleich große Abschnitte. (AlpTransit Gotthard AG 2005, 11, 16-19; AlpTransit Gotthard AG 2015601; Anreiter 2003, 11; ORF ON 14.10.2010) Abbildung 25: Geographische Darstellung der NEAT

(Quelle: BAV 2015602) Die Arbeiten begannen am Gotthard im Jahr 1999. Beim Bau wurde der GBT in fünf unterschiedliche Bauabschnitte unterteilt. Zur Zeit- und Kostenersparnis wurde an allen Abschnitten gleichzeitig gebaut. (AlpTransit Gotthard AG 2015)

601 URL: [31.03.2015] 602 Landkarten NEAT: URL: [31.03.2015] 457

Abbildung 26: Das Tunnelsystem des Gotthardbasistunnels

(Quelle: AlpTransit Gotthard AG 2015603) Der Durchschlag am Gotthard erfolgte am 15. Oktober 2010 in der Oströhre und am 23. März 2011 in der Weströhre. Beim Vortrieb kamen hauptsächlich Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz. Rund 20% mussten aber mit konventionellem Sprengvortrieb vorgenommen werden. Durch den hohen Gebirgsdruck und geologische Probleme waren spezielle Techniken notwendig. Insgesamt mussten 28,2 Mio. t Abbruchmaterial deponiert werden. Mit Stand 31. März 2015 sind im GBT rund 100% des Gewölbes bereits betoniert und die Arbeiten verlaufen in allen drei Abschnitten planmäßig. Am 25. Juni 2010 begann auf einer 16 km langen Teilstrecke der Weströhre beim Südportal die der Einbau der gesamten Bahntechnik. Schließlich starten am 2. September 2011 auch die Arbeiten für den Einbau der Bahntechnik am Nordportal. Bis Ende 2012 waren 35% der Bahntechnik bereits installiert und in der Weströhre zwischen Faido und Bodio liefen bereits die Vorbereitungen für den Testbetrieb. Der Bundesrat fuhr bei seinem Besuch des GBT am 5. September 2013 mit dem ersten Personenzug auf den definitiven Schienen von Erstfeld bis Sedrun. Ende März 2015 waren bereits 95% der Bahntechnik eingebaut. Zwischen 2015 und 2016 soll die restliche Bahntechnik eingebaut und der Testbetreib durchgeführt werden. Mit einer Inbetriebnahme wird im Moment (Stand März 2015) im Dezember 2016 gerechnet. Im Anschluss an den GBT wird noch die rund 7 km lange Neubaustrecke Gotthard-Süd

603 URL: [31.03.2015] 458

zwischen dem Südportal und der bestehenden Gotthard-Bahn gebaut. (AlpTransit Gotthard AG 2015604; BAV 2015605; DS 14.10.2010; NZZ 14.10., 15.10.2010; TT 15.10.2010a) Abbildung 27: Das Tunnelsystem des Ceneribasistunnels

(Quelle: AlpTransit Gotthard AG 2015606) Für eine durchgehende Gotthard-Flachbahn und die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteile wird zusätzlich der Ceneribasistunnel im Kanton Tessin als südliche Zulaufstrecke benötigt. Der Spatenstich für den CBT erfolgte im Jahr 2006. Am 10. Juni 2010 begannen mit der ersten offiziellen Sprengung beim Zwischenangriff in Sigiriono die Hauptvortriebsarbeiten für die beiden Tunnelröhren. Vorausgegangen war dem eine jahrelange Diskussion über den Bau des Tunnels. Erst im Juli 2001 genehmigte der Bundesrat den Bau der beiden einspurigen Tunnelröhren. Mit 15,4 km ist der CBT momentan nach dem GBT die zweitgrößte Tunnelbaustelle in der Schweiz. Das Nordportal befindet sich in Vigana/Camorino und das Südportal in Vezia. Der Durchschlag ist für 2015 und die Inbetriebnahme für 2019 geplant. Mit Stand 1. April 2015 sind beim CBT rund 91,3% (36,33 km) ausgebrochen. Der Vortrieb erfolgt hier mit konventioneller

604 URL: ; ; [31.03.2015] 605 URL: ; Standbericht NEAT 2014: [31.03.2015] 606 URL: [4.10.2014] 459

Sprengweise. (AlpTransit Gotthard AG 2005, 20-13; AlpTransit Gotthard AG 2015607; BAV 2015608) Bei der nördlichen Zulaufstrecke wurden zwischen St. Gallen und Arth-Goldau bereits lokale Ausbauten realisiert. Der Zimmerbergbasistunnel (ZBT) soll im Endausbau rund 20 km lang sein. In einer ersten Etappe wurden im Rahmen von „Bahn 2000“ 9,4 km gebaut. Der zweite Abschnitt soll im Rahmen von AlpTransit gebaut werden. Im Jahr 2006 entschied der Bundesrat aber das Projekt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. (BAV 2015609; AlpTransit Gotthard AG 2005, 12; NZZ 14.10.2006) Der westliche Ast der NEAT (Achse Basel-Bern-Mailand) umfasst den Lötschbergbasistunnel (LBT) und den im Süden bereits bestehenden Simplonbasistunnel. Der LBT ist 34,6 km lang, wobei aber nur die Oströhre vollständig gebaut wurde. Die Weströhre ist inklusive des Rohbaus rund 27 km lang. Damit ist der LBT bis zur Eröffnung des GBT der drittlängste Eisenbahntunnel der Welt. Insgesamt ist das Stollensystem 88,1 km lang. Das Nordportal liegt in Furtigen (Kanton Bern) auf 776 m Seehöhe und das Südportal in Raron (Kanton Wallis) auf 654 m. Der Scheitelpunkt liegt bei 828 m Seehöhe. Die Steigung der Lötschbergrampe sinkt mit dem Basistunnel von 27 auf 15 Promille. Der offizielle Baubeginn am LBT begann im Jahr 1999 und der Durchbruch in der Oströhre fand am 28. April 2005 statt. Im Gegensatz zum GBT wurden hier 20% mit Tunnelbohrmaschinen und 80% im konventionellen Sprengbetreib bewältigt. Rund 16,6 Mio. t Material wurden bei den Bauarbeiten ausgebrochen. Am 14. Juli 2007 erfolgte die Inbetriebnahme des Basistunnels. Die Baukosten beliefen sich auf 4,4 Mrd. Schweizer Franken und lagen knapp unter dem Voranschlag. (NZZ 25.06.2006, 11.06.2011; Anreiter 2003, 10f; DP 15.10.2010c; DS 15.06.2007; TT 26.10.2010; Bergmeister 2011, 86f) „Mit der Realisierung des Lötschberg-Basistunnels wird die Fahrzeit von Thun nach Visp auf unter eine halbe Stunde verkürzt. Für den Transitverkehr bleiben aber trotz Lötschbergbasistunnel die steilen Rampen zwischen Simplontunnel und Domodossola bestehen.“ (Danielli/Maibach 2014, 74) Die Kosten für die NEAT mussten bisher immer wieder nach oben korrigiert werden. Ging man anfänglich lediglich von rund zehn Mrd. Schweizer Franken aus, beträgt der NEAT- Gesamtkredit durch den Bundesbeschluss vom 16. September 2008 gemäß FinöV 19,1 Mrd.

607 URL: ; ; ; Stand Eisenbahn- Großprojekte I/2013 [4.10.2014] 608 Siehe Fn. 605. 609 URL: < http://www.bav.admin.ch/alptransit/01271/01367/index.html?lang=de> [31.03.2015] 460

Schweizer Franken (Preisstand 1998). 2013 wurden rund 1,110 Mrd. Schweizer Franken in die NEAT investiert. Das BAV rechnete Ende 2012 mit Gesamtkosten von 18,7 Mrd. Schweizer Franken (Preisstand 1998), womit der Kredit von 19,1 Mrd. Schweizer Franken nicht zur Gänze ausgeschöpft wird. Ende 2014 wurde vom BAV die Gesamtkosten- Prognose von 18,5 auf 18,2 Mrd. Schweizer Franken (Preisstand 1998) gesenkt. Unter Berücksichtigung der Teuerung, der Mehrwertsteuer und der Bauzinsen geht das BAV 2015 schlussendlich von Gesamtkosten von 23,3 bis 23,5 Mrd. Schweizer Franken für die NEAT aus. (BAV 2015610; Höschen 2007, 245: ORF ON 15.10.2010)

10.3. DIE WEITEREN SCHWEIZER BAHNGROSSPROJEKTE

10.3.1 Bahn 2000, die zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) und das strategische Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur (STEP)

Bereits ab den 1970er Jahren kam es aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens zu Engpässen in der Schieneninfrastruktur im schweizerischen Mittelland. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Netz war den Anforderungen der Moderne nicht mehr gewachsen. Bereits im GVK-CH war der Bau einer Neuen Haupttransversale (NHT) zwischen dem Bodensee und Genfer See in Ost-West-Richtung vorgesehen. In Anlehnung an andere Länder sollte dies ein Hochgeschwindigkeits-Konzept ermöglichen, was aber nur Haltepunkte in den großen Zentren vorsah. Schließlich wurde das Konzept von den Hauptachsen auf das gesamte Bahnnetz der Schweiz ausgeweitet und erhielt den Namen „Bahn 2000“. Das Konzept wurde 1985 vom Verkehrsdepartement vorgestellt und sollte ursprünglich 5,4 Mrd. Schweizer Franken kosten. Daraufhin wurde am 19. Dezember 1986 das Bundesgesetz zum Konzept „Bahn 2000“611 idgF erlassen. Schließlich nahm am 6. Dezember 1987 das Schweizer Volk „Bahn 2000“ mit 57% Ja-Stimmen an. Allerdings stellte sich bei der Umsetzung heraus, dass die Kosten unterschätzt wurden. Daraufhin folgten eine Redimensionierung und eine Umsetzung in zwei Etappen. Für die erste Etappe wurden die Mittel an die Teuerung angepasst und auf 7,4 Mrd. Schweizer Franken erhöht.

610 URL: ; ; ; [31.03.2015] 611 Bundesgesetz betreffend das Konzept BAHN 2000 vom 19. Dezember 1986 (SR 742.100) idF vom 1.09.2009. 461

(Danielli/Maibach 2014, 67f; Berger et al. 2009, 105, 107; Höschen 2007, 177f, 185; BAV 2015612) Das Konzept „Bahn 2000“ soll den Bahnverkehr durch eine Qualitätssteigerung als Alternative zum motorisierten Individualverkehr positionieren. Zentrales Element ist die Einführung des Knotenprinzips. (Danielli/Maibach 2014, 68; Berger et al. 2007, 136f) „Dies beinhaltet, dass die Züge von überall kurz vor der vollen oder der halben Stunde an den Knotenbahnhöfen ankommen und knapp nach der vollen oder halben Stunde dort wieder abfahren. Knotenpunkte sind dabei die großen Bahnhöfe wie beispielsweise Zürich, Basel und Bern.“ (Danielli/Maibach 2014, 68) Durch diese Erweiterung des Taktfahrplans werden die Fahrpläne einfacher und bequemer und garantieren die Anschlüsse im Fernverkehr. Eine weitere Qualitätssteigerung folgt durch die Einbindung des Regionalverkehrs in das Knotenprinzip. Für die Umsetzung dieses Kontenprinzips bedurfte es einer deutlichen Verkürzung der Reisezeit zwischen Basel-Bern und Zürich. Zur Erreichung dieses Ziels wurden rund 130 Projekte umgesetzt. Neben dem Einsatz von moderner Technologie wurde auch die Infrastruktur ausgebaut. (Danielli/Maibach 2014, 68; Berger et al. 2009, 106) „Die wichtigsten Projekte waren hierbei der Ausbau des Knotenpunkts Zürich Hauptbahnhof, die 42 km lange Neubaustrecke zwischen Mattstetten und Rothrist und die zweite Doppelspur zwischen Zürich Hauptbahnhof und Thalwil.“ (Danielli/Maibach 2014, 68). Die erste Etappe von „Bahn 2000“ wurde schließlich am 12. Dezember 2004 in Betrieb genommen. Mit Kosten von 5,9 Mrd. Schweizer Franken wurden das vorgesehene Budget deutlich unterschritten. (Danielli/Maibach 2014, 68; BAV 2015613) Ursprünglich sollte auch die zweite Etappe von „Bahn 2000“ umgesetzt werden. Vorgesehen waren Investitionen von 5,9 Mrd. Schweizer Franken. Allerdings überstiegen die zahlreichen Ausbauwünsche der Kantone und der Eisenbahnen die vorhandenen Mittel deutlich. Das Geld blieb in der Zwischenzeit im FinöV-Fonds. Das schweizerische Parlament verlangte aber eine Gesamtschau über die FinöV-Projekte und wie die verbleibenden Mittel im Fonds verwendet werden sollen. Nachdem die zweite Etappe von „Bahn 2000“ gescheitert war, wurden die Aufgaben und Absichten in das Konzept „Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur“ (ZEB) eingearbeitet. (Danielli/Maibach 2014, 68f; BAV 2015614) Die Bemühungen mündeten schließlich im Bundesgesetz über die zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEBG615) vom 20. März 2009 idgF. Damit

612 URL: [31.03.2015] 613 Siehe Fn. 612. 614 URL: [4.08.2014] 615 Bundesgesetz über die zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEBG) vom 20. September 2009 (SR 742.140.2) idF 1.09.2009. 462

soll der schweizerische öffentliche Verkehr einen weiteren nachhaltigen Entwicklungsschritt machen. Dafür sind Investitionen im Volumen von 5,4 Mrd. Schweizer Franken (Stand 2005) vorgesehen, die aus dem FinöV-Fonds stammen. Damit besteht ein finanzieller Zusammenhang zwischen den vier Projekten – NEAT, Bahn 2000, HGV- Anschluss und Lärmsanierung – und dem ZEB-Konzept. Falls die anderen Projekte mehr finanzielle Mittel benötigen, bleibt für ZEB aufgrund der Begrenztheit des FinöV-Fonds weniger übrig. Im Rahmen der FABI-Vorlage hat der Bundesrat gewisse Anpassungen für ZEB vorgeschlagen. Diese sollen nach der FABI-Volksabstimmung im Jahr 2014 in Kraft gesetzt werden. (Danielli/Maibach 2014, 73; BAV 2015616) Am 29. Juni 2011 genehmigte der Bundesrat mit der ersten Umsetzungsvereinbarung ZEB die Mittel für die Umsetzung der ersten zwölf Großprojekte. Dabei handelt es sich in erster Linie um prioritäre Projekte, die in Zusammenhang mit den Ausbauten der NEAT- Zulauftrecken und der Durchmesserlinie Zürich realisiert werden. Bis Februar 2015 wurden vom Bundesrat fünf Umsetzungsvereinbarungen für ZEB genehmigt. Damit wurden bisher 2 Mrd. Schweizer Franken (Preisstand 2005) für insgesamt 42-Projekte zur Verfügung gestellt. Die Umsetzung der gesamten geplanten Maßnahmen soll bis 2030 erfolgen, wobei die Inbetriebnahme ab 2025 erfolgen soll. (BAV 2015; SBB 2015617) Mit dem Art. 10 ZEBG beauftragte das Parlament den Bund zu einer weiteren Vorlage über die Entwicklung der Eisenbahninfrastruktur. Dies wurde mit dem Titel „strategisches Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur“ (STEP) erfüllt und im Jänner 2011 vorgelegt. Die Vorlage wurde vom Parlament 2012/13 behandelt und 2014 stimmte im Rahmen der FABI-Vorlage darüber ab (vgl. FABI, siehe Punkt 10.1.2). Daraus resultiert das Projekt STEP, ehemals „Bahn 2030“ für den weiteren Ausbau der Infrastruktur. Mit dem langfristigen Ausbauprojekt STEP soll das Knotenprinzip von „Bahn 2000“ vervollständigt und die Geschwindigkeit sowie das Verkehrsangebot erhöht werden. Dafür sind in mehreren Schritten Ausbauten bis zu 42 Mrd. Schweizer Franken vorgesehen. Ein erster Schritt sieht Investitionen von 6,4 Mrd. Schweizer Franken bis 2025 vor. Dieses erste Ausbauprogramm nennt sich „Ausbauschritt 2025“. Diese Arbeiten laufen parallel zu den Projekten NEAT und ZEB. Bis 2030 soll dann mit Hilfe des Bahninfrastrukturfonds (BIF) ein weiteres Ausbauprogramm mit einem Volumen von rund 5 Mrd. Schweizer Franken gestartet werden. Die volle Umsetzung von STEP ist dann in mehreren Schritten bis 2040 geplant.

