03 März 2018

Dirk Schütz Fegefeuer der Eitelkeiten

Seit vierzig Jahren gibt es das Wirtschaftsmagazin Bilanz, seit zehn Jahren ist Dirk Schütz dessen Chefredaktor. Aus der «Annabelle der Prokuristen» ist mittlerweile der Gradmesser für diejenigen Wirtschafts­ bosse geworden, deren Aktien steigen oder gerade sinken. Letztere sind mittlerweile weitaus häufiger.

Interview: Matthias Ackeret Bilder: Marc Wetli

Herr Schütz, die Bilanz feiert ihr 40-Jahr-Jubi- hat er sowohl bei IWC als auch jetzt bei mehr vergleichbar. Auch inhaltlich hat sich läum. Spüren Sie jetzt eher Festlaune oder Breitling angewendet. Wir haben dasselbe sehr viel getan: In den Siebzigerjahren war eher Midlife-Crisis? gemacht und dabei festgestellt, dass der der Respekt vor den handelnden Personen Eindeutig Festlaune. Vierzig Jahre sind für ein «Mann des Monats» einen zentralen Teil un- deutlich grösser als heute. Zudem hatten wir Magazin eine beachtliche Leistung, von einer serer DNA darstellt. Zentral ist auch, dass sehr viele Politiker im Blatt. Es war Traditi- Midlife-Crisis spüren wir nichts. Wir sind ja im wir Wirtschaft aus erster Hand bieten: Wir on, dass jeweils der Bundespräsident in der letzten Jahr vom zweiwöchentlichen Erschei- haben direkten Zugang zu den Akteuren Januarausgabe «Mann des Monats» war. nungsrhythmus auf das Monatsformat zurück- und leben nicht von Internetrecherche. Ge- Dies wäre heute undenkbar. Das Primat der gegangen, das hat uns einen Energieschub rade in diesen schnelllebigen Zeiten bieten Politik war in den Gründungsjahren deutlich verliehen. Wir können uns dadurch noch bes- wir Einordung und Überblick: Wir wollen spürbar. Die Wirtschaft war formalisierter ser auf unsere Stärken konzentrieren. das Signal bringen und nicht das Rauschen. und hierarchischer organisiert als heute.

Der zweiwöchentliche Rhythmus hat sich also Auch anonymer. nicht bewährt? Zweifelsohne. Emotionalisierung und Perso- Der Zweiwochenrhythmus war ein Produkt «Plötzlich bekam die Wirtschaft nifizierung war unser Erfolgskonzept. Plötz- aus den Schönwetterzeiten, als die Anzeigen- ein Gesicht.» lich bekam die Wirtschaft ein Gesicht. Die märkte noch florierten. Man vergisst gerne, Bilanz ging mit weitaus weniger Respekt an dass in den Neunzigerjahren einzelne Bilanz- die Entscheidungsträger heran als beispiels- Ausgaben fast fünfhundert Seiten hatten, weise die NZZ. auch bei der Einführung des Zweiwochen- Und wir emotionalisieren und personalisie- rhythmus 2005 lief die Anzeigenkonjunktur ren. Dazu haben wir eine klare Haltung: Ob Der «Blick der Wirtschaft» oder die «Annabelle noch gut. Doch dies ist lange vorbei. Der Mo- Sika, Frankenschock oder CS-Absturz – die der Prokuristen» ... natsrhythmus entspricht auch der DNA der Leser wollen heute klare Positionen. Und Die Bilanz machte nur, was mit Fortune in Bilanz, dies zeigt sich auch beim «Mann des schliesslich wollen wir auch unterhalten: Un- den USA und dem Manager-Magazin in Monats», den wir bereits bei der ersten Aus- ser Karikaturist Peter Gut etwa ist bereits Deutschland bereits Usus war. Doch für die gabe 1977 auf dem Titel präsentierten. Zu- seit 25 Jahren dabei und setzt mit seinem Schweiz war ein Magazin, das sich auf die dem erlaubt uns die monatliche Erschei- Bonjour gleich die Tonalität des Heftes. People-Perspektive der Wirtschaft fokus- nungsweise, vertiefter zu recherchieren. sierte, ein absolutes Novum. Wie hat sich die Zeitschrift in den letzten Worauf haben Sie geachtet, als Sie zum vierzig Jahren verändert? Sie sind seit den Neunzigerjahren im Schweizer klassischen Monatsmagazin zurückkehrten? Rein optisch gibt es markante Unterschiede: Wirtschaftsjournalismus tätig, seit zehn Jahren Uhrenchef Georges Kern hat uns einmal er- Bei den ersten Bilanz-Ausgaben gab es klei- nach einem Abstecher nach Deutschland und klärt, dass er sich jeweils ins Archiv zurück- ne Schwarz-Weiss-Fotos, die von riesigen zu Cash auch Chefredaktor. Moralisch gese- ziehe, um herauszufinden, was eigentlich sei- Textflächen umgeben waren. Dies ist mit den hen: Ist die Wirtschaft in den vergangenen nen Markenkern ausmache. Dieses Prinzip heutigen, durchgestylten Magazinen nicht vierzig Jahren unanständiger geworden?

