politicum 104: EURO 2008

Editorial ...... 3 Alfred Gusenbauer EURO 2008 - Chancen für Österreich ...... 5 Hermann Schützenhöfer EURO 2008: Faszination Fußball - Mehr als nur ein Spiel ...... 7 Heinz Palme Die UEFA EURO 2008™ – mehr als ein Fußballevent ...... 9 Gabi Burgstaller/David Brenner EURO 2008 - Chancen für Salzburg ...... 11 Jörg Haider Wir sind Europameister! ...... 13 Reinhold Lopatka EURO 2008 - Sportnation Österreich? ...... 15 Karl Stoss Das Tor zu Europa ...... 17 Oliver Fritz EURO 2008 - sportlich top, wirtschaftlich ein Flop? ...... 19 Michael Steiner EURO 2008 - Sieg für den homo ludens ...... 23 Gerald Angermann-Mozetič Der soziale Wert des Fußballs ...... 27 Werner Suppanz Der Fußball und die Nation ...... 31 Urs Altermatt Vom Rütlischwur bis zur EURO 2008 ...... 35 Michael Friedrich Fußball und Recht ...... 41 Astrid Schrenk Euro 2008 - ein Sicherheitsproblem? ...... 45 Martin Konrad Medienereignis EURO 2008 ...... 49 Friedrich Stickler UEFA EURO 2008™ – ein Event der Superlative ...... 51 Josef Hickersberger im Interview Im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit ...... 53 Konrad Plautz im Interview Mit Engagement, Einsatz und Ehrgeiz zur Weltspitze ...... 55 Olga Hutter Frauenfußball in Österreich - die Euro als Motivationsschub? ...... 57 Gerhard Kapl EURO 2008 und die steirischen Fußballvereine ...... 59 Claudia Gigler Es kam schlimmer - die Krise von Sturm und GAK und die EURO ...... 61 Thomas Plauder Ein Land im Pickerlfieber, oder: Wenn nicht nur Kinderaugen leuchten ...... 63 Egyd Gstättner Käufliche Liebe ...... 65 Martin G. Wanko Die Wüste lebt - Mögliche Gedanken eines Teamtrainers...... 69 Junge Steirerinnen und Steirer: Was bringt die EURO 2008? ...... 72 Ex libris ...... 77 Autorenverzeichnis ...... 79 Wissenschaftlicher Beirat ...... 80 Editorial EURO 2008 - ein Großereignis mit nachhaltigen Auswirkungen?

Die gemeinsam von Österreich und der Österreich, auf die - und Ama- Schweiz ausgerichtete Fußball-UEFA-Eu- teurvereine sowie auch auf den Frauen- ropameisterschaft „EURO 2008“ zählt zu fußball festgehalten. den größten und wichtigsten Sportereig- Grundsätzliche Fragen werden in diesem nissen in der Geschichte unseres Landes. politicum ebenso angesprochen: der so- Nicht nur weil auch für viele Österrei- ziale Wert des Fußballs und des Sports cherinnen und Österreicher Fußball die überhaupt, insbesondere in der „Sport- schönste Nebensache der Welt ist. Die nation“ Österreich, Fußball und Recht, EURO 2008 hat über die Freude am Fuß- Fußball und Nation und schließlich auch ballsport hinaus enorme wirtschaftliche, das historisch gewachsene und dabei gesellschaftliche und politische Auswir- deutlichen Schwankungen unterworfene kungen. Verhältnis der beiden Austragungsländer Das vorliegende politicum geht diesen Österreich und Schweiz zueinander. Ein vielfältigen Aspekten der EURO 2008 ein- Beitrag über das Panini-Pickerl-Sammel- gehend nach. Von der grundsätzlichen fieber, zwei literarische Texte über Fuß- Bedeutung der EURO 2008 für Öster- ball und Sport sowie Statements junger reich, die einzelnen Spielorte und deren Steirerinnen und Steirer zum Großereig- Länder, aber auch die Steiermark, über nis EURO 2008 runden das Heft ab. die wirtschaftlichen Auswirkungen der Unser Dank gilt allen Autorinnen und EURO 2008 bis hin zu Fragen der Sicher- Autoren für ihre spannenden und infor- heit, die insbesondere auch angesichts mativen Beiträge, allen Mithelfern bei der der in den letzten Jahren gewachsenen Redaktionsarbeit, namentlich Katharina Gewaltbereitschaft mancher Fans enorm Konschegg, Nora Lackner, Manuel Neu- an Bedeutung gewonnen haben. Auch bauer, Katrin Russ und Johann Trummer, das Medien-Großereignis EURO 2008 sowie der MedienAgentur 2412. wird beleuchtet, 7.000 Journalisten wer- politicum 104 beleuchtet die EURO 2008 den erwartet. Freilich darf der sportliche aus verschiedensten Blickwinkeln und Aspekt nicht fehlen: So wird in diesem bietet dabei interessante und vielfältige politicum Einschätzungen, Erwartungen Informationen, Einblicke und Überlegun- und grundsätzlichen Gedanken über die gen. Wir hoffen, mit diesem Heft zu über Europameisterschaft konkret, aber auch das bloße Fußballvergnügen (oder Fuß- hinsichtlich möglicher nachhaltiger Aus- ballleid) hinausgehenden Einschätzun- wirkungen der EURO 2008 auf die Ent- gen dieses Großereignisses beitragen zu wicklung des Fußballs und des Sports in können. (KP) 

3 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von

Impressum:

politicum 104 29. Jahrgang; Mai 2008

Medieninhaber und Herausgeber: Verein für Politik und Zeitgeschichte in der Steiermark , 8010 , Karmeliterplatz 6; ZVR-Zahl: 017681930 für den Inhalt verantwortlich: Klaus Poier Redaktion (Red.): Klaus Poier (KP) Rezensionen: Nora Lackner (NL), Katrin Russ (KR), Satz und Layout: MedienAgentur 2412 Druck: Medienfabrik Graz Erscheinungsort: Graz

Nachdruck ausschließlich mit schriftlicher Genehmigung. Preis pro Ausgabe: € 10,- Abopreis (4 Hefte): € 25,-

Fotonachweis: Gerhard Maurer (S.65); GEPA Pictures/ÖFB (S.53, 55); Max Wegscheidler (S.69) Umschlagseite hinten: Die Maskottchen der EURO 2008, „Trix und Flix“, Copyright: UEFA.

ISSN 1681-7273 politicum (Graz)

4 Alfred Gusenbauer

EURO 2008 - Chancen für Österreich

Im Juni dieses Jahres wird ein großes Die wirtschaftlichen internationales Fest für alle Fußballbe- Effekte der Euro geisterten, die UEFA EURO 2008TM, in 2008 lassen sich nicht allein in Zahlen Österreich und der Schweiz stattfinden ausdrücken. Aber selbst diese sind be- ‒ eine einmalige, in dieser Dimension eindruckend: Eine Studie des Instituts noch nie da gewesene Chance, ge- SportsEconAustria ‒ Institut für Sportö- meinsam mit vielen Freundinnen und konomie (SpEA) rechnet in einer vorsich- Freunden aus allen europäischen Län- tigen Schätzung mit einer zusätzlichen dern ausgiebig zu feiern und das Land Wertschöpfung durch Stadien, Infrastruk- und seine Menschen von der besten tur und Tourismus von 321 Millionen Euro Seite darzustellen. Gleichzeitig schafft für Österreichs Wirtschaft, darin ist ein die EURO 08 großen wirtschaftlichen, Kaufkraft-Effekt von 263 Millionen Euro sportlichen und kulturellen Mehrwert, enthalten. Über ein Jahr verteilt wird mit der nachhaltig nachwirken wird. knapp 6.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen gerechnet. Da scheinen die 133 Millionen Österreich ist gemeinsam mit der Schweiz Euro, die der Bund für Organisation, Sta- vom 7. bis 29. Juni Gastgeber der UEFA dienbau und Begleitmaßnahmen ausgibt, EURO 2008TM. Die 16 besten National- ein gut investiertes Geld. teams, die besten Fußballspieler Europas Wie viele Gäste im Juni 2008 nach Öster- spielen in Österreich und der Schweiz um reich kommen werden, kann natürlich nur den wichtigsten Titel des europäischen geschätzt werden. Wie bei der WM 2006 Fußballs. Die EURO 2008 wird für Spieler, in Deutschland werden auch hierzulan- Gäste und Fußballfans in der ganzen Welt de neben den circa 550.000 glücklichen sowie für die Bevölkerung beider Länder zu Ticketbesitzern zahlreiche Fans ohne einem unvergesslichen Ereignis werden. Karten nach Österreich reisen. Denn die Für Österreich handelt es sich dabei um Fanzonen und Public Viewings werden die größte Sportveranstaltung, die je- für Partystimmung sorgen. Auch die von mals in unserem Land stattgefunden hat. KRONE, Coca-Cola und „2008 ‒ Österreich Rechnet man alle 31 Spiele zusammen, am Ball“ organisierte Fantour mit fixen werden insgesamt über acht Milliarden Standorten in Graz, St. Pölten und Linz so- Zuschauer via TV die Spiele sehen. Mehr wie sechs mobile Trucks werden einiges als zwei Millionen Gäste werden anläss- zur Euphorie beitragen. Aber bestimmte lich der EM in Österreich erwartet. Faktoren wie das Wetter und der Turnier-

5 EURO 2008 - Chancen für Österreich - Alfred Gusenbauer

verlauf können nur schwer vorhergesagt vor Ort ermöglicht. In den Stadien soll werden. Die Tourismusbranche rechnet während der Euro Ökostrom zum Einsatz mit insgesamt zwei Millionen Besuchern kommen. Und die verbleibenden Emissio- bei allen Veranstaltungen und zumindest nen sollen in Österreich durch zusätzliche einer Million zusätzlicher Nächtigungen. Klimaschutzprojekte im Inland ausgegli- Damit die Gäste auch wiederkommen chen werden. und durch die Euro Österreichs Image als Kulturnation Österreich „charmantes Urlaubsland“ weiter gestärkt wird, wird von der Österreich Werbung in Dass sich auch die Kulturnation Österreich ausgewählten Ländern eine speziell auf im Rahmen der Euro darstellt, wird durch die Euro zugeschnittene Imagekampag- ein breitgefächertes Kulturprogramm, ne durchgeführt. das von „2008 ‒ Österreich am Ball“ orga- nisiert wird, sichergestellt. Rund um die Neue Stadien als nachhaltige Investition Fußball-Europameisterschaft wird es eine Die Modernisierung der österreichischen Reihe von Kulturveranstaltungen geben, Stadien wäre ohne die Euro 2008 in diesem zu denen weltweit bekannte Künstler er- Ausmaß nicht möglich gewesen. Nicht wartet werden (von Anna Netrebko bis nur die Modernisierung des Ernst-Happel- Elton John). Stadion, auch die Erweiterungen der Are- Die EURO ‒ als friedliches Fest ‒ wird nen in Innsbruck und Salzburg sowie der zudem Zeichen setzen für Völkerverbin- Neubau des Klagenfurter Stadions wer- dung und gegen alle Formen des Rassis- den auch nach der Euro 2008 für massiv mus. Dazu werden begleitende Schulpro- verbesserte Bedingungen für Österreichs jekte, in denen sich die Schülerinnen und Fußball sorgen ‒ auch wenn die definiti- Schüler mit allen UEFA-Mitgliedsländern ven Entscheidungen über einen allfälli- auseinandersetzen und Fanbotschaften gen Rückbau der Stadien in Salzburg und realisiert. Darüber hinaus sind Anti-Rassis- Klagenfurt erst nach der Euro 2008 fallen mus Aktionen in den Stadien geplant. werden. Das Innsbrucker Tivoli-Stadion Österreich wird die einmalige Chance wird danach wieder auf das ursprüngliche wahrnehmen und die wirtschaftlichen, Fassungsvermögen reduziert. touristischen, sportlichen und kulturellen Impulse, die durch ein so großes Ereignis Klimaschutz bei der Euro 08 ausgelöst werden, im vollen Ausmaß nut- Im Sinne des Umweltschutzes wurde ein zen, um ein nachhaltiges Wohlergehen Kombiticket geschaffen, das für Ticketin- seiner Bürgerinnen und Bürger und das haber die Gratis-Anreise per Bahn und die positive Image Österreichs in der interna- Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel tionalen Gemeinschaft zu sichern. 

6 Hermann Schützenhöfer

EURO 2008: Faszination Fußball - Mehr als nur ein Spiel

Die „Euro 2008“ steht vor der Tür, Me- dass durchschnittliche dien zählen unermüdlich die Tage bis 14 Kilometer-Dauer- zum Anpfiff und Moderatoren mühen lauf mit Sprints bis zu 35km/h und ein sich redlich, bis dahin ein bisschen Totaleinsatz Mann gegen Mann puren Hysterie und Spannung zu versprühen. Stress hinterlassen. Österreich spürt in diesen Tagen und Die oft so abschätzig apostrophierte Wochen die faszinierende Macht des „Eventkultur“ unserer Jahrhundertwende Fußballs. Ob am Strand der Cote d’Azur, ist bekanntermaßen ein Phänomen über auf einem einfachen Hinterhof am verschiedene Kulturen und Kontinente Land oder in den modernsten Arenen: hinweg, das mit der Kritik einer sinnent- Das Spiel mit der runden Kugel zieht leerten Massenveranstaltung entschie- die Menschen in seinen Bann ‒ und den zu kurz greift. Nicht nur, dass wir zeigt, wie Globalisierung funktionieren Menschen uns bisweilen nach Erlösung sollte. In diesem Zusammenhang sei aus dem Trott des Alltags sehnen und folgender Satz von jetzt an verboten. Inszenierungen alter und neuer Rituale Zwischen 7. und 29. Juni 2008 steht er schätzen, erlaubt die gesellschaftspoliti- auf dem Index, wir wollen ihn nicht hö- sche Interpretation der „Erlebnisgesell- ren, nicht lesen. Der Satz heißt: „Es ist schaft“ die lang ersehnte Harmonisierung doch nur ein Spiel.“ Denn dieser Satz ist der jahrhundertlang getrennten Lebens- falsch. bereiche Arbeit und Freizeit und macht den Blick frei auf markante Kulturbrüche Der Fußballfan erlebt freitags, samstags, der letzten Jahrzehnte. sonntags, wenn die Ligen spielen, das Ge- Ja, es ist mehr als nur ein Spiel. Schließlich genteil. Der junge österreichische Dichter geht es nicht um nichts, sondern ganz im und Fußballfan Franzobel hat erst jüngst Gegenteil um sehr viel für unser Land. sinnigerweise gemeint: „Fußball ist wie An der Euro 2008 lässt sich ermessen, Liebe. Eine übergroße Sehnsucht, ein ewi- wie die Freizeitwirtschaft zum eigentli- ges Hoffen und Bangen.“ chen Motor des gesellschaftlichen Wan- dels des 21. Jahrhunderts geworden ist: Es ist doch nur ein Spiel Österreichs Tourismus wird, wenn man Der Satz ist insbesondere falsch, weil den Prognosen Glauben schenken darf, ein Blick ins Innenleben der EM-Dribbel- im Euro-Jahr insgesamt um 7 % wach- künstler nach 90 Spielminuten anzeigt, sen, der Tourismuswirtschaft wird das

7 EURO 2008: Faszination Fußball - Mehr als nur ein Spiel - Hermann Schützenhöfer

Großereignis eine Million zusätzliche 2000 und 2007 stellen eindrucksvoll den Nächtigungen bringen, die Wertschöp- Wirtschaftsfaktor dieser Sparten unter fung für die heimische Wirtschaft wird Beweis. Die bewusste Positionierung der insgesamt 629 Millionen Euro ausma- Steiermark als „Genussinsel Österreichs“ chen. Der Fußballevent wird rund 10.000 zwischen Gletscher, Weinbergen und hei- Arbeitsplätze schaffen, davon etwa 6.000 ßen Quellen ‒ gerade in gestressten EM- nachhaltig. Zeiten ‒ steht darüber hinaus Pate für de- Von diesem Kuchen wird auch die Stei- ren qualitativen Wohlfühlfaktor, der mehr ermark profitieren, liegt doch die Grüne und mehr einen ökonomischen Mehrwert Mark im attraktiven Mittel- und genuss- für das Land lukriert. reichen Schnittpunkt der österreichi- „Grünes Herz statt rote Karte“ ‒ so lautet schen Austragungsorte. Nicht nur, dass denn auch die wohltuende Alternative, die professionelle Etablierung der Steier- mit der die Steiermark abseits vom Fuß- mark als Trainingszentrum für internati- balltrubel das Urlaubsland marketing- onal renommierte Fußballmannschaften mäßig „schmackhaft“ bewirbt. Denn die Früchte getragen hat und das polnische Steiermark steht für „Lebensqualität“. Nationalteam in Bad Waltersdorf wäh- Lebensqualität ist heute längst ein nach- rend der EM-Zeit seine Zelte aufschlagen weisbarer Wachstumsmarkt: Wohlfühlen, und somit zahlreiche Polen in die Steier- Entschleunigung, Sinnlichkeit und Ge- mark lotsen wird, sondern längst gehören nuss sind entscheidende gesellschafts- heute Tourismus und Freizeitwirtschaft wie tourismuspolitische Faktoren. mit 9 % des regionalen BIB sowie mit 16 % Und wer, wenn nicht die Steiermark, kann zu den wichtigsten Wachstumsbereichen glaubwürdig mit „weiß-grünem Lebens- des Landes. genuss“ punkten: mit gesunder Nahrung, unverfälschten Genussmitteln, herzhafter Steiermark: Genussinsel Österreichs Kulinarik, unberührter Natur, reiner Luft Zehn Millionen Nächtigungen und eine und heilendem Wasser ‒ und freundli- Umsatzsteigerung um 32 % zwischen chen Menschen. 

8 Heinz Palme

Die UEFA EURO 2008™ – mehr als ein Fußballevent

Zwei Sieger stehen schon vor dem Fi- bung, der Austrian nale der UEFA EURO 2008™ fest: die Business Agency, den Gastgeberländer Österreich und die Ausrichterstädten, der EURO-Koordination Schweiz. Die Belebung des Wirtschafts- der österreichischen Bundesregierung und standortes Österreich ist nicht nur in von „2008 ‒ Österreich am Ball“ zahlreiche harten Fakten zu messen, sondern auch Aktionen und Maßnahmen gesetzt. in der Steigerung der Sympathiewerte Allen Mitspielern ist klar: Der Mehrwert, für das Urlaubsland Österreich. Die flä- der durch die EURO 2008 erreicht werden chendeckende Begeisterung wird in kann, ist nicht nur in harten (rund 6.000 den zahlreichen Public Viewing-Ver- neue Vollzeitarbeitsplätze, eine Million anstaltungen ge- und erlebt werden, zusätzliche Nächtigungen, ein Kaufkraft- umfangreiche Events in Kunst und Kul- effekt von ca. 263 Millionen Euro und eine tur werden das gesellschaftliche Leben zusätzliche Wertschöpfung von beinahe abseits des Fußballevents bereichern, 539 Millionen Euro), sondern vor allem denn die EURO 2008 ist mehr als ein auch in weichen Fakten ersichtlich. Rund Fußballfest. acht Milliarden (kumulierte) TV-Zuseher in rund 200 Ländern werden die Spiele Am 7. Juni 2008 wird die UEFA EURO aus Österreich und der Schweiz verfol- 2008™ angepfiffen, und somit das medial gen. Besondere Bilder aus einem beson- zweitgrößte Sportereignis der Welt. Für deren Land werden in alle Welt ausge- die beiden Ausrichterländer Österreich strahlt ‒ eine unbezahlbare Werbung und Schweiz bedeutet die Fußballeuro- für den Wirtschaftsstandort und für das pameisterschaft eine historische Chance, Tourismusland Österreich. Eine einmalige verbunden mit großen Herausforderun- Chance, sich weltweit als sympathisches, gen. Herausforderungen, auf die sich die schönes, sicheres Land mit hochwertiger beiden Länder seit Jahren vorbereiten. Infrastruktur zu präsentieren. Damit verbunden, steigt auch zuneh- Ausverkaufte EURO ‒ Public mend das Bewusstsein in der Bevölke- Viewing wird einzigartige Party rung: Die EURO 2008 ist mehr als eine Fußballveranstaltung. EM-Tickets für die UEFA EURO 2008™ wa- Damit wirtschaftlich das Optimum aus ren begehrt wie noch nie bei einer Fuß- dieser Großveranstaltung erzielt werden ball-Europameisterschaft. In der ersten kann, wurden von der Österreich Wer- Bewerbungsphase der Ticketvergabe

9 Die UEFA EURO 2008™ – mehr als ein Fußballevent - Heinz Palme

der UEFA gingen für 300.000 verfügbare Fußball verbindet ‒ Ein Freundschafts- Tickets zehn Millionen Bestellungen aus spiel zwischen Kunst und Kultur 142 Ländern ein: 18 Mal mehr Anfragen Mit einem umfangreichen Kunst- und Kul- als dies noch bei der EM in Portugal im turprogramm zur UEFA EURO 2008™ wird Jahr 2004 der Fall war. Auch in der zwei- es auch abseits des Fußballgeschehens in ten Bewerbungsphase, die über die Na- den Host Cities (mit eigenen Kunstzonen) tionalverbände abgewickelt wurde, war und landesweit wichtige Events geben. der Andrang enorm. In Österreich waren Eines der zentralen Kulturprojekte neben es 645.719 Anträge bei einem Kontingent den erwähnten Kunstzonen ist „herz:ra- von 20.000 Karten. sen ‒ die Fußballausstellung“ (4. April bis All jene, die keine der begehrten EURO-Ti- 6. Juli 2008) im Künstlerhaus Wien, die ckets erhalten haben, werden ganz nach von „2008 ‒ Österreich am Ball“ gemein- dem Motto „Fußball verbindet“ gemein- sam mit dem Technischen Museum Wien sam mit Leuten unterschiedlichster Nati- verwirklicht wurde. Weiters gibt es ein Li- onalität, Herkunft und verschiedener Ge- teraturfest mit Literaten-EURO (6. bis 21. nerationen die Europameisterschaft beim Mai), und Spencer Tunick wird am 11. Mai Public Viewing verfolgen. Public Viewing- im Ernst-Happel-Stadion eine seiner be- Veranstaltungen wird es aber nicht nur in rühmten Nacktinstallationen inszenieren. den Host Cities Wien, Klagenfurt, Innsbruck Positive Emotionen bleiben in Erinnerung und Salzburg geben. So wird zum Beispiel die Fantour auf Initiative von Coca-Cola, Positive Emotionen werden uns Öster- Kronen Zeitung und „2008 ‒ Österreich reicher mitreißen und die mittlerweile am Ball“ mit Public Viewing-Veranstaltun- medial zweitgrößte Sportveranstaltung gen neben den fixen Standorten in Graz, weltweit in das Bewusstsein der Men- Linz und St. Pölten auch in 109 weiteren schen transportieren. Positive Emotionen Gemeinden Halt machen. Somit wurden werden unsere Gäste nach Österreich die Voraussetzungen für eine flächende- geleiten und sie aus Österreich wieder ckende Begeisterung geschaffen. zurück in ihre Heimatländer begleiten, Damit diese Party und Begeisterung nicht selbst wenn ihre Teams nicht den Einzug gestört wird, wurde großes Augenmerk ins Finale schaffen. Und sie werden nach auf die Sicherheit gelegt. Gekoppelt mit der EURO gerne wieder kommen. Öster- den Erfahrungen, die unsere Sicherheits- reich steht somit schon vor Beginn der kräfte bei der perfekten Organisation der EURO 2008 als Sieger fest. Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland Alle Informationen rund um die UEFA sammeln konnten, sollte einer Fortset- EURO 2008™ finden Sie auf fussballver- zung des berühmten Sommermärchens bindet.at, Österreichs größter EURO-Com- nichts im Wege stehen. munity. 

10 Gabi Burgstaller/David Brenner

EURO 2008 - Chancen für Salzburg

Das konjunkturelle Umfeld wird, nach Nahe lie- einem sehr guten Wirtschaftsjahr gender Weise gehört auch die Sportar- 2007, wieder schwieriger. Da bietet die tikel-Branche zu den wirtschaftlichen EURO 08 zahlreichen Wirtschaftsbran- Gewinnern der Fußball-EM. Sowohl der chen wichtige zusätzliche Chancen. Sportartikel-Handel, als auch die Produ- Die UEFA-Fußballeuropameisterschaft zenten verzeichnen bereits jetzt in vielen 2008 in Österreich und der Schweiz bie- Fällen positive Umsatzentwicklungen. tet auch für Salzburg wirtschaftliche, Dieser Trend wird sich während und nach kulturelle und touristische Chancen. dem Turnier sicher noch fortsetzen.

Ebenfalls Gewinner: Die Wertschöpfungseffekte dieses Fuß- Gastronomie & Tourismus ball-Ereignisses betragen laut einer Stu- die von IHS-Chef Bernhard Felderer für Zu den großen Gewinnern wird die Gas- Österreich insgesamt rund 400 Mio. Euro. tronomie gehören. Und das nicht nur in- Davon werden rund ein Viertel auf Infra- nerhalb der zahlreichen Fan-Zonen und strukturinvestitionen und rund 220 Mio. Public-Viewing-Bereiche im ganzen Bun- Euro auf den Bereich Tourismus entfallen. desland. Fußballübertragungen gehören Die Euro 08 wird Salzburg geschätzte 850 zu den geselligsten TV-Events überhaupt. zusätzliche Arbeitsplätze bringen. Das Die EURO 08 ist ein großer touristischer spart Sozialtransferleistungen in Millio- Wirtschaftsfaktor. Konkret ist mit rund nenhöhe und entlastet somit auch das 130.000 zusätzlichen Übernachtungen in Sozialsystem. Salzburg zu rechnen. Diese Gäste werden in Salzburg rund 20 Mio. Euro während Baubranche und Sportartikel ihres Aufenthalts ausgeben. Der nachhal- profitieren besonders tige touristische Werbewert beträgt mehr Einer der großen Gewinner der UEFA als 60 Mio. Euro. In Russland ist der Win- EURO 08 ist schon jetzt die heimische tertourismus in Salzburg bereits jetzt sehr Baubranche. Nicht nur bei der Bereitstel- beliebt. Mit Hilfe der Fußball-Europameis- lung bzw. Adaptierung der Stadien und terschaft können wir uns als Ganzjahres- sonstigen Infrastrukturinvestitionen pro- destination positionieren. fitieren diese. Auch in der Privatwirtschaft Und auch Griechenland, Spanien und wurden oder werden jetzt bauliche Inves- Schweden gelten als touristische Hoff- titionen getätigt bzw. vorgezogen. nungsmärkte für Salzburg. Wir müssen

11 EURO 2008 - Chancen für Salzburg - Gabi Burgstaller/David Brenner

jenen Fans, die während der EURO 08 Ein entsprechend durchdachtes Verkehrs- in Salzburg zu Gast sind, zeigen, dass konzept soll ebenfalls helfen, Probleme sich ein Besuch in Salzburg immer lohnt. hinanzuhalten. Salzburg wird sich als sympathische, Input für den Breitensport gastfreundliche Urlaubsdestination mit Geschichte und wunderbarer Landschaft Die größten Mobilisierungseffekte zu präsentieren. Tolle Fernsehbilder und die Gunsten des Breitensports erleben wir Mundpropaganda der angereisten Fans durch die Vorbildwirkungen aus dem können für einen nachhaltigen touristi- Spitzensportbereich. Der größte Sprung schen Effekt sorgen. Diese Chance gilt es von Neuanmeldungen von Kindern und zu nutzen! Jugendlichen zu unseren Fußballverei- nen hat nach dem Finaleinzug von Aus- Wenig Probleme bei Verkehr und Sicher- tria Salzburg im UEFA-Pokal stattgefun- heit zu erwarten den. Man kann zuversichtlich sein, dass Salzburg hatte bei der Auslosung der wir diesen Effekt auch diesmal erleben Gruppenspiele Glück: Die Fans aus Grie- werden. Mit verschiedenen Program- chenland, Schweden, Spanien und Russ- men, etwa zum Thema Mädchenfußball land gelten als friedlich; sie werden dieses und einer Verdoppelung der Jugend- große Fußballfest mit Temperament und sportförderung werden wir das nachhal- Lebensfreude bereichern. Die Salzburger tig nutzen. Polizei hat zahlreiche Erfahrungen mit Völkerverständigung der Abwicklung von Sport-Großveranstal- tungen und wird die komplexe Aufgabe Ganz nach dem Motto „Fans will be fri- meistern, einerseits als Präventionsmaß- ends“ wird sich Salzburg von seiner bes- nahme Präsenz zu zeigen und anderer- ten Seite zeigen und den Gästen aus ganz seits als wichtiger Teil des gastfreundli- Europa einen herzlichen Empfang berei- chen Salzburgs aufzutreten. ten. Wir werden alles daran setzen, dass Der Individualverkehr durch Fußballfans aus Fußballfans auch Fans von Salzburg aus Griechenland, Schweden, Spanien werden. Das ist unsere größte Chance im und Russland wird sich schon aufgrund Rahmen der EURO 08 und diese Chance der großen Distanzen in Grenzen halten. wollen und werden wir nutzen! 

12 Jörg Haider

Wir sind Europameister!