616 Siehe Fn. 614. 617 URL: ; ; [31.03.2015] 463

(Danielli/Maibach 2014, 101; BAV 2015; SBB 2015618; NZZ 19.12.2008, 19.01.2012, 9.02.2014)

10.3.2 Anbindung an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz (HGV)

Die Anbindung an das europäische Hochgeschwindigkeitseisenbahnnetz ist für die Schweiz vor allem als Tourismus- und Wirtschaftsstandort von großer Relevanz. Durch die verbesserten Reisezeiten nach Deutschland (München, Stuttgart und Ulm) und Frankreich (Paris und Lyon) soll der internationale Straßen- und Luftverkehr so weit wie möglich durch die Schiene bewältigt werden. Mit dem HGV-Anschluss-Gesetz (HGVAnG619) vom 18. März 2005 idgF wurden die rechtlichen Grundlagen geschaffen (seit 1. September 2005 in Kraft). Für den Anschluss der Ost- und der Westschweiz sind 1,1 Mrd. Schweizer Franken (Preisstand 2003) aus dem FinöV-Fonds vorgesehen. Zur Umsetzung wurden bilaterale Staatsverträge zwischen der Schweiz und Frankreich620 bzw. Deutschland abgeschlossen. Zusätzlich leistet die Schweiz einen Vorfinanzierungsbeitrag für den Ausbau der Strecke zwischen München und Lindau in Deutschland621 sowie eine Kofinanzierung für den Ausbau der Bahnstrecken in Frankreich622. Im Fall von Deutschland ist damit auch eine Sicherstellung der nördlichen Zulaufstrecke zur NEAT gewährleistet. Damit rückt die Schweiz sogar vom Territorialitätsprinzip ab und finanziert Bahnstrecken im Ausland. Weitere bilaterale Vereinbarungen für den Ausbau der Bahninfrastruktur im Rheintal

618 URL: ; ; ; [4.08.2014] 619 Bundesgesetz vom 18. März 2005 über den Anschluss der Ost- und Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz (HGV-Anschluss-Gesetz, HGVAnG) (SR 742.140.3) idF vom 1.01.2010. 620 Vereinbarung zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der französischen Republik zum Anschluss der Schweiz an das französische Eisenbahnnetz, insbesondere an die Hochgeschwindigkeitslinien vom 5. November 1999 (SR 0.742.140.334.97). In Kraft getreten durch Notenaustausch am 28. März 2003. 621 Vereinbarung vom 6. September 1996 zwischen dem Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiedepartements und dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufes zur neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) in der Schweiz (SR 0.742.140.313.69). In Kraft getreten durch Notenaustausch am 2. Juni 1998. 622 Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffen der Kofinanzierung durch die Schweiz der Modernisierung der Bahnlinie Paris-Dijon-Dole- Lausanne/Neuenburg-Bern vom 25. August 2005 (SR 0.742.140.334.973). In Kraft getreten durch Notenaustausch am 15. Mai 2006; Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffen der Kofinanzierung durch die Schweiz der Modernisierung der Bahnlinie Paris-Ain-Genf/Norden von Hochsavoyen vom 25. August 2005 (SR 0.742.140.334.972). In Kraft getreten durch Notenaustausch am 15. Mai 2006; Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffen der Kofinanzierung durch die Schweiz des Baus der ersten Etappe des Ost-Asts der Hochgeschwindigkeitsstrecke Rhein-Rhone vom 25. August 2005 (SR 0.742.140.334.971). In Kraft getreten durch Notenaustausch am 15. Mai 2006. 464

bestehen auch mit Österreich und Liechtenstein.623 Der Südanschluss Richtung Italien an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz erfolgt über die NEAT. Zwischen 2010 und 2020 sollen die meisten der 33 Projekte des HGV-Anschlusses verwirklicht werden. Bis Ende 2013 wurden aus dem FinöV-Fonds bereits 459,4 Mio. Schweizer Franken für die Planung bzw. den Bau ausgegeben. Das BAV rechnete im Jahr 2013 mit Gesamtkosten von 992 Mio. Schweizer Franken. Anzumerken ist aber noch, dass trotz Anbindung an das Hochgeschwindigkeitsnetz die Züge in der Schweiz nur auf wenigen Strecken aufgrund der Topographie und des Mischverkehrs (Personen- und Güterverkehr) über 160 km/h fahren können. (Danielli/Maibach 2014, 76-80; Berger et al. 2007, 110f, BAV 2015624)

10.3.3 Die Lärmsanierung Bahn

Durch Maßnahmen der Lärmsanierung sollen mindestens zwei Drittel der betroffenen Schweizer Bevölkerung vor Bahnlärm geschützt werden. Aktuell sind rund 265.000 Personen (rund 4% der Bevölkerung) von Lärmimmissionen betroffen, die über den gesetzlichen Grenzwerten liegen. Das soll durch das befristete Bundesgesetz über die Lärmsanierung der Eisenbahnen vom 24. März 2000 (BGLE)625 idgF bewerkstelligt werden. Das revidierte BGLE ist am 1. März 2014 in Kraft getreten. Darin wurden für alle in der Schweiz verkehrenden Güterwaggons neue Grenzwerte ab 2020 festgelegt. Damit sind faktisch nur mehr lärmarme Güterwaggons in der Schweiz erlaubt. Insgesamt sind dafür im FinöV-Fonds 1,8 Mrd. Schweizer Franken (Preisstand 1998) vorgesehen. Allerdings wird mit niedrigeren Kosten von 1,284 Mrd. Schweizer Franken gerechnet. Mit der Revision des BGLE wurde der Kredit 2014 auf 1,515 Mrd. Franken angepasst. Bis Ende 2013 wurden 1,182 Mrd. Franken ausbezahlt. Der Lärmschutz der betroffenen Bevölkerung erfolgt durch Sanierung des Rollmaterials, den Bau von Lärmschutzwänden und Schallschutzmaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Die wirkungsvollste Maßnahme bildet dabei die Sanierung des Rollmaterials der Eisenbahnen. Die Güterwagen der SBB Cargo und SBB Infrastruktur wurden bis Ende 2012 vollständig saniert, bei den privaten Anbietern ist es bereits mehr als

623 Vereinbarung zwischen dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie der Republik Österreich über die Zusammenarbeit bei der weiteren Entwicklung des Eisenbahnwesens vom 27. Oktober 2003 (SR 0.742.140.316.33). In Kraft getreten am 1. Dezember 2003; Vereinbarung zwischen dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie der Republik Österreich über die Zusammenarbeit bei der weiteren Entwicklung des Eisenbahnwesens vom 14. September 2007 (SR 0.742.140.316.34). In Kraft getreten am 1. November 2007. 624 URL: ; ; [31.03.2015] 625 Bundesgesetz über die Lärmsanierung der Eisenbahn vom 24. März 2000 (SR 742.144) idF vom 1.03.2014. 465

die Hälfte. Mit Jahresende 2014 waren bereits 93% des inländischen Rollmaterials saniert. Zudem wurden bis Ende 2014 rund 242 km der geplanten 270 km Lärmschutzwände bzw. Dämme fertiggestellt. Priorität haben dabei die beiden Transitkorridore Gotthard und Lötschberg. Das Projekt Lärmsanierung soll bis Ende 2015 weitgehend abgeschlossen sein. (Danielli/Maibach 2014, 81f; BAV 2015626)

10.4 FAZIT ZUR SCHWEIZERISCHEN VERKEHRSPOLITIK

Seit den 1970er Jahren ließen sich in der Schweiz zwei Entwicklungstendenzen feststellen. Einerseits wurde bis zur Ablehnung der KVP-Vorlage 1988 an einem schweizerischen Gesamtverkehrskonzept gearbeitet. Damit sollte die schweizerische Verkehrspolitik Fit für die Zukunft werden. Andererseits begann in den 1980er Jahren die Internationalisierung der schweizerischen Verkehrspolitik. Allen voran ist das am Transit- (1992) und am Landverkehrsabkommen (1999) mit der Europäischen Gemeinschaft/Union festzumachen. Interessanterweise gelang mit der Internationalisierung gleichzeitig die Durchsetzung einiger Forderungen aus dem gescheiterten Gesamtverkehrskonzept. Insbesondere ist hier die Schwerverkehrsabgabe (LSVA) zu nennen, die über den internationalen Weg innerpolitisch erfolgreich transportiert wurde. Damit rückte die Schweiz im Bereich der nachhaltigen Mobilität zum internationalen Vorzeigeland auf. (Wicki 1999, 77) Mit dem Landverkehrsabkommen werden die verkehrspolitischen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Gemeinschaft/Union auf eine langfristige rechtliche Grundlage gestellt und eine gemeinsame Alpenverkehrspolitik etabliert. Damit endet die europapolitische Isolierung der Schweiz. „Bleibt die Schweiz langfristig ein EU-Drittland, wird der relativ statische Rahmen des Landverkehrsabkommens allenfalls an die verkehrlichen und politischen Entwicklungen von Zeit zu Zeit angepasst werden müssen.“ (Walter et al. 2000, 45) Bereits das Transitabkommen zwischen der EWG und der Schweiz war von einem Bestreben des Ausgleichs und der Kompromisses beseelt. „Der ausgeprägte Kompromisscharakter des Abkommens zeigt sich darüber hinaus auch daran, dass die verschiedenen Zielsetzungen der Parteien einfach nebeneinander gestellt werden.“ (Epiney/Gruber 1997, 173f) Das Transitabkommen zementierte die bisherige eigenständige schweizerische Alpentransitpolitik mit all ihren Restriktionen gegenüber der Gemeinschaft ein. Als einziges großes schweizerisches Zugeständnis wurde der verpflichtende Bau der NEAT aus eigener Tasche festgelegt. Aus Schweizer Sicht war das damalige

626 URL: ; ; ; [31.03.2015] 466

Transitabkommen ein voller Erfolg, da sie ihre verkehrspolitischen Ziele fast vollständig in den Vertrag hineinreklamieren konnte. Die Hereinnahme des zweistufigen Ausbaus der Schieneninfrastruktur und die Förderung des kombinierten Verkehrs können als fortschrittlich gewertet werden. Der große Fortschritt zwischen dem Transit- und Landverkehrsabkommen liegt aber im Systemwechsel von der Ordnungspolitik (Gewichtsbeschränkung) hin zur Marktkonformität (LSVA). (Walter et al. 2000, 38f; Befragung Hegetschweiler 2006) Nach langen und zähen Verhandlungen wird im Landverkehrsabkommen der Verkehrsmarkt durch eine Liberalisierung, Harmonisierung und Koordinierung zwischen der Europäischen Gemeinschaft/Union und der Schweiz geregelt. Zusätzlich erreichte die Schweiz mit dem Landverkehrsabkommen die Anerkennung ihrer Verkehrspolitik durch die Gemeinschaft/Union. Daneben wurde eine koordinierte Verkehrspolitik im Alpenraum etabliert, die auf der nachhaltigen Entwicklung und der Effizienz der Verkehrssysteme aufbaut. (Wicki 1999, 90; Weber/Friedli 2002, 385f) Bleit zum Abschluss noch eine Betrachtung des Handlungsspielraumes der Schweiz. In den Bereichen, in denen das Sekundärrecht der EU übernommen wurde, ist die Schweiz gebunden. Insbesondere hat sich die Schweiz im Bereich der Schieneninfrastruktur gemäß Art. 5 TA-CH und Art. 34 Abs. 1 LVA zum Bau der NEAT verpflichtet. Hinzu kommen die Verbindung der NEAT mit den TEN-V und die Verpflichtung der Union zum Bau der Zulaufstrecken. Hingegen ist im Straßenbereich nur die Fertigstellung des Nationalstraßennetzes völkerrechtlich verankert. (Sollberger/Epiney 2001, 56; Cornu 2000, 222f) „Insgesamt ist damit festzustellen, dass der Schweiz in ihrer verkehrsbezogenen Infrastrukturpolitik trotz einiger punktueller Verpflichtungen und Einschränkungen ein relativ großer Gestaltungsspielraum bleibt […].“ (Sollberger/Epiney 2001, 56) Das gilt auch für die weitgehend unabhängige staatliche Beihilfenpolitik im Kombinierten Verkehr. Allerdings kann damit langfristig keine verursachergerechte Verkehrsvermeidung erreicht werden. Einen nur mehr engen Handlungsspielraum besitzt die Schweiz dagegen im Bereich des Gewährung des Zugangs zum Verkehrsmarkt (Ausnahme die kleine Kabotage) und bei der Tarifierung. Die Höhe und die Zusammensetzung der Straßenbenutzungsgebühren sind völkerrechtlich festgelegt. Lediglich bei der Abgabenverwendung kann die Schweiz autonom entscheiden. Auch bei etwaigen Verkehrsbeschränkungen und -lenkungen aus umweltpolitischen Gründen hat die Schweiz kaum mehr Möglichkeiten. (Sollberger/Epiney 2001, 66-68; Epiney 2000, 107-109; Walter et al. 2000, 60)