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Auch in den Siebziger- und Achtzigerjahren Als die Bilanz 1977 startete, passierte riationen – auch mit seiner Familie – achtmal gab es sicher viel Unanständiges in der Wirt- gerade der Chiasso-Skandal der Kreditanstalt. unser Blatt zierte. Ich habe diese oft radikale schaft, nur passierte es im Verdeckten. Die Dies wäre heute nur einer von vielen. Ablehnung von Blocher nie verstanden. Für Transparenz hat in den letzten vierzig Jahren In absoluten Zahlen vielleicht schon, aber mich ist er eine faszinierende Figur. Ich habe massiv zugenommen, nicht zuletzt aufgrund damals waren die Banken auch viel kleiner. ihn in den Neunzigerjahren für die Bilanz der Digitalisierung. Zudem richtete sich we- Was in Chiasso passierte, war illegal und so- einmal nach China begleitet. Sein Gespür für gen der Lohnexzesse einzelner Manager der mit strafbar. Es würde auch heute noch für die Menschen ist beeindruckend. Fokus breiter Bevölkerungsschichten ver- grosses Aufsehen sorgen. stärkt auf die Wirtschaft. Gerüchte über In- Aber auch Daniel Vasella ist eine interessante sidergeschäfte gab es bereits früher, nur Wer war eigentlich in den vergangenen vierzig Figur. Er war lange ein Star, auf seinem konnte man nichts beweisen. Viele Manager Jahren am meisten auf dem Titel der Bilanz? letzten Bilanz-Cover fanden sich allerdings sind hierzulande in den Siebziger- und Acht- Daniel Vasella ist eindeutig der Champion. kritische Worte. zigerjahren trotz tieferer Salärpakete ext- Er war elfmal auf dem Titel, gefolgt von Man vergisst gerne, dass Vasella aus zwei rem reich geworden. Christoph Blocher, der in verschiedenen Va- mittelmässigen Firmen einen Weltkonzern

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im Gesundheitsbereich geschaffen hat. Da- einer der Ersten, die sich mit dieser Frage Auch da war der Druck nicht besonders gross. mit hat er zweifelsohne Aussergewöhnliches auseinandersetzten. Es passierte einige Male, Offensichtlich war nur, dass sich praktisch für die Schweiz geleistet. Das Gleiche gilt dass ein Manager an seinem überzogenen alle Wirtschaftsführer gegen die Initiative auch für , der mit dem weitaus Salär scheiterte. stellten. Letztendlich passierte auch nichts. kleineren Bankverein die Bankgesellschaft Das Buch habe ich damals nicht aus morali- übernahm. Vasella hob in der Salärfrage aber scher Empörung geschrieben, sondern aus Zurück zur Salärpolitik. Warum ist diese so vollkommen ab und wurde letztendlich Op- der liberalen Sicht eines überzeugten Markt- aus dem Ruder gelaufen? fer seiner eigenen Hybris. Sein 40-Millionen- wirtschaftlers. Was mich störte, waren weni- Das ist auch ein Resultat der Globalisierung. Franken-Salär und die schlussendlich nicht ger die Summen, die sich die Manager aus- Die Grosskonzerne haben sich – auch in den bezogene Abfindung von 72 Millionen Fran- zahlten, als die Mechanismen: Es herrschte Salärfragen – um die Jahrtausendwende ken waren einfach zu viel. eine Selbstbedienungsmentalität. Es bestand stark amerikanisiert. Das Resultat waren schlicht kein Markt, der solche Löhne ge- plötzlich Lohnsprünge von zwei auf zwanzig Sie haben bereits 2005 ein Buch mit dem rechtfertigt hätte. Als das Buch vor dreizehn Millionen, die sich allerdings nur die Chefs Titel «Gierige Chefs» veröffentlicht und waren Jahren veröffentlicht wurde, war ich noch genehmigten. der erste Kritiker aus dieser Perspektive. Später hat sogar die NZZ die hohen Mana- Der langjährige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz gergehälter kritisiert. Doch die öffentliche ist kürzlich auch an der Lohnfrage gescheitert. Debatte hat dazu geführt, dass sich vieles ge- Woran Pierin Vincenz letztendlich geschei- ändert hat: Mittlerweile müssen beispiels- tert ist, weiss bislang niemand so richtig. Man weise die Aktionäre über die Gehälter der kann diesen Fall nicht mit demjenigen von Führungsriege abstimmen. Daniel Vasella vergleichen.

Das ist ein Ausfluss der Minderinitiative. Aber ist wirklich eine Besserung eingetreten? Ja, die grossen Exzesse sind vorbei. Vasella «Die grossen Exzesse sind vorbei. bekam 40 Millionen als Novartis-Verwal- Ospel bezog 26 Millionen, sein tungsratspräsident, Ospel bezog bei der UBS Nachfolger 6 Millionen Franken.» 26 Millionen, sein Nachfolger Axel Weber verdient hingegen «nur» noch 6 Millionen Franken. Der jetzige Präsident von Novartis verdient 3 bis 4 Millionen Franken, und der Dann passierte gegenüber Herrn Vincenz eine CEO bezieht jährlich etwa 8 Millionen Ungerechtigkeit? ­Franken. Diese Gehälter gehen für mich in Das ist noch unklar. Die Finanzmarktauf- Ordnung, letztendlich handelt es sich um sicht (Finma) hat Pierin Vincenz einen Brief ­anspruchsvolle Jobs mit sehr grosser Verant- geschrieben und ihm dabei mitgeteilt, dass wortung. Man vergisst gerne, dass Thomas ein Verfahren gegen ihn läuft, ohne genau zu Minders ursprünglicher Vorschlag viel radi- spezifizieren, worum es eigentlich geht. kaler gewesen wäre. Er forderte einen Lohn- Dann wurde das Verfahren eingestellt. Des- deckel für Manager. Doch das ist alles vom wegen ist es gut, dass es nun eine Straf­ Tisch und marktwirtschaftlich geregelt. Man untersuchung gibt – jetzt kommt die Wahr- sollte die Wettbewerbsfähigkeit des Stand- heit ans Licht. ortes Schweiz nicht vergessen. Es kann nicht sein, dass wir plötzlich ein Gesetz einführen, Ein gefallener Star, den Sie hautnah begleitet das alle Manager vertreibt. Bisher gab es nur haben, war Marcel Ospel. Sie haben genau vor Drohungen. zehn Jahren eine Biografie über ihn verfasst. Bei Ospel löste nicht die Salärfrage den Noch ist niemand gegangen? Sturz aus, sondern die Subprime-Krise und Nein, diese Drohung ist fast schon so alt wie der Fast-Kollaps der UBS. Da wurden mehr die globalisierte Wirtschaft selbst. Bereits als fünfzig Milliarden Franken vernichtet. Rainer E. Gut drohte, mit Nestlé die Schweiz zu verlassen. Passiert ist bis jetzt nichts, der Ospel ist heute gesellschaftlich fast schon Standort im Herzen Europas ist zu gut. geächtet. War dies bereits früher der Fall? Nein, die heutigen Abstürze sind viel bruta- Wie war es bei der Masseneinwanderungs­ ler. Als der Vater von Peter Wuffli, Heinz initiative? Wuffli, 1977 wegen des Chiasso-Skandals als

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Dirk Schütz und die Bilanz

Dirk Schütz (53) studierte in Genf, Freiburg und Eichstätt Ökonomie und Journalistik und absolvierte die Hamburger Journalistenschule. Er begann 1994 als Redaktor bei der Bilanz und wurde dort 1997 stellvertretender Chefredaktor. Im Jahr 2000 wechselte er in gleicher Funktion zur deutschen Wirtschafts-Woche. 2002 übernahm er die Chef­ redaktion von Cash, seit 2008 ist er Chefredaktor der Bilanz. Die erste Bilanz-Ausgabe erschien im November 1977. Als Gründungsvater gilt der damalige Jean-Frey-Manager und Detailhändler Beat Curti, erster Chefredaktor war Andreas Z’Graggen, der später von Medard Meier (und Peter Hartmeier als Herausgeber) sowie von René Lüchinger abgelöst wurde. Heute gehört die Bilanz zur Ringier Axel Springer Schweiz AG.

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Credit-Suisse-Chef zurücktreten musste, lös- sierung. Höhepunkt war die Antwort von Aus schlechtem Gewissen? te das zwar bei der Familie ein Trauma aus, CS-Chef Brady Dougan auf die Frage, wie Nein, überhaupt nicht, aber die Schweiz ist doch der öffentliche Absturz war nicht so viel Bundesräte die Schweiz habe: «Acht.» klein, und man begegnet sich immer wieder. massiv. Wäre Peter Wuffli als UBS-Konzern- Die Pressestelle hat dies bewusst stehen ge- chef nicht frühzeitig zurückgetreten, hätte er lassen, höchstwahrscheinlich um damit zu In jüngster Vergangenheit hatten Sie Auto­ dasselbe brutale Schicksal wie Ospel erlitten. signalisieren, dass ihm die Schweiz als Land könig Walter Frey oder die beiden Blocher- Dabei trägt Wuffli aus meiner Sicht die eigentlich egal ist. Kinder, Markus Blocher und Magdalena Hauptschuld am Debakel: Er war CEO, als Martullo-Blocher, auf dem Titel. Obwohl die die Bank die schlimmen Subprime-Papiere Vielleicht hat er es auch nicht gewusst. beiden nicht mit der Bilanz gesprochen haben, einlud und die Bilanz trotz aller Warnungen Vielleicht. Aber man hat es trotzdem nicht kürten Sie diese zum «Mann» respektive zur aufblähte. In Amerika könnte ein «Gefalle- korrigiert. Diesbezüglich hat sich doch sehr «Frau des Monats». Ist dies seriös? ner» einfach die Küste wechseln und wäre viel geändert. Die Finanzkrise von 2008 sitzt Für die Story mit Markus Blocher hat unser nach zwei Jahren wieder dabei. Dies ist in den Managern immer noch tief in den Kno- Autor mit zwanzig Personen aus seinem Um- der kleinräumigen Schweiz unmöglich. Wer chen und hat sie auch demütiger gemacht. feld gesprochen, auch mit seinem Vater stürzt, kommt meist nicht mehr auf die Bei- Christoph. Markus Blocher haben wir sieben ne. Mathis Cabiallavetta hat zumindest ein Ursprünglich handelte es sich beim «Mann des Monate lang angefragt, doch er hatte oder kleines Comeback gehabt; von Lukas Müh- Monats» immer um eine Erfolgsgeschichte. wollte keine Zeit haben, um mit uns zu reden. lemann, der mit dem Kauf der US-Invest- Das hat sich aber stark verändert – für Dasselbe galt für seine Schwester, die seit mentbank DLH mehr als zwanzig Milliarden schweizerische Verhältnisse sind Ihre Porträts Jahren jeglichen Kontakt zu uns meidet und «verbrannte», oder Swissair-Absturzpilot oftmals sehr kritisch. unseren Journalisten sogar einmal aus einer Philippe Brugisser hört man nichts mehr. Unsere Recherchen dauern meistens mehre- Pressekonferenz geworfen hat. Trotzdem ha- re Wochen. Wir stehen dabei mit den Porträ- ben wir auch sie porträtiert. tierten oder zumindest mit ihren Kommu­­ nikationsabteilungen in engem Kontakt. Sie Aber das Resultat kam für alle drei Beteilig- «Ich habe die oft radikale wissen fast immer, was wir planen. Klar ist ten doch nicht so schlecht heraus? Ablehnung von Christoph Blocher das Gegenüber anschliessend manchmal Wir sagen nicht: Nur weil jemand nicht mit nie verstanden.» über die Tonalität des Artikels überrascht, uns spricht, hauen wir ihn in die Pfanne. aber dies gehört zum Journalismus. Nach ­einer kritischen Geschichte versuche ich Aber Sie könnten doch auch auf das Porträt meist, mit dem Betroffenen Kontakt aufzu- verzichten. Dies ist der Unterschied zur Politik, wo man nehmen. Dies gehört zu meinem Job als Was wäre das für ein Journalismus? Damit seinen Abgang selber wählen kann. Chefredaktor. wären wir erpressbar, und jeder, der nicht in In der Schweiz mag das noch am ehesten gel- ten, aber selbst bei der lange so erfolgsver- wöhnten Doris Leuthard zeigt sich ja gerade, wie schwierig ein gelungener Abgang ist. ANZEIGE «All political careers end in failure», pflegen die Engländer zu sagen.

Wer beeindruckt Sie von der neuen ­Generation am meisten? Ich habe kürzlich den neuen Novartis-Chef Vas Narasimhan getroffen. Dieser Mann machte auf mich einen sehr guten Eindruck. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass bei ihm das Unternehmen und weniger das eigene Ego im Vordergrund steht. Ich hoffe, dass ich mich nicht täusche.

Narasimhan ist Amerikaner. Wie gross ist überhaupt noch der Bezug dieser Manager zur Schweiz? Bis etwa Mitte der Neunzigerjahre war die Schweizer Wirtschaft eine reine Inlandsver- anstaltung. Dann begann die Internationali-

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der Bilanz erscheinen möchte, könnte sich uns gegenüber verweigern. Zudem würde es unser Spielfeld erheblich verkleinern.

Aber warum wollten Markus Blocher, Magda- lena Martullo-Blocher und Walter Frey nicht mit der Bilanz sprechen? Das ist doch auch ungewöhnlich. Jeder hatte wohl seine eigenen Gründe. Es sind alles familiendominierte Firmen mit sehr kontrollierter Kommunikation. Diese wollten die Verantwortlichen offenbar nicht aus der Hand geben.

Kann man es nicht auf den einfachen Nenner bringen: Ein Politiker spricht auch mit denjenigen Journalisten, die nicht mit ihm sprechen wollen – bei den Wirtschaftsführern ist es umgekehrt? Vierzig Jahre Schweizer Wirtschaftsgeschichte: Frauen wie Elisabeth Kopp und Magdalena Martullo-Blocher sind Jeder Fall ist anders. Bei den drei Genannten auf der Bilanz die Ausnahme. handelt es sich um Patrons, von denen offen- bar jeder negative Erfahrungen mit den Sie waren kurzfristig auch bei der Wirtschafts- Versicherungen, Pharma- und Chemiefirmen ­Medien gemacht hat. Bei den börsenkotier- Woche in Düsseldorf. Was sind die wesent- und KMU vielfältiger ist. Deutschland glänzt ten Firmen sieht es anders aus. Dort hat die lichsten Unterschiede im Wirtschaftsjournalis- vor allem mit der Autoindustrie. Bilanz ein sehr gutes Standing, und Ge- mus zwischen Deutschland und der Schweiz? sprächsverweigerung ist äusserst selten. Die Bedeutung des Wirtschaftsjournalismus Noch ein Wort zu Joe Ackermann. Wie beurtei- ist in der Schweiz höher als in Deutschland, len Sie ihn? Auch ein gefallener Star? Aber gab es nach einem negativen Artikel nicht zuletzt weil die Wirtschaft hierzulande Es ist erstaunlich ruhig um ihn geworden. auch schon negative Reaktionen, wie näher bei den Menschen ist. In Deutschland Dass die Deutsche Bank heute ein Sanie- beispielsweise einen Anzeigenboykott? handelt es sich eher um eine Randsportart. rungsfall ist, geht auf seine Amtszeit zurück. (Denkt lange nach.) Nein, solche Erfahrungen Die grossen Titel sind Spiegel, Stern oder Bild, habe ich bei der Bilanz nicht gemacht. Dazu und sie fokussieren hauptsächlich auf politi- Nach Ihrem Engagement bei der Wirtschafts- sind die Betroffenen auch professionell genug. sche Themen. Fragt man im Berner Oberland Woche in Düsseldorf kehrten Sie 2001 als Selbst bei der , wo wir doch – zu- jemanden, wer der Chef der UBS sei, be- Chefredaktor zum damaligen Cash zurück. gegebenermassen – sehr kritisch waren. kommt man meist die richtige Antwort. Er- War es in der Schweiz spannender? kundigt man sich in Buxtehude oder Greifs- Ich hatte einfach den Eindruck, dass sich die Überkritisch? wald nach dem Chef der Deutschen Bank, Schweizer mehr für Wirtschaft interessieren Was heisst überkritisch? Als Brady Dougan erzielt man hingegen nur ein Schulterzucken. als die Deutschen. Dies zeigt allein schon der vor drei Jahren abtrat, hatte niemand das Umstand, dass sehr viele Schweizer Aktien Gefühl, die Bank sei ein Sanierungsfall. Der besitzen. In Deutschland ist dies eher die neue CEO Tidjan Thiam trat bei einem Ausnahme. ­Aktienkurs von 26 Franken an. Dann fiel «Dass die Deutsche Bank heute der Kurs unter die magische Grenze von ein Sanierungsfall ist, geht auf Sie waren fünf Jahre Chefredaktor von Cash. 10 Franken. Dabei haben Anleger und Pensi- Joe Ackermann zurück.» Was waren die grössten Unterschiede zu Ihrer onskassen viel Geld verloren. Früher war es jetzigen Tätigkeit bei der Bilanz? bei der CS bereits ein Alarmsignal, wenn der Cash war eine Wochenzeitung, das war ein Kurs unter 20 Franken fiel. ganz anderer Rhythmus. Zudem ist die Mar- Aber Joe Ackermann war doch auch in ke «Bilanz» sehr stark. Viele Kollegen, die zu Aber mittlerweile steigt er wieder. Deutschland nicht ganz unbekannt. uns kommen, sind immer wieder erstaunt, Jetzt liegt der Aktienkurs bei 17 Franken, Er bildete eine Ausnahme, seine Bekanntheit welche Türen sich plötzlich öffnen, wenn und man schreibt schon wieder, der Turn­ gründete aber mehr auf dem Victory-Zeichen man sich als Bilanz-Journalist ausgibt. around sei geschafft. Angefangen hat Thiam als auf seiner Funktion. Die Führungskräfte aber eben bei 26 Franken. Wir versuchen in werden in Deutschland mehr als graue und Cash wurde unter Ihrer Ägide eingestellt. unseren Artikeln immer sachlich zu analysie- kalte Manager wahrgenommen. Kommt hin- (Lacht.) Ja, ich war sozusagen der Bestatter. ren, ohne auf die persönliche Ebene zu gehen. zu, dass unsere Wirtschaft mit ihren Banken, Man versuchte noch, mit der Gratiszeitung