Das drittgrößte Sportereignis der Welt, nahmen in der Höhe die EURO 2008, birgt für Kärnten als von 1,25 Milliarden Wirtschafts- und Tourismusland eben- Euro. Experten erwarten von der EURO so wie als Kultur- und Sportland große Beschäftigungs-, Infrastruktur- und Kauf- Chancen. Kärnten hat sich vorgenom- krafteffekte, eine Gesamtwertschöpfung men, während des Sportevents als von rund 380 Millionen Euro, den Besuch Gastgeber Europameister zu werden. von 620.000 Menschen in den Stadien in Die Vorbereitungen laufen unter dem Österreich und der Schweiz sowie Milliar- Motto „Gastfreundschaft“, die Ver- den von Menschen auf der ganzen Welt kehrs- und Sicherheitskonzepte wur- als TV-Zuseher. Die EURO sichert laut Stu- den mit dem EURO-Partner Schweiz dien zudem 5.394 Jahresarbeitsplätze, optimal ausgearbeitet. Allen Österrei- sorgt damit für eine Wertschöpfung von chern muss klar sein: „Wir haben im 321 Millionen Euro und für eine Kaufkraft Juni drei Wochen Europa zu Gast.“ von 263 Millionen Euro in den beiden Veranstaltungsländern. Sie stellt aber Nein, nicht im Fußball, da sind ja Deutsch- auch für den heimischen Tourismus eine land, Frankreich, Italien und zuletzt 2004 einzigartige Chance zur medialen Positi- Griechenland die Besten ‒ eben Europa- onierung dar. Bereits seit März gastieren meister. Kärnten kann aber mit Sicherheit wöchentlich große TV-Stationen in Kärn- während der EURO 2008 in vielen anderen ten. Sie machen mit ihren Bildern und Bei- Bereichen punkten und hat sich vorge- trägen unbezahlbare Werbung für unser nommen, als Gastgeber Europameister zu Land. Allein der Tourismus in Österreich werden. Als Tourismus- und Wirtschafts- erwartet sich während der drei Wochen land ebenso wie als Kultur- und Sport- ein Plus von knapp einer Million Nächti- land. Damit bietet sich dem Land die gungen. Die Verweildauer der EURO-Tou- große Chance, seine Stärken und Vorzüge risten wird im Schnitt neun Tage dauern. einem breiten Publikum und speziell den Alle genannten Faktoren werden sich vor Ort weilenden Gästen hautnah zu prä- auch auf den Wirtschaftsstandort und das sentieren. Das unterstreichen auch viele Tourismusland Kärnten positiv auswirken. Kärnten-Kenner und so manche unserer Zudem sollte man auch den Nachhaltig- selbstbewussten Landsleute zu Recht. keitseffekt für beide Sparten nicht aus den Allein im wirtschaftlichen Bereich rech- Augen verlieren. Kärnten erwartet für den net die UEFA für die EURO 2008 mit Ein- Tourismus weitere Auffrischungseffekte

13 Jörg Haider - Wir sind Europameister!

und vor allem neue Gästeschichten. Alle wing eine Alternative zum Stadionbesuch Vorbereitungen seitens des Landes Kärn- darstellt. ten für das drittgrößte Sportereignis der Vor einer großen Herausforderung ste- Welt, in enger Koordination mit der Host hen ganz sicher die Sicherheitsbehörden City Klagenfurt, laufen unter dem Motto bei dieser EURO. Die Einsatzphilosophie „Gastfreundschaft“. Wir freuen uns auf lautet dabei „Dialog, Deeskalation und die Nationalteams und die vielen Fußball- Durchsetzung“, wobei man Risikofans fans, die nach Kärnten zu den drei Vorrun- ganz genau auf die Finger schauen wird. denspielen kommen werden. Gleichzeitig Ich vertraue den Sicherheitsbehörden, die wollen wir auch bei der einheimischen ihrerseits ebenso bemüht sind, der heimi- Bevölkerung eine möglichst große Be- schen Bevölkerung dieses Vertrauen zu geisterung für dieses Fußballfest wecken. vermitteln. 99 % der Gäste sind Sportfans und kei- Die Europameisterschaft ist für mich aber ne Rowdys. Ihnen wollen wir unter dem auch eine ökologische Herausforderung. Motto „Urlaub bei Freunden“ auch etwas Die Palette reicht von der Abfallbeseiti- bieten. Egal, ob am Spielort Klagenfurt, gung bis hin zum erhöhten CO2-Ausstoß. rund um den Wörthersee oder in einer Daher freut es mich umso mehr, dass un- anderen Region Kärntens, „Unsere Gäste sere EM-Arena Ende Feber von Umwelt- sind unsere Freunde, gemeinsam sind wir minister Josef Pröll mit dem „grünen Ball“ Europameister“. ausgezeichnet wurde. Mit der Errichtung von Solaranlagen und anderen Maßnah- Kärnten: Die größte Public Viewing-Zone men wurde ein wertvoller Beitrag zur Um den zu erwartenden großen Fanmas- Nachhaltigkeit geleistet, lautete die Be- sen ‒ allein an den drei Spieltagen rech- gründung für die Auszeichnung. net man in Klagenfurt mit bis zu 130.000 Neben den von mir nun angeführten Fak- Besuchern ‒ auch außerhalb der Landes- ten muss es jedoch allen Österreichern hauptstadt Fußball live bieten zu können, klar sein, dass wir im Juni für einige Tage hat sich das Land Kärnten entschlossen, in wichtige Gastgeber sind und im Fokus den Gemeinden Public Viewing und Mul- der medialen Berichterstattung stehen timediazonen zu errichten. 27 Gemein- werden. „Wir haben Europa zu Gast.“ Die- den haben sich für dieses Angebot ent- se Chance wird sich uns so schnell nicht schieden. Damit wird Kärnten zur größten mehr bieten und bringt als Motivations- Public Viewing-Zone während der EURO. und Wirtschaftsturbo eine Win-win-Si- Laut Studien ist es nämlich belegt, dass tuation für ganz Kärnten. Sie optimal zu für 71 % der EURO-Gäste das Public Vie- nutzen, soll das Ziel aller sein. 

14 Reinhold Lopatka

EURO 2008 - Sportnation Österreich?

Wer die ökonomische Bedeutung des Die ökonomische Be- Sports in Österreich kennt, wer die Zahl deutung des Sports in der aktiven Sportlerinnen und Sportler Österreich ist beeindruckend: Der Sport und der für den Sport Aktiven betrach- trägt mit einer Bruttowertschöpfung von tet, wer die Erfolgsbilanzen unserer hei- 15,4 Milliarden Euro (7,3 %) zum Brutto- mischen Sportlerinnen und Sportler und inlandsprodukt bei und sichert 355.000 die allgemeine Sportbegeisterung bei Arbeitsplätze im Land, was wiederum Sportevents in Österreich wahrnimmt einem Anteil von 11,1 % der Erwerbstäti- und wer sich schließlich ansieht, wie vie- gen entspricht. Eine nicht zu vernachlässi- le Sportgroßveranstaltungen jährlich in gende Größe, die in den nächsten Jahren unserem Land ausgerichtet werden, der durch verstärkten Gesundheitstourismus kann nur zu einem Schluss kommen: noch steigen wird. Österreich ist eine Sportnation. Sportlich Aktive und im Sport Aktive

Die Frage, ob Österreich eine Sportnati- Die Österreicherinnen und Österreicher on ist oder nicht, kann also klar mit „Ja“ sind in großen Teilen aktive Sportlerinnen beantwortet werden. Österreich ist eine und Sportler oder zumindest im Sport Sportnation, sogar eine Top-Sportnati- Aktive. Die Hälfte der österreichischen on. Zu dieser eindeutigen Antwort muss Bevölkerung kommt einmal pro Woche kommen, wer die ökonomische Bedeu- durch körperliche Bewegung ins Schwit- tung des Sports in Österreich kennt und zen. Als aktiv (an mindestens drei Tagen wer die Zahl der aktiven Sportlerinnen die Woche) können rund ein Drittel der und Sportler und der für den Sport Ak- Männer und ein Viertel der Frauen einge- tiven betrachtet. Die Erfolgsbilanzen stuft werden. unserer heimischen Sportlerinnen und Die drei Sportdachverbände (ASKÖ, ASVÖ Sportler und die allgemeine Sportbegeis- und SPORTUNION) haben gemeinsam terung bei Sportevents in Österreich sind über drei Millionen Mitglieder. Zudem oftmals Weltklasse. Wer sich schließlich sind hunderttausende Ehrenamtliche in ansieht, wie viele Sportgroßveranstaltun- den tausenden Sportvereinen engagiert gen (Weltmeisterschaften, Europameis- ‒ ohne diese im Sport ehrenamtlich Ak- terschaften) jährlich in unserem Land tiven wäre die österreichische Sportland- ausgerichtet werden, findet ein weiteres schaft in dieser Form heute nicht finan- Argument für diese Feststellung. zierbar!

15 EURO 2008 - Sportnation Österreich? - Reinhold Lopatka

Österreichs Spitzensportlerinnen und übertroffen. Mit der Euphorie, die die Spitzensportler sind international er- UEFA EURO 2008TM hoffentlich auslösen folgreich. 2007 haben Sportlerinnen und wird, kann im nächsten Jahr getrost die Sportler unseres Landes bei Weltmeister- 10.000er Marke angestrebt werden. schaften 107 Medaillen und bei Europa- Österreich als Weltmeister der Gast- meisterschaften 134 Medaillen errungen. freundschaft Darunter 30 frischgebackene Weltmeister und 33 neue Europameister! Die UEFA EURO 2008TM ist zwar die mit Seit den 1. Olympischen Spielen der Neu- Abstand größte Sportveranstaltung, die zeit (Athen 1896) konnten österreichische jemals in unserem Land stattgefunden hat. Athletinnen und Athleten 77 Goldmedail- Aber schon zuvor war Österreich Jahr für len, 102 Silbermedaillen und 110 Bronze- Jahr Ausrichter von Sportgroßveranstaltun- medaillen erringen. Bei den letzten Olym- gen. Immerhin haben in Österreich schon pischen Sommerspielen 2004 in Athen zweimal Olympische Winterspiele stattge- und den Winterspielen 2006 in Turin hat funden ‒ 1964 und 1976 in Innsbruck. Österreich elfmal Gold, elfmal Silber und Auch im Jahr 2008 ist Österreich Ausrich- achtmal Bronze gewonnen und lag in der ter mehrerer Weltmeisterschaften und Eu- Medaillenbilanz bei über 200 teilnehmen- ropameisterschaften. Die Eishockey B-WM den Nationen ex aequo mit Schweden auf und die Weltmeisterschaft im Bob und Platz 10. Skeleton haben bereits stattgefunden, es folgen unter anderem Weltmeisterschaf- Allgemeine Begeisterung für Sport ten im Rudern, im Hallenrad sowie drei Die Österreicherinnen und Österreicher im Flugsport. Bei Europameisterschaften sind grundsätzlich ein sportbegeister- war Österreich bereits Gastgeber für die tes Volk. Im Jahr 2007 wurden fast 5.000 Jagd- und Wurftaubenschützen, nach der Stunden Sport im Fernsehen übertragen. UEFA EURO 2008TM folgen unter anderem Dominiert hat der Fußball, gefolgt von Europameisterschaften im Curling, im Tennis und Ski Alpin. Sportsendungen Golf und im Wintertriathlon. 2010 kommt haben allgemein die höchsten Zuschau- die Handball Europameisterschaft neben erzahlen. Aber auch auf den österreichi- Wien auch nach Graz, Linz, Innsbruck und schen Sportplätzen und in den Stadien Wiener Neustadt. 2011 findet die Welt- stieg zuletzt der Zuschauerschnitt. In der meisterschaft im Faustball mit Titelver- Fußball-Bundesliga wurde in der abge- teidiger Österreich bei uns statt und 2013 laufenen Saison 2007/2008 erstmals die hoffentlich die Alpine Ski-Weltmeister- Marke von 9.000 Zuschauern pro Spiel schaft in Schladming. 

16 Karl Stoss

Das Tor zu Europa

Die EURO 2008 ist eine einmalige Chan- hen einen Blick herein ce für Österreich. Bis zu einer Million werfen. Eine Plattform, Gäste werden ins Land kommen, rund wie sie sich nicht alle Tage bietet und die eine halbe Milliarde wird via Fernsehen natürlich auch genützt werden sollte. einen Blick herein werfen. Der größte Appell an die Unternehmen Sportevent, den unser Land je erlebt hat, bietet eine Plattform, die auch Sie meinen, Ihr Unternehmen habe ur- kein heimisches Unternehmen unge- sächlich nichts mit Fußball zu tun? Mag nützt lassen sollte. Möglichkeiten gibt sein, aber doch hoffentlich mit Taten- es viele und für jeden, egal in welcher drang und positiver Stimmung. Egal, Branche Sie sind. Vergessen Sie nicht: was Sie herstellen, gleichgültig, welche Das Tor zu Europa wird sich vermutlich Dienstleistung Sie erbringen. Nützen Sie nicht so rasch wieder so weit öffnen diese einmalige Gelegenheit. Laden Sie wie in diesen paar Wochen im Juni. Ihre Kunden ins Stadion oder an einen der Public-Viewing Plätze ein und verbringen Erinnern Sie sich noch? Deutschland im Sie eine mit ihnen schöne Zeit. Nützen Sie Sommer 2006: Ein ganzes Land beseelt die Gelegenheit auch, um sich selbst, in von Euphorie, das seine Nationalelf Run- welcher Form auch immer, zu präsentie- de um Runde durch die Fußballweltmeis- ren: mit klassischer Werbung, mit Ihren terschaft trug. Bilder, die um die Welt Produkten und Dienstleistungen sowie gegangen sind und manche Menschen über die eine oder andere Kooperation. in Europa fast ein wenig neidisch in die Vermeiden Sie, dass sich im Juli plötzlich Bundesrepublik haben blicken lassen. „Hätten wir doch…“-Gedanken in Ihnen Es waren Bilder einer ganzen Nation in breit machen. Dass Sie einen Ihrer Mit- Aufbruchsstimmung. Ein Stimmungsauf- bewerber darum beneiden, dass er es, schwung, den Deutschland damals drin- im Gegensatz zu Ihnen, getan hat. Dass gend brauchen konnte und der bis heute er an dem partizipiert hat, was die EURO nachwirkt. an Zahlen und Pakten zu bieten hat. Einer Diese Chance liegt nun auch in den Hän- Studie des Instituts für Höhere Studien den Österreichs, seiner Bewohner ‒ und zufolge ist der zu erwartende Wertschöp- nicht zuletzt seiner Unternehmen. Millio- fungseffekt keinesfalls zu unterschätzen. nen Menschen werden zu Gast in unserem Über 380 Millionen Euro wird der größte Land sein, Milliarden werden via Fernse- Sportevent, den Österreich je erlebt hat,

17 Das Tor zu Europa - Karl Stoss

an zusätzlichem Umsatz bringen. Allein Von der Straße 220 Millionen Euro werden die Gäste aus- auf den Fußballplatz geben, fast 90 Millionen werden bis zum Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist Anpfiff in die Infrastruktur investiert wer- natürlich der sportliche. Fußball ist eine den. Maßnahmen, die auch später uns der am weitesten verbreiteten Sportar- allen zum Vorteil gereichen werden. Der ten weltweit. Wenn nun Kickergrößen Berichterstattung werden zusätzliche 110 aus fast ganz Europa hierzulande ihre Millionen Euro zugeschrieben: Hochge- Ballkünste zeigen, ist das genau jener rechnet 2.745 Stunden TV-Berichterstat- Ansporn, den unsere Kinder und Jugend- tung in 200 Ländern weltweit ‒ eine hal- lichen brauchen, um selbst zum Sport zu be Milliarde Menschen, die den Blick nach finden. Weg von der Straße hin auf die Österreich gerichtet haben, das sollte an Fußballplätze, wo sie sich körperlich er- niemandem spurlos vorüberziehen. tüchtigen können und Teamgeist lernen. Es gibt viele Gründe, die mich zur Über- Fußball ist ein Mannschaftssport, in dem zeugung bringen, dass die EURO 2008 kein Einzelgänger eine Chance hat. Selbst gut und wichtig für Österreich ist. Gut für der Torschützenkönig ist nichts ohne den den Tourismus, der sich und seine Leis- entscheidenden Pass aus dem Mittelfeld tungen den bis zu einer Million Gästen, und die Rückendeckung der eigenen die deshalb nach Österreich kommen Abwehr. Seien wir doch froh, wenn un- werden, präsentieren kann. Gut für die sere Sprösslinge ihren sportlichen Idolen Unternehmen, die, in welcher Form auch nacheifern und sich nicht irgendwelche immer, diese einzigartige Plattform für virtuellen Ideale in der Anonymität des sich nutzen können. Nicht zuletzt ist das Internets suchen. Großereignis aber auch wichtig für die Die EURO 2008 ist für Österreich ein ech- Gesellschaft. In einer Zeit, in der leider von ter Glücksgriff. Aber wie heißt es doch so manchen politischen Gruppierungen der schön: Man muss das Glück auch in die Ausländerhass geschürt wird, kann es nur Hand nehmen, aus der Gunst der Stunde gut sein, sich von den Bewohnern ande- etwas machen. Nützen wir alle diese ein- rer Länder selbst ein Bild zu machen. Sehr malige Gelegenheit gemeinsam, lernen schnell weicht da oftmals dieses künstli- wir dazu, engagieren wir uns selbst und che diffuse Feindbild einer ehrlichen Of- präsentieren wir uns und unser wunder- fenheit, werden Vorurteile nach wenigen schönes Heimatland. Vergessen Sie nicht: Minuten abgebaut und mitunter sogar Das Tor zu Europa wird sich vermutlich Freundschaften geschlossen. Die EURO nicht so rasch wieder so weit öffnen wie bietet dafür jedenfalls großes Potenzial. in diesen paar Wochen im Juni. 

18 Oliver Fritz

EURO 2008 - sportlich top, wirt- schaftlich ein Flop?

Die Euro 2008, die größte Sportveran- in diese Schätzungen staltung in Österreich seit langer Zeit, zeigt bereits, mit wel- steht vor der Tür. Es erwartet uns ein cher Unsicherheit solche Analysen behaf- großes Fußballfest und nach anfäng- tet sind. Eine Abschätzung der tatsächlich licher „Euro-Skepsis“ scheint auch die aufgetretenen Wirkungen ist unmittel- Begeisterung in der heimischen Be- bar nach Beendigung der Veranstaltung völkerung der sportlichen Bedeutung geplant; an dieser Studie wird auch das dieser Veranstaltung langsam gerecht Österreichische Institut für Wirtschafts- zu werden. forschung (WIFO) beteiligt sein, das mit einem regionalen Modell auf die regi- Vor allem im Zuge der Bewerbung für die onsspezifischen Charakteristika eingehen Europameisterschaft und nach dem Zu- kann. Dies ist von Bedeutung, da nicht er- schlag durch die UEFA an Österreich und wartet werden kann, dass wie wirtschaft- die Schweiz war auch viel von den positi- lichen Auswirkungen der Euro in allen ven wirtschaftlichen Auswirkungen einer betroffenen Regionen dasselbe Ausmaß solchen Veranstaltung die Rede. Im Mit- haben werden. telpunkt dabei steht die Tourismuswirt- Die Erwartungen, die von Veranstalter- schaft in und um die vier Austragungsor- und Unternehmerseite zu den wirtschaft- te (sowie in kleinerem Ausmaß an jenen lichen Gewinnen gehegt wurden, dürften Orten, an denen die Mannschaften Quar- jedoch zu hoch gewesen sein; bereits vor tier beziehen), die sich durch die Ausga- Beginn der Euro macht sich erste Ernüch- ben der zahlreich erwarteten Fußballfans terung breit: So beklagten sich die Wiener aus dem Ausland wirtschaftliche Vorteile Hoteliers erst kürzlich, dass die Auslas- erhofft, sowie die Bauwirtschaft, die von tung während der Euro unter jener des der Erweiterung der Sport- und Verkehrs- Vorjahres liegen wird. Der Ausfall durch infrastruktur in Vorbereitung auf die Euro potentielle Wien-Urlauber, die ihre Reise- profitieren wird. Die jüngsten Ex-ante- pläne aufgrund der Euro revidiert haben, Schätzungen wirtschaftlicher Auswirkun- wurde wohl unterschätzt. gen gehen von Beschäftigungsgewinnen Die wirtschaftlichen Effekte einer Großver- im Ausmaß von 9-14.000 Mann- bzw. anstaltung wie der Euro 2008 bedürfen ei- Frauenjahre (SportsEconAustria, nur Tou- ner objektiven Betrachtung ‒ überzogene rismus) bzw. von 8.600 (Institut für Hö- Erwartungen sind jedenfalls fehl am Platz. here Studien) aus. Die große Bandbreite In Analysen sollten nicht nur die positiven

19 EURO 2008 - sportlich top, wirtschaftlich ein Flop? - Oliver Fritz

Wirkungen solcher Veranstaltungen in die ebenfalls teilweise im Inland pro- den Vordergrund gestellt, sondern müs- duziert werden, wodurch sich ein so sen auch die negativen in Rechnung be- genannter „Vorleistungsmultiplikator“ rücksichtigt werden. Entscheidend dabei ergibt. sind also die Nettoeffekte. Hier ist nicht  Die so genannten induzierten Effekte der Raum, um eine seriöse Abschätzung liegen am anderen Ende der Wert- dieser Effekte durchzuführen. Vielmehr schöpfungskette: durch Bautätigkei- soll diskutiert werden, wie positive, aber ten und in der Tourismuswirtschaft auch negative wirtschaftliche Auswirkun- sowie den diese Bereiche beliefernden gen solcher Veranstaltungen entstehen Unternehmen wird Einkommen gene- könnten. riert. Über die mit diesem Einkommen in Zusammenhang stehenden Konsu- Wirkungsketten mausgaben privater Haushalte fließt Die wirtschaftliche Bedeutung der Euro ein Teil dieser Einkommen zurück in 2008 oder ähnlicher Veranstaltungen lei- das inländische Wirtschaftssystem, tet sich aus drei Wirkungsketten ab: wodurch ein weiterer Multiplikator-  Im Vordergrund vieler Analysen und prozess in Gang kommt. Medienberichterstattungen stehen  Ein zusätzlicher Effekt, der zu be- die so genannten direkten Effekte. rücksichtigen, aber nur schwer in Darin enthalten sind die Ausgaben für Zahlen zu fassen ist, betrifft positive, die im Rahmen der Euro 2008 getätig- aber auch mögliche negative Ima- ten Bauinvestitionen (Stadionbauten, gewirkungen durch die Euro 2008, Ausbau des öffentlichen Verkehrsnet- die langfristig auf die österreichische zes etc.) sowie jene der ausländischen Tourismuswirtschaft Einfluss haben Besucher der Europameisterschaft. In- könnten. Kann Österreich im Zuge ländische Besucher sollten dabei nur der Fernseh-Übertragungen und an- bedingt berücksichtigt werden, da es derer Medienberichte sein Image als sich bei ihren Ausgaben nur um Um- Urlaubsland verstärken, kann mit ei- schichtungen im Konsumbudget han- ner zusätzlichen Tourismusnachfrage delt, d.h. großteils Ausgaben für ande- aus dem Ausland gerechnet werden? re Verwendungen gekürzt werden. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass  Indirekte Effekte entstehen durch die Marke „Urlaubsland Österreich“ Vorleistungsbeziehungen: Für Bau- bereits jetzt in Europa weit verbreitet tätigkeiten und die Versorgung der ist ‒ anders als dies etwa für China der Touristen werden Vorleistungen aus Fall ist, das durch die Olympischen anderen Teilen der Volkswirtschaft Spiele die Gelegenheit bekommt, zugekauft (Waren, Dienstleistungen) sich auch als Urlaubsland zu präsen-

20 EURO 2008 - sportlich top, wirtschaftlich ein Flop? - Oliver Fritz

tieren. Kommt es während der Euro Bildungswesen etc.) zumindest langfris- allerdings zu Fankrawallen oder auch tig höhere wirtschaftliche Effekte mit organisatorischen Pannen, so kann sich bringen würde ‒ also wie hoch die das Image Österreichs auch Schaden Opportunitätskosten der Veranstaltung erleiden und damit die Tourismuswirt- angesetzt werden müssen. Die Berück- schaft negativ betroffen sein. sichtung der „Gegenfinanzierung“ der Während direkte Effekte über statistische öffentlichen Ausgaben für die Veranstal- Daten (entweder im Rahmen von Besu- tung und von Opportunitätskosten führt cherbefragungen, selbst erhoben oder oft dazu, dass geschätzte positive Effekte durch statistische Institutionen zur Verfü- verschwindend klein werden oder sich gung gestellt) abgeschätzt werden kön- sogar ins Gegenteil verkehren. nen, lassen sich indirekte und induzierte In einigen Fällen ist auch fraglich, ob Effekte nur über diverse ökonomische bestimmte Investitionen, etwa in den Modelle abschätzen. Für eine seriöse Be- Ausbau der Infrastruktur, tatsächlich der urteilung der gesamtwirtschaftlichen Ef- Euro 2008 zugerechnet werden können. fekte sollten in diesen Modellrechnungen So wäre zum Beispiel die Verlängerung allerdings auch Verdrängungseffekte so- der U-Bahnlinie 2 in Wien ohne Euro 2008 wie Wirkungen, die sich aus der Finanzie- schlimmstenfalls verzögert, aber in jedem rung der jeweiligen Aktivitäten ergeben Fall durchgeführt worden. könnten, berücksichtigt werden ‒ was lei- Abschätzung der ausgelösten der oft aus methodischen Gründen oder Tourismusströme auch wegen Informationslücken nicht der Fall ist. Eine besondere Herausforderung für die Die im Zuge der Euro 2008 getätigten Sta- Analyse von wirtschaftlichen Effekten dionausbauten, aber auch die Ausgaben von Sportgroßveranstaltungen oder an- für Polizei, Rettungskräfte etc. werden mit derer Veranstaltungen in dieser Größen- öffentlichen Geldern finanziert. Geht man ordnung stellt die „korrekte“ Abschät- davon aus, dass diese Finanzierung zu zung der ausgelösten Tourismusströme keiner Erhöhung der Budgetdefizite füh- dar. Zweifellos haben die Ausgaben der ren wird (die dann aber auch langfristig ausländischen Besucher der Euro 2008 negative wirtschaftlichen Auswirkungen für Nächtigung, Verpflegung, Geschen- mit sich brächte), dann stellt sich die Fra- ke, Anreise etc. positive Auswirkungen ge, welche anderen Ausgaben staatlicher auf die heimische Wirtschaft. Für die Be- Institutionen reduziert werden. Auch rechnung der alles entscheidenden Net- sollte zur Diskussion gestellt werden, ob toeffekte muss allerdings auch die Frage nicht die Verwendung der Gelder für an- beantwortet werden, ob nicht Verdrän- dere Zwecke (etwa Forschungsförderung, gungseffekte im Tourismus auftreten

21 EURO 2008 - sportlich top, wirtschaftlich ein Flop? - Oliver Fritz

werden. Diese betreffen vor allem Städ- ten ihren Urlaub nachholen werden oder te wie Wien, Salzburg oder Innsbruck, nicht. Zudem ist zu untersuchen, ob die die in den Sommermonaten auch ohne verdrängten Touristen nicht solche sind, Großveranstaltung zahlreiche Touristen die im Vergleich zu Fußballfans im Ur- anlocken. Urlauber könnten durch den laub höhere Ausgaben tätigen. Für den zu erwartenden „Rummel“, den eine klassischen Kulturtouristen in Salzburg Veranstaltung wie die Euro zweifellos oder auch Wien wäre das zu vermuten. mit sich bringt, von einer Reise in diese Auch Imageeffekte sind hier zu berück- Städte abgeschreckt werden. Werden sichtigen ‒ Salzburg als Kulturstadt die Reisepläne zeitlich nur nach hinten könnte etwa darunter leiden, dass statt (oder vorne) verschoben, so sind damit der wohlhabenden, Kultur interessierten kaum negative wirtschaftliche Effekte für Touristen, die sich normalerweise in den Österreich verbunden, wenn genügend Sommermonaten in der Stadt tummeln, Nächtigungskapazitäten vorhanden sind. plötzlich feucht-fröhliche, singende Fuß- Fällt die Urlaubsreise allerdings ganz ins ballfans durch die Stadt ziehen und diese Wasser bzw. wird der Österreich-Urlaub neue Image über die Medien nach außen durch Reisen in andere Destinationen transportiert wird. vollständig ersetzt, dann treten reale Eine Untersuchung, die alle diese oft ver- Verdrängungseffekte auf, die den positi- steckten Blickwinkel ausleuchtet, könnte ven Effekten aus den Ausgaben der Euro- dennoch positive wirtschaftliche Nettoef- Besucher gegen zu rechnen sind. Vor fekte der Euro 2008 ergeben. Das Fußball- diesem Hintergrund ist es auch ganz und fest in Österreich könnte also nicht nur gar nicht überraschend, dass die Hotel- aus sportlicher Sicht Top werden (wie wir buchungen in Wien für Juni und Juli un- alle hoffen), sondern auch aus wirtschaft- ter jenen des Vorjahres liegen, wie oben licher. Vor überzogenen Erwartungen, bei erwähnt. Die Frage ist, ob in den Monaten denen nur die Rosinen aus dem Euroku- nach der Euro 2008 oder auch im kom- chen gepickt werden, ist allerdings zu menden Jahr die ausgebliebenen Touris- warnen. 

