Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2018/19:

Die größte Sorge war, was esse ich morgen, wo kriege ich was her, wo kriege ich Schuhe her. Kriegsende und Nachkriegszeit in aus der Perspektive eines Kindes

(Edmund Frings, geb. 1936)

Paula Katharina Frings (12 Jahre) Rabanus-Maurus-Gymnasium , Klasse 7a 28. Februar 2019

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 1 2. Historische Hintergründe ...... 1

3. Alltagsleben der Familie Frings in Bad Kreuznach ...... 4 3.1 Kurze Vorstellung der Familie Frings ...... 4 3.2 Kriegserleben ...... 5 3.2 Ernährung ...... 6 3.3 Schule ...... 9 3.4 Freizeit ...... 11

3.5 Rheinwiesenlager ...... 14 3.6 Französische Besatzung ...... 15 4. Schluss/Zusammenfassung ...... 16 5. Literatur- und Quellenverzeichnis ...... 19 5.1 Literatur, Bücher ...... 19

5.2 Internet ...... 19 5.3 Zeitungen, Zeitschriften ...... 20

5.4 Interviews ...... 21 5.5 Fotonachweis ...... 21 6. Arbeitsbericht ...... 22 7. Anhang...... 24 7.1 Bilder ...... 24 7.2 Interview ...... 26

Essen ...... 26 Freizeit ...... 32

1. Einleitung

Sehr geehrte Jury, mein Name ist Paula Katharina Frings, und ich gehe in die siebte Klasse des Rabanus-Maurus-Gymnasiums in Mainz. Ich bin zwölf Jahre alt und interessiere mich für Politik, Geschichte und die Natur. Zudem liebe ich Tiere und gehe zweimal in der Woche in den Reitstall zum Voltigieren. Außerdem höre ich gerne Musik und spiele mit Begeisterung Querflöte und Theater.

Mein Thema war insofern schnell festgelegt, als meine Wahl zu dem Wunsch meines Großvaters Edmund Frings passte, seine Erlebnisse als Kind in Bad Kreuznach in der Kriegs- und Nachkriegszeit für folgende Generationen aufzuschreiben. Zusätzlich zu der Wahl meines Themas beigetragen hat mein Wunsch, mehr über das Leben von Kriegskindern zu erfahren: Manche Kriegskinder sind durch ihre Erfahrungen tief geprägt und haben ihr ganzes Leben lang mit Angstzuständen zu kämpfen. Hinzu kam das wachsende Interesse, sich auf geschichtliche Spurensuche zu begeben. Besonders interessiert mich die Frage, wie das Alltagsleben in einer so schwierigen Situation kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges und unmittelbar nach der Kapitulation war, die mein Großvater, geboren 1936, als neunjähriger Junge miterlebte. Zusätzlich wollte ich mehr über die Ernährungssituation, den Schulalltag und Freizeitaktivitäten erfahren. Ich wollte genauer wissen, wie mein Großvater und seine Familie solch eine schwierige Krisensituation erlebt und gemeistert haben. Deshalb habe ich ein Interview mit meinem Großvater geführt.

2. Historische Hintergründe

Heute ist Bad Kreuznach mit über 50.000 Einwohnern und ca. 3.700 Unternehmen Versorgungsmittelpunkt für die Region. Historisch war und ist Bad Kreuznach zudem ein bedeutender Kurort. Bis 1930 war Bad Kreuznach Teil der französischen Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg. Seit 1934 hatte Bad Kreuznach einen nationalsozialistischen Bürgermeister. 1942 wurde die jüdische Bevölkerung von Bad Kreuznach nach Theresienstadt deportiert. Während des Zweiten Weltkrieges war Bad Kreuznach Sitz eines Armeeoberkommandos. Deshalb, und wegen der

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Wehrmacht-Kasernen und der wichtigen Bahnstrecke Berlin-Paris, war Bad Kreuznach in der späten Kriegsphase oft Opfer von Bombardierungen.1 In diesem Sinne begann der Zweite Weltkrieg für Bad Kreuznach spürbar am 1. Weihnachtstag 1944 mit dem ersten großen Bombenangriff. Dabei und bei einem weiteren großen Angriff am 2. Januar 1945 starben alleine mindestens 281 Menschen, mehr als die Hälfte der Gebäude wurde zerstört, ebenso die Stromversorgung und das Kanalnetz.2 Durch Evakuierungen halbierte sich die Bevölkerungszahl. Wegen der hohen Zahl an Luftangriffen, die überwiegend tagsüber stattfanden, bewegten sich die meisten Menschen eher frühmorgens oder spätabends im Freien.

Als sich die US-amerikanischen Truppen im März 1945 Bad Kreuznach näherten, sprengten Wehrmachtssoldaten die für Bad Kreuznach so wichtigen Nahebrücken. Nur zwei Behelfskonstruktionen blieben stehen. Dass die amerikanischen Truppen nicht mehr weit entfernt waren, merkte die Bevölkerung vor allem daran, dass die deutschen Soldaten die Stadt danach verließen. Am 17. März 1945 rückten amerikanische Panzer in Bad Kreuznach ein; einen Tag später übergab der Sozialdemokrat Karl Kuhn den Amerikanern die Stadt. Nun musste die Bevölkerung abends nicht mehr die Fenster verdunkeln.

Mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen wurden rund um Bad Kreuznach riesige Kriegsgefangenenlager eingerichtet, die sogenannten Rheinwiesenlager in Bad Kreuznach und in /Winzenheim. Weil sehr viele Soldaten und Zivilisten auf engstem Raum festgehalten wurden, und weil das Gelände offen lag, sah die Bevölkerung von Bad Kreuznach das Elend aus der Nähe: Die Kriegsgefangenen hatten kaum Nahrung, kaum medizinische Versorgung und kein Dach über dem Kopf.3

1 29. Dezember 2018, 12:42 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bad_Kreuznach&oldid=184171019 (Abgerufen: 1. Januar 2019, 13:53 UTC). 2 Dazu und zum Folgenden Cay Rademacher: Kriegsende. Zum Beispiel Bad Kreuznach. In: GEO Epoche. Das Magazin für Geschichte Nr. 9 (2002): Deutschland nach dem Krieg 1945-1955, S. 33- 41. 3 Ausführlicher Christiane Weber: Kriegsgefangenschaft in den Rheinwiesenlagern (1945-1948). Blätter zum Land Nr. 63. Hg. vom NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Gedenkstätte KZ Osthofen. Mainz 2015; Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Rheinwiesenlager. Kriegsgefangenschaft in den Rheinwiesenlagern (1945-1948). URL: http://rheinwiesen-lager.de/ (30.12.2018).

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Mit dem Einmarsch der alliierten Truppen wurde Deutschland in vier große Besatzungszonen eingeteilt. Bad Kreuznach ging an die französische Besatzungszone, die Teile des heutigen Baden-Württemberg und von Rheinland- Pfalz umfasste. Am 20. Juli übernahm die französische Militärregierung Bad Kreuznach.4 Im Gegensatz zur amerikanischen und englischen Besatzungszone konnte Frankreich, das im Krieg selbst zu weiten Teilen zerstört worden war, die Versorgung der Bevölkerung nur mit Mühe sicherstellen.

Alte Nahebrücke vor der Sprengung5 Alte Nahebrücke nach der Sprengung6 Die Infrastruktur der Städte war in ganz Deutschland beschädigt oder zerstört. Auch das war einer der Gründe für die Versorgungsengpässe. Oft fehlte es an Lebensmitteln und an Heizmitteln. Die Bevölkerung begann, Eigentum gegen notwendige Dinge einzutauschen. Es entwickelte sich ein sogenannter schwarzer Markt. In Bad Kreuznach war es vor allem der Verlust der Brücken über die Nahe, der das Alltagsleben der Bevölkerung schwieriger machte.7 Bis zum Herbst 1945

4 Vgl. Gerd Michael Kneib: 1945 und wie es weiterging. Ein Beitrag zur Geschichte unserer Stadt. In: Stadtverwaltung Bad Kreuznach (Hg.): Bad Kreuznach von der Stadterhebung bis zur Gegenwart. Bad Kreuznach 1990, S. 255-319. 5 Alte Nahebrücke 1910. Bild im Stadtarchiv Bad Kreuznach. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller-nahebruecke.html (02.02.2019). 6 Alte Nahebrücke - Ansicht nach Sprengung nach 1945. Bild Karin Kehm. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller-nahebruecke.html (02.02.2019). 7 Zu den Sprengungen und zum Wiederaufbau Rolf Schaller: Der Neubau der Alten Nahebrücke - Die Zerstörung eines historischen Stadtbildes. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller-nahebruecke-neubau- zerstoerung-stadtbild.html (31.12.2018); Rolf Schaller: Hundert Jahre Wilhelmsbrücke - Ein Beitrag zur Verkehrs- und Baugeschichte der Stadt Bad Kreuznach: URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller-wilhelmsbruecke- verkehrsgeschichte-baugeschichte-bad-kreuznach.html (31.12.2018); Rolf Schaller: Die Historie der Kreuznacher Hängebrücke. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller-schaukelbruecke- geschichte-haengebruecke.html (31.12.2018).

3 hatte die französische Besatzungsmacht die großen Straßen und die Wasser- und Gasleitungen in Bad Kreuznach größtenteils repariert. Auch die erste Straßenbahn fuhr schon am 1. September 1945 wieder.

Der Schulbetrieb setzte mit dem Einmarsch der Amerikaner ebenfalls aus. Er wurde auf Anweisung der französischen Militärregierung zum 1. Oktober 1945 wieder aufgenommen.8 Wegen des Mangels an Lehrern und Material sowie geeigneten Räumen fand der Unterricht zunächst aber nur reduziert statt so auch in Bad Kreuznach.

3. Alltagsleben der Familie Frings in Bad Kreuznach

3.1 Kurze Vorstellung der Familie Frings

Edmund Frings als junger Mann mit seinen Eltern. Foto im Familienbesitz. Mein Opa Edmund Frings ist der Sohn von Sybilla Frings, geborene Graf (*1903?), und Heinrich Wilhelm Frings (*1890). Sybilla und Heinrich waren in zweiter Ehe seit 1935 miteinander verheiratet, nachdem Heinrichs erste Frau, eine Schneidermeisterin namens Sophie Fois jung an einer Lungenembolie verstorben

8 Siehe Se Bearbeitungsstand: 30. Dezember 2018, 10:20 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Franz%C3%B6sische_Besatzungszone&oldid=184206 525 (01.01.2019, 14:59 UTC).

4 war. Heinrich war mit zwei Söhnen, Josef (*1919) und Arnold (*1928), allein und froh, wieder eine Frau an seiner Seite zu haben.

Mein Opa Edmund wurde am 09.05.1936 in Düren geboren. Als er noch ein kleines Baby war, zog die Familie nach Bad Kreuznach um, da mein Uropa, der als Landvermesser im preußischen Staatsdienst beschäftigt war, von Düren nach Bad Kreuznach versetzt worden war. Als Beamter konnte mein Opa mit seiner Familie eine recht große städtische Wohnung in Bad Kreuznach in der Nähe des Hauptbahnhofes beziehen.

Eigenes Foto vom Haus, Oktober 2018. Glücklicherweise war mein Uropa Heinrich, der als Soldat schon im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, zu alt, um als Soldat eingezogen zu werden. Er konnte also auch während des Krieges bei seiner Familie in Bad Kreuznach bleiben und 9 wurde er in den letzten Kriegsmonaten noch nach Danzig geschickt, kam aber unverletzt zurück.

3.2 Kriegserleben

Der Krieg hatte begonnen, als mein Großvater drei Jahre alt war. Am Ende des Krieges war er neun Jahre alt. Den Krieg hatte er also als Kind miterlebt, und deshalb bekam er nur mit, was sich die Menschen erzählten oder was er selbst unmittelbar erlebte.

Zu seinen Kriegserlebnissen gehörte der Bombenalarm, der durch einen von meinem Großvater als bedrohlich empfundenen Heulton ausgelöst wurde. Bei einem solchen Alarm lief man so schnell wie man konnte in den nächstgelegenen Luftschutzkeller oder Bunker. Der Keller der Familie Frings diente drei Familien als

9 Der Volkssturm wurde am Ende des Krieges gebildet. Er bestand aus sehr jungen und aus älteren Männern.

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Luftschutzraum. Obwohl ich nicht genau weiß, wie oft mein Großvater in den Luftschutzkeller laufen musste, war das wohl kein unbedeutendes Problem, denn in alle Tagesabläufe war der schnelle Weg in den Luftschutzkeller eingeplant.10

Zum Schutz vor Gasangriffen, die es im Ersten Weltkrieg an der Front gegeben hatte, hingen in jedem Haus Gasmasken: Büchsen mit einer Maske aus Gummi, einer Haube für Kopf und Gesicht. Diese Maske wurde von den Kindern nur ungern Es war eng, es war heiß und zur Belustigung, das war schön, wenn man den Atem hinausblies, dann war vorne ein kleines Gummiventil. Jedenfalls schwappte das hin und her und gab ein Geräusch, als wenn eine Ente schnattert. Ein furchtbares Ding. 11

Da die Familie Frings in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs, einem Ziel möglicher Bombenangriffe, wohnte, flüchteten sie manchmal zur Familie eines Bekannten näher am Stadtrand, zu Familie Haargarten. Mein Großvater kann sich noch lebhaft daran erinnern, dass die Gastgeberin im Keller auf einem Schemel saß und sich bei dem Lärm der Bombenexplosion und der Flieger einen Kochtopf

12 Wenn das Haus der Familie Haargarten getroffen

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3.2 Ernährung

Schon während des Krieges war es nicht immer leicht, Essen zu organisieren. Bombenangriffe hatten die Läden teilweise zerstört. Lebensmittelkarten berechtigten zum Kauf bestimmter Lebensmittel in vorgegebenen Mengen. Damit war zumindest die Grundversorgung sichergestellt. In kleineren Läden, die von der Wohnung der Familie Frings nicht weit entfernt waren, konnte man Lebensmittel kaufen. Zudem gab es in der kleinen Stadt Märkte, die vor allem von den Frauen aufgesucht wurden. Fleisch war rationiert, Butter auch an eine Rationierung von einfach, aber geregelt. 14

10 Glücklicherweise wurde das Haus der Familie Frings nie bombardiert und zerstört. 11 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 12 Ebd. 13 Ebd. 14 Ebd.

