NR. 114 02.10.2012

POLEN- ANALYSEN

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DAS VERHÄLTNIS ZU RUSSLAND

■■ANALYSE Die polnisch-russischen Beziehungen nach der Flugzeugkatastrophe von 2 Jarosław Ćwiek-Karpowicz, Warschau ■■UMFRAGE Die Einstellung der Polen zu anderen Nationen 7

■■CHRONIK Vom 18. September bis zum 1. Oktober 2012 11

Herausgegeben mit finanzieller Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit

Forschungsstelle  Deutsche Gesellschaft Osteuropa für Osteuropakunde e.V. POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 2

ANALYSE

Die polnisch-russischen Beziehungen nach der Flugzeugkatastrophe von Smolensk Jarosław Ćwiek-Karpowicz, Warschau

Zusammenfassung Die Flugzeugkatastrophe von Smolensk (April 2010), bei der der polnische Staatspräsident und die ihn beglei- tende Delegation auf dem Weg zur Gedenkfeier zum 70. Jahrestag des Massakers von Katyn ums Leben kamen, war in der Nachkriegsgeschichte beispiellos. Nie zuvor waren so viele Menschen aus Schlüsselpo- sitionen des Staates tödlich verunglückt. Zwei Jahre nach diesem Ereignis ist festzuhalten, dass infolge der Katastrophe keine wesentlichen Veränderungen in den polnisch-russischen Beziehungen eingetreten sind. Dies ist auf die Politik der beiden Regierungen zurückzuführen, die sich bemühen, die Probleme, die mit der Aufklärung des Unfalls zu tun haben, nicht mit anderen Fragen der bilateralen Beziehungen zu verknüp- fen. Ein weiterer Grund liegt in den aktuellen internationalen Beziehungen selbst, in denen die Außenpoli- tik immer stärker von globalen Prozessen und weniger von Einzelereignissen determiniert ist.

er Absturz der Präsidentenmaschine am Flugha- erbietung gegenüber den im Frühjahr 1940 vom NKWD Dfen von Smolensk am 10. April 2010 war hin- ermordeten 20.000 polnischen Kriegsgefangenen, vor sichtlich der Anzahl der Todesopfer eine der größten allem Offizieren und Polizisten, zum Ausdruck bringen, Tragödien in der Geschichte der polnischen Luftfahrt. sondern auch ein Bekenntnis zu der Wahrheit, die von Da auch das Staatsoberhaupt tödlich verunglückt war, den kommunistischen Machthabern fast bis zum Ende wurde sie manchmal mit anderen Flugzeugunfällen ver- der Sowjetunion verborgen worden war. Erst im April glichen, u. a. mit dem Absturz des Generalsekretärs der 1990 hatte die Politik der UdSSR die Verantwortung UNO, Dag Hammarskjöld, des pakistanischen Staats- für das Massaker von Katyn eingestanden; Boris Jelzin, präsidenten Mohammed Zia ul-Haq oder des makedo- der Staatspräsident Russlands, übergab der polnischen nischen Präsidenten Boris Trajkovski. Was die Kata- Seite im Oktober 1992 einen Teil der Dokumentation strophe von Smolensk von anderen Flugzeugunfällen zu diesem Thema. Der Mord von Katyn war die »Grün- unterscheidet, ist die sehr große Anzahl der Verunglück- dungslüge der Volksrepublik Polen«, was sowohl Minis- ten, die wichtige Positionen im Staat innehatten. In terpräsident in seiner Rede am 7. April Smolensk kamen 88 Passagiere und acht Besatzungs- 2010 betonte als auch Staatspräsident Lech Kaczyński mitglieder ums Leben, darunter der polnische Staats- in seiner Rede, die er für den 10. April 2010 vorberei- präsident Lech Kaczyński und seine Ehefrau Maria, tet hatte. Die Verbreitung der »Katyn-Lüge« durch die der letzte Staatspräsident der Republik Polen im Exil, kommunistischen Machthaber, auf die das Nachkriegs- Ryszard Kaczorowski, die stellvertretenden Sejmmar- polen aufgebaut wurde, hatte eine gegenteilige Wirkung. schälle Jerzy Szmajdziński und , die Obwohl sie sich damit Repressionen aussetzten, gab es stellvertretende Senatsmarschallin Krystyna Bochenek, Menschen, die die Wahrheit über Katyn forderten und Abgeordnete und Senatoren aller Fraktionen im Sejm, gleichzeitig den Mythos eines unabhängigen Polen schu- Leiter von wichtigen staatlichen Institutionen wie dem fen. Dieser war außerordentlich hilfreich, unterschied- Büro für Nationale Sicherheit, der Präsidialkanzlei, der liche demokratische Milieus zu integrieren, vor allem Polnischen Nationalbank und dem Institut für Natio- als die Gewerkschaft Solidarność im August 1980 ent- nales Gedächtnis sowie Vertreter vieler Ministerien, von stand. Ihre Mitbegründerin und legendäre Aktivistin Veteranenverbänden und gesellschaftlichen Organisa- Anna Walentynowicz gehörte zu den Passagieren des tionen. Die Katastrophe von Smolensk wird auch als tragischen Flugs nach Smolensk. die größte Tragödie der Polnischen Armee nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet, denn im Flugzeug saßen Der Stand der Beziehungen vor der auch der Generalstabschef und die Chefs der Teilstreit- Katastrophe – die Anfänge einer kräfte der Polnischen Armee. Zur Delegation gehörten Normalisierung auch die Oberhäupter des katholischen, orthodoxen und Die polnisch-russischen Beziehungen wurden in den evangelischen Feldordinariats. letzten 20 Jahren von vielen die Entwicklung einer gut- Die Teilnahme von Staatspräsident Lech Kaczyński nachbarschaftlichen Zusammenarbeit dauerhaft stören- und anderen Angehörigen der polnischen politischen den Problemen belastet. Im Vordergrund standen das Elite an der Gedenkfeier in Katyn sollte nicht nur Ehr- mangelnde Vertrauen in Sicherheitsfragen und gegen- POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 3

sätzliche wirtschaftliche Interessen (vor allem in Ener- Eine Belebung der polnisch-russischen Kontakte auf giefragen), unterschiedliche Haltungen gegenüber den höchster Ebene wurde durch den lang erwarteten Besuch gemeinsamen Nachbarstaaten und dem gesamten post- des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin in sowjetischen Raum sowie unterschiedliche Bewertun- Polen im September 2009 eingeleitet. Im selben Jahr gen des kommunistischen Erbes. Mit der sich verändern- wurde auch nach einer mehrjährigen Pause die Tätig- den Bewertung des internationalen Energiemarkts in keit des Komitees für die Strategie der polnisch-russi- den Jahren 2008 und 2009 ergab sich in den bilateralen schen Zusammenarbeit wieder aufgenommen, in dem Beziehungen die Chance einer pragmatischen Zusam- unter dem Vorsitz der Außenminister Vertreter verschie- menarbeit in den Angelegenheiten, in denen beide Län- dener Ressorts aus beiden Ländern beraten. Darüber der ähnliche Interesse hatten, wobei diese gleichzeitig hinaus wurden die jährlichen Beratungen der Polnisch- von den strittigen Fragen isoliert wurden. Eine solche Russischen Regierungskommission für Wirtschaftliche Herangehensweise war für beide Seiten günstig, denen Zusammenarbeit reaktiviert, die von den Ministern für aus unterschiedlichen Gründen daran gelegen war, ihr Infrastruktur und Transport geleitet werden. Ebenso internationales Ansehen zu verbessern. Gleichzeitig wurde der Dialog auf der Ebene der Parlamente und erlaubte ihnen dies, ihre unterschiedlichen Positionen der Selbstverwaltungen intensiviert, u. a. indem das in Fragen aufrecht zu erhalten, die offenbar dauerhaft erste Polnisch-Russische Forum der Regionen organi- einen Dissens hervorrufen würden. Die Intensivierung siert wurde. Die römisch-katholische Kirche in Polen der Kontakte sollte Polen einige grundsätzliche politi- und die russisch-orthodoxe Kirche nahmen die Arbeit sche und wirtschaftliche Vorteile einbringen, u. a. die an einer gemeinsamen Botschaft an die polnische und Ausweitung der Handelskontakte und der beiderseiti- russische Nation auf. gen Investitionen sowie die Aktivierung der Grenzregio- Anfang 2010 nahm die Intensivierung des politi- nen. Außerdem ging es darum, der Weltöffentlichkeit schen Dialogs ihren Fortgang. Viele Hoffnungen ver- zu bestätigen, dass Polen in der Lage ist, mit Russland banden sich damit, dass Donald Tusk von Wladimir sachlich zusammenzuarbeiten, was sich zugunsten einer Putin eingeladen wurde, an der Gedenkfeier zum Jah- stärkeren Position in der NATO und in der Europäi- restag des Verbrechens von Katyn am 7. April teilzu- schen Union auswirken sollte. nehmen. Man rechnete damit, dass die Anwesenheit Die Verbesserung der Beziehungen zum östlichen des russischen Ministerpräsidenten in Katyn zur Wie- Nachbarn wäre ohne die Veränderungen in der russi- deraufnahme der Untersuchungen durch die russische schen Politik ab dem Jahr 2008 äußerst schwierig gewe- Staatsanwaltschaft und die juristische Rehabilitierung sen. Vorher hatten die Entscheidungsträger Russlands der Opfer beitragen würde, sowie dazu, dass alle Akten das Wohlergehen des Landes zu stark von der intensi- der russischen Untersuchungen aus den Jahren 1990 bis ven Förderung von Energierohstoffen abhängig gemacht. 2004 von der Geheimhaltung befreit und der polnischen Infolge starker Preisschwankungen für Erdöl auf dem Seite zugänglich gemacht würden, was die Identifizie- Weltmarkt, einer geringeren europäischen Nachfrage rung von noch nicht bekannten Orten des Massakers nach russischem Erdgas sowie der verstärkten Entwick- erlauben würde. In seiner Rede stellte Putin den verbre- lung von Fördermethoden für Gas aus nicht-konventio- cherischen Charakter des kommunistischen Totalita- nellen Quellen kamen die russischen Entscheidungs- rismus heraus, der vor dem Leben von Hunderttausen- träger offenbar zu der Überzeugung, dass die bisherige den Menschen nicht haltgemacht hatte, ohne Rücksicht Politik gegenüber dem Westen, Primärrohstoffe anzu- auf Nationalität, Überzeugungen und Religion. Diese bieten, keinen Bestand haben würde. Die von Mos- wichtigen Worte des russischen Ministerpräsidenten, die kau aufgebauten strategischen Energiepartnerschaften allerdings auf viel größere Aufmerksamkeit in den pol- mit ausgewählten europäischen Hauptstädten began- nischen als in den russischen Medien stießen, verurteil- nen infolge der sich ändernden Bedingungen auf dem ten eindeutig jegliche Versuche, die Zeit des Stalinismus Rohstoffmarkt und der wachsenden Finanzkrise eine und des kommunistischen Systems zu glorifizieren, die geringere Rolle zu spielen, und die bisherigen Partner in der russischen Öffentlichkeit unternommen wurden. in Berlin, Paris und Rom, die sich nun stärker auf die Andererseits überging Putin die Frage nach der rechtli- inneren Probleme der Europäischen Union konzentrier- chen Verantwortung Russlands für das Verbrechen von ten, waren nicht mehr so sehr an engen Beziehungen mit Katyn und verwies stattdessen auf den angeblichen Ver- dem Kreml interessiert. Für die anderen großen euro- such, die ganze Nation mit dieser Schuld zu belasten. päischen Staaten, mit denen Russland nicht so enge Ein konkretes Ergebnis des Treffens der beiden Regie- Kontakte wie mit Deutschland, Frankreich und Italien rungschefs war der Beschluss, in beiden Ländern eine unterhielt, ergab sich die Chance, in eine neue Etappe staatliche Institution zu gründen, deren gesellschaftli- der Zusammenarbeit einzutreten. che, kulturelle und wissenschaftliche Tätigkeit sich auf POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 4

die Annäherung und das gegenseitige Verständnis bei- aus dem Jahr 2004 der polnischen Seite zur Verfügung der Nationen konzentrieren sollte. gestellt haben. Ähnliche Probleme bestehen in den polnisch-russi- Die Folgen der Katastrophe für die schen Beziehungen im Zusammenhang mit der Untersu- Entwicklung der Beziehungen chung der Ursachen für den Flugzeugabsturz von Smo- Der Flugzeugabsturz der polnischen Präsidentenma- lensk. Trotz einer Erklärung über enge Zusammenarbeit schine am 10. April 2010 hatte zur Folge, dass sich die mit der polnischen Seite hat Russland bisher viele wich- polnische und die russische Gesellschaft in gemeinsa- tige Dokumente zu den russischen Flugabläufen und mer Trauer verbanden. Staatspräsident Dimitri Med- dem Smolensker Flughafen und dessen Flugsicherung wedjew wandte sich am selben Tag mit einer Botschaft nicht zugänglich gemacht und auch das Flugzeugwrack an die polnische Nation, in der er tiefes Mitgefühl zum und die Flugschreiber als Hauptbeweismittel nicht über- Ausdruck brachte und die Anordnung einer Staatstrauer geben. Viele Kontroversen rief auch eine Pressekonferenz ankündigte. Diese Geste war deshalb etwas Besonderes, des Zwischenstaatlichen Flugausschusses (russ. MAK) weil die politisch Verantwortlichen Russlands zuvor nie Anfang 2011 hervor, der ein Exekutivorgan der Gemein- Staatstrauer wegen des Todes von Bürgern anderer Staa- schaft Unabhängiger Staaten (GUS) ist. Vorgestellt wur- ten angeordnet hatten. Einen Tag später wurde im russi- den dort die Ergebnisse des Abschlussberichts von MAK schen Fernsehen in der Hauptsendezeit der Film »Katyn« zur Flugzeugkatastrophe. Der Bericht stellte eine Reihe des polnischen Regisseurs Andrzej Wajda ausgestrahlt; von Faktoren auf der polnischen Seite dar, die zu dem dieser hatte vorher keine Verbreitung in den russischen Absturz beigetragen hatten, nannte aber keinen Fak- Kinos gefunden, sieht man von den wenigen geschlos- tor, der auf eine russische Mitverantwortung hinwei- senen Vorstellungen ab, die von polnischen staatlichen sen würde. Darüber hinaus war auf der Konferenz kein Institutionen in Russland organisiert worden waren. Repräsentant Polens zugegen, und die vorher von polni- Die Atmosphäre der gemeinsam erlebten Tragödie scher Seite übermittelten Anmerkungen zum Abschluss- und die vielen Zeichen von tiefer Anteilnahme und Sym- bericht wurden während der Pressekonferenz nicht vor- pathie, die Russen Polen entgegenbrachten, nährten die gestellt, obgleich sie einen integralen Bestandteil des Hoffnung auf eine Annäherung beider Nationen und die Berichts darstellten. Sie wurden lediglich in polnischer Versöhnung in Sachen Katyn. Das Verhalten der poli- Sprache auf den Internetseiten von MAK veröffentlicht. tisch Verantwortlichen Russlands zeugte einerseits von Die zunehmenden Unterschiede bei der Bewertung dem Wunsch, die Angelegenheit Katyn abzuschließen der Verbrechen von Katyn und des Flugzeugunglücks und die Beziehungen zu Polen zu verbessern, anderer- von Smolensk hemmten aber nicht den Prozess einer seits wich die russische Führung nicht grundlegend von Normalisierung der bilateralen Kontakte. Sowohl der der bisher verfolgten Linie ab, die juristische Rehabilitie- polnischen als auch der russischen Regierung lag an der rung der polnischen Opfer abzulehnen. Zu den positiven Fortsetzung des politischen Dialogs, vor allem mit dem Aspekten gehört der Beschluss der ersten Kammer des Ziel, die eigene Position in den Beziehungen zu anderen russischen Parlaments vom 26. November 2010, in der Staaten zu stärken. Anfang September 2010 nahm der das Verbrechen von Katyn verurteilt wurde und Josef russische Außenminister Sergej Lawrow an den jährli- Stalin und andere sowjetische Führer als Verantwort- chen Beratungen der polnischen Botschafter [im War- liche benannt wurden. In diesem Beschluss steht aber schauer Außenministerium – d. Red.] teil, was die inter- auch, dass die Geschichte selbst die Opfer des Verbre- nationale Öffentlichkeit vom wachsenden Vertrauen chens von Katyn rehabilitiert habe, und zwar in Gestalt zwischen Polen und Russland überzeugen sollte. Im Mai der sowjetischen Soldaten, die in Polen gefallen waren, 2011 trafen sich die Außenminister Polens, Russlands als sie es von den Nationalsozialisten befreiten. Dies und Deutschlands in Kaliningrad, um u. a. die aktuellen bedeutet, dass die russische Seite keine Notwendigkeit Herausforderungen, die vor der Zusammenarbeit Russ- sieht, die Opfer juristisch zu rehabilitieren, was die pol- land – EU im Energiesektor standen, die Aufhebung der nische Seite aber seit Jahren fordert. Die Oberste Militär- Visumspflicht zwischen Russland und der EU und die staatsanwaltschaft der Russländischen Föderation, die Probleme des Funktionierens der Demokratie und der keine Wiederaufnahme der Untersuchung will, behan- Einhaltung der Menschenrechte in Belarus zu diskutie- delt das Verbrechen von Katyn immer noch als gewöhn- ren. Ein ähnliches Treffen im Rahmen des sogenann- liches Verbrechen und nicht als ein Kriegsverbrechen, ten Kaliningrader Dreiecks fand 2012 in Berlin statt. das keiner Verjährung unterliegt. Hinzu kommt, dass Die Intensivierung der polnisch-russischen politi- die Verantwortlichen nicht alle Untersuchungsakten schen Beziehungen, deren Dynamik nach dem Flug- zu Katyn und auch nicht die Kopien des streng gehei- zeugunglück von Smolensk ungebrochen blieb, über- men Beschlusses über das Einfrieren der Untersuchung trug sich nur in geringem Maß auf die Partnerschaft POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 5

zwischen Russland und der Europäischen Union, ein plexe Freihandelszonen mit Moldawien und Georgien. neues Abkommen auszuhandeln, das das 1994 unter- Aufgrund der sich verschlechternden politischen Lage zeichnete »Partnerschafts- und Kooperationsabkom- in der Ukraine, die vor allem auf die Inhaftierung der men« ersetzen und inhaltlich erweitern soll, und die Oppositionsführerin Julia Timoschenko zurückzufüh- jährlichen Berichte der Europäischen Kommission, die ren ist, ist es bisher allerdings nicht gelungen, das Asso- die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der EU ziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland im Rahmen der sogenannten vier gemein- und der Ukraine zu unterzeichnen. samen Bereiche bewerten, informieren seit einigen Jah- ren über einen Mangel an konkreten Errungenschaften. Veränderungen in der gegenseitigen Ebenso schwierig ist es, über irgendeinen Einfluss des Wahrnehmung polnisch-russischen Dialogs auf die Lösung von Schlüs- Die Katastrophe von Smolensk war ein Ereignis, das von selfragen im Verhältnis NATO – Russland zu sprechen. den polnischen und russischen Medien breit kommen- Immer noch ohne eine klare Antwort bleibt die Frage tiert wurde und in beiden Gesellschaften starke Emo- der Errichtung eines Antiraketenschilds, der Zukunft tionen hervorrief. Dies zeigten auch die spontanen und der Arsenale von taktischen Kernwaffen in Europa und massenhaften Blumenniederlegungen oder das Aufstel- der Kontrolle der konventionellen Rüstung. Dank der len von Kerzen vor dem Präsidentenpalast in Warschau polnisch-russischen Annäherung gelang allerdings eine sowie auch in Russland vor der Botschaft der Republik teilweise Liberalisierung der Visumspflicht zwischen der Polen und am Ort des Unglücks. Ganz offensichtlich EU und Russland, doch lässt sich schwerlich von irgend- glaubte man, dass das tragische Ereignis wesentlichen einem Einfluss der Flugzeugkatastrophe auf diese Ent- Einfluss auf die zukünftige gegenseitige Wahrnehmung scheidung sprechen. Im Dezember 2011, gegen Ablauf von Polen und Russen haben würde, sei es, dass es zu des polnischen Vorsitzes der EU-Ratspräsidentschaft, einem größeren Verständnis und zur Vergebung der konnte Polen die Europäische Kommission und die Mit- auf beiden Seiten bestehenden Schuld führen würde gliedsländer überzeugen, die EU-Regulierung des »klei- oder aber zu einem größeren Misstrauen und weite- nen Grenzverkehrs« auf das gesamte Gebiet Kaliningrad ren Anschuldigungen. Die Ergebnisse der ersten Mei- und die entsprechenden Gebiete auf der polnischen Seite, nungsumfragen nach der Tragödie von Smolensk zeigen, die Woiwodschaften Pommern (�����wojew�ó������������dztwo pomor- dass das Unglück nicht zu der erwarteten Polarisierung skie)�������������������������������������������� und Ermland-Masuren (���������������������woj. warmińsko-mazur- geführt hat und sein Einfluss auf eine Veränderung der skie) auszuweiten. gegenseitigen Wahrnehmung nur begrenzt war. Die Katastrophe von Smolensk rief auch keine Ver- Auf der Grundlage regelmäßiger Untersuchungen änderung in der bisherigen Politik Polens und Russ- der öffentlichen Meinungen lässt sich feststellen, dass lands gegenüber den gemeinsamen Nachbarn hervor. sich die beiden Nationen vor dem Beitritt Polens zur Die russische Führung ist der NATO-Osterweiterung NATO und zur EU extrem unterschiedlich einschätz- gegenüber immer noch negativ eingestellt und strebt ten. Während die Russen die Polen immer noch durch eine Schwächung der Position der neuen Mitglieder an. das Prisma des ehemaligen Verbündeten aus der Zeit des Sie zeigt eine weitreichende Skepsis, was die Bemühun- Kalten Krieges betrachteten und ihnen deutlich große gen der EU um die Integration ihrer östlichen Partner Sympathien entgegenbrachten, dominierte unter den (Ukraine, Moldawien, Georgien, Aserbaidschan, Arme- Polen eine negative Bewertung der Russen, die häufig nien und Belarus) anbelangt, die darauf zielen, Asso- mit kommunistischen Repressionen und eingeschränk- ziierungsabkommen zu unterzeichnen und Freihan- ter Souveränität identifiziert wurden. Im Laufe der Zeit delszonen einzurichten. Russland entwickelt verstärkt begannen sich die Unterschiede in der gegenseitigen Konkurrenzprojekte zur Integration im Rahmen der Wahrnehmung anzugleichen. Einen entscheidenden GUS, beispielsweise eine Zollunion, um die Liberalisie- Einfluss auf Veränderungen des Images hatten der Bei- rung des Handels zu kontrollieren und dabei die Position tritt Polens zur EU und die polnische Unterstützung für einzelner postsowjetischer Staaten von sich abhängig zu die Ukraine in der Zeit des demokratischen Wandels und machen. Die polnische Regierung wiederum scheint vor der sogenannten Orangen Revolution. Seitdem lässt sich wie nach der Flugzeugkatastrophe gleichermaßen stark in der polnischen Gesellschaft eine schrittweise Verbes- dahin zu zielen, die Staaten der Östlichen Partnerschaft serung der Einstellung gegenüber den Russen wahrneh- der Europäischen Union anzunähern. Zwei Jahre nach men, während in der russischen Gesellschaft die Anti- dem Gründungsgipfel der Partnerschaft in Prag kam es pathie gegenüber den Polen stieg. auf polnische Initiative zu einem weiteren Gipfeltreffen Die Verbesserung der politischen Kontakte seit 2008 zwischen der EU und den Partnerländern, und es began- verbesserte nur unwesentlich die Einstellung beider nen die Verhandlungen über ein Abkommen über kom- Gesellschaften zueinander. In Polen überwogen zum POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 6

ersten Mal seit dem Zusammenbruch des kommunis- zur Nutzung freigegeben wird, was Russland in einigen tischen Systems positive und nicht negative Meinungen Jahren erlauben wird, Erdöl über die eigenen Ostseehä- über die Russen unter den Befragten. Große Anstren- fen zu verschicken und dabei die Haupttrasse des Pipe- gungen, die negativen Stereotype zu durchbrechen, linesystem »Druschba« zu umgehen, über die die Öllie- unternehmen die Oberhäupter der katholischen und ferungen unter anderem zu den polnischen Raffinerien der russisch-orthodoxen Kirche, die während einer Pil- in Danzig (Gdańsk) und Plock (Płock) erfolgen. gerreise des Moskauer Patriarchen Kyrill I. nach Polen Die Normalisierung der politischen Beziehungen im August 2012 einen gemeinsamen Appell zu gegen- schlug sich bisher auch nicht in Form privilegierter seitigem Verständnis und zur Versöhnung der Natio- Bedingungen für den Kauf von russischem Gas nieder, nen veröffentlichten. wie das in den Beziehungen Russlands zu anderen Staa- ten der Fall ist. Die Preisgestaltung für diesen Rohstoff Ungelöste Probleme in den wirtschaftlichen hat eher damit zu tun, dass Polen die Möglichkeiten Beziehungen fehlen, die externen Rohstofflieferanten zu diversifizie- Die nach der Katastrophe von Smolensk fortgesetzte ren, als mit dem Klima zwischen Warschau und Mos- Normalisierung der politischen Beziehungen zwischen kau. Im Ergebnis zahlt Polen – drittgrößter Abnehmer Polen und Russland führte zu keinem wesentlichen für russisches Erdgas in der Europäischen Union – zur- Wachstum des bilateralen Handels. Zwar gelang es den zeit den höchsten Preis. Trotz der Verbesserung der poli- polnischen Firmen, die negativen Folgen des wirtschaft- tischen Beziehungen auf höchster Ebene ist es dem pol- lichen Einbruchs in Russland im Jahr 2009 zu überwin- nischen Erdgaskonzern PGNiG nicht gelungen, einen den, aber der Anstieg des Handelsumsatzes zwischen niedrigeren Preis für russische Gaslieferungen auszu- Polen und Russland in den folgenden Jahren war mit handeln, was dagegen fünf andere europäische Firmen dem Anstieg zwischen Russland und anderen Ländern Anfang 2012 erreicht hatten, und zwar die deutsche vergleichbar. Für Russland steht Polen nach Deutsch- Firma Wingas, die französische GdF Suez, die österrei- land, den Niederlanden, Italien und Frankreich weiter- chische Econgas, die italienische Singerie Italiane und hin auf Platz fünf der EU-Handelspartner; Russland die slowakische Firma SPP. Folglich zog PGNiG den steht an dritter Stelle der polnischen Handelspartner. russischen Konzern Gazprom vor das Schiedsgericht in Trotz einer negativen Handelsbilanz – der Import aus Stockholm und hofft auf eine dahingehende Änderung Russland ist fast dreimal so hoch wie der Export nach der Preisformel, dass diese stärker mit dem Ölkurs als Russland – pflegt Polen, ähnlich wie andere EU-Län- mit dem Gaspreis auf dem freien Markt verknüpft wird. der, eine vorteilhafte Handelsstruktur mit seinem östli- chen Nachbarn: Importiert werden hauptsächlich Roh- Fazit stoffe, das heißt Erdgas und Erdöl, exportiert werden Trotz des Flugzeugunglücks von Smolensk und seiner hochwertig verarbeitete Waren. tiefen symbolischen Bedeutung beeinflusste es nur in Trotz der Verbesserung der politischen Beziehungen geringem Maße die polnisch-russischen Beziehungen zu Russland ist es Polen bisher nicht gelungen, die Han- insgesamt. Entgegen der Erwartungen führte es zu kei- delsbedingungen für Energierohstofflieferungen zu ver- ner wesentlichen Veränderung in den politischen Bezie- bessern. Seit dem Kauf der Erdölraffinerie in Mozejki hungen: Weder hielt es die vorher eingesetzte Normali- (Litauen) durch den polnischen Erdölkonzern PKN sierung in den bilateralen Kontakten auf noch half es bei Orlen im Jahr 2006 wird die Raffinerie nicht mehr von der Lösung von Schlüsselproblemen. Dieser begrenzte den russischen Ölkonzernen beliefert. Diese transpor- Einfluss der Katastrophe von Smolensk auf die poli- tieren kein Erdöl mehr über den nördlichen Abschnitt tischen Beziehungen war zum Teil ein Ergebnis des des Pipelinesystems »Druschba«, sondern wählen den bewussten Handelns der Regierungen beider Länder, die Transport über den Seeweg und nutzen die Ostseehäfen sich bemüht hatten, die Probleme bei der Aufklärung des in Primorsk (bei Kaliningrad) und Būtingė (Litauen). Unfalls nicht mit anderen Problemen in den polnisch- Obgleich es aufgrund des Geschäftsgeheimnisses schwie- russischen Beziehungen zu verknüpfen, ebenso wenig rig ist, die zusätzlichen Kosten für PKN Orlen zu schät- wie mit Problemen in den Beziehungen zwischen Russ- zen, die sich durch die Verlagerung der Lieferung auf land und der EU bzw. der NATO. Zum Teil ergab sich den Seeweg ergeben, wird der polnische Konzern zwei- der begrenzte Einfluss auch aus den aktuellen internatio- fellos Verluste verzeichnen, bedingt durch die logisti- nalen Beziehungen selbst: Die Außenpolitik wird immer schen Schwierigkeiten, die der Export von Raffinerie- stärker von innenpolitischen Problemen bestimmt, bei- produkten über überlastete litauische Erdölterminals spielsweise von dem Modernisierungsdruck oder von mit sich bringt. Eine ähnliche Situation kann eintreten, demographischen Fakten, als von einzelnen Ereignis- wenn der zweite Teil des »Baltic Pipeline System BTS-2« sen in den Außenbeziehungen. 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Am geringsten bestimmte die Katastrophe von Smo- schaftlichen Wahrnehmung beobachten lassen, die lensk die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Polen durch die Katastrophe selbst und durch die Art und und Russland, die mehr von globalen Trends und logis- Weise, die Aufklärung des Unglücks durchzuführen, tisch-infrastrukturellen Bedingungen abhängig sind als hervorgerufen werden. Der Trend dieser Veränderun- von der Chemie zwischen Regierungsvertretern. Am gen ist jedoch noch nicht sicher abzusehen. stärksten müssten sich Veränderungen in der gesell- Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Über den Autor Dr. Jarosław Ćwiek-Karpowicz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaften der Universität Warschau (Instytut Nauk Politycznych, Uniwersytet Warszawski) und Koordinator des »Programms Ost- und Südosteuropa« (������������������������������������������������������������������������������������������Program ds. Europy Wschodniej i Południowo-Wschodniej)������������������������������������ am Polnischen Institut für Interna- tionale Angelegenheiten (Polski Instytut Spraw Międzynarodowych), Warschau.

UMFRAGE

Die Einstellung der Polen zu anderen Nationen Grafik 1: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Russen bezeichnen? (1998–2012, %)

80 positiv 60 negativ

40

20

0 1998 1999 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2010 2011 2012

Quelle: CBOS BS/13/2011 Stosunek Polaków do innych narodów [Das Verhältnis der Polen zu anderen Nationen]. Warszawa 02/2011 und CBOS BS/22/2012 Stosunek Polaków do innych narodów [Das Verhältnis der Polen zu anderen Nationen]. Warszawa 02/2012. www.cbos.pl

Grafik 2: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Polen bezeichnen? (2000–2011, %)

100 positiv

80 negativ

60

40

20

0 Sep 00 Dez 01 Aug 03 Dez 04 Dez 06 Mrz 07 Jun 07 Nov 07 Feb 08 Mrz 10 Mai 10 Mai 11

Quelle: Otnoschenie k drugim stranam (mai 2011) [Das Verhältnis zu anderen Ländern (Mai 2011)], repräsentative Meinungsumfrage des russischen Meinungsforschungsinstituts Levada-Center (Moskau), http://www.levada.ru/01-06-2011/otnoshenie-k-drugim-stranam-mai-2011 POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 8

Grafik 3: Veränderungen der Sympathie gegenüber ausgewählten Nationen

*verstanden als national-ethnische Minderheit CBOS, BS/13/2011: Stosunek Polaków do innych narodów [Das Verhältnis der Polen zu anderen Nationen]. Warszawa 02/2011. www.cbos.pl

Grafik 4: Veränderungen der Antipathie gegenüber ausgewählten Nationen

*verstanden als national-ethnische Minderheit CBOS, BS/13/2011: Stosunek Polaków do innych narodów [Das Verhältnis der Polen zu anderen Nationen]. Warszawa 02/2011. www.cbos.pl POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 9 31 51 23 32 33 54 38 32 43 53 37 40 47 55 33 44 26 40 49 52 48 26 34 51 52 31 57 24 53 58 28 32 52 29 2012 - - - 43 23 28 31 44 33 31 38 45 34 43 40 47 31 36 36 45 42 39 24 32 41 28 49 22 47 51 29 32 46 30 2011 - - - 45 24 29 34 50 37 29 39 51 32 47 46 52 31 40 42 46 46 43 26 34 44 31 51 23 51 53 28 34 49 29 2010 - - - - 47 21 27 34 51 35 31 38 49 35 46 47 54 34 41 46 46 43 25 30 45 29 51 21 52 53 28 34 48 28 2008 - - - - - 44 12 20 27 53 29 22 30 52 27 49 54 51 23 38 48 36 16 24 44 19 48 14 49 53 18 25 45 18 2007 9 ------49 23 50 24 18 33 48 47 49 52 20 36 48 36 16 22 43 18 44 14 53 52 17 24 45 18 www.cbos.pl 2006 8 ------46 18 50 19 16 34 43 41 43 52 20 32 42 30 12 16 39 12 36 13 47 46 14 23 39 15 2005 ------45 11 21 46 22 20 33 45 44 39 50 18 38 42 31 14 18 42 15 41 15 47 49 29 43 17 2004 ------56 13 22 49 24 22 36 48 45 53 21 28 36 36 15 22 48 17 43 16 50 19 45 19 2003 ------58 16 26 51 26 26 38 51 44 54 23 29 38 40 15 24 46 18 42 15 50 22 48 24 2002 ------50 26 44 25 22 32 55 43 54 19 25 36 37 15 23 44 17 42 17 47 19 47 23 2001 ------54 18 45 20 19 31 53 53 19 30 40 13 17 41 14 34 13 44 16 44 21 1999 ------61 19 50 20 21 32 58 55 19 29 43 10 19 43 13 36 10 41 13 44 20 1998 ------64 22 55 23 38 60 63 28 36 47 11 20 49 16 39 10 45 15 47 1997 ------59 21 51 23 43 62 62 26 36 49 12 21 52 15 38 12 44 16 48 1996 ------63 18 51 23 35 67 66 25 35 48 11 17 53 14 44 10 43 14 56 1995 8 6 9 ------58 17 41 16 26 51 54 17 22 37 16 40 12 32 30 41 1994 9 ------62 19 47 19 23 61 63 15 24 41 17 44 10 33 38 12 47 1993 Veränderungen der Sympathie gegenüber ausgewählten (%) Sympathie gegenüber der Veränderungen Nationen Ägypter Amerikaner Araber Armenier Belarussen Briten Bulgaren Chinesen Deutsche Franzosen Georgier Griechen Iren Italiener Juden Kroaten Libyer Litauer Niederländer Norweger Österreicher Rumänen Russen Schweden Schweizer Serben Slowaken Sinti und Roma Spanier Tschechen Türken Ukrainer Ungarn Vietnamesen 1: Tabelle Quelle: CBOS BS/22/2012 Stosunek Polaków do innych narodów [Das Verhältnis der Polen zu anderen Nationen]. Warszawa 02/2012 POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 10

Grafik 5: Unterschlagen die Russen bei der Untersuchung des Flugzeugabsturzes von Smolensk (April 2010) Beweise und beseitigen sie Spuren von Fehlern, die die Flugsicherung und die Flughafendienste gemacht haben? (%)

auf jeden Fall eher ja schwer zu sagen eher nein auf keinen Fall

Mai 12 27 41 12 15 5

Aug 11 25 35 22 13 5

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Quelle: CBOS BS/85/2012 Katastrofa pod Smoleńskiem – kto wierzy w teorię zamachu [Die Katastrophe von Smolensk – wer glaubt an die Theorie eines Anschlags]. Warszawa 06/2012. www.cbos .pl

Grafik 6: Ist eine Versöhnung und eine Reduzierung der bestehenden Barrieren zwischen Katholizismus und … möglich? (%)

Ja schwer zu sagen Nein -

2001 60 10 30

Bekenntnis 2012 55 18 27 orthodoxen … dem russischdem …

2001 53 24 31

… dem … 2012 43 24 33 Protestantismus

2001 36 16 48 … dem …

Judaismus 2012 34 24 42

2001 29 18 53

2012 21 21 58 … dem Islam dem …

Quelle: CBOS BS/109/2012 Czy są szanse na pojednanie? Polacy o relacjach między katolicyzmem a prawosławiem, protestantyzmem, judaizmem i islamem [Bestehen Chancen auf Versöhnung? Die Polen über die Beziehungen zwischen Katholizismus und dem russisch- orthodoxen Bekenntnis, dem Protestantismus, dem Judaismus und dem Islam]. Warszawa 08/2012. www.cbos.pl POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 11

CHRONIK

Vom 18. September bis zum 1. Oktober 2012

18.09.2012 Nach neuesten Angaben des Statistischen Hauptamts (Główny Urząd Statystyczny – GUS) betrug das durch- schnittliche Bruttomonatsgehalt im Unternehmensbereich (Unternehmen mit mehr als neun Angestellten) im August 2012 3.686 Zloty. Dies ist eine Steigerung von 2,7 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und ein Rückgang um 0,4 % gegenüber Juli 2012. 19.09.2012 Nach Angaben der »Tagesschau« der ARD unterzeichnet die Deutsche Bahn (DB) mit dem polnischen Eisen- bahnhersteller PESA (Bromberg/Bydgoszcz) einen Vertrag über die Lieferung von 470 Dieseltriebzügen für den Regionalverkehr in Deutschland. Der Kaufpreis soll maximal 1,2 Mrd. Euro betragen. Damit vergibt die DB zum ersten Mal einen Auftrag über die Lieferung von Zügen in Polen. 20.09.2012 Staatspräsident Bronisław Komorowski trifft sich in Kiew (Ukraine) mit seinem ukrainischen Amtskollegen Viktor Janukowicz sowie mit Vertretern der Oppositionsparteien UDAR und Ukraina Wpered. Komorowski weist darauf hin, dass Polen den Parlamentswahlen in der Ukraine im Oktober große Aufmerksamkeit schenken wird. Wahlen, die nach EU-Standards durchgeführt werden, sollten unabhängig vom Wahlergebnis ermögli- chen, den Prozess der Unterzeichnung und Ratifizierung des Assoziierungsabkommens mit der EU zu eröffnen. 21.09.2012 Staatspräsident Bronisław Komorowski und sein ukrainischer Amtskollege Viktor Janukowitsch eröffnen in Bykownia bei Kiew einen Friedhof für polnische Opfer stalinistischer Erschießungen. 22.09.2012 In Bonn findet die diesjährige gemeinsame Sitzung der Präsidien des Bundestags und des Sejm statt. Thema- tisiert werden u. a. die bilaterale Zusammenarbeit beider Parlamente, die Rolle der nationalen Parlamente im europäischen Einigungsprozess und die Situation in Belarus und der Ukraine, insbesondere hinsichtlich der Menschen- und Bürgerrechte. 23.09.2012 Polen beginnt seine unabhängige Wahlbeobachtung in Georgien, an der unter dem Vorsitz der Sejm-Abgeord- neten Małgorzata Gosiewska (Recht und Gerechtigkeit/Prawo i Sprawiedliwość – PiS) 15 weitere Parlaments- abgeordnete teilnehmen. Ziel der Mission ist, die Durchführung der Wahl am 28. Oktober und die Vorbe- reitungen gemäß internationaler Standards zu bewerten. Ein Abschlussbericht mit eventuellen Empfehlungen wird in zwei Monaten erwartet. 24.09.2012 Staatspräsident Bronisław Komorowski unterzeichnet den Gesetzesentwurf zur Modernisierung und Finanzie- rung der polnischen Streitkräfte. Er sieht u. a. vor, dass 1,95 % des Bruttoinlandsprodukts für die Streitkräfte abgeführt werden, und enthält einen Absatz über die Notwendigkeit der Modernisierung der Luftraumvertei- digung, u. a. durch ein Raketenabwehrsystem. Der Gesetzesentwurf wird anschließend dem Sejm vorgelegt. 25.09.2012 Nach neuesten Schätzungen des Statistischen Hauptamts (Główny Urząd Statystyczny – GUS) hielten sich Ende 2011 zirka 1,67 Mio. polnische Emigranten in Ländern der Europäischen Union auf. Dies waren zirka 63.000 polnische Staatsbürger mehr als im Jahr 2010. 26.09.2012 Staatspräsident Bronisław Komorowski hält eine Rede auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNO) in New York. Angesichts der aktuellen Probleme sei die Schwäche internationaler Institutionen unbestritten. Dies gelte auch für die UNO im Zusammenhang mit der Lage in Syrien. Militärische Aktionen dürften bei Konflikten nicht die erste Handlungsoption sein. Die polnischen Erfahrungen mit der oppositionellen Soli�����- darność-Bewegung und den Verhandlungen am Runden Tisch 1989 hätten gezeigt, dass Konflikte nicht ohne Kompromisse gelöst werden können. 27.09.2012 Im Sejm findet eine Debatte über die Fehler bei der Verwechslung von sechs Todesopfern der Flugzeugkatastro- phe von Smolensk (April 2010) statt. U. a. war die tödlich verunglückte frühere Solidarność-Aktivistin Anna Walentynowicz falsch identifiziert worden. In seiner Rede entschuldigt sich Ministerpräsident Donald Tusk für die Fehler und nimmt die politische Verantwortung auf sich. 28.09.2012 Paweł Kowal, Mitglied der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten im Europäischen Par- lament, informiert, dass er zum Leiter der EU-Wahlbeobachtermission im Oktober in der Ukraine ernannt wurde. Die Delegation umfasst 15 EU-Parlamentarier. 29.09.2012 Auf dem Parteitag von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) kündigt der Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński an, einen Antrag auf ein Misstrauensvotum gegenüber der Regierung zu stellen. 29.09.2012 In Warschau findet eine Demonstration unter dem Motto »Polen, wach auf« statt, zu der Recht und Gerech- tigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), der national-katholische Fernsehsender TV Trwam und die Gewerk- schaft Solidarność aufgerufen haben. Demonstriert wird u. a. gegen den fehlenden gesellschaftlichen Dialog, gegen die Erhöhung des Renteneintrittalters sowie für die Verteidigung der Bürgerrechte und Medienpluralis- mus. Schätzungen gehen von einigen Zehntausend bis zu 200.000 Teilnehmern aus. POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 12

30.09.2012 Nach Einschätzung des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsministers Waldemar Pawlak müsse auch mit der Opposition zusammengearbeitet werden. Mit Bezug auf die u. a. von der Opposition organisierte Demonstration in Warschau am Vortag warnt er, dass Proteste und Streit keine konstruktiven Ergebnisse zeitigen. 1.10.2012 Jarosław Kaczyński, Parteivorsitzender von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), stellt auf einer Pressekonferenz Piotr Gliński, Professor für Soziologie, als Kandidat von PiS für das Amt des Minister- präsidenten vor. Gliński gehört keiner Partei an. PiS beabsichtigt, ein Misstrauensvotum gegenüber der Regie- rung aus Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und Polnischer Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) zu stellen.

Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link »Chronik« lesen. POLEN-ANALYSEN NR. 114, 02.10.2012 13

ÜBER DIE POLEN-ANALYSEN

Die Polen-Analysen erscheinen zweimal monatlich als E-Mail-Dienst. Sie werden gemeinsam vom Deutschen Polen- Institut Darmstadt, der Bremer Forschungsstelle Osteuropa und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde in Partnerschaft mit dem Willy Brandt Zentrum für Deutschland- und Europastudien an der Universität Wroclaw herausgegeben. Ein Archiv der Polen-Analysen finden Sie im Internet unter www.laender-analysen.de/polen Kostenloses Abonnement unter http://www.deutsches-polen-institut.de/Newsletter/subscribe.php

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Deutsches Polen-Institut Darmstadt Das Deutsche Polen-Institut Darmstadt (DPI) ist ein Forschungs-, Informations-, und Veranstaltungszentrum für polnische Kultur, Geschichte, Politik, Gesellschaft und die deutsch-polnischen Beziehungen, die sich im Kontext der europäischen Integration ent- wickeln. Das seit März 1980 aktive und bis 1997 von Gründungsdirektor Karl Dedecius geleitete Institut ist eine Gemeinschafts- gründung der Stadt Darmstadt, der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz sowie des Bundes. 1987 wurden die Kultusminister der Länder und 2011 das Auswärtige Amt weitere institutionelle Träger. Einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Institutsziele leisten private Stiftungen. Das DPI hat satzungsgemäß die Aufgabe, durch seine Arbeit zur Vertiefung der gegenseitigen Kenntnisse des kulturellen, geistigen und gesellschaftlichen Lebens von Polen und Deutschen beizutragen. Ziel der Vermittlertätigkeit des DPI ist es, »die zu interessieren, auf die es politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell im deutsch-polnischen Verhältnis ankommt« (Leitlinien 1997). Es geht um die Entscheider und Multiplikatoren in Politik, Kultur, Bildung, Verwaltung, Medien und Wirtschaft und, wesentlich stärker ausgeprägt als bisher, um das Hineinwirken in Wissenschaft, Forschung und Bildung. Derzeit bemüht sich das DPI in Kooperation mit den verstreuten Orten wissenschaftlicher Polen-Kompetenz an deutschen Hoch- schulen und Forschungsinstituten verstärkt darum, ausgehend von einer Bestandsaufnahme deutscher Polen-Forschung Ort wis- senschaftlicher Forschung und verbindendes, vernetzendes und kooperierendes Zentrum zu werden. Ausgangspunkt der Neuaus- richtung ist die kaum mehr kontrollierbare Dynamik des Rückbaus der Ressourcen der wissenschaftlichen Polen-Kompetenz in den unterschiedlichen Disziplinen. Mit der über 60.000 Bände zählenden multidisziplinären Fachbibliothek für Polen, die eine einzigartige Sammlung polnischer Literatur in der Originalsprache und in deutscher Übersetzung umfasst, ist das DPI bereits ein geschätzter Ort der Recherche und des wissenschaftlichen Arbeitens. (www.deutsches-polen-institut.de)

Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen (www.forschungsstelle.uni-bremen.de) 1982 gegründet, widmet sich die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen der interdisziplinären Analyse der Länder Ost- und Ostmitteleuropas in Zeitgeschichte und Gegenwart. Der Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der Rolle von »Dissens und Konsens«, von Opposition und Zivilgesellschaft in ihrem historischen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontext. Die Forschungsstelle besitzt in ihrem Archiv eine einzigartige Sammlung alternativer Kulturgüter und unabhängiger Texte aus den ehemaligen sozialistischen Ländern. Darunter befindet sich auch eine umfangreiche Sammlung des »Zweiten Umlaufs«, die das Schrifttum und Dokumente unabhängiger Initiativen und gesellschaftlicher Gruppen in Polen aus der Zeit von 1976 bis zum Umbruch umfasst. Hinzu kommt eine umfangreiche Bibliothek mit wissenschaftlicher Literatur. Mit Archiv, Bibliothek und zwei wissenschaftlichen Abteilungen ist die Forschungsstelle auch eine Anlaufstelle sowohl für Gastwissenschaftler als auch für die interes- sierte Öffentlichkeit. Eine der Hauptaufgaben der Forschungsstelle ist die Information der interessierten Öffentlichkeit. Dazu gehören unter anderem regelmäßige E-Mail-Informationsdienste für Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Medien.

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