Das Stadion Brügglifeld

Autor(en): Rauber, Herrmann

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Aarauer Neujahrsblätter

Band (Jahr): 88 (2014)

PDF erstellt am: 05.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-558863

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http://www.e-periodica.ch Herrmann Rauber

Das Stadion Briigglifeld

Der Sportplatz Briigglifeld, die Heimstätte des FC Aarau, ist längst Kult geworden. Das bald 90 Jahre alte Stadion wird gern als «letzte Trutzburg» oder als «Relikt aus längst vergangenen Zeiten» apostrophiert. Trotzdem sind seine Tage gezählt, das Projekt einer neuen Anlage im Torfeld Süd ist aufgegleist, auch wenn um die Baubewilligung noch heftig gestritten wird.

Am 10. Juli 1898 fand im Aarauer Schachen das und verfügte über keinerlei Infrastruktur. erste offizielle Fussballspiel der Region statt, Während der ersten sieben Saisons war das und zwar aut Initiative des städtischen Ver- Spielfeld nicht umzäunt, erst ab 1909 stellte kehrs- und Verschönerungsvereins unter der man bei Meisterschaftsspielen eine Wand aus Leitung von Gustav Gerber, dem Hotelier im Sackleintuch auf. Wer nicht zahlte und trotz- «Gerber-Terminus» (heute «Aarauerhof»). Zur dem zuschaute, wurde mit Schirmen und gleichen Zeit begannen sich Schüler der Kan- Stöcken vertrieben. Die Garderoben für die tonsschule und der Bezirksschule für diesen da- Heim- und Gästemannschaft befanden sich im mais noch heftig umstrittenen Mannschafts- nahen Restaurant Fehlmann (später «Schüt- sport zu begeistern. Auf diesem Boden wuchs zengarten», heute «Schützen»). Duschen gab die Idee, einen eigenen Verein zu gründen. Am es lange Jahre überhaupt nicht, die Aktiven 26. Mai 1902 wurde der Wunsch zur Realität: wuschen sich Füsse und Schuhe im benach- Der FG Aarau konnte in der Brauerei Ryniker harten SchanzrainbächIi. (später «Salinen», heute «Spaghetti Factory») Der Schachenboden eignete sich hervorragend an der Metzgergasse aus der Taufe gehoben als Unterlage für das Fussballspiel, liess doch werden. Zu den Gründern zählten Stadtbekann- der kieshaltige Grund allfälliges Regenwasser te Persönlichkeiten wie Emil Faes (erster Präsi- rasch abfliessen. Der Nachteil war, dass auf der dent), August Frey, Hans Burgmeier, Hans Aarauer Allmend keine festen Bauten errichtet Hofmann, Fritz Brunnhofen Eugen Fahrländer, werden durften. So musste der Glub Torpid- Walter Kielholz, Gottlieb Lenzin oder Ferdi- sten und Umzäunung für jeden Match neu nand Zurlinden.' aufstellen und anschliessend wieder abbre- Der erste Fussballplatz für den FC Aarau lag chen. Zudem beschwerte sich das Militär, ein im vorderen Schachen, ungefähr im Bereich anderer Nutzer des Schachens, wiederholt we- des sogenannten Pfauenischlags. Das Feld gen der Löcher im Boden, die für die Kavalle- wurde von der Stadt zur Verfügung gestellt riepferde gefährlich werden konnten.

9 1912: erstes Gesuch für das «Brüggtifeld» Erst 1921 kam die Frage nach einem neuen Trotz dem bescheidenen Komfort feierte der Sportplatz für den FC Aarau wieder auf den junge FC Aarau im Schachen seine ersten gros- l isch. Zwei Jahre später gelang dann dank dem sen Erfolge. «Die unermüdlichen und ziihen Entgegenkommen der Ortsbürgergemeinde Kämpfer aus der kleinen Aarestadt» (so die Aarau, der Landeigentümerin im Brügglifeld, « Schweizerische Fussballzeitung» schafften endlich der grosse Wurf. Am 28. September 1923 am Ende der Saison 1911/12 den ersten Schwei- gab der Gemeinderat grünes Licht für eine zermeistertitel und wiederholten diesen Coup «Neuverpachtung des Brügglifelds» an den FC zwei Jahre später mit einem Finalsieg gegen die Aarau. Am 15. Januar 1924 bereiteten einige be- Berner Young Boys. Weil mittlerweile auch der standene Clubmitglieder und Freunde des Ver- Schweizerische Fussballverband die offenba- ren Mängel rund um das Feld im vorderen Schachen zu rügen begann, wandte sich der FC «Das neue Heim bildet einen Markstein im Aarau am 28.August 1912 mit dem Gesuch Leben des FC Aarau, ein neuer Geist der nach einem neuen Stadion an den Aarauer Einigkeit soll aus dieser Anlage erwachsen» Stadtrat. Weil man im Schachen keine Zukunft sah, nahm die Clubleitung das Terrain im eins den Boden vor, auf dem noch im März die Brügglifeld auf Suhrer Gemeindegebiet ins Vi- Gründung der Platzgenossenschaft Brügglifeld sier. Die Behörde allerdings verwies in ihrer stattfinden konnte. Nun ging es in rasendem Antwort auf die an diesem Ort geplante Gü- Tempo voran. Der erste Spatenstich für das terregulierung, die unbedingt abzuwarten sei. künftige Stadion ging bereits am 28.März über Das Verfahren endete schliesslich vor Bundes- die Bühne, am 12. Oktober nahm der Stadtclub gericht und konnte erst 1919 abgeschlossen die neue Anlage samt der Tribüne in Betrieb, werden.- und zwar mit einem Eröffnungsspiel gegen den Der Verein wollte sich mit der drohenden Ver- damaligen Schweizermeister FC Zürich. zögerung in Bezug auf die Stadionfrage nicht «Das neue Heim bildet einen Markstein im Fe- abfinden und unternahm auf eigene Faust Son- ben des FC Aarau, ein neuer Geist der Einigkeit dierungen an anderen Standorten. Bereits im soll aus dieser Anlage erwachsen», erklärte