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TEIL VI: SCHLUSSTEIL UND LITERATUR 11. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

11.1 GRUNDSÄTZLICHES

Die geographische Lage der beiden Alpenstaaten Österreich und Schweiz hat dazu geführt, dass beide Länder zum Mittelpunkt des Transitverkehr zwischen Nordeuropa und Italien geworden sind. Über beide Staatsgebiete verläuft der Großteil des alpenquerenden Güterverkehrs auf der Straße und der Scheine. Auch innerhalb der beiden Staaten gibt es unterschiedliche Garde der Betroffenheit. So zählt in Österreich die Brenner-Route und in der Schweiz die Gotthard-Route zu den vom Güterverkehr am stärksten betroffenen Achsen. Dafür gibt es natürlich viele Ursachen, wobei als Hauptgrund sicherlich die enorme wirtschaftliche Verflechtung zwischen Nordeuropa und Italien ausschlaggebend ist. Dadurch wird Verkehr generiert, der durch das geographische Nadelöhr Alpen hindurch fließen muss. Ein zusätzlicher erschwerender Faktor ist für den Verkehr die Konzentration auf nur wenige Routen. Dies führt wiederum zu enormen Umwelt- und Lärmproblemen entlang dieser Routen. Am meisten davon betroffen ist sicherlich die Brenner-Route, die sich durch ihre geographische Kürze und durch ihren frühen Ausbau mit einem hochrangigen Straßennetz besonders gut für den transalpinen Güterverkehr eignet. Im Gegensatz zu anderen Routen muss am Brenner nur ein relativ niederer Pass für die Alpenüberquerung überwunden werden. Neben diesen wirtschaftlichen und geographischen Faktoren hat die jahrzehntelange straßenfreundliche Verkehrspolitik in Österreich und Italien die Situation zusätzlich verschärft. Ein weiterer Grund war auch die restriktive Straßenverkehrspolitik der Schweiz, die durch ihre Beschränkungen (Nacht-Fahrverbot und 28-t-Limit) zusätzlichen Umwegtransit in die Alpenländer Frankreich, Italien und Österreich exportierte. Neben der wirtschaftlichen Verflechtung bewirkte auch die Liberalisierung des europäischen Verkehrsmarktes durch die Europäisch Union einen enormen Anstieg des Straßenverkehrs. Durch die Anschaffung der bilateralen Kontingente und die Erlaubnis der Kabotage wuchs der Straßengüterverkehr. Die Bedeutung der Verkehrswirtschaft lässt sich auch daran messen, dass der freie Warenverkehr zu den vier Freiheiten des Binnenmarktes zählt. Trotz aller umweltpolitischen Bemühungen und fortschrittlichen Lösungsansätze der Europäischen Kommission die sektorielle Verkehrspolitik hin zu einer integrierten Verkehrspolitik zu transformieren, wächst der (Lkw-)Verkehr immer noch deutlich schneller als das Wirtschaftswachstum. Alle Vorschläge zur Entkopplung des Verkehrs-

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vom Wirtschaftswachstum sind bisher am Widerstand einiger straßenverkehrsfreundlicher Mitgliedstaaten im Sand verlaufen. Dazu trägt auch bei, dass der Güterverkehr immer noch nicht seine verursachten Umweltkosten zu tragen hat. Der Großteil dieser externen Kosten wird nach wie vor von der Allgemeinheit getragen. Insbesondere im Bereich der Straße gibt es akuten Handlungsbedarf. Gerade hier würde eine Internalisierung der externen Kosten mehr Chancengleichheit mit dem Schienenverkehr bewirken. Die Integration des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention durch die Ratifikation in das Unionsrecht hat bisher noch keine gravierenden Änderungen bei der Verkehrspolitik bewirkt. Mittlerweile gibt es zumindest bei der Neufassung der Wegekostenrichtlinie Ansätze hin zur Einberechnung der externen Kosten. Dies geschieht aber auf einem sehr niedrigen Niveau.

11.2 VERKEHRSPOLITIK IN ÖSTERREICH

In den 1960er und 1970er Jahren galt das Motto „Verkehr ist Leben“. Daraus ableitend wurde eine exzessive Straßenbaupolitik unter Vernachlässigung der Schieneninfrastruktur betrieben. In Tirol hatte man z. B. Angst, dass man durch die Schweiz umfahren werden könnte. Diese Argumentation ruft heute bei den betroffenen Anrainern nur mehr Kopfschütteln hervor. Daher wurde von Seiten der Tiroler Landespolitik auch der Bau der ersten alpenquerenden Vollautobahn über die Brenner-Route besonders forciert. Bis zum Ende der 1980er Jahre km es zu einem enormen Anstieg des Straßenverkehrs, während die Bahn im Güterverkehr nur marginale Zuwächse verzeichnete. Dies führte zu der aus heutiger Sicht paradoxen Situation, dass Österreich bis in die Mitte der 1980 Jahre von der EG als Transitland anerkannt werden wollte. Zusätzlich wurden EG-Subventionen für den Bau neuer Alpentransitrouten gefordert (z. B. Innkreis/Pyhrnautobahn). Die Verhandlungen darüber verliefen von 1977 bis 1985 und führten aber zu keinem Ergebnis. Während dieser Zeit passte Österreich auch freiwillig die technischen Normen für Lkw an die damaligen EG-Standards an (z. B. 38-t-Gewichtslimit in Österreich; 40 t in der EG). Mitte der 1980er folgte schließlich eine Neuausrichtung der österreichischen Verkehrspolitik durch den Einfluss ökologischer Aspekte. Zur gleichen Zeit verschärfte sich die Verkehrssituation insbesondere auf der Brennerachse weiter. Vor allem die restriktive schweizerische Verkehrspolitik und der daraus resultierende Umwegverkehr führten zu enormen Zuwächsen. Die vom Transit betroffene Bevölkerung war aber nicht mehr länger gewillt diesen Zustand weiter zu ertragen. Durch demokratisch artikulierten „Widerstand“ (Bürgerinitiativen) und der historischen Niederlage der dominierenden ÖVP bei der Tiroler Landtagswahl 1989 kam es zu einer Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung der Politik

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bezüglich der Transitproblematik. Seither ist die Transitproblematik eine Grundkonstante der offiziellen Tiroler Landespolitik. Auf europäischer Ebene verhandelte Österreich mit der EG nun über ein Transitabkommen, um das Problem Transitverkehr in den Griff zu bekommen. Das bilaterale Transitabkommen von 1992 sollte den Schwerverkehr mittels der Ökopunkteregelung und der Plafonierung (108%-Klausel) eindämmen und zu einer Verlagerung auf die Schiene führen. Trotz aller Kritik an der Handhabung der Regelungen wurden in diesem Abkommen die österreichischen Umweltinteressen berücksichtigt. Die Regelungen wurden nach den zähen EU-Beitrittsverhandlungen zur Gänze in das so genannte Transitprotokoll überführt. Damit hatte Österreich im Bereich der Transit- und Verkehrspolitik trotz des EU-Beitritts noch eine vorübergehende Sonderregelung herausverhandelt. Allerdings waren bald Erosionserscheinungen zu verzeichnen. In anderen Verkehrsbereichen galt aber von nun an das europäische Gemeinschafts-/Unionsrecht. Dies wurde erstmals bei der Brennermaut deutlich. Österreich hob innerhalb kürzester Zeit die Maut zweimal massiv an und verletzte damit die Wegekostenrichtlinie. Die Tarife auf den einzelnen Teilstrecken der Brennerautobahn, die überwiegend von Einheimischen benutzt werden, wurden aber nicht angehoben. Die Kommission klagte daraufhin Österreich vor dem EuGH. Trotz des Kompromissangebots verlor Österreich aufgrund von innenpolitischer Kurzsichtigkeit das Verfahren und wurde verurteilt. Eine von allen Seiten akzeptierte Lösung mit der Ausdehnung der Maut auf das Unterinntal („Maut-Strechting“) wurde von der Tiroler Landesregierung abgelehnt. Gerade die ÖVP sprach sich mit Blick auf die Landtagswahlen von 1999 vehement dagegen aus. Neben Wirtschaftsinteressen kam hier eine deutliche Klientelpolitik zum Vorschein. Das Thema überhöhte Brennermaut blieb aber bis ins Jahr 2005 hinein ein Streitpunkt zwischen der Kommission und Österreich. Ähnlich verlief es auch bei den Verhandlungen über die Verlängerung des Transitprotokolls über das Jahr 2003 hinaus. Statt Verbündete in den anderen Mitgliedstaaten zu suchen, ging Österreich voll und ganz auf Konfrontationskurs. Insbesondere Deutschland, Italien und die Niederlande traten vehement gegen eine neuerliche Sonderregelung für den Alpentransit auf. Nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der österreichischen Position beigetragen hatten auch die Bevorzugung des einheimischen Schwerverkehrs und die Unstimmigkeiten mit der Kommission bei der Zählung der Ökopunkte. Wenig hilfreich waren auch zwischen den Jahren 2000 und 2003 die häufigen Minister-Wechsel im Verkehrsressort. Gerade in der heißen Phase der Verhandlungen über die Nachfolgeregelung gab es hier wenig Kontinuität und teilweise fehlte es auch an der politischen Professionalität. Insgesamt zeigten die FPÖ-

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Minister wenig Verhandlungsgeschick auf der europäischen Ebene. Zusätzlich sorgten auch die Vetodrohungen gegen die EU-Osterweiterung vom damaligen Kärntner LH Jörg Haider (FPÖ) für Irritationen unter den anderen Mitgliedstaaten. Nachdem Österreich sämtliche Vorschläge bzw. Kompromisse kategorisch ablehnte, lief das Transitprotokoll mit Ende

2003 ersatzlos aus. Allerdings wurde das Ziel der Reduktion der NOx-Emissionen um 60% nachweislich nicht erreicht und somit das Primärrecht verletzt. Obwohl drei Jahre lang erfolglos zwischen Österreich und der EU verhandelt wurde, war die Nachfolgeregelung für die österreichische Bundesregierung inakzeptabel. Österreich weigerte sich daher diese „zahnlose“ Nachfolgeregelung umzusetzen. Zwischenzeitlich wuchs der Transitverkehr nach der Aufhebung der Ökopunkteregelung in ungeahnte Höhen. Erst die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 führte zu einem vorübergehenden deutlichen Rückgang des Warenverkehrs. Die Erholung der Wirtschaft in Südeuropa führt aber wieder zu einem deutlichen Verkehrswachstum über die Alpenpässe in Österreich und der Schweiz. Als Reaktion auf das Auslaufen des Transitprotokolls und aufgrund der schlechten Luftwerte im Unterinntal (Luftsanierungsgebiet) verordnete die Tiroler Landesregierung im Jahr 2003 überhastet ein sektorales Fahrverbot für Lkw über 7,5 t auf einem Teilabschnitt der Inntalautobahn. Damit sollten bahnaffine Güter auf die Eisenbahn verlagert werden. Das Fahrverbot rief sofort die Kommission auf den Plan, die erfolgreich vor dem EuGH klagte. Für die anstehenden Landtagswahlen war dieses Thema aber ideal um gegen Brüssel Stimmung zu machen. Auch die zweite Einführung des sektoralen Fahrverbots im Jahr 2007 wurde 2011 vom EuGH gekippt. Trotz besserer und gewissenhafter Vorbereitung wurde diese Maßnahme, die den freien Warenverkehr behindert, wiederum abgelehnt. Stattdessen sollte die Tiroler Landesregierung zur Reduzierung der Schadstoffbelastung zuerst andere gelindere Mittel, wie die generelle Einführung von Tempo 100 auf der Autobahn, ergreifen. Eine neuerliche Einführung wurde im Juni 2014 von den Regierungsparteien ÖVP und den Grünen beschlossen. Ab Mitte November 2014 gilt vorerst für ein Jahr Tempo 100 auf einem Großteil der Tiroler Autobahnen. Zusätzlich sollen auch Fahrverbote für niedrigere EURO-Klassen verschärft werden. Im Herbst 2015 ist dann die (Wieder-)Einführung des sektoralen Fahrverbots geplant. Von Verkehrsexperten wird diese Maßnahme aber eher nüchtern gesehen, da sie die Anrainer kaum entlastet und auch zu einer marginalen Reduzierung der Lärm- und Schadstoffbelastung führt. Andererseits werden aber der Verkehr und der Lärm rund um die Verladeterminals der RoLa steigen. Als Lösungsmodell für die Verkehrsprobleme in den österreichischen Alpen wird seit nunmehr 30 Jahren die Verlagerung auf die Schiene propagiert. Großzügige Ziele wurden

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seit den 1980er Jahren verkündet, die aber nie der Realität standgehalten haben. Trotz aller Bemühungen, Versprechungen und Subventionen wurden bisher keine Transit-Lkws dauerhaft verlagert. Der Straßenverkehr ist trotz aller politischen Sonntagsreden immer noch kostengünstiger und vor allem flexibler als die Eisenbahn. Auch eine weitere Verteuerung auf der Straße durch Tirol brächte keinen Verlagerungseffekt, da dieser Teil der Strecke auf der gesamten Brennerachse extrem kurz ist. Hier müssten alle betroffenen Regionen entlang der Brennerroute von München bis Verona an einem Strang ziehen. Nun soll der aber BBT als Lösungsanker für die transitgeplagte Bevölkerung dienen, wobei aber dessen Verwirklichung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten sowohl in Österreich als auch Italien (Budgetdefizite und Staatsschulden) nicht sicher ist. Dazu kommt auch noch die lange Bauzeit und die Fertigstellung voraussichtlich im Jahr 2025 bzw. die Inbetriebnahme im Jahr 2026. Fraglich bleibt bei diesem Mamutprojekt weiterhin die Auslastung und Betriebswirtschaftlichkeit. Auch bei der nördlichen Zulaufstrecke zum BBT gibt es in Deutschland bisher nur politische Absichtserklärungen. In Italien stellt sich dagegen die Frage, ob der Bau der südlichen Zulaufstrecke überhaupt finanziell zu stemmen ist. Jedenfalls funktioniert der BBT nur mit den beiden Zulaufstrecken – ansonsten entstehen künstliche Flaschenhälse im Bahnsystem. Ohne eine gesetzliche Verlagerungspflicht auf europäischer Ebene wird sich der Tunnel wohl nie rentieren und zu einer „Kathedrale in der Wüste“. Dazu müsste aber erst auf europäischer Ebene die „heilige Kuh“ des freien Warenverkehrs geschlachtet werden. Eine Mautangleichung bzw. eine -erhöhung auf der Brennerachse zwischen München und Verona wird bisher sowohl in Deutschland (Bayern) als auch in Italien kategorisch abgelehnt. Ein frommer Wunsch dürfte derzeit auch die Einführung der Alpentransitbörse sein, die eine Kontingentierung vorsieht. Trotz allem bleibt wohl der BBT im Moment die einzig gangbare Lösung, da sich die Politik voll und ganz dahingehend verrannt hat. Für die transitgeplagte Tiroler Bevölkerung ist der BBT die momentane „Beruhigungspille“.