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Mit dem Einmarsch der Amerikaner brach die geregelte Versorgung zusammen. Grund dafür war unter anderem, dass die Infrastruktur durch Bombenangriffe, die ganze Straßenzüge zerstört hatten, gelitten hatte. Vor den wenigen noch existierenden Läden, zum Beispiel der ein oder anderen Bäckerei, bildeten sich lange Schlangen. Die meisten Läden waren zerstört und die Märkte wurden eingestellt. Die Familien waren nun auf sich selbst gestellt und versuchten, sich soweit möglich, gegenseitig zu helfen. Manche Stadtbewohner hatten Verwandte mit bäuerlichen Betrieben auf dem Land, die ihnen Lebensmittel zusteckten. Auch fingen die Menschen : Kotteln hieß, sich durch Tausch oder auch durch kleinere Diebstähle (Mundraub) irgendetwas Essbares zu beschaffen.

In der Nähe der Wohnung der Familie Frings, genauer: circa 20 Minuten Fußweg entfernt, war noch eine Bäckerei intakt. Das Brot, das dort verkauft wurde, war allerdings kein normales; es war gelb und bestand aus Mais. Man konnte es auch nicht schneiden und mit Butter oder Marmelade bestreichen, weil es gleich zerfiel. In den Bäckereien der Amerikaner hingegen gab es ein anderes Brot: Es war weich und schmeckte besser. Es gelang den Menschen nur selten, ein solches Stück Brot zu bekommen.

Ein weiteres Problem, das vor allem die Mütter betraf, war die Aufgabe, die schloss meine Urgroßmutter die Speisekammer über Nacht zu. Grund dafür war, dass der ältere Stiefbruder meines Großvaters, Arnold, sich nachts in die Speisekammer geschlichen und einige Scheiben Brot gegessen hatte. Das Vorurteil, dass der Vater die größte oder gar einzige Portion Fleisch bekam, traf auf meinen Urgroßvater nicht zu, wie mein Opa klarstellt.

Der Mangel führte auch zu Wiederverwertung. Die ehemalige Volksschule meines Großvaters war von den Amerikanern beschlagnahmt worden. Natürlich versorgte dort eine Küche die Soldaten mit Essen. Die Lebensmittel, die übrig blieben, wurden auf einen Platz in der Nähe der Küche gebracht. Später wurde Benzin darüber gegossen und 15 Allerdings gelang es

16 Er rannte mit ihnen nach Hause zu seiner Mutter. Sie

15 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 16 Ebd.

7 erkannte, dass es Speckseiten waren, die die Köche wohl abgeschabt hatten. Diese Speckseiten wurden gereinigt und der noch gute Speck in einer Pfanne ausgelassen. Damit konnte man später Bratkartoffeln oder andere Gerichte zubereiten. 17 Der alte Pullover wurde zum Beispiel aufgezogen, um mit der Wolle einen neuen Pullover zu stricken.

Einmal in der Woche war bei der Familie Frings, wie bei vielen Familien, Waschtag. Jede Familie im Haus hatte dafür einen festen Tag. In der Waschküche wurden die Betttücher mit der Hand und mit einem Waschbrett gewaschen und mit einer Bürste geschrubbt. Danach musste der Stoff durch die Mangel gezogen werden: ch dem Waschen ein nasser Klumpen und dann musste das Wasser 18 An diesen Waschtagen gab es nichts Richtiges zu essen.

Hinter dem Haus gab es einen Garten (circa vier mal zehn Meter), und am Ende dieses kleinen Grundstückes stand ein Hühnerstall mit ein paar Hühnern. In diesem kleinen Garten pflanzten meine Urgroßeltern Erdbeeren, Himbeeren, Kartoffeln, Kohl, Petersilie, Kräuter und ein paar Blumen an. Die Kinder sollten den Garten nicht benutzen.

Überhaupt mussten die Menschen Vieles selbst herstellen und organisieren. Manchmal gelang es, einem Bauern in der Nachbarschaft einen Sack Zuckerrüben abzukaufen oder gegen etwas einzutauschen. Diese Rüben wurden zuerst gewaschen und geschält und dann zerkleinert. In einem Waschkessel wurden diese Zuckerrübenschnitzel mit Wasser mehrere Stunden lang über einer Feuerstelle gekocht. Die fertige Masse wurde nun durch ein Tuch gefiltert. Ein zuckerhaltiger Saft kam heraus. Dieser Zuckersaft wurde wiederum eingekocht, bis er zu einer zähflüssigen braunen Masse wurde, die wie flüssiger Honig floss und auch so schmeckte. in Marmeladengläsern gelagert und als Brotaufstrich und Süßungsmittel verwendet. Echten Honig gab es kaum; es gab einen Ersatz, der so ähnlich wie Honig 19

Der Familie meines Großvaters gelang es zudem, Lebensmittel von einem Bauernhof aus der Familie mütterlicherseits zu bekommen, der außerhalb der

17 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 18 Ebd. 19 Ebd.

8 französischen Besatzungszone und fast 200 km entfernt in der Nähe von Düren lag. Dort gab es alles, was man zum Überleben brauchte, Milch, Butter, Brot, Kartoffeln und Gemüse und manchmal auch Fleisch. Entweder schickte die Familie von dort einen Korb mit der Post, oder meine Urgroßmutter fuhr unter dem Vorwand, ihre alte, kranke Mutter besuchen zu müssen, dorthin.20

Für Getränke stellte meine Urgroßmutter aus den Himbeeren ein Konzentrat her, das mit Wasser (laut meinem Großvater) sehr gut schmeckte. Das war aber eine Seltenheit 21

Ebenfalls selten waren Süßigkeiten. Schon im Krieg hatte die Familie aus Milch und Zucker eine Art Krokant hergestellt, das die Kinder wie ein Rahmbonbon lutschen konnten. Nach Kriegsende lernten sie von den Amerikanern Kaugummi kennen: 22 Das verstanden die Amerikaner, und sie gaben den Kindern in der Regel von ihrem Kaugummi. Oft fanden die Kinder auch kleine Dosen und Büchsen, in denen Süßigkeiten wie Kekse und 23

3.3 Schule

Mein Großvater wurde mitten im Zweiten Weltkrieg eingeschult. Er ging auf eine Grundschule in der Nähe seiner Wohnung, die mittlerweile in die Crucenia- Realschule umgewandelt worden ist. Unmittelbar nach Kriegsende wurde der Schulbetrieb zunächst eingestellt. In der Erinnerung meines Opas fiel die Schule sehr lange aus. Wahrscheinlich waren es aber nur etwa rund vier Monate (von der Kapitulation im Mai 1945 bis nach den Sommerferien).

In den Kriegsjahren waren die Klassen noch normal groß: In jeder Klasse, so schätzt mein Großvater heute, waren etwa 20-25 Kinder. Bis zum Ende des Krieges lief der Schulalltag weitgehend geregelt ab. Bei Bombenangriffen gingen die Schüler in Begleitung des Lehrers in den Keller der Schule. Die Kinder, die in unmittelbarer Nähe der Schule wohnten, durften auch schnell nach Hause laufen.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kamen auch Klassenkameraden und ihre Familien um. Das erfuhr mein Großvater in der Schule nach dem Gebet. So sagte

20 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 21 Ebd. 22 Ebd. 23 Ebd.

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Der Platz von der Marianne 24 Da waren in der Nachbarschaft zwei Mädchen, die mein Großvater kannte, mit ihrer Mutter bei einem Bombenangriff getötet worden. Ihr Vater war noch im Krieg an der Front. Wie und wo sie gestorben waren, erfuhr mein Großvater nicht.

Eigenes Foto von der heutigen Crucenia-Realschule, Oktober 2018. Auch die Schule selbst war von Bombenangriffen (wenn auch nicht direkt) betroffen. Bei einem solchen Angriff ließ die Druckwelle einige Fenster bersten. Zum Schutz gegen die Kälte wurde dann Pappe mit Nägeln an den Fensterrahmen befestigt. Im Winter war es dennoch sehr kalt; die Kinder zogen wenn möglich 25

Grundsätzlich funktionierte Schule ähnlich wie heute. Mein Großvater erzählt, dass der Unterricht so abgehalten wurde, wie es auch heute noch üblich ist. Ein wichtiger Unterschied liegt jedoch in den Erziehungsmethoden. Damals waren Stockschläge, Ohrfeigen und Kopfnüsse gang und gäbe:

im Unterricht. Schüler sind unaufmerksam oder sprechen, wenn sie nicht sprechen sollen, sind laut. Der Lehrer ermahnt sie und fragt dann: Wer war das? Keiner meldet sich. Dann bekommt die ganze Klasse habe auch einen Lehrer erlebt, der hatte einen Bündel Stöcke und man konnte sich aussuchen, mit welchem Stock

24 Ebd. 25 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018.

10 man geschlagen wurde. Weh tat auch, wenn er dich über das Knie legte, die Hose strammzog, und dann gab es Schläge. Dinge, die heute in Europa völlig unmöglich einmal als Klassensprecher einem Lehrer das Klassenbuch gebracht, der sich gerade mit einem anderen Kollegen unterhielt. Ich wollte ihm das sagen und habe ihn unterbrochen, weil ich in die Klasse zurück musste. Da hat er sich umgedreht und mir eine gescheuert, dass es nur so krachte. Ich bin halb durch den Raum 26

Nach dem Krieg war der Schulbetrieb mit dem Einmarsch der Amerikaner zunächst eingestellt worden. Überhaupt veränderte sich Vieles im Alltagsleben. Es wurden zum Beispiel Ausgangssperren verhängt: Man konnte das Haus nur zu bestimmten Zeiten verlassen. Viele Gebäude waren ganz oder teilweise zerstört. Es mangelte auch an Lehrkräften, weil die wehrfähigen Männer im Krieg als Soldaten Diese Leute kamen zum Teil aus dem Krieg zurück und waren total nebe 27 Ein geregelter Schulbetrieb konnte insofern nicht stattfinden. Zuhause fand auch keine Bildung statt. Außerdem hatten viele Kinder keine ausreichende Ausstattung oder gar Opfer in der Familie zu beklagen.28

Als die Schule wieder öffnete, waren die Klassen wesentlich größer. Nun gingen bis zu 60 Kinder in eine Klasse. Deshalb konnte der Lehrer den Raum kaum mehr überblicken und die Schüler in den hinteren Reihen nicht wirklich kontrollieren: 29 Um in diese Reihen zu kommen, mussten die Kinder teilweise über die Bänke klettern. Diese waren so eng zusammengestellt worden, weil Teile des Gebäudes zerstört waren und nicht beheizt werden konnten.

3.4 Freizeit

In den letzten Kriegsmonaten drehte sich der Alltag ums Überleben. Eine

30 Meine Urgroßmutter fragte meinen Großvater einmal, ob er in

26 Ebd. 27 Ebd. 28 Mehr dazu bei Gerd Michael Kneib: 1945 und wie es weiterging. Ein Beitrag zur Geschichte unserer Stadt. In: Stadtverwaltung Bad Kreuznach (Hg.): Bad Kreuznach von der Stadterhebung bis zur Gegenwart. Bad Kreuznach 1990, S. 255-319, S. 273. 29 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 30 Ebd.

11 eine Kinderbetreuung gehen wolle. Da er sehr gerne bei seiner Mutter war, die sich liebevoll um ihn kümmerte, verstand er nicht, warum er jetzt in einen solchen

Darum lehnte er die Kinderbetreuung Ich hatte so eine starke Bindung, und hat sie 31

Edmund Frings mit seiner Mutter. Foto im Familienbesitz. Zum Spielen hatte fast jedes Kind einen sogenannten Reif. Dieser Ring bestand entweder aus Eisen oder aus Holz. Mit einem Stöckchen trieb man ihn an und lief 32 Ebenfalls hatten viele Kinder Roll- und Schlittschuhe. Diese waren nicht rationiert. Es waren keine Roll- bzw. Schlittschuhe, wie wir sie heute kennen man schnallte sich die Rollen oder Kufen vielmehr 33

Spielzeug wurde in der Regel aus Holz hergestellt. Einige Kinder hatten größere Spielgeräte, etwa einen Roller so auch mein Großvater, manche sogar einen Holländer: ein vierrädriges Gestell mit einer Querstange. Durch das Bewegen der Stange konnte man sehr schnell geradeaus fahren. Wer gar ein Fahrrad hatte,

31 Ebd. 32 Ebd. 33 Ebd.

12 konnte damit kleinere Einkäufe in der Umgebung machen und zum Beispiel Kartoffeln und Äpfel nach Hause bringen.

Fußbälle konnte man auch kaufen, sie waren allerdings sehr teuer. Irgendwo in einem Sportgeschäft hatte meine Urgroßmutter eine Gummiblase erworben. Das war nur möglich, weil es kurz zuvor die Währungsreform gegeben hatte. Das heißt, die wenig wertvolle Reichsmark wurde in die neue Deutsche Mark umgetauscht, mit der man wieder etwas kaufen konnte. Mit Stoffresten nähte meine Urgroßmutter dann grauem Stoff. Naja, es war ein rundes Gebilde, mit dem man spielen konnte. Es 34

Mein Großvater hatte allerdings auf mehr gehofft. Immerhin war mit der Währungsreform ja gerade neues Geld ins Haus gekommen, und dieses Geld war mehr wert als die alte Reichsmark: Jeder Haushaltsvorstand erhielt vierzig D-Mark. Außerdem wusste mein Großvater, dass sich die Familie eines Nachbarkindes einen Gummiball für sechs D-Mark gekauft hatte. Meine Urgroßmutter sparte das Geld aber lieber für lebensnotwendige Dinge. Einerseits war mein Großvater enttäuscht, dass er keinen echten Fußball bekam, andererseits freute er sich, dass er überhaupt einen Ball zum Spielen hatte.

