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Stockhausen, Karlheinz

ckhausen-verlag.com/DVD_Translati- ons/3_LICHT_WERKE_Engl.pdf, Übersetzung: d. Auto- rin)

Profil

Karlheinz Stockhausens erfindungsreiches Œuvre umfas- st rund 375 instrumentale, vokale und elektronische Kompositionen. Zentrale Stationen der seriellen, punktu- ellen, aleatorischen, intuitiven, der -, Moment-, Prozess- und -Komposition sind mit seinem Na- Stockhausen Mai 2003 im Teatro Comunale di Modena, wo men verbunden. Einen besonderen Schwerpunkt bilden mehrere Stockhausen-Konzerte stattfanden. Foto von Rolando elektronische bzw. elektroakustische Werke, die überwie- Paolo Guerzoni. gend im Studio für Elektronische Musik des WDR in Köln realisiert wurden. Stockhausens umfangreichstes Werk ist „ – Die sieben Tage der Woche“ (1977-2003), ein aus sieben eigenständigen * 22. August 1928 in Mödrath/Kerpen, Deutschland Opern, die sich insgesamt zu rund 29 Stunden Musik ad- † 5. Dezember 2007 in Kürten-Kettenberg, dieren. LICHT bündelt Stockhausens kompositorische Erfahrungen und Ansätze: In den Opern gibt es elektroni- Komponist sche und konkrete Kompositionen, daneben Vokalmusik für Solostimmen und Chöre, Instrumentalmusik für So- “Eroticism is the electricity between living beings – it’s listinnen, Solisten, und Orchester sowie Sze- the magnetism that makes the imperfect perfect. So as a nen, an denen Tänzerinnen und Tänzer beteiligt sind. Vi- man, I am half – sometimes more, sometimes less – of suelle Elemente wie Farben, Zeichen und Videos sind what is possible in human form, and the erotic aspect is ebenso Teil der Komposition wie Positionen oder Bewe- the magnetism that draws me to woman, that magnetises gungsformen im Raum und sogar Düfte. Musikalisch lei- and fascinates me in woman: not just woman as partner, tet sich alles aus einer dreischichtigen sogenannten Su- but as everything I am not, and cannot be. Eroticism is performel her, die im Sinne eines komplexen seriellen the fascination with making what is imperfect around us Verfahrens Eigenschaften prädeterminiert und Zusam- perfect, through unification, through completion, th- menhänge generiert. Als vertonte Zeiteinheit stehen die rough love. And so, to that extent, it is the timeless, eter- sieben Tage aus LICHT zwischen dem nal force which leads to the increasing perfection of (1974/75), der die zwölf Monate des Jahres zum Gegen- beings.” stand hat, (1975-77), einer Komposition über die „Erotik ist die Elektrizität zwischen Lebewesen, es ist Jahreszeiten, und dem letzten großen Zyklus „ – der Magnetismus, der das Unvollkommene vollkommen Die 24 Stunden des Tages“ (2004-07). macht. Also bin ich als Mann – mal mehr, mal weniger – In Stockhausens Schaffen lassen sich zwei Bereiche aus- eine Hälfte dessen, was möglich ist in Menschengestalt, machen, die im Besonderen eine geschlechterbezogene und das Erotische ist der Magnetismus, der mich zur Sicht und Forschungsperspektive erkennen lassen. Auf Frau zieht, der mich an der Frau magnetisiert, fasziniert: der einen Seite haben Stockhausens heterosexuelle Lie- nicht nur die Frau als Partnerin, sondern als all das, was besbeziehungen in verschiedenen Werken kompositori- ich nicht bin, was ich nicht sein kann. Das Erotische ist schen Niederschlag gefunden, so etwa in , die Faszination, Unvollkommenes um uns herum voll- oder LICHT. Personenkonstellationen, indi- kommen zu machen durch Vereinigung, durch Ergän- viduelle Eigenschaften der Beteiligten, Dokumente wie zung, durch Liebe. Und insofern ist es die zeitlose ewige Liebesgedichte oder -briefe und anderes dienten als Ma- Kraft, die zur zunehmenden Vervollkommnung der We- terial, das durch künstlerische Prozesse in den Werkkon- sen führt.“ (Stockhausen, Karlheinz. Aus dem Film text überführt wurde. Auf der anderen Seite schuf Stock- „Lichtwerke“, 1988. Original in Englisch. http://www.sto hausen mit der Protagonistin Eva im Opernzyklus

– 1 – Stockhausen, Karlheinz

LICHT eine Figur, die er explizit als ‚weibliches Prinzip‘ fünf Monate lang täglich seine Musik. In Deutschland gestaltete. (Vgl. Stockhausen, Karlheinz. „Jeden Tag wird prägte er wichtige Schauplätze der Neuen Musik, wie die Neues entdeckt“. In: Texte 14, S. 31.) In polarisierendem Internationalen Ferienkurse für in Darms- Sinne wurden ihre beiden männlichen Mit- und Gegen- tadt, das Studio für Elektronische Musik des WDR Köln, spieler Michael und Luzifer komponiert. Die Fülle weibli- die Kölner Kurse für Neue Musik und die von ihm geg- cher Eigenschaften, die Stockhausen der Eva zuschrieb, ründeten Stockhausen-Kurse für Neue Musik in Kürten. leitete er überwiegend aus unterschiedlichen kulturge- Von 1971 bis 1977 war er Professor für Komposition an schichtlichen Quellen her, ließ aber ebenso selbstgewähl- der Hochschule für Musik Köln. Stockhausen verstand si- te kompositorische und typologische Attribute einflie- ch trotz seiner Heimatverbundenheit als Kosmopolit, sei- ßen. Die männlichen Figuren Michael und Luzifer haben ne Kompositionen bezeichnete er auch als „Weltmusik“; ebenfalls kulturgeschichtliche Wurzeln und – wie Eva – „universale Musik“ und „kosmische Musik“. zahlreiche weitere individuelle (musikalische) Kennzei- chen. Nicht zuletzt durch das historische Bezugssystem, „Ziel ist, das ganze Universum als die Heimat aufzufas- das im Hintergrund von LICHT steht, repräsentieren sen und dadurch immer mehr an ein göttliches Bewussts- Eva, Michael und Luzifer traditionell-konservative, bis- ein heranzuwachsen, sozusagen mit Kinderaugen das zu weilen auch reaktionär anmutende Geschlechtermodelle. sehen, was der Geist des Universums aller Universen Zwar ging es Stockhausen im Fall der Eva durchaus in re- ständig sieht, in sich selbst erschaffen und sich wieder er- spektvollem Sinne „um die Verehrung der Frau“. (Stock- schaffend und erneuernd, und wir sind ein Atom im Leib hausen, Karlheinz. „7 x LICHT im Rundfunk Gottes.“ (Stockhausen, Karlheinz. „Zu der höchsten Kun- (2001–2007). 1. Teil: . Gespräch st auf diesem Planeten“. In: Texte 10, S. 227–235; Zitat mit Reinhard Ermen am 6. Oktober 2001“. In: Texte 16, S. 235.) S. 43-66; Zitat S. 48 oder auch S. 65]. Die Stereotype, die er seinen LICHT-Gestalten zuschrieb, perpetuieren den- „Wenn ich sage, daß der Mensch sich versteht als ein noch unhinterfragt viele historisch-alltägliche Klischees. Atom Gottes und als Partikel des gesamten Universums, und daß es sein Streben ist, in zunehmendem Maße im- Orte und Länder mer mehr zu wissen über den Sinn und die Funktion des Karlheinz Stockhausen wuchs in der Nähe von Köln im Universums und dessen, was im Universum geschieht, Bergischen Land auf und blieb seiner Heimat bis zu sei- dann ist das eine geistige Orientierung, die verwandt ist nem Tod eng verbunden. Er lebte in der Gemeinde Kür- mit allen Religionen, aber sie ist nicht eine Religion.“ ten, wo er sich im Ortsteil Kettenberg in den 1960er Jah- (Stockhausen, Karlheinz. „Astronische Epoche“. In: Tex- ren ein Haus baute. Hier erwarb er später noch weitere te 10, S. 15–37. Zitat S. 29.) Grundstücke und Immobilien, die heute der Stockhau- Biografie sen-Stiftung für Musik gehören. Am Kettenberg ist auch der Stockhausen-Verlag angesiedelt, das Stockhausen-Ar- Karlheinz Stockhausen wurde am 22. August 1928 in Mö- chiv befindet sich in Kürten-Hachenberg. drath bei Kerpen geboren. Sein Vater Simon war Volks- Stockhausen studierte in Köln Schulmusik mit Haupt- schullehrer, seine Mutter Gertrud Hausfrau. Stockhau- fach Klavier, daneben Musikwissenschaft, Germanistik sen wuchs in einfachen ländlichen Verhältnissen inner- und Philosophie. Nach dem ersten Staatsexamen setzte halb eines katholischen Umfelds auf. Seine musikali- er sein Kompositionsstudium am Pariser Konservatori- schen Fähigkeiten zeigten sich früh, er lernte Klavier, um fort, wo er die Analyseklasse von be- Oboe und Gesang durch Eltern und Lehrer. Von 1947 bis suchte. Mit dem Beginn seiner kompositorischen Tätig- 1951 studierte Stockhausen in Köln Schulmusik mit keit Anfang der 1950er Jahre gewann er schnell interna- Hauptfach Klavier an der Musikhochschule, daneben Mu- tionales Renommee. Neben zahlreichen weltweiten Kon- sikwissenschaft, Germanistik und Philosophie an der zerttourneen und Vortragsreisen führten ihn Gastprofes- Universität. 1951 komponierte er seine erste serielle und suren in die Schweiz und USA, nach Finnland, Holland bedeutende Komposition für Oboe, Bass- und Dänemark. Als Dirigent, Musiker und Klangregis- klarinette, Klavier und 3 Schlagzeuger. Unmittelbar zu- seur war er an der (Ur-) Aufführung vieler seiner Werke vor hatte er erstmals an den Internationalen Ferienkur- im In- und Ausland beteiligt. 1970 präsentierte er im sen für Neue Musik in teilgenommen, an de- Deutschen Pavillon der Weltausstellung in Osaka über nen er in der Folge über viele Jahre hinweg maßgeblich

– 2 – Stockhausen, Karlheinz als Komponist, Musiker und Dozent beteiligt war. Sein SAMSTAG aus LICHT (1984, Scala di Milano); MON- Studium setzte er 1952/53 am Pariser Konservatorium TAG aus LICHT (1988, Scala di Milano); DIENSTAG aus bei Olivier Messiaen fort. Ab 1953 war er ständiger Mitar- LICHT (1993, Oper Leipzig); beiter im Studio für Elektronische Musik des WDR, des- (1996, Oper Leipzig); posthum: SONNTAG aus LICHT sen Leitung er von 1963 bis 1977 innehatte. Mitte der (Köln, 2011) und MITTWOCH aus LICHT (2012, Bir- 1950er Jahre komponierte er hier die ersten Elektroni- mingham ). Nach der Beendigung von LICHT be- schen Werke, darunter und II, GESANG DER gann Stockhausen 2004 mit dem nächsten Zyklus JÜNGLINGE und . Nebenbei setzte er sein „KLANG – Die 24 Stunden des Tages“, den er bis zur 21. Studium mit den Fächern Phonetik und Kommunikati- Stunde PARADIES ins Werk setzte. Am 5. Dezember onsforschung an der Universität Bonn bei Werner Meyer- 2007 starb Stockhausen in seinem Haus in Kürten. Eppler fort. Von 1954 bis 1959 war Stockhausen Mither- ausgeber der Zeitschrift „“. Musikalische Schlüs- „Alles, was wir tun, ist Formgebung, und Formung ist selwerke jener Zeit sind GRUPPEN für 3 Orchester nichts anderes als Realisation von Bewußtsein. Wir mei- (1955-57), CARRÉ für 4 Orchester und 4 Chöre (1959) ßeln den Geist aus rohem Stein.“ und MOMENTE (1962-64). In den 1960er Jahren hatte (Stockhausen, Karlheinz. „Die sieben Tage der Woche“. Stockhausen Gastprofessuren für Komposition an der In: Texte 6, S. 154.) University of Pennsylvania in Philadelphia und an der In Beziehung mit University of California, Davis. Er realisierte 1966 zwei Kompositionsaufträge ( und ) beim „Für Frauen muß man komponieren.“ Japanischen Rundfunk NHK in Tokio und unternahm (Stockhausen, Karlheinz. Zu KLANG, Nr. 19. In: Texte zahlreiche Vortrags- und Konzertreisen in alle Welt. En- 17, S. 133ff. Zitat S. 133). de der 1960er Jahre entstanden vor allem Prozesskompo- sitionen und Intuitive Musik. 1970 markiert einen Höhe- Karlheinz Stockhausen war von 1951 bis 1965 mit Doris punkt in Stockhausens Schaffen: Als Repräsentant der Andreae verheiratet, die er an der Kölner Musikhoch- Bundesrepublik Deutschland brachte er auf der Weltaus- schule kennengelernt hatte, an der sie beide zur selben stellung in Osaka zusammen mit einer Gruppe von unge- Zeit Klavier studierten. Aus der Ehe gingen vier Kinder fähr 20 Musiