Carrie Von Thomas Möbius
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Königs Erläuterungen und Materialien Band 394 Erläuterungen zu Stephen King Carrie von Thomas Möbius C. Bange Verlag – Hollfeld 1 Herausgegeben von Klaus Bahners, Gerd Eversberg und Reiner Poppe Hinweis der Herausgeber: Die Rechtschreibung wurde der amtlichen Neuregelung angepasst. 1. Auflage 1998 ISBN 3-8044-1655-1 © 1998 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Printed in Germany 2 Danksagung Im Schuljahr 1997/98 hat sich der Grundkurs Literatur der Friedrich- List-Schule Mannheim in besonders engagierter Weise mit Stephen King beschäftigt. Für die vielen anregenden Diskussionen danke ich den Schülerinnen und Schülern ganz herzlich. Ein besonders herz- licher Dank geht auch (sic!) an Herrn Andreas Becker für die kritische Durchsicht des Manuskripts. 3 4 INHALT Vorbemerkung ............................................................... 7 1. Stephen King: Leben und Werk 1.1 Kurzdarstellung .................................................................... 9 1.2 Zeittafel – Datenübersicht .................................................. 13 1.3 Werkübersicht .................................................................... 15 1.4 Stephen King im Internet ................................................... 19 2. Stephen King und Charakteristika seines Schreibens 2.1 Literarhistorischer Standort ............................................... 24 2.2 Merkmale seines Schreibens ............................................ 25 3. Der Roman „Carrie“ 3.1 Entstehungshintergrund ..................................................... 30 3.2 Inhaltsskizze ...................................................................... 33 3.3 Aufbau und Erzählstruktur 3.3.1 Aufbau................................................................................ 40 3.3.2 Funktion der Textausschnitte ............................................ 53 3.3.3 Erzählperspektive .............................................................. 54 3.3.4 Zeitstruktur ......................................................................... 54 3.4 Personengefüge und -charakterisierung ........................... 58 3.4.1 Carietta White .................................................................... 59 3.4.2 Margaret White .................................................................. 62 3.4.3 Susan Snell ........................................................................ 65 3.4.4 Thomas Everett Ross ........................................................ 67 5 3.4.5 Christine Hargensen .......................................................... 68 3.4.6 William Nolan ..................................................................... 70 3.4.7 Rita Desjardin .................................................................... 71 3.5 Erzähltechnische Mittel ...................................................... 73 4. Aspekte zur Diskussion 4.1 Religion und Sozialisation .................................................. 79 4.2 Parapsychologie und Psychokinese .................................. 84 4.3 Stephen King und Franz Kafka .......................................... 85 4.4 Die Verfilmung Brian de Palmers ...................................... 91 5. Stimmen der Kritik ..................................................... 93 6. Literatur (-Auswahl -) 6.1 Werke Stephen Kings ........................................................ 95 6.2 Werke Franz Kafkas ......................................................... 95 6.3 Sekundärliteratur ............................................................... 95 6.4 Literatur zu anderen Themen ............................................ 96 6 VORBEMERKUNG Die dunkle Seite des Menschen beschäftigte die Literatur zu jeder Zeit. Als Mordlust kommt sie in der „Ilias“ Homers genauso zum Ausdruck wie in den Sündenvorstellungen der Bibel. In mittelalterli- chen Heldenliedern wie z.B. dem „Nibelungenlied“ gehorchen die Protagonisten oft widerspruchslos ihrem inneren Rachetrieb, Gewalt und Zerstörung gehören zu ihrer Lebenswelt. Der zu den Klassikern der Barockliteratur gehörende „Simplicissimus“ Grimmelshausens schildert die Grausamkeiten des 30jährigen Krieges. Shakespeare thematisiert neben dem unbedingten Machtwillen („Macbeth“) im „Hamlet“ auch den melancholischen Menschen, der sich lange Zeit nicht zur Rache seines vom Onkel ermordeten Vaters durchringen kann. Im 20. Jahrhundert schließlich wird der Innenraum des Men- schen bei Kafka in zum Teil furchterregenden Metaphern literari- sches Thema: sei es als Gefühl des Ausgestoßen-Seins und der Nicht-Existenz in „Die Verwandlung“, als ohnmächtiges Ausgeliefert- Sein an eine ungreifbare Macht in „Der Prozess“ oder als