Allerdings war es nicht ungefährlich, auf der Straße zu spielen. Der Sohn eines Kollegen meines Urgroßvaters fand in den Trümmern eine Patrone einer Vierlingsflak, einen sogenannten Blindgänger. In der Küche versuchte er dann, diese Patrone zu öffnen und das Pulver herauszunehmen. Dabei explodierte sie, riss ihm an einer Hand zwei Finger ab und verletzte sein Gesicht schwer. Mein Großvater glaubt sich zu erinnern, dass ein Auge blind und zerstört gewesen sei. Mein Großvater fand im hinteren Teil des Gartens der Familie den Blindgänger einer Stabbrandbombe mit Phosphor und am Rand eines Bombentrichters ein Dolchgehänge und eine Pistole. Er nahm diese Dinge aber nicht mit, weil er sich wurd 35 Die meisten Kinder lernten rasch, damit vorsichtig zu sein.

Natürlich gab es auch viel weniger schlimme Verletzungen, etwa beim Sport. Man flog, wie heute auch, mal hin und schlug sich dabei zum Beispiel das Knie auf. Die

34 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 35 Ebd.

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Mütter behandelten die Wunden mit Jod, das in den Wunden brannte. Zum Schutz vor Keimen wurde dann noch ein Pflaster draufgeklebt.

3.5 Rheinwiesenlager

Nur einmal sah mein Großvater die heute sehr umstrittenen Rheinwiesenlager zwischen Bad Kreuznach, Bretzenheim und Winzenheim sowie bei dem sogenannten Galgenberg zwischen Bad Kreuznach und Hackenheim. Dort waren 1945 über 100.000 deutsche Soldaten als Kriegsgefangene untergebracht, darunter vor allem Angehörige der und der Luftwaffe, aber auch Rot- Kreuz-Schwestern und Zivilisten unter sehr schlechten hygienischen Bedingungen und bei unzureichender Versorgung mit Lebensmitteln. Das bekamen die Menschen in den Gemeinden um das Lager herum mit, weil es direkt am Stadtrand lag.

Die Situation war sich insofern schwierig, als die Amerikaner mit den Massen an Kriegsgefangenen überfordert waren. Dadurch war die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten usw. nicht sichergestellt. Deshalb starben viele Gefangene an Krankheiten, Erschöpfung oder Hunger und schlechter Ernährung.

Sie wurden dann auch dort mehr oder weniger in Massengräbern beerdigt 36 In Wahrheit wurden Tote auf einem eigenen Areal bestattet und erhielten dort Einzelgräber mit schlichten Holzkreuzen. In den 1950er Jahren wurden sie auf den Ehrenfriedhof Lohrer Wald umgebettet.

Da die Bevölkerung von der Situation der Gefangenen sehr betroffen war, fingen viele Kreuznacher, vor allem Frauen und Mütter, an, den Gefangenen Decken, Kleidung, Essen oder ähnliches zu bringen. Auch meine Urgroßmutter nahm meinen Großvater einmal dorthin mit. Sie hatte eine der wenigen Decken dabei und brachte diese an den Rand des Lagers: , es hat geregnet und da 37 Mein Großvater vermutet, dass die Frauen dabei auch an ihre Männer, Söhne, Brüder, Väter und andere männliche Verwandte dachten, die noch im Krieg oder in Kriegsgefangenschaft waren.

36 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 37 Ebd.

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In den beiden Lagern selbst konnten die Gefangenen ihre Verpflegung durch Arbeitseinsätze, zum Beispiel Essensverteilung oder Totenbeerdigungen, verbessern. Andere Soldaten wurden zu Reparationsarbeiten nach Frankreich gebracht. Die Gefangenen, die in den Lagern blieben, versuchten, sich ihren Alltag durch verschiedene Freizeitaktivitäten zu verschönern. So gab es Kurse in Englisch, Erdkunde, Völkerkunde, Musik, Buchführung und Münzwesen, oder sie begannen zu basteln oder Handwerk zu betreiben.38

Später hatte mein Großvater Biologieunterricht bei einem Lehrer, der selbst Gefangener in einem Rheinwiesenlager gewesen war. Dieser erzählte den Kindern, dass er nur überlebt habe, weil er wusste, dass Regenwürmer viel Eiweiß enthalten. Er hat deshalb mit bloßen Händen Erde umgegraben und versucht, dort Regenwürmer zu finden, um sie dann hinterzuschlucken. Er behauptete, das sei seine Rettung gewesen.

3.6 Französische Besatzung

Im Juli 1945 wurde die amerikanische Besatzungsmacht durch die französische ausgetauscht. Der französische Kommandant der Militärregierung Fabia verkündete am 20. Juli 1945 in der Bekanntmachung Nr.1 die Übernahme der Verwaltung.39

Die amerikanischen Soldaten waren in den Kasernen untergebracht. Bei den französischen Soldaten hingegen lebten nur die unteren Ränge in den Kasernen, die Offiziere wurden in Privatwohnungen untergebracht. So auch bei der Familie Frings: Das größte Zimmer, das Wohnzimmer, wurde nach einer Besichtigung beschlagnahmt und einem französischen Offizier, Monsieur Duflot, zugewiesen: 40 Er sprach kein Deutsch, die Familie Frings kein Französisch.

Trotzdem schaffte es dieser Offizier, meiner Urgroßmutter klarzumachen, dass sie auf seine Scheine Briketts zum Heizen kaufen konnte. Von diesen Briketts konnte

38 So die Informationen in: Das Lager Bad Kreuznach (PWTE A3). In: Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Rheinwiesenlager. Kriegsgefangenschaft in den Rheinwiesenlagern (1945-1948). URL: http://rheinwiesen-lager.de/einzelne-lager-im-heutigen-rheinland-pfalz/bad-kreuznach/ (30.12.2018). 39 Abgedruckt bei Gerd Michael Kneib: 1945 und wie es weiterging. Ein Beitrag zur Geschichte unserer Stadt. In: Stadtverwaltung Bad Kreuznach (Hg.): Bad Kreuznach von der Stadterhebung bis zur Gegenwart. Bad Kreuznach 1990, S. 255-319, S. 264-265. 40 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018.

15 nicht nur der Ofen im Wohnzimmer, sondern auch die anderen Öfen in der Wohnung geheizt werden. Den Tag über verbrachte der Offizier auf seiner Dienststelle oder in der Kaserne. Wenn er abends nach Hause kam, fand er ein 41

Manchmal ging er mit anderen französischen Offizieren nachts mit Scheinwerfern auf die Jagd. Meine Urgroßmutter bekam dann auch manchmal ein Stück Wildbret mitgebracht. Dieses Fleisch wusste sie zu verarbeiten.

Als mein Großvater zur Kommunion ging, wurde sein Anzug aus dem Hochzeitsanzug seines Großvaters zurechtgeschneidert, und er bekam ein Hemd aus alten Bettlaken. Nur Schuhe hatte er keine. Monsieur Duflot erfuhr von dem Problem und kaufte kurzerhand in einem sogenannten 42 insgesamt gesehen haben wir mit diesem Offizier 43 Später ist der Kontakt abgebrochen.

Edmund Frings im Kommunionanzug. Foto im Familienbesitz.

4. Schluss/Zusammenfassung

Die Erinnerungen meines Großvaters erlauben es, diese Zeit in drei Phasen einzuteilen. In der ersten Phase, im Krieg, war die Ernährung dank der Lebensmittelkarten relativ sichergestellt. Allerdings mussten sich die Menschen vor Bombenangriffen fürchten. In der zweiten Phase, die mit dem Einmarsch der Amerikaner begann, war die Infrastruktur größtenteils zerstört. Jede Familie musste selbst schauen, wie sie in dieser Situation an Nahrung kam. Nach der

41 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018. 42 Ein Geschäft, in dem nur die französischen Soldaten oder ihre Angehörigen mit Bezugsscheinen einkaufen durften. 43 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings am 5. und 6. Oktober 2018.

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Übernahme der Stadt durch die französische Besatzung wurden die Alltagsstrukturen langsam wieder aufgebaut.

Wie nahm mein Großvater den Umbruch vom Krieg zur Nachkriegszeit wahr? Auf der einen Seite herrschte Erleichterung, weil man sich nicht mehr vor Bombenangriffen zu fürchten brauchte. Auf der anderen Seite brach mit dem Einmarsch der Amerikaner die ganze vorher noch gut funktionierende Infrastruktur zusammen. Jede Familie war auf sich selbst gestellt, wenn es um die Ernährung und um die Bildung der Kinder ging. Insgesamt, so mein Großvater,

Krieg war Einhalt geboten. 44

Die amerikanischen Soldaten nahm mein Großvater nicht als Feinde wahr. Sie gaben den Kindern Süßigkeiten, zum Beispiel Kaugummi (Schuwingam). In den Erinnerungen meines Großvaters waren die farbigen Soldaten die er 45 gewesen sei. Ist das ein Widerspruch? Es könnte sein, dass er die Kinder wegen ihrer Unschuldigkeit bei dieser Behauptung weggelassen hat. Sich selbst und seine Familie sieht er jedenfalls vom Nationalsozialismus weit e Viele waren keine Nazis, die lebten halt nur in 46 Trotz allem aber war mein Urgroßvater Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) wenn auch kein hochrangiges.

Natürlich gleichen sich die Erinnerungen meines Großvaters und anderer Zeitzeugen nicht, viel zu unterschiedlich sind die Ansichten, Interpretationen, Gefühle jedes Einzelnen und auch der Alltag nach Kriegsende selbst.47 Aber gerade deshalb sind viele Meinungen wichtig, um sich ein besseres Bild erstellen zu können. Gerade Kinder werden dabei nicht selten übersehen, weil sie wenig Quellen hinterlassen und weil sie nicht im Mittelpunkt standen.

44 Interview meiner Cousine Rebecca Pardal-Gonzalez mit Edmund Frings, ohne Datum. 45 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings, mehrere Gespräche, am 5. und 6. Oktober 2018. 46 Interview mit meinem Großvater Edmund Frings, mehrere Gespräche, am 5. und 6. Oktober 2018. 47 So auch Julia Misamer: Das Ende des Zweiten Weltkrieges in der Pfalz. Vor 70 Jahren: Pfälzer erleben Kriegsende und Neubeginn. In: Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde (Hg.): Historische Schlaglichter. URL: https://www.pfalzgeschichte.de/das-ende-des-zweiten- weltkrieges-in-der-pfalz/ (30.12.2018).

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Was können wir von Kindern über die hier betrachtete Phase der Krise, des Umbruchs und des Neuanfangs nach 1945 lernen? Kinder interessiert in ihrem Alltag das, was sie unmittelbar betrifft, aber nicht unbedingt die große Politik. Dass mein Großvater seinen Vater nicht als Nazi sieht, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass er ihn als lieben, guten Vater erlebt hat, während die Nazis als böse gelten zu Recht. Besonders spezifisch kann sich mein Großvater an die Zubereitung des Essens erinnern, an den Schulalltag, an das alltägliche Leben. Bei großen politischen Themen wie den Rheinwiesenlagern greift er hingegen zum Teil auf Gehörtes zurück. Dort, wo es eigene Eindrücke gab, überwiegen diese Eindrücke gegenüber dem, was die Mehrheit sich sonst erzählte: Während die französischen Besatzungssoldaten in der Regel als wenig freundlich und als wenig großzügig wahrgenommen wurden, erzählt mein Großvater sehr farbig von dem netten französischen Offizier, der bei ihnen untergebracht war.

Die Arbeit hat mich in meiner Ansicht bestärkt, dass man erst einmal unterschiedliche Meinungen bzw. Quellen kennen muss, bevor man vorschnell über eine Situation urteilt. Würde man nur die Erinnerungen eines Großvaters in die Geschichtsbücher schreiben, dann denkt in zehn Jahren vielleicht jeder, dass alle französischen Besatzungssoldaten damals nette, großzügige Menschen waren. Das wäre ein Irrtum. Aber umgekehrt ist es auch nicht hilfreich, auf die Meinung der Mehrheiten zu vertrauen, weil sich sonst Vorurteile bilden.

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5. Literatur- und Quellenverzeichnis

5.1 Literatur, Bücher

Kneib, Gerd Michael: 1945 und wie es weiterging. Ein Beitrag zur Geschichte unserer Stadt. In: Stadtverwaltung Bad Kreuznach (Hg.): Bad Kreuznach von der Stadterhebung bis zur Gegenwart. Bad Kreuznach 1990, S. 255-319.

Thies, Jochen Thies/ von Daak, Kurt: Südwestdeutschland Stunde Null. Die Geschichte der französischen Besatzungszone 1945-1948. Ein Bild/Text-Band. Düsseldorf 1979.

5.2 Internet

Bad Kreuznach: Streifzug durch die Stadtgeschichte. Bad Kreuznach heute. URL: http://www.bad-kreuznach.de/sv_bad_kreuznach/ Tourismus,%20Kultur,%20Sport/Stadtportr%C3%A4t/Streifzug%20durch%20die %20Stadtgeschichte/ (31.12.2018).

29. Dezember 2018, 12:42 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bad_Kreuznach&oldid=184171019 (01.01.2019, 13:53 UTC).