11.3 SCHWEIZER VERKEHRSPOLITIK

Bis in die 1980er Jahre hinein war die schweizerische Verkehrspolitik durch zwei wesentliche Merkmale gekennzeichnet: Einerseits herrschte eine ausgeprägt nationale Sichtweise vor und anderseits dominierte eine sektoriell ausgerichtete Struktur. Beim Transit gab es gewisse bilaterale Kooperationen mit den Nachbarstaaten Deutschland und Italien. Allen voran prägte aber die restriktive Straßenverkehrspolitik diese Zeit. Neben dem 28-t-Gewichtslimit für Lkw galt in der Schweiz auch ein generelles Nacht- und

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Sonntagsfahrverbot. Dazu wurde der Schienengüterverkehr deutlich bevorzugt und großzügig gefördert. Da ein integrierendes Verkehrskonzept nicht durchsetzbar war, wollte jeder Verkehrssektor den anderen übertrumpfen. Durch die steigende politische und wirtschaftliche Bedeutung des europäischen Binnenmarktes sah sich die Schweiz aber trotzdem veranlasst, insbesondere in den Fragen der verkehrspolitischen Liberalisierung ihre nationale Ausrichtung schrittweise aufzugeben und einen integrationsorientierten Kurs einzuschlagen. Dies führte zum Abschluss des Transitabkommens mit der Gemeinschaft im Jahr 1992. Allerdings konnte die Schweiz im Gegensatz zu Österreich nach zähen Verhandlungen ihre bisherige restriktive Straßenpolitik erfolgreich verteidigen. Das so genannte „Überlaufmodell“, das die Tolerierung von 50 Lkw mit mehr als 28 t pro Tag und Richtung vorsieht, war das einzige Schweizer Zugeständnis im Bereich des Straßenverkehrs. Der für Verkehr zuständige Bundesrat Adolf Ogi bewies hier besonderes Verhandlungsgeschick. Im Rahmen des Transitabkommens verpflichtete sich die Schweiz aber zum eigenfinanzierten Bau der NEAT. Weitere integrationspolitische Ambitionen scheiterten aber am EWR-Nein der Schweizer Bevölkerung. Damit musste die Schweiz weiterhin auf bilaterale Verhandlungen mit der Gemeinschaft setzten. Nach schwierigen Verhandlungen wurde schließlich 1999 als Kompromiss das bilaterale Landverkehrsabkommen mit der Gemeinschaft/Union besiegelt. Dafür opferte die Schweiz mit dem 28-t-Limit sogar einem Eckpfeiler ihrer bisherigen Verkehrspolitik. Seit 2005 dürfen auch Lkw mit 40 t Gesamtgewicht die Schweiz passieren. Die EU ihrerseits akzeptierte im Gegenzug die schweizerische Verkehrspolitik (z. B. Beibehaltung des Nacht- und Sonntagsfahrverbots). Als Ersatz für die Aufgabe des Gewichtslimits wurde der Schweiz aber die LSVA zugestanden. Mit der in der ganzen Schweiz und in Liechtenstein auf allen Straßen gültigen LSVA (für Lkw über 3,5 t Gesamtgewicht) werden erstmals die externen Kosten einberechnet, was zu einer weiteren Verkehrsverlagerung hin zur Schiene führen soll. Trotz aller Schwarzseherei seitens der Wirtschaft und einiger Interessensvertretungen hat sich die LSVA bisher bestens bewährt. Das Wachstum des Lkw-Verkehrs wurde dadurch in der Schweiz etwas gebremst, die Lkw-Flotten erneuert und die Zahl der Leerfahrten deutlich reduziert. Dadurch wird der Verkehr effizienter abgewickelt, womit die Schweiz zu einem umweltpolitischen Musterschüler innerhalb Europas aufgestiegen ist. Die Schweiz verfolgt seit Jahrzehnten – im Gegensatz zu Österreich – eine konsequente Linie im Zusammenhang mit der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Der Bund fördert den kombinierten Verkehr mit großzügigen Subventionen. Seit der

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Annahme des Alpenschutzartikels in die Schweizer Bundesverfassung ist ein klarer Verfassungsauftrag für die Verkehrsverlagerung definiert. Das Güterverkehrsverlagerungsgesetz legt fest, dass bis 2019 nur mehr 650.000 Lkw die alpenquerenden Transitachsen der Schweiz benützen dürfen. Dieses ambitionierte Ziel wird von der Schweizer Politik mit Nachdruck verfolgt. Entscheidend für die Umsetzung ist dabei aber die Bereitstellung einer modernen und effizienten Eisenbahninfrastruktur. Mit dem Bau der NEAT setzt die Schweiz hier im Alleingang Maßstäbe. Dadurch werden weitere Kapazitäten auf der Gotthard- und Lötschbergachse geschaffen und zusätzlich findet eine weitere Attraktivierung statt. Die Finanzierung erfolgt großteils aus der LSVA und wird nicht späteren Generationen überlassen. Das Schweizer Volk hat in mehreren Abstimmungen den ambitionierten Ausbau der schweizerischen Eisenbahninfrastruktur gutgeheißen.

11.4 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die im Titel gestellte Frage, ob die Transitpolitik gescheitert ist, lässt sich abschließend nicht eindeutig beantworten. Der Vergleich mit der Schweiz zeigt aber deutliche Unterschiede. Trotz annähernd gleicher Ausgangslage hat die Schweiz im Rückblick ihr Transitproblem sicherlich besser gemeistert als Österreich. Durch geschickte Verhandlungen hat die Schweiz erreicht, dass die Union ihre umweltorientierte Verkehrspolitik akzeptiert. Auch mit der europaweit einzigartigen LSVA hat sich die Schweiz durchgesetzt. In der Schweiz herrscht seit Jahrzehnten in Sachen Verkehrspolitik eine durchgehende politische Kontinuität. Während in Österreich trotz des inzwischen gestarteten Baus noch immer über die Sinnhaftigkeit des BBT diskutiert wird, sind die Schweizer mit der Umsetzung der NEAT bereits weit fortgeschritten. Auf der Lötschbergachse rollen bereits seit 2007 die Züge und die neue Gotthardachse soll voraussichtlich 2016/19 in Betrieb genommen werden. Die Schweiz nimmt für den Ausbau der Infrastruktur viel eigenes (Steuer-)Geld in die Hand, was im europäischen Umfeld auch eine gewisse Signalwirkung und Glaubhaftigkeit zeigt. Nicht nur die gebetsmühlenartige Forderung nach einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ist wichtig, sondern auch die Bereitstellung der dafür benötigten modernen Bahn- und Infrastrukturkapazitäten. Insgesamt besitzt die Schweizer Verkehrspolitik daher eine gewisse Glaubwürdigkeit. Der öffentliche Verkehr sowie der kombinierte Verkehr werden mit großen Summen gefördert. Auch für die schweizerischen Frächter gelten dieselben umweltpolitischen Restriktionen wie für alle Ausländer.

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Schlussendlich kann der österreichischen Verkehrspolitik ein ambivalentes Zeugnis ausgestellt werden. Österreich hat im Gegensatz zur Schweiz seit dem EU-Beitritt ein Problem mit seiner Glaubwürdigkeit in Sachen Transitverkehr. Es fehlte von Anfang an ein geschlossene Perspektive und konsequente Umsetzung, die aufgrund unterschiedlicher innerösterreichischer Interessenlangen nach außen hin noch verstärkt wurde. Zu nennen sind hier insbesondere die unterschiedlichen Interessen und Grade der Betroffenheit der einzelnen Bundesländer im Bereich Verkehr und die parteipolitische Auseinandersetzungen über die Einflussnahme in einzelnen Bereichen (Stichwort ÖBB). Die Ökopunkteregelung galt lediglich für den Transitverkehr, obwohl der innerösterreichische Verkehr gleich umwelt- und lärmbelastend ist. Ähnliche Differenzierungen gab es bei der Brennermaut und bei der Einführung des sektoralen Fahrverbotes im Jahre 2003. Immer wieder versuchte die Politik die heimische Wirtschaft durch nicht europarechtskonforme Ausnahmen durch die Hintertür zu bevorzugen. Diese „Schlitzohrigkeit“ wurde von den Nachbarstaaten und der Kommission immer wieder angeprangert. Einige dieser europarechtlich unhaltbaren Ausnahmen wurden von Gemeinschafts-/Unionsseite rechtlich bekämpft und führten zu einigen Verurteilungen durch den EuGH. Trotzdem wurden aber aus diesen Niederlagen (z. B. Ökopunkteberechnung, Brennermaut) keine politischen Konsequenzen und politischen Lehren gezogen, sondern aus innenpolitischem Kalkül verkaufte sich die Bundes- und Landespolitik immer erfolgreich als Opfer. Einerseits wurde damit versucht die eigene Klientel zu befriedigen und andererseits sollten dadurch zusätzliche Wählerstimmen generiert werden. Innenpolitisch wurden zudem immer wieder Dinge versprochen, die wissentlich aufgrund des Unionsrechts so nicht eingehalten werden konnten. Anstelle in dem durch das Unionsrecht stark eingeschränkten Handlungsspielraum tragfähige Lösungen zu suchen, wurde stetes Brüssel die Schuld an der Misere gegeben. Im Gegensatz zum Verkehr wurde hier die Schuld erfolgreich auf die EU-Ebene „verlagert“. Daneben schreckt die Tiroler Landespolitik nach wie vor unpopulären Maßnahmen wie z. B. restriktiven Verkehrs- oder Tempobeschränkungen mit Rücksichtnahme auf die Transportwirtschaft zurück. Hier hat die Regierungsbeteiligung der Grünen aber mittlerweile für ein Umdenken gesorgt. Gerade das gut organisierte Transportgewerbe und die Tiroler Wirtschaftskammer laufen gegen weitere Beschränkungen oder die Ausweitung des Nachtfahrverbots Sturm. Der seit nahezu drei Jahrzehnten immer wieder angekündigte massive Ausbau der Bahn hinkt seit Jahren hinterher. Stattdessen werden weiterhin hochrangige Straßen ausgebaut, anstatt ein Ausbaumoratorium zu verabschieden. Diese Versäumnisse stärkten nicht gerade

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die Verhandlungsposition Österreichs auf europäischer Ebene. Dazu kam noch das ungeschickte Verhandeln über die Nachfolgeregelung des Transitprotokolls. Im Gegensatz zur Schweiz fehlte hier eine Kontinuität, was sich im häufigen Wechsel der Verkehrsminister zuspitzen lässt. Während in der Schweiz zwischen 1988 und 2015 drei Verkehrsminister amtierten, waren es in Österreich im selben Zeitraum insgesamt zehn Minister. Die Schweizer Verhandlungspositionen waren beim wichtigen Transit- und Landverkehrsabkommen durch eine personelle und politische Kontinuität gekennzeichnet. Hingegen führten die ständigen Ministerwechsel in Österreich und eine ungeschickte Verhandlungsstrategie zur ersatzlosen Aufgabe des Transitprotokolls Ende 2003. Zusätzlich wird das österreichische Interesse am europäischen Verkehrsmarkt durch einen ausgeprägten Dualismus geprägt: Einerseits steht seit geraumer Zeit das nachvollziehbare Interesse der Anrainer an einer Reduzierung des Durchgangsverkehrs samt seiner Lärm- und Abgasemissionen im Zentrum der öffentlichen Diskussion, anderseits haben Handel und Industrie wirtschaftliche Interessen an der Ausweitung des Straßengüterverkehrs. Nicht zu vernachlässigen sind auch die wirtschaftlichen Interessen der österreichischen Verkehrswirtschaft, die nicht nur im grenzüberschreitenden Verkehr eine dominierende Position einnimmt sondern auch vom Transitverkehr durch das eigene Land profitiert. Obwohl die negativen Auswirkungen der Mobilität allgemein anerkannt sind, wird nur zögerlich agiert. Gerade im Güterverkehrsbereich werden notwendige Maßnahmen verzögert oder nur in einer Lightversion umgesetzt. Bisher wurde auf europäischer Ebene das Spannungsfeld zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen meist zugunsten des letzteren gelöst. Ob die Ratifikation des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention durch die EU und die Integration in das Unionsrecht ein Umdenken bewirkt, bleibt derzeit offen. Zumindest wurden nun in der Neufassung der Wegekostenrichtline die externen Kosten stärker berücksichtigt. Jedenfalls wird ohne eine europaweite Verteuerung (volle Einberechnung der externen Kosten) des Straßengüterverkehrs eine Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsträger nicht funktionieren. Eine politisch geförderte Änderung des modal splits dürfte sich aber aufgrund der unterschiedlichen Interessen im Verkehrsbereich noch Jahre hinziehen. Kein Land kann allein in einem liberalisierten Markt seine Verkehrsprobleme lösen, da unser Wirtschaftssystem zu verflochten ist. Insellösungen und Abschottungen, die zu einer Verlagerung in andere Länder führen, werden nicht zielführend sein. Eine europaweite Umsetzung ist das Gebot der Stunde. Wichtig dabei ist auch, dass unnötiger Verkehr unbedingt vermeidet werden soll.

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ANHANG: QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Dokumente der Europäischen Union

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Tageszeitungen und Online-Medien

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627 Autoren soweit angegeben am Ende des Quellenbelegs. Die zitierten Quellenbelege sind als Zeitungsausschnitte, Ausdrucke, HTML-, Adobe-pdf- oder MS-Word-Dateien im Besitz des Autors. 499

DS (21.12.2001). Österreich akzeptiert EU-Transitvorschlag. URL: (3.07.2006) DS (12.07.2002). Brennerblockade zulässig (Jörg Wojahn/Günther Strobl). (3. 07.2006) DS (25.07.2002). Transit wird Fall für Höchstrichter (Jörg Wojahn/Günther Strobl). URL: (3. 07.2006) DS (3.10.2002). Neue Bahnstrecke für das Inntal. URL: (3.07.2006) DS (4.10.2002). Ökopunkte-Einigung auf dem Papier (Jörg Wojahn). URL: (3.07.2006) DS (19.11.2002). „Kein Partner für Lkw-Obergrenze“. URL: (3.07.2006) DS (6.12.2002). Reichhold legt sich im Transitstreit quer. URL: (3.07.2006) DS (14.12.2002). Bei Telemin und Transit muss Wien zurückstecken. URL: (3.07.2006) DS (2.01.2003). Kanzler schweigt zu Transit-Vetodrohung. URL: (3.07.2006) DS (3.01.2003). Transit: Tirol schert aus. URL: (3.07.2006) DS (22.01.2003). EU-Parlament versetzt Österreich weiteren Dämpfer bei Transit. URL: (3.07.2006) DS (13.02.2003a). EU-Parlament massiv für freien Transit. URL: (3.07.2006) DS (13.02.2003b). Transit-Tatsachen (Jörg Wojahn). URL: (3.07.2006) DS (20.03.2003). Inntal: Jeder zehnte Lkw darf nicht mehr fahren. URL: (3.07.2006) DS (30.06.2003). Transithickhack in Österreich geht weiter. URL: (3.07.2006) DS (4.07.2003). EU-Mautrichtlinie: Laster sollen zukünftig für Umwelt zahlen (Jörg Wojahn). URL: (3.07.2006) DS (25.07.2003). Empörung und Enttäuschung in Tirol. URL: (3.07.2006) DS (31.07.2003). Tirols sektorales Fahrverbot gestoppt. URL: (3.07.2006) DS (2.08.2003). Tirol beharrt auf Fahrverbot für Lastwagen. URL: (3.07.2006) DS (10.09.2003). Brennermaut zurück an Inländer-Lkw. URL: (3.07.2006) DS (8.10.2002). Transitblockade auch im Außerfern. URL: (3.07.2006) DS (30.10.2003). Ökopunkteschlacht längst verloren. URL: (3.07.2006) DS (31.10.2003). „Nur noch kosmetische Lösungen“ im Transit. URL: (3.07.2006)

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DS (3.11.2003). Transit: Jörg Haider warnt die EU. URL: (3.07.2006) DS (6.11.2003). „Damit werden wir im Transit sicher kein Leiberl reißen“. URL: (3.07.2006) DS (10.11.2003). Das Märchen von der doppelten Lkw-Maut (Luise Ungerböck). URL: (3. 07.2006) DS (12.11.2003). Letztes Aufbäumen in Transitfrage. URL: (3.07.2006) DS (21.11.2003). Ökopunkte: Österreich mit Klage abgeblitzt. URL: (3.07.2006) DS (22.11.2003). Transitgipfel: Gemeinsame Line gesucht. URL: (3.07.2006) DS (26.11.2003). Mautrichtlinie bleibt als Hoffnung (Jörg Wojahn). URL: (3.07.2010) DS (27.11.2003). Die Transitmärtyrer und ihre letzten Privilegien (Jörg Wojahn). URL: (3.07.2006) DS (28.11.2003). Transit: Annehmen oder doch klagen. URL: (3.07.2006) DS (23.12.2003). Endgültig freie Fahrt für alle Transit-Lkw durch Österreich. URL: (3.07.2006) DS (9.01.2004). Transit: Klage Österreichs vor Höchstgericht. URL: (3.07.2006) DS (9.04.2004). Kurioser Dank an Transitgegner (Benedikt Sauer). URL: (3.07.2006) DS (28.07.2004). Brennermaut-Klage: Transitforum ortet Konfusion in der EU (6.07.2006) DS (11.08.2004). Gorbach stellt Bahnprojekte auf den Prüfstand (Luise Ungerboeck). URL: (3.07.2006) DS (1.10.2004). Österreich hofft auf Einlenken. URL: (6.07.2006) DS (20.11.2004). Lkw-Transit: Vorarlberg klagt Tirol. URL: (3.07.2006) DS (24.11.2004). Inntalautobahn vor Blockade Frächter legen sich quer. URL: (3.07.2006) DS (11.12.2004). Brennermaut „ökologisieren“ (Eva Linsinger). URL: (3.07.2006) DS (7.03.2005). Sondereinsatz für Sondermauten (Günther Strobl). URL: (6.07.2006) DS (22.04.2005). Alles bleibt besser (Luise Ungerboeck). URL: (6.07.2006) DS (22.04.2005). Transit wird nicht gebremst Brennermaut kann blieben. URL: (3.07.2006) DS (22.04.2005a). VfGH bestätigt Tiroler Nachtfahrverbot. URL: (3.07.2006)

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DS (23.04.2005). Chancen auf besseren Deal im Europaparlament sind gering (Alexandra Föderl-Schmid). URL: (6.07.2006) DS (13.05.2005). Gorbach: Brennermaut „ökologisch“ staffeln (Benedikt Sauer). URL: (3.07.2006) DS (16.09.2005). 2000 Frächter fordern Brennermaut zurück. URL: (3.07.2006) DS (5.07.2005). Ohne Weichenstellung wächst Brenner-Transit um ein Drittel. URL: (3.07.2006) DS (15.07.2005). Heimliche Freude über den EuGH (Benedikt Sauer). URL: (3.07.2006) DS (15.09.2005). EU will Mautzuschlag für Umweltbelastung (Alexandra Föderl-Schmid), S. 13, Sonderthema/Beilage. URL: (6.07.2006) DS (15.11.2005a). EU-Parlament für höhere Maut. URL: (15.11.2005) DS (15.11.2005b). Wichtige Transit-Entscheidungen am Horizont. URL: (15.11.2005) DS (15.11.2005c). EuGH: Sektorale Lkw-Fahrverbote in Tirol EU-widrig. URL: (15.11.2005) DS (5.12.2005). Drittes Eisenbahnpaket verabschiedet. URL: (5.12.2005) DS (15.12.2005a). Umstrittene EU-Mautregelung kann 2006 in Kraft treten. URL: (6.07.2006) DS (15.12.2005b). Gorbach: Voller Erfolg für Österreich. URL: (15.12.2005) DS (25.02.2006). Verkehrsprotokoll auf EU-Tisch (Benedikt Sauer). URL: (3.07.2010) DS (25.05.2006). Alpen als Testfall für Prodi. URL: (26.05.2006) DS (26.05.2006). Gurgiser: Di echten Blockierer „sitzen in Tintenburgen“. URL: (26.05.2006) DS (27.05.2006). Mit Vollgas gegen Transit (Benedikt Sauer/Hannes Schlosser). URL: (3. 07.2006) DS (9.06.2006a). Chance vertan (Benedikt Sauer). URL: (10.06.2006) DS (9.06.2006b). Verkehrsminister beraten über Alpenschutzabkommen. URL: (9.06.2006) DS (10.01.2006). Brenner-Maut: Asfinag zahlt Millionen an Frächter zurück. URL < (22.06.2006) DS (10.06.2006). Transit: Italien blockiert die Alpenkonvention. URL: (3. 07.2006) DS (22.06.2006a). EU-Kommission erwägt Handel mit Lkw-Transitrechten für die Alpen. URL: (22.06.2006) DS (22.06.2006b). Kommission präsentiert langfristige Verkehrsstrategie. URL: (22.06.2006)

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DS (30.06.2006). Brennerbasistunnel: Heute großer Spatenstich ohne Baubeginn. URL: (30.06.2006) DS (20.08.2006). Tirol: Neue Lkw-fahrverbote für bestimmte Güter ab November geplant. URL: (21.08.2006) DS (13.09.2006). 900 Millionen für den Brenner. URL: (14.09.2006) DS (4.10.2006). EU-weit keine neunen Straßen über die Alpen mehr (Benedikt Sauer). URL: (5.10.2006) DS (12.10.2006a). EU nimmt Alpen in Schutz. URL: (12.10.2006) DS (12.10.2006b). Reaktionen: „Erfolg österreichischer Präsidentschaft“. URL: (12.10. 2006) DS (16.10.2006). Neue Lkw-fahrverbote und Tempo 100 auf Inntalautobahn beschlossen. URL: (17.10.2006) DS (26.10.2006). Gegen Tunnel, „der halb leer bleibt“ (Benedikt Sauer). URL: (27.10.2006) DS (30.10.2006). Wien erfreut über Italiens Offensive bei Transit und Alpenkonvention (Benedikt Sauer). URL: (30.10.2006) DS (5.12.2006). Drittes Eisenbahnpaket verabschiedet. URL: (5.12.2006) DS (10.01.2007). Autobahnbau: Viele Baustellen offen. URL: (11.01.2007) DS (18.01.2007). Weichen für private Bahnen gestellt (Michael Moravec). URL: (19.01.2007) DS (27.03.2007a). Elf Milliarden für Bahn und Straße (Luise Ungerböck). URL: (27.03.2007) DS (27.03.2007b). Skepsis für Verkehrspaket. URL: (27.03.2007) DS (2.04.2007). Brennerbasistunnel deutlich teurer. URL: (3.04.2007) DS (15.06.2007). Lötschberg-Tunnel: Die Eckdaten. URL: (16.06.2007) DS (10.07.2007). Einigung auf Brenner-Finanzierung. URL: (10.07.2007) DS (10.07.2007a). Brennertunnel bringt kaum Verringerung der Transithölle. URL: (10.07.2007) DS (23.07.2007). Sektorale Fahrverbote in Tirol für EU rechtswidrig. URL: (23.07.2007) DS (29.09.2007). Tirol: Verordnetes LKW-Fahrverbot ab 1. November. URL: (30.09.2007) DS (28.11.2007). EU: Österreich ist bei Erreichen der Kiotoziele im Schlussfeld (Michael Moravec). URL: (28.11.2007) DS (9.01.2008). EU prüft Fahrverbote. URL: (24.01.2008) DS (11.01.2008). Transitrekord am Brenner. URL: (24.01.2008) DS (16.01.2008a). Barrot verspricht Ratifizierung von Protokoll zu Alpenkonvention. URL: (31.01.2008) DS (16.01.2008b). Milder Winter schönt CO2-Bilanz (Johanna Ruzicka). URL: (16.01.2008)

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DS (20.01.2008). Brenner-Basistunnel „unfinanzierbar“. URL: (24.01.2008) DS (31.01.2008). EU legt sich bei Tiroler Lkw-Fahrverboten quer. URL: (31.01.2008) DS (18.04.2008). Rechnungshof schießt sich auf Brennertunnel ein. URL: (28.04.2008) DS (23.04.2008). Frächter warnen vor „Transitkrieg“. URL: (28.04.2008) DS (28.04.2008). Lkw-Fahrverbot: Bayerns EU-Minister will Verfahren gegen Österreich. URL: (28.04.2008) DS (2.05.2008). Sektorales Fahrverbot startet mit Phase eins. URL: (2.05.2008) DS (6.05.2008). Tiroler Fahrverbote auf der Kippe. URL: (6.05.2008) DS (25.05.2008). „Nordtiroler Fahrverbot diskriminiert Südtirol“. URL: (26.05.2008) DS (17.06.2008a). Österreich darf Lkw-Maut erhöhen. URL: (17.06.2008) DS (17.06.2008b). Lkw-Maut: Österreich droht Abfuhr (Michael Moravec). URL: (18.06.2008) DS (8.07.2008a). Heftige Kritik an EU-Vorschlag. URL: (14.07.2008) DS (8.07.2008). Lkw-Maut neu: Mautaufschlag bei vier Cent (Michael Moravec). URL: (14.07.2008) DS (8.07.2008c). Lkw-Maut: Hoher Alpenzuschlag nur für alte Lkws (Michael Moravec). URL: (14.07.2008) DS (9.07.2008). „Mautaufschlag bewirkt nicht viel“(Luise Ungerboeck). URL: /14.07.2008) DS (9.09.2008). Unterstützung aus Brüssel für höhere Lkw-Maut. URL: (9.09.2008) DS (16.12.2008). Tirol sieht „Etappensieg“. URL: (17.12.2008) DS (6.02.2009). Brenner-Basistunnel droht Aus. URL: (6.02.2009) DS (12.03.2009). Vor Weichenstellung für höhere Lkw-Maut. URL: (10.03.2009) DS (11.03.2009). Weichenstellung für höhere Lkw-Maut. URL: (31.03.2009) DS (30.03.2009). Front gegen Eurovignette. URL: (31.03.2009) DS (18.05.2009). Brennerbasistunnelvereinbarung wird fixiert. URL: (18.05.2009) DS (20.11.2009). Feinstaub-Überschreitung: EU verwarnt Österreich. URL: (21.11.2009) DS (4.12.2009). Startschuss für BBT-Probestollen. URL: (6.12.2009) DS (11.12.2009). Autobahnbau sprengt Kostenrahmen. URL: (12.12.2009)

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DS (14.05.2010). „Wir sind ja nicht auf dem Basar“ (Luise Ungerboeck). URL: (16.05.2011) DS (31.05.2010). Infrastrukturprojekte am Prüfstand. URL: (8.06.2010) DS (6.08.2010). Kioto-Ziel verfehlt: Österreich fällt bei Umweltbilanz zurück (Günther Strobl). URL: (6.08.2010) DS (4.10.2010). “Rollende Landstraße” weiterhin mit Zuwächsen. URL: (4.10.2010) DS (7.10.2010). EU sucht Kompromiss zu höherer Lkw-Maut. URL: (10.10.2010) DS (15.10.2010a). EU bittet Lkw für Lärm und Umweltkosten zur Kassa. URL: (15.10.2010) DS (14.10.2010). Durchstich am längsten Tunnel der Welt (Klaus Bonanomi). (14.10.2010) DS (15.10.2010b). Die „Eurovigentten”-Richtlinie zur Lkw-Maut. URL: (15.10.2010) DS (21.10.2010). Lkw-Verkehr legte heuer massiv zu. URL: (21.10.2010) DS (12.11.2010). 4,3 Milliarden Euro weniger für die Infrastruktur. URL: (12.11.2010) DS (16.12.2010). Sektorales Lkw-Fahrverbot rechtswidrig. URL: (16.12.2010) DS (12.01.2011). Österreich kommt wieder nicht in Kyoto an. URL: (13.01.2011) DS (1.02.2011). ÖBB schreibt Nahverkehrsstrecken aus. URL: (1.02.2011) DS (18.02.2011). Brennerbasistunnel treibt ÖBB-Schulden weiter hinauf. URL: (18.02.2011) DS (14.03.2011). EU-Parlament kommt Österreich entgegen. URL: (14.03.2011) DS (8.03.2011). EU-Kommission plant Einschnitte beim Autoverkehr. URL: (6.05.2011) DS (28.03.2011a). EU setzt auf Verkehrswende durch Hybrid. URL: (6.05.2011) DS (28.03.2011b). Bures kritisiert Teile des EU-Weißbuches für Verkehr. URL: (29.04.2011) DS (18.04.2011). Jetzt ist schon wieder was passiert. URL: (19.04.2011)