Jahr 1913 hoffte man auf ein auf den ersten Blick Gottlieb «Gödi» Lenzin an der offiziellen Ein- aussichtsreiches Projekt in der damals noch weihung der Sportanlage Brügglifeld vor 1500 weitgehend unbebauten Telli, letztlich aller- Schaulustigen, unter ihnen auch Stadtammann dings ohne Erfolg. Nicht in Frage kam auch der Hans Hässig. Die «wohlbesetzte Tribüne» bot Standort südlich des Bezirksschulhauses im im goldenen Herbstsonnenschein einen «neu- Zelgli. Monate später schien ein neuerlicher artigen und imposanten Anblick» und bestach Anlauf endlich zu gelingen. Die Verhandlungen durch ihren «einfachen Schmuck». Für die ver- über eine Platzanlage im Rössligut (zwischen schwitzten Spieler stand nach dem Match in der Zeughaus und Balänenweg) standen kurz vor Garderobe nun sogar warmes Wasser zur Verfü- dem Abschluss, als der Ausbruch des Ersten gung, ein Komfort, der künftig «verhüten soll, Weltkriegs im Spätsommer 1914 alle Bemti- dass die Anhänger des FCA kalt geduscht wer- hungen des FC Aarau abrupt unterbrach und den», wie das Aarauer Lokalblatt maliziös ver- für Jahre lahm legte. merkte.

10 Der Flurname «Brügglifeld» (oder namentlich seit 1924 der Platzgenossenschaft mit einem in Suhrer Gemeindeakten «Brügglefeld») ist langjährigen Baurechtsvertrag zur Verfügung. erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ge- Die Genossenschaft hatte früher den Zweck, bräuchlich. In früheren Zeiten hiess das Gelän- «einen Sportplatz zur Förderung von sport- de südwestlich des Stadtbachs «Brüel», womit liehen Leibesübungen zu errichten», seit 2009 man in historischen Zeiten eine feuchte, oft gilt eine moderne und erweiterte Fassung auch von Buschwerk umstandene Wiese be- («Förderung von sportlichen Leistungen durch zeichnete. Zu einem nicht mehr genau eruier- Erstellung von Sportplätzen, den Betrieb einer baren Zeitpunkt ging das Verständnis für den Tribüne, weiterer Gebäulichkeiten und anderer ursprünglichen Namen verloren und machte - Einrichtungen»), Die Platzgenossenschaft stellt wohl wegen der verschiedenen kleinen Brücken dem Fussball-Club alle drei Spielfelder kosten- über den Stadtbach - dem «Brügglifeld» Platz. los zur Verfügung, ihre Einnahmen resultieren Dabei hätte das einstige «Brüelifeld» angesichts aus der Verpachtung von Werbeflächen sowie der lautstark geäusserten Emotionen des Publi- aus den Kiosk- und Restaurantzinsen. kums an einem Fussballmatch noch heute durchaus seine Berechtigung. 1929: neue Tribüne nach Brand Das Land im «Brügglifeld» gehört noch heute, Der ersten Holztribüne von 1924 sollte nur ein obwohl auf Suhrer Gemeindebann gelegen, der kurzes Leben beschieden sein. Am 22. Septem- Aarauer Ortsbürgergemeinde. Diese stellt es ber 1929 fiel die Konstruktion einem Brand zum

1 Die erste Tribüne des Stadions «Brügglifeld» stammt aus dem Jahr 1924.

11 Opfer. Laut einem Bericht in der Lokalzeitung den sich 3500 Personen im Stadion ein, was da- schoss kurz nach 20 Uhr, wenige Stunden nach mais Clubrekord bedeutete. Die neue Tribüne dem Schlusspfiff des Meisterschaftsspiels gegen lehnte sich äusserlich an die alte an, allerdings den FC Bern, «eine hohe Feuersäule aus der Tri- mit einem flachen Dach, das von den Sitzplät- btine», gegen die die Feuerwehren von Aarau zen aus einen «besseren Ausblick gestattete». (trotz der neuen Motorspritze) und Suhr keine Bei aller Freude über den neuen Sportplatz darf Chance hatten. Die Brandursache konnte nie nicht vergessen werden, dass sich die Aarauer geklärt werden, man glaubte am ehesten an ei- Fussballfamilie beim Bau des «Brügglifelds» fi- nen «elektrischen Defekt». Gerüchten zufolge nanziell übernommen hatte. Die Bezahlung der soll bereits um 18 Uhr Brandgeruch wahrge- Arbeiten erfolgte nur dank einem Bankdarle- nommen worden sein, was vom Stadionwirt, hen, das nach und nach von der Platzgenossen- der bis 19 Uhr aufräumte, aber vehement be- schaff amortisiert werden musste. Angewiesen stritten wurde. war man dabei auch auf Mietzinszahlungen des Übrig blieb ein «wüstes Trümmerfeld». Doch Clubs, der aber schon damals nicht auf Rosen was kaum jemand für möglich hielt, wurde Tat- gebettet war und den Obolus hin und wieder sache. Das Herzstück des «Brügglifelds» konnte schuldig blieb. Dafür verzichtete die Ortsbiir- innerhalb von nur zwei Monaten wieder aufge- gergemeinde Aarau über mehrere Jahre auf die baut und bereits am 24. November bezogen Einforderung der Baurechtsabgabe. werden. Auf dem Platz traten aus diesem Anlass Freude des die - zur Publikums - im Vorspiel 2 Die Holztribüne von 1924 fiel am 22. September Mannschaften von Baden und Ölten sowie im 1929 einem Brand zum Opfer. 3 Das erste Aarauer Fussballstadion befand sich von Hauptspiel der FC Aarau die Grasshop- gegen 1902 bis 1924 im vorderen Schachen, im Hintergrund pers aus Zürich an. Trotz garstigem Wetter fan- ist die Altstadtsilhouette mit der Stadtkirche erkennbar.