Das Lager Bad Kreuznach (PWTE A3). In: Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Rheinwiesenlager. Kriegsgefangenschaft in den Rheinwiesenlagern (1945- 1948). URL: http://rheinwiesen-lager.de/einzelne-lager-im-heutigen-rheinland- pfalz/bad-kreuznach/ (30.12.2018).

Bearbeitungsstand: 30. Dezember 2018, 10:20 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Franz%C3%B6sische_Besatzungszon e&oldid=184206525 (01.01.2019, 14:59 UTC).

Julia Misamer: Das Ende des Zweiten Weltkrieges in der Pfalz. Vor 70 Jahren: Pfälzer erleben Kriegsende und Neubeginn. In: Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde (Hg.): Historische Schlaglichter. URL: https://www.pfalzgeschichte.de/das-ende-des-zweiten-weltkrieges-in-der-pfalz/ (30.12.2018).

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Rolf Schaller: Der Neubau der Alten Nahebrücke - Die Zerstörung eines historischen Stadtbildes. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller- nahebruecke-neubau-zerstoerung-stadtbild.html (31.12.2018).

Rolf Schaller: Hundert Jahre Wilhelmsbrücke - Ein Beitrag zur Verkehrs- und Baugeschichte der Stadt Bad Kreuznach: URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller- wilhelmsbruecke-verkehrsgeschichte-baugeschichte-bad-kreuznach.html (31.12.2018).

Historie der Kreuznacher Hängebrücke. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/schaller- schaukelbruecke-geschichte-haengebruecke.html (31.12.2018).

Horst Silbermann: Cruciniacum, Zelemochum, Bad Kreuznach - Eine Einführung in die Stadtgeschichte. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/ aufsaetze/silbermann-cruciniacum.html (31.12.2018).

Tina Soliman/3sat: Die Ängste bleiben lebenslang. Kriegskinder erinnern sich. URL: https://youtu.be/sbguSjBQS98 (31.12.2018).

reie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 30. November 2018, 14:59 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vorgeschichte_des_Zweiten_Weltkri eges_in_Europa&oldid=183215739 (31.12.2018, 11:51 UTC). wissen2go: Zweiter Weltkrieg - Nachkriegszeit/ Beginn Kalter Krieg. URL: https://youtu.be/QSlDd768FCo (31.12.2018).

Bearbeitungsstand: 28. Dezember 2018, 13:55 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zweiter_Weltkrieg&oldid=18412507 9 (31.12.2018, 11:51 UTC).

5.3 Zeitungen, Zeitschriften

Cay Rademacher: Kriegsende. Zum Beispiel Bad Kreuznach. In: GEO Epoche. Das Magazin für Geschichte Nr. 9 (2002): Deutschland nach dem Krieg 1945-1955, S. 33-41.

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5.4 Interviews

Interview mit meinem Großvater Edmund Frings, mehrere Gespräche, am 5. und 6. Oktober 2018.

Interview meiner Cousine Rebecca Pardal-Gonzalez mit Edmund Frings, ohne Datum.

5.5 Fotonachweis

Foto auf der Titelseite: Trümmerlandschaft. Bild im Kreismedienzentrum. URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/silbermann- cruciniacum-zelemochum-bad-kreuznach-stadtgeschichte.html (02.02.2019).

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6. Arbeitsbericht

Von dem Wettbewerb erfahren habe ich im Geschichtsunterricht durch meinen Geschichtslehrer Herr Ostendorf. Bei diesem sollten wir ein paar Stunden bevor er uns vom Wettbewerb erzählte eine historische Quelle suchen und der Klasse vorstellen. Also habe ich mir ein altes Fotoalbum, das für meinen Urgroßvater Heinrich Wilhelm Frings als Erinnerung an seine Militärzeit in Berlin 1908 bis 1910 angefertigt wurde, von meinen Großeltern ausgeliehen. Da mich die Geschichte dieses Familienzweigs interessierte, wollte ich noch mehr erfahren und fragte meinen Opa Edmund nach seinen Erinnerungen an seinen Vater. Dabei bemerkte ich schnell, dass ich von ihm als lebendigem Zeitzeugen noch mehr als aus den Fotos des Fotoalbums über die Geschichte und meine Familiengeschichte erfahren konnte. Da mein Opa 1936 geboren ist und die letzten Kriegsjahre und die Nachkriegszeit als Kind miterlebt hat, entstand die Idee, im Rahmen des Wettbewerbs diese Geschichte für mich und kommende Generationen festzuhalten. Das Heft Spurensuche half mir bei der zeitlichen Organisation meines Vorhabens und dabei nachzuprüfen, ob ich bei Kapiteln wie Einleitung, Fazit und Arbeitsbericht alle wichtigen Punkte angesprochen habe.

Am 5. Oktober 2018 habe ich daher mit meinem Großvater Edmund Frings seinen damaligen Wohnort Bad Kreuznach besucht. Meine Großmutter Doris Frings, mein Bruder Jakob und meine Eltern Cornelia und Andreas waren dabei. Obwohl mein Großvater keine großen Emotionen gezeigt hat, war ihm doch anzumerken, wie sehr er berührt war, nochmal an diesen Ort seiner Kindheit zurückzukommen.

An diesem Tag haben wir das Interview begonnen und am folgenden Tag sehr intensiv fortgeführt. Ich konnte mich vor lauter Text kaum retten, weil mein Opa sehr ausführlich und gerne von seinen Kindheitserinnerungen erzählt hat. In Bad Kreuznach habe ich auch das ehemalige Haus der Familie Frings sowie Orte wie den Kornmarkt oder die Kirche, an die sich mein Großvater erinnert, fotografiert. Obwohl ich schon einmal davor in Bad Kreuznach war, sehe ich die Stadt jetzt mit anderen Augen. Falls ich mich zum Beispiel mit Bonn oder Stuttgart beschäftigt hätte, wäre das bestimmt genauso gewesen.

Über einen längeren Zeitraum, am intensivsten aber in den Herbstferien, habe ich Texte gelesen und ausgewertet und weitere Texte gesucht und gefunden. Außerdem habe ich mir Videos angeschaut, einen Dokumentarfilm über Kriegskinder und eine Zusammenfassung von MrWissen2Go über das Ende des

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Zweiten Weltkriegs. Diese Filme habe ich mir angesehen, um noch mehr Hintergrundwissen aus verschiedenen Blickwinkeln zu sammeln. Zusätzlich habe ich auf vielen Internetseiten über Bad Kreuznach und die Nachkriegszeit allgemein nach Fakten gesucht, um mir ein genaues Bild machen zu können. Da meine beiden Eltern an der Universität arbeiten, konnte ich auch Bücher oder Ausdrucke aus Büchern aus der Universitätsbibliothek nutzen.

Auch am Geschichtstag, der am 11.12.2018 stattfand, habe ich teilgenommen. Ich konnte mit verschiedenen Leuten aus verschiedenen Altersstufen über mein Thema reden und mir auch von ehemaligen Teilnehmern am Geschichtswettbewerb, ehemaligen Lehrern und jetzigen Lehrern Ratschläge einholen.

Geschrieben habe ich diese Arbeit vor allem in den Weihnachtsferien 2018-19 zwischen den Jahren. Das war ganz schön anstrengend. Ich habe etwa eine Woche lang täglich drei Stunden am Geschichtswettbewerb gesessen. Davor habe ich mir ein Konzept entwickelt, wie ich alle Themen in dieser Zeitspanne sortiert niederschreiben kann. Natürlich war ich stolz, als ich mit dem größten Teil der Arbeit kurz vor unserer Berlinreise nach Neujahr weitgehend fertig war. Ohne die Unterstützung meiner Eltern hätte ich sicherlich nicht durchgehalten.

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7. Anhang

7.1 Bilder

Edmund Frings im Buggy. Foto im Familienbesitz.

Edmund Frings mit Freundin und Tauben. Foto im Familienbesitz.

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Eigenes Foto von meinem Großvater Edmund Frings in der heutigen Gustav- Pfarrius-Straße sowie von mir und meinem Großvater vor seinem Elternhaus.

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7.2 Interview

Pausen. Mein Großvater hat auch ma Außerdem habe ich Fragen und Antworten hier ein wenig systematischer zusammengestellt.

Essen

Hattest Du oft Hunger? (Ernährungssituation)

Vor der Eroberung der Stadt durch die Amerikaner war das tägliche Leben, die Ernährung noch relativ sichergestellt. Man konnte Lebensmittel in kleineren Geschäften kaufen, die in der Nähe unserer Wohnung. Die Frauen gingen in die Stadt, es gab Märkte. Es war alles einfach, aber geregelt. Alle Familien bekamen Lebensmittelkarten, die zum Kauf bestimmter Lebensmittel berechtigten. Natürlich waren die Dinge rationiert, man konnte also nicht auf diese Karten Fleisch ohne Ende kaufen, sondern es gab nur eine bestimmte Menge, auch bei der Butter. Bei Brot kann ich mich nicht erinnern, ich glaube das war frei verfügbar.

Als die Amerikaner die Stadt erreichten, brach diese Versorgung, die bis dahin gut geklappt hatte, völlig zusammen, d.h. die Infrastruktur war weg, bedingt auch durch die vorangegangenen Bombenangriffe, die ja ganze Straßenzüge und Stadtteile zerstört hatten. Man war mehr oder weniger auf sich selbst gestellt und die Familien versuchten nun, sich gegenseitig zu helfen. Einige hatten Verwandte, die bäuerliche Betriebe in der Nachbarschaft hatten, in den Dörfern. Es wurde getauscht, es wurde gekottelt. Kotteln hieß auf irgendeine Weise durch Tausch oder auch durch kleinere Diebstähle oder wie man es nennt Mundraub sich irgendetwas Essbares zu verschaffen.

Wir als Kinder waren natürlich interessiert an dem, was sich da in den amerikanischen Kasernen abspielte, ganz in unserer Nachbarschaft. Zum Beispiel war in meiner Volksschule, in der ich eingeschult war, der Schulbetrieb ganz zum Erliegen gekommen. Die Schule war beschlagnahmt worden und dort befanden sich amerikanische Truppen. Es gab natürlich dann auch eine Küche, die die Soldaten mit Essen versorgte. Ich erinnere mich an einen Vorfall. Ich habe da interessiert zugeschaut, es waren auch Kameraden dabei. Wir kuckten dann wie dort in größeren Mengen Nahrung hergestellt wurde. Die Amerikaner waren an sich gut versorgt. Sie hatten einen guten Nachschub. Ganz in der Nähe der Küche befand sich ein Platz. Dort wurden einfach Lebensmittel, die übrig waren oder Überreste, gelagert. Wir haben auch gesehen, dass dann später Benzin darüber gegossen wurde und es wurde angezündet. Das war dann für uns schon eine interessante Sache, aber vom Geruch her makaber.

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Mir ist es aber gelungen, am Rande dieses Platzes zwei oder drei Stücke, ich weiß es nicht mehr genau, zu ergattern. Es hat sich herausgestellt, dass das Speckseiten waren, also Teile von Speck, von denen die Köche mit ihren scharfen Messer schon Teile abgeschabt hatten. Ich habe mir diese Dinger geschnappt. Ich hatte immer einen kleinen Rucksack dabei, habe das dann zusammengerollt und habe mich dann so sticum aus dem Staub gemacht, in der Meinung, etwas Wichtiges erbeutet zu haben. Ich bin dann nach Hause gelaufen und habe das meiner Mutter gezeigt. Sie hat dann erkannt, dass das noch zu verwerten war. Ich kann mich erinnern, dass Wasser aufgestellt und gekocht wurde. Diese Teile wurden gereinigt, gesäubert und dann wurde mit einem scharfen Messer die restlichen Speckteile und das Fett abgeschnitten, das dann in einer Pfanne wie man sagt ausgelassen wurde. Das diente dann später zur Zubereitung von Bratkartoffeln oder anderer Dinge.

Natürlich war es auch immer wieder ein Problem, und das war Aufgabe meiner Mutter, die Lebensmittel, die wir bekamen, die wir also kaufen oder tauschen konnten, so zu verwalten, dass die ganze Familie versorgt werden konnten.

Die Familie bestand außer mir aus vier Personen: Vater, Mutter, mein Bruder Arnold, mein Bruder Josef, der dann aber später durch Heirat aus unserem Haushalt wegging und ich. Es war eine mächtige Aufgabe für die Mutter, immer wieder die Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen. Um darüber aber nicht ins Wanken oder in Schwierigkeiten zu geraten, hat sie dann die Lebensmittel, auf die wir natürlich scharf waren, weil wir auch Hunger hatten und uns im Wachstumsalter befanden, in der Speisekammer verschlossen. Der Vorgang ist deswegen so gelaufen, weil mein Bruder einmal abends, als er Hunger hatte, in die Küche geschlichen ist und einige Scheiben Brot gegessen hat, die natürlich am anderen Morgen gefehlt haben. Es gab dann kleinere Auseinandersetzungen und mein Bruder wurde darauf hingewiesen, dass das so nicht geht. Das ging dieser Sache voraus und hat dazu geführt, dass meine Mutter dann Brot und Butter und Marmelade und solche Sachen in der Speisekammer verschlossen aufbewahrt hat.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass nach dem Ende des Krieges in einer Bäckerei, die allerdings von unserem Haus circa zwanzig Minuten entfernt war, in einem anderen Stadtteil, Brot gebacken wurde. Man kann sich vorstellen, wenn in einer Stadt, in der noch circa 20.000 Menschen leben und nur ein oder zwei Bäckereien intakt sind, dass dort riesige Schlangen anstanden, um Brot zu kaufen. Dieses Brot war anders als das Brot, das wir gewohnt waren. Es war nämlich gelb. Auf die Frage, Mama warum ist das Brot gelb, wurde uns geantwortet, das besteht aus Mais. Das waren wir nicht gewohnt. Das Brot, das wir vorher gegessen hatten, bestand aus Weizen, gemahlenem Korn. Es war kein Brot, wie wir es kannten, das man schneiden konnte und mit Butter oder Marmelade bestreichen konnte. Das Brot zerfiel und schmeckte auch nicht gut. Wir waren hungrig, aber das Maisbrot fand keinen großen Anklang.

