Herrenmode: Plateauschuhe Von Lothar Brandt Aufgebockt Wenn wir in den 70ern über uns hinauswuchsen, dann hatten wir uns das zum Teil selbst in die Schuhe zu schieben.

ool war der Gang nur selten. In den Von Lothar Brandt Dingern als Knabe oder Männchen unfallfrei herumzulaufen, erfor- derte schon motorische Stabilität, Wachsamkeit und eine gewisse CRoutine. Sonst drohte bei der geringsten Unebenheit des Geläufs jenes schmerzhafte und äußerst uncoole Umknicken des Fußes, verbunden mit einem eben- so uncoo- len Taumeln und dem zeitwei- ligen Verlust des aufrechten Gangs. Warum nur erhöhten wir früh- oder spätpubertierenden Plateauschuhe schie- Buben die Hacken, statt das nen ein geeignetes Mittel. Stöckeln auf hohem Plateau Doch nicht nur wir, den Mädels zu überlas- die armseligen sen? Die Ladies sahen Mittelwüchsigen, damit einfach hinreißend deren lichte aus, während es uns ein- Körperhöhe sich ums fach nur öfter die Bänder Verrecken nicht ­über riss. Während die die 1,75-Meter- Schönen dieser Marke Queen, Foto: © Zill/Bildarchiv Hallhuber Queen, Foto: © Zill/Bildarchiv hormongeflute- reckte,­­ bockten uns mit Hilfe der ausstoßintensi- ten Welt die optische Länge ihrer ohnehin schon atem- ven Schuhindustrie um fünf bis zwölf Zentimeter beraubend textilbefreiten Beine noch streckten und das auf. Nein, auch die von der Natur mit mehr Länge elektrisierende Wackeln des sich darüber anschließen- Beschenkten griffen schamlos zum schuhischen den Körperteils noch weiter mit anziehender Energie Persönlichkeitsverstärker. So folgte dem kurzfristi- aufluden, wackelten bei uns höchstens die Knie. gen Erklimmen der Anerkennungsleiter innerhalb der Entweder wenn „er" Augenzeuge einer solch erregen- Clique nur allzu oft der erneute Absturz in die ernied- den Aufrüstung der tertiären Geschlechtsmerkmale rigende Drittklassigkeit in punkto Mittelscheitelhöhe. der Angebeteten wurde. Oder wenn er seinem von lso blieb nur die Nachrüstung unterhalb des unproportionalem Extremitätenwuchs und Pickelbefall AFußbetts: je höher die Absätze, desto niedriger die arg gebeuteltem Selbstbewusstsein selbst auf die Füße Hemmschwelle, sich lächerlich zu machen. Insbesondere helfen wollte. dann, wenn die obenrum hauteng sitzende Jeans als Folge intensiver Eindampfhilfe oder doch einsetzenden Längenwuchses schon weit oberhalb des Knöchels den Schlag weitete. Hochwasser-Schlaghose und Hochschuh – eine zeittypische Katastrophenkombi, die nur allzu oft das mühsam aufgebaute Selbstwertgefühl stante pede einsacken konnte. Sollte man meinen. Doch konsequent missachteten wir den Bibelvers „Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden" – und lifteten die Sohlen, was der Händler an kunstledernen Komplex­minderern so her- gab. Die Sehnsucht nach lichter Höhe Louis XIV. scheint zu den ewigen Schwächen eben auch des starken Geschlechts zu gehören. ie Suche nach historischen DHochhacken führt denn auch zu vielen Zielen. Zu den pro- minentesten Aufbockern der Geschichte zählt zweifellos der

Slade, Foto: © Zill/Bildarchiv Hallhuber Slade, Foto: © Zill/Bildarchiv französische Sonnenkönig Louis XIV. Der strebte