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Cash daily die Marke zu retten, doch das Das ist schon gut, aber wir sollten sie auch Wirtschaftsnetz betreiben. Aber dies sind al- funktionierte nicht. Heute gibt es noch das nicht überbewerten. Im ganzen Digital- und les erfahrene Leute, die wissen, wann es hei- Internetportal. Start-up-Hype sollte nicht vergessen werden, kel wird. Sicherlich melden sich manchmal dass die grossen Firmen und die zahlreichen Rechtsanwälte. Aber an einen verlorenen Nach dem Cash-Abenteuer galten Sie als Hidden Champions den entscheidenden Prozess mag ich mich nicht erinnern. Es ist Kandidat für die Bankenwelt. Warum sind Sie Wert der Schweizer Wirtschaft ausmachen. letztendlich auch nicht unser Ziel, die Wirt- trotzdem im Journalismus geblieben? Ihnen müssen wir mehr Sorge tragen. Man schaft und ihre Exponenten schlechtzuma- Journalismus ist meine Leidenschaft. Ich vergisst etwa gerne, dass sich die beiden chen. Im Gegenteil. fühle mich privilegiert, sie ausleben zu dür- grössten Pharmafirmen der Welt in der fen. Und ich schätze die intellektuellen Frei- Schweiz befinden. heitsgrade extrem. Was war für Sie in den letzten zehn Jahren Ist das Klima in den letzten Jahren wirt- die unangenehmste Begegnung? schaftsfeindlicher geworden? (Denkt lange nach.) Sie sehen, ich komme Die Manager hatten in den vergangenen nicht ganz von Daniel Vasella los. Als er zu- fünfzehn Jahren ein Glaubwürdigkeitspro- rückgetreten war, schrieben wir auf das Co- blem wegen der Salärproblematik, die sie ver «Endlich weg». Obwohl es von Vasella nie befriedigend erklären konnten. Und we- selber keine Reaktion gab, forderte mich die gen Missmanagements: Swissair-Grounding, Novartis-Rechtsabteilung sehr forsch und Fast-Bankrott der UBS. Das Bild ihrer Un- unmissverständlich auf, an ihrem Hauptsitz fehlbarkeit ist nachhaltig beschädigt. in zu erscheinen. Kurz danach vermel- dete Inside Paradeplatz, dass der abgetretene Wirklich? Konzernlenker noch 72 Millionen Franken Das sehen Sie schon an der Tatsache, dass in Entschädigung bekommen sollte. Von diesem vielen Betrieben mittlerweile die Compli- Moment an herrschte Funkstille. Novartis hat ance-Manager dominieren. Aus Angst, etwas sich nie mehr wegen des Titelbilds gemeldet. falsch zu machen, geht fast niemand mehr ein Risiko ein. Was ich vermisse, sind die Leader Wie viele Klagen haben Sie verloren? oder die Patrons, die zur Gründung von Welt- Wir sind ein sehr kleines Team. In den Neun- konzernen wie Novartis oder UBS antreiben. zigerjahren waren wir zwölf Journalisten, jetzt haben wir noch acht Journalisten, die Werden Sie nicht ein bisschen nostalgisch? das Heft machen und zusammen mit den Dafür haben wir mittlerweile eine tolle Kollegen von der Handelszeitung und unse- Start-up-Szene. rem gemeinsamen Onlineteam auch das

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