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DS (19.04.2011). Tunnelgegnern geht die Munition aus (Luise Ungerboeck). URL: (20.04.2011) DS (5.05.2011). Asfinag fährt auf Kurs. URL: (5.05.2011) DS (7.06.2011a). EU winkt nur leicht höhere Maut für Lkws durch. URL: (8.06.2011) DS (7.06.2011b). Mautzuschlag für Lkws in Stauzeiten ohne Lenkungswirkung. URL: < (8.06.2011) DS (12.07.2011). Emissionen sinken, Kyoto weit entfernt. URL: (12.07.2011) DS (21.12.2011). Aus für sektorales Lkw-Fahrverbot auf Inntalautobahn. URL: (21.12.2011) DS (16.01.2012). CO2-Emissionen: Kyoto-Ziel in weiter Ferne. URL: (30.10.2012) DS (4.04.2012). Schulden für Bahnausbau erst in 61 Jahren getilgt. URL: (4.04.2013) DS (27.07.2012). Treibhausgas-Austsoß aus Österreich wieder erhöht. URL: < http:// derstandard.at/1342947854433/Treibhausgas-Ausstoss-aus-Oesterreich-wieder-erhoeht> (30.10.2012) DS (26.11.2012). 2,3 Milliarden Euro teure Hochleistungstrecke der Bahn in Tirol fertig. URL: (27.11.2012) DS (30.11.2012). Asfinag hebt Maut an. URL: (28.12.2012) DS (8.12.2012). Kompromiss bei Klimagipfel: Kyoto-Protokoll verlängert. URL: (9.12.2012) DS (14.12.2012). Bures will Österreichs Öffis besser vernetzen. URL: (15.02.2013) DS (8.02.2013a). EU-Budget unter Dach und Fach. URL: DS (8.02.2013b). Nicht perfekt, aber gut und wichtig. URL: (15.02.2013). DS (14.05.2013). Schwarz-Grün forciert Gesamtschule. URL: (15.06.2013) DS (3.07.2013). EU-Budget ist wohl endgültig fixiert. URL: (4.07.2013) DS (2.01.2014). Feinstaubbelastung 2013 in Österreich leicht zurückgegangen. URL: (11.01.2014) DS (13.05.2014). Brennertunnel: Loch zwischen Kosten und Nutzen. URL: (13.05.2014)

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DS (24.06.2014). Ab Herbst Tempo 100 auf Tiroler Autobahnen. URL: (25.06.2014) DS (23.02.2015). Vorwürfe gegen IPCC-Chef überschatten Klimakonferenz. URL: (23.02.2015) Die Presse (DP) DP (19.05.1995). Kostenwahrheit im Verkehr. URL: (25.10.2005) DP (9.06.1995). Transitvertrag versagt am Brenner. URL: (25.10.2005) DP (11.01.1996). Streit um höhere Lastwagen-Maut. URL: (25.10.2005) DP (1.02.1996). Österreich droht Klage. URL: (25.10.2005) DP (21.02.1996). Bad rechtliche Schritte gegen die Brennermaut. URL: (25.10.2005) DP (7.06.1996). Neue Signale beim Transit. URL: (25.10.2005) DP (7.09.1996). Kapsch erhält Auftrag für Ökopunkte-System. URL: (25.10.2005) DP (31.07.1997). Brennermaut: EU droht Wien mit Geldstrafen. URL: (25.10.2005) DP (27.01.1998). Tirol ist über den Transitvertrag sehr empört. URL: (25.10.2005) DP (26.02.1998). Santer: Keine EU-Klage gegen die Brenner-Maut. URL: (25.10.2005) DP (19.03.1998). Brennermaut angehakt, Transitproblem virulent. URL: (25.10.2005) DP (9.06.1998). Transitforum macht für Blockade mobil (Robert Benedikt). URL: (25.10.2005) DP (12.06.1998). Der programmierte Mega-Stau. URL: (25.10.2005) DP (13.06.1998). “Stopp den Transit, Tirol derpackt ihn nit!”. URL: (25.10.2005) DP (23.03.1999). Tirol bleibt hart, am Brenner droht Nachtfahrverbot. URL: (25.10.2005) DP (23.05.2000). Bedenkliche EU-Regelung bringt heuer mehr Transit (Doris Kraus). URL: (25.10.2005) DP (24.05.2000). Transit: Tirol will Klage gegen EU. URL: (25.10.2005) DP (2.06.2000). Transit-Problem weiter ungelöst: Keine Einigung über Ökopunkte. URL: (25.10.2005) DP (24.06.2000). Verkehrsminister suchen Lösung für Ökopunkte. URL: (25.10.2005) DP (24.06.2000a). Transit: Die entscheidende Schlacht am Berg Brenner (Martin Fritzl). URL: (25.10.2005) DP (27.06.2000). Kollisionskurs bei Ökopunkten: Schmid gegen EU-Kommission. URL: (25.10.2005) DP (27.07.2000). EU rückt Ökopunkte raus. URL: (25.10.2005)

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DP (24.07.2001). Ökopunkte-Streit: Österreichs Niederlage ist so gut wie sicher. URL: (25.10.2005) DP (26.07.2001). Ökopunkte: Brüssel bleibt hart, Österreich zieht den kürzeren. URL: (25.10.2005) DP (19.06.2001). Brüssel will Transitvertrag nicht verlängern (Martin Fritzl). URL: (25.10.2005) DP (6.09.2001). Transit-Niederlage für Österreich: Straßburg gegen Lkw-Obergrenze (Reinhold Smonig). URL: (25.10.2005) DP (24.07.2002). Brüssel gibt Ökopunkte-Kontingent frei. URL: (25.10.2005) DP (18.09.2002). Lkw-Nachtfahrverbot im Kreuzfeuer der Kritik. URL: (25.10.2005) DP 85.10.2002). Anti-Transit-Protest am 25. Oktober: kein Verkehr auf der Inntalautobahn. (Robert Benedikt). URL: (25.10.2005) DP (19.12.2002). Das Ende des Transitvertrags (Martin Fritzl). URL: (25.10.2005) DP (19.12.2002a). Österreich droht nun EU-Geldstrafe wegen hoher Brennermaut (Doris Kraus). URL: (25.10.2005) DP (21.12.2002). Tauziehen zwischen Österreich und Italien um Ökopunkteregime. URL: (03.11.2005) DP (31.12.2002). Der Transitverkehr wird weiter ansteigen (Wolfgang Böhm). URL: (25.10.2005) DP (2.01.2003). Österreich droht nun im Transit-Streit ein EU-Mehrheitsbeschluss. URL: (3.11.2005) DP (22.01.2002a). Schwere Transit-Abfuhr für Österreich im Europaparlament (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (22.01.2003b). Transit-Fiasko (Martin Fritzl). URL: (3.11.2005) DP (12.02.2003a). Österreichs Sorgen mit Transit stoßen EU-weit kaum auf Verständnis (Reinhold Smonig). URL: (3.11.2003) DP (12.02.2003b). Transitvertrag: EU-Parlament lehnt Verlängerung ab. URL: (3.11.2005) DP (13.02.2003). EU-Parlament räumt mit Ökopunkten auf (Reinhold Smonig). URL: (3.11.2005) DP (27.02.2003). Österreich legt Veto-Keule nieder (Wolfgang Böhm/Friederike Leibl). URL: (3.11.2003) DP (28.03.2003). Ökopunkte höchstens bis ins Jahr 2006. URL: (3.11.2003) DP (29.03.2003). Etappe im Transitmarathon (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2003) DP (2.04.2003). „Kein Weg führt vorbei an sektoralem Fahrverbot.“ URL: (3.11.2005) DP (6.05.2003). Tirol setzt auf Fahrverbote. URL: (25.10.2005) DP (13.06.2003). EuGH: Straßenblockade verstößt nicht gegen freien Warenverkehr (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005)

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DP (25.06.2003). EU geht gegen Tiroler Verkehrsbeschränkungen vor (Andreas Schnauder). URL: (25.10.2005) DP (4.07.2003). Ende des Transitvertrages eingeläutet (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (31.07.2003). Tiroler Helden gegen Brüssel (Susanne Kummer/Andreas Schwarz). URL: (3.11.2005) DP (14.10.2003). Verkehr: EU-Partner wollen mehr Transit (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2003) DP (29.10.2003). Transitstreit: Vorschläge sind „nicht akzeptabel“. URL: (3.11.2005) DP (19.11.2003). Meinung: Verkehrspolitik vor der nächsten Pleite (Martin Fritzl). URL: (3.11.2005) DP (20.11.2003). Ökopunkte-Urteil: EU zählt richtig. URL: (3.11.2005) DP (4.01.2003). Transit: Suche nach Rückfalloption, Tirol verlangt Sonderregelung (Wolfgang Böhm). URL: (3.11.2005) DP (22.04.2003). „Jahr der Berge“ hat für betroffene Regionen wenig verändert (Michael Lohmeyer). URL: (25.10. 2005) DP (23.07.2003). Neue EU-Richtlinie: Bis zu 25 Prozent mehr Maut. URL: (25.10.2005) DP (30.10.2003a). EU-Transit: Gorbach gibt „Alarmstufe Rot“. URL: (3.11.2005) DP (30.10.2003b). Kompromiss zwischen Pest und Cholera. URL: (3.11.2005) DP (30.10.2003c). Transitstreit: „Kontingent für Europabrücke“ (Susanne Kummer). URL: (3.11.2005) DP (31.10.2003). Transitstreit: Freie Fahrt durch Österreich (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (4.11.2003). Gorbach: Keine Vetodrohungen (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (6.11.2003). Transitstreit: Schüssel schließt Klage nicht aus. URL: (3.11.2005) DP (5.11.2003a). Transit: Kein Konsens zu Lkw-Kontrollen. URL: (3.11.2005) DP (5.11.2003b). Gespräche: Transit-Schulterschluss. URL: (3.11.2005) DP (6.11.2003). Transit: Länderchefs für schärfste Kontrollen. URL: (3.11.2005) DP (13.11.2003). Verkehr: Geringe Fortschritte bei Transit-Runde. URL: (3.11.2005) DP (19.11.2003). Transit: Tirol fordert Klage gegen EU. URL: (3.11.2003) DP (20.11.2003a). Ökopunkte-Urteil: EU zählt richtig. URL: (3.11.2003) DP (20.11.2003b). Verkehrs: Tirol verlangt Transit-Klage gegen EU. URL: (3.11.2003) DP (26.11.2003). Österreich gescheitert: Freier LKW-Verkehr. URL: (3.11.2005)

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DP (27.11.2003). Transit-Debakel: Gorbach gerät unter Beschuss (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (28.11.2003). Analyse: Hat Österreich keine Freunde mehr? (Wolfgang Böhm). URL: (3.11.2005) DP (29.11.2003). Transitstreit: Klage gegen EU gefordert. URL: (3.11.2005) DP (18.12.2003). Transit: EU-Parlament gegen Österreich. URL: (3.11.2005) DP (19.12.2003). Ökopunkte-Aus: Rollende Landstraße leidet (Martin Fritzl). URL: (3.11.2005) DP (23.12.2003). Ratsentscheidung: Transit-Debakel rechtskräftig. URL: (3.11.2005) DP (29.12.2003). EU-Transit-Vertrag: Wird nicht umgesetzt. URL: (25.10.2005) DP (2.01.2004). Transit: Südtiroler kritisieren Gorbach. URL: (25.10.2005) DP (3.01.2004). Transit: Brüssel will Österreich zur Umsetzung zwingen. URL: (3.11.2005) DP (8.01.2004). Transit: Österreich wird klagen. URL: (3.11.2005) DP (9.03.2004). Maut: Hoffnungen auf Lösung zerstreut (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (24.03.2004). Ökopunkte: Österreich klagt neuerlich die EU. URL: (3.11.2005) DP (30.03.2004). Transitverkehr: EU klagt Ökopunkte ein (Andreas Schnauder). URL: (25.10.2005) DP (21.04.2004). Verkehr: Rollende Landstraße wird zum Flop. URL: (3.11.2005) DP (28.04.2004). Transit: Rückschlag für Tiroler Verkehrspolitik Sektorales Fahrverbot bleibt ausgesetzt (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (20.11.2004). Lkw-Nachtfahrverbot: Vorarlberg verklagt Tirol (Susanne Kummer). URL: (3.11.2005) DP (2.12.2004). Verkehrs: Brüssel legt Mautreform auf Eis (Andreas Schnauder). URL: (25.10.2005) DP (7.12.2004). Transit: Über zwei Millionen Lkw. URL: (3.11.2005) DP (11.12.2004). Brüssel: Gorbach will Sondermaut anpassen (Andreas Schnauder). URL: (3.11.2005) DP (24.01.2005). Güterverkehr: Rollende Landstraße vor Ende (Maria Mittermair). URL: (3.11.2005) DP (10.02.2005). Rechtsstreit: Frächter wollen Millionen zurück. URL: (3.11.2005) DP (14.07.2005). EuGH: Tiroler Lkw-Fahrverbote rechtswidrig. URL: (14.07.2005) DP (15.11.2005). EuGH: Lkw-Fahrverbote in Tirol EU-widrig. URL: (15.11.2005) DP (15.12.2005). Einheitliche EU-Maut für Lkw beschlossen. URL. (18.07.2006) DP (2.03.2006). Verkehr: Keine neuen Alpen-Straßen. URL: (18.07.2006)

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DP (22.06.2006). EU: Börsenhandel mit Transitrechten. URL: (18.07.2006) DP (13.10.2006). Transit über die Alpen wird teurer (Friedericke Leibl). URL: (13.10.2006) DP (10.02.2009). Entlastung für den Brenner: Zeichen stehen auf „Ökomaut“ (Regina Pöll). URL: (14.03.2009) DP (11.02.2009a). EU-Parlament: Ausschuss kommt Österreich bei Lkw-Maut entgegen. URL: (14.03.2009) DP (11.02.2009b). EU-Parlament: Brennermaut soll deutlich steigen (Regina Pöll). URL: (14.03.2009) DP (11.03.2010a). Eckpunkte der neuen Wegekostenrichtlinie. URL: (14.03.2010) DP (11.03.2010b). Europaparlament: Erfolg im Kampf gegen Transit. URL: (14.03.2010) DP (15.10.2010a). EU-Verkehrsminister einig über höhere Lkw-Mauten. URL: (15.10.2010) DP (15.10.2010b). So sieht die neue „Eurovignetten“-Richtlinie im Detail aus. URL: (15.10.2010) DP (15.10.2010c). Gotthard: Durchbruch im Rekord-Tunnel geglückt. URL : (15.10.2010) DP (21.10.2010). Lkw-Verkehr nimmt heuer massiv zu. URL: (21.10.2010) DP (15.03.2011). EU-Parlament lenkt in Sachen Lkw-Maut ein. URL: (6.05.2011) DP (5.05.2011). Asfinag: Schuldenberg wächst gebremst weiter. URL: (6.05. 2011) DP (7.06.2011). Höhere Maut für Stinker und „unfelxible“ Lkw-Fahrer. URL: (8.06.2011) DP (4.07.2011). ÖBB-Schuldenberg wächst bis 2020 auf 30 Mrd. Euro. URL: (5.07.2011) DP (21.12.2011). Tirol: EU-gericht kippt sektorales Lkw-Fahrverbot. URL: (21.12.2011) DP (14.12.2012). Bures plant Taktfahrplan: Öffis besser abstimmen. URL: (15.02.2013) Neue Zürcher Zeitung (NZZ) NZZ (28.01.1998). Österreichs Mühen mit der EU-Verkehrspolitik/ Schweizer Verkehrsminister als „Hebel“ für nationale Interessen (E. Scheidegger). Printausgabe Nr. X, 23. NZZ (25.02.2000). Rückschlag für/ Österreichs Verkehrspolitik (R. Lautenschütz). Printausgabe Nr. X, 3. NZZ (27.09.2000). Diskriminierende/ Mautgebühren am Brenner/ EuGH zeigt Österreich die rote Karte (R. Lautenschütz). Printausgabe Nr. X, 21. NZZ (22.12.2000). Böse EU-Weihnachtsüberraschung für Wien/ Die Kommission will den Transitvertrag ändern R. Lautenschütz). Printausgabe Nr. X, 3.

