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Luxemburg € 1,50 Ausland € 1,70 Dienstag, Nr. 295 www.tageblatt.lu 19. Dezember 2017 Jahrgang 104 EUROPEAN NEWSPAPER AWARD - BESTE LOKALZEITUNG EUROPAS L’ASTI veut une politique de l’accueil et Keine Kracher zu Silvester Journée internationale de l’intégration cohérente et proactive, Verbot in drei großen Gemeinden / S. 44 permettant de construire les liens né- des migrants cessaires au vivre-ensemble. S. 10 Heute aktuell Kultur anstatt Verkehr Der Rausch im Job Jeff Schinker fordert in seinem Editorial, dass sich Luxemburg mehr Zeit für seine Kultur nimmt und dabei so ganz nebenbei un- ALKOHOLISMUS Die Situation in Luxemburg nötige Stunden im Stau geschickt umgehen könnte. S. 8 Bekämpfung von Hepatitis Luxemburg gibt sich einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Hepatitis. Gesundheits- ministerin Lydia Mutsch stellte den Plan gestern der Öffentlichkeit vor. S. 10 Brüssel knöpft sich Ikea vor Die Bauanleitungen von Ikea sind nicht immer leicht zu ver- stehen. Doch die Steuertricks des „unmöglichen“ Möbelhauses aus Schweden sollen noch viel kniffliger sein. S. 12 Erster Superheld der Geschichte Vom mächtigen Herrscher und seinem wilden Freund: Jens Harders Comic „Gilgamesch“ greift den ältesten überlieferten Heldenepos der Menschheit auf. S. 20 Supplément Chambre Dreckige Verkehrsschilder Keine Sicht auf die Aufschrift tgb.lu/Großputz Streit um Fahrradstrecke Bei Bleesbrück und Vianden tgb.lu/Stillstand Schneefall in ganz Luxemburg Arbeitsminister Nicolas Schmit lehnt eine Verkehr lahmgelegt vom Patronat geforderte Verschärfung tgb.lu/Winterchaos der Gesetze gegen Alkoholkonsum am Arbeitsplatz ab. Zu groß sind die Gefah- ren, dass die Arbeitgeber dies ausnutzen könnten, um den Druck auf unliebsame www.tageblatt.lu Angestellte zu erhöhen. [email protected] Tel.: (+352) 54 71 31-1 HINTERGRUND S. 4, 5 Abo-Hotline: 54 71 31-407 44, rue du Canal L-4050 Esch-sur-Alzette Das Wetter Kurz und Strache sind an der Macht Heute Morgen Übermorgen ÖSTERREICH Präsident Van der Bellen vereidigt rechte ÖVP-FPÖ-Regierung WIEN Es ist so weit, Europas erste Regie- der weiträumig abgesperrten Hofburg. Auf Schlechtergestellte an. Zu der jetzigen Re- rungskoalition aus Rechtskonservativen den Schildern der Protestler standen gierungskoalition kam es nun knapp acht und Rechtsextremen wurde gestern in Sprüche wie „Lasst Nazis nicht regieren“ Wochen nach der Wahl vom 15. Oktober. 4°/2° 5°/4° 7°/5° Wien von Österreichs Bundespräsident oder „Wir wollen keine Nazi-Schweine“. Bei dem Urnengang hatte es einen Rechts- Alexander Van der Bellen im Amt verei- Damit gemeint waren die neuen Regie- ruck Hunderttausender Österreicher gege- digt. rungsmitglieder der rechtsextremen FPÖ ben. Sebastian Kurz ist mit 31 Jahren der um Vizekanzler Heinz-Christian Strache. jüngste Regierungschef in der Europäi- Was das Regierungsprogramm anbe- schen Union. Während der Zeremonie de- langt, brechen in Österreich wohl harte 5 4 5 3 0 0 0 0 2 2 9 5 7 monstrierten um die 5.000 Menschen vor Zeiten für Ausländer, Flüchtlinge und BERICHT, ANALYSE S. 2, 3 Tageblatt 2 THEMA ÖSTERREICH Dienstag, 19. Dezember 2017 • Nr. 295 Fotos: AFP, AP FPÖ-Vizekanzler Strache und