12 1939 hatte die Platzgenossenschaft noch immer 1959: Ausbau des Stadions eine verbürgte Bankschuld von 27 500 Franken. Die Tilgung der Hypothek erstreckte sich bis ins Gleichzeitig wurde die «Ausbesserung der Jahr 1949. Nun war der Weg frei für den weite- Platzanlage», namentlich der Eingangspartie, ren Ausbau der Sportstätten. Am 27. April 1959 der «Brüstungs- und Reklamewand» und der stimmte die Gemeindeversammlung der Stadt äusseren «Einfriedung», zur «dringenden Not- Aarau einem Beitrag von 70000 Franken zur wendigkeit». Die Behörde verschluss sich dem Sanierung und Erweiterung der Anlagen zu, die Gesuch der Platzgenossenschaft und des FC in den folgenden Jahren realisiert wurden. All Aarau um finanzielle Unterstützung nicht. Sie diese Bemühungen erhielten durch Ernst Wüth- begründete diesen Schritt unter anderem mit rieh ein prägendes Gesicht. Der städtische dem Hinweis, dass «das Eidgenössische Militär- Werkmeister nahm im gleichen Jahr seine Tä- département dem Fussballsport grosses Ver- tigkeit im Vorstand der Platzgenossenschaft auf ständnis entgegenbringt» und die Besucher des und war ein Multitalent in der Fussballfamilie, Sportplatzes Brügglifeld «auch den Gewerbe- stellte er doch seine Tatkraft auch als Junioren- treibenden in der Stadt einen gewissen Ver- Obmann, Trainer und Fussballinstruktor zur dienst verschaffen». Die «Gmeind» bewilligte Verfügung. Schliesslich sorgte Wiithrich mit dank diesen schlagenden Argumenten den be- seinen Mannen vom Werkhof auch für einen anfragten Betrag von 13 500 Franken, allerdings stets gepflegten und meistens sattgrünen Na- mit der Auflage, dass «die Ausführung unter turrasen im «Brügglifeld». Aufsicht der städtischen Bauverwaltung ge- Zum Bauprogramm gehörten namentlich zwei schieht». zusätzliche Trainingsfelder und der Ausbau des

13 Stadions auf ein Fassungsvermögen von rund Standort des Aarauer Fussballstadions zu kei- 13000 Zuschauern. Beim Aushub der nahen rem gemeinsamen Nenner führte. 1966 musste Kunsteisbahn Keba nutzte der FC das anfal- als Folge eines starken Sturmwindes in einen lende Erdmaterial für die Erstellung einer neuen Totomaten und einen Balllänger inves- Stehrampe gegenüber der Tribüne, wobei die tiert werden. Dieser verhinderte aber nicht, Zuschauerinnen und Zuschauer auf alten Ei- dass bei allzu kräftigen Fehlschüssen oder Ab- senbahnschwellen aus Holz Halt fanden. Beson- wehrreaktionen auf das obere Torgehäuse das ders berüchtigt waren die Stehplätze links und runde Streitobjekt hin und wieder im Stadtbach rechts des Tribünengebäudes, die so genannten landete und jeweils vom Platzwart herausge- «Feldherrenhügel». Hier standen besonders kri- fischt werden musste. 1968 ergänzten als Zei- tische Fans, die sich nicht scheuten, allfälligem chen der Zeit Reklametafeln die Spielfeldban- Unmut über die Leistung der Spieler oder des den, Hess sich damit doch ordentlich Geld Schiedsrichters lauthals und für die Betroffenen verdienen. deutlich hörbar Ausdruck zu geben. In der «Steinzeit», die noch bis weit in die 1963 kamen ein gemauertes Kassenhäuschen so- lgöoer-Jahre reichte, fanden die Fussballspiele wie ein Pressezimmer hinzu, das diesen Namen jeweils ausschliesslich am Sonntagnachmittag auch verdiente. Auf weitere Verbesserungen der um 15 Uhr statt. Mit der Ausdehnung der Saison Infrastruktur verzichtete man vorderhand, weil in die Wintermonate und mit der Durchfüh- die damals aufflackernde Diskussion um den rung von «Nachtspielen» stellte sich auch für

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4 Die Stadionanlage «Brügglifeld» im wachsenden Wohnquartier Gönhard im Januar i960.