absurde, vergebliche Suche nach Lebenssinn in „Das Schloss“. Kafkas Erzäh- lung „Die Strafkolonie“ zeigt auch den zerstörerischen Einfluss der Technik, die gewissermaßen ein Eigenleben entwickelt und eine vernichtende Wirkung entfaltet. Stephen Kings Thema ist die dunkle Seite des Menschen. Seine Romane und Erzählungen thematisieren menschliche Ängste, indem sie sie überwiegend in furchteinflößenden Halbwesen oder regel- rechten Monstren darstellen. Neid und Ausgrenzung sind Themen seiner Geschichten (z.B. „Here There Be Tygers“, „Carrie“), die Wiederkehr unterdrückter Kindheitstraumata beschreibt er in seinem Welterfolg „It“ („Es“). King behandelt die Absurdität menschlicher Existenz: Das Warten der reichen Vera Donovan auf den Besuch ihrer Kinder in „Dolores Claiborne“ erinnert an Samuel Becketts Drama „Warten auf Godot“. Auch Dolores macht Bekanntschaft mit dem Widersinn des menschlichen Lebens, wenn sie am Ende eines Lebens voller Arbeit und nach dem Mord an ihrem Ehemann unver- 7 hofft in den Besitz von Reichtum kommt. Und wie Kafka übt King Technikkritik, wenn er in der frühen Erzählung „The Mangler“ („Der Wäschemangler“) die vernichtende Wirkung eines zum Leben erwachten Automaten beschreibt. Obgleich Stephen King seine Themen aus der literarischen Tradition nimmt, hat er bislang noch keinen Eingang in den Kanon der Schul- lektüren gefunden. Dabei würde einiges für eine Behandlung spre- chen: Kings Prosa liest sich leicht und flüssig, die Spannung, die er zu erzeugen versteht, verleiht der Lektüre einen Reiz, der die Schüler (und die Unterrichtenden) mit Ausdauer und Leselust an das Buch bindet. Seine Themen lassen sich problemlos motivgeschichtlich mit anderen Werken verbinden; so könnte z.B. der hier untersuchte Roman „Carrie“ in einer Reihe mit anderen „Schülergeschichten“, Hesses „Demian“ oder „Unterm Rad“, Manns „Tonio Kröger“, Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“, einen Überblick über be- deutsame Werke des 20.Jahrhunderts geben. Schließlich lassen sich Kings Werke auch in formaler und struktureller Hinsicht der Epik des 20. Jahrhunderts zuordnen. Als Beispiel dafür soll eine Analyse der Erzählstruktur von „Carrie“ dienen. „Carrie“ eignet sich aufgrund der motivgeschichtlichen Parallelen und des vielfältigen erzähltechnischen Instrumentariums für eine exem- plarische Analyse im Hinblick auf den Einsatz im Unterricht. Außer- dem ist das Buch, mit dem King 1974 seinen Weltruhm begründete, ein schmales Werk. Es spielt in der Lebenswelt von Schülern und lässt fächerverbindendes Unterrichten (Englischunterricht, Ethik-/Re- ligionsunterricht) empfohlen erscheinen. Diese Untersuchung wendet sich an Unterrichtende, die Stephen King für ihren Unterricht entdecken wollen. Vor allem wendet sie sich natürlich an Schüler, die ihre Lehrer davon überzeugen wollen, dass bei der Beschäftigung mit Stephen King herausragende Lehrplan- inhalte des Faches Deutsch umgesetzt werden können. 8 1. STEPHEN KING: LEBEN UND WERK 1.1 Kurzdarstellung Stephen Edwin King wurde am 21.09.1947 in Portland/Maine als Sohn des Donald Edwin King, Kapitän der Handelsmarine, und Nellie Ruth Pillsbury King geboren. 1949 verließ der Vater die Familie, Stephen wuchs zusammen mit seinem Bruder David bei der Mutter auf, die in ihm das Interesse an Büchern weckte. Stephen King begann eigene Geschichten zu verfassen. Erste schriftstellerische Versuche wurden 1959 in der Gemeindezeitung seines Bruders Da- vid veröffentlicht. Bücher von Howard Phillips Lovecraft (1891-1937) und Robert Louis Stevenson (1850-1894) legten die Grundlage für sein Interesse am Horrorgenre, von 1962 an schickte King selbstver- fasste Horrorgeschichten – noch ohne Erfolg – an Verlage. Nach dem Abschluß der Grundschule 1962 besuchte King bis 1966 die High School in Lisbon Falls. In dieser Zeit arbeitete er bei der High-School-Zeitung und der Lokalzeitung mit, außerdem veröffent- lichte er zusammen mit Christopher Chesley im Selbstverlag „Peop- les, Places and Things“ (1963), eine Sammlung von Kurzgeschich- ten. Daneben entstanden Horrorgeschichten wie „The Star Invaders“ (1964) und „I was a Teenage Grave Robber“ (1965). Von 1966 bis 1970 studierte er an der University of Maine in Orono. Er besuchte unter anderem Kurse in Literatur, Geschichte, Soziolo- gie, Sport, Kreatives Schreiben, Psychologie, Pädagogik. Mit seinem Abschluß als Bakkalaureus der englischen Sprache und Literatur erhielt er auch die Lehrbefähigung für das Lehramt an höheren Schulen. Während seines Studiums entstanden gesellschaftskritische Kurzge- schichten wie z.B „Here There Be Tygers“ (1968, „Hier seyen Tiger“) und „Cain Rose Up“ (1969, „Kains Aufbegehren“), die King unter anderem in der Universitätszeitung veröffentlichte. In „Startling My- 9.