ÖVP-Kanzler Kurz wurden vom grünen Präsidenten Van der Bellen im Amt vereidigt. Das gefällt nicht jedem. Zwischen Prost und Protest WIEN Bundespräsident Van der Bellen vereidigt neue ÖVP-FPÖ-Regierung Von unserem Fast 18 Jahre danach ist ein lens Transparente mit Aufschrif- schaltetet sich der seit 2016 am- Damit rannte er zwar beim ange- Korrespondenten ehemaliger Grünen-Chef Bun- ten wie „Lasst Nazis nicht regie- tierende Präsident aktiv in die henden Kanzler Kurz offene Tü- Manfred Maurer despräsident und wieder kommt ren“ oder „Wir wollen keine Na- Koalitionsverhandlungen ein, ren ein, für die FPÖ bedeutete es ein Schwarzer, der seine Partei zi-Schweine“ schwingen, lobt ließ sich nicht nur über deren aber das Schlucken einiger Krö- Draußen lautstarker Protest, auf Türkis umgefärbt hat, mit der Van der Bellen in einem Rück- Fortgang informieren, sondern ten. in der Hofburg lachende FPÖ als Koalitionspartner daher. blick auf die Koalitionsverhand- forderte auch. Das erklärt, warum Van der Gesichter: Während 5.000 Das ist nicht die Wunschkoaliti- lungen die „kooperative und lö- Bellen bei der Vereidigung sogar Demonstranten gegen „Nazis on des Alexander van der Bellen, sungsorientierte Art“ der beiden zum Scherzen aufgelegt war, als in der Regierung“ der viel lieber eine rot-grüne Re- Regierungspartner. Er schätze es Der dritte Verhandler er seinen im Vorjahr im Rennen protestierten, vereidigte der gierung oder wieder eine große sehr, dass es gelungen sei, tragfä- um die Hofburg unterlegenen grüne Bundespräsident Van Koalition angelobt hätte. hige Lösungen zu erarbeiten. So stellte er von Anfang an klar, FPÖ-Gegenkandidaten Norbert der Bellen auffallend gut „Und so muss eine Bundesregie- dass er FPÖ-Generalsekretär Ha- Hofer als Infrastrukturminister gelaunt das neue rung auch arbeiten“, formuliert rald Vilimsky, der im Europapar- angelobte. Und FPÖ-Chef Stra- FPÖ-ÖVP-Kabinett. Lob und Zeigefinger der Bundespräsident den Auftrag lament zugleich Vizefraktions- che fand es auch einfach nur lus- zur Fortsetzung des kooperativen chef der EU-feindlichen „Europa tig, als ihn der Staatschef beim Mit versteinerter Miene und fins- Dennoch herrscht sogar eine be- Geistes, was auch als erhobener der Nationen und der Freiheit“ obligaten Handschlag nach dem terem Blick begegnete das Staats- merkenswert gelöste Stimmung Zeigefinger zu interpretieren ist. (ENF) ist, und den sehr weit Gelöbnis fast übersehen hätte. oberhaupt dem ÖVP-Bundes- im ehemaligen Schlafzimmer der Denn Illusionen hat sich Van rechts stehenden Wiener Vize- Während sich die frisch geba- kanzler, der sich die FPÖ als Ko- Kaiserin Maria Theresia. Der 31- der Bellen von Anfang keine ge- bürgermeister Johann Gudenus ckenen Regierungsmitglieder in alitionspartner geangelt hatte. jährige Sebastian Kurz lauscht macht. Anders als Klestil seiner- nicht als Minister akzeptieren der Hofburg zuprosteten, waren Kein freundliches Wort kam mit seinem rechtspopulistischen zeit fügte er sich jedoch der ver- würde. rund 5.000 Demonstranten drau- Thomas Klestil über die Lippen, Vizekanzler Heinz-Christian fassungsmäßigen Realität, wel- Van der Bellen hat sich quasi ßen alles andere als in Feierlau- als er im Februar 2000 den neuen