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Die Amerikaner hingegen hatten ihre eigenen Bäckereien. Und wenn es einem gelang, mal ein Stück Brot oder ein ganzes Brot zu erwischen, dann haben wir uns über die Form und die Qualität gewundert. Es war ein ganz weiches Brot, so wie wir es nicht gewohnt. Es war eine ganz andere Art des Geschmacks und wir haben das auch ganz gerne mal gegessen.

Wie wurden die Lebensmittel besorgt?

Die Lebensmittel wurden in Geschäften besorgt, da gab es Bäckereien, es gab Milchgeschäfte, kleine Kolonialwarengeschäfte, aber nicht in dem Sinne wie wir es heute kennen große Kaufhäuser. Die waren nicht vorhanden.

Habt Ihr selbst angebaut?

Wir hatten hinter dem Haus in der Gustav-Pfarrius-Straße einen Garten, der war ungefähr vier Meter breit und zehn Meter lang und am Ende dieses kleinen Grundstückes war ein kleiner Hühnerstall mit ein paar Hühnern. Auf diesem kleinen Garten, der von meinem Vater bearbeitet wurde wir Kinder hatten da wenig Einfluss mein Vater liebte es nicht, wenn die Kinder da unterwegs waren da wurden Erdbeeren angebaut, ein paar Kartoffeln, Kohl, Petersilie, ein kleiner Kräutergarten und die Mutter hat auch ein paar Blumen gezogen, Tulpen, Vergissmeinnicht.

Außerdem hatte die Mutter Himbeeren angepflanzt und aus diesen Himbeeren wurde ein Konzentrat hergestellt, das mit Wasser sehr gut geschmeckt hat. Aber das war schon etwas Besonderes.

Was habt ihr selbst herstellen können?

Ich erinnere mich auch sehr lebhaft an eine Situation zur Beschaffung von Brotaufstrich aus Rübenkraut. Man ging zu einem Bauern in der Nachbarschaft und versuchte dort Zuckerrüben zu kaufen beziehungsweise zu erlangen. Das gelang oft über einen normalen Geldbetrag, den man bezahlte oder über eine andere Kleinigkeit, die man tauschen konnte, zum Beispiel eine Flasche Wein. So konnte man den Bauern bewegen, einen halben Sack oder einen Sack Zuckerrüben abzugeben. Die wurden dann mit dem Leiterwagen oder mit dem Fahrrad nach Hause geschafft und dann ging das große Waschen los. Diese Zuckerrüben, an denen noch Erdteile hingen, sie waren ja eigentlich für Futterzwecke gedacht, wurden erst mal in der Bütte mit viel Wasser gewaschen, dann geschält und mit dem Messer wurden Krautreste entfernt.

Das heißt diese Zuckerrüben wurden behandelt wie Gemüse, zunächst gereinigt, dann zerkleinert und dann wurde die Zuckerrübenschnitzel in dem Waschkessel, der sonst über die Wochen und Monate zum Kochen der Wäsche verwendet wurde, mit Wasser über einer Feuerstelle gekocht. Mehrere Stunden lang. Das gab eine dampfende Masse, die auch gerührt werden musste mit einem großen Holzlöffel oder Holzstiel, damit nichts anbrannte. Das konnte auch in den Abend hineingehen oder in die Nacht Da mussten der

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Vater oder die Mutter halt auch mal den Wecker stellen und runter in den Keller gehen und kucken, was macht denn unser Kochbetrieb.

Irgendwann war der Punkt gekommen und dann wurde diese gekochte Masse in ein kleines Gerät gefüllt, das auch entweder im Hause vorrätig war oder man konnte es ausleihen. Das war eine kleine Kelter, in der diese Masse eingelegt war. Da lag ein Leinentuch drin und dann wurde auf diese Masse Druck ausgeübt und es lief ein zuckerhaltiger Saft heraus. Wir Kinder haben dann mit dem Finger mal hineingestippt und in den Mund geschmeckt, das schmeckte süß. Dieser Zuckersaft wurde also dann gewonnen. Was mit der Masse passierte, die übrig blieb, weiß ich nicht. Vielleicht haben wir sie dem Bauer zurückgegeben. Da konnte man eigentlich so nichts mit anfangen. Wichtig war der Saft, der wieder in den gereinigten Kessel eingefüllt wurde. Dann fing das Einkochen an. Man musste so lange Feuer unter diesem Kessel halten und rühren, bis diese zunächst braune Flüssigkeit immer mehr Farbe annahm und zum Schluss zu einer zähflüssigen, braunen Masse wurde, die wie flüssiger Honig floss und auch so ähnlich schmeckte. Das Ganze nannte man Rübenkraut, konnte man als Brotaufstrich verwenden, schmeckt sehr lecker. Man konnte es zum Süßen von Speisen verwenden, also es war ein ganz wertvolles Lebensmittel, auch sehr nahrhaft, das in Gläsern abgefüllt wurde und durch seinen hohen Zuckergehalt auch nicht verdarb. Das heißt die Gefäße, davon hatte man genug, weil ja auch immer wieder Obst eingekocht werden musste, wurden einfach mit einem Deckel. Manchmal nahm man Cellufanpapier, das wurde nass gemacht und darüber gezogen, und wenn das dann trocknete, gab das so eine feste Haut, die vor Schmutz und Staub schützte. Das wurde im Keller oder in der Speisekammer aufbewahrt und diente als Süßungsmittel, weil Honig ja auch nur bedingt zu kaufen war. Gerade was Honig anbetrifft: Da gab es natürlich auch ein Produkt, das hieß Kunsthonig, das sah aus wie Honig und schmeckte so ähnlich wie Honig, war aber ein Kunstprodukt, das mit Bienen nichts zu tun hatte. Da hatte nie eine Biene mitgewirkt. Das war ein reines Produkt, das künstlich hergestellt wurde.

Gab es Süßigkeiten (bzw. Besonderes)?

Zucker war ja auch rationiert. Ich kann mich erinnern, dass in einer Pfanne manchmal mit Milch und Zucker so eine Art Krokant gemacht wurde. Das konnte man dann zerschneiden und das gab dann so eine Art Rahmbonbon, den man lutschen konnte. Das haben wir uns selbst hergestellt. Wenn Zucker da war.

Also was die Frauen durch die Bank in dieser Zeit geleistet haben, das ist unvorstellbar. Wie die es geschafft haben, eine Mahlzeit auf dem Tisch zu bringen. Oder auch andere Dinge, wie zum Beispiel Kleidung. Da wurde geflickt und gestrickt. Der alte Pullover wurde aufgezogen und die Wolle wurde verwendet, um einen neuen Pullover zu stricken.

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Für uns Kinder war es sehr spannend, zu sehen wie das Leben der Amerikaner sich abspielte in dem Bereich, den wir betreten durften. Die Soldaten zeigten sich den Kindern gegenüber eigentlich sehr freundlich. Wir konnten kein Englisch, es gab ja in der Grundschule kein Englischunterricht, aber wir hatten schnell raus, wie man die

Kaugummi, das wir dann begierig aufnahmen und wie kleine Schätze hüteten. Das war für uns etwas Neues, das wir nicht kannten. Ebenso war es mit Schokolade war bis dahin wirklich eine Seltenheit. Natürlich wurde auch Schokolade gehandelt, aber das war ein Luxusartikel und den zu kaufen, war fast nicht möglich, weil ja auch die Rohstoffe fehlten. Kakao wurde bei uns nicht produziert und durch die Kriegseinwirkungen waren natürlich auch die Möglichkeiten, aus fremden Ländern etwas zu importieren, sehr eingeschränkt. Aber die Amerikaner, die vielleicht im Anfang von ihren Offizieren angehalten worden waren, zurückhaltend zur deutschen Bevölkerung zu sein, erkannten sehr schnell, dass Deutsche auch Menschen sind und manch ein Amerikaner wird an seine Familie und an seine Kinder zu Hause gedacht haben. Vor allem die farbigen Soldaten waren lustig und freundlich. Wir hatten schnell Kontakt mit denen und sie haben uns mit Keksen und Süßigkeiten versorgt. Diese Sachen, die die Amerikaner zur Verfügung hatten, waren alle sehr gut und sehr sauber verpackt, so dass sie jederzeit, egal ob sie im Freien lag und egal wo man sie fand, in erstklassigem Zustand waren. Selbst die Kekse und die Kaugummis waren meist in kleinen Büchsen verpackt. Die konnte man öffnen, die waren steril, die waren sauber. Das waren kleine Schätze für uns.

Wie hat man gewaschen?

Einmal in der Woche gab es den Waschtag. Dann gab es nichts Richtiges zu essen zwei Tage lang, nur Bohnensuppe. Das fand in der Waschküche statt. Jede Familie im Haus hatte einen festen Tag. Wie die Frauen das geschafft haben! Ich wurde auch herangezogen, ich musste die Mangel drehen. Das waren zwei Gummirollen, die über einen Griff gedreht wurde. Und dann wurden die Betttücher, die mit Hand mit einem Waschbrett gewaschen und mit der Bürste geschrubbt worden waren, gemangelt. Das war ja nach dem Waschen ein nasser Klumpen und dann musste das Wasser wieder raus.

Wann war Schule? Gab es überhaupt Schule?

Der Schulunterricht bis zum Schluss war natürlich vorhanden. Das war schon geordnet. Die Volksschule lag in unmittelbarer Nähe unseres Wohnhauses. Ich konnte dort in zwei Minuten hinlaufen, bei gemütlichem Gehen in vielleicht fünf Minuten. Eine große Schule, die es auch heute noch gibt. Wir waren dort in Klassen untergebracht und der Unterricht wurde abgehalten wie es auch heute noch üblich ist. Wenn allerdings Alarm kam, also die Sirenen gingen, dann waren die Schüler angehalten in geordneter Form mit dem Lehrer oder der Lehrerin in den Luftschutzbunker, der sich im Keller der Schule befand, zu gehen.

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Die Kinder, die in unmittelbarer Nähe der Schule wohnten, hatten die Erlaubnis, nach Hause zu laufen. Das heißt ich habe meinen Ranzen geschnappt und bin so schnell ich konnte nach Hause gerannt. Wir haben dann auch den Luftschutzkeller, der sich in unserem Haus befand, aufgesucht.

Wie viele Kinder gab es pro Klassenraum?

Die Klassen waren damals nicht übermäßig groß oder klein, ganz normal. Ich schätze, dass wir in der Volksschule so 20 bis 25 Kinder waren. Aber nach dem Krieg, als dann wieder der Schulbetrieb aufgenommen wurde, vor allem als ich auf das Gymnasium ging, weiß ich, dass die Klassen übermäßig groß waren. Wenn ich mich nicht täusche, haben wir in einer Klasse mit 60 Kindern gesessen. Es war so voll, dass der Lehrer überhaupt nicht überblicken konnte, wer sitzt eigentlich hinten. Die hatten alle Freiheiten. Sie mussten zum Teil auch über Bänke steigen, um überhaupt dorthin zu kommen. Die Schulbänke waren so eng zusammengestellt, weil ja auch Teile der Schule zerstört waren oder nicht zu beheizen waren. Oder es waren keine Fenster da. Ich kann mich an einen Angriff erinnern, da waren durch die Druckwelle einige Fenster kaputt. Man hat Pappe mit Nägeln am Fensterrahmen befestigt. Im Winter war das kalt. Wir haben alles angezogen, was wir hatten. Wer eine Pelzmütze aus einem geschlachteten Hasen hatte, der war gut dran. Alles was man hatte, zog man an.

Wie war der Unterricht?

Stell Dir vor, Du bist in der Schule im Unterricht. Schüler sind unaufmerksam oder sprechen, wenn sie nicht sprechen sollen, sind laut. Der Lehrer ermahnt sie und fragt se Stockschläge. Das nennt man Kollektivstrafe. Das gab es. Ich habe auch einen Lehrer erlebt, der hatte einen Bündel Stöcke und man konnte sich aussuchen, mit welchem Stock man geschlagen wurde. Weh tat auch, wenn er dich über das Knie legte, die Hose stramm zog und dann gab es Schläge. Dinge, die heute in Europa völlig unmöglich wären. Geprügelt wurde noch, Ohrfeigen, Kopfnüsse, am Ohr ziehen das war gang und gäbe. Ich habe einmal als Klassensprecher einem Lehrer das Klassenbuch gebracht, der sich gerade mit einem anderen Kollegen unterhielt. Ich wollte ihm das sagen und habe ihn unterbrochen, weil ich in die Klasse zurückmusste. Da hat er sich umgedreht und mir eine gescheuert, dass es nur so krachte. Ich bin halb durch den Raum geflogen und wusste gar nicht warum. Das empfand ich als sehr ungerecht und habe das auch meiner Mutter erzählt und die hat

ähnliches. Das war eine heftige Lektion und ich habe gelernt, dass man Lehrer nicht unterbrechen darf.

Wie war es mit der Schule in der Nachkriegszeit?