22 Michael Steiner

EURO 2008 - Sieg für den homo ludens

Die EURO als sportliches Megaereignis gewinnt vor allem aus wird sich auch wirtschaftlich nieder- ökonomischen Über- schlagen. Die ökonomische Gesamt- legungen heraus an Bedeutung. wirkung ‒ bei durchaus möglichen lo- Die Formen der Bedeutung sind da- kalen und regionalen Impulsen ‒ darf bei vielfältig und gehen weit über den jedoch nicht überschätzt werden. Ge- direkt messbaren Effekt hinaus: Sie rade auch in der Steiermark liegt der schlagen sich zunächst in direkten Ein- Hauptnutzen in der Freude am Spiel: nahmen/Ausgaben-Dimensionen der Sieg für den homo ludens. Veranstaltung nieder, setzen sich in In- frastrukturbereitstellungen und ihren Hat sich noch vor einigen Jahrzehnten Nutzungsmöglichkeiten fort, führen der Sport in seinem eigenen Selbstver- zu Produktions-, Beschäftigungs- und ständnis als Gegenwelt von Beruf, Markt, Einkommenswirkungen, können dem Gelderwerb und rationalem Kalkül ver- Tourismus und damit verbundenen standen, so hat sich seither diese Gegen- Wirtschaftszweigen regionale und welt erheblich verändert. Waren früher überregionale Impulse geben, ermög- Solidarität ‒ nicht individuelles Eigenin- lichen den Veranstaltungsorten auch teresse, Ehrenamt ‒ nicht Beruf, Freiwil- über den Tourismus hinaus wirkende ligkeit ‒ nicht Gelderwerb, Gemeinschaft Marketingchancen und Entwicklungs- ‒ nicht Gesellschaft die bestimmenden impulse. Wie immer man dem Sport als Prinzipien, so hat sich in der Zwischenzeit solchem gegenüberstehen mag, schaf- der Sport den Zielen, Formen und Struk- fen (Groß)Veranstaltungen nicht zuletzt turen der Wirtschaft stark angepasst. Die für aktive und passive Sportbegeisterte Bedeutung des Sports für Wirtschaft und einen, wenn auch schwer zu quantifizie- Volkswirtschaft wird dadurch wesentlich renden, so doch nicht zu vernachlässi- größer, als dies auf den ersten Blick oft genden Nutzenzuwachs. erscheinen mag. Sport ist zu einem wich- Einige Fakten und Impact-Zahlen tigen Wirtschaftsfaktor geworden. Eine spezielle Akzentuierung erfährt die- Eine Fußballeuropameisterschaft ist alle se Verbindung Sport und Wirtschaft bei vier Jahre der größte Fußballevent in Eu- sportlichen Großveranstaltungen ‒ die ropa. Dafür wird einiges ausgegeben: 136 publikums- und öffentlichkeitswirksame Millionen Euro betragen die Kosten für die Durchführung von Sportveranstaltungen Stadienneubauten und -erweiterungen

23 EURO 2008 - Sieg für den homo ludens - Michael Steiner

(die in Österreich ausschließlich von der öf- konzipierten Organisationsausgaben und fentlichen Hand getragen werden), das Or- Tourismusnächtigungen in einer Grö- ganisationsbudget beträgt nochmals etwa ßenordnung von 618.000-929.000 (ohne 140 Millionen Euro; dazu kommen indirekt Public-Viewing und Fanmeilen-Gäste) zu- mit der Durchführung verbundene (vor- grunde. Thöni (2008) sieht diese Analyse gezogene) Infrastrukturausgaben wie die als problematisch an (aufgrund einer sehr Verlängerung des U-Bahnnetzes in Wien, problematischen Datenlage und diskutab- die Neugestaltung des Neuen Platzes in len methodischen Vorgangsweisen), kon- Klagenfurt, kleinere Anpassungen in Inns- zediert aber, dass über diese Annahmen bruck und Salzburg sowie Investitionen für und Einschätzungen lediglich eine „Mini- Fanmeilen und Public-Viewing. Dazu wer- malvariante“ der Ergebnismöglichkeiten den zusätzliche Tourismusströme erwartet folgt (Thöni, 2008, S. 28). Insgesamt resul- ‒ optimistische Grobschätzungen gehen tiert daraus ein zusätzlicher Beitrag zum davon aus, dass für jeden Stadionbesucher BIP in Höhe von etwa 0,15 % ‒ ein Wert, drei bis vier weitere Fußballfans kommen, der in der Bandbreite der für die Schwei- die neben Kost und Logis noch Geld für zer Wirtschaft errechneten 0,14 bis 0,18 % Memorabilia ausgeben, den Bierkonsum an zusätzlichem BIP entspricht (Rüttner & anregen und ‒ als Daheimgebliebene Partner 2007). Das ist eine Größenordnung ‒ die TV-Verkäufe ansteigen lassen. an Auswirkung, die zwar für einzelne loka- Die österreichische Referenzstudie dazu le oder regionale Dimensionen, wenn sie (Helmenstein et al. 2007) listet die von der konzentriert dort anfallen, von beachtli- EURO 2008 verursachten wesentlichen cher ökonomischer Relevanz sein kann. ökonomischen Effekte wie folgt auf: Gesamtwirtschaftlich ist sie aber ‒ etwa  Eine direkte und multiplikative Wert- im Sinne einer konjunkturpolitischen Wirk- schöpfung von 321 Millionen Euro. samkeit oder von andauernden Wachs-  Einen totalen (direkten, indirekten und tumsimpulsen ‒ nicht von besonderer induzierten) Beschäftigungseffekt von Bedeutung. Anders gesagt: Als sportlicher 5.964 zusätzlichen Beschäftigungsver- Event ist die EURO 2008 sicherlich größer hältnissen (gemessen in Jahres-Voll- als ihre wirtschaftliche Gesamtwirkung. zeitäquivalenten). Von Nutzen und Kosten  Eine zusätzliche Auswirkung auf die Kaufkraft um 263,4 Millionen Euro. Der Nutzen sportlicher (Groß-)Veranstal- Helmenstein et al. legen dabei nur die direk- tungen geht aber über die direkt ökono- ten Aufwendungen für die Stadien (ohne misch messbaren Auswirkungen hinaus veranstaltungsbedingte Ergänzungs- und und wirft weitere Fragen bezüglich des Folgeinvestitionen), das Kandidaturbud- Verhältnisses von Nutzen und Kosten und get aus dem Jahr 2002 mit den damals ihrer ökonomischen Bewertung auf.

24 EURO 2008 - Sieg für den homo ludens - Michael Steiner

Trotz vielfachem Sponsoring ist ein Groß- co-finanzierenden Sponsoren, sondern teil der mit der EURO verbundenen Aus- vor allem von den (zum größten Teil doch gaben durch öffentliche Gelder finanziert. inländischen) Besuchern ‒ stellt sich die Die Wirkungsanalysen dienen meist zur Frage, wo diese Ausgaben anderswo, und Legitimation solch öffentlicher, durch zu einem anderen Zeitpunkt, eingespart Steuern finanzierter Ausgaben. Ein we- werden. sentliches Argument betrifft hier die alter- Auch die Wirkungen auf die Tourismus- nativen Möglichkeiten der Verwendung branchen ‒ genährt von inländischen und solcher Mittel, kurz: Die „Opportunitäts- ausländischen Gästen ‒ sind nicht unstrit- kosten“ beispielsweise des Stadionbaus tig: Was die einen anzieht, stößt andere ab. ‒ wie viele Spitäler, Schulen, Kindergärten Für manche mag die EURO Grund sein, ge- hätten anstelle dessen gebaut werden rade nicht die Veranstaltungsregionen zu können. Eine echte „Kosten-Nutzen-Ana- besuchen ‒ aus Angst, mit nicht ganz nüch- lyse“ setzt voraus, dass solche Rechnun- ternen Fans konfrontiert zu sein, aus Angst, gen angestellt werden und dasjenige „öf- während dieses Zeitraumes ohnehin nicht, fentliche“ Projekt finanziert wird, das den oder nur überteuert, buchen zu können. größten Überschuss von Nutzen über Kos- Wie eine der seltenen ex-post-Studien ten bringt. Jedoch beinhalten einerseits über die Auswirkungen der WM 1994 in solche Analysen unüberwindbare me- den USA belegt (Baade/Matheson 2004), thodische Probleme (wie sind die meist waren die längerfristigen wirtschaftli- subjektiven Nutzen vergleichbar, welche chen Auswirkungen auf einzelne Veran- Folgekosten, welche Zusatznutzen und staltungsstädte sehr unterschiedlich (bei Externalitäten sind mit den einzelnen Pro- hohen Schwankungsbreiten): Boston ge- jekten verbunden?), andererseits ist dieses hörte zu den Gewinnern, Los Angeles zu Argument letztlich ein „Totschlag“-Argu- den Verlierern aus der Veranstaltung. Hier ment ‒ jegliches von öffentlicher Hand wird von den Autoren jedoch zugegeben, (mit)finanzierte Projekt kann dadurch dass mit zunehmender Größe der veran- abgewürgt werden, indem man andere, staltenden Städte natürlich der Einfluss viel „sinnvollere“ Projekte als wichtiger anderer Faktoren ‒ neben der Durchfüh- hinstellt. Der ehemalige Sportlandesrat rung der WM-Spiele ‒ von wesentlichem Gerhard Hirschmann hat dazu einmal tref- Einfluss war. fend gemeint, dass der politische Ausweg Schwer einschätzbar ‒ und noch schwe- dann im Wesentlichen darin besteht, alle rer quantifizierbar ‒ sind die „intangiblen“ Projekte zumindest zu versprechen. Nutzen: der Imagegewinn als Veranstal- Selbst wenn durch öffentliche (Infrastruk- tungsland und -ort, der integrative Cha- tur-)Ausgaben zusätzliche private Ausga- rakter von Sportereignissen, das motiva- ben induziert werden ‒ nicht nur die von tionale Element (so es eintritt), der in den

25 EURO 2008 - Sieg für den homo ludens - Michael Steiner

Gesundheitsbereich überschwappende mer mehr findet, könnte sich in der Steier- Eigenwert von Sport. mark einquartieren. Zudem: Als EURO-freie Zone könnte die Steiermark fußballaverse Was bringt’s der Steiermark? Touristen besonders anziehen. Bekanntlich ist die Steiermark kein Veran- Auch an intangiblen Effekten kann in der staltungsland, die mit der Durchführung Steiermark einiges auftreten: Steirer wer- verbundenen direkten Auswirkungen den sich Spiele in Klagenfurt, Salzburg, finden damit auch nicht statt. Allerdings Innsbruck und Wien anschauen, werden fallen auch keine direkten Kosten ‒ für Sta- via TV dabei sein, und ‒ zumindest in der diumsneu/-umbau, für Sicherheitsmaß- Anfangsphase ‒ den einen oder anderen nahmen, für Negativeffekte durch Stau, Steirer im Team (hoffentlich) bewundern Umweltbelastung, Lärm und so weiter an. können. Es gibt aber „spill over“-Effekte: Durch In- Fußball ist ein Spiel und hat eine Eigenbe- frastrukturinvestitionen in Wien und Kla- rechtigung. Vom homo ludens zum homo genfurt verdienen auch steirische Betriebe faber ist es jedoch gerade im Sport nicht und ArbeitnehmerInnen. Die wirtschaftli- weit. Spiel wird damit zu Ernst, Spiel wirft chen Verflechtungen zwischen den Bun- auch Brot ab und hat ökonomische Aus- desländern sind stark genug, dass die Wir- wirkungen. kungen über Landesgrenzen streuen. Sie sollten jedoch nicht überschätzt wer- Einige der von der EURO profitierenden den. Der Hauptnutzen ‒ auch für Stei- Sektoren sind in der Steiermark überpro- rerinnen und Steirer ‒ wird die Freude portional vertreten ‒ wie beispielsweise und das Glück sein, das der Fußball nun die Bierindustrie. Im Vorfeld der EURO einmal erzeugt. Dieses Glücksempfinden trainiert das österreichische Nationalteam ist intangibel, entzieht sich weitgehend in der Steiermark und führt hier Vorberei- ökonomischer Quantifizierung. Und liegt tungsmatches durch; auch logieren hier in Auge und Herz des Betrachters. Mögli- teilnehmende Teams. Es gibt auch mög- cherweise nicht nur dort: Die Geburtenrate liche Verlagerungseffekte im Tourismus: in Deutschland ist neun Monate nach der Wer in Kärnten und Wien keine freien Zim- Weltmeisterschaft leicht angestiegen.  Literatur: Baade, R. A., Matheson, V. A., The Quest for the Cup: Assessing the Economic Impact of the World Cup, in Regional Studies Vol.38.4, S. 343-354, 2004. Brenke, K., Wagner, G. G., Zum wirtschaftlichen Wert der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Deut- sches Institut für Wirtschaftsforschung , Research Notes 19, 2007. Helmenstein, Ch., Kleissner, A., Moser, B., Makroökonomische und sektorale Effekte der UEFA EURO 2008 in Öster- reich, Studie im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich, Wien, 2007. Rütter, H., Stettler, J., Müller, H., Wirtschaftliche Wirkungen der UEFA EURO 2008 in der Schweiz ‒ Aktualisierung der Studie von 2004, Rüschlikon u.a., 2007. Thöni, E., UEFA EURO 2008TM: Stadienbauten und Eventumsetzung ‒ Probleme ihrer öffentlichen sozio-ökonomi- schen Effektediskussion, Wirtschaftspolitische Blätter, Manz, 55. Jg., 1/2008.

26 Gerald Angermann-Mozetič

Der soziale Wert des Fußballs

Der soziale Wert des Fußballs wird in Erklärungsbedürftiger zweifacher Hinsicht diskutiert: Was erscheint schon, wie sind die grundlegenden Erlebnisse ein Spiel zum zentralen Lebensinhalt von und Erfahrungen von Menschen, die Fans werden kann, die mit ihrer Mann- selbst Fußball spielen? Und: Wie ist es schaft durch alle Höhen und Tiefen ver- zu erklären, dass Fußball ein Massen- bunden bleiben. In einer Zeit, in der alles publikum findet? Es geht einerseits disponibel geworden zu sein scheint, in darum, welche Probleme gelöst wer- der die Forderung nach allseitiger Flexi- den müssen, damit überhaupt eine bilität und Mobilität zur dogmatischen Sportgruppe Bestand haben kann, und Selbstverständlichkeit geworden ist, ragt andererseits wird auf die spezifischen, die lebenslange Treue von Fans zu ihren kollektiven Erfahrungen aufmerksam Vereinen wie ein inmitten von Treibsand gemacht, die das Fußballpublikum in rätselhafterweise erhalten gebliebener einen „anderen“ Zustand versetzen. Monolith empor. Nicht mehr Ehen sind es, die dauern, bis dass der Tod sie scheidet, Für die meisten, die mit Begeisterung sondern die lebenslangen Verbundenhei- Fußball spielen oder Fußballspiele leiden- ten mit einem Fußballverein, und in der schaftlich mitverfolgen, dürfte die Einzig- zugespitztesten Variante dieser Treue artigkeit dieses Sports außer Streit stehen. bis über den Tod hinaus wünschen sich Der Stellenwert, der ihm in vielen Ländern Fans, ihre Asche möge einmal über das beigemessen wird, hat dazu verführt, ihn Spielfeld ihres geliebten Clubs verstreut als die wichtigste Nebensache der Welt werden. zu bezeichnen. Kundige werden sich an Fußball ist ein Mannschaftssport ‒ aber eine Bemerkung des legendären Liver- das unterscheidet ihn nicht von vielen pool-Managers Bill Shankly erinnern, der anderen Sportarten. Fußball wird über- das dementiert: „Someone said, football wiegend von Männern gespielt ‒ aber is more important than life and death to auch dieses Merkmal teilt er mit etlichen you‘ and I said, Listen, it‘s more important anderen Sportarten wie etwa Eishockey, than that‘.” Solche Übertreibungen mag Rugby oder Wasserball. Sicherlich ist man jenen nachsehen, die von und für im Fußball die Professionalisierung und Fußball als Beruf leben ‒ Entsprechungen Kommerzialisierung weit fortgeschritten wird man auch im Bereich der Kunst oder ‒ aber das gilt für alle populären Sport- der Wissenschaft finden. arten, die durch das Zusammenspiel von

27 Der soziale Wert des Fußballs - Gerald Angermann-Mozetič

medialer Präsentation und ökonomischer Vereine gespielt, natürlich auf sehr un- Verwertung geprägt sind. terschiedlichem Niveau, und das Alters- Diese Überlegung führt gleich zur nächs- spektrum der Aktiven erstreckt sich auf ten: Vieles, was man über den Fußball sa- mehrere Jahrzehnte. Doch ungeachtet gen kann, trifft auch auf andere sportliche dieser Differenzen bleiben einige Aufga- Betätigungen zu, und umso auffälliger ben gleich: In welchen Figurationen ver- sind dann Besonderheiten und Differen- binden sich die einzelnen Spieler zu einer zen. Um gleich ein Beispiel zu geben und Mannschaft? Welchen Spielraum gibt es in die Form einer Frage zu kleiden: Warum für Individualismus? Wie definiert sich der ist das für den Fußball leidige Phänomen eigene Status in einer Mannschaft? Werde der Hooligans im Eishockey so gut wie un- ich als vollwertiges Mitglied akzeptiert? bekannt? Oder: Warum errang der Fußball Bilden sich in einer Mannschaft Hierarchi- in den USA ‒ ungeachtet der Tatsachen, en, Cliquen? Wie reagieren Mitspieler auf dass dort fast dreimal so viele Fußballspie- meine Fehler, wie reagiere ich auf Fehler ler aktiv sind als in Deutschland und die meiner Mitspieler? Wie groß dürfen Leis- Nationalmannschaft durchaus beachtli- tungsunterschiede innerhalb einer Mann- che Leistungen erbringt ‒ niemals jenen schaft sein, ohne, dass es zur faktischen Stellenwert, wie die großen populären Ausschließung Einzelner aus dem Spiel- Sportarten Basketball, Baseball, American geschehen kommt? Wie werden Neulinge Football? aufgenommen? Welches Ausmaß an „kör- Wie man sich denken kann, gibt es zu sol- perbetontem“ Spiel (Fouls) wird als nor- chen und ähnlichen Fragen eine ganze mal angesehen oder toleriert? Wie stark Menge an wissenschaftlicher Forschung ist die Orientierung am Endergebnis? Mit ‒ was nicht impliziert, dass diese zu ein- anderen Worten: Wie ernst wird das Spiel deutigen, allgemein akzeptierten Resulta- genommen? Wie werden Siege gefeiert, ten gekommen wäre. Der sozialen Bedeu- wie wird mit Niederlagen umgegangen? tung des Fußballs kann man sich unter Ist die Idee des fair play präsent? verschiedenen Blickwinkeln nähern ‒ hier Was hier als bloße Auflistung von Fragen soll die einfache Unterscheidung zwi- steht, wird in jedem Fußballspiel auf die schen den diesen Sport Ausübenden und eine oder andere Weise beantwortet. den „Konsumenten“ des Spiels leitend für Dass diese Antworten für die Beteiligten ein paar elementare Überlegungen sein. akzeptabel ausfallen, ist eine Grundbe- dingung für die Fortsetzung der Aktivität Was man erlebt und erfährt, ‒ sei es in einer Freizeitgruppe, sei es in wenn man Fußball spielt einem Verein. Kooperation, Koordination Fußball wird auf der Grundlage informel- und Konkurrenz konstituieren ein spezi- ler Gruppenbildungen und organisierter fisches soziales Gebilde, das als solches

28 Der soziale Wert des Fußballs - Gerald Angermann-Mozetič permanent erneuert werden muss. Denn durchdrungen sind, sich doch die verhei- so offensichtlich ein Fußballspiel das Er- ßungsvollen Möglichkeiten zur individu- gebnis von Kooperation und Koordinati- ellen Nutzenmaximierung nicht entge- on ist, so unvermeidbar sind auch die Ri- hen zu lassen, etwas so großen Anklang valitäten innerhalb einer Mannschaft. Es findet, was nur dadurch entstehen kann, ist ein überaus anspruchsvolles Ausbalan- dass viele Menschen sich so zusammen- cieren divergierender Interessen, Fähig- finden. Es ist das eben kein bloßes Ne- keiten und Neigungen, dessen Gelingen beneinander der vielen, wie auf großstäd- erst so etwas vermeintlich Simples wie tischen Plätzen oder an touristisch voll ein Fußballspiel zustande kommen lässt. erschlossenen Stränden ‒ es ist eine ganz Dem alltäglichen Bewusstsein ist das üb- eigene kollektive Erfahrung, die das Ich rigens durchaus geläufig ‒ die Rede ist verändert und dessen Grenzen verschiebt. dann etwa davon, dass die Chemie in ei- Weit davon entfernt, bloß passiv zu regis- ner Mannschaft stimmt. trieren, was sich da abspielt, erfährt man einen emotionalen Schub in eine Sphäre Was man als Fußballzuschauer der gefühlsintensiven Eindeutigkeiten. erlebt und erfährt Im Stadion ist man zudem selbst Teil der Dass die Fußballstadien sich immer und Veranstaltung und wirkt an ihr mit ‒ und immer wieder mit Menschenmassen fül- das in der freudigen Erwartung des Un- len, dass Millionen die großen Spiele im voraussehbaren, Unberechenbaren. Dass TV mitverfolgen, aber auch, dass viele im Fußball, bei aller Standardisierung der unterklassige Vereine von einem kleinen, Spielzüge und Taktik, gleichsam immer treuen Kern von Anhängern unterstützt wieder eine neue, so noch nicht dagewe- werden, bedeutet zunächst nichts ande- sene Welt erzeugt wird, macht nicht zum res, als dass dieser „Konsum“ von Fußball Mindesten den Reiz dieses Spiels aus. offensichtlich in der Lage ist, Bedürfnisse Dass die Klarheit und Übersichtlichkeit zu befriedigen, und das in einer Weise, für der Regeln zudem das Verständnis leicht die es kaum ein Substitut gibt. Wie sonst macht, deren Auslegungsbedürftigkeit wäre es zu erklären, dass beispielsweise jedoch die Kommunikation anregt, trägt echte Fußballfans sich auch vom schlech- erheblich zur Interaktionsdichte auf den testen Wetter nicht abhalten lassen, beim Zuschauerrängen bei. Dass geteilte Freu- Spiel ihrer Mannschaft dabei zu sein. Und de doppelte Freude ist ‒ und geteiltes es muss mit den einzigartigen Erfahrun- Leid besser zu bewältigendes Leid ‒, da- gen eines Kollektivbewusstseins zu tun für bietet der Fußball schönen Anschau- haben, wenn in Gesellschaften, die un- ungsunterricht. gehemmt dem Individualismus huldigen, Das alles darf nicht missinterpretiert wer- die von der permanenten Aufforderung den als eine Verklärung dieses Sports und

29 Der soziale Wert des Fußballs - Gerald Angermann-Mozetič

seines Publikums ‒ die Behauptung, Fuß- die englischen Erfahrungen von großer baller und Fußballfans seien die besseren Bedeutung.) Nur sollte man sich darüber Menschen, ist ebenso grotesk und falsch im Klaren sein, dass die gesellschaftlichen wie die andere, Menschen, die klassische Probleme, deren Ausdruck der Hooliga- Musik hören, seien zu keiner Grausamkeit nismus ist, nicht dann schon gelöst sind, fähig. Die kleinen Gehässigkeiten auf dem wenn die Europameisterschaft, hoffent- Spielfeld und die manifesten Rituale der lich, wie ein friedliches Fest verläuft. Verachtung auf den Zuschauerrängen Epilog sind unbestreitbar. Und damit wären wir bei jenen Erscheinungen angelangt, die „Die Belegschaft einer Firma unterscheidet als das zentrale Problem des derzeiti- sich nicht von einem Spielerkader. Beide gen Fußballbetriebs angesehen werden Male ist es die Menschheit im Miniaturfor- ‒ den Ausschreitungen, der Gewaltbe- mat. Fußball erklärt uns, wer wir sind. Er re- reitschaft von „Hooligans“, die die Bühne flektiert das, was passiert auf unseren Stra- des Fußballs als Arena interpretieren, in ßen: den Kommerz und die Konkurrenz, der Freund-Feind-Beziehungen exzes- das Hässliche und das Schöne.Und was ihn siv ausgelebt werden können. Dazu hier als Metapher besonders wertvoll macht: Es nur noch eine Anmerkung: Verständlich ist eine Welt der Übertreibungen, der Ex- sind alle Bemühungen, Sportveranstal- zesse. Fußball bringt starke Bilder hervor, tungen gewaltfrei zu halten, und auf Bilder, die alle verstehen.“ welche Weise das am besten gelingen Jorge Valdano, Mitglied der argentini- kann, ist Gegenstand hitziger Debatten schen Weltmeistermannschaft 1986, in gewesen. (Natürlich sind dabei vor allem einem SPIEGEL-Interview 2006 

30 Werner Suppanz

Der Fußball und die Nation Anmerkungen zu einem intimen Verhältnis

Seit dem 19. Jahrhundert ist Fußball in und dessen Bedeu- die Konkurrenz zwischen den (National-) tung für Nationalismus Staaten integriert. Als Verkörperungen und Nationalbewegungen. des Nationalen garantieren Auswahl- 1. Globalisierung und mannschaften Sichtbarkeit auf interna- Nationalisierung des Fußballs tionaler Ebene, tragen zur Herstellung der vorgestellten Gemeinschaft „Nati- Die Aufladung mit nationaler Bedeutung on“ bei und fungieren als Ausdrucks- begleitete den Fußballsport vom 19. Jahr- form „nationalkultureller“ Selbst- und hundert an, gleichzeitig mit der Etablie- Fremdbilder. Prozesse der Globalisie- rung des Vereinsfußballs. Schon 1872 fand rung und Transnationalisierung beein- das erste Länderspiel der Geschichte statt, flussen auch den Fußball, die Bedeutung ein 0:0 zwischen Schottland und England. der Nationalteams als Repräsentanten Ab 1883 wurde die British Home Champi- der Nation kann allerdings gerade da- onship ausgetragen, ein Turnier der Teams durch aktuell bleiben. von England, Schottland, Wales und Irland. Fußball verbreitete sich als „englisch“/ Rot-weiß-rot ist en vogue. Nationale Sym- „britisch“ konnotierter Sport. Dieser zuneh- bolik ist im Vorfeld der EURO 2008 seit mend globale, kulturelle Transfer stieß um Monaten öffentlich präsent. Rot-weiß- 1900 auch auf nationalistische Blockaden. rote Schals, Fanhüte und Gesichtsfarben Erkennbar ist der Versuch, die „eigene“ Kul- werden in Geschäften und Kaufhäusern tur gegen „das Fremde“, die „Engländerei“ angeboten, Lebensmittel-Aktionsange- zu verteidigen am Beispiel des Deutschen bote mit einer auf die betreffende Seite Reiches: Die Vertreter des „deutschen des Prospekts platzierten österreichischen Turnens“ betrachteten den „englischen Fahne neben Fußballerköpfen beworben. Sport“ als „undeutsche“ Konkurrenz, ge- Unter den zahlreichen Identitätsangebo- gen den sie im Namen des Deutschtums ten, die mit Fußball verbunden sind1, ist Widerstand leisteten.2 Zudem irritierte die der Konnex mit der Nation einer der wir- mangels deutscher Begriffe verwendete kungsmächtigsten und auch kommerziell englische Sportsprache als „Sprachverun- am besten verwertbaren. Dieser Beitrag reinigung“. Die Übersetzung der Regeln thematisiert daher historische und aktu- der Football Association in den 1890er Jah- elle Perspektiven zur Wechselbeziehung ren löste daher symbolische Grenzen auf zwischen Fußball und nationaler Identität und machte Fußball auch zum „deutschen