Strache und der Ministerriege che dem Staatsoberhaupt nur be- zur dritten Verhandlungspartei ne. Allerdings: Im Februar 2000 Ministern und Ministerinnen, die wie ein artiger Junge den Worten schränkte Möglichkeiten hinter gemacht. Er verlangte ein klares waren dreimal mehr Menschen wegen der Proteste am Ballhaus- des Bundespräsidenten, die viel den Kulissen einräumt. Aber die Bekenntnis zu Europa, die zu dem Protest gekommen. Und platz nur durch einen unterirdi- freundlicher ausfallen, als es die nutzte „VdB“ umso mehr. Wäh- Einhaltung der Grund- und anders als damals verliefen die schen Gang in die Hofburg ge- Proteste am Heldenplatz vermu- rend Klestil damals vergeblich ei- Freiheitsrechte sowie einen Kundgebungen diesmal zum langt waren, den Amtseid ab- ten lassen. Während dort wohl ne Fortsetzung der großen Koali- lediglich maßvollen Umbau in Glück ohne größere Zwischen- nahm. auch viele Wähler Van der Bel- tion zu ertrotzen versucht hatte, Richtung direkter Demokratie. fälle und ohne Verletzte. Erste Reaktionen auf Österreichs neue Regierung „Sehr besorgt“ „Extreme Rechte niemals harmlos“ „Nationalistisch“ Der UN-Menschenrechtskommissar hat Der französische EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hatte am Sonntag In Italien ist Kritik am Vorhaben der die Rechtskoalition scharf kritisiert. Die im Kurznachrichtendienst Twitter zur „Wachsamkeit der Demokraten“ aufge- neuen rechtsgerichteten Regierung laut Regierung aus ÖVP und FPÖ sei eine „ge- rufen. „Extreme Rechte an der Macht“ seien „niemals harmlos“. geworden, deutschsprachigen Südtiro- fährliche Entwicklung im politischen EU-Ratspräsident Donald Tusk äußerte sich zuversichtlich über die künftige lern die österreichische Staatsbürger- Leben Europas“, sagte Hochkommissar „konstruktive und pro-europäische Rolle“ der neuen Regierung innerhalb der schaft anzubieten. Der Landeshaupt- Zeid Ra’ad al-Hussein gestern. Er kritisier- Europäischen Union. Österreich übernimmt im zweiten Halbjahr 2018 die EU- mann der norditalienischen Provinz, Ar- te, dass der neue Bundeskanzler Kurz in Ratspräsidentschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Kurz no Kompatscher, erklärte gestern, die der Migrationspolitik Positionen von poli- zu seiner Vereidigung. Auf ihn und seine Regierung richteten sich „große Erwar- österreichische Partei FPÖ vertrete eine tischen Kräften am rechten Rand über- tungen“ in einer „herausfordernden Zeit“. Der Fraktionsvorsitzende der rechts- „nationalistische“ Politik, die das Ge- nommen habe. „Ich bin sehr besorgt“, sag- populistischen AfD, Alexander Gauland, erklärte, andere EU-Mitgliedstaaten genteil von Südtiroler Vorstellungen sei. te der Jordanier. Er warnte vor einer Poli- würden sich vom „Erfolg einer umfassenden Grenzsicherung und der Abschaf- Diese seien überzeugte Europäer, die tik, die auf die „Verbreitung von Angst“ fung von Anreizen für Migranten in Österreich überzeugen können und hoffent- weiterhin als Vermittler und „Brücke“ setze. lich bald mit eigenen Maßnahmen folgen“. agieren wollten. Tageblatt Dienstag, 19. Dezember 2017 • Nr. 295 THEMA ÖSTERREICH 3 Konflikte vorprogrammiert REGIERUNGSPROGRAMM Wie ÖVP und FPÖ Österreich umbauen wollen Von unserem Mitgliedschaft