Seite 26 n GoodTimes 1/2012 Mary Roos MaryIch lebe Roos

im HeuteMary Roos war seit Beginn ihrer Karriere in den 60er Jahren eine der vielseitigsten deutschen Sängerinnen. Und noch heute gilt die mitt- lerweile 62-Jährige als eine der aktivsten Vertreterinnen ihrer Generation. Dies belegen zahlreiche Live- und TV-Auftritte ebenso wie die Studio-Aktivitäten der als Rosemarie Schwab in Bingen gebore- nen Künstlerin: Mit BIS HIERHIN – UND WEITER hat sie 53 Jahre (!) nach der Veröffentlichung ihrer ersten Single "Ja, die Dicken sind ja so gemütlich" ein neues, absolut zeitgemäß klingendes Album veröffentlicht. Bereits vor zwei Jahren freute sie sich über das Erscheinen der CD TOUJOURS, auf der ihre französischsprachigen Lieder zusammengefasst sind. Kult-Status genießt die Entertainerin, die seit ihrer (1989 wieder geschiedenen) Ehe mit dem Pianisten Werner Böhm den bürgerlichen Namen Böhm führt, doch sie hält wenig von Nostalgie und ausdauernden Blicken zurück in die Vergangenheit. Dies brachte sie im Interview mit kult!-Mitarbeiter Philipp Roser mehrfach zum Ausdruck.

Ein Blick auf den Terminkalender auf Ihrer Homepage zeigt: Sie Was ja eher ungewöhnlich ist! haben gut zu tun. Ja, mag sein. Ich kann mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen, aber Ja, ich bin wirklich sehr, sehr viel unterwegs. ich muss nicht über den roten Teppich. Wie halten Sie sich fi t? Obwohl oder weil bei Ihnen alles so früh losgegangen ist? Weil ich sehr viel unterwegs bin, mache ich gar nicht so wahnsinnig viel. Vielleicht habe ich mehr gesehen als die, die mal kurz reinschnuppern Ich habe mich zwar mal in einem Fitness-Club angemeldet, war aber seit und es ganz toll fi nden ... Monaten nicht mehr dort. Ich fahre ein Sie absolvieren immer noch erstaun- bisschen Rad, das ist es eigentlich schon. lich viele Fernsehauftritte ... Ich esse gern, bin gern mit Leuten zusam- Ja, aber nicht nur das. Ich habe auch men, auch mit Leuten, die nichts mit dieser sehr viele Konzerte. Ich habe keinen Branche zu tun haben. Ich fi nde es schön, © Pressefoto Manager, nur eine Sekretärin, die sich auch über andere Themen zu reden. um die Termine kümmert. Ansonsten War das schon immer so? werde ich nicht von irgendjemandem Für mich stand der Beruf nie an erster hin- und hergeschoben. Stelle. Privatleben und Beruf halten sich Wie war's, als Sie jetzt die auf diese Weise die Waage, weil ich glau- Neuaufl age Ihres Album MARY be, dass das eine ohne das andere nicht ROOS von 1970 hörten? geht. Wenn man ganz vorn in der Riege Da erkennt man schon, dass das sehr steht, dann ist das sicher etwas anderes. lange her ist. Man hört's am Sound, Aber das war nie mein Denken, weil an der Stimme, an vielen Dingen. ich immer auch das private Leben sehr Aber das ist mir auch nicht peinlich wichtig fand – ganz normale Sachen, – es war einfach eine andere, eine auch mal eine Fahrradtour mit Freunden sehr schöne Zeit, die ich nicht missen machen, etwas anbauen oder im Haus möchte. Ich habe damals viel mit Kurt basteln. Ich bin eine heftige Tüftlerin, Edelhagen gemacht, in Frankreich Bastlerin, ich verlege auch schon mal mit Michel Le Grand. Ich durfte meinen Teppichboden selbst. Das sind wirklich mit tollen Leuten arbeiten. Dinge, die einen dann auch auf dem Die Frau singt nicht nur gut, sondern hat auch Charisma. Damals hat Boden halten. man sehr viel Sie haben mal gesagt: Ich lebe im Heute, schaue nicht zurück ... mit Bigband gemacht, auch für die Für mich ist es wirklich so: Was vorbei ist, ist meist tatsächlich auch Rundfunksender – da hat einen schon mal vorbei. Meist behält man sowieso nur das, was privat war, etwa wann Paul Kuhn begleitet. Aber ich bin niemand, das Kind geboren wurde – weil ich diesen Beruf nicht als Nabel der der sich dann in dieser Zeit verliert. Ich fi nde Welt sehe (lacht). es immer sehr schwierig, wenn Leute immer

Seite 88 ■ GoodTimes 1/2012 Kultige Zigaretten von gestern Von Eckhard Schwettmann und Peter Verhoff

AusgerauchtEs war die Blütezeit der Raucher: Qualmwolken in Talkshows, Krimis und sogar in der "Sportschau" waren im Fernsehen alltäglich. In Büros, sogar in Bussen, Bahnen und Flugzeugen waberte überall der Duft der großen weiten Welt". In den 1960er " und 1970er Jahren wurde praktisch überall und immer geraucht, Bestandteil des neu erreichten Wohlstands. Erst im Folgejahrzehnt formierte sich mit der aufkommenden Öko- und Gesundheitswelle Widerstand, der heute in umfassenden Rauchverboten in allen öffentlichen Räumen einen Höhepunkt erreicht hat. Entsprechend änderte sich der Zigarettenmarkt. Einige historische Marken wie Chesterfield oder NIL werden heute auf nostalgische Art und mit viel Marketing neu belebt. Andere, die früher alltäglich waren, sind in Vergessenheit geraten. Das altehrwürdige HB-Männchen Bruno aber hat bislang alle überlebt.

chaut man heute an einer Tankstelle oder einem Kiosk Prozent. Die erfolgreichsten - aufs Zigarettenregal, bietet sich ein recht überschaubares Zigaretten waren Anfang der 1960er Jahre Sortiment aus „", „Marlboro", „Camel", „Gauloise", „" mit einem Monatsabsatz von 1,25 „HB" oder „Lucky Strike" an. Das war in den 1960er und Milliarden Stück und „Peter Stuyvesant" mit 850 1970er Jahren anders, mit vielen Marken wie „Collie", Millionen. „Eckstein", „Fox", „" oder „". 1963 konnten 17 Millionen Raucher unter rund 210 (!) Zigarettenmarken wählen. S Neue Namen kamen ständig hinzu, alte Marken verschwanden. Einige Zigarettensorten waren nur in bestimmten Regionen bekannt. Im Bayerischen Wald die „Mokri", die in Norddeutschland völlig unbekannt war. Im Ruhrgebiet wurden monat- lich 100 Millionen „Orienta" geraucht, die wiederum in Nord- und Süddeutschland kaum jemand kannte. Vor allem in Baden-Württemberg rauchten viele „Kurmark". Im Norden wurde vorzugsweise „Ova" aus dem Haus des Marktführers Reemtsma inhaliert. Den Grundstein für das Zigaretten-Imperium hatte Bernhard Reemtsma 1910 gelegt, als er eine Erfurter Zigarettenmanufaktur kaufte, die mit sieben Arbeiterinnen die Marke „Thüringer Gold" herstellte. Ab 1924 kaufte Reemtsma eine Firma nach der anderen auf, und nur wenige Jahre später war ein Konzern mit 16.000 Angestellten entstanden.

Astor, , Collie, Eckstein, Ernte 23, Stuyvesant & Co. Reemtsma brachte 1948 die „Collie" auf den Die „Ernte 23" verdankt ihren Markt. Der Name klang amerikanisch, und dem Namen einer ungewöhnlich damaligen Zeitgeist entsprechend hatte „Collie" als guten Ernte im Jahr 1923. erste „American Blend-Zigarette“ eine relativ gute Der Tabakexperte David Tabakqualität. „Vom ersten bis zum letzten Zug ist Schnur kaufte in Saloniki die komplette Produktion Collie gut" hieß es ganz simpel in der Werbung. eines Großbauern auf. Die nüchterne Aufmachung der Später erlebte „Collie" als „Collie 62“ unter dem Verpackung stand damals in starkem Kontrast zu den Motto „Sehen Sie, fühlen Sie, schmecken Sie" ein in den 1920er Jahren üblichen verschnörkelten und ori- Comeback. Bereits nach einem Jahr kristallisierte entalisch-verspielten Motiven der Konkurrenz. Im März sich das Ruhrgebiet als stärkstes Absatzgebiet her- 1956 neu gestartet, war „Ernte 23" die erfolgreichste­ aus. „Collie" wurde so sehr schnell zu einer regio- Filterzigarette bei Reemtsma bis zur Einführung der nalen Marke, bereits 1967 wurde die Werbung „Peter Stuyvesant" 1959. eingestellt. Peter Stuyvesant, der Gründer der Weltmetropole New York. Weitere Marken wie „Fox" und „Salem" kamen Eine Zigarette mit diesem imposanten Namen erwies sich hinzu, und schon 1952 erreichte das Unternehmen als ausgesprochen gute Idee des Zigarettenfabrikanten wieder einen (Vorkriegs-)Marktanteil von 35 Anton Rupert, der diese 1954 auf dem südafrikani-

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