14 den FC Aarau die Frage nach einer Flutlichtan- läge. Weil die Finanziellen Mittel, wen wundert's, Tribüne als Klassenzimmer knapp waren, bat man ein weiteres Mal die öf- Das «Brügglifeld» diente nicht nur den Sportlern fentliche Hand um Hille. An der Sommer- als Tummelplatz, sondern temporär auch Schü- Gmeind vom Juni 1969 passierte das Geschäft lerinnen und Schülern als Freiluft-Klassenzim- für einen Zustupf im Umfang von 50000 Fran- mer. Weil während der Jahre des Zweiten Welt- ken mehrheitlich. Gegen das anschliessende kriegs das Pestalozzischulhaus an der Aarauer Baugesuch ging eine Beschwerde von Anwoh- Bahnhofstrasse häufig vom Militär beansprucht nern aus der Nachbarschaft ein, die aber rasch wurde, musste der Unterricht an andere Orte erledigt werden konnte. Die neue Lichtanlage, verlegt werden. Charly Burger, die spätere Torhü- die 170000 Franken gekostet hatte, wurde am terlegende des BTV Aarau, besuchte damals die Sonntagabend des 30.August 1970 mit einem 3. bis 5. Klasse bei Lehrer Heinrich Stirnemann. Freundschaftsspiel gegen den grossen FC Bay- Dieser hatte gute Beziehungen zum Fussball- cm München, das 6000 Fans sehen wollten, in Club Aarau und unterrichtete deshalb seine rund Betrieb genommen. 40-köpfige Klasse auf der alten Holztribüne. Mit dem Flutlicht auf dem «Brügglifeld» ver- Burger erinnert sich noch heute, wie Lehrer und stummten 1970 die Diskussionen um einen Sta- Schüler zu Fuss ins «Brügglifeld» zogen und dort dionneubau an einem andern Ort, zumindest die Schule genossen. «Schreiben war auf den vorübergehend. Also nahm man endlich auch harten Holzbänken kaum möglich, deshalb die Optimierung der sanitären Anlagen an die übten wir uns vor allem im Kopfrechnen. Wer Hand. Bis 1975 erfolgte der Ausbau der Gardero- eine Aufgabe gelöst hatte, durfte auf den Rasen ben samt einer Elektroheizung, eines Schieds- hinunter steigen und Fussball spielen», resü- richterzimmers mit separater Dusche sowie der miert Burger die damalige Schulzeit zwischen WC-Anlagen bei der Tribüne und dem Eingang, 1943 und 1945 in Aarau. allerdings lediglich in der Form eines Pissoirs für Männer. Kurz vor der Jahrtausendwende Das Schicksal des «Brügglifelds» war eng ver- knüpft mit jenem der ersten Mannschaft des Fussballclubs. An die glorreichen Zeiten vor Auf weitere Verbesserungen der Infrastruk- dem Ersten Weltkrieg vermochten die Aarauer tur verzichtete man vorderhand, weil die nicht mehr anzuknüpfen, es drohte fast stän- damals aufflackernde Diskussion um den dig der Fall in die Drittklassigkeit. Dieser wur- Standort des Aarauer Fussballstadions zu de trotz allen Anstrengungen 1954 Tatsache, keinem gemeinsamen Nenner führte. als man in die 1. Liga absteigen musste. Doch getreu dem Clublied «Ja, der FC Aarau geht mussten die Verantwortlichen auf Geheiss des nicht unter» schaffte man bereits 1958 wieder Schweizerischen Fussballverbandes rund um den Sprung in die Nationalliga B. Allerdings das Spielfeld einen Sicherheitszaun montieren. konnte sich der FC Aarau in der zweitobersten Dieser verschwand 2003 wieder, als man nach Spielklasse mehrfach erst «in letzter Sekunde» nationaler Norm einen separaten Auswärtssek- vor einem Abstieg retten. Kam hinzu, dass der tor für die Fans der gegnerischen Mannschaft Stadtverein in den i97oer-Jahren finanziell am einrichtete. Rande des Ruins stand.

G An einer ausserordentlichen Generalversamm- Im Zuge der finanziellen Schieflage des FC Aar- lung im April 1977 stimmte eine Mehrheit der au reichte SP-Einwohnerrat René Baumann im FCA-Gemeinde (unter Präsident Walter Fülle- Stadtparlament eine Motion ein, die einen Tri- mann) einer Fusion mit dem Zürcher Verein bünenneubau und die Übernahme der jähr- Young Fellows (mit dem Auensteiner Bauunter- nehmer Hermann Reiler) zu. Damit war im «Brügglifeld» erstmals Fussball der Nationalliga Das «Brügglifeld der Neuzeit» erlebte mit A zu sehen, wobei in einer ersten Phase die Zür- diesem Sieg der Gastgeber seine erste eher und die Aargauer ihre Meisterschaftspar- Sternstunde, der weitere folgen sollten. tien als «Doppelspiele» austrugen. Zu diesem Zweck montierte man in aller Eile eine Stahl- liehen Unterhaltskosten für den Platzunterhalt rohr-Tribüne mit über tausend zusätzlichen forderte. Der Vorstoss fand eine Mehrheit, der Sitzplätzen. Doch das Zusammengehen der bei- städtische Beitrag an den Unterhalt der Spiel- den Vereine wurde doch nicht vollzogen, die felder im Brügglifeld wurde im Budget 1978 auf Young Fellows mussten sich aus der obersten 50 000 Franken erhöht. Und der Bau eines neu- Spielklasse und damit auch vom Aarauer en Fussballstadions - allenfalls auch an einem «Brügglifeld» bald wieder verabschieden, ein neuen Standort - wurde «mit hoher Priorität» Umstand, den man in der Stadt und im Umfeld in das städtische Bauprogramm 1978-1982 auf- des FC Aarau allerdings eher erleichtert zur genommen. Kenntnis nahm.