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ORF ON (15.12..2005). Einheitliche EU-Maut für Lkw. URL: (15.12.2005) ORF ON (30.12.2005). Österreich will Brenner-Maut verdreifachen. URL: (30.12.2005) ORF ON (25.01.2006). Asfinag-Maut für Brenner-Tunnel. URL: (26.01.2006) ORF ON (27.01.2006). Rückschlag in der Transitpolitik. URL: (27.01.2006) ORF ON (27.01.2006a). Grüne für sektorale Fahrverbote. URL: (27.01.2006) ORF ON (29.01.2006). Verkehrslandesrat zu Forderungskatalog. URL: (30.01.2006) ORF ON (23.03.2006). S18 verletzt EU-Recht. URL: (27.10.2006) ORF ON (19.04.2006). Schatten über positiver RoLa-Bilanz. URL: (19.04.2006) ORF ON (4.05.2006). Aus für Alt-Lkws auf Brennerstrecke. URL: (4.05.2006) ORF ON (23.05.2006). Brenner-Transit-Demo keine Lösung. URL: (26.05.2006) ORF ON (26.05.2006). Bürgerversammlung am Brennerpass. URL: (27.05.2006) ORF ON (9.06.2006a). EU-Alpenverkehrsabkommen erneut gescheitert. URL: (9.06.2006) ORF ON (9.06.2006b). EU-Verkehrsminister beraten über Alpenschutzabkommen. URL: (9.06.2006) ORF ON (9.06.2006c). Italien blockiert Entscheidung erneut. URL: (10.06.2006) ORF ON (16.06.2006). Verkehrskommissar feilt an EU-Weißbuch. URL: (16.06.2006) ORF ON (22.06.2006a). Änderungen in letzter Minute. URL: (22.06.2006) ORF ON (23.06.2006b). Transitbörse für Alpenregion soll kommen. URL: (23.06.2006) ORF ON (30.06.2006). Spatenstich für Brennertunnel-Probestollen. URL: (30.06.2006) ORF ON (3.07.2006). Geplante S18. URL: (27.10.2006) ORF ON (12.10.2006). EU unterzeichnet Verkehrsprotokoll. URL: (13.10. 2006) ORF ON (27.10.2006). EU: Österreich schafft Klimaziel bis 2010 nicht. URL: (27.10.2006) ORF ON (31.10.2006). CO2-Emissionen: Österreich drohen zwei Mrd. Euro Verlust. URL: (31.10.2006) ORF ON (9.11.2006). Umweltminister treffen sich in Alpbach. URL: (10.11. 2006) ORF ON (29.12.2006). Für Transitforum nur Alibiaktion. URL: (29.12.2006)

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ORF ON (7.02.2007). Tiroler Fahrverbote im Visier der Niederlande. URL: (7.02.2007) ORF ON (22.03.2007). EU-Verfahren gegen Tiroler Fahrverbot droht. URL: (22.03.2007) ORF ON (4.05.2007). Weniger Unfälle mit weniger Schaden. URL: (5.05.2007) ORF ON (5.05.2007). Viele Reaktionen zur Bilanz von Tempo 100. URL: (5.05.2007) ORF ON (9.07.2007). Gurgiser gegen Brennerbasistunnel. URL: (9.06.2007) ORF ON (10.07.2007). Grundstein für Brenner-Basistunnel gelegt. URL: (10.07.2007) ORF ON (20.07.2007). Sektorales Fahrverbot noch nicht vom Tisch. URL: (20.07.2007) ORF ON (23.07.2007). Sektorales Fahrverbot EU-rechtswidrig. URL: (23.07.2007) ORF ON (2.10.2007). Sektorales Fahrverbot auf 2008 verschoben. URL: (3.10.2007) ORF ON (30.11.2007). Faymann legt es auf ein EuGH-Verfahren an. URL: (30.11.2007) ORF ON (4.12.2007). Land ortet Chancen für sektorales Fahrverbot. URL: (6.12.2007) ORF ON (9.12.2007). Tirol: Massive Zuwächse bei CO2-Ausstoß. URL: (9.12.2007) ORF ON (7.01.2008). Jeder dritte Transit-Lkw umfährt Schweiz. URL: (7.01.2008) ORF ON (21.01.2008). keine privaten Investoren für Basistunnel. URL: (21.01.2008) ORF ON (31.01.2008). Sektorales Fahrverbot – EU will eingreifen. URL: (31.01.2008) ORF ON (28.04.2008). BBT: Offizieller Start der Bauarbeiten. URL: (29.04.2008) ORF ON (2.05.2008). Sektorales Fahrverbot: jetzt droht Klage. URL: (2.05.2008) ORF ON (19.05.2008). Sektorales Fahrverbot zeigt bereits Wirkung. URL: (19.05.2008) ORF ON (25.10.2008). Experten sehen EU-Klage gelassen entgegen. URL: (25.10.2008) ORF ON (4.12.2008). Klage gegen sektorales Fahrverbot abgelehnt. URL: (4.12.2008) ORF ON (17.12.2008). EU klagt wegen Lkw-Fahrverbot. URL: (17.12.2008) ORF ON (31.12.2008). 206.000 Lkws auf Schiene über den Brenner. URL: (2.01.2009) ORF ON (18.04.2009). Baugenehmigung für Brennerbasistunnel. URL. (18.04.2009) ORF ON (18.05.2009). BBT-Memorandum wird in Rom unterzeichnet. URL. (18.05.2009) ORF ON (20.07.2009). Ökologisierung der Lkw-Maut ab 2010. URL. (20.07.2009)

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ORF ON (2.11.2009). Verbot für alte Stinker auf der Inntalautobahn. URL: (2.11.2009) ORF ON (12.02.2009). EU kommt Österreich bei Lkw-Maut entgegen. URL: (12.02.2009) ORF ON (11.03.2009). EU-Parlament stimmt für Maut-Erhöhung. URL: (12.03.2009) ORF ON (14.06.2009). Zuwächse bei Rollender Landstraße. URL: (14.06.2009) ORF ON (6.12.2009). BBT-Probestollen: Bures nahm Spatenstich vor. URL: (6.12.2009) ORF ON (31.12.2009). Neuer Rekord auf der Rollenden Landstraße. URL: (31.12.2009) ORF ON (7.01.2010). 2009 weniger Transit über den Brenner. URL: (7.01.2010) ORF ON (5.04.2010). Deutlich mehr Lkws per Bahn über den Brenner. URL: (5.04.2010) ORF ON (22.04.2010). Transporteure für Ende des Nachtfahrverbotes. URL: (22.04.2010) ORF ON (24.05.2010). Bürgermeister blockierten Brennerautobahn. URL: (16.05.2010) ORF ON (1.06.2010). Klimaschutzbericht mit zwiespältigem Ergebnis. URL: (1.06.2010) ORF ON (16.07.2010). Wieder deutlich mehr Transit-Lkws unterwegs. URL: (19.07.2010) ORF ON (19.08.2010). Unterinntaltrasse 13 Prozent teurer als geplant. URL: (19.08.2010) ORF ON (9.09.2010). Deutliches Plus beim Schwerverkehr. URL: (10.09.2010) ORF ON (14.10.2010). „Kein Wunderwerk“. URL: (14.10.2010) ORF ON (15.10.2010a). Gotthard: Längster Tunnel der Welt wieder in der Schweiz. URL: (15.10.2010) ORF ON (15.10.2010). EU-Verkehrsminister einig über höhere Lkw-Maut. URL: (15.10.2010) ORF ON (21.10.2010). 3,28 Millionen Lkws auf der A1 bei Haid. URL: (21.10.2010) ORF ON (22.10.2010). Die Sinnhaftigkeit des BBT auf dem Prüfstand. URL: (22.10.2010) ORF ON (24.11.2010). Heftige Diskussion um BBT-Vereinsförderung. URL: (24.11.2010) ORF ON (27.10.2010). BBT – EU verlängert Finanzierungszusage. URL: (27.10.2010) ORF ON (18.11.20110). Rom sichert Milliarden für geplanten Tunnel zu. URL: (18.11.2010) ORF ON (3.12.2010). Weitere Ausnahme beim sektoralen Fahrverbot. URL: (6.12.2010) ORF ON (16.12.2010a). Landtag schließt Notwehrmaßnahmen nicht aus. URL: (17.12.2010) ORF ON (16.12.2010b). Sektoralem Fahrverbot droht Aufhebung. URL: (16.12.2010)

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ORF ON (6.12.2010c). Unterinntalbahn: Tunnelrohbau abgeschlossen. URL: (6.12.2010) ORF ON (3.01.2011). Luftqualität 2010 massiv verschlechtert. URL: ORF ON (9.01.2011). Dicke Luft an Tirols Messstellen. URL: (9.01.2011) ORF ON (12.01.2011). Österreich erreichte auch 2009 Kyoto-Ziel nicht. URL: (13.01.2011) ORF ON (1.02.2011). BBT wird Realität – Ministerrat gibt grünes Licht. URL: (1.02.2011) ORF ON (13.04.2011). Erfolg für Frächter auf EU-Ebene. URL: (13.04.2011) ORF ON (14.04.2011). EU-Kommissar begrüßt BBT-Beschluss. URL: (14.04.2011) ORF ON (18.04.2011). Weiterer Beschluss für BBT. URL: (18.04.2011) ORF ON (8.06.2011). Platter: Unterinntalmaut zum Nachteil Tirols. (8.06.2011) ORF ON (7.06.2011). EU-Parlament stimmt für höhere Lkw-Maut. URL: (7.06.2011) ORF ON (14.06.2011). A 13: Deutlich mehr Lkw-Verkehr am Brenner. URL: (14.06.2011) ORF ON (4.07.2011). ÖBB-Schulden steigen bis 2020 auf 30 Mrd. Euro. URL: (4.07.2011) ORF ON (12.07.2011). Klimaschutzbericht: Kyoto weit entfernt. URL: (13.07.2011) ORF ON (18.10.2011). Unterinntalmaut steigt etappenweise. URL: (19.10.2011) ORF ON (8.11.2011). 20 Jahre Alpenkonvention: Wann wird mehr getan? URL: (8.11.2011) ORF ON (21.12.2011). Land hält an „Sekotralem“ fest. URL: (21.12.2011) ORF ON (9.01.2012). Mehr Transit über den Brenner. URL: (10.01.2012) ORF ON (15.06.2012). BBT – Zulaufstrecken vertraglich fixiert. URL: (4.04.2013) ORF ON (28.09.2012). Volksfeststimmung bei Blockade. URL: (30.09.2012) ORF ON (7.11.2012a). Platter: Fixer Luft-100er ist “Schwachsinn”. URL: (7.11.2012) ORF ON (26.11.2012a). Unterinntaltrasse soll Bahn attraktiver machen. URL: (27.11.2012) ORF ON (7.11.2012b). Lufthunderter: Dicke Luft im Landtag. URL: (7.11.2012) ORF ON (26.11.2012b). Unterinntalbahn wird eröffnet. URL: (27.11.2012) ORF ON (14.12.2012). Österreich soll Taktfahrplan für „Öffis“ bekommen. URL: (15.02.2013) ORF ON (6.07.2013). Weniger Lkws am Brenner, RoLa bricht ein. URL: (6.07.2013)

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ORF ON (20.10.2013). Hohe Schadstoffbelastung trotz weniger Lkws. URL: (22.10.2013) ORF ON (22.10.2013). Handel protestiert gegen Lkw-Fahrverbot. URL: (1.11.2013) ORF ON (31.10.2013). Lkw-Nachtfahrverbot ab sofort neu geregelt. URL: (1.11.2013) ORF ON (7.01.2014). 2013 weniger Lkws auf Brennerstrecke. URL: (11.01.2014) ORF ON (21.04.2014). Tiroler leiden unter Transitanstieg. URL: (24.04.2014) ORF ON (2.05.2014). Bayerischer Minister auf BBT-Baustelle. URL: (3.05.2014) ORF ON (5.05.2014). Gütertransport via Schiene weiter rückläufig. URL: (5.05.2014) ORF ON (5.05.2014b). “Geheime” Anti-BBT-Studie aufgetaucht. URL: (5.05.2014) ORF ON (24.06.2014). Regierung macht Tempo 100 auf Autobahn fix. URL: (25.06.2014) ORF ON (16.07.2014). Transitverkehr am Brenner nimmt zu. URL: (16.07.2014) ORF ON (1.08.2014). Mahr als 13 Prozent Zuwachs bei der RoLa. URL: (1.08.2014) ORF ON (7.01.2015). Deutlisch mehr Transit-Lkws über Brennerstrecke. URL: (7.01.2015) ORF ON (16.02.2015). BBT: Schon 225 Millionen querfinanziert. URL: (18.02.2015) ORF ON (18.03.2015). Widerstand in Bayern gegen BBT-Zulaufstrecken. URL: (19.03.2015) ORF ON (19.03.2015a). Anschlag für BBT-Hauptstollen. URL: (19.03.2015) ORF ON (19.03.2015b). Festakt zum Start der Hauptarbeiten am BBT. URL: (21.03.2015) Salzburger Nachrichten (SN) SN (9.101998). Schwindel bei Transit Lkw ohne Ökopunkte. URL: (11.07.2006) SN (27.06.2000). Verhandlungen um den Transit geplatzt. URL: (11.07.2006) SN (2.11.2000). Verzicht auf neue Transitrouten. URL: (11.07.2006) SN (22.12.2000). Transitvertrag: Klage angedroht. URL: (11.07.2006) SN (24.02.2001). EuGH kürzt Transitfahrten. URL: (11.07.2006) SN (26.07.2001). Niederlage für Österreich. URL: (11.07.2006) SN (17.12.2001). Etappensieg beim Transit. URL: (11.07.2006) SN (21.12.2001). Noch drei Jahre Ökopunkte. URL: (11.07.2006) SN (5.10.2202). Blockade auf Inntalautobahn. URL: (11.07.2006)

