Hölderlins Geschichtsphilosophische Hymnen
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Jochen Schmidt Hölderlins geschichtsphilosophische Hymnen >Friedensfeier< — >Der Einzige< — >Patmos< Jochen Schmidt Hölderlins geschichtsphilosophische Hymnen >Friedensfeier< — >Der Einzige< >Patmos< Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt Einbandgestaltung: Neil McBeath, Stuttgart. Einbandbild: Friedrich Hölderlin. Getuschter Schattenriß, wohl 1797. CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schmidt, Jochen: Hölderlins geschichtsphilosophische Hymnen: „Friedensfeier" - „Der Einzige" - „Patmos" / Jochen Schmidt. - Darmstadt: Wiss. Buchges., 1990 ISBN 3-534-10869-8 Bestellnummer 10869-8 Das 'Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 0 1990 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier Satz: Setzerei Gutowski, Weiterstadt Druck und Einband: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Printed in Germany Schrift: Linotype Times, 9.5/11 ISBN 3-534-10869-8 INHALT Vorwort IX Einleitung. Vom zyklischen zum eschatologischen Geschichts- denken 1 >Friedensfeien. Einführung in das wörtliche Verständnis und in die Struktur der Hymne 9 I. Die erste Strophentrias 10 II. Der Gesamtaufbau der Hymne 25 III. Die zweite Strophentrias 27 IV. Die dritte Strophentrias 41 V. Die vierte Strophentrias 65 Friedensidee und chiliastisches Geschichtsdenken in der >Frie- densfeier< 75 I. Systematische und historische Einordnung von Hölder- lins Friedensidee 75 II. Die konstitutive Bedeutung des idealistischen Ge- schichtsverständnisses und der ihm zugrundeliegenden Bewußtseinsfunktion 81 III. Der Dichter als bevorzugter Träger der geschichtebil- denden Bewußtseinsfunktion 83 IV. Chiliasmus als zentrales Strukturmoment 86 1. Die chiliastische Friedensvorstellung 87 2. Die eschatologische Perspektivierung des Ge- schichtsdenkens 88 3. Die chiliastische Geschichtsinterpretation als Theo- dizee 90 4. Apokatastasis panton 92 5. Pleroma 98 V. Säkularisierende Verwandlung von Heilsgeschichte in Naturgeschichte 101 Zur Funktion synkretistischer Mythologie in Hölderlins Dich- tung: >Der Einzige< (Erste Fassung) 106 VI Inhalt I. Der Pluralismus der „Götter" gegen den christlichen Ausschließlichkeitsanspruch 106 II. Polytheismus als ausdifferenzierter Pantheismus in stoischer Tradition 109 III. Die typologische Einheit der drei Soter- Gestalten Dio- nysos — Herakles — Christus im Horizont der Überliefe- rung 116 IV. Der Gegensatz zwischen dem plastisch-realen Prinzip der antiken Religion und dem pneumatisch-idealen Prinzip Christi 130 V. Vermittlung des Gegensatzes durch die drei Soter-Ge- stalten. Deren existentielle Spannung zwischen Realität und Idealität als mythologische Figuration der Dichter- Problematik 137 Die hermetisch-geschichtsphilosophische Hymne >Der Ein- zige‹. Erstmalige Erschließung der zweiten Fassung . 146 I. Der handschriftliche Befund und das Problem der Text- konstitution 149 II. Deutung des Textes 156 Hölderlins Patmos-Hymne, Hegels Frühschriften und das Jo- hannesevangelium. Zur Entstehung der idealistischen Ge- schichtsphilosophie und Hermeneutik 185 I. Voraussetzungen 185 1. Anlaß und Widmung der Patmos-Hymne . 185 2. Patmos als Kennwort pietistischer Bibelfrömmigkeit 190 3. Patmos als Chiffre eines eschatologischen Geschichts- verständnisses 193 4. Patmos und das Johannesevangelium 195 II. Die Bedeutung des pneumatischen Evangeliums für das Denken Hegels, Schellings und Hölderlins . 197 III. Der geschichtliche Übergang vom plastischen Prinzip der Antike zum pneumatischen Prinzip des Christen- tums und die geschichtsphilosophische Schlüsselfunktion der Theodizee: 1.-6. Strophe 216 IV. Der geschichtliche Vergeistigungsprozeß als Leidens- erfahrung. Verlust der Sinn-Evidenz und pneumatischer Trost: 7.-12. Strophe 234 1. Die Aufhebung des „Positiven" in der Geschichte durch den Geist 237 Inhalt VII 2. Die Entstehung der „Gemeinde" durch die verbin- dende und universalisierende Kraft des Geistes. Dif- ferenz Hegels und Hölderlins 250 3. Die „Schrift" als Halt und als Medium des Geistes 256 V. Pneumatisch vermittelte Universalität: „Gesang" und „Schrift": 13.