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16 1979: neues Projekt am alten Ort

1 )er FC Aarau sprach sich an einer ausserordent- Aarau als Handballhochburg liehen Generalversammlung am 31.Mai 1978 Das Stadion Brügglifeld gab mehrfach auch eine aber gegen eine Verlegung des Stadions Brüggli- dankbare Kulisse für Länderspiele im Grossfeld- feld aus. Der Stadtrat fokussierte sich in der Fol- Handball ab, war Aarau doch in dieser Sportart

ge auf eine Lösung am alten Ort. Bauherrin für eine Hochburg. So besuchten am 13. Oktober 1957 ein neues Garderoben- und Tribünengebäude nicht weniger als 6000 Kiebitze den Match zwi- war die Platzgenossenschaft, die im August 1979 sehen der Schweiz und Österreich, der von den das definitive Projekt mit Kostenvoranschlag Eidgenossen mit 17:13 gewonnen werden konnte. und Finanzierungsgesuch im Unteren Rathaus Noch immer legendär und lebhaft in Erinnerung ist einreichte. Die Behörde verwies in ihrer Bot- das kapitale Spiel zwischen den Erzrivalen schaff an den Einwohnerrat unter anderem da- Deutschland und Schweiz im September 1966, rauf, dass «die vielen Hütten, Buden und Bara- das die Heimmannschaft auf dem «Brügglifeld» cken, die wild und unordentlich neben und vor der respektablen Zuschauerzahl von gut 7000 hinter der alten Tribüne errichtet worden sind, Fans knapp mit 20:21 Toren verlor. Es war einer mit einem Neubau verschwinden». der letzten Höhepunkte der sich zu Ende nei- Arn 16.Juni 1980 befasste sich das Stadtparia- genden Ära im Feldhandbali. ment unter dem Vorsitz von Silvio Bircher mit dem Antrag, der Platzgenossenschaft ein «teil- Nationalliga A enthusiastisch feiern durften. weise unverzinsliches Darlehen» von maximal Der Coup gelang dank einem Auswärtssieg im

1,5 Millionen Franken zu gewähren. Der Flau- letzten Spiel in Vevey am 13. Juni 1981. Keine 24 del war unter anderem an die Bedingung ge- Stunden später Hessen sich die Mannschaft, knüpft, «dass sich der FC Aarau verpflichtet, als Trainer Paul Stehrenberger und der Vorstand Gegenleistung pro verkauftem Tribünenplatz vordem städtischen Rathaus bejubeln. Höchste eine Billettabgabe zu entrichten». Das Geschäft Zeit also, dass auch das Stadion Brügglifeld den passierte nach kurzer Diskussion mit grosser Ansprüchen der Nationalliga A zu genügen ver- Mehrheit und bei wenigen Enthaltungen. Schon mochte. Der Baubeginn für die neue Anlage, die damals wurde die «wichtige Imagefunktion» von Architekt Hans-Ulrich «Hase» Lüthi vom des Fussballclubs herausgestrichen, allerdings Büro Schneider-kWassmer konzipiert war, fiel

mit dem Zusatz, dass «der Tabellenstand der schon auf den 4. Mai 1981, wobei der alte Holz- heutigen ersten Mannschaft des FCA bei der bau am 11.Mai unter den Abbruchhammer Beurteilung dieser Vorlage nicht unbedingt kam. Die neue Tribüne präsentierte sich aber massgebend sein sollte». beim ersten Heimspiel Ende August gegen den Mit diesem sportlichen Seitenhieb täuschten FC Luzern noch im Rohbau. Das hinderte den sich die Lokalpolitiker, denn noch ahnte nie- FC Aarau nicht daran, die Innerschweizer vor mand, dass nur ein Jahr später die ganze Stadt über 10000 Zuschauern gleich mit dem Score und Region den Aufstieg des FC Aarau in die von 5:1 geschlagen nach Hause zu schicken. Das «Brügglifeld der Neuzeit» erlebte mit die- sein Sieg der Gastgeber seine erste Sternstunde, der weitere folgen sollten. Das Publikum 4 Die Tribüne, Baujahr 1929, kurz vor dem Abbruch 1981, der Kran steht schon bereit. strömte in Scharen in die moderne Arena. Das

17 Spiel gegen den FC Servette Genf verfolgten Mai 2002 heischte Grabesstille auf den Steh- 13000 Fans, eine Zahl, die noch heute den rampen des «Brügglifeld»: Nach einer Heim- «Brügglifeld»-Rekord für Meisterschaftsspiele niederlage gegen Xamax Neuenburg stand der markiert. Am Pfingstsamstag 1982 holte sich der Abstieg nur wenige Tage vor der 100-Jahr-Feier Stadtclub den (heute nicht mehr ausgetra- des FC Aarau scheinbar fest. Dank der Zwangs- genen) Ligacup gegen den FC St. Gallen - ein relegation des FC Lugano verblieben die «Un- Volksfest im Stadion Brügglifeld. An die glor- absteigbaren» aber in der Nationalliga A.2010 reichen Zeiten knüpften die Aarauer (mitTrai- war der Fall in die Zweitklassigkeit nicht mehr ner ) am 27.Mai 1985 mit dem zu verhindern. Doch nach nur drei Jahren kehrt Sieg im Schweizer Cupfmal in Bern an. der FC Aarau auf die Saison 2013/14 wieder in Mit der Verpflichtung Hitzfelds 1984 avancierte die Super League zurück, damit wird im ehr- das «Brügglifeld» weit über die Stadt- und Kan- würdigen Stadion Brügglifeld erneut erstklas- tonsgrenzen hinaus zum Mekka der Geniesser sige Fussballkost geboten. Allerdings auf Kosten einer modernen Spieltaktik: offensiv mit Pres- des Fassungsvermögens, das nun auf 8000 Fans sing, defensiv mit einer gewagten Offsidefalle. reduziert werden muss. Grund dafür sind zu- Die Fussballschweiz rieb sich erstaunt die Au- sätzliche Sicherheitsmassnahmen, die der Platz- gen, dass ausgerechnet ein biederer Provinzclub genossenschaft durch den nationalen Verband mit einer derart frechen und risikoreichen auferlegt worden sind. Dazu gehört auch die Spielanlage neue Massstäbe setzte und erst noch seitliche Versetzung des Haupteingangs an der für Furore sorgte. war ein geleh- Bachstrasse. riger Hitzfeld-Schüler und erreichte in den Der epochale Meistertitel der Aarauer von 1993 glorreichen Zeiten des FC Aarau am 5. Juni 1993 bewegte das ganze Land. Der im Scheibenscha- chen aufgewachsene Journalist Peter Hart- mann, einer der besten Kenner der Aarauer Der epochale Meistertitel der Aarauer Fussballseele, schilderte auch das Umfeld, näm- von 1993 bewegte das ganze Land. lieh die einmalige «Brügglifeld»-Ambience, mit treffenden Worten: «Heute sind die Zuschauer mit seiner Mannschaft als Sahnehäubchen gar noch immer näher am Spielfeld als in jedem an- den Titel eines Schweizermeisters. Das darauf- deren Stadion. Die Spieler riechen den Atem folgende Heimspiel im Meistercup gegen die der Menge. Es ist eine der letzten Anlagen ohne AC Milan am 15. September fand allerdings Schutzzaun und Barrikaden» - was mindestens nicht im «Brügglifeld», sondern im Zürcher 1993 noch zutraf. Hardturm-Stadion statt und ging 0:1 verloren. Zur erweiterten Infrastruktur gehörte seit den Mit dem «FC Wunder» erlebte auch das Stadion Anfängen auch das Restaurant Sportplatz, im