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SN (21.11.2002). Ein Pakt für die Alpen. URL: (11.07.2006) SN (12.12.2002). Gipfel der Misstöne (Hedwig Kainberger/Andreas Koller). URL: (11.07.2006) SN (14.12.2002). Dramatischer Transitpoker (Manfred Perterer). URL: (11.07.2006) SN (22.01.2003): Transit: Rückschlag für Österreich. URL: (11.07.2006) SN (13.02.2003). Transit: 430 zu 79 gegen Österreich. URL: (11.07.2006) SN (13.03.2003). EU gegen Wegelagerei (Manfred Perterer). URL: (11.07.2006) SN (26.06.2003). Tirol bleibt hart. URL: (11.07.2006) SN (28.06.2003). Streit um Ökopunkte. URL: (11.07.2006) SN (6.11.2003). Maut: EU-Verfahren droht. URL: (11.07.2006) SN (11.11.2003). Transitk(r)ampf mit der EU (Manfred Perterer). URL: (11.07.2006) SN (27.11.2003). Ein Land wehrt sich: Klagen, Kontrollen und Blockaden. URL: (11.07.2006) SN (28.11.2003). Transit: Österreich will sich nicht beugen. Schüssel will den EU- Vorschlag nicht umsetzten – Heute Gipfel mit Verkehrsreferenten der Länder. URL: (11.07.2006) SN (3.04.2004). Ostermärsche gegen Transit. URL: (11.07.2006) SN (8.04.2004). Der Standpunkt: Protest gegen den Transit auf österreichisch (Manfred Perterer). URL: (11.07. 2006) SN (16.11.2005). Trendwende im Transit. URL: (11.07.2006) SN (16.12.2005). Maut stoppt Transit nicht. URL: (11.07.2006) SN (17.06.2006). Neue Regeln für Lkw-Maut. URL: (11.07.2006) SN (29.09.2012). Inntalautobahn: Kilometerlange Staus nach Blockade. URL. (30.09.2012) Tiroler Tageszeitung (TT) TT (29.03.1993). Transitforum überlegt Anzeige gegen Tanzer. Printausgabe Nr. 73. TT (29.09.1993). „Die in Brüssel haben nichts dazugelernt“. Printausgabe Nr. 226. TT (29.09.1993b). Kalte Dusche für Österreich: EG lehnt Transitvertrag strikt ab. Printausgabe Nr. 226. TT (29./30.01.1994). Ederer deutet Transitkompromiss an: Überprüfung nach 6 Jahren? Printausgabe Nr. 23. TT (11.02.1994). Bonn sieht in Toleranzgrenzen den Ausweg für 38-Tonnen-Limit. Printausgabe Nr. 34. TT (26.02.1994). „Das Herz der Alpen soll nicht der stinkende Auspuff Europas werden“ (Michael Sprenger/Peter Nindler), Printausgabe X.

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TT (28.02.1994). Für Vranitzky ist erst heute Montag der entscheidende EU-Bilanztag. Printausgabe Nr. 48. TT (2.03.1994). Österreich beharrte bis zuletzt auf der Transitlaufzeit bis 2004. Printausgabe Nr. 50. TT (3.03.1994). Transitkompromiss trübt Freude über den Schritt nach Europa. Printausgabe Nr. 51. TT (4.03.1994). Klima verteidigt Transitlösung: Garantien sichern Kernziele ab. Printausgabe Nr. 52. TT (3.05.1995). Transit hinterlässt pro Tag 50.000 kg Abgase. Printausgabe Nr. X. TT (9.06.1995). Klimas „Fehleranalyse“ ruft Widerstand hervor. Printausgabe Nr. X. TT (19.07.1995). Widersprüche im Transitvertrag. Printausgabe Nr. 165. TT (23.08.1995). Lkw-nachtfahrverbot als generelle Lösung. Printausgabe Nr. 194. TT (24.08.1995). Transitpolitik belastet Klima mit Tiroler SP. Printausgabe Nr. 195. TT (28.08.1995). Die Kostenwahrheit als Lkw-Bremse. Printausgabe Nr. 198. TT (31.07.1997). Weingartner für Hartbleiben, Printausgabe X, 2. TT (19.03.1998). Weingartner gegen EU-Kompromiss. Printausgabe Nr. X, 1. TT (12.06.1998). Eine neue Phase des Widerstandes (Michael Sprenger), Printausgabe Nr. X. TT (23.01.1999). Lkw-Tarif ab Juli um 80 S reduziert. Printausgabe Nr. X, 2. TT (28.12.2001). Brüssel fordert Reduktion – Heimische Politiker lehnen ab. Printausgabe Nr. X, 4. TT (6.-8.12.2003a). Am Beginn stand ein Wahldebakel (Michael Sprenger). Printausgabe Nr. 283-BG (Sonderausgabe Transitdebakel), 2. TT (6.-8.12.2003b). Autobahn und Verkehr als Leben (Michael Sprenger). Printausgabe Nr. 283-BG (Sonderausgabe Transitdebakel), 2. TT (13.05.2005). Grünes Licht für Demo, Maut zurück an Frächter. Printausgabe Nr. X, 4. TT (6.-8.12.2003c). Schritt für Schritt freie Fahrt (Markus Schramek). Printausgabe Nr. 283-BG (Sonderausgabe Transitdebakel), 3. TT (6.-8.12.2003d). Tirol nutzt Brückenknick nicht (Frank Staud). Printausgabe Nr. 283- BG (Sonderausgabe Transitdebakel), 9. TT (13.05.2005). Grüners Licht für Demo, maut zurück an Frächter. Printausgabe Nr. X, 4. TT (27.05.2005). Protest gegen Transitlawine: Inntalautobahn heute dicht, Printausgabe Nr. X, 1. TT (28.05.2005). Gurgiser fordert eine Million Lkw weniger, Printausgabe Nr. X, 1. TT (15.11.2005). Sektorale Lkw-Fahrverbote in Tirol für EU-widrig erklärt. URL: (15.11.2005) TT (5.01.2006). Asfinag zahlt 150 Mrd. Brenner-Maut an Frächter zurück. URL: (5.01.2006) TT (26.01.2006). EuGH: Aufweichung des Transitvertrags war rechtens. URL: (26.01.2006) TT (27.01.2006). Transitvertrag löst sich in Luft auf. URL: (27.01.2006) TT (5.05.2006). Patronatserklärung für Brenner-Basistunnel unterzeichnet. URL: (6.05.2006) TT (27.05.2006). „Die Blockierer sitzen an den Schalthebeln der Macht“. URL: (27.05.2006) TT (13.06.2006). Alpenkonvention: Regierung in Rom, steht zu Verkehrsprotokoll (Alexa Belluti). URL: (13.06.2006) TT (22.06.2006a). Barrot: Lkw-Beschränkungen über die Alpen mögliche Zwischenlösung. URL: (22.06.2006)

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Befragungen, Interviews und Vorträge

Schriftliche Befragungen mit Onlinefragenbogen via Internet (Antworten per E-Mail)

 Aschwanden Toni, 2.11.2006 (Alpen-Initiative Schweiz)

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 Bachmann Helmut, SPÖ, 24.10.2006 (Tiroler Landtag, Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Umwelt des Tiroler Landtags)  Ferber Markus, EVP/ED, 11.10.2006 (Europäisches Parlament, Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr)  Gegenverkehr Lienz, 4.11.2006 (Bürgerinitiative „Gegenverkehr Lienz“)  Gögele Rainer, ÖVP, 15.10.2006 (Umweltausschuss des Vorarlberger Landtags)  Greil Franz/Richard Ruziczka, 14.09.2006 (Arbeiterkammer Wien, Abt. Umwelt und Verkehr)  Gurgiser Fritz, 28.08.2006 (Obmann „Transitforum Austria-Tirol”)  Haid Bernhard, 26.09.2006 (Transportforum – „Vereinigung mit dem Ziel der Förderung der Interessen der Transportwirtschaft“)  Hegetschweiler Rolf, 1.11.2006 (Nationalrat Schweiz, Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen)  Hradecsni Bettina, Die Grünen, 22.12.2006 (Nationalrat, Verkehrsausschuss)  Inntal Gemeinschaft e. V., 12.09.2006 (Bürgerinitiative Inntal Gemeinschaft e. V.)  Kerschbaum Elisabeth, Die Grünen, 31.10.2006 (Bundesrat, Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie des BR)  Kury Christina, Grüne, 23.08.2006 (Südtiroler Landtag, 4. Gesetzgebungskommission)  Kusstatscher Sepp, Europäische Grüne, 14.09.2006, (Europäisches Parlament, Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr)  Lamprecht Helmut, 1.09.2006 (WKO – Wirtschaftskammer Tirol, Abt. Verkehrswesen)  Lichtenberger Eva, Europäische Grüne, 24.08.2006, (Europäische Grüne, Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr)  Lindinger Ewald, SPÖ, 12.10.2006, (Bundesrat, Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie des BR)  Moser Gabriela, Die Grünen, 7.09.2006, (Nationalrat, Verkehrsausschuss)  Neyer Siegfried, FPÖ, 4.10.2006 (Umweltausschuss des Vorarlberger Landtags)  Pircher Olga, SPÖ, 4.08.2006 (Vorarlberger Landtag, Umweltausschuss)  Rack Reinhard, EVP/ED, 25.10.2006 (Europäisches Parlament, Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr)  Reiter Heidi, Die Grünen, 11.10.2006 (Salzburger Landtag, Ausschuss für Raumordnung, Umweltschutz und Verkehr des Salzburger Landtags)  Rest-Hinterseer Heidemarie, Die Grünen, 8.09.2006 (Nationalrat, Verkehrsausschuss)  Stranner Ed, 7.11.2006 (Bürgerinitiative)  Stubenböck Martin, 9.11.2006 (Arbeiterkammer Tirol, Abt. Umwelt und Verkehr)  Türtscher Josef, ÖVP, 10.09.2006 (Vorarlberger Landtag, Umweltausschuss)  Van Embden Meerkamp, 8.09.2006 (Alpenforum)  Westerhof Jurrien, 25.09.2006 (Greenpeace Österreich)  Wiesflecker Katharina, Die Grünen, 7.09.2006 (Vorarlberger Landtag, Umweltausschuss)  Zanon Roman, 7.09.2006 (Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol)  Zwerschitz Barbara, Die Grünen, 21.12.2006 (Nationalrat, Verkehrsausschuss)

Interviews

 Bidner Christian Dr., Leiter des Tirol Büros, Brüssel, 16.07.2008, 16.00 – 17.00 Uhr

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 Kaschnitz Rudolf Dr., Verkehrsattachè bei der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union, Brüssel, 17.07.2008, 12.30 – 13.45 Uhr  Kusstatscher Sepp, MEP (Federazione dei Verdi/Grüne), Brüssel, 14.07.2008, 18.00 – 18.35 Uhr  Leichtfried Jörg Mag., MEP (SPÖ). Brüssel, 17.07.2008, 11.30 – 11.50 Uhr  Lichtenberger Eva Dr., MEP (Die Grünen), Brüssel, 2.07.2008, 15.40 – 16.30 Uhr  Rack Reinhard Univ.-Prof. Dr., MEP (ÖVP), Brüssel, 15.07.2008, 17.30 – 18.05 Uhr

Vorträge/Konferenzen/Podiumsdiskussionen/Sonstiges

 Alde Hellmut Asc. Prof. (FH), FH KufsteinTirol: Vortrag „Die Alpentransitbörse – ein mögliches marktwirtschaftliches Instrument? Auswirkungen auf das heimische Transportgewerbe“, Kufsteiner Verkehrskonferenz: „Verkehrsentwicklung als Eck- pfeiler der Regionalplanung“, 27.03.2007 (FH KufsteinTirol).  Bergmeister Konrad Univ.-Prof. DI DDr. (BBT SE): Podiumsdiskussion „Der Basistunnel unter dem Brennerpass: das derzeit größte Bauvorhaben Europas im Verkehrssektor“, 16.01.2008 (SOWI Innsbruck).  Bodenseer Jürgen KommR Dr., Wirtschaftskammer Tirol: Vortrag „Thematische Ausrichtung“, Kufsteiner Verkehrskonferenz: „Verkehrsentwicklung als Eckpfeiler der Regionalplanung“, 27.03.2007 (FH KufsteinTirol).  Engelhardt-Nowitzki Corinna Dr., Montanuniversität Leoben: Vortrag „Die Verkehrsentwicklung als Eckpfeiler der Regionalplanung“, Kufsteiner Verkehrskonferenz: „Verkehrsentwicklung als Eckpfeiler der Regionalplanung“, 27.03.2007 (FH KufsteinTirol).  Galle Ewald, Beantwortung einer Frage via E-Mail vom 6.12.2006 (BMLFUW)  Herdina Johann DI, Brenner Eisenbahngesellschaft (BEG): Vortrag „Die Unterinntaltrasse“, Kufsteiner Verkehrskonferenz: „Verkehrsentwicklung als Eckpfeiler der Regionalplanung“, 27.03.2007 (FH KufsteinTirol).  Knoflacher Hermann Univ.-Prof. DI Dr., TU Wien: Vortrag: „The Alps – Barriers for Physical Mobility but Support for mental Mobility in Europe”, Internationale Konferenz “Managing Alpine Future”), 16.10.2007 (Congress Innsbruck)  Lindenberger Hans DI, Landesrat für Verkehr und Umwelt, SPÖ-Tirol: Vortrag „Problemfall Verkehr: Was kann Tirol dagegen tun?“, 15.02.2006 (Hotel Nußbaumhof in Landeck/Tirol).  Neff Andreas DI, FH KufsteinTirol: Vortrag „Alternative Kraftstoffe“, Kufsteiner Verkehrskonferenz: „Verkehrsentwicklung als Eckpfeiler der Regionalplanung“, 27.03.2007 (FH KufsteinTirol).  Schopf Josef Michael, Univ.-Prof. DI Dr., TU Wien: Podiumsdiskussion „Der Basistunnel unter dem Brennerpass: das derzeit größte Bauvorhaben Europas im Verkehrssektor“, 16.01.2008 (SOWI Innsbruck).  Schleiche-Tappeser Ruggero Dr., Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention, Innsbruck. Vortrag: „Transport and Mobility in the Alps“, Internationale Konferenz “Managing Alpine Future”), 16.10.2007 (Congress Innsbruck)  Stoiber Thomas DI, TU München: Vortrag: „Sustainability of the Alpine Railway Projects – an Analysis of the “, Internationale Konferenz “Managing Alpine Future”), 16.10.2007 (Congress Innsbruck)  Tappeiner Gottfried Univ.-Prof. Dr., Universität Innsbruck: Podiumsdiskussion „Der Basistunnel unter dem Brennerpass: das derzeit größte Bauvorhaben Europas im Verkehrssektor“, 16.01.2008 (SOWI Innsbruck).

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