-15. Strophe 262 1. Die vergeistigende Wirkung von Gesang und Schrift 264 2. Weltgeschichtliche Universalität der Vermittlungs- instanzen, aber Vorzug der Schrift in der Gegenwart 273 3. Geist und Buchstabe. Das hermeneutische Problem bei Hegel und Hölderlin 281 Register 289 Namen 289 Sachen 292 VORWORT Seit jeher gelten die in den Jahren 1801 bis 1803 entstandenen Hymnen Hölderlins als ein Höhepunkt, wenn nicht als der Höhepunkt seines Werks. Manchen von diesen esoterischen Texten, die zu den schwierigsten in deutscher Sprache gehören, hat sich die Forschung schon ergebnisreich zugewandt, einigen aber erst ansatzweise, vieles blieb im Dunkel und vor allem fehlt es an übergreifenden strukturbil- denden Untersuchungen. Während sich die Wissenschaft mit Erfolg um Hölderlins Bedeutung in der Geschichte des deutschen Idealismus bis zur Jahrhundertwende bemüht, d. h. in der Zeit, in welcher der ›Hyperion<, der >Empedokles< und die theoretischen Schriften ent- standen, blieben die Jahre nach 1800 und damit das überragende lyri- sche Spätwerk weitgehend außerhalb des philosophischen und histori- schen Fragehorizonts. Lyrik, mochte sie von noch so hoher geistiger Intensität zeugen, schien trotz der gerade bei Hölderlin schon immer naheliegenden Einsicht in den inneren Zusammenhang von Denken und Dichten in kein Kontinuum der Reflexion und in keinen systema- tisch beschreibbaren Horizont integrierbar. Das hatte nicht nur zur Folge, daß das Spätwerk in dieser Hinsicht beinahe eine terra incognita blieb; man glaubte auch Erkenntnisse, die sich aus der Analyse des früheren Werks ergaben, einfach auf das spätere übertragen und es im übrigen vernachlässigen zu können. Nicht zuletzt ging so die Frage nach einer möglichen weiteren Ent- wicklung von Hölderlins dichterischem Denken fast verloren — nach einer Entwicklung, die sich doch für die ebenfalls nur knapp bemes- senen Schaffensj ahre vor der Jahrhundertwende klar abzeichnete. Mit diesem Buch, das auf einen Vorlesungszyklus an der Acole Nor- male Sup6rieure in Paris zurückgeht, hoffe ich in mehrfacher Hinsicht Vorstudien zu geben. Es soll die noch längst nicht genügend erhellten Texte durch philologische Analyse weiter aufschließen — wer allein übergreifende geschichtsphilosophische Perspektiven darin sucht, wird sich durch die kommentierenden und fundierenden exegetischen Partien mit ihren genauen Detail-Nachweisen enttäuscht sehen. Es soll, zweitens, eine Reihe der wichtigsten späten Hymnen erstmals in einem denkerischen Zusammenhang zeigen und, drittens, diesen Zu- sammenhang sowohl systematisch wie vor allem historisch vertiefen — X Vorwort auch durch den Versuch, Hölderlins bisher fast ganz unbekanntes theologisches Erbe und dessen Bedeutung für seine geschichtsphilo- sophische Konzeption zu eruieren und zugleich den Synkretismus antiker und christlicher Vorstellungen zu erfassen, durch den das Toleranzdenken der Aufklärung den Horizont idealistisch universa- lisierender Vergeistigung erreicht. Hölderlin, wie kaum ein anderer ein poeta doctus, der sich selbst in den geschichtsphilosophischen Hymnen zum poeta vates stilisiert, dennoch aus seinem poetischen Dialog mit der Überlieferung sowie aus den Problemstellungen und geistigen Tendenzen seiner Zeit als historisch verständliche Gestalt wiederzugewinnen, ist ein Hauptziel der hier vorgelegten Unter- suchungen. Ich habe mich von der Überzeugung leiten lassen, daß Hölderlins Hymnen, so wesentlich ihre geschichtsphilosophische Grunddimen- sion ist, sich doch nicht auf Geschichtsphilosophie reduzieren lassen und daß ihnen eine bloß philosophische Lektüre sowenig gerecht wird wie eine bloß historische, psychologische oder ästhetische. Daß sich aber geschichtsphilosophisches Denken hier poetisch, hochpoetisch, artikuliert, dürfte nicht nur den individuellen Grund haben, daß Höl- derlin ein Dichter war. Es scheint auch eine historische, allen bloßen Theoriegebilden überlegene Wahrheit darin zu liegen: Geschichtsphi- losophie, als teleologisch geprägte Vorstellung von der Geschichte in einer schon längst hereingebrochenen Krise des teleologischen Den- kens, nun aufgehoben zu sehen in der poetischen Fiktion und im Gewande mythischer Metaphern. Für wertvolle Hilfe bei der Druckvorbereitung dieses Buches danke ich Gabriele Schulz, Stephanie Schwarz, Katrin Seebacher, Thomas Greiner, Thomas Pittrof und Burkhard Wahle. Freiburg, in meinem 50. Jahr J. S. EINLEITUNG Vom zyklischen zum eschatologischen Geschichtsdenken Zum allgemeinen Horizont von Hölderlins geschichtsphilosophi- schen Hymnen gehören ihre deutlich hervortretenden theologisch- heilsgeschichtlichen Voraussetzungen, die geschichtliche Dimensio- nierung der Theodizee, ferner die Wandlung des geschichtsphiloso- phischen Denkens von Vokal= über Herder bis Hegel und das sich be- reits abzeichnende Ende der Geschichtsphilosophie in der nachideali- stischen Epoche des 19. Jahrhunderts. Ihr spezieller historischer Ort ist derjenige der idealistischen Geistphilosophie. Für sie ist die Ge- schichte die Selbstverwirklichung des Geistes und die Geschichtsbe- trachtung selbst, wie Hegel wiederholt betont, eine säkulare Form der Theodizee, welche den denkenden Geist mit dem Negativen in der Geschichte versöhnt. Fundamental ist ein entschieden teleologisches