Brügglifeld zwischen 1984 und 1993 sein «gol- Volksmund nach dem damaligen Besitzer denes Jahrzehnt». Das Aarauer Publikum liess schlicht «Jufer» genannt. Auch in diesem Punkt sich damals durch die Ballkünste eines Wynton schwärmt Peter Hartmann 1993: «Kein anderer Rufer, eines Roberto di Matteo, Ratinho, Adrian Landesmeister in Europa bietet seinen Anhän- Knup, Rolf Osterwalder, Charly Herberth oder gern diesen Pausenkomfort. Du verlässt das Ciriaco Sforza verwöhnen, ja verzaubern. Dann Stadion Brügglifeld, gehst ein paar Schritte über allerdings folgte zunehmend magere Kost. Im die Brücke des Stadtbachs, betrittst das Restau-

18 rant, drückst dich durch den Hinterausgang vorgesehen. Doch auch diese Ambitionen wieder ins Freie und findest dich in einer länd- mussten aus verschiedenen Gründen 2001 be- liehen Idylle unter schattigen Obstbäumen», graben werden. selbstverständlich beim obligaten Halbzeitbier. Nun richtete sich der Fokus auf die Industrie- Mit den Erfolgen in der Ära Hitzfeld und dem brache im Aarauer Torfeld Süd. Ein erster An- dadurch ausgelösten Publikumsandrang wuchs lauf löste Ernüchterung aus, lehnte doch der nicht zuletzt die Nachfrage nach zusätzlichen überdachten Sitzplätzen. In aller Eile reichten die Platzgenossenschaft und der FC Aarau im Am 13. Juni 2010 schliesslich setzte das Frühling 1988 das Baugesuch für zwei neue Tri- Volk mindestens auf demokratischer bünen auf der West- und Südseite ein. Gegen Ebene mit dem Ja zu einer «Spezialzone das Vorhaben gingen prompt Beschwerden von Torfeld Süd» auch den letzten Nagel. Anwohnerinnen und Anwohnern ein, die be- fürchteten, mit einem solchen «Kessel» steige Aarauer Souverän am 25. September 2005 einen der Lärmpegel an. Das aargauische Verwal- Kredit von 25 Millionen Franken an den Bau ei- tungsgericht gab den Gegnerinnen und Geg- ner «MittellandArena» ab. Schuld am Debakel nern 1990 recht, das Projekt wurde deshalb waren primär die übermässigen Proportionen nicht mehr weiterverfolgt. eines im Stadion integrierten Einkaufszentrums. Nach dem Rückzug des Vorhabens begann eine Von der Kiesgrube zur Industriebrache hektische Suche nach alternativen Standorten, Es war der weitsichtige Clubpräsident Ernst die von der Obermatte oder der Brestenegg (bei- Lämmli, der in den sportlich nicht minder er- de in Buchs) bis zum Hangartner-Areal in der Aarauer Telli reichten. Der FC Aarau kam lang- sam aber sicher in Zugzwang, denn die Swiss Das historische «Brügglifeld» konnte bei Football League (SFL) setzte im Rahmen der üb- allem nostalgischen Charme die Auflagen liehen Lizenzverfahren per 1.Juli 2003 für die für die Sicherheit und die Infrastruktur Clubs neben Budgetanforderungen auch einen nicht mehr in vollem Umfang erfüllen. Stadionkatalog in Kraft, der fortan jährlich überprüft wurde. Das historische «Brügglifeld» folgreichen t99oer-Jahren die Idee für eine neue konnte bei allem nostalgischen Charme die Arena ein weiteres Mal lancierte. Der Architekt Auflagen für die Sicherheit und die Infrastruk- und SVP-Politiker war überzeugt, dass der FC tur nicht mehr in vollem Umfang erfüllen. Aarau nicht nur mit guten Spielern und hervor- Ausnahmebewilligungen erteilte der nationale ragenden Trainern, sondern auch nur mit Verband ab 2003 nur noch, wenn mindestens einem modernen Stadion langfristig überleben der Nachweis eines Baugesuchs für einen Sta- konnte. Nachdem ein Projekt im Schachen am dionneubau vorlag. Sonst drohten ein Spielver- Veto der Ortsbürgergemeinde vorzeitig schei- bot, die Auslagerung in ein Ausweichstadion in terte, stellte Lämmli 1995 zusammen mit dem einer anderen Stadt oder der Abstieg in eine Bauunternehmer Peter Zubler die Vision eines tiefere Klasse. Die Einwohnergemeinde Aarau Stadions in der Kiesgrube in Schafisheim in den gewährte dem FC Aarau zwar ein Darlehen Raum. Als Mantelnutzung war ein Spielcasino von maximal 700000 Franken für die Erfül-