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In der Zeit, als die Amerikaner in Bad Kreuznach einmarschierten, kam der Schulbetrieb zum Erliegen. Es fand keine Schule mehr statt. Es hat sich überhaupt das ganze Leben total verändert. Es wurden auch Ausgangssperren verhängt, das heißt man konnte nur zu bestimmten Zeiten das Haus verlassen, wenn man noch eine Wohnung hatte, die nicht zerbombt war. In der übrigen Zeit war Ausgehverbot. Man musste also zu Hause bleiben. Insofern konnte ein geregelter Schulbetrieb überhaupt nicht stattfinden. Es waren ja auch viele Gebäude zerstört, es fehlte an Lehrkräften. Die Männer, die wehrfähig waren, waren alle im Krieg eingezogen. Zum Schulbetrieb wurden Frauen, ältere Personen oder Männer, die eine Kriegsverletzung hatten, herangezogen. Ich kann mich erinnern, dass wir direkt nach Kriegsende monatelang keine Schule hatten. Ich weiß nicht mehr genau, wie lange die Zeit war. Wochen, Monate - es war eine lange Zeit, die wir natürlich im Moment als wohltuend empfunden haben. Das wurde von uns Kindern nicht unbedingt als gravierend empfunden, man ging ja lieber spielen oder machten anderen Dinge. Natürlich hat sich das später schon ausgewirkt, weil ja auch Lücken aufgetreten sind. Zu Hause spielte sich in Bezug auf Bildung auch nicht viel ab, da wurde ja kein Privatunterricht erteilt. Man hatte andere Sorgen als Kinder in Geographie oder in Fremdsprachen zu unterrichten.

Freizeit

Was gab es für Spielsachen und wie hat man die besorgt?

Jedes Mädchen und jeder Junge hatte einen sogenannten Reif. Das war ein Ring aus Eisen oder aus Holz. Die konnte man mit einem Stöckchen antreiben und dann lief man einfach hinterher. Das war eine nette Sache. Jedes Kind hatte Rollschuhe und auch Schlittschuhe. Die waren überall vertreten und die konnte man auch kaufen. So etwas war nicht rationiert. Die Schlittschuhe im Winter waren natürlich keine modernen Schlittschuhe wie wir sie heute kennen, bei denen der Schlittschuh mit dem Schuh verbunden war. Das waren einfache Geräte, die mit einem Schlüssel an die Schuhe angeschraubt wurden. Man kann sich vorstellen, dass beim Laufen auf dem Eis mancher Absatz oder manche Sohlen abriss. Das war eine Sache, die war nicht so ganz perfekt. Ähnlich war es bei den Rollschuhen. Sie wurden auch angeschraubt. Wer besonders gut dran war, der hatte ein paar lenkbare Rollschuhe, die waren schon mit Kugellager und rollten sehr gut, die Achse vorne drehte sich, sodass man auch Kurven fahren konnte. Das war ein beliebter Sport, den die Kinder ausübten. Natürlich flog man auch manchmal hin, dann gab es an den Knien Wunden.

Wir sind dann nach Hause gelaufen und die Mutter hat Jod drauf gemacht. Das brannte furchtbar, färbte die Stelle rot-braun oder violett und dann wurde ein Pflaster draufgeklebt, wenn man eines hatte und dann ging es weiter. Wenn man durstig war, ging man in die Waschküche, drehte den Hahn auf und trank so lange, bis der Durst gelöscht

32 war. An Getränken hat die Mutter dann im Sommer, wenn es warm war, Himbeersirup hergestellt, die sie im Garten erntete. Ein sehr gut schmeckendes Konzentrat, aber das war schon etwas Besonderes. In der Regel tranken wir Kranenwasser.

Viele Spielsachen wurden aus Holz hergestellt. Ich hatte einen schönen Roller, bei dem aber im Laufe der Zeit die Speichen kaputt gingen und die konnten nicht ersetzt werden. Dann konnte dieser Roller nicht mehr benutzt werden.

In unserer Nachbarschaft war ein Junge, der hatte einen sogenannten Holländer. Das war ein Gestell mit vier Rädern. Wo sonst die Lenkstange war, gab es eine Querstange. Durch Bewegung nach vorne und hinten konnte man recht schnell fahren.

Mit Fahrrädern war es so eine Sache. Man konnte ja keine Fahrräder kaufen, die waren nicht zu haben. Mein Vater hatte ein altes Fahrrad namens Opel, ein uraltes Herrenfahrrad, das ich dann versucht habe, mit allen möglichen Dingen etwas zu modernisieren. Ich kann mich erinnern, dass ich von meinem Taschengeld eine moderne Lenkstange gekauft habe. Ich habe versucht, das Ding zu modernisieren. Es wurde auch mit Lack gearbeitet. Wenn wir irgendwo eine Dose Lack organisieren konnten, dann wurde das Fahrrad angestrichen. Damit hat man dann auch versucht, kleinere Touren in die Umgebung zu machen. Es wurden dann auch manchmal Äpfel oder Kartoffel damit transportiert.

Jungs spielen ja gerne Fußball, aber mit den Fußbällen war es so eine Sache. Fußbälle konnte man eigentlich so nicht kaufen, das heißt man hätte sie schon kaufen können, aber dafür war eigentlich kein Geld da. Ich erinnere mich daran, nachdem, die Amerikaner einmarschiert waren und das Leben sich langsam wieder normalisierte und auch die Geschäfte wieder Waren hatten, die man kaufen konnte, wurden natürlich auch wieder diese Sportartikel verkauft. Ich kann mich erinnern, das war aber schon wieder etwas später, als an einem Wochenende die bis dahin gültige Reichsmark in die Deutsch-Mark umgewandelt wurde. Die Leute wurden aufgerufen zu einer bestimmten Stelle zu gehen und konnten dort, einen bestimmten Betrag, ich glaube es waren zwanzig oder vierzig Reichsmark in D-Mark umtauschen. Meine Mutter hatte also von heute auf morgen neues Geld in der Hand. Und ich hatte einen Kameraden aus der Nachbarschaft, mit dem ich immer spielte. Ich hatte herausgefunden, dass er von seinen Eltern einen Gummiball gekauft bekam, der hätte sechs Mark gekostet. Ich habe meine Mutter angebettelt, ich hätte auch gerne so einen Ball, der wunderbar sprang und mit dem man wunderbar spielen konnte. Aber das war nicht drin und meine Mutter sagte, das sei zu teuer. Sie könnte das nicht aus dem neuen Geld bezahlen, da seien andere Dinge wichtiger. Es blieb also dabei. Wir haben irgendwo in einem Sportgeschäft eine Gummiblase erworben, denn früher waren ja die Fußbälle aus Leder und innendrin befand sich eine Gummiblase, die mit einer Luftpumpe aufgepumpt wurde. Diese Gummiblasen konnte man kaufen, aber damit spielen ging nicht. Meine Mutter konnte aber gut nähen. Sie hat es fertiggebracht,

33 auf ihrer Nähmaschine aus Stoffresten eine Hülle zu nähen, die also um diese Gummiblase herumgebracht und dann zugenäht wurde. Und dann hatte ich einen Ball aus grauem Stoff. Na ja, es war ein rundes Gebilde, mit dem man spielen konnte. Es war besser als nichts. Ich war auch damit zufrieden und habe damit meinen Spaß gehabt.

Wie war es mit Freundschaften/Spielkameraden? (eigentlich eher: wie war es für die Kinder in der Nachkriegszeit mit dem Spielen?)

Nach Kriegsende gab es ein Problem mit verstreuter Munition und mit Blindgängern. Draußen wo die Kinder spielten, in den Trümmern, gab es viel Munition. Da hat sich in unserer Straße etwas Tragisches ereignet. Der Sohn eines Kollegen meines Vaters nahm eine Patrone von der sogenannten Vierlingsflak, das war ein Gerät, das zur Abwehr von tief fliegenden feindlichen Flugzeugen benutzt wurde. Ein Gerät mit vier Rohren, die Munition schossen und in Kriegszeiten oft von Jugendlichen bedient wurde. Er hatte eine solche Patrone gefunden, mit nach Hause genommen und in der Küche wohl auf der Fensterbank mit einer Zange und einem Hammer bearbeitet um die Patrone zu öffnen und das Pulver heraus zu nehmen. Diese Patrone ist explodiert und hat ihm tragischerweise an einer Hand zwei Finger abgerissen und sein Gesicht schwer verletzt. Soweit ich mich erinnern kann war ein Auge blind beziehungsweise zerstört. Das war natürlich eine tragische Sache, zumal sie sich in unserer Straße abspielte, aber gleichzeitig auch eine Warnung für uns. Wir wurden also mehrfach darauf hingewiesen um Gottes Willen keine Munition, die wir fanden, anzufassen beziehungsweise den Eltern oder einer verantwortlichen Person das zu benennen, damit diese Dinge weggeräumt und schadlos gemacht werden konnten. Ich habe auch mal am Rande eines Bombentrichters neben unserem Garten, wo eine verstreute Bombe niedergegangen war, als wir nicht zu Hause waren, eine Pistole und ein Dolchgehänge gefunden, wie sie von Offizieren am Koppel getragen wurden. Ich habe diese Dinge dann auch angeschaut, aber nicht angefasst. Das waren Warnungen, die an uns ausgesprochen wurden. Und ich muss sagen, wir Kinder haben das auch ernst genommen. Ich war da vielleicht besonders sorgfältig, ich habe mich von diesen Dingen ferngehalten. Wir hatten ja den Krieg Gott sei Dank ohne Schaden überstanden, also wieso sollten wir uns jetzt in Gefahr bringen mit Waffen, die weggeworfen worden waren oder verstreut herum lagen. Ich habe auch mal gesehen, dass im hinteren Garten ein längliches Teil lag. Das war ein Blindgänger einer Stabbrandbombe mit Phospor gefüllt. Auch das wurde entsorgt und weggeräumt. Wir wussten genau, was damit passieren kann und dass man davon wegbleibt.

Gab es so etwas wie Freizeitangebote für Kinder?

In den letzten Kriegsmonaten war das tägliche Leben bestimmt durch das, was passierte. Wenn Du eingeschult warst, gingst Du in den Unterricht morgens oder in den Schulgottesdienst, wenn aber die Sirene ging, dann musste man kucken, dass man in den Bunker kam. Dann kommt man nicht einfach sagen, ich gehe jetzt voltigieren. Natürlich

34 gab es Aktivität wollte nicht in den Kindergarten. Ich wusste gar nicht, was das war. Und ich wollte bei meiner Mutter bleiben, weil das für mich so ein Ort war, wo ich dachte, da bin ich sicher. Der Vater war dann zu der Zeit in Ostpreußen, mein Bruder war Lehrling in einer Drogerie, der ging morgens um halb acht aus dem Haus. Der Josef (Anm. ältester Stiefbruder) war außer Haus. Meine Mutter war meine Bezugsperson. Jetzt sollte ich plötzlich irgendwo in den sogenannten Kindergarten gehen oder in einen Hort gehen. Dann habe ich gedacht: Was ist denn, wenn Alarm ist. Dann bist Du nicht bei deiner Mutter. Also ich wollte bei meiner Mutter bleiben. Das war meine Bezugsperson. Die war auch sehr lieb zu mir. Ich

Kindergarten erlebt.

Aber wenn man dann in der Schule war, dann hat der Lehrer morgens, wenn wir reinkamen, nach dem Gebet und nach dem Hinsetzen, oft angefangen zu erzählen. Der hatte dann morgens schon gehört, dass nachts ein Bombenangriff gewesen war und r

Mädchen in meinem Alter, die ich kannte, die bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen waren. Ich weiß nicht, in welchem Bunker sie waren oder ob sie überhaupt im Bunker waren oder unterwegs. Diese Mädchen und die Mutter waren plötzlich tot. Der

schießen auf Menschen, die er gar nicht kennt und gegen die er nichts hat und zu Hause ist seine Familie ausgelöscht. Das musst Du Dir vorstellen. Diese Leute kamen zum Teil aus dem Krieg zurück und waren total neben der Kappe. Die waren total zerstört. Ich habe einen Lehrer gehabt, der hat nur rumgeflucht. Ich weiß nicht, was der im Krieg erlebt hat, aber mit dem war gar kein normaler Unterricht möglich. Der würde heute in psychiatrische Behandlung kommen, aber an psychiatrische Behandlung hat in der Zeit niemand gedacht. Das war damals nicht die größte Sorge. Die größte Sorge war, was esse ich morgen, wo kriege ich was her, wo kriegen ich Schuhe her. Das waren die Probleme, die wir hatten.

Wie hast Du im Krieg die Bombenangriffe auf Bad Kreuznach erlebt?

Wenn Alarm war und man begab sich in den Luftschutzkeller, dann blieb man dort so lange bis Entwarnung war. Das war ein anderer Sirenenton, ein lang gezogener, während der Vollalarm ein Heulton war, der als sehr bedrohlich war. Dann musste man schauen, dass man schnell in den Keller oder in Schutzräume kam, da war es sehr gefährlich, sich im Freien aufzuhalten.

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In unserer Haushälfte, in der drei Familien wohnten war unser Keller als Luftschutzraum für diese drei Familien vorgesehen. Man hatte die normalen Kellertüren aus Holz durch Schutztüren ersetzt. Die bestanden aus dickem Holz. Manchmal waren es auch Eisentüren, das habe ich in anderen Häusern gesehen. Die waren mit einem Schnellverschluss versehen, sodass man sie schnell öffnen und schließen konnte. Sie durften deshalb auch nicht mit Schlössern verschlossen werden.

Es gab auch in jedem Wohnviertel mehrere Männer, die als Blockwart ausgebildet waren. Die hatten besondere Funktionen und denen musste man Folge leisten. Sie schauten dann, dass die Leute auch in den Schutzräumen waren und kontrollierten, dass zum Beispiel kein offenes Feuer irgendwo war.

Am Abend durften keine Lichtquellen brennen. Sie achteten auch darauf, dass die Verdunkelung perfekt war. Wenn es abends klingelte, dann war das der Hauswart, der kam dann und sagte, machen Sie mal ihre Rollläden richtig dicht, da sind ein paar Ritzen und es kommt Licht durch. Ich habe dann später gedacht, das ist ja lächerlich. Wenn ich mir überlege, dass da in 5.000 Metern Höhe Flugzeuge fliegen, bombenbeladen, denen ist doch egal, ob in unserem Schlafzimmer oder unserem Wohnzimmer ein kleiner Lichtspalt bleibt. Aber das war so. Zu den anderen Kellern der Nachbargebäude, es war ein großer Häuserblock, in dem wir wohnten, hatte man in der Kellerwand eine Öffnung geschaffen, die dann wieder verschlossen wurde, aber durch einfache Hammerschläge oder durch Rammen eingedrückt werden konnte, sodass im Notfall, wenn der normale Ausgang versperrt gewesen wäre, wieder ins Freie hätte gelangen können. Wir hatten Glück. Unser Haus und unser Viertel wurden nie bombardiert, obwohl wir unmittelbar in der Nähe des Bahnhofs wohnten, etwa fünf Minuten entfernt. Und der Bahnhof war natürlich mit seinen Gleisanlagen immer ein bevorzugtes Ziel für die alliierten Bomben, denn man wollte ja die Infrastruktur zerstören, den Nachschub zerstören und da wurden Bahnhöfe, Bahngeleise, Brücken bevorzugt bombardiert. Wir hatten Glück in unserer Straße. Da sind nur vereinzelt Bomben gefallen, die aber keinen erheblichen Schaden angerichtet haben.

Dennoch bestand der Wunsch, sich etwas aus diesem Zentrum der Stadt an den Rand der Stadt zu begeben. Meine Eltern hatten Bekannte, eine Familie namens Haargarten. Der Mann war etwa im Alter meines Vaters. Der Mann war Kriminalbeamter bei der Bundesbahn.

Sie hatten ein kleines Einfamilienhaus und lagen etwas am Rande der Stadt. Der Gedanke war, dass der Stadtkern und die strategischen Ziele und nicht so sehr der Stadtrand bombardiert wird. Wir gingen davon aus, dort befindet man sich etwas mehr in Sicherheit. Vor allem im Sommer bei klarem Wetter bestand die Gefahr von Bombenangriffen. Es gab ja auch einen Radiosender, der Nachrichten durchgab, die man ständig abhörte. Dann begaben wir uns in dieses Einfamilienhaus in der Füllscheuer, so hieß die Straße und

36 gingen dann dort in einen kleinen Kellerraum. Ich kann mich an eine Situation erinnern, dass die Gastgeberin, also die Hausbesitzerin, im Keller auf einem Schemel saß und sich bei dem Lärm der Bombenexplosion und der Flieger, der von draußen nach innen drang, einen Kochtopf über den Kopf hielt. Das sah aus, als hätte jemand einen Stahlhelm. Sie hatte beide Hände an den Griffen und hielt sich diesen Topf über den Kopf. Sie war wohl der Meinung, dass das ein besonderer Schutz sei, wenn irgendetwas passiert, zum Beispiel die Decke herunterkommt oder durch Bomben oder Granaten ein Schaden an dem Haus entsteht. Wir Kinder haben das einfach wahrgenommen und gestaunt. Hinterher kann man nur darüber lachen. Wenn das Haus getroffen worden wäre, wären wir wahrscheinlich alle getötet oder verschüttet worden. Da nützt so ein Hilfsmittel aus der Küche überhaupt nix.

In jedem Haushalt gab es auch sogenannte Gasmasken. Jede Person, für die Kinder waren diese Masken etwas kleiner. Das war eine Büchse, in der befand sich eine Maske aus Gummi, eine Art Haube, die über den Kopf und das Gesicht gestülpt wurde. Vorne befand sich ein Trichter, den konnte man abschrauben und in dem eine Filtermasse drin war, die eigentlich gegen Gas schützen sollte. Ich kann mich erinnern, dass wir sehr ungern dieses Ding angezogen haben. Es war eng, es war heiß und zur Belustigung, das war schön, wenn man den Atem hinausblies, dann war vorne ein kleines Gummiventil. Jedenfalls schwappte das hin und her und gab ein Geräusch als wenn eine Ente schnattert. Aber in der Regel war diese Gasmaske eher ein Ding, das vorhanden sein musste und auch kontrolliert wurde, aber in der Regel nicht getragen wurde, weil dieses Teil sehr unpraktisch und beängstigend eng war. Auch diese beiden Sehschlitze vorne waren oft trübe, also das war kein Teil, mit dem man Spaß haben konnte. Ein furchtbares Ding. Es gab auch keine Gasangriffe. Nur im Ersten Weltkrieg.

Was hast Du im Krieg von der Hitlerjugend mitbekommen?

Alle Jugendlichen waren organisiert, da konnten die wählen. Es gab z.B. eine Flug-HJ. Die hatten natürlich keine Motorflugzeuge, die bastelten und flogen Segelflugzeuge. Mein älterer Bruder Arnold, der acht Jahre älter war als ich, war in der sogenannten Hitlerjugend organisiert, in der HJ-Feuerwehr. Er hatte eine Feuerwehruniform, Koppel, Helm, an dem Koppel hing ein kleines Beil, Schuhwerk. Er war ausgerüstet wie es auch heute in der Feuerwehr üblich ist. Damals fielen Phosporbomben und Stadtteile oder Häuser brannten ab.

Diese Jugendlichen, die ja noch nicht wehrfähig waren, wurden dann immer nach einem Bombenangriff zum Löschen von Gebäuden eingesetzt. Einmal ist es passiert, dass er nach einem Alarm nicht rechtzeitig war. Er hat seine Ausrüstung und sein Fahrrad geschnappt und ist zum Depot gefahren, das in unserer Nähe lag. Das Feuerwehrauto war schon weg. Er hat sich dann erkundigt, wo die Brandstelle war. Sie lag, wie die Auskunft ergab, in Richtung Bad Münster, einem Kurort in der Nachbarschaft unserer Stadt. Er ist dann mit

37 dem Fahrrad dorthin gefahren, der Weg betrug mit dem Rad ungefähr eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten. An dem sogenannten Siebenhäuserblock, einem langen Gebäude bestehend aus sieben Häusern, die aneinandergebaut waren, brannten die Dachstühle. Er hat sein Fahrrad draußen deponiert, ist raufgerannt, hat seinen Helm angezogen und hat bei den Löscharbeiten unter - heute würde man sagen Lebensgefahr gearbeitet. Und als nach Stunden das Feuer mehr oder weniger im Griff war oder der Dachstuhl so niedergebrannt war, dass jedes weitere Löschmanöver keinen Sinn machte, ist er heruntergegangen auf die Straße und hat sein Fahrrad nehmen wollen um nach Hause zu fahren. Er musste feststellen, dass sein Fahrrad nicht mehr dort war, wo er es abgestellt hatte. Er konnte also davon ausgehen, dass sein Fahrrad gestohlen worden war. Er hat sich dann zu Fuß auf den Nachhauseweg gemacht. Das war natürlich gerade für einen Jungen in diesem Alter wirklich ein herber Verlust, denn man konnte ja nicht einfach ein Fahrrad kaufen. Mein Vater hat ihn dann getröstet und er hat sich überlegt, dass der Junge ja im Rahmen seiner Feuerwehrtätigkeit einen Einsatz für die Bevölkerung geleistet hat. Er ist dann nach einigen Tagen zu der politischen Behörde, das heißt zu dem Kreisleiter gegangen und hat dort den Fall geschildert. Er ist aber auf keine Gegenliebe gestoßen. Zu Hause kam er an und war sehr erregt. Er hat dann meiner Mutter erzählt, das habe ich alles später erfahren, dass sie ihn dort wohl mehr oder weniger vor die Tür gesetzt haben. Sie hätten andere Sorgen, als dem Sohn ein Ersatzfahrrad zu besorgen, obwohl nach unserer Erkundigung es wohl möglich und auch in seiner Macht gewesen wäre, aus einem Depot ihm ein gebrauchtes Ersatzfahrrad zur Verfügung zu stellen. Er hat zwar für seinen tapfere Tätigkeit an diesem Tag eine Tapferkeitsmedaille bekommen, das war eine kleine Münze, die konnte er sich anheften oder in die Schublade legen. Mein Vater, als Staatsbeamter aber war tief enttäuscht als Staatsbeamter. Mein Vater war nie ein Nazi und das hat ihm den Rest gegeben. Das war ein Erlebnis, das in unserer Familie lange diskutiert wurde und auch nachhaltig Wirkung gezeigt hat.

Was hast Du von der französischen Besatzung mitbekommen? `

Die Stadt wurde zunächst von den Amerikanern besetzt und diese blieben auch soweit ich mich erinnern kann - etliche Monate - vielleicht sogar ein halbes Jahr oder ein dreiviertel Jahr, ich kann es nicht mehr genau sagen. Und dann rückten die Amerikaner ab und wurden durch französische Truppen ersetzt. Das war natürlich ein Wandel, der sich auch bis in die Familien hinein bemerkbar machte. Die Amerikaner hatten wohl alle ihre Unterkünfte in den Kasernen, die noch von den deutschen Truppen und von der deutschen Regierung übernommen worden waren. Als die Franzosen kamen, haben die normalen Truppen die Kasernen und Gebäude übernommen, aber die Offiziere kamen in Privathäusern unter. Für unsere Familie zeigte sich das in der Weise, dass eines Tages eine Gruppe von Personen, Beamte der Stadt begleitet von einem französischen Abgeordneten, ankamen und dann wurde unsere Wohnung angeschaut und es wurde festgelegt, dass das größte Zimmer in absehbarer Zeit möbliert zur Verfügung gestellt

38 werden musste. Das heißt wir bekamen einen französischen Offizier als Einquartierung. Das wurde akzeptiert. Meine Mutter hat dann diesen Raum, der von uns als Wohnzimmer benutzt wurde, so ausgestattet, dass dort dieser französische Gast wohnen konnte. Eine Couch oder ein Möbelstück wurde entfernt, um dort ein Bett zu installieren. Das haben wir dann auch aus einem anderen Raum zur Verfügung gestellt. Und eines Tages kam dann dieser Offizier an. Er konnte kein Wort deutsch, wir konnten kein Wort französisch, das heißt die Verständigung musste auf andere Weise stattfinden. Aber es stellte sich heraus, dass dieser Monsieur Duflo ein ganz passabler Mensch war. Vor allen Dingen kann ich mich an die Winterszeit erinnern. Dieser Raum musste geheizt werden. Es gab in unserem Haus keine Zentralheizung. In den Wohnräumen nicht in den Schlafräumen - stand ein kleiner Ofen mehr oder weniger groß, der dann mit Holz oder mit Briketts beheizt werden musste. Er machte uns klar, dass die Brennmaterialien natürlich zur Verfügung gestellt werden mussten und er gab uns Scheine, die wir ausfüllten. Meine Mutter hat dann eine Hausbewohnerin, die etwas französisch und englisch konnte, zu Rate gezogen und gemeinsam wurde dieses Formular ausgefüllt. Nach kurzer Zeit kam der Kohlenhändler vorbei und lieferte Kohlen, Briketts und Eierkohlen die hatten so die Form eines großen Hühnereis und brannten sehr gut. Meine Mutter hat dann dafür gesorgt, dass dieses Zimmer immer beheizt war. Der Offizier übernachtete bei uns, ging morgens bei Zeiten zu seiner Dienststelle oder zu seiner Kaserne, wo er beschäftigt war und in der Regel kam er am späten Nachmittag oder am Abend zurück und fand dann ein beheiztes Zimmer vor. Mehr oder weniger lebte er dort. Es konnten wenig Kontakte hergestellt werden, weil er uns wenig verstand und wir ihn auch nicht, aber er erwies sich als sehr umgänglich und freundlich und wir konnten mit diesen Kohle- und Brikettvorräte unsere Öfen beschicken, was natürlich von Vorteil war. Das heißt wir hatten dann von da an im Winter warme Räume und er hat dann auch angedeutet und wir haben das auch irgendwie verstanden dass wenn die Vorräte zu Ende gehen, sollten wir sofort Bescheid sagen und er sorgt dafür, dass neue Kohlen und Briketts angeliefert werden.

Er ging dann auch, wie wir herausbekamen, auf die Jagd. Die Franzosen pflegten wohl in diesen Offizierskreisen zur Jagd zu gehen. Das fand immer nachts statt, mit Scheinwerfern. Ob das waidgerecht ist, das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich glaube nicht. Aber das war eben so. Es stellte sich heraus, dass er dann auch das Angebot machte, von dem Wildbret, was sie erlegten, ob das Rehe oder Wildschweine waren, Teile mitzubringen. Meine Mutter war auch in der Lage mit diesem Fleisch, das uns dann kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, gute Gerichte herzustellen, auch das ein oder andere einzukochen und einzuwecken und damit Vorräte anzulegen. Also insgesamt gesehen haben wir mit diesem Offizier gute Erfahrungen gemacht.

Als ich dann zur Kommunion ging, wurde versucht, die Kleidung zusammenzubringen. Wie mir später dann gesagt wurde, war mein Kommunionanzug aus dem Hochzeitsanzug des Großvaters mütterlicherseits zusammengeschneidert. Ein schwarzer Anzug, das war

39 damals üblich. Die Buben trugen eine schwarze Hose, ein schwarzes Jackett. Ein Hemd wurde auch irgendwie geschneidert aus weißen Bettlaken oder was weiß ich. Jedenfalls: es sah ganz passabel aus, nur mit Schuhen haperte es sehr. Meine Mutter hat es dann verstanden, ihm klar zu machen, dass ich zur Kommunion gehe und dass ein paar Schuhe fehlen und dann hat er, der Monsieur Duflo, es fertiggebracht, mir ein paar schwarze französischen Armee einkauften, ein paar schwarze Schuhe in meiner Größe zu besorgen. Ich war also an der Kommunionfeier ausgestattet mit dem Hochzeitsanzug meines Großvaters, zurechtgestutzt auf meine Größe und den Schuhen, die uns dieser freundliche französische Offizier besorgt hatte. Insofern hatten wir eine sehr nette Erinnerung an ihn.

Der Kontakt ist später abgebrochen. Die Zeit der Besatzung ging nach einiger Zeit zu Ende. Die französischen Truppen zogen sich dann zurück oder es war vielmehr so, dass dann später auch Familien nachzogen, die dann ganze Privatwohnungen bezogen und auch inen Zugang, aber das ein oder andere konnte auf diese Weise besorgt werden.

Was ist Dir als schön in Erinnerung geblieben?

Die Familie halt, die zusammengehalten hat. Die Mutter, die aus allem was gemacht hat. Der Vater, der oft auf Dinge verzichtet hat. Es war also nicht so, dass wenn man mal ein Stück Fleisch hatte, der Vater das größte Stück bekam. Das war ja gang und gäbe dort wo richtige Not war. Da hat man gesagt, der Vater muss die Familie ernähren, das ist der Geldeinbringer, der kriegt das größte Stück Fleisch und die Kinder haben nix bekommen, die haben Soße bekommen. Das war nicht der Fall. Mein Vater hat mit uns geteilt. Wir haben alle das gleiche bekommen und man hat das gegessen, was man gehabt hat. Man war robust und nicht wehleidig.

Für mich war das große Glück, dass meine Mutter aus einem Bauernhof stammte, der allerdings fast 200 km entfernt war und zwischen unserem Wohnort und der Heimat meiner Mutter lag eine Grenze. Dort waren die Onkels und hatten dort einen Betrieb und dort war genug zu essen. Die Alliierten hatten Deutschland in Gebiete eingeteilt: französische Zone, amerikanische Zone, englische Zone, sowjetische Zone. Du konntest nicht ohne weiteres von einer Zone in die andere. Du musstest einen Passierschein haben. Und die Grenze war in , das ist eine Stadt am Rhein zwischen und Bonn. Der Zug stoppt dort. Die Leute mussten alle raus aus dem Zug und durch eine Passstelle durch. Wer einen Schein hatte, konnte durch. Wer keinen Schein hatte, musste glaube ich eine Strafe bezahlen, aber wurde dann trotzdem durchgelassen ich weiß es nicht mehr genau. Den Schein musstest Du beantragen und in der Regel wurde das auch genehmigt, wenn man nachweisen konnte, dass dort Verwandtschaft war, eine alte Mutter. Meine Mutter h

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Bauernhof und dort gab es alles zu essen. Dort war keine Not. Dort konntest Du Brot essen, dort konntest Du Butter essen. Die hatten ja alles, die hatten Vieh, die hatten Milch. Zunächst, im Sommer 1945 konnten wir dort nicht hin. Aber man hat natürlich versucht, und das funktionierte auch manchmal, einen Weidenkorb zu schicken. In dem Korb waren unten zehn Pfund Kartoffeln drin, Gemüse oben drauf, dann lag dort ein Schinken, eine Seite Speck, alles was nicht verdarb. Das war oben mit einem Sack zugenäht und wurde mit einer Kordel verschnürt. Es war ein großes Schild obendrauf und dort stand: Familie Heinrich Frings, Gustav-Pfarrius-Straße, Bad Kreuznach. Der Korb wurde mit der Bahn transportiert, den hat der Onkel dort in Düren aufgegeben. Das kam auch an. Und dann sind wir mit dem Leiterwagen an die Bahn. Wir hatten einen Beleg, den er uns mit der Post geschickt hatte, einen Auslieferungsschein, den wir vorgezeigt haben und dann wurde dieses Stück, das Lebensmittel enthielt, ausgeliefert. Wir haben das heimgefahren und die Kordel und den Sack aufgeschnitten. Da waren natürlich keine Schokolade drin oder Bonbons für die Kinder, es waren halt nur handfeste Lebensmittel drin, die wir aber sehr gut gebrauchen konnten.

Die Bahnstrecken, die zerstört waren, auch die Rheinstrecke, die ja bombardiert worden war, wurden sehr schnell wiederhergestellt, sodass die Züge auch wieder fuhren. Und im Krieg, bevor es mit diesen Bombenangriffen losging, war es so: Der Vater hat sich Urlaub genommen, der war ja Beamter, der Arnold hatte Schulferien und dann wurden Karten gelöst, mit der Bahn von Bad Kreuznach über Bingen, die Rheinstrecke entlang über Bonn, Euskirchen nach Jakob-Wüllesheim zwischen Köln und Aachen. Die Rheinstrecke bis Köln fuhren große Dampfschiffe. Man konnte gegen ein kleines Aufgeld auch das Schiff benutzen. Man fuhr mit dem Zug über Kreuznach nach Bingen, ging dort auf das Schiff, das von Mainz kam und zu einer bestimmten Zeit losfuhr und fuhr bis Koblenz mit dem Schiff. Ich kann mich erinnern, dass bei einer Fahrt der Arnold ausgerufen wurde. Das muss im Sommer 1941 0der 1942 gewesen sein. Meine Mutter hatte Angst, er wäre ins Wasser gefallen. Mich hatten sie in Ruhe gelassen, ich saß unter dem Tisch, es war so langweilig und ich habe mir aus meinen Schuhen die Schnürsenkel herausgezogen und ins Wasser geschmissen. Ich war da vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Das war für mich eine tolle Sache. Jetzt kannst Du Dir die Panik vorstellen, es hieß aussteigen und meine Eltern suchten den Arnold. Der war unten beim Maschinisten im Maschinenraum, zu dem normalerweise niemand Zutritt hatte. Mein Bruder hat dort zugekuckt, wie der Maschinist Kohle in den Ofen geschmissen hat.

Was hast Du als ganz schlimm in Erinnerung?

Mein schlimmstes Erlebnis, das ich hatte? Ich kuckte mal aus dem Fenster raus bei uns zu Hause in der Gustav-Pfarrius-Straße. Es war im Winter, es lag Schnee. Die Straße war geräumt und an der Seite waren Schneehaufen. Und da drückten zwei oder drei Leute eine Karre die Straße hoch, oben war der Friedhof. Das war ein Wagen mit einer langen

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Deichsel dran, wie eine Art Schubkarren aber fünfmal so groß, mit einer großen Ladefläche, ein Rad. An den Seiten drückten die Leute und einer schob noch. Da war eine Plane drüber und unten kuckte ein Bein raus und das Bein schlenkerte so hin und her. Das war den Leuten auch egal. Ich war schon so alt, dass ich mir sagen konnte, dass da vier oder fünf Tote drunter liegen, die jetzt in den Friedhof geschafft und dann beerdigt werden. Das war schon ein Eindruck, der sich bei mir festgesetzt hat. Ich habe das meiner Mutter erzählt. Das war schon schlimm, das war übel.

Ich habe dann erlebt wie in der Schlussphase wohl ein deutscher Soldat mit einer Panzerfaust einen Panzer beschlossen hat, der vom Bahnhof kommend unsere Straße raufgefahren ist. Der Panzer kam dann zum Stillstand. Das war aber eine sehr gefährliche Situation, weil auch Tiefflieger wohl im Angriff waren, das müssen wohl deutsche gewesen sein. Von amerikanischer Seite gab es Abwehrfeuer mit Maschinengewehren. Das war auch die Zeit, in der die Soldaten in die Häuser hineingingen, schwer bewaffnet. e man die Hände hochnehmen. Sie haben zum Teil auch gegen die Türen getreten. Ihre Aufgabe war, zu kucken, wo haben sich deutsche Soldaten hin geflüchtet. Wenn sie noch einen erwischt hätten, der noch Uniformteile angehabt hätte und vielleicht in einem Keller saß, dann hätten sie gefangen genommen und als Kriegsgefangenen abgeführt. Ich will nicht behaupten, dass sie den erschossen hätten. Das haben sie wohl nicht gemacht, es sei denn, er hätte sich gewehrt - dann wäre geschossen worden. Die Soldaten fanden auch Flaggen. In jedem Haus gab es eine Hitler- Fahne mit dem großen Hakenkreuz darauf. Das war für die Soldaten natürlich ein tolles Andenken. Das haben die dann zum Teil aufgezogen und angeschaut und ihre Sprüche gemacht. Denn sie wollten ja Nazideutschland besiegen und das haben sie auch getan.

Und für die Amerikaner waren von oben her gesehen jeder Deutsche ein Nazi. Das war natürlich nicht so. Viele waren keine Nazis, die lebten halt nur in diesem Nazireich. Mein Vater war kein Nazi. Er hat das aber nie groß öffentlich gemacht, denn das hätte ihn seinen Arbeitsplatz gekostet und wir wären in irgendwo in einem Lager gelandet. Vielleicht hätten wir gar nicht überlebt. Also du durftest keine Kritik üben, Du durftest nichts erzählen. Es war auch gefährlich, wenn jetzt Kinder in der Schule ohne an etwas Böses zu denken zum Beispiel erzählt hätten, mein Vater hat gestern Abend einen Feindsender gehört ich habe englische Worte gehört. Ich weiß nicht, wie der Lehrer sich verhalten hätte. Wenn er ein Nazi gewesen wäre, hätte er sich das gemerkt und das vielleicht angezeigt. Wenn er kein Nazi gewesen wäre, hätte er das Kind vielleicht zum Pedell geschickt ein Stück Kreide zu holen, damit das Kind ruhig ist und um von der Situation abzulenken. Da gab es alle Scha

durchgegeben. Die deutschen Truppen sind auf dem Vormarsch nach Moskau. Die waren

42 schon längst aufgerieben und gefangen genommen. Es ging darum, den Kampfeswillen bis zuletzt aufrecht zu erhalten. Schlimm war das.

Was hast Du von den Rheinwiesenlagern mitbekommen?

Ich habe erst später erfahren, dass es in Bretzenheim Lager gab. Wir hatten es zu tun mit dem Galgenberg, ein Gelände außerhalb von Bad Kreuznach in Richtung Hackenheim. Dort auf dem freien Gelände bei den Weinbergen war ein großes Gefangenenlager. Bei Kriegsende wurden die deutschen Soldaten gefangen genommen. Sie mussten ihre Waffen abliefern, das ist ja Sinn einer Entwaffnung und wurden dann in Lagern zusammengefasst. Sie hatten nur das, was sie am Körper trugen, ihre Militärkleidung, die zum Teil sehr stark schon beschädigt oder zerrissen war, oft schlechtes Schuhwerk, und die Amerikaner, obwohl sie eine erstklassige Logistik hatten und auch mit allem, was Truppen brauchen, auch Nahrungsmittel, ausgerüstet waren, waren mit diesen Massen an deutschen Kriegsgefangenen total überfordert. Das heißt diese Leute wurden auf einem freien Feld unterhalb eines großen Weinbergs mit dem Namen Galgenberg, eine gute Weinlage, wurden diese Menschen zusammengetrieben und sie mussten dort auf freiem Feld sich aufhalten. Die Versorgung mit Lebensmitteln, mit Wasser, mit anderen Dingen wie Medikamenten war überhaupt nicht sichergestellt, dazu war die Logistik nicht in der Lage. Das heißt es entstand für unsere Verhältnisse eine fürchterliche Situation und dort sind auch viele Gefangene an Erschöpfung oder an Krankheiten oder an durch die Kriegsumstände bedingte schlechte Ernährung gestorben. Sie wurden dann auch dort mehr oder weniger in Massengräbern gestorben. Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter eine der wenigen Decken, es war eine grau-braune Decke, genommen hat und hat sie an den Rand des Lagers gebracht. Es waren viele Frauen, die dort hin gingen und irgendein Kleidungsstück, das sie entbehren konnten, hinbrachten. Der Hintergrund war sicher der Gedanke an den Mann, oder den Bruder oder Schwager oder sonst irgend einen Menschen der vielleicht in Russland sitzt und vielleicht auch friert - das Bedürfnis ein wärmendes Teil herzugeben, um irgend einen Menschen, der dort frierend in der Nässe und Kälte sitzt, mit einem Kleidungsstück zu versorgen, das ihm ein wenig Wärme geben kann.

Also das Ganze ist eine sehr, sehr traurige Angelegenheit und man würde es heute vielleicht unter der Überschrift Kriegsverbrechen einordnen. Die Amerikaner sind am Anfang, als noch keine Zäune vorhanden waren, mit Panzern und anderen Kriegsfahrzeugen ständig um diese Masse Mensch herumgefahren um zu verhindern, dass einzelne Leute dort weggehen. Ich habe dann später auf dem Gymnasium im Biologieunterricht von meinem Biologielehrer erfahren, dass er in einer ähnlichen Situation nur deshalb überlebt hat, weil er sich erinnert hat, dass Regenwürmer sehr viel Eiweiß enthalten. Er hat also mit bloßen Händen im Boden gegraben und an feuchten Stellen versucht, Regenwürmer zu finden, die er dann heruntergeschluckt hat und er

43 behauptet, dass sei lebensrettend gewesen. Ansonsten wäre er wahrscheinlich verhungert. Das ist das Kapitel Galgenberg.

Später wurden die Verhältnisse natürlich besser. Man hat auch von alliierter Seite versucht, dort ordentliche Verhältnisse herzustellen. Das Lager Galgenberg wurde aufgelöst und die restlichen Gefangenen wurden entlassen in die Heimat oder aber nach Bretzenheim verlagert, einem Ort der in der Nähe von Bad Kreuznach liegt und dort wurde dann ein Lager aufgebaut nach und nach, das dann vernünftige Unterkünfte beinhaltete. Auch ein Schwimmbad wurde gebaut und so weiter, bis dann alles in allem die letzten Leute dort weggingen.

Aber insgesamt gesehen war diese Situation sehr unbefriedigend. Sie war natürlich auch in der Bevölkerung bekannt und das hat sehr viel Unmut gegeben auch gegen die Amerikaner, die sich ansonsten fair und ordentlich gegenüber der Bevölkerung verhalten haben.

Ich glaube ich bin mit meiner Mutter gegangen. Es war dunkel es hat geregnet und da haben sich zwanzig Hände uns entgegengereckt. Das war schon schlimm.

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