31 Der Fußball und die Nation - Werner Suppanz

Sport“.3 Universalisierung und Nationali- Verbände von zum Beispiel Tibet, Tschet- sierung des „englischen Spiels“ seit 1880 schenien, Gibraltar, der Türkischen Repub- waren keine Gegensätze, sondern Prozes- lik, Nordzypern und der Westsahara.6 se, die einander förderten. Gleichzeitig mit Dieser Befund gilt auch historisch. In der Vereinsgründungen, die englische Namen ausgehenden Habsburgermonarchie trugen (zum Beispiel der First Foot- beanspruchte der (tschechisch-)böhmi- ball Club), erfolgte die direkte Bezugnah- sche Verband die Aufnahme in die FIFA me auf nationale Identitäten bei Klubs, die als mit dem österreichischen und dem zum Beispiel in Deutschland Borussia oder ungarischen gleichrangige Vertretung. in Prag Slavia heißen. Die Federazione Itali- Der tschechische Kampf um die Erweite- ana di Foot-Ball wird 1908 zur Federazione rung der Doppelmonarchie zu einem Tri- Italiana Giuoco Calcio, um Kontinuität mit alismus wurde auf diesem Weg auch auf der in den mittelalterlichen und frühneu- sportpolitischer Ebene ausgetragen. Der zeitlichen italienischen Städten gespielten 1904 gegründete Österreichische Fuß- Version des Fußballs herzustellen.4 In einer ball-Verband (ÖFV) behauptete jedoch Welt der Staatenkonkurrenz wurde der bis 1918 den Status als alleinige Vertre- Fußball zu einer weiteren Ebene internati- tung des Fußballs in Cisleithanien.7 onalen Wettbewerbs, aber auch zu einem 3. Das Nationalteam als Mittel für dessen „rituelle Entschärfung“.5 Verkörperung der Nation 2. Nationale Emanzipation durch Fußball Der englische Historiker Eric J. Hobsbawm Die Bedeutung der Fußballverbände für betont, dass Fußball spätestens seit der den Status einer Nation wurde zuletzt im Zwischenkriegszeit eine wichtige Funk- Fall der seit 1991 aus Jugoslawien und der tion im nation-building „als Medium der Sowjetunion entstandenen Staaten deut- Vermittlung einer nationalen Gesinnung“ lich: Zu den „Initiationsriten“ in der Aner- erfüllt. „Die vorgestellte Gemeinschaft von kennung durch die Staatengemeinschaft Millionen scheint sich zu verwirklichen als gehört die Aufnahme eines nationalen eine Mannschaft aus elf Spielern, die alle Fußballverbands durch UEFA oder FIFA. einen Namen tragen. Der einzelne, und Die Teilnahme an der Qualifikation für wenn er nur die Spieler anfeuert, wird die Kontinent- oder Weltmeisterschaften selbst zu einem Symbol seiner Nation.“8 ist ein Zeichen souveräner Staatlichkeit. Ein Nationalteam fungiert in diesem Sinne Nationalbewegungen, die diesen Status als physische Verkörperung der Nation, die anstreben, versuchen über Fußballaus- in Nationalfarben, in der Uniformierung wahlen Sichtbarkeit zu erlangen. Der 2003 eines Nationaldress auftritt.9 Funktion der gegründete Nouvelle Fédération-Board Teams wurde es auch, „Nationalkultur“ zu umfasst dementsprechend die inoffiziellen verkörpern, Selbstbilder in der Spielweise

32 Der Fußball und die Nation - Werner Suppanz zu reproduzieren und durch sie Überlegen- reichs österreichischestes Team“, als „eine heit zu demonstrieren. Die Bilder von der Elf von Künstlern und Individualisten, voll technischen, tänzerischen Brillanz der Bra- Freude am Schönen und am Wirken, aber silianer, der körperbetonten „englischen ohne Sinn für das Praktische“ bezeichnet.12 Härte“ oder dem defensiven Catenaccio Das Gegenbild ist der „nüchterne Zweck- der Italiener korrespondieren mit Stereo- fußball“, der den deutschen Spielern zu- typen eines jeweiligen Nationalcharakters. geschrieben wird, den „nur aufs Endziel Die Zuschreibungen blenden aus, dass gedrillten Robotern“.13 Das offizielle Selbst- diese „Schulen“ nicht nur in ständigem bild des Österreich der frühen Zweiten Re- Wandel begriffen, sondern auch jeweils publik als unvereinbar mit deutscher Kultur durch Transferprozesse entstanden sind. und Mentalität, der Opfertheorie entspre- Das technisch ausgereifte Kurzpassspiel chend, kam somit auch in der Vorstellung des „Donau-Fußballs“ der 1920/30er Jahre von einem spezifisch „österreichischen in Ungarn, der Tschechoslowakei und Ös- Fußball“ zum Ausdruck. Das legendäre terreich ‒ etwa des „Wunderteams“ ‒ ist 3:2 von Córdoba erhielt seine Bedeutung weitgehend Ergebnis einer Prägung durch als Abschluss des österreichischen nati- englische oder schottische Trainer, die bei on-building nach 1945, das insbesondere den zentraleuropäischen Vereinen sehr einer Abgrenzung von deutscher Identität gefragt waren. Italien, Weltmeister 1934 bedurfte: „Das Vaterland. Alles, was sich da und 1938, wiederum übernahm gezielt in manchem so aufgestaut hat an Emoti- Elemente der Technik des „Calcio Danubi- onen, seit der Zeit zwischen achtunddrei- ano“ in Verbindung mit der körperlichen ßig und fünfundvierzig vielleicht noch, das Defensivstärke der Engländer.10 hat der Krankl gerächt.“14 Gerade die Eig- nung zur Satire ebenso wie die Karikatur 4. „Wenn ich einen Deutschen sehe, wer- von der „Rache für Königgrätz“15, weist auf de ich zum lebendigen Rasenmäher“11 die Ernsthaftigkeit der Bedeutung hin, die Das Verhältnis zwischen Österreich und Fußball als Mittel nationaler Emanzipation Deutschland ist ein anschauliches Fall- hier annahm. beispiel für den Konnex zwischen Fußball 5. „Fest der Völker“ oder Zufluchtsort und nationalen Selbst- und Fremdbildern. nationaler Identifikation? Die Emotionalität der Begegnungen, ins- besondere der Nationalteams, ist eng an Das Verhältnis zwischen Fußball und Na- die Vorstellung von unterschiedlichen Na- tion ist spätestens seit den 1990er Jahren tionalcharakteren gekoppelt. Strategien prekärer geworden. Ein Indiz dafür ist die des Othering, der Herstellung des Eigenen abnehmende (Selbst-)Identifizierung mit und des Fremden, werden deutlich, wenn einem nationalen Stil. Die Gleichsetzung Hans Weigel die Wiener als „Öster- von Nation und „Spielkultur“ ist angesichts

33 Der Fußball und die Nation - Werner Suppanz

der Standardisierung der athletischen performativen Element, auf dem Charakter und taktischen Voraussetzungen wei- des Nationalen als gewählt und als situa- ter fragwürdig geworden. Dazu kommt tionsabhängig. Das Spiel der Identitäten die Mobilität der Spieler und Trainer, die hat allerdings nach wie vor das Potenzial, Globalisierung des Transfermarktes, die in den Ernst der Unbedingtheit umzu- die Entnationalisierung des Klubfußballs schlagen. Dieser Ernst, dass Spieler und fördern. Als Inszenierung des Nationalen AnhängerInnen als Symbole ihrer Nation spielen daher Länderspiele und vor allem auftreten, kommt zum Beispiel bei Län- Europa- und Weltmeisterschaften eine Rol- derspielen des ÖFB-Teams in einem Trans- le, die mehr als in der Vergangenheit über parent mit der emphatischen Aufschrift das Stadion hinausgeht. Die Weltmeister- „Wir sind stolz Österreicher zu sein“ zum schaft 2006 war als „Fest der Völker“ kon- Ausdruck. Aber auch Gewalt gehört nach zipiert, das die gesamte Gesellschaft erfas- wie vor zum Potenzial der Inszenierung sen sollte. Die mediale Vermittlung betont von Nation im Fußball, wie das Istanbuler die nationale Identifizierung über Dressen „Skandalspiel“ in der WM-Qualifikation am und Farben als Rollenspiel, als spielerisches 16. November 2005 zwischen der Türkei An- und Ablegen von Identität. Auch der und der Schweiz zeigt, an dessen Ende Verkauf verschiedenster Nationaldressen Ausschreitungen gegen das Schweizer in den Sportgeschäften beruht auf einem Team standen. 

1 Z.B. auch auf die Stadt, den Stadtteil, die Region, die soziale Schicht, die Religion/Konfession, die politische Partei, den Migrationshintergrund, das Geschlecht bezogene Identität. 2 Vgl. Christiane Eisenberg, „English sports“ und deutscher Bürger. Eine Gesellschaftsgeschichte 1800-1939, Pa- derborn 1999; Dies., Fußball in Deutschland 1890-1914. Ein Gesellschaftsspiel für bürgerliche Mittelschichten, in: Geschichte und Gesellschaft 20 (1994), S. 181-210 (hier S. 187). 3 Vgl. Eisenberg, Fußball in Deutschland, S. 186. 4 Vgl. Christiane Eisenberg [u.a.], FIFA 1904-2004. 100 Jahre Weltfußball, Göttingen 2004, S. 172f. 5 Eric J. Hobsbawm, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. Aus dem Englischen von Udo Rennert, Frankfurt-New York 1991, S. 166f. 6 Siehe http://www.nf-board.com/en3.htm. 7 Mit einer Unterbrechung 1906 bis 1908, bis die FIFA Böhmen auf Betreiben des ÖFV wieder ausschloss. Vgl. Matthias Marschik/Doris Sottopietra, Erbfeinde und Haßlieben. Konzept und Realität Mitteleuropas im Sport, Münster 2000, S. 147-153. 8 Hobsbawm, Nationen und Nationalismus, S. 168f. 9 Darauf basiert auch Paul Meissners Gemälde „Das Wunderteam“, das sich im Wien Museum befindet. Es wurde vom Wiener Stadtrat Viktor Matejka (KPÖ) 1946 in Auftrag gegeben und zeigt das „Wunderteam“ beim Einlauf ins Stadion zum legendären „Londoner Wunderspiel“, einer heroischen 3:4-Niederlage gegen England am 7.12.1932. Nach 1945 wurde das „Wunderteam“ als Ikone des Österreichischen propagiert. Vgl. Johann Skocek/Wolfgang Weisgram, Wunderteam Österreich. Scheiberln, wedeln, glücklich sein, Wien-München-Zürich 1996, S. 36f. 10 Vgl. Eisenberg [u.a.], FIFA 1904-2004, S. 152-168. 11 Dieser Ausspruch wird zugeschrieben. Michael John, „Wenn ich einen Deutschen sehe, werde ich zum lebendigen Rasenmäher“. Deutsche und Österreicher im Fußballsport. Zur Genese einer Erzfeindschaft, in: Oliver Rathkolb/Georg Schmid/Gernot Heiß, Österreich und Deutschlands Größe. Ein schlampiges Verhältnis, Salzburg 1990, S. 143-153. 12 Hans Weigel, Die Austria, in: Neues Österreich, 23.4.1950, S. 17. 13 Friedrich Torberg, Die Erben der Tante Jolesch, München-Wien ²1982, S. 130. 14 Peter Vujica, Drei zu zwei: die Erde hat uns wieder, in: Kleine Zeitung, 25.6.1978, S. 23. 15 Karikatur „Ein unheimlich starker Abgang“, in: Kronen Zeitung, 23.6.1978, S. 3.

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Vom Rütlischwur bis zur EURO 2008 Zum Verhältnis zwischen der Schweiz und Österreich

Österreich und die Schweiz besetzen Europas offen war und zwar gemeinsam das Alpenmassiv Eu- beispielsweise die De- ropas, schauen aber mit dem Rücken mokratisierung wie die Industrialisierung gegenenander in entgegengesetzte früh durchmachte, durchlief das Habsbur- Richtungen.1 Mit Wien war Österreich- ger Reich zahlreiche politische und wirt- Habsburg lange Jahrhunderte Mittel- schaftliche Modernisierungsprozesse im punkt eines großen Reiches. Umgekehrt westeuropäischen Vergleich spät. die Schweiz: Sie gewann ihre Raison Die Schweiz erlebte die Geschichte des d’être gerade durch die Abspaltung 20. Jahrhunderts ohne tiefgreifenden vom Heiligen Römischen Reich deut- Bruch. Das politische System stammt in scher Nation und schuf mit der Befrei- den Grundzügen aus dem Revolutions- ungsgeschichte von 1291, Wilhelm Tell jahr 1848. Seit 1815 völkerrechtlich als und dem Rütlischwur den Gründungs- neutraler Kleinstaat etabliert, konnte sich mythos. Beide Länder übten in Europa die schweizerische Eidgenossenschaft Brückenfunktionen aus: Das Habsbur- aus den militärisch-politischen Konflikten ger Reich blickte nach Osten, während der beiden Weltkriege einigermaßen her- die Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert aushalten und wuchs nach 1945 zum oft zuweilen eine Mittlerrolle zwischen beneideten Paradebeispiel einer bürger- dem deutschen und französischen Kul- lich-kapitalistischen Wohlstandsgesell- turraum Westeuropas spielte. schaft Westeuropas heran. Wegen der tief verankerten Neutralität blieb das Land Historische Unterschiede gegenüber den Veränderungen der inter- Im Verlaufe der neueren Geschichte waren nationalen Politik stets zurückhaltend. die Unterschiede zwischen den beiden Anders war die Ausgangslage in Öster- Staaten größer, als man heute gemeinhin reich. Während die moderne Schweiz ihre annimmt. Bis zum Ende des Ersten Welt- nationale Identität weitgehend durch die krieges war die kleinstaatliche, neutrale mythische Überhöhung der spätmittelal- und republikanische Schweiz nicht zu ver- terlichen Loslösung vom Reich gewann, gleichen mit dem monarchischen Habs- blieb Habsburg-Österreich während Jahr- burger Reich, das vor dem Ersten Welt- hunderten mit dem Heiligen Römischen krieg zu den europäischen Großmächten Reich deutscher Nation aufs engste ver- zählte. Während die Schweiz gegenüber bunden. Die Kriege im Spätmittelalter, mit den geistigen Einflüssen des westlichen denen sich die Eidgenossen vom Reich

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lösten, belasteten das Verhältnis zwischen ten Schweizer war daher der Anschluss Ös- den beiden Nachbarn über Jahrhunderte. terreichs im Jahre 1938 an das nationalso- Im Zeitalter des Konfessionalismus kam zialistische Hitler-Reich ein Schock. Waren hinzu, dass die protestantischen Kantone vorher die Meinungen zwischen den für der katholischen Vormacht Europas miss- den Austromarxismus verständnisvollen trauten. Und im 19. Jahrhundert sahen Sozialdemokraten und den bürgerlichen die liberal-demokratischen Schweizer, Sympathisanten des ständestaatlichen die den modernen Bundesstaat von 1848 Regimes weit auseinander gegangen, so schufen, im konservativ-reaktionären beendete der Einmarsch deutscher Trup- Habsburger Imperium einen der Haupt- pen 1938 schlagartig diese Diskussionen. gegner. Das österreichische Schicksal förderte in Allerdings gab es zwischen den Eidgenos- der Schweiz den parteiübergreifenden sen und den Habsburgern seit Beginn des nationalen Schulterschluss.2 16. Jahrhunderts keine Kriege mehr. Im 1945 ‒ 1955: drei Phasen europäischen Rahmen entwickelten sie sogar gemeinsame Interessen. Die von Die Nachbarschaftsbeziehungen zwi- der französischen Hegemonialmacht stark schen Österreich und der Schweiz lassen beeinflusste Eidgenossenschaft brauchte sich in der Zeitepoche von 1945 bis 1995 das Reich, um den Einfluss Frankreichs in drei Phasen einteilen.3 In der Nach- auszubalancieren. kriegsphase, die bis 1955 dauerte, war die Zwischen einem Teil der katholischen Schweiz Vorbild. 1955 wurde Österreich Kantone und der Habsburger Monarchie im Moskauer Memorandum vom 15. bildete die gemeinsame Konfession eine April 1955 verpflichtet, „immerwährend kulturelle Verbindung, die bis ins 20. Jahr- eine Neutralität der Art zu üben, wie sie hundert nachwirkte. Im 19. und 20. Jahr- von der Schweiz gehandhabt wird“.4 Der hundert studierten zahlreiche Akademi- Ost-West-Konflikt führte zur Annäherung ker aus der katholischen Deutschschweiz der beiden neutralen Kleinstaaten, die an Universitäten katholischer Regionen ähnliche Funktionen in der internationa- im Ausland wie Innsbruck, Wien oder len Völkergemeinschaft übernahmen. In Freiburg im Breisgau. Diese Studientradi- der Tat besaßen in der Periode des Kal- tionen schufen auf der emotionalen Ebe- ten Krieges die beiden Länder gleiche ne engere Beziehungen, als man in einer sicherheitspolitische Interessen. Von der rein politisch-diplomatischen Perspektive demokratischen Staatsstruktur und der wahrnimmt. ideologischen Ausrichtung her fühlten Die Erhaltung des österreichischen Klein- sie sich dem westlichen Block zugehörig, staats lag in der Epoche des Faschismus im suchten aber als Neutrale die militärische vitalen Interesse der Schweiz. Für die meis- Unabhängigkeit zu bewahren und eine

36 Vom Rütlischwur bis zur EURO 2008 - Urs Altermatt integrale Neutralitätspolitik zu führen. internationaler Organisationen und kon- Die Schweiz legte dabei großes Gewicht kurrenzierte damit das bereits etablierte auf die militärische Landesverteidigung, Genf. 1957 kam die internationale Atom- während Österreich eine aktivere Außen- energieorganisation (IAEO) an die Donau, politik bevorzugte und durch die Einglie- 1964 folgte die Organisation Erdöl expor- derung in das internationale Sicherheits- tierender Länder (OPEC), 1967 die UNO- system eine Wiederholung des Jahres Organisation für die industrielle Entwick- 1938 zu verhindern versuchte. lung (UNIDO). Mit Kurt Waldheim stellte Mit 1955 setzte die zweite Phase ein. Nach Österreich während zehn Jahren von 1972 Rückerlangung der vollen Souveränität bis 1981 den UNO-Generalsekretär. Diese durch den Staatsvertrag trat Österreich Konkurrenz führte zu einer gewissen Un- als neutrales Land 1955 der UNO bei, ruhe im österreichisch-schweizerischen während die Schweiz den Beitritt zu den Verhältnis. Vereinten Nationen aus neutralitätspoli- Die dritte Phase im Verhältnis Österreich tischen Erwägungen weiterhin ablehnte. ‒ Schweiz begann Mitte der 1980er Jahre. Aus der Rückschau gesehen zeigte Ös- Erst jetzt trennten sich die außenpoliti- terreich den Weg auf, den die Schweiz schen Wege der beiden Neutralen wirk- fast ein halbes Jahrhundert später auch lich. Das im Januar 1985 lancierte Bin- beschritt. Schon in den 1960er Jahren ge- nenmarktprogramm der Europäischen wann so Österreich als außenpolitisches Gemeinschaft mit dem Ziel, bis Ende 1992 Vorbild an Bedeutung. In den 1970er und den gemeinsamen Markt zu verwirklichen, 1980er Jahren koordinierten Österreich löste einen Integrationsschub aus, der und die Schweiz ihre Europapolitik, die auch die EFTA-Länder in seinen Sog zog. auf die bekannte Formel hinauslief, die Die von Außenminister Alois Mock Ende wirtschaftliche Integration ohne politi- 1987 formulierte Option einer Mitglied- sche Partizipation zu erreichen.5 1972 schaft Österreichs in der Europäischen assoziierte sich die Schweiz nach einer Gemeinschaft stieß auf breite parlamen- Volksabstimmung mit der EWG. Mit dem tarische Zustimmung, und so konnte die Amtsantritt von Bundeskanzler Bruno Regierung im Juli 1989 das Begehren um Kreisky 1970 kam es zu einem gewissen Aufnahme von Beitrittsverhandlungen an Gleichschritt in der Außenpolitik der bei- Brüssel richten. den Neutralen. In der Schweiz waren Regierung und Par- In eine gewisse Konkurrenz traten die lament zur gleichen Zeit zum Schluss ge- Schweiz und Österreich als internationale kommen, das Land solle sich zwar der Eu- Dienstleistungszentren. Im Rahmen ihrer ropäischen Gemeinschaft wirtschaftlich aktiven Neutralitätspolitik förderte die annähern, ihr aber nicht beitreten. Damit österreichische Regierung Wien als Sitz gingen die beiden Nachbarländer in der

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wichtigsten außenpolitischen Frage des des Schweizer Volkes am 6. Dezember ausgehenden 20. Jahrhunderts getrennte 1992 zum EWR-Vertrag dem Europakurs Wege. Das forsche europapolitische Tem- des Bundesrates einen starken Dämpfer. po Wiens erregte in Bern einen gewissen Die negative Haltung zur Europäischen Unwillen.6 Union, die die Mehrheit der Schweizerin- Der Zusammenbruch des Kommunismus nen und Schweizer offensichtlich nach in Osteuropa 1989/90 mit seinen epo- wie vor einnimmt, treibt das Land in eine chalen Folgen bestätigte den Europakurs europäische Abseitsstellung. Anders in Wiens. Das Ende des Ost-West-Konfliktes Österreich, wo sich am 12. Juni 1994 in und die Wiedervereinigung Deutschlands einer Volksabstimmung zwei Drittel der rückten das durch den Kalten Krieg an den Bevölkerung für den Beitritt zur Europäi- Rand gedrängte Wien stärker ins Zentrum schen Union aussprach. Europas.7 Der Zusammenbruch des sow- Die Schweiz ist im Begriff, sich in Europa jetrussischen Imperiums vergrößerte den zu einem störrischen Sonderling zu ver- österreichischen Handlungsspielraum, wandeln, der zwar außerhalb des europä- und folgerichtig suchte Wien dezidiert ischen Kontinents viel Bewunderung, in den Beitritt zur Europäischen Union. den europäischen Regierungskanzleien Als der Bundesrat zur Ansicht gelangte, aber zunehmendes Unverständnis aus- die Schweiz habe sich mit ihrer zurückhal- löst. Dennoch sollten wir mit Blick auf die tenden Politik auf ein Nebengeleise ma- bilateralen Beziehungen zwischen der növriert, nahm er einen Kurswechsel vor Schweiz und Österreich nicht vergessen, und definierte beim Abschluss der EWR- dass trotz der unterschiedlichen Europa- Verhandlungen am 22. Oktober 1991 den strategien die „relations privilégiées“ der EG-Beitritt zum neuen Ziel seiner Europa- beiden Nachbarn bestehen blieben. So politik. Im Mai 1992 reichte er das Gesuch setzte sich Österreich während den Ver- um Aufnahme von Beitrittsverhandlun- handlungen für einen raschen Abschluss gen ein. Damit schwenkte die Regierung der bilateralen Verträge zwischen der auf die Linie ein, welche Österreich drei Schweiz und der EU ein.8 Und im Febru- Jahre zuvor eingeschlagen hatte. ar 2000 distanzierte sich die Schweiz von So vertauschten sich am Ende des 20. den EU-Sanktionen gegen Österreich und Jahrhunderts die Rollen der beiden Län- nahm eine Position ein, die von jener der der endgültig. Nun folgte die Schweiz in EU-Staaten abwich.9 der internationalen Politik Österreichs Vielfältiges Beziehungsgeflecht Spuren. 2002 trat sie nach einer epochalen Volksabstimmung mit jahrzehntelanger Doch die Außenpolitik macht nur einen Verspätung der UNO bei. Was die Europa- Teil des Beziehungsgeflechtes zwischen politik anging, versetzte jedoch das Nein den beiden Staaten aus. Als weiteren

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Aspekt gilt es auch die politischen Struk- rend sich die Schweizer in der neueren turen zu beachten. Was die innere Ver- Geschichte mit dem Kleinstaat zufrieden fassung angeht, sind sich Österreich und gaben, auch wenn sie darin zuweilen die Schweiz in der zweiten Hälfte des 20. Enge und Unbehagen verspürten10, muss- Jahrhunderts ähnlicher denn je gewor- ten sich die Österreicher im Verlaufe des den. Beide Staaten sind stabile westliche 20. Jahrhunderts mit der Kleinstaatidee Demokratien, deren parteipolitische Ge- erst abfinden. Nach 1945 stand der Klein- füge verwandte Strukturen aufweisen. staat als einzige staatliche Lösung zur Selbst in Bezug auf das politische Phäno- Diskussion, und die Österreicher betrach- men des Nationalpopulismus bestehen teten diese als das beste Modell für den frappante Gemeinsamkeiten. Während neuen Staat. sich die schweizerische Außenpolitik Das staatsbürgerliche Nationenmodell austriakisiert, kann man die Feststellung der Schweiz und Österreichs, das auf machen, dass sich Österreich in der zwei- politischer Loyalität basiert, entkoppelt ten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Bezug staatsbürgerliche und ethnisch-kulturelle auf die nationale Identität verschweizert Identität. Die strikte Trennung von Ethnos hat. Nach 1945 entwickelten die Österrei- und Demos macht es auch für ein künf- cher einen politischen Nationenbegriff, tiges Europa möglich, dass verschiedene der das Element der Staatsbürgerschaft kulturelle Lebenswelten koexistieren kön- betont. Österreich konnte freilich hin- nen.11 In einem gewissen Sinne ist es sym- sichtlich der politisch-staatsbürgerlichen bolisch, dass die beiden Länder gemein- Konzeption der Nation an die Traditionen sam die EURO 2008 organisieren und sich des multinationalen Habsburger Reiches damit bei diesem großen europäischen anknüpfen. „Event“ auch organisatorisch und emoti- Neben der staatsbürgerlich fundierten onal näher kommen. 2008 spielt der an- nationalen Identität ist hier auch das Ver- tihabsburgische Rütlischwur keine Rolle hältnis zum Kleinstaat zu nennen. Wäh- mehr. 

1 Das Wortspiel stammt von Hans THALBERG: Memoiren, zit. u.a. in: François PICTET, Interessenpartner oder Rücken an Rücken?. In: Neue Zürcher Zeitung, 3. September 1994. ‒ Dieser Beitrag fußt auf meinem Artikel in Hedwig KOPETZ/Joseph MARKO/Klaus POIER (Hg.): Soziokultureller Wandel im Verfassungsstaat. Phänome- ne politischer Transformation. Festschrift für Wolfgang Mantl zum 65. Geburtstag, Wien-Köln-Graz 2004, 725- 739, in dem weiterführende Literatur aufgeführt ist. Ich danke Prof. Klaus Poier für die wertvolle Zusammen- arbeit bei der Redaktion des Textes. Siehe auch: Urs ALTERMATT: Österreich und die Schweiz ‒ Vielfältige Nach- barschaftsbeziehungen. In: Klaus KOCH/Walter RAUSCHER/Arnold SUPPAN/Elisabeth VYSLONZIL (Hg.): Von Saint Germain zum Belvedere. Österreich und Europa 1919-1955 (=Aussenpolitische Dokumente der Repu- blik Österreich 1918-1938, Hg. Arnold Suppan), München 2007, 172-185.‒ Um Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Österreich und der Schweiz herauszuarbeiten, haben Historiker und Sozialwissenschafter aus beiden Ländern verschiedene Tagungen veranstaltet, auf deren Forschungsergebnisse ich mich hier stützen kann. Zu- sammen mit Botschafter Dr. Emil Brix habe ich selbst 1993 ein derartiges Symposium in Wien organisiert. Siehe: Urs ALTERMATT/Emil BRIX (Hg.): Schweiz und Österreich. Eine Nachbarschaft in Mitteleuropa. Wien-Köln-Wei- mar 1995. Siehe weiter die Berichte von früheren Tagungen: Schweiz ‒ Österreich. Nachbarn in Europa. Interna- tionales Symposium Gottlieb Duttweiler Institut. Rüschlikon 1991; Friedrich KOJA/Gerald STOURZH (Hg.)

39 Vom Rütlischwur bis zur EURO 2008 - Urs Altermatt

Schweiz ‒ Österreich. Ähnlichkeiten und Kontraste. Wien-Köln-Graz 1986. Siehe ferner Agathon AERNI/Rudolf AGSTNER: Von k.k. Gesandtschaft zur Österreichischen Botschaft. Festschrift 150 Jahre Österreichische Botschaft in Bern. Österreich(-Ungarn) und seine diplomatischen und konsularischen Vertretungsbehörden in der Schweiz und Liechtenstein. Wien 2000; Peter GERLICH (Hg.): Österreichs Nachbarstaaten. Innen- und aussenpo- litische Perspektiven. Wien 1997; Hans THALBERG (Hg.): Österreich ‒ Schweiz: Nachbarn, Konkurrenten, Partner. Wien 1988; Christoph GRAF: Die politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Österreich nach 1945. Studien und Quellen, 13/14. Bern 1987/88, 129-161; Wolfgang MANTL: Österreich und die Schweiz: Wandlun- gen einer Nachbarschaftsbeziehung. In: Hein SCHÄFFER u.a. (Hg.): Staat ‒ Verfassung ‒ Verwaltung. Festschrift anlässlich des 65. Geburtstages von Friedrich Koja. Wien-New York 1998, 39-68. 2 Siehe GRAF, Die politischen Beziehungen (wie Anm. 1), 130-134; Peter STADLER: Das schweizerische Geschichts- bild und Österreich. In: Schweizer Monatshefte, Oktober 1985, 849-850; Horst ZIMMERMANN: Die Schweiz und Österreich während der Zwischenkriegszeit. Wiesbaden 1973. 3 Ich folge hier Urs ALTERMATT/Emil BRIX: Über die ‒ unsichtbare ‒ Grenze zwischen der Schweiz und Österreich. Eine Einführung. In: Urs ALTERMATT/Emil BRIX, (wie Anm. 1),9-16. Eine modifizierte Phaseneinteilung findet sich bei Florian KELLER: Wenn Aussenminister sich besuchen. Funktion der Aussenminister-Besuche in der Be- ziehung zwischen der Schweiz und Österreich, unveröffentlichte Lizentiatsarbeit Universität Freiburg-Schweiz, 2003. 4 Zitat in: HANISCH, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Wien 1994, 453. Siehe zur Entstehung der Neutralität Österreichs in Anlehnung an die schweizerische Neutra- lität: Gerald STOURZH: Um Einheit und Freiheit. Staatsvertrag, Neutralität und das Ende der Ost-West-Besetzung Österreichs 1945-1955. Wien/Köln/Graz 41998, 433-449; Christian JENNY: Konsensformel oder Vorbild? Die Ent- stehung der österreichischen Neutralität und ihr Schweizer Muster. Bern/Stuttgart/Wien 1995; GRAF, Die politi- schen Beziehungen (wie Anm. 1). 5 Siehe zu dieser Formel, die ich früher ebenfalls brauchte: Alois RIKLIN: Grundlegung der schweizerischen Aus- senpolitik. Bern 1975; Jakob TANNER: Die Schweiz und Europa im 20. Jahrhundert. Wirtschaftliche Integration ohne politische Partizipation. In: Paul BAIROCH/Martin KÖRNER (Hg.). Die Schweiz in der Weltwirtschaft (15.-20. Jahrhundert). Zürich 1990, 409-428. 6 Siehe u. a.: Thomas SCHWENDIMANN: Wien drängt, Bern wartet ab. Unterschiedliche Integrationskonzepte Ös- terreichs und der Schweiz zwischen 1985 und 1989. In: Michael GEHLER/Rolf STEININGER (Hg.): Österreich und die europäische Integration 1945-1993. Wien/Köln/Weimar 1993, 275. Zur schweizerischen Aussenpolitik siehe u.a.: Alois RIKLIN/Hans HAUG/Raymond PROBST (Hg): Neues Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik. Bern-Stuttgart-Wien 1992. 7 Zu den Auswirkungen des geopolitischen Paradigmawechsels von 1989/90 auf die Schweiz und Österreich vgl. die Sicht des damaligen schweizerischen Aussenministers: Flavio COTTI: Was hat sich für die Schweiz seit dem Ende des Ost-West-Konflikts geändert? In: ALTERMATT/BRIX (Hg.), Schweiz und Österreich (wie Anm. 1) 8 Siehe dazu u.a. KELLER, Wenn Aussenminister sich besuchen (wie Anm. 3). 9 Siehe Anton PELINKA/Waldemar HUMMER. Österreich unter «EU-Quarantäne». Die «Massnahmen der 14» ge- gen die österreichische Bundesregierung aus politikwissenschaftlicher und juristischer Sicht. Chronologie, Kommentar, Dokumentation. Wien 2002, 94 und 130. 10 Siehe Karl SCHMID: Unbehagen im Kleinstaat. Untersuchungen über Conrad Ferdinand Meyer, Henri-Frédéric Amiel, Jakob Schaffner, Max Frisch, Jacob Burckhardt. Zürich/Stuttgart 1963; Paul NIZON: Diskurs in der Enge. Aufsätze zur Schweizer Kunst. Bern 1970. 11 Siehe Michael WALZER: Zivile Gesellschaft und amerikanische Demokratie. Berlin 1992, 234-236; Jürgen HABER- MAS: Staatsbürgerschaft und nationale Identität. Überlegungen zur europäischen Zukunft. In: Nicole DEWAND- RE/Jacques LENOBLE (Hg.): Projekt Europa. Postnationale Identität: Grundlage für eine europäische Demokra- tie? Berlin 1994, 11-29. Siehe auch Urs ALTERMATT: Das Fanal von Sarajevo. Ethnonationalismus in Europa, Zü- rich 1996 sowie Paderborn/München/Wien 1996. Siehe zum politischen System der Schweiz: Wolf LINDER: Swiss democracy. Possible solutions to conflict in multicultural societies. New York 1994.

40 Michael Friedrich

Fußball und Recht

Fußball gilt allgemein als die „schönste Zivilgesetzbuches ist. Nebensache der Welt“, und ich hoffe Die ihr angehören- und glaube, dass die Euro 2008 in Öster- den nationalen Fußballverbände wie reich und der Schweiz dies bestätigen der ÖFB sind wiederum als Vereine nach und damit die Menschen begeistern den jeweiligen nationalen Vorschriften wird. Liest man die Überschrift dieses zu beurteilen. Ebenfalls als Verein ist die Beitrags, so sind an dieser Aussage in Österreichische Fußballbundesliga orga- ihrer Allgemeinheit jedoch Zweifel zu nisiert, deren ordentliche Mitglieder die hegen, führt doch Recht regelmäßig 22 Vereine der ersten beiden Spielklassen auch zu Rechtsstreitigkeiten, die für die sind. Dies hat zur Konsequenz, dass das Beteiligten im Regelfall alles andere als Vereinsrecht im Bereich des Fußballsports schön sind. Der Umfang dieses Beitrags große Bedeutung hat. Im Vereinsrecht hat erlaubt es nicht, sämtliche Rechtspro- eine Vielzahl sportspezifischer Regelun- bleme im Fußballsport zu behandeln, gen ihre Grundlage, so beispielsweise die wohl aber die wichtigsten im Fußball- Transferregeln, Teilnahmebedingungen sport einschlägigen Rechtsmaterien an Wettbewerben, Dopingbestimmun- aufzuzeigen. Trotz umfangreichen gen, oder auch die Spielregeln. Bemühens ist es bisher leider nicht 2. Europarechtliche Aspekte gelungen, für den Berufssport eine des Fußballs eigenständige gesetzliche Regelung zu schaffen, der Berufssport ist daher Einem breiten Publikum vor Augen gehal- anhand der verschiedenen allgemei- ten wurde die Bedeutung des Rechts im nen rechtlichen Regelungen, die nicht Fußballsport in der Rechtssache Bosman. immer den Besonderheiten des Berufs- In dieser entschied der EuGH, dass ein sports gerecht werden, zu messen. Transfersystem für Fußballspieler, das bei einem Vereinswechsel auch nach Beendi- 1. Vereinsrechtliche Aspekte gung des Vertragsverhältnisses des Spie- des Fußballs lers zu einem Verein eine Ablösezahlung Veranstalter der Euro 2008 ist die UEFA des neuen Vereins an den alten Verein (Vereinigung der Europäischen Fußball- vorsieht, nicht mit den europarechtlichen verbände), die, ebenso wie der Weltver- Vorschriften zur Arbeitnehmerfreizügig- band FIFA, ein eingetragener Verein im keit zu vereinbaren ist. Erstmals verstand Sinne der Art. 60 ff. des Schweizerischen der EuGH in diesem Fall die Vorschriften

41 Fußball und Recht - Michael Friedrich

nicht nur als Diskriminierungsverbot, das Wesentlichen mit dem des nationalen eine unterschiedliche Behandlung auf- Arbeitsrechts. So gelten auch im öster- grund der Nationalität des Arbeitnehmers reichischen Recht Fußballspieler als Ar- verbietet, sondern als Beschränkungsver- beitnehmer, wenn sie in persönlicher bot; der Schutzzweck dieser Vorschriften, Abhängigkeit, also vorwiegend weisungs- der darauf abzielt, jede Form der Berufs- und kontrollunterworfen ihre „Dienst- ausübung im Gemeinschaftsgebiet zu leistung Fußball“ erbringen. Dabei ist zu erleichtern, gebiete es, generell nationale berücksichtigen, dass auch in niederklas- Regelungen zu untersagen, die den Staats- sigen Vereinen der Amateurligen die Spie- angehörigen eines Mitgliedstaates davon ler vielfach in einem Arbeitsverhältnis ste- abhalten könnte, sein Herkunftsland zu hen, auch wenn sie nur geringfügig über verlassen, um in einem anderen Mitglied- den Ersatz ihrer Auslagen hinaus entlohnt staat eine Beschäftigung aufzunehmen. werden. Ob ein Fußballspieler allein im Als Beispiel für eine solche Regelung sei Rahmen seiner Vereinsmitgliedschaft an nur der Verlust von nach nationalem Recht der Meisterschaft teilnimmt, oder ob er in vorgesehenen Vergünstigungen auf dem einem Arbeitsverhältnis zum Verein steht, Gebiet der sozialen Sicherheit für den Fall ist regelmäßig davon abhängig, ob er in des Wechsels des Arbeitsplatzes in einem Bezug auf die Arbeitszeit, den Arbeitsort anderen Mitgliedstaat genannt. und die Arbeitsabfolge den Weisungen Dass der Berufsfußball überhaupt in den des Vereins unterliegt, er insbesondere Anwendungsbereich der Vorschriften des bei einem Verstoß gegen derartige Wei- Gemeinschaftsrechts fällt, begründete der sungen mit dem Verlust von Entgeltbe- EuGH damit, dass der Berufssport ein Teil standteilen beispielsweise dadurch, dass des Wirtschaftslebens im Sinne des Art. 2 er nicht mehr aufgestellt wird und daher des EG-Vertrages sei, da Fußballprofis ihre keine Punkteprämien erzielen kann, rech- Tätigkeit unselbstständig beziehungswei- nen muss. se als entgeltliche Dienstleistung ausü- Ist ein Spieler Arbeitnehmer, so unterliegt ben. Aus der Sichtweise des Europarechts er, wenn er aufgrund seiner sportlichen war somit die Arbeitnehmerstellung von Betätigung sein Einkommen über der Berufsfußballspielern im Sinne der Re- gesetzlichen Geringfügigkeitsgrenze von gelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit derzeit monatlich 349,01 Euro liegt, auch anerkannt. der Vollversicherung nach dem allgemei- nen Sozialversicherungsgesetz. 3. Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte Mit der Anwendbarkeit des Arbeitsrechts des Fußballs auf Fußballspieler sind im Detail einige ar- Der Arbeitnehmerbegriff der Freizügig- beitsrechtliche Grundsatzfragen aufgrund keitsregelungen deckt sich dabei im der Besonderheiten des Berufssports zu

42 Fußball und Recht - Michael Friedrich beurteilen, die im Folgenden jedoch nur Mit der Anerkennung der Arbeitnehmer- beispielhaft angeführt werden können. eigenschaft von Fußballspielern ist zu- Lange Zeit war fraglich, ob Fußballspieler gleich auch der Anwendungsbereich des als Arbeiter oder Angestellte anzusehen kollektiven Arbeitsrechts eröffnet. Dies- sind. Mittlerweile kann jedoch als herr- bezüglich sei nur erwähnt, dass die Öster- schende Rechtsprechung angesehen reichische Fußballbundesliga seit Mitte werden, dass Fußballspieler als Arbeiter der neunziger Jahre kollektivvertragsfähig anzusehen sind. Sportspezifisch ist durch ist, dass heißt berechtigt ist, Kollektivver- die Rechtsprechung die Frage beantwor- träge abzuschließen. Jüngst ist es erstma- tet worden, ob dem Spieler ein Recht auf lig zum Abschluss eines Kollektivvertrages Beschäftigung zusteht. Generell steht ei- für die der Bundesliga angehörigen Ver- nem Arbeitnehmer ein Anspruch auf ver- eine gekommen, der ‒ vorbehaltlich der tragsgemäße Beschäftigung gegen seinen zu erwartenden Genehmigung durch die Arbeitgeber nicht zu, da der Arbeitgeber Hauptversammlung der Bundesliga ‒ ab gem. § 1155 ABGB verpflichtet ist, dem der Saison 2008/2009 in Geltung stehen Arbeitnehmer sein Entgelt fortzubezahlen, wird. Dieser regelt dann sportspezifisch auch wenn er ihn nicht dem Arbeitsvertrag bestimmte Pflichten der Spieler und der entsprechend einsetzt. Eine Ausnahme Vereine ebenso wie beispielsweise Min- wird nur für den Fall anerkannt, dass ein destentgelte, Urlaub, Arbeitszeit oder die Arbeitnehmer dadurch, dass er nicht ver- Disziplinarmaßnahmen, wobei bezüglich tragsgemäß eingesetzt wird, einen Qua- letzterer mit dem Kollektivvertrag erstma- litätsverlust erleidet oder seine Berufsbe- lig eine der Rechtsordnung entsprechen- rechtigung verliert, wie beispielsweise bei de Rechtsgrundlage für die Verhängung einem spezialisierten Arzt, der nicht mehr von vereinsinternen Disziplinarmaßnah- operieren kann, oder einem Pilot, der men getroffen wurde. ohne Flugstunden auf einem bestimm- Die Anerkennung der Arbeitnehmer- ten Flugzeugtyp seine Lizenz verliert. Für eigenschaft der Spieler hat sich jedoch Berufsfußballspieler wurde ein Recht auf nicht immer nur zu seinem Vorteil erwie- vertragsgemäße Beschäftigung insofern sen. Ist der Verein gegenüber dem Spieler anerkannt, als dem Spieler aufgrund seines Arbeitgeber, so genießt er, nicht zuletzt Arbeitsvertrages ein Recht an der Teilnah- deshalb, da er auch bei einer geringfügi- me am Training und an den Lehrgängen gen Beschäftigung allein die Kosten der zusteht, er aber keinesfalls einen Anspruch Unfallversicherung zu tragen hat, das so auf Aufstellung in der Kampfmannschaft genannte Dienstgeberhaftungsprivileg, hat. Diese Entscheidung muss aufgrund dass ihn bei Körperverletzungen als Folge der Besonderheiten des Sports immer eines Arbeitsunfalls von einer Verpflich- noch der Trainer treffen können. tung zum Ersatz der Heilungskosten und

43 Fußball und Recht - Michael Friedrich

von Schmerzensgeld freistellt. Im konkret bedauerliche Begleiterscheinung, die von den Gerichten zu beurteilenden Fall nicht für den Fußballsport kennzeichnend war ein Spieler einer unteren Klasse, der sind, sondern in vielen anderen Betrieben nur eine geringe Punkteprämie erhielt, ebenfalls vorkommen, bedarf die Frage in die Seitenbande gerutscht, die viel zu der strafrechtlichen Beurteilungen von nah am Spielfeldrand aufgebaut war. Körperverletzungen im Zusammenhang Dabei zog er sich eine komplizierte Ver- mit der Teilnahme am Sport einer spezifi- letzung am Arm zu. Aufgrund des Dienst- schen Betrachtung. geberhaftungsprivilegs wurde ihm kein Letztendlich geht es dabei um die Frage, Schmerzensgeldanspruch gegen den inwieweit eine Körperverletzung als Folge Verein, der die Sportanlage betrieb und einer Regelwidrigkeit strafbar sein kann. die Werbebanden zu nah am Spielfeld Verkürzt gesagt ist eine solche Körperver- aufgestellt hatte, zugesprochen. letzung dann nicht strafbar, wenn als so- zialadäquat anzusehen ist, was dann der 4. Strafrechtliche Aspekte des Fußballs Fall ist, wenn sie innerhalb des üblichen Leider wurde der Fußball jüngst oftmals in Risikos beim Kampf um den Ball liegen, Verbindung mit dem Strafrecht gebracht. nicht aber, wenn Motivation für den Re- Sind steuer-, abgaben- und insolvenz- gelverstoß nicht mehr der sportliche Er- strafrechtliche Tatbestände lediglich eine folg ist. 

44 Astrid Schrenk

Euro 2008 - ein Sicherheitsproblem?

Am 2. Dezember 2007 erfolgte in Lu-  Zudem werden wir zern die Auslosung zur Fußball-Euro- Unterstützungs- pameisterschaft 2008 in Österreich leistungen durch Exekutivkräfte aus und der Schweiz. Die Fußball-Europa- anderen Ländern bekommen (aus meisterschaft ist nicht nur für unsere Deutschland bekommt Österreich Nationalmannschaft eine große Her- Unterstützung durch geschlossene ausforderung, sondern auch für die Po- Einheiten von mehreren Hundert- lizei. Unser Ziel ist ganz klar definiert: schaften in Uniform sowie durch Kri- Wir wollen eine sichere, friedliche und minalbeamte mit Hoheitsrechten). unvergessen schöne Europameister-  Analog zur FIFA WM 2006 werden schaft 2008 gewährleisten. temporär und anlassbezogen Grenz- kontrollen eingeführt ‒ die konkrete Um dieses Ziel zu erreichen, bereiten Entscheidung in jedem einzelnen Fall wir uns bereits seit 2004 intensiv auf die erfolgt zeitnah zur jeweiligen Spielbe- EURO 2008 vor. Lassen Sie mich dazu nur gegnung. ein paar Eckpunkte anführen:  Ein umfangreiches Schulungspro-  2005 haben wir unser Sicherheitskon- gramm für die eingesetzten Kräfte zept fertig gestellt. wurde bereits im März 2007 gestartet.  Es wurden sowohl Erfahrungen aus Seit der Auslosung am 2. Dezember der FIFA WM 2006 in Deutschland als 2007 erfolgt die Planung des Einsatzes auch aus den Testspielen der öster- im Detail: Es werden seit 2. Dezember reichischen Nationalmannschaft im Risikoeinschätzungen der einzelnen Herbst 2007 in die Einsatzplanung Spielbegegnungen erstellt, konkrete Ein- eingearbeitet. satzplanungen an den vier Spielorten  Wir haben von Anfang an einen Schwer- vorgenommen, eine genaue Ressour- punkt auf die internationale Koopera- ceneinschätzung vorgenommen und die tion gesetzt: So werden wir mit Hilfe Gefährdungseinschätzung für die ein- eines engen internationalen Datenaus- zelnen Mannschaften erstellt, aber auch tauschs, wie zum Beispiel über Risiko- die Planungen im Personenschutz für fans, Ultras und Hooligans, verhindern, die zahlreichen Staatsgäste. Zudem er- dass „Problemfans“ in unser Land kom- möglicht uns die Auslosung die Konkre- men oder wenn doch, dann bereits bei tisierung der Verkehrskonzepte. Neben ihrer Ankunft erkannt werden. den Spielorten sind für uns aber auch die

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Mannschaftsquartiere und Trainingsstät- Deutschland hat sich das freundliche und ten von wesentlicher Bedeutung: Auch hilfsbereite Auftreten der Polizei bestens hier haben wir bereits am 2. Dezember bewährt. Auch bei der UEFA EURO 2008 2007 mit der Gefährdungseinschätzung steht das freundliche und hilfsbereite und der Konkretisierung des Personen- Auftreten der Polizei im Vordergrund. und Objektschutzes begonnen. 3-D-Philosophie Während der EURO 2008 erwarten wir ca. zwei Millionen Besucherinnen und Besu- Die Polizei wird, analog zur UEFA EURO cher in Österreich. Sie werden in unser 2004 in Portugal und zur FIFA WM 2006 in Land kommen, um hier Fußballatmos- Deutschland, konsequent die „3-D Philo- phäre zu schnuppern, Urlaub zu machen, sophie“ ‒ bei bestmöglicher Transparenz zu feiern und um eine unvergessen schö- der polizeilichen Maßnahmen ‒ verfolgen. ne Fußball-Europameisterschaft erleben Das erste D steht für Dialog ‒ durch Infor- zu dürfen. mationen und Hilfestellungen. Das zweite Wir wissen aber auch, dass ein kleiner Pro- D steht für Deeskalation ‒ durch Gesprä- zentsatz an Fans diese Interessen nicht che zur Streitschlichtung und Identitäts- teilt. Diesem kleinen Prozentsatz werden feststellung bei geringer Störung der öf- wir unsere besondere Aufmerksamkeit fentlichen Ordnung. Das dritte D steht für widmen. Die Teilnehmerländer werden Durchsetzen ‒ bei Eskalierung der Lage. auch szenekundige Beamte nach Öster- Internationale Kooperation reich schicken, die laufend die eigenen Fans begleiten und dem PICC (Police In- Ein wichtiger Punkt des Sicherheitskon- formation and Communication Center), zeptes des Bundesministeriums für In- das ist unsere Informationsdrehscheibe neres ist die internationale Kooperation. und das Analysezentrum, laufend Infor- Unsere Ziele sind: mationen übermitteln. Es erfolgt ein ge-  durch den internationalen Datenaus- genseitiger Austausch von Informationen tausch über Risikofans deren Einreise zwischen der Schweiz und Österreich nach Österreich zu verhindern und über diese Informationsdrehscheibe. Der  ausländische Polizeikräfte während Einsatz aller verfügbaren Beamten wird der UEFA EURO 2008 in das Einsatz- maßgeblich mithelfen, eine friedliche und konzept der Polizei zu integrieren: fröhliche EURO 2008 zu garantieren.  Aus Deutschland werden uniformier- Was bedeuten nun die einzelnen Spielpaa- te Polizisten und Kriminalbeamte mit rungen, insgesamt zwölf in der Vorrunde, Hoheitsbefugnissen zum Einsatz kom- für die Sicherheit und die Arbeit der Po- men. lizei? Oberstes Prinzip: Freundliches Auf-  Polen und Kroatien werden Polizeibe- treten der Polizei. Bei der FIFA WM 2006 in amte in Uniform ohne Hoheitsbefug-

46 Euro 2008 - ein Sicherheitsproblem? - Astrid Schrenk

nisse nach Österreich entsenden. Es europäischen Bahnpolizei „Railpol“ in ist ein wichtiger Aspekt der Präventi- Wien statt. on, wenn Fans bei der EURO 2008 auf  FairPlay ist ein privates Fanbetreu- Polizisten in der Uniform ihres Hei- ungsprogramm, das gemeinsam mit matstaates treffen und in der eigenen der UEFA durchgeführt wird. Durch Sprache angesprochen werden. Das die Einrichtung von so genannten erzeugt eine positive Stimmung und „Fanbotschaften“ bei der EURO kann Vertrauen und hat den Vorteil, dass der Zugang zu Fans gefunden und potenzielle Gewalttäter wissen, dass wichtige Informationen an diese über- sie erkannt werden. mittelt werden.  Jedes Teilnehmerland wird szenekun-  In den Bereichen Stadionsicherheit, dige Beamte nach Österreich entsen- Akkreditierung, Ticketing und private den. Szenekundige Beamte beglei- Ordnerdienste gibt es eine enge Koo- ten ihre eigenen Fans, sammeln und peration mit der UEFA. bewerten Informationen und über- Stadionsicherheit mitteln diese an das Lagezentrum in Wien (Police Information Coordinati- Im Bereich Stadionsicherheit war das BM.I on Center). bereits in die Planungen der Um- bezie- hungsweise Neubauten aller vier Stadien Prävention eingebunden. Die Anliegen wurden dabei Sehr viel Wert wird im Sicherheitskon- weitgehend umgesetzt, wie zum Beispiel zept auf den Bereich Prävention gelegt. Stadionkontrollräume, Einsatzzentralen Das Innenministerium beziehungsweise oder der Ausbau der Videoüberwachung. die Polizei kooperieren sehr eng mit der Die ganze Stadt wird zum Stadion: Wäh- Wirtschaftskammer Österreich, den ÖBB, rend der UEFA EURO 2008 wird sich das dem Fanbetreuungsprogramm FairPlay Faninteresse nicht nur auf das Stadion und der UEFA. konzentrieren, sondern auch und vor al-  Mit der Wirtschaftskammer Österreich lem auf Public Viewing-Veranstaltungen. wurden bereits konkrete Konzepte Um hier entsprechende Sicherheitsvor- ausgearbeitet. Derzeit finden Vorträge kehrungen treffen zu können, hat das und Beratungen von Hotelbetrieben BM.I Empfehlungen ausgearbeitet und sowie Betrieben des Gastgewerbes an die Landesregierungen übermittelt. und Handels statt. Sie sollen sicherstellen, dass die vorge-  Im Rahmen des Informationssystems schriebenen Maßnahmen (beispielsweise arbeitet das Innenministerium eng mit Glasverbot, Einsatz von Ordnerpersonal) den ÖBB zusammen. Zu diesem The- in allen Bundesländern einheitlich sind. ma fand im Jänner eine Tagung der Police Information Coordination Center:

47 Euro 2008 - ein Sicherheitsproblem? - Astrid Schrenk

Das PICC dient als Informationsdreh- einmaligen Charakters der Veranstaltung scheibe zur Sammlung, Bewertung, Wei- ist es für die Beamten selbstverständlich, tergabe und Steuerung aller UEFA EURO dass sie alles tun, um für eine sichere, 2008-relevanten Informationen aus dem friedliche und freundschaftliche Veran- In- und Ausland. Standort in Österreich staltung zu sorgen. Eine Fußball-Europa- wird Wien sein. Im PICC werden Vertreter meisterschaft im eigenen Land ist für je- der Nationalen Fußballinformationsstelle, den ein unvergessliches Erlebnis. des Bundesamts für Verfassungsschutz Kriminalpolizei und Terrorismusbekämpfung (.BVT), des Bundeskriminalamts (.BK), der Verkehrs- Generell konnte bei der FIFA WM 2006 polizei, der grenz- und fremdenpolizeili- kein signifikanter Zuwachs der Krimina- chen Angelegenheiten, ausländische Ver- lität beobachtet werden. Die Kriminali- bindungsbeamte, szenekundige Beamte tätsbekämpfung wird dennoch eine der und Polizistinnen und Polizisten des Ord- wichtigsten Aufgaben der Polizei wäh- nungsdienstes anwesend sein. rend der EURO 2008 sein. In einer internationalen Analysestelle für Fazit Hooliganismus werden von Österreich Informationen und Lagebilder an die Österreich und die Schweiz sollen wäh- Schweiz weitergeleitet. rend der EURO 2008 einheitlich auftreten, die Einsatzphilosophien und die Stan- Urlaubssperre dards werden gleich sein: Der Fan/Gast Während der UEFA EURO 2008 werden soll sich wohl fühlen und eine einmalige alle in Österreich verfügbaren Kräfte ein- Veranstaltung erleben. Die Polizei ist gut gesetzt. Für die Zeit während der UEFA vorbereitet und wird präsent und sicht- EURO 2008 wird es, wie bei der deut- bar sein, aber sich hauptsächlich durch schen Polizei während der FIFA WM 2006, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft be- eine Urlaubssperre geben. Aufgrund des merkbar machen. 

48 Martin Konrad

Medienereignis EURO 2008

Die Fußball-Europameisterschaft in Ös- grund dieses „Engpas- terreich und der Schweiz ist nach den ses“ wird das Interesse Olympischen Spielen das beherrschen- vor den TV-Schirmen noch größer als bei de Medienereignis 2008. Das Interesse den letzten Welt- und Europameister- wird aufgrund der geringen Sitzplatz- schaften sein: Die Schätzungen bewegen kapazität der acht Stadien ‒ insgesamt sich bei kumulierten acht bis zehn Milliar- gibt es nur 1,1 Millionen Tickets ‒ vor den Zusehern, die die 31 Spiele weltweit den TV-Schirmen noch größer als bei via TV verfolgen werden. Allein für das den letzten Welt- und Europameister- Finale sind bis zu 500 Millionen Zuseher schaften sein: Die Schätzungen bewe- prognostiziert. 1.500 Radio- und TV-Stati- gen sich bei kumulierten acht bis zehn onen und insgesamt 7.000 Medienvertre- Milliarden Zusehern, die die EURO ter werden im Juni aus Österreich und der weltweit via TV verfolgen werden. Ins- Schweiz berichten. Mit Recht kann man gesamt 7.000 Medienvertreter werden daraus schließen, dass die EURO 2008 ein berichten. Medienereignis allerersten Ranges ist. Es war eine überraschende Gemein- Die Fußball-Europameisterschaft ist schaftsleistung aller im österreichischen nach der Fußball-Weltmeisterschaft und Sport Verantwortlichen, die Fußballeuro- den Olympischen Spielen das drittgröß- pameisterschaft nach Österreich zu brin- te Sport- und Medienereignis der Welt. gen. Gerade in der Steiermark weiß man, Das Interesse an dieser Veranstaltung ist dass bei solchen Bewerbungen Impon- enorm. derabilien eine besondere Rolle spielen, Hauptgrund für diese geringe Anzahl an wenn man nur an die Ereignisse rund um Tickets ist die geringe Kapazität der Stadi- die Bewerbungen der Stadt Graz für die en. Sechs der acht Stadien haben ein Fas- Olympischen Winterspiele und der Stadt sungsvermögen von jeweils nur 30.000 Schladming für die Ski-WM denkt. Sitzplätzen. Lediglich das Stadion in Basel Österreich hat eine optimale Gelegenheit, (knapp über 40.000 Plätze), in dem auch sich in vielerlei Hinsicht als attraktives das Eröffnungsspiel stattfindet, sowie das Land im Rahmen dieser Großveranstal- Ernst-Happel-Stadion in Wien, mit rund tung weltweit via Medien zu präsentie- 50.000 Sitzplätzen auch Austragungsort ren. Eine Fußballeuropameisterschaft ist des Finalspiels am 29. Juni, bieten eine nicht nur sportlich, sondern vor allem größere Kapazität an. Schon allein auf- auch wirtschaftlich (Wertschöpfung, zu-

49 Medienereignis EURO 2008 - Martin Konrad

sätzliche Kaufkraft und Nächtigungen) Monaten die Berichterstattung zu die- von großer Bedeutung. sem Thema stark ausgebaut. Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang, Festspiele des Landes dass sich sämtliche Verlage und Ressorts Die Erfahrungswerte der WM 2006 zeigen, ‒ nicht nur der Sport ‒ mit der EURO in- dass solche Ereignisse eine enorme „win- tensiv beschäftigen. Im Chronik- und Lo- win-Situation“ für Sport und Wirtschaft kalteil werden die Sicherheitsaspekte the- bringen können. Die Deutschen etwa matisiert, im Politikteil erfährt man, dass feierten die WM als Jahrhundert-Ereignis, es zu wenig Tickets für die heimischen Mi- es waren quasi Festspiele des Landes, die nister gibt, bei den Society- und Lifestyle- eine unglaubliche Euphorie erzeugten. Magazinen werden intime News der Fuß- Aus persönlicher Erfahrung ‒ ich war für ball-Stars in den Mittelpunkt gerückt oder Premiere als Reporter im Einsatz ‒ kann deren neue Haarmode beziehungsweise ich sagen, dass eine perfekte Organisation Dresscode besprochen. Auch das Leben und das erfolgreiche Spiel der Deutschen der „Spielerfrauen“ ist für viele Medien Fußball-Nationalmannschaft für anhal- ein delikates Thema. Und selbst die Kul- tende gute Stimmung und Emotionen turredaktionen versuchen den Querpass gesorgt haben. Vermittelt, freilich, wurde zur EURO zu finden. dieses Bild durch die Medien: Die positive Auch bei uns in der Steiermark wird dieses Berichterstattung aller Medien infizierte „EURO-Fieber“ rechtzeitig ausbrechen, sämtliche Gesellschaftsschichten. obwohl in Graz keine Spiele ausgetragen Die Stimmung in Österreich erscheint im werden. Aber allein die Tatsache, dass die Vorfeld der EURO zwiespältig zu sein. Das Steiermark mit elf Spielern (neun gebür- ist in erster Linie eine Folge der teilweise tige Steirer und zwei Spieler mit engem erschreckend schwachen Leistungen der Steiermarkbezug) die stärkste Gruppie- Nationalmannschaft, im Besonderen im rung im 31 Spieler umfassenden Großka- Herbst 2007. Das zeigt deutlich, wie sehr der ist, zeigt die Bedeutung des Fußballs der Erfolg/Misserfolg des gastgebenden in unserem Bundesland. Daher wird auch Teams Einfluss auf die Stimmungslage in der Steiermark mit tausenden Fußball- ausübt. Grundsätzlich ist festzuhalten, fans bei den Public-Viewing-Veranstal- dass ein positives Abschneiden der öster- tungen gerechnet. reichischen Fußball-Nationalmannschaft Das größte Sportfest, das je in Österreich einen ungeheuren Schub an Euphorie be- veranstaltet wurde, ist angerichtet. Jetzt wirken kann; aber selbst bei einem vorzei- müssen nur noch die Protagonisten auf tigen Ausscheiden wird das Thema EURO dem Spielfeld ins richtige Tor treffen. Die und Fußball so präsent sein wie nie zuvor. Medien werden es ihnen mit Sicherheit Alle Medien haben in den vergangenen danken. 