19 lung der nötigsten baulichen Auflagen der SFL, polysportive Mantelnutzung. Doch das Schlacht- doch die Platzfrage wurde zusehends drän- feld um die Realisierung des neuen Stadions gender. Der Super-League-Club zitterte, nach- hatte sich längst auf die juristische Ebene verla- dem er durch die Gründung der «FC Aarau gert. Mit dem Abstieg des FC Aarau aus der Su- AG» wenigstens eine neue Finanzbasis sicher- per League am Ende der Saison 2009/10 ent- gestellt hatte, jedes Jahr um die Gewährung schärfte sich das Problem mindestens aus einer Sonderbewilligung für den Spielbetrieb zeitlicher Sicht. Was den Bemühungen, den auf dem «Brügglifeld». Volkswillen endlich in die Tat umzusetzen, kei- Nach der erfolglosen Evaluation von alterna- neu Abbruch tat. Im Dezember 2012 lag das tivcn Standorten griff man auf Anregung der Baugesuch für die Arena im Torfeld Süd rnitt- privaten Grundeigentümerin, der HRS Real lerweile zum dritten Mal öffentlich auf und lö- Estate AG, wieder auf das Torfeld Süd zurück. ste den Befürchtungen entsprechend einmal Die hartnäckigen Stadiongegner, namentlich mehr Einsprachen aus. aus dem rot-grünen Lager der Lokalpolitik, erzwangen aber bereits beim entsprechenden Sportjournalisten erinnern sich Projektierungskredit über 1,6 Millionen Fran- Natürlich war und ist das «Brügglifeld» auch ken per Referendum im Oktober 2007 eine Arbeitsort, nicht nur für Spieler und Trainer, sondern auch für Journalisten. Felix Bingesser, ehedem bei der Aargauer Zeitung (AZ), heute Einige Tore sind mir wegen der Sportchef beim «Blick», erinnert sich: «Im Tri- Betonseulen entgangen. bünenrestaurant des Brügglifelds habe ich einst nach einer Partie am Töggeli-Kasten mit Rolf erste Volksabstimmung. Der FC Aarau und Fringer 1993 das Meisterinterview geführt. Auf die ganze Fussballgemeinde durften an der die Frage, welchen Klub er sich denn im Euro- Urne einen klaren Sieg feiern. Am 24. Februar pacup bei der anstehenden Auslosung wünsche, 2008 stimmte eine Mehrheit von gut zwei antwortete der Aarauer Trainer: «Zuerst die AC Dritteln an der Urne auch dem Beitrag der Milan und dann Omonia Nikosia.» Einige Tage

öffentlichen Hand von 17 Millionen Franken später wurde dem FCA in der Qualifikation an die Torfeld-Arena deutlich zu. Der «Brüg- zum Meistercup Omonia Nikosia zugelost. Und glifeld-Ersatz» war auf ein realistisches Fas- in der 1. Hauptrunde die AC Milan. Das ist für sungsvermögen von 10000 Plätzen und ein mich Bestandteil des Mythos Brügglifeld, auf Investitionsvolumen von 40 Millionen Fran- dessen Tribüne ich ein halbes Arbeitsleben ver- ken reduziert worden. Am 13. Juni 2010 bracht habe. Einige Tore sind mir wegen der Be- schliesslich setzte das Volk mindestens auf de- tonsäulen entgangen. Und vereinzelte Spielsze- mokratischer Ebene mit dem Ja zu einer «Spe- neu habe ich verpasst, weil man auf der Toilette zialzone Torfeld Süd» auch den letzten Nagel. anstehen musste. Doch das Brügglifeld bietet Allerdings landete das Geschäft am Ende vor trotz allem Fussball zum Anfassen, den gibt es Bundesgericht, das im April 2013 eine Be- nur noch in diesen alten, charmanten Stadien. schwerde endgültig abwies. Mindestens ein Exemplar müsste man der Aus finanziellen Gründen verzichtete der Ein- Nachwelt erhalten. Das «Brügglifeld» würde sich wohnerrat 2011 auf die ursprünglich geplante eignen».

20 Als Heinz Triebold, langjähriger Sportreporter beim Regionaljournal Aargau/Solothurn von Das Stadion Brügglifeld Radio SRF, als Jugendlicher mit den Eltern von Baujahr: 192/^ Bern nach Aarau zugehe, suchte er als Fussball- Eigentümer: Platzgenossenschaft fan bei der ersten Erkundung den Sportplatz. Brügglifeld (im Baurecht) Auf dem «Brügglifeld» hielt sich seine Begeiste- Plätze: 8000 Zuschauer, rung in Grenzen: «Eine kleine Holztribüne, die 1187 gedeckte Sitzplätze, Wettkampfstätte eher ländlich, ich glaubte an- 6813 Stehplätze (ungedeckt) fänglich kaum, dass ich den Platz ins Herz Oberfläche: Naturrasen schliessen könnte. Doch nach hunderten von Spietfeldgrösse: 100,4x66,8 Meter Besuchen ist es meine fussballerische Heimat Beleuchtung: Lux horizontal: 1303; geworden, in der ich mich zuhause fühle». Im- Gleichmässigkeit: Emin/Eav merhin erhielt das Stadion im Lauf der Zeit 0.73 - Emin/Emax 0.51 Verbesserungen. «Die Tore sind jetzt aus Alu- Rasenheizung: nein minium und nicht mehr aus Holz, sie brechen Laufbahn: nein deshalb nicht mehr so leicht, wie dies noch bei Rollstuhlplätze: nach Voranmeldung bei der Ge- einem legendären Lattenschuss des ehemaligen schäftsstelle des FC Aarau Goalgetters Jochen Dries tatsächlich passiert ist. Und auch die Warmwasseraufbereitung in gründen hinten anstehen». Und die innere den neuen Garderoben hält dem härtesten Wendeltreppe verursachte bei Herberth «stets Winter stand, im Gegensatz zu den Duschen in Staugefühle». Den Duft des «Trocknungska- der alten Holztribüne, als es nach einem Spiel stens für ungewaschene Trainingsklamotten» des FGA gegen Pruntrut nur kalt aus der Brau- konnte man «auch noch mit dem schlimmsten se tröpfelte. Was den Präsidenten der Jurassier Schnupfen erriechen», der Wandschimmel im derart in Rage brachte, dass er die Verantwort- Umkleideraum «war schnell ein stiller Begleiter liehen mit einem «Aarau, c'est scandaleux« an- oder gar Maskottchen unserer Arbeit». Die schrie». Sponsorenräume waren grosszügig «unter das «Die zweite Heimat geht verloren, die Tränen schräge Dach gepflanzt, das Trainerbüro hinge- fliessen, es heisst Abschied nehmen », solche Ge- gen wurde öfters mit dem Sekretariat abge- danken hat die ehemalige Spielerlegende des FC tauscht, doch wen störte das schon?». Unverges- Aarau, Alfred «Charly» Herberth, vor dem ab- sen bleibt für Charly Herberth «die familiäre sehbaren Ende des «Brügglifelds», das für ihn Stimmung, die Nähe zu den Fans und das in- «klein, aber fein und mit grossen Erfolgen ge- nige Verhältnis der FCA-Angehörigen unterei- spickt» ist. Er kam vom Münchner Olympiasta- nander», ebenso wie die «guten Geister» Avram dion (mit einem Fassungsvermögen von 77000 und Frieda Pernici als Platzwartehepaar. Personen) auf den Rasen der Aarauer Klein- Mit seinen bald 90 Jahren auf dem Buckel ist Stadtidylle (maximal 13000 Zuschauer), «mit das «Brügglifeld» immer mehr zum Kultsta- tiefem Lehmboden und nach dem Spiel mit dion mutiert. Es ist auch schon als «letzte Bastion mehreren Gramm Dreck an den Tschuttischu- des unmodernen Fussballs» bezeichnet worden, hen». Die Kabinen waren «niedlich klein gera- als «The Final Trutzburg» oder als «Relikt aus ten, beim Duschen hiess es aus Kapazitäts- längst vergangenen Zeiten», als «gallisches Dorf

21 inmitten von durchgestylten Fussball-Arenen mit VIP-Logen und High-Tech-Toiletten». Zu den heimeligen «Brügglifeld»-Skurrilitäten ge- hört die legendäre «Pernod-Kurve» beim Toto- mat, zu der hin und wieder auch Regierungsrat Urs Hofmann zählt. Trotz allem dürften in absehbarer Zeit im «Brügglifeld» bald Einfami- lienhäuser stehen. Allerdings erst dann, wenn der Heimfall des Baurechts der Platzgenossen- schaff mit der neuen Arena im Torfeld Süd voll- zogen ist. Theoretisch läuft der entsprechende Vertrag noch bis zum 31.Dezember 2060. Zu besonderem Dank verpflichtet ist der Autor namentlich dem Aarauer Stadtarchivar Martin Pestalozzi und Daniel Angelini, der ehrenamt- lieh das Archiv des FC Aarau (neben dem Club- räum im 1.Stock der «Brügglifeld»-Tribüne) betreut.

Hermann Rauber, Journalist und langjähriges Mitglied der Redaktionskommission der Aarauer Neujahrsblätter, aus Aarau.

Anmerkungen

1 Historische Angaben von Jakob Senn und Walter Treyer in den Jubiläumsschriften «60 Jahre Fussball-Club Aarau», Aarau 1962, und identisch in «80 Jahre Fussball- Club Aarau», Aarau 1982,17-136 2 Stadtarchiv Aarau, Akten des Genieinderates s. v. «Brügglifeld». 3 «Aargauer Tagblatt» vom 13.Oktober 1924. 4 Paul Erismann, Aarauer Strassennamen, Aarau 1957,14. 5 «Aargauer Tagblatt» vom 23. September 1929. 6 «Aargauer Tagblatt» vom 25. November 1929. 7 Bericht und Antrag des Stadtrates an die Einwohner- gemeindeversammlung vom 30. Mai 1939. 8 Protokoll des Aarauer Einwohnerrates vom 16. Juni 1980, 168-174. 9 Peter Hartmann in «Die Weltwoche» vom 10. Juni 1993,47E 10 Bundesgerichtsurteil vom 25. April 2013. 11 Mämä Sykora im Fussball-Magazin «Zwölf», lieft 36 (2013).

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