50 Friedrich Stickler

UEFA EURO 2008™ – ein Event der Superlative

Die UEFA Fussball-Europameister- für den 7. Juni, 18 Uhr, schafts-Endrunde findet vom 7. bis 29. in Basel angesetzt. Das Juni 2008 in Österreich und der Schweiz Finale findet am 29. Juni in Wien statt. Das statt. An 23 Tagen werden insgesamt Ernst-Happel-Stadion verfügt über ein Fas- 31 Spiele ausgetragen. Es ist die größte sungsvermögen von 50.000 Besuchern. Sportveranstaltung, die je in Österreich Teilnehmer und Gastgeber stattgefunden hat. Ein Jahrhundert-Er- eignis! Ungefähr 1.500 Personen werden pro Be- gegnung im Einsatz sein, um für Spielbe- Es ist erst die zweite Endrunde (nach Bel- trieb, Sicherheit und Organisation im Sta- gien/Niederlande im Jahr 2000), die von dion zu sorgen. 1.050.000 Eintrittskarten zwei Nachbarländern gemeinsam veran- gelangten in den Verkauf. staltet wird. Die Gastgebermannschaften Für Österreich sagt das Institut für Höhere waren automatisch qualifiziert. 50 wei- Studien in Wien Wertschöpfungseffekte tere Nationen spielten vom 16. August von knapp 375 Millionen Euro (585 Milli- 2006 bis 21. November 2007 in sieben onen Schweizer Franken), Kaufkrafteffek- Gruppen um die verbleibenden 14 Plätze. te von 250 Millionen Euro (390 Millionen Die Auslosung dieses Turniers fand am 2. Schweizer Franken) und knapp 4.000 zu- Dezember 2007 in Luzern (Schweiz) statt. sätzliche Jobs voraus. Die Gruppen im Detail: Die Gesamtorganisation obliegt der Euro Gruppe A: Portugal, Schweiz, Tschechi- 2008 SA, einer 100-prozentigen UEFA- en, Türkei Tochtergesellschaft mit Hauptsitz in Nyon Gruppe B: Deutschland, Kroatien, Polen, und Turnierbüros in Bern und Wien. Das Österreich operative Budget beträgt 176 Millionen Gruppe C: Frankreich, Italien, Niederlan- Euro (291 Millionen Schweizer Franken). de, Rumänien Mit Dezember 2007 waren bereits 190 Gruppe D: Griechenland, Russland, Spa- Personen fix angestellt, im Sommer 2008 nien, Schweden. werden es mehr als 300 sein. Der ÖFB ist Die UEFA EURO 2008™ wird an acht neben seiner Teilnehmerrolle, gemein- Spielorten ausgetragen: Genf, Bern, Ba- sam mit der Schweiz, auch Gastgeber die- sel, Zürich (Schweiz), Innsbruck, Salzburg, ser Europameisterschaft und hofft, dass Klagenfurt und Wien (Österreich). Das Er- das Schlagwort von der „besten EM aller öffnungsspiel (Schweiz ‒ Tschechien) ist Zeiten“ im Juni zur Realität wird. 

51 52 Josef Hickersberger*

Im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit

Klaus Poier: Welche Bedeutung hat die Hickersberger: Wir Euro 2008 aus Sicht des Fußballsports werden nicht darauf für das Land und die Gesellschaft Öster- warten, dass der 12. Mann, nämlich das reichs? Publikum, ein Tor schießt. Für uns gilt, die Fans schnell hinter uns zu bringen, dafür Josef Hickersberger: In Österreich ist Fuß- ist neben einer tausendprozentigen Ein- ball über das Jahr gesehen sicher Sport- stellung und vorbildlichem Zweikampf- art Nummer 1, in den Wintermonaten verhalten auch notwendig, dass wir nach ist aber der Skisport, vor allem Ski Alpin, vorne spielen und selbst aktiv werden. ganz klar in der Pole Position. Daran wird wohl auch die UEFA EURO 2008 im ei- Poier: Was darf man sich am Ende von der genen Land nicht viel ändern, aber der österreichischen Mannschaft erwarten Stellenwert des Fußballs wird durch die bzw. erhoffen? Austragung des Turniers und die damit einhergehende weltweite Berichterstat- Hickersberger: Wir sind sicher der größte tung sicherlich immens steigen. Schon im Außenseiter des Turniers. Trotzdem wer- Vorfeld ist zu erkennen, dass das gesell- den wir nicht unterschätzt werden, da schaftliche Standing des Fußballs steigt. gerade im Ausland unsere sehr starken Ich bin nicht sicher, ob es ohne EURO Phasen in den Länderspielen im Febru- denkbar wäre, dass das Neujahrskonzert ar und März 2008 ganz genau registriert der weltberühmten Wiener Philharmoni- wurden. Für die Nummer 102 der FIFA- ker und der legendäre Wiener Opernball Weltrangliste mag es vermessen klingen, ganz im Zeichen des runden Leders ste- doch unser Ziel ist und bleibt der Auf- hen, wie es im Jänner diesen Jahres der stieg ins Viertelfinale. Mein Team und ich Fall war. Natürlich ist auch Nachhaltigkeit glauben fest daran, dass wir das schaffen zu erhoffen und wünschenswert, dass sich und dafür werden wir ab 8. Mai in der viele Kinder neu für Fußball interessieren Vorbereitung auch täglich sehr hart ar- und sich bei Vereinen anmelden. beiten! Mit Prognosen und Vorhersagen bin ich aber generell sehr vorsichtig. Mir Poier: Mit welcher „Philosophie“ wird Ös- hat beim Neujahrsempfang des ÖFB ein terreich unter Ihrer Führung aus sportli- Wahrsager aus der Hand gelesen, dass cher Sicht in diese EURO gehen? Österreich zwar nicht Europameister * Josef Hickersberger im Interview mit Klaus Poier

53 Im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit - Josef Hickersberger

wird, aber trotzdem ein erfolgreiches Poier: Welchen Unterschied macht es, Turnier spielen wird. Trainer einer Clubmannschaft bzw. öster- reichischer Teamchef zu sein? Was wollen Poier: Ist von der EURO eine Vorbild- bzw. Sie in Zukunft machen? Signalwirkung für den österreichischen Nachwuchs zu erwarten? Hickersberger: Ich möchte unbedingt über kurz oder lang wieder als Vereins- Hickersberger: Ja, sowohl für die be- trainer arbeiten, da die Arbeit als Verein- reits erwachsenen Spieler als auch für strainer für mich befriedigender ist als die die vielen jungen Talente, die es auch in des Teamchefs. Man kann als Vereinstrai- unserem Land gibt. Der österreichische ner einfach intensiver mit den Spielern le- Fußball steht bei der EURO im Blickpunkt ben und arbeiten, da man täglich mit der der Weltöffentlichkeit, das ist eine riesige Mannschaft zusammen ist, als National- Chance für uns als Team, aber auch für trainer hingegen oft nur zwei Tage Vorbe- jeden einzelnen Akteur, das Bild des rot- reitung auf ein wichtiges Länderspiel hat. weiß-roten Fußballs und Fußballers nach- Ich bin jetzt 60. Wie man am Beispiel eines haltig zurecht zu rücken. Die Vorbildwir- oder eines Karlheinz Feld- kung, die jedem einzelnen Teamspieler kamp sieht, ist das für einen Trainer noch zukommt, muss und wird auch jedem früh genug um Auslandsengagements unserer Kicker bewusst sein. anzutreten. 

54 Konrad Plautz*

Mit Engagement, Einsatz und Ehrgeiz zur Weltspitze

Klaus Poier: Was bedeutet es für einen scheidung. Es muss ein Schiedsrichter, für die EURO nominiert Level sein. Mir wurde worden zu sein? lange Zeit vorgeworfen, dass ich zu streng bin. Dazu kann ich nur sagen, es Regeln Konrad Plautz: Ein Traum ist in Erfüllung gibt, die einzuhalten sind. Freilich gibt es gegangen. Ich empfinde es als Beloh- auch einen Spielraum, innerhalb dessen nung für das, was man investiert hat, an die Schiedsrichterentscheidungen liegen Zeit, Training, Einsatz. Es ist auch ein Aus- müssen. Für mich kann ich sagen, dass gleich für viele Verluste, die man hinneh- ich auch erfahrener geworden bin und men musste, insbesondere an Freizeitver- mittlerweile vermutlich etwas weniger lusten. streng den Spielraum ausreize als vorher. Wichtig ist jedenfalls, dass man auch dazu Poier: Weshalb wird man eigentlich steht, unpopuläre Entscheidungen zu Schiedsrichter? treffen, wenn sie getroffen werden müs- sen. Ich möchte jedenfalls in der Früh mit Plautz: Jeder hat für sich eine andere Be- einem guten Gewissen aufstehen können rufung, Schiedsrichter zu werden. Bei mir und mir ohne Bedenken im Spiegel in die war es schon ein Wunsch in früher Kind- Augen schauen können. heit. Mit 7 Jahren habe ich zuhause be- gonnen, mit 10 war ich schon Linienrich- Poier: Die Schiedsrichter sind oft die „Buh- ter bei Heimspielen unserer Mannschaft. männer“, besonders in Österreich gab es Für mich war es daher immer klar, dass ich in letzter Zeit wegen Fehlentscheidungen einmal Schiedsrichter werde. intensive Diskussionen. Wie geht man mit dieser Rolle als „Buhmann“, aber auch mit Poier: Was ist Ihre „Grundphilosophie“ als dem diesbezüglichen Druck um? Schiedsrichter? Plautz: So bald man Schiedsrichter ist, Plautz: Ich möchte berechenbar sein, für beginnt die Kritik. Kritik ist immer da, das beiden Mannschaften berechenbar. Bei- beginnt schon bei Jugendspielen, bei de- de müssen das Gefühl haben, gleich be- nen die Eltern ‒ einmal die, einmal jene handelt zu werden, bei jedem Foul, bei ‒ über Entscheidungen unzufrieden sind. jeder gelben Karte, bei jeder anderen Ent- Jeder Schiedsrichter lernt mit dieser all- * Konrad Plautz im Interview mit Klaus Poier

55 Mit Engagement, Einsatz und Ehrgeiz zur Weltspitze - Konrad Plautz

gegenwärtigen Kritik umzugehen. Man blikum, schon gar im Winter, dazu sagen? weiß, dass man als Schiedsrichter das Wenn man nur manche Entscheidungen schwächste Glied ist, das sich nicht wäh- überprüft, stellt sich wieder die Frage, wo ren kann. Schwierig ist freilich auch, dass man die Grenze zieht. Außerdem wäre es in Wahrheit nur die Schiedsrichter die Re- sehr schwierig, den Videobeweis nur bei geln kennen, die anderen ‒ Spieler, Trai- den Profis einzuführen und in den Ama- ner, Zuschauer, Journalisten ‒ maßen sich teurligen nicht. Das würde zwei Welten oft nur an, die Regeln zu kennen, ohne es schaffen. Grundsätzlich finde ich aber, aber zu tun. Der ÖFB bietet auch spezielle dass der Fußball auch von Fehlern lebt, Regelkurse an, die aber leider nicht ange- von Fehlern der Spieler, der Trainer und nommen werden. Würden auch andere eben auch der Schiedsrichter. Das macht als die Schiedsrichter die Regeln besser auch den Reiz des Fußballs aus, dass man kennen, würden viele Entscheidungen in den Gasthäusern und Straßen noch besser verstanden. lange über diese Fehler sprechen und dis- kutieren kann. Poier: Was halten Sie von den Vorschlä- gen eines zweiten Schiedsrichters oder Poier: Sie haben kürzlich auch bekannt des Videobeweises, um die Fehlerquote gegeben, sich um ein politisches Amt zu der Schiedsrichter zu reduzieren? bewerben. Sehen Sie Parallelen zwischen dem Schiedsrichteramt und der Politik Plautz: Vieles wurde in diese Richtung bzw. was glauben Sie, von der Schieds- schon getestet, nichts davon hatte durch- richterei in die Politik mitnehmen zu kön- schlagenden Erfolg. Ein zweiter Schieds- nen? richter wäre schon deshalb äußerst pro- blematisch, weil ja jeder Schiedsrichter Plautz: Für mich gibt es keine Parallelen, eine andere Mentalität, einen anderen Politik und Sport sollen getrennt sein. Charakter hat, strenger oder weniger Aber was ich für mich mitnehme, ist, dass streng innerhalb des Spielraumes ent- man mit Fleiß, Ehrgeiz, Willen vieles er- scheidet. Da gäbe es unterschiedliche Ent- reichen kann. Dass nicht nur das Geld in scheidungen in ein und demselben Spiel. Österreich alles bestimmt, sondern dass Beim Videobeweis ist die Frage, wo fängt man eigentlich mit Engagement, Ein- der an. Soll jede Entscheidung überprüft satz und Ehrgeiz zur Weltspitze kommen werden können? Wenn ja, hieße das, dass kann. Das gilt für die Schiedsrichterei, das ein Spiel nicht 90, sondern sicher 180 Mi- gilt für den Sport, das gilt aber auch für nuten dauern würde. Was würde das Pu- die Politik. 

56 Olga Hutter

Frauenfußball in Österreich - die Euro als Motivationsschub?

So spannend wie heuer war die ÖFB- aus dem Grunddurch- Frauenliga schon lange nicht. In der gang (FC Südburgen- Frühjahrsrunde, die im neuen Play-off- land, SG Ardagger/Neustadtl, FC St. Veit, Modus ausgetragen wird, spielen fünf Union Kleinmünchen und DFC Leoben) Teams um den Meistertitel und alle um die übrigen drei Fixplätze in der Liga. machen Jagd auf den Serienmeister SV Der Letzte steigt fix ab, während der Viert- Neulengbach. Zwei Traditionsvereine plazierte den Abstieg im direkten Duell dagegen stecken im Abstiegskampf. gegen einen der vier Regionalligameister verhindern kann. Nur vier Punkte trennten die ersten drei Die negativen Überraschungen im Ab- Teams nach der Herbstrunde. Knapp hin- stiegskampf sind Union Kleinmünchen ter Titelverteidiger SV Pflegeheim Beer und DFC Leoben, zwei Traditionsvereine, Neulengbach landeten Union Landhaus die derzeit die Plätze neun und zehn be- und Wacker Innsbruck, gefolgt von LUV legen. Graz und ASK Erlaa. Diese fünf Teams ma- Wenig Anerkennung, keine Sponsoren chen im oberen Play-off in Hin- und Rück- spielen den Meister unter sich aus. Um Was Frauenfußball in Österreich aller- die Spannung noch zu erhöhen, wurde dings fehlt, ist die Unterstützung durch der Punktestand zusammengeschmol- die Gesellschaft und die Wirtschaft. Zwar zen. Herbstmeister Neulengbach startete werden die Fußballerinnen heute nicht mit fünf Punkten, Verfolger Landhaus mit mehr so schief angesehen wie noch vor vier, Innsbruck mit drei und so weiter. Mit einigen Jahren, aber vom „Fußball leben LUV Graz, dem Cupfinalisten von 2006 zu können“, ist leider noch nicht möglich. und 2007, lauert ein weiterer Spitzenklub, Abgesehen vom Importschlager Rosa- der sich vom vierten Platz im Herbst im na steht der österreichische Frauenfuß- laufenden Bewerb mittlerweile schon auf ball im medialen Abseits. Immerhin circa Rang zwei verbessert hat. Verlieren verbo- 6.000 kickende Frauen führen ein öffent- ten, lautet also die Devise für alle Teams, liches Schattendasein. Die Bundesliga- denn im Play-off-Modus bedeutet jedes spiele finden durchschnittlich vor circa Match schon ein kleines Endspiel. 100 Zuschauern statt, in der Presse sucht Analog zum Meister wird auch der Abstei- man vergeblich nach aktuellen Ergebnis- ger im Play-off ermittelt. Dabei kämpfen sen und Berichten, obwohl Frauenfußball die fünf Teams der unteren Tabellenhälfte besser ist als man(n) denkt!

57 Frauenfußball in Österreich - die Euro als Motivationsschub? - Olga Hutter

Das österreichische Frauen-National- der 18-Millionen-Weltstadt in die 7.000 team liegt im europäischen Vergleich im Seelen-Gemeinde Neulengbach geholt. Mittelfeld (jedoch wesentlich besser als Träume werden wahr die Männer), das U-19-Team feiert regel- mäßig beachtliche Erfolge und ab heuer Auch unsere Fußballerinnen träumen wurde auch ein U-17-Team installiert. von einem Engagement im Ausland. Bei Bayern München sind aktuell fünf Ös- Die Zaubermaus vom Zuckerhut terreicherinnen unter Vertrag. Als erste Stellen Sie sich einmal vor, Brasiliens schaffte Nina Aigner den Sprung in die Ronaldinho kickt ab sofort in der öster- starke deutsche Bundesliga, später folg- reichischen Fußball-Bundesliga. Dafür ten Sonja Spieler und Birgit Leitner und reicht Ihre Fantasie nicht aus? Verständ- seit letztem Jahr jagen zwei große Talen- lich... Bei den Frauen sieht die Fußball- te aus der Steiermark, Carina Wenninger welt freilich noch anders aus, wie das und Viktoria Schnaderbeck, dem runden Beispiel der brasilianischen Teamspie- Leder im Bayern-Dress nach. lerin Rosana beweist. Herrn Ronaldinho Die EURO 2008 wirkt sich auch sehr po- und Frau Rosana verbindet einiges: Sie sitiv auf den Frauenfußball aus. Noch nie gehören zu den besten FußballerInnen war das Medieninteresse so groß wie in Brasiliens, beide spielen in Europa. Die den letzten Monaten. Der ORF dreht ge- 25-Jährige, in deren Pass „Rosana dos rade eine Dokumentation über den Frau- Santos Augusto, geboren in Sao Paulo“ enfußballverein SV Neulengbach, Fern- steht, kickt seit September 2004 bei SV sehkameras sind öfters „Gast“ bei den Neulengbach. Mit dem brasilianischen Spitzenspielen der ÖFB Liga und auch der Nationalteam holte sie im Jahr 2007 die Radiosender FM 4 hat die Kickerinnen zu Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft einer Live-Sendung eingeladen. in China, im Jahr 2003 holte sie bei der Was die Motivation betrifft: Diese ist bei WM Bronze und in Athen hat sie ihr Team den Frauen immer enorm hoch, sonst wür- zu Olympia-Silber geführt. den sie nicht oft nach einem harten acht- Aber warum spielt eine der weltbesten stündigen Job Fußballschuhe mit Freude Fußballerinnen gerade in der öster- anziehen und fast den ganzen Urlaub für reichischen Liga? „Frauenfußball kann den Fußball opfern. Selbstverständlich in Österreich nur mit einem Star ge- bietet die EURO 2008 eine zusätzliche pusht werden“, hatte sich der Neuleng- Motivation für alle ÖsterreicherInnen und bacher Obmann Bruno Mangl gedacht, ich bin überzeugt davon, wenn das erste die Spiele des brasilianischen National- Spiel gegen Kroatien angepfiffen wird, teams bei der WM in den USA (2003) be- werden alle das österreichische National- sucht und die begnadete Ballartistin aus team voll unterstützen. 

58 Gerhard Kapl

EURO 2008 und die steirischen Fußballvereine

Die Breitenwirkung einer UEFA Euro Steiermark darf nicht mit einer erstmaligen österreichischen unterschätzt werden. Beteiligung für die Fußballvereine in So rechnet der Steirische Fußballverband der Steiermark darf nicht unterschätzt mit einem Anstieg der Neuanmeldungen werden. Die Emotionen, die unser Sport von jungen Spielerinnen und Spielern im weckt, sind unergründlich und mit ein zweistelligen Prozentbereich. Als Anhalts- Grund, warum der Fußballsport in Ös- punkt: Im Jahr 2007 wurden in der Steier- terreich unumstritten die Nummer 1 mark insgesamt 3.908 Spielerinnen und ist. Und wenn ein sicherlich einmaliges Spieler von den 363 Fußballvereinen in der Großereignis für Österreich ansteht, Steiermark neu angemeldet und haben so- müssen wir diese Chance nutzen, um mit eine sportliche Ausbildung begonnen, aus diesem Ereignis dauerhaften Nut- sei es als Talent mit höheren Zielen oder zen zu ziehen. als Ausgleichssport und zur Verbesserung der körperlichen Gesamtsituation. Wir sind Europameister! Diese Schlagzeile Aber auch im wirtschaftlichen Sektor würden nicht nur die Fußballfans in Öster- können die steirischen Fußballvereine reich gerne am Montag, dem 30. Juni 2008, wesentliche Synergien aus der UEFA Euro dem Tag nach dem Finale der UEFA Euro ziehen, so wird die Wirtschaft durch den 2008 in Wien, auf den Titelseiten der ös- großen Werbeaufwand, der für die UEFA terreichischen Tageszeitungen lesen. Doch Euro betrieben wird, für den Bereich auch wenn dieser Wunsch nicht erfüllt wird, „Fußball“ nicht unerheblich sensibilisiert. hat der österreichische Sport gewonnen Bisher für den Fußballsport nicht oder nur und nicht nur der Fußballsport. Durch die kaum interessierte Unternehmen lernen Austragung der UEFA Euro 2008, der welt- den Fußballsport und seine Möglichkei- weit drittgrößten Sportveranstaltung nach ten, auch für ihr Geschäftsfeld, auf einer der FIFA Weltmeisterschaft und den Olym- neuen Ebene kennen, sind dadurch eher pischen Sommerspielen, in Österreich und bereit, dem „kleinen“ Verein in der nähe- der Schweiz kann für den Sport nicht nur ren Umgebung eine Unterstützung ange- ein ideeller Nutzen gezogen, sondern auch deihen zu lassen, die über das in unserem ein wirtschaftlicher Gewinn erzielt werden. Lande übliche Mäzenatentum hinausgeht. Die Breitenwirkung einer UEFA Euro mit Denn ein Fußballverein ist ein nicht zu einer erstmaligen österreichischen Beteili- unterschätzender Wirtschaftsfaktor, von gung für die „kleinen“ Fußballvereine in der Sportutensilien für die Spielerinnen und

59 EURO 2008 und die steirischen Fußballvereine - Gerhard Kapl

Spieler, über die Errichtung, den Aus- und Zusätzlich zu diesen Grundlagen schafft Umbau der Sportzentren, der Pflege der die UEFA Euro in Österreich zusätzliche Spielfelder bis hin zu den Aufwendungen Arbeitsplätze, auch in der Steiermark, für den Spielertransport sowie den nicht wenngleich in unserem Bundesland be- zu vernachlässigenden Bereich der Kan- dauerlicherweise keine Spiele im Rahmen tine reicht das Geschäftsfeld eines Fuß- der UEFA Euro 08 stattfinden werden. Die ballvereins. An einem durchschnittlichen zahlreichen Fanzonen dürfen beispielhaft Wochenende während der Meisterschaft angeführt werden, aber auch nachhalti- kommen in unserem Bundesland nahezu ge Investitionen in unserem Bundesland 300.000 Steirerinnen und Steirer direkt können verzeichnet werden. Hier darf oder indirekt mit dem Fußballsport in Be- ich auf die Erneuerung zahlreicher Sport- rührung, sei es als aktive Sportlerin oder stätten in unserem Bundesland verwei- Sportler, sei es im Trainer- oder Funktio- sen, die vor allem für die internationalen närsbereich, oder aber auch als indirekt Trainingslager im Sommer durchgeführt Betroffener, wie beispielhaft als Zuseher und in weiterer Folge natürlich auch un- oder Erziehungsberechtigter von aktiven seren Fußballvereinen in der Steiermark Fußballern, oder aber auch als Angehöri- zu Gute kommen werden, womit für ein ge von Schiedsrichtern. entsprechendes Umfeld zur Ausübung Ein weiterer Aspekt, der nicht übersehen des Fußballsports gesorgt wird. werden darf, ist der gesellschaftspolitische „Kicken“ bewegt in der Tat, sei es körper- Bereich. Die Fußballvereine sind aufgrund lich, emotional oder geistig. Diese Emo- ihrer Struktur Zentren der Begegnung und tionen, die unser Sport weckt, sind uner- der sozialen Integration, die immer mehr gründlich und mit ein Grund, warum der an Bedeutung gewinnt, nicht nur seit der Fußballsport in Österreich unumstritten Öffnung unserer Nachbarländer im ehema- die Nummer 1 ist. Und wenn ein sicherlich ligen „Ostblock“. Ein gut geführter Fußball- einmaliges Großereignis für Österreich, verein ist vor allem im Nachwuchsbereich wie die kommende UEFA Euro 2008, vor oft Elternersatz, Kinderbetreuungsstätte der Tür steht, müssen wir diese Chance und bietet die Möglichkeit, soziale Fähig- nutzen, um gemeinsam aus diesem Jahr- keiten zu entwickeln, beziehungsweise zu hundertereignis dauerhaften Nutzen zu vertiefen. Denn eine Mannschaftssport- ziehen. art, wie es der Fußballsport ist, schafft die In diesem Sinne freuen wir uns auf span- Möglichkeit der Erfahrung, gemeinsam nende, faire Spiele im Rahmen der UEFA Siege zu feiern, aber auch gemeinsam Euro 08 in Österreich und der Schweiz, mit Niederlagen umzugehen und somit auch wenn sich am 30. Juni nicht die vor- das Miteinander zu „erlernen“ und einen zitierte Schlagzeile auf den Titelseiten Teamgeist zu spüren. wiederfindet. 

60 Claudia Gigler

Es kam schlimmer - die Krise von Sturm und GAK und die EURO

Das Jahr 2007 stand im Zeichen einer Selbstinszenierung die Katastrophe für den Grazer Bundesliga- Referenz erwiesen. Fußball, die nur einer der beiden Klubs Die Erosion nach innen hin hatte längst überlebte. Das Jahr 2008 steht im Ban- begonnen. Als frustrierte Mitstreiter An- ne der Euro, die dem Fußball den Glau- zeige wegen verschwundener Millionen ben an den Erfolg wieder gibt. bei der Staatsanwaltschaft erstatteten, als die Funktionäre beim Lizenzierungsver- Das Leiden der Grazer an ihrem gelieb- fahren die finanzielle Basis hinterfragten, ten Fußball will kein Ende nehmen. Das als die Finanz im Mai 2006 großflächige Leiden andernorts am runden Leder wird Hausdurchsuchungen anordnete und als vermutlich erst nach der Euro beginnen. im September dieses Jahres letztlich der Denn es ist kein Lokalspezifikum, das die Konkursantrag eingebracht wurde, rächte Grazer Traditionsvereine in den Ruin trieb, sich die jahrelange Alleinherrschaft von sondern ein Branchenproblem. Das Auf- König K. räumen ist nicht zu Ende. Die Behörden Mit Hannes Kartnig stieg, mit ihm fiel der nahmen den Druck nur vorübergehend SK Sturm. Und doch hatte man Glück im zurück, um die Freude an der Euro nicht Unglück: Die Dynamik des Geschehens zu trüben. zwang den Verein, Abschied von Struktu- Oft beginnt der Abstieg ganz oben: Bei ren und Personen zu nehmen und sich so Sturm war es der Aufstieg in die Cham- rechtzeitig für die nächste Saison zu posi- pions-League, beim GAK der Meistertitel, tionieren, dass es gelang, den schlingern- der die Großmannssucht stimulierte. Und den Kahn vor dem Kentern zu bewahren. immer ist es eine Reihe von Mitspielern, ist Fatale Entscheidung es ein ganzes System, das die Auswüch- se toleriert, pardoniert und ganz zum Anders beim GAK. Praktisch zeitgleich Schluss, peinlich berührt, sanktioniert. mit dem Herzschlagfinale beim SK Sturm Die Misere des SK Sturm begann im Früh- begannen in Weinzödl die Alarmglocken sommer 2006, und sie war geprägt von zu klingeln. Während Hannes Kartnig Aufstieg und Fall des Hannes Kartnig. Kein angesichts der Pistole auf der Brust den anderer verstand es, sich so gekonnt zu in- Weg für den Neubeginn der Schwarzen szenieren, dem Fußball den Stempel von frei machte, tagte hinter verschlossenen Glanz und Glamour aufzudrücken. Bis hi- Türen das Präsidium der Roten, schwor nauf in die Politik wurde dem Meister der einander honorige Geschäftsleute darauf

61 Es kam schlimmer - die Krise von Sturm und GAK und die EURO - Claudia Gigler

ein, um jeden Preis ein Desaster wie beim Hinweise geben, ob sich Stephan Sticher Stadtrivalen zu verhindern. und Co., auch Vor-Vorgänger Rudi Roth, Eine fatale Entscheidung. Der rechtzeitige dem Vorwurf der fahrlässigen Beeinträch- Gang zum Konkursrichter hätte mögli- tigung von Gläubigerinteressen ausge- cherweise auch den GAK vor dem Absturz setzt sehen. aus der Bundesliga bewahrt. Der Konkur- Es war ein Erdbeben, aber es ist auch ein santrag der Finanzprokurator nahm dem Neubeginn. Budgets orientieren sich heu- Verein später jeden Spielraum. Führer- te am Ist-Stand der Einnahmen und nicht und sponsorlos trieb man dahin, bis die nach einem Wunschprogramm. Junge Lizenzierungsbehörde das Todesurteil für Spieler werden als Kapital aufgebaut, äl- den Erstligisten der Bundesliga schrieb. tere (teure) sind Extra, nicht Standard auf Ob es ein Leben nach dem Tode gibt, ist Luxusniveau. Die Lizenzierungsbehörde bis heute ungewiss. fühlt sich verantwortlich für das Zeugnis, Manager, die in der eigenen Firma jeden das sie den Vereinen ausstellt. Die Finanz Cent dreimal umdrehen, orientieren sich erinnert an die persönliche Haftung von am Herz statt am Verstand, wenn es um Vereinsvorständen. Die Politik entsann Budgets für Spieler geht. Längst waren sich dessen, dass die Vergabe von För- Einnahmen und Ausgaben nicht mehr derungen aus Steuergeldern nicht nur in Einklang zu bringen, doch Finanz und VIP-Karten sichert, sondern zu Kontrolle Gebietskrankenkasse sahen gnädig zu. Es verpflichtet. war der Präsident der Finanzprokuratur, Nachspiel nach der Pause der oberste Anwalt der Republik, der es auf sich nahm, den undankbaren Part des Für andere Vereine in Österreich ist die Totengräbers zu übernehmen und damit Euro nur Atempause, könnte es danach ‒ zumindest im Falle des SK Sturm ‒ den ans Eingemachte gehen. Wenn selbst ein Verein zu sanieren. so renommierter Verein wie „Rapid“ von „Vorgriffen auf Sponsorgelder“ lebt, wie Das letzte Wort hat der Staatsanwalt es in der Fußballwelt heißt, wird klar, auf Die Staatsanwaltschaft hat in beiden Fäl- welch tönernen Füßen solche Renom- len das letzte Wort noch nicht gespro- mees stehen. chen. Erst im Sommer wird der Gerichts- Das Sponsoring ist die Geschäftsgrundla- sachverständige klären, welche Vorwürfe ge des Sports, die beste Versicherung ge- an Hannes Kartnig kleben bleiben, und gen den Absturz sind Einsatz und Trans- wer aus der seinerzeitigen Vereinsfüh- parenz. Möge die Übung im Jahr 2008 rung die Mitverantwortung trägt. Und sowohl auf dem Rasen als auch in der frühestens im Winter darauf wird es erste Buchhaltung gelingen! 

62 Thomas Plauder

Ein Land im Pickerlfieber, oder: Wenn nicht nur Kinderaugen leuchten

Ein Album, darin 535 freie Plätze. In Sammelfieber einen Österreich und dem restlichen Europa erfasst, auch einmal ist pünktlich zur Euro 2008 das Panini- tiefer in die Tasche zu greifen, um den Fieber wieder ausgebrochen. Die Ta- Sohn oder die Tochter und sich selbst am schengeld-Reserven der Kinder sinken meisten glücklich zu machen. rapide. Väter greifen, ebenfalls infiziert Sammeln ist auch ein Geschäft... von der Jagd nach den Fußballer-Pi- ckerln, tief in die Tasche oder jagen mit Und wenn sich bei manchen leidgeprüf- ihren Sprösslingen auf Tauschbörsen ten Eltern noch immer kein Verständnis nach den Objekten ihrer Begierde. Die für die Leidenschaft ihrer Kids eingestellt Sackerln mit den Kickergesichtern ent- hat, können andere Fakten vielleicht wickeln einen Zauber der rational nicht helfen. „Panini-Set WM Mexiko 1970 erklärbar ist, wie auch der Autor dieser komplett und unbenutzt in Topzustand. Zeilen erkennen musste. Karten Sticker, Poster mit Original Rück- seiten ‒ um 4.299 Euro“ lautete kürzlich Die Euro 2008 beginnt am 7. Juni mit dem ein Angebot auf Ebay. 4.299 starke Argu- sportlichen Duell Schweiz gegen Tsche- mente, den Sprössling kurzfristig mit ei- chien. Doch in tausenden österreichischen ner Taschengeld-Erhöhung zu belohnen Kinderzimmern, und nicht nur dort, hat ‒ es könnte sich in einigen Jahrzehnten sie schon längst begonnen. Nämlich be- vielleicht lohnen. reits Mitte April als die aktuelle Panini-Pi- Das Geschäft mit den Pickerln und Alben ckerl-Kollektion zur Fußball-Europameis- lohnt sich schon längst für das Hause Pa- terschaft auf den Markt kam. Mittlerweile nini, im italienischen Modena. Allein in Ös- sind, bei einigen wenigen Glücklichen, die terreich und Deutschland liegen im Vorfeld Alben bereits voll, bei der Mehrheit der der Euro 315 Millionen Sticker auf. Bei der jugendlichen Sammler sind hingegen WM 2006 erreichte der Panini-Boom einen die Taschengeld-Reserven aufgebraucht. vorläufigen Höhepunkt. Allein in Deutsch- Doch glücklicher oder unglücklicher Wei- land wurden damals 2,5 Millionen Alben se, je nach Betrachtung, steckt das Pickerl- verkauft. Dazu kamen etwa 150 Millionen Virus nicht nur Kinder an. Eine besonders Bildersackerl zu je 50 Cent. Da kommt ein „gefährdete“ Spezies sind Väter, wie der stattliches Sümmchen zusammen. Schreiber dieser Zeilen aus eigener Erfah- Ein Sümmchen, an das die treue Faschis- rung weiß. Und die neigen dazu, hat das tin Olga Panini im Jahr 1943 nicht dachte,

63 Ein Land im Pickerlfieber, oder: Wenn nicht nur Kinderaugen leuchten - Thomas Plauder

als sie im Bett lag und tat, was sie für ih- spielt foul. Um die Verkaufszahlen in die ren Duce tun konnte. Sie gebar ihr achtes Höhe zu treiben, soll der Konzern absicht- Kind, erhielt ein Diplom zum Dank für die lich manche Bilder zurückhalten. Bei der „Erhaltung der eigenen Rasse“ und hoffte WM 2006 sorgte etwa eine regelrechte bereits auf das neunte Kind, das ihr eine Holländer-Schwemme für viele graue staatliche Rente verschafft hatte. Aber Haare. Eine Mär, über die man bei Panini dazu kam es nicht. Noch im gleichen Jahr nur lachen kann. fiel ihr Mann im Krieg und sie musste ihre Ja selbst vor den Stars macht der Sam- vier Söhne und vier Töchter alleine groß mel-Virus nicht halt. So fehlen etwa Ös- ziehen. 1945 eröffneten die beiden ältes- terreichs Jungstar Sebastian Prödl, vulgo ten Panini-Brüder, Benito und Guiseppe, 159 im aktuellen Album, noch rund 40 in ihrer Heimatstadt einen Kiosk, später der 535 Pickerl. Auf einer der zahlreichen kam ein Zeitungsvertrieb dazu. 1961 hat- Tauschbörsen im Land wird er wohl nicht te der dritte Bruder Franco eine, wie sich zu einem vollen Heftchen kommen, er nun herausstellt, geniale Idee ‒ Alben und ist bereits kaserniert und schuftet unter Sammelbildchen von Fußballern. In einer Teamchef Josef Hickersberger für die Euro. Garage sortierten und kolorierten die Aber viele andere tauschen was das Zeug drei die Bilder per Hand ‒ eine ziemliche hält. Gehandelt wird überall, sogar in Bü- Schufterei. Der jüngste Bruder, Umberto, ros unter Managern und natürlich in den ein Tüftler und Bastler, sprang ein und Schulen. Das führte jetzt in Deutschland entwarf eine Maschine, die die Fußball- sogar zu Problemen. Dort betätigt sich bilder nach dem Zufallsprinzip, mischte, der Rektor der Grundschule Fellbach bei eintütete und in Kartons verpackte. Der Stuttgart als „Mafiajäger“. „Allein gegen Erfolg war schier atemberaubend. Schon die Panini-Mafia“ lautet sein Motto. Auf von der ersten Serie italienischer Kicker dem Schulgelände ist das Tauschen von verkauften die Paninis 15 Millionen Stück, Klebebildern mit Fußballporträts strengs- von der zweiten gar das Doppelte. 1970 tens verboten. Die Tausch- und Sammel- zur WM in Mexiko erschien dann das erste leidenschaft der Kinder habe zu erhebli- europaweite Album. Der Rest der durch- chen Störungen des Unterrichts geführt, aus hollywoodreifen Story ist bekannt. berichtete der Rektor. Lehrkräfte hätten von großer Unruhe, Unkonzentriertheit Mythen und Verschwörungstheorien und sogar von Erpressungsversuchen be- Solange es die beliebten Sticker gibt, so- richtet, was er nun bekämpfen will ‒ wohl lange gibt es die dazugehörenden My- ein Kampf gegen Windmühlen. Die Sa- then und Verschwörungstheorien. Die, ckerln mit den Fußballgesichtern entwi- die sich seit dem ersten Erscheinungstag ckeln eben einen Zauber, der sich rational am hartnäckigsten hält: Das Hause Panini nicht erklären lässt. 

64 Egyd Gstättner

Käufliche Liebe Der Status quo des Fußballsports 2008

Im historischen Jahr der EURO im eige- : Lutz? „Vor 4000 Kon- nen Land ist der österreichische Fuß- sumenten trennten ball völlig verkauft ‒ und dementspre- sich Bet-and-win und Interwetten.com in chend verwahrlost. EURO und Euro: der Hypo-Group-Arena Raiffeisen zu CA. Keine zufällige Namensgleichheit! Die Red Bull erlitt eine überraschende Punti- Dressen der Spieler sind verkauft. Die gamer-Reininghaus-Heimniederlage.“ Ein Flächen neben der Outlinie und hinter paar hartgesottene Endverbraucher wird den Toren sind verkauft. Die Namen der das ja auch noch interessieren. Seltsamer- Vereine sind verkauft, die Namen der weise lehrt aber die langjährige Beobach- Stadien, in denen sie spielen, sind ver- tung, dass unser Fußball desto schlechter kauft. Die Vereine heißen Red Bull und wird, je mehr Geld hineingepumpt wird Cashpoint und Interwetten.com und (und je mehr Regeln, Traditionen, unge- Bet-at-home. In Betriebsligen spielten schriebene Gesetze aus Geldgier gebro- früher ‒ sportlich gesehen ‒ die Rohr- chen werden). Ich denke: (Viel) weniger krepierer. Heute: Auch. Aber heute kos- wäre (viel) mehr gewesen! ten sie Unsummen. Nun spielt Österreich gegen Deutschland, und fußballfremde Schönwetterlinge Fußball ausverkauft! träumen fast fordernd von einem Cordo- Man kann sich in diesem Land und in ba II. Theoretisch möglich ist in einem ein- dieser Liga sogar ganze Vereine samt da- zigen Spiel natürlich vieles, und daheim zugehöriger Lizenz kaufen, sofern man könnte mit etwas Glück zumindest ein Zugriff zu genügend Geld unklarer Her- Blödmann: Geiz-ist-geil herausschauen. kunft und zur rechten Zeit immer spen- Realistisch ist aber eine glatte BAWAG. dable Großsponsoren bei der Hand hat, Nun ist Deutschland auch nicht gerade die praktischerweise nicht beim Namen ein Land, wo die Kolchosen blühen und genannt werden wollen: Und schwuppdi- die kapitalistische Weltordnung mit Fü- wupp wird aus Pasching BZÖ. Das ganze ßen getreten wird. Aber immerhin werden Land, die ganze Liga spielt mit. dort Regeln eingehalten: In Deutschland Das einzige, was man angeblich noch darf ein Investor nicht mehr als 50% der nicht ganz ungeniert verkauft hat, sind Anteile halten. Verein muss Verein blei- die Resultate. Da hat es bisher einfach ben, er darf nicht in die Hände eines ein- an der nötigen Phantasie gefehlt! War- zelnen schwerreichen Intensivunfußbal- um sagt man statt 0:0 nicht einfach Kika lers geraten. Mir fällt in Deutschland auch

65 Käufliche Liebe - Egyd Gstättner

kein amtierender Spitzenpolitiker ein, der wenn man nicht weiß, was ein Fußballver- einen Verein präsidieren oder gar grün- ein bedeutet, d.h. einmal bedeutet hat. Es den (kaufen) würde. Es spielen nicht BMW ist Geschichtsdiebstahl! Das Schlimmste gegen Mercedes, sondern immer noch daran ist, dass man dafür Massen an Men- Bayern München gegen VFB Stuttgart ge- schen mobilisieren kann, die tatsächlich geneinander, und sie tun es nicht in der ein Stadion füllen; dass alle Entschei- T-Mobile-Liga, sondern in der Bundesliga. dungsträger, Medien im Land mitspielen Trotzdem sendet das Fernsehen einen und sich der Macht andienen, dass die Spielbericht an dem Tag, an dem es statt- Liga sich nicht dagegen verwehrt und gefunden hat. 1860 München kann nicht dass es im gesamten Bundesgebiet Verei- ganz einfach nach Hamburg verscherbelt ne gibt, die diese fußballkaputtmachende werden. So frei ist Freiburg nicht, dass es Gemeinheit nicht ächten und boykottie- die Energie hätte, Cottbus zu schlucken. ren, sondern Runde für Runde gegen sie Borussia bleibt Borussia und Mainz bleibt spielt, als wäre das die normalste Sache Mainz, wie es singt und spielt. Soviel Stolz der Welt. Sogar ein Karrierepriester lässt muss sein! sich willig einspannen und segnet das Kurzum: Falls doch kein Cordoba II statt- „Freudenhaus“ vor der johlenden Menge. finden, sondern Deutschland gewinnen Ein Landeshauptmann begeht Bundesli- sollte, dann hätten wir zumindest eine gaeinbruch. Der Ligavorstand gestattet Lehre erteilt bekommen, was der richtige den Einbruch. Die Zeitungen rechtferti- Weg wäre. Und Hand aufs Herz: Was wä- gen und bejubeln den Einbruch. Men- ren die großen Erfolge ohne die kleinen? schenmassen schauen beim Einbruch zu, sind mit dem Einbruch einverstanden, Käufliche Liebe applaudieren und raten Laokoon, die Sa- Das Land kauft sich einen Fußball: Genau che nicht so eng zu sehen und ernst zu dieses unerquickliche Thema liegt mir seit nehmen. einem halben Jahr im Magen: Gar nicht Wenn man sich um den Posten einer so sehr die Erschließung einer neuen Vor- Putzfrau im Krankenhaus bewirbt, muss feldorganisation des BZÖ, das ja in dem man sich einem Hearing stellen und sei- kleinen Land, in dem ich von geburts- ne Qualifikation nachweisen. Überall wird wegen zufällig lebe, alles vereinnahmt, geprüft, gecastet ‒ nur der Präsident der was sich nicht expressis verbis dagegen Fußballfirma ist bekennender Nichtfuß- wehrt, sondern die ungeheuerliche Un- ballfan und stolz darauf, nie vor seiner Ära verschämtheit, sich einen Fußballverein als Fußballpräsident in einem Stadion ge- en gros zu kaufen, ihn umzusiedeln und wesen zu sein. ungeniert als etwas Eigenes auszugeben. Ich war 35 Jahre lang im Stadion, bei Das kann man überhaupt nur dann tun, Wind und Wetter, Schnee und Eis, Frost

66 Käufliche Liebe - Egyd Gstättner und Finsternis, am Stehplatz, auch gegen So ein offenes Ende wäre im Theater des Neusiedl und Untersiebenbrunn, und ich kleinen Mannes natürlich zu kompliziert. weiß, wovon ich rede, wenn ich über Fuß- Aber Dramen (Tragödien, Krimis, Thriller, ball rede. Seit einem halben Jahr gehe ich Märchen, etc) ereignen sich auch hier, nicht mehr ins Stadion - schwersten Her- Schauspiele finden auch hier statt. Wie zens. Der Krone-Journalist Conny Lenz es viele Theaterstücke gibt, die die Illu- hat das neue Stadion als „Freudenhaus“ sion (und damit die Verführbarkeit des bezeichnet. Er hat das natürlich nicht so Geistes) zum Thema haben, wie es also gemeint, aber ganz recht damit gehabt. unzählige Belege für Theaterstücke gibt, Elf Huren müsst ihr sein. die ein Stück im Stück aufführen (zum Beispiel Bernhards Theatermacher, zum Das Theater des kleinen Mannes Beispiel Noch ist Polen nicht verloren Viele Schriftsteller, auch Theaterautoren ‒ man könnte mit den Beispielen ad infi- wollten ursprünglich große Fußballer nitum weitermachen), so findet man auch werden, und erst weil ihnen die Karriere im großen Theater des kleinen Mannes im sogenannten Theater des kleinen Man- innerhalb des Schauspiels Schauspiele nes nicht gelungen ist, sind sie ‒ gewis- ‒ die allerdings sind verboten und ver- sermaßen am zweiten Bildungsweg ‒ ans pönt. Dieses So-tun-als-ob, diese kleinen Theater des großen Mannes gekommen. Kabinettstücke heißen „Schwalben“ oder Interessanterweise ist das Theater des „Elferschinden“ und werden mit einer kleinen Mannes, das Stadion, viel größer Verwarnung oder einem Ausschluss ge- als das des großen: Im Fall Klagenfurt gibt ahndet. Der Schiedsrichter zeigt dem Si- es hier 32000, da knapp 800 Plätze. Dafür mulanten, dem „Schauspieler“ die gelbe kann man im Kunsttheater ein und dassel- Karte und herrscht ihn an: „Steh auf ‒ und be Spiel mehrmals aufführen, und es bleibt mach kein Theater!“ prinzipiell sehenswert und spannend, Natürlich wird in der Kunst simuliert: Das auch wenn man weiß, wie es ausgeht. Eine Publikum ist froh, wenn Don Giovanni Oper endet freilich nicht 1:0 (man kann nach dem Vorhang aus der Hölle zur Ver- auch nicht ernsthaft behaupten, dass Don beugung wieder retour kommt, wenn Giovanni in der Schlussminute durch ei- Mephisto die Maske abnimmt, oder dass nen Verlusttreffer aus klarer Abseitspositi- auch die massakrierten Juden in „Ghetto“ on heraus in eine unglückliche Niederlage am Ende wieder leben und den Applaus schlitterte und absteigen musste, weil er entgegennehmen dürfen ‒ auch wenn mit den Gedanken wahrscheinlich schon man bedrückt weiß, dass sie in Wirklich- in der Garderobe war), ein Brecht-Stück keit nicht wiederaufgestanden, sondern nicht 4:3, sondern mit geschlossenem Vor- liegengeblieben sind ‒ und man als hang und offenen Fragen. ohnmächtiger Zuseher die moralische

67 Käufliche Liebe - Egyd Gstättner

Anstalt, die das Theater sein soll, zutiefst lischen Anstalt inszenieren wollen? Wel- verzweifelt verlassen müsste. Geradezu cher Theaterintendant würde ein solch Panik bräche aus, wenn der Jedermann niederträchtiges Stück in seinem Haus beim „Jedermann“ einmal wirklich ster- aufführen lassen wollen? Es kann aber ben würde. Dann müsste das „Spiel vom sein, dass der Intendant nicht im luftlee- Sterben“ während der Aufführung ab- ren Raum lebt und arbeitet. Es kann sein, gebrochen werden, der Notarztwagen dass der allmächtige Vorsitzende im The- müsste das Manuskript ignorierend mit aterausschuss dem Intendanten nach der Blaulicht auf die Bühne rasen, wenn nicht Sitzung seinen starken Arm um dessen gleich der Leichenwagen... Schulter legt und flüstert: „Ich wünsche Im Theater, das eine moralische Anstalt mir von Dir, dass Du ein Stück mit einem sein will, dient die „Täuschung“ einer hö- Teufelspakt produzierst! Und ich wün- heren Wahrheit. Wenn aber nicht nur das sche, dass Du selber den Mephisto gibst!“ Spiel im Spiel, sondern das Schauspiel Es kann sein, dass sich Fußball und Thea- als solches geschwindelt ist und die Täu- ter, Politik und Macht gar nicht entflech- schung keiner höheren Wahrheit, sondern ten und trennen lassen. „Naja“, denkt der einer höheren Täuschung dient, dann Intendant im Stillen, „Mephisto: Eine Rolle ist das Theater (das des kleinen Mannes) eben. Und eine lohnende.“ keine moralische Anstalt mehr. Alle Werte Er spielt den Mephisto. Und als er nach sind zerbrochen. Wer das Gold hat, macht der Vorstellung in der Garderobe die Mas- die Regel. Für Geld kann man auch das ke abnehmen will, merkt er: Es geht nicht. Unverkäufliche kaufen: Das Gesetz. Es ist Sie ist angewachsen. nur eine Preisfrage, aus einer Täuschung Genau genommen ein tolles Stück mit ei- eine Wahrheit zu machen: Die normative ner tollen Botschaft: Sich nie wieder von Kraft des Faktischen. Für Geld kann man den Mächtigen belügen, verführen las- alles kaufen, alles gleichschalten, alle ver- sen! Nie wieder! Nie wieder! Und ein tolles führen: Die Medien. Die Menschen. Tau- Theater, dieses Reisending für 32000 klei- sche Fairness gegen Eigennutz. Tausche ne Männer. Aber wenn man genau hin- Gerechtigkeit gegen Gier. Tausche Sinn schaut, sieht man, dass die Bühne nicht gegen Sünde, tausche Geschichte gegen nur aus dem Spielfeld besteht, sondern Geschäft. Hereinspaziert! Hereinspaziert! auch aus den Tribünen bis hinauf unters Tor! Tor! Tor! Rundherum wird der kleine Dach. Das sind keine Zuschauer. Das sind Mann immer kleiner und merkt es nicht. allesamt Mitläufer, große wie kleine, alle Freilich bleiben die Fragen: Welcher Au- spielen sie mit, alle laufen sie mit. Und der tor würde so ein niederträchtiges Stück Beobachter muss sich fragen: Wo in die- schreiben? Welcher Regisseur würde so sem Theater ist Platz für die Zuseher? Und ein niederträchtiges Stück in einer mora- wer liest die Kritiken des Stücks? 

68 Martin G. Wanko

Die Wüste lebt* Mögliche Gedanken eines Teamtrainers. Mit Josef Hickersberger auf dem Golfplatz

Bühne: Eine grüne Oase als Golfplatz. ger. Für den Abschlag Im Hintergrund: Die Wüste und Pyrami- und die weiten Schlä- den. Ein Mann steht mit seinem Golfwa- ge, ab dem Bereich 140 Meter, auf dem gerl auf der Bühne, konzentriert sich auf Fairway, werden die Hölzer eingesetzt, den Abschlag. Der Mann ist als Scheich sie sind die längsten Schläger und haben gekleidet, mit Sonnenbrille. Schaut ir- den größten Schlägerkopf, und so auch gendwie verkleidet und nicht echt aus. die ‒ weiß das wer ‒ genau, die größte Reichweite ... . I. Szene. Der Vorteil von Golf ist der Ich hätte mir das nie antun dürfen. Schon Schläger. beim Meistertitel in Hütteldorf hab’ ich ge- Zum Publikum Aslama ... spielt weiter ... wusst, das dicke Ende wird erst kommen. Aslama ... immer weiter ... sbachir ... immer Schlägt ab. weiter ... Inti Läbäs ... spielt weiter ... Äna II. Szene. Wo ist mein Caddie? Hicke ... spielt weiter ... Aslama. Niemand spricht darüber, dass wir 5:1 ver- Und Tor? ... Nein, bitte nicht. Nicht für uns, loren haben, gegen Holland. Vor Holland nicht gegen uns. 1978, Cordóba, da hat ja noch 0:1 gegen Italien ... die Itaker wollten schon ein Tor Unterschied gereicht ... aber nicht höher gewinnen ... ja, das weiß nur bitte nicht Fußball, nein ... schon wenn ich niemand, weil wir das nicht wissen wollen daran denke, krieg ich’s mit der Angst zu ... sucht in seinem Caddie herum, schaut tun ... was soll man machen ... wissen Sie, welchen Schläger er braucht ... so ist wie das ist, wenn die so von hinten rauf- Golf viel einfacher ... präziser ... vielleicht kriecht ... die Angst ... wenn der Nacken machen es die Schläger aus, keine Bei- kalt ist, plötzlich die Kopfhaut nass wird ne mehr, keine Beinarbeit mehr, was im ... warum der Kopf auch gleich immer so Grunde sehr vernünftig ist ... der Ball wird heiß wird ... keine Ahnung ... und darum durch den Schläger präzise behandelt ... Golf ... da hab’ ich meine Ruhe ... da spielt eines haben ja diese zwei Sportarten ge- man im Grunde gegen sich, Golf beruhigt, mein: es sind Ballsportspiele, Rasenspiele macht ruhiger ... ärgert man sich, fehlt die je nach Platzverhältnissen ... und den Ur- Konzentration ... fehlt die Konzentration, sprung natürlich auch ... Schottland, En- ärgert man sich ... und da greif’ ich lieber gland ... beides Inselsportarten, obgleich zu meinem 5er Holz ... und schlag’ ab ... Inseln ... lassen wir das Thema lieber ... zieht auf, schlägt, schaut dem Ball nach ... so ... aber der Vorteil von Golf ist der Schlä- 30 ... 40 ... 70 Meter ... so ein Schlag mein

69 Die Wüste lebt - Martin G. Wanko

ich ... nicht Pass, Pass ... nein, nicht schon wonnen ... und dadurch kann man auch wieder Fußball ... mit Fußball kommt die rauchen und saufen, verliert man ja doch Angst, aber was soll man dagegen ma- zum Schluss so oder so alles ... und dar- chen ... ’78, ’78 haben wir keine Angst ge- um braucht der Mensch das Spiel, und habt, ’78 doch nicht ... als junger Mensch das ist so ... wenn es im Ernst nur Verlierer hat man keine Angst, die Angst kommt im gibt, gibt es im Spiel nur Gewinner ... nur Alter ... wenn nix mehr hinhaut ... aber so Gewinner und Fast-Gewinner ... der Fast- ein 70 Meter-Schlag und alles eitel Won- Sieg ist ja im Grunde fast so schön wie der ne, da denkt man an nix anderes ... keine Sieg ... dem Fast-Sieger geht’s eigentlich Angst, keine Sorgen, keine blöden Ge- gut ... dem ist niemand was zu neidig ... danken ... was denn auch, ich mein’, fast gewonnen Bleiben drei wesentlichen Fragen: ist halt auch verloren, aber ihm bleibt  Wo ist mein Caddie? auch die Illusion vom Sieg ... so schön ist  Ist ein Golfball noch ein Ball, oder ein das Siegen gar nicht ... siegen ist wie Sex, Kugerl? aber, hm ... dazu später ... ich meine, die  Warum habe ich mir das angetan? Sympathiewerte sind auch ganz in der Ich hätte mir das nie antun dürfen. Man Höhe, wenn man knapp nichts erreicht ... hätte mich nie fragen dürfen. Jetzt darf aber verstehen Sie mich nicht falsch, wir ich doppelt scheitern. Minus und Minus reden hier über Golf, GOLF! ... von mir aus ergeben im Sport kein Plus. Im Leben können wir auch über Autos reden, oder wahrscheinlich auch nicht. Das ist nur in Frauen ... ja, gerne, nur über Fußball nicht, der blöden Mathematik so dumm. Warum über Fußball sicher nicht ... und mit Ih- war ich nur so blöd und hab’ „ja“ gesagt. nen schon gar nicht ... nicht einmal privat Warum nur ... . Doppelt im Arsch ist ganz mach’ ich das ... falls Sie das interessiert, im Arsch. wie ich wohne ... in Hernals war ich nie Locht den Ball ein. lange, Hernals hat mich nie interessiert, Wenn nur alles so einfach wäre, im Leben. wer wohnt schon in Hernals ... als man den gefragt hat, warum er III. Szene. Über Fußball reden denn Innsbruck-Trainer und nicht Rapid- wir hier sicher nicht. Oberaffe wird, hat er gesagt, bin eh schon Sie müssen sich das so vorstellen: Ein Spiel in Wien geboren, jetzt muss ich nicht hat immer Gewinner und Verlierer. Ja, auch noch dort sterben ... der war nicht werden Sie denken, da ist schon was dran schlecht, was? ... dort wo ich jetzt wohne, ‒ ist er jetzt blöd, der Hicke, oder spinnt 20 Minuten westlich von Wien ... die Nähe der ... das wahre Leben ist gegensätzlich zum Hanappi-Stadion ... das war halt alles dem Spiel, es hat im Grunde nur Verlierer so lange wichtig, wie vieles in einem Mo- ... gegen den Tod hat noch niemand ge- ment wichtig ist ... aber heute im Grunde

70 Die Wüste lebt - Martin G. Wanko vollkommen unwichtig ... dort, wohin ich einmal das Wichtigste ... wenn in diesem geh’ ist so und so alles unwichtig, was sich Land die Richtung stimmt, kann eigent- hier abspielt ... dort war ich schon x-Mal lich nix mehr passieren ... dann ist man ein Meister ... aber wo ich wohne, wollten Sie gemachter Mann ... Sie sehen das doch wissen ... dort werde ich auch nicht auf auch so, oder? Fußball angesprochen ... aus einem ganz IV. Szene. Mit Hicke ist alles ein Drama. einfachen Grund: Ich geh’ dort nicht spa- zieren ‒ weil das Grundstück groß genug Mit Hicke ist alles ein Drama ... ein einzi- ist, dass man nicht auf die Straße gehen ges Drama ... eine Tragödie, nicht Drama muss, um einen klaren Kopf zu bekom- ... keine Komödie, sondern eine Tragödie men ...... mit Hicke ... Ziel des Spiels, des Golfspiels: Es gilt einen Koncilia ‒ Sara ‒ Pezzey ‒ Obermay- Ball, mindestens 42,67 mm Durchmesser er ‒ Strasser ‒ Hickersberger ‒ Kriegler und höchstens 45,93 Gramm schwer ... es ‒ Prohaska ‒ Kreuz ‒ Krankl ‒ Schachner gilt, den Ball mit möglichst wenig Golf- ‒ Obacher. Pezzey schaut von oben zu, schlägen von einer als Abschlag bezeich- was Krankl macht, wissen wir, er kranklt neten Fläche in Übereinstimmung mit mit Herzblut und röhrt, ähm, hört Musik, den Golfregeln in ein 10,8 cm durchmes- Schachner schmecken die Weißwürste sendes und in der Regel mehrere hundert auch schon lange nicht mehr ... was Stras- Meter entferntes Loch zu spielen ... weil ... ser, Kreuz, Krieger machen, das weiß ich ... weil anders kann ich das alles nicht er- nicht so genau, der Starek hat eine Tank- tragen, ist mein Leben für mich absolut stelle, die sein Bruder leitet, aber die gehört unerträglich ... warum man auch immer da nicht dazu, und der Gustl auch net ... eine zweite Chance hat, sich zur zweiten Im Grunde ist das alles wie ein Sternbild Chance hinreißen lässt ... ich weiß es nicht, ... deutet mit ... Koncilia schießt aus, Pez- ich weiß es nicht ... zey übernimmt, Pezzey flankt 40 Meter ... ich brauch’ jetzt wieder das 7er Holz, zu Krieger, der verlängert auf Krankl und man spürt im Alter die Sehnen, das Kreuz, zack ‒ zack ‒ zack ‒ und bumm! Egal ob beim Abschlag reißt es einen zusammen er das Spiel verstanden hat oder nicht, ... aber gelegentlich gelingt doch was ... er hat bumm gemacht. Der Spieler muss wenn es auch nicht einfacher wird und das Spiel nicht verstehen, der muss über- den Grundsätzen des Lebens wider- haupt nichts verstehen, er muss es nur er- spricht, dem langsamen Verlieren und fühlen, erspüren, der Trainer spielt nicht dem gleichzeitigen Zusich-Kommen ... mehr, deshalb muss er das Spiel verste- schlägt nun weit ab und zählt mit ... 30 hen ... er muss auch das Kartenspielen ... 40 ... 50 ... 70 ... vielleicht ... knapp über im Café Hummel verstehen, aber vor al- 80 Meter und die Richtung stimmt ... ist lem das Spiel am Rasen ... Pezzey ‒ Krie-

71 Die Wüste lebt - Martin G. Wanko

ger ‒ Krankl ... zack ‒ zack ‒ zack ‒ und ber Trainer, da tritt man die Kicker ... nein, bumm ... am Spielfeld versteht man das nein, das war ein Witz, ich doch nicht, nur alles nicht ... am Schlachtfeld weiß man foppen lass’ ich mich von den G’frastern nichts vom Sieg, nichts von der Trag- auch nicht ... beim Golfspiel muss ich mit weite, nichts vom Leiden, das vom Sieg meinen Händen arbeiten ... der Ball ge- ausgeht ... was außer einem untragbaren horcht noch nicht so, und das ist faszinie- Sieg hat uns Córdoba gebracht ... nichts rend ... schlägt ab ... weg, weg, weg, nein! ... kommt unerträglich von untragbar, ich ... jetzt liegt er im Bunker ... hab’ ich das weiß es nicht ... vom Mythos spürt man Malheur ... so wie jetzt eben, gehorcht der nichts, in dem Moment, in dem man ihn Ball noch nicht ... zumindest nicht mir ... macht ... der Mythos kommt immer erst und wenn man dann im Bunker drin ist, im danach ... später, viel später ... schlimmer Sand, am Sand ... dann spürt man, wie der als der Sieg ist im Grunde nur noch die Schweiß hochkriecht ... wie einen plötz- Niederlage ... . lich der Schweiß befällt ... vom Kopf bis Und so spiel’ ich lieber Golf unter Palmen zum Fuß ... den Rücken rauf auf alle Fälle ... wart’ auf meinen Caddie ... schau’ mir ... wie ein Zitteranfall ... zack und da ... von die Pyramiden an ... sehr schön ... und kei- wo kommt dieser scheiß Schweiß her, das ner spricht Deutsch, keiner kennt Córdo- ist eine gute Frage ... wo sitzt die Angst, ba, keiner kennt Hicke und keiner kennt eine vielleicht noch bessere Frage ... die irgendwas von uns ... das „uns“, wie mir Angst sitzt auf der gedemütigten Seele ... das „uns“ schon auf die Eier geht ... das dort sitzt sie, und dort kriegt sie niemand kann sich so und so keiner vorstellen ... mehr weg ... und wenn einem der Ball und darum spiele ich Golf ... ein faszinie- dann nicht mehr gehorcht, kommt sie. render Sport ... hab’ keine Lust mehr, den Dann ist sie da, die Angst. Ball mit meinen Füßen zu treten ... bin lie- Abschlag. 

* Auszug aus: Martin G. Wanko: Die Wüste lebt! Ein Monolog in 18 Szenen ‒ ein 18-Loch Golfplatz. Der Tag, an dem Niki Lauda starb. In der „edition keiper“ als Volltext publiziert und außerdem vom Landestheater Vorarl- berg im April 2008 uraufgeführt

72 Junge Steirerinnen und Steirer: Was bringt die EURO 2008?

Oliver Jug Jutta Konschegg Wenn König Fußball regiert - Alles wird perfekt Fanatismus oder Fußballwahn vermarktet

Ob Skifahren, Eishockey oder Tennis, keine Die EM ist nicht mehr weit entfernt und Sportart erfreut sich einer vergleichbaren in Österreich macht sich bereits eine ge- Beliebtheit wie Fußball. Wenn Hunderttau- wisse Vorfreude breit. Diese drückt sich sende im Juni 2008 nach Österreich pilgern, durch euphorisches Panini-Sticker-Sam- gibt es nur einen Grund, die Europameis- meln und Bier auf Vorrat terschaft steht vor der Tür. Nächtigt man kaufen aus. Vor allem für die Dauer der EM im Wiener „Fancamp“ freuen sich die Unter- (Massenlager), muss man nehmer, dass sie wirklich knapp 1.000 € pro Per- jeden Artikel mit einem son bezahlen, möchte EM-Logo versehen kön- man das Finalspiel live im nen, um ihre Waren bes- Stadion erleben, werden ser an den Mann oder laut jüngsten Meldungen die Frau bringen zu können. Für mich bis zu 5.000 € fällig. persönlich ein wenig zu viel, denn der Der Fanatismus der Fuß- Sport steht nicht mehr im Vordergrund; ballfans ist mit keiner anderen Sportart aber die Menschheit hat die Gabe, alles zu vergleichbar, um das eigene Team bis ins vermarkten. Finale zu begleiten, werden weder Kosten Andererseits blickt in dieser Zeit die gan- noch Mühen gescheut. Ob Dachdecker ze Welt nach Österreich. Wenn wir uns oder Broker, Maurer oder Topmanager also von unserer besten Seite präsentie- ‒ wenigstens im Stadion sind alle Zuse- ren können, bedeutet dies unglaubliche her gleich. Das Gefühl gemeinsam mit Werbung für unser Land. Alles im allem 50.000 Gleichgesinnten den Schal in die freue ich mich schon auf diese EM, denn Hand zu nehmen, die Fahnen zu wehen ich gehöre zu den Glücklichen, die eine und Schlachtgesänge anzustimmen, ist EM-Karte für ein Spiel in Salzburg bekom- ein unvergleichliches. Stimmt euch auf men haben. Dieses Spiel wird meine erste ein einzigartiges Erlebnis ein und lasst der größere Fußball-Veranstaltung sein, bei Begeisterung freien Lauf, so bald werden der ich live in einem Station sein werde. wir diese Chance wohl kaum wieder er- Ich bin schon sehr auf die Stimmung am langen. 10. Juni gespannt.

Oliver Jug, geb. 1981, Student Jutta Konschegg, geb. 1986, Studen- (Rechtswissenschaften), Universität tin (Umweltsystemwissenschaften), Graz, Veranstaltungsmanager. Universität Graz.

73 Junge Steirerinnen und Steirer: Was bringt die EURO 2008?

Stefan Naglis Stefanie Petscharnig Furcht vor EURO 2008 akutem Juckreiz - Fluch oder Segen?

Ja, ich freue mich auf diese EURO. Ich freue Die Euro 2008 ist für mich gleicherma- mich auf spannende Spiele, Ballkunst auf ßen ein Segen und ein Fluch. Da ich aus höchstem Niveau, die Emotionen und Klagenfurt komme, und nicht unweit darauf, die freudigen und die tragischen vom Stadion entfernt wohne, habe ich Momente mitzuerleben. Aber ich fürchte einige Befürchtungen, was unser ruhi- mich auch. Nicht vor den bierdunstigen, ges, beschauliches Heim anbelangt. Laut grölenden Fans, die Parkanlagen versauen Zeitungsberichten und Internetportalen werden. Ich bin doch kein kleinkarierter haben Fußballfans und Hooligans die Spießer. Auch Spiele wie Polen gegen Kro- Absicht, sich zu Gruppierungen zu verei- atien in Klagenfurt fürchte ich nicht. Ich bin nigen, deren Vorhaben im gewaltsamen ja kein schlecht vorbereiteter Polizist. Aufeinandertreffen auf Als Fußballfan, der obendrein Österreicher gegnerische Fans und ist, fürchte ich mich ausschließlich und in Zerstörung und Ver- auch ausdrücklich vor wüstung, u.a. der Stadt allen weiteren Cordoba- Klagenfurt, liegt. Reminiszenzen. Sie füh- Kein Wunder, dass sich ren zu akutem Juckreiz. unter den Einwohnern Dieser komplexbehaftete aller Austragungsor- Mythos eines Spiels, bei te, sowohl in Österreich als auch in der dem es sportlich gese- Schweiz, großer Unmut auftut. hen um genau gar nichts Man sollte aber auch so gerecht sein und ging, ist widerlich und zeigt die andere, an die positive Seite der Europameister- die niederträchtige Seite des Gesamtphä- schaft denken. Die Wirtschaft wird durch nomens Fußball. Aber der Österreicher ist tausende Hotelbuchungen oder auch eben ein elliptischer Mensch, wie schon den Verkauf von Werbeartikeln angekur- der Sportjournalist Johan Skocek feststell- belt, und auch nicht so bekannte öster- te. Er hat zwei Mittelpunkte, einen tragi- reichische Städte wie Wien können sich schen und einen komischen. Elliptisch ist vor einem riesigen Publikum von ihrer auch die Grundform des Stadions. Wir wer- besten Seite präsentieren und somit in den also ein guter Gastgeber sein. aller Munde sein.

Stefan Naglis, geb. 1980, Pressespre- Stefanie Petscharnig, geb. 1987, Stu- cher eines globalen Energieunterneh- dentin (Rechtswissenschaften), Univer- mens und fußballbegeistert, Wien. sität Graz.

74 Junge Steirerinnen und Steirer: Was bringt die EURO 2008?

Constantin Mayr Katrin Russ Sind wir auch „Sport ist eine Tätig- bereit dafür? keitsform des Glücks“*

Ganz Wien wartet mit großer Freude auf Fußball und Frauen? Passt nicht zusam- die Europameisterschaft in Österreich. men? Meiner Meinung nach doch, denn Doch ich mache mir auch Gedanken, ob dieses Spiel ist sehr stark an verschiedens- wir Österreicher bereit sind für diese Mas- te Emotionen gekoppelt und gerade die- sen an Menschen, die z.B. in Wien die In- se können Frauen doch nenstadt stürmen werden. Die Fan-Meile leichter zeigen, oder? auf der Wiener Ringstraße, das Zentrum Am Fußballspiel begeis- des wilden Treibens, ist tert mich nämlich gera- ein Versuch, die Massen de die Leidenschaft alle in einem überschauba- Höhen und Tiefen mit ren Bereich zu sammeln meiner Mannschaft zu und ihnen einen Platz durchschreiten, jubeln zum Feiern zu geben. zu können und leider auch manchmal den Vieles ist aber noch un- Tränen nahe zu sein. Deshalb empfinde klar. Selbst ich, als unmit- ich es auch als sehr schön, dass die EURO telbarer Nachbar der Fan-Meile, habe noch 2008 unter dem Motto „Expect Emotions keinerlei Informationen bekommen, wann, ‒ Erlebe Emotionen“ steht, denn nichts wie lange und in welchem Ausmaß dieses könnte diese Zeit im Juni 2008 treffender Spektakel stattfinden wird. Ich habe Ge- beschreiben. rüchte gehört, dass man für die Fan-Meile Ein weiterer großer Spaßfaktor, welcher Eintritt zahlen muss. Angeblich wird dort schon ein paar Monate vor dem Beginn auch nur Leichtbier zu kaufen sein. Es wäre der Euro genossen werden kann, stellt für ein leichtes, Gerüchte dieser Art mit einer mich das Sammeln von „Pickerln“ für mein Info-Kampagne aus der Welt zu schaffen. Stickeralbum dar. Es ist wahnsinnig schön Trotz vieler Unklarheiten freue ich mich zu beobachten, dass so viele Menschen schon sehr auf die EM und alle Fußball- sich zusammentun und Tauschbörsen in fans, die aus ganz Europa zu uns kom- ganz Europa gründen, um ihr Sammelal- men. Es ist eine große Chance, uns als bum vervollständigen zu können. Ich bin touristenfreundliches und weltoffenes auf jeden Fall mit dabei! Österreich zu präsentieren. * Martin Kessel, deutscher Schriftsteller

Constantin Mayr, geb. 1988, Student Mag. Katrin Russ, geb. 1982, Studentin (Wirtschaftsrecht), Wirtschaftsuniver- (Rechtswissenschaften und Doktorat sität Wien. Geschichte), Universität Graz.

75 Junge Steirerinnen und Steirer: Was bringt die EURO 2008?

David Obererlacher Herta Schrei Fußball ÄÄhmm!? Immer wieder Österreich!

Ja, natürlich habe ich mich auch gefreut, Nirgendwo sonst sind wir Österreicher als Österreich und die Schweiz den Zu- solche Patrioten, wie im Sport. Die Euro- schlag für die Fußball-Europameister- pameisterschaft 2008 ist daher quasi die schaft 2008 erhalten haben. Ich habe mich Schaumkrone aller Olympischen Spiele, auf die vielen Fans und fremden Kulturen, aller je gewesenen Weltcupabfahrtsren- die in unserem Land feiern, gefreut. nen und Schanzen-Tourneen. Und trotz- Aber das mediale und politische Ge- dem ‒ eine Fußballernation waren wir heuchle rund um diesen Event ist kaum nie, und werden wir ‒ wenn wir ehrlich durchzustehen. sind ‒ auch nie sein. Wir haben es ja mittlerweile alle tausend Cordoba ist tatsächlich Vergangenheit Mal begriffen und es ist ja eh super, aber und „narrisch“ werde ich vor allem bei deshalb hebe ich jetzt nicht meine gan- dem übertriebenen Me- ze Kohle ab und kaufe mir irgendeinen diengetöse rund um die Schmarrn, nur weil Europameisterschaft EM. Überall nur Fußball ist. Und ich werde mir dort und EM da, Fan- auch weiterhin Gedan- tour, Pickerl, Prognosen ken zur Politik in diesem und Wetten, das ganze Land und zu anderen Land spinnt! wichtigeren Fragen un- Andererseits ist die Euro serer Gesellschaft und ein einzigartiges Sportereignis zum An- unseres Lebens machen greifen und Mit(er)leben, das den Groß- und nicht im Fußball-Eu- teil der Bevölkerung derartig mitreißt, ropameisterschafts-Freudentaumel ver- wie kaum sonst etwas. sinken. Ich habe mich also entschieden: Raus Dann wünsche ich mir doch lieber eine den Wimpel, den Schal und die Fahne, Europameisterschaft irgendwo anders. rot-weiß-rot auf die Backen geschmiert, Mit einfach schönem Sport und echten stolz mit den ergatterten Karten zum Emotionen, mit den Leuten, mit denen Stadion gepilgert und auf den Rängen man sie wirklich empfinden will. Fern ab euphorisch aus vollem Hals geschrien: von einer Gesamt-Nationalen-Wunsch- Immer wieder, immer wieder, immerwie- Hysterie. der Österreich!

David Obererlacher, geb. 1985, Stu- Herta Schrei, geb. 1982, Angestellte, dent (Deutsche Philologie), Universi- Projektmanagerin bei der MedienAgen- tät Graz. tur 2412, Dr. Kopp & Penz GmbH, Graz.

76 Ex libris

Erich Fröschl, Helmut Kramer, Lopatka, Mantl, Piza, Poier, Prisching, Eva Kreisky (Hg.) Schilcher, Schnider (Hg.): Politikberatung zwischen Steirisches Jahrbuch für Affirmation und Kritik Politik 2007

Welche Rolle spielt die Politikwissenschaft Gelungene Analysen steirischer, öster- in der Politikberatung und welche Bedeu- reichischer und internationaler Entwicklun- tung hat die Beratung im politischen Pro- gen, pointierte Kommentare zu Ereignissen zess? Um die Beantwortung dieser Fragen des vergangenen dreht sich das vorliegende kritische Buch Jahres sowie Zu- namhafter Politologen. In Österreich hat kunftsvisionen ‒ sich seit den 90ern dieser gelungene ein rasant wach- Themenmix zeich- sender Markt für net das „Steirische Coaching- und Jahrbuch für Poli- Beratungstätig- tik“, das mit dem keiten in der Po- Jahresband 2007 litik aufgetan. Vor bereits zum achten allem die kom- Mal erscheint, aus. merziell orientier- Nach der Rubrik „Perspektiven der Zeit“ mit te Politikberatung einem Beitrag des Spitzenphysikers Haim boomt, man sieht Harari folgen vier Großkapitel: „Österreich sie als Managementinstrument, mit dem und Steiermark live“ mit Berichten und demokratische Entscheidungsprozesse Kommentaren u.a. über die aktuelle In- beeinflusst werden können. nenpolitik, den Papstbesuch und die Wirt- Mehrere Generationen heimischer Poli- schaftsentwicklung; „Schulreform“; „Die tikwissenschaftler beschäftigen sich in steirische Wirtschaft in der ‚globalisierten’ diesem Kontext mit aktuellen Trends und Welt“ sowie „Weltpanorama“ mit Einschät- Perspektiven in der österreichischen Po- zungen zur politischen Entwicklung der EU litikberatung und der Rolle der Beratung sowie ausgewählter Staaten wie Großbri- im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft tannien, Frankreich, Italien, Russland, Uk- und Politik. Damit schaffen sie ein span- raine und USA. Autoren des interessanten nendes Nachschlagewerk, das viele neue Nachschlagewerkes sind u.a. Erhard Busek, Einblicke in das rasch expandierende Feld Egon Kapellari, Wilhelm Molterer, Theo der Politikberatung bietet. (NL) Öhlinger und Susanne Scholl. (NL)

ISBN: 978-3-7003-1619-0 - € 24,90,- ISBN: 978-3-902020-40-6 - € 19,- Braumüller Verlag, Wien 2007 schnider‘s, Graz 2008

77 Ex libris

Erhard Busek Tamara Ehs Eine Seele für Europa. Hans Kelsen und politische Aufgaben für einen Kontinent Bildung im modernen Staat

Erhard Busek, lange Jahre Sonderkoordi- Der als „Schöpfer“ der österreichischen nator des Stabilitätspaktes für Südosteu- Bundesverfassung bekannte Hans Kelsen ropa, Präsident des Europäischen Forums kann unbestritten als einer der bedeu- Alpbach, greift die Forderung des ehema- tendsten Juristen des 20. Jahrhunderts ligen EU-Kommissionspräsidenten Jac- bezeichnet werden. Kelsen trat auch stets ques Delors auf: „Europa eine Seele ge- für eine wissenschaftliche Weltauffassung ben“, um in einer Zeit, in der Kritik an der und seinem Bildungsideal folgend für EU und ihrer Entwicklung in aller Munde politische Bildung der gesamten Bevöl- ist, ein Plädoyer für Europa in ein span- kerung ein, weil er in der Ausbildung zur nendes und lesenwertes Buch zu gießen. kritischen Urteilsfähigkeit die grundlegen- Busek, Europäer von Kopf bis Fuß, spricht de Vorraussetzung viele Themen von Politik, im Inneren und für die Teilnahme Äußeren, über Wirtschaft bis zu Religion am demokrati- und Kunst und schen Dialog sah. Kultur an, zeigt Im vorliegenden oft unterschätz- Band wird ein na- te Erfolge auf, hezu unbekann- bietet aber auch ter Aufgabenkreis e i n l e u c h t e n d e des vielseitigen Erklärungen für Juristen beleuch- so manches, was tet: sein Wirken als noch nicht funkti- Volksbildner in den Jahren 1910 bis 1930 oniert. Busek zeigt in Wien. In dieser Zeit hielt er in öffentlich Lösungswege auf, zugänglichen Volksbildungseinrichtun- um die emotionale Kluft zwischen den gen gut besuchte Kurse zu politischen Europäern und dem Prozess der europä- und verfassungsrechtlichen Themen. ischen Entwicklung zu überbrücken, und Die Autorin schildert in ihrem Buch damit stellt diese wie sein Buch unter das Motto nicht nur das bisher unerforschte Wirken „In der Liebe zu Europa soll uns niemand Hans Kelsens, sondern vielmehr auch den übertreffen!“ Ein für den Laien wie den In- Beginn der Geschichte moderner politi- sider spannend zu lesendes Buch! (KP) scher Bildung in Wien. (KR)

ISBN: 978-3-218-00779-5 - € 19,90 ISBN: 978-3-214-07675-7 - € 34,90 Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2008 Manz Verlag, Wien 2007

78 Autorenverzeichnis

Dr. Urs Altermatt, geb. 1942, o.Prof. für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg/Schweiz, Rektor a.D..

Dr. Gerald Angermann-Mozetič, geb. 1951, a.o.Univ.Prof. am Institut für Soziologie der Universität Graz.

Mag. David Brenner, geb. 1971, Landeshauptmann-Stellvertreter und Sportlandesrat des Landes Salzburg.

Mag. Gabi Burgstaller, geb. 1963, Landeshauptfrau des Landes Salzburg.

Dr. Michael Friedrich, geb. 1969, Vertragsassistent am Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Universität Graz.

Mag.Dr. Oliver Fritz, Ph.D., geb. 1967, unabhängiger Wirtschaftsforscher.

Mag. Claudia Gigler, geb. 1962, Redakteurin bei der Kleinen Zeitung, Ressort Innen- und Landespolitik.

Dr. Egyd Gstättner, geb. 1962, Schriftsteller und Kolumnist, u.a. bei der Kleinen Zeitung und bei Die Presse.

Dr. Alfred Gusenbauer, geb. 1960, Bundeskanzler der Republik Österreich.

Dr. Jörg Haider, geb. 1950, Landeshauptmann des Landes Kärnten.

Josef Hickersberger, geb. 1948, Teamchef der Österreichischen Fußballnationalmannschaft.

Mag. Olga Hutter, geb. 1958, Co-Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft des ÖFB, Trainerin des SV Neulengbach.

Mag.DDr. Gerhard Kapl, geb. 1946, Präsident des Steirischen Fußballverbandes, Vizepräsident des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB).

Mag. Martin Konrad, geb. 1972, TV-Journalist bei der Premiere Fernsehen GmbH.

Dr. Reinhold Lopatka, geb. 1960, Sportstaatssekretär im Bundeskanzleramt.

Heinz Palme, geb. 1958, Geschäftsführer der Initiative „Österreich am Ball“, Chefkoordinator der Bun- desregierung für die Fußball-EM.

Thomas Plauder, geb. 1973, Redakteur bei der Kleinen Zeitung, Ressort Sport.

Konrad Plautz, geb. 1964, FIFA Schiedsrichter.

Dr. Klaus Poier, geb. 1969, Ass.Prof. am Insititut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Ver- waltungslehre der Universität Graz.

Astrid Schrenk, geb. 1971, Stellvertreterin des Landespolizeikommandanten für Kärnten.

Hermann Schützenhöfer, geb. 1952, Erster Landeshauptmann-Stellvertreter der Steiermark.

Mag.DDr. Michael Steiner, geb. 1951, Leiter des Instituts für Technologie- und Regionalpolitik der Joanne- um Forschungsgesellschaft mbH, Univ.Prof. am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Graz.

DI Friedrich Stickler, geb. 1949, Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB).

Dr. Karl Stoss, geb. 1956, Generaldirektor der Casinos Austria AG, Mitglied des Universitätsrates der Uni Wien.

DDr. Werner Suppanz, geb. 1961, Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Universität Graz.

Martin G. Wanko, geb. 1970, Journalist und Autor zahlreicher Romane und Theaterstücke, lebt in Graz und Bregenz.

79 Wissenschaftlicher Beirat

Univ.-Prof. Dr. Manfred Prisching Univ.-Prof. Dr. Yvonne Luisi-Weichsel (Vorsitzender) Univ.-Prof. Dr.Dr.h.c. Wolfgang Mantl Univ.-Prof. Dr. Bernd Schilcher Univ.-Prof. Dr. Franz Marhold (stv. Vorsitzender) Hon.-Prof. Dr. Bernhard Pelzl Univ.-Prof. Dr. Kurt Salamun Univ.-Prof. Dr. Walter Pieringer (stv. Vorsitzender) Ass.-Prof. Dr. Klaus Poier Univ.-Prof. Dr. Alfred Ableitinger Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Benedek Univ.-Prof. Dr. Reinhard Rack Univ.-Prof. Dr. Edith Gößnitzer Univ.-Prof. Dr. Wolf Rauch Univ.-Prof. Dr. Marianne Hilf Univ.-Prof. DDr. Willibald Riedler Univ.-Prof. Dr. Franz Jeglitsch Mag. Dr. Wolfgang Schinagl Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer Univ.-Prof. Dr. Stefan Karner Univ.-Prof. DDr. Ota Weinberger Ass.-Prof. Dr. Renate Kicker Univ.-Prof. Dr. Kurt Weinke Prof. Dr. Karl A. Kubinzky Univ.-Prof. Dr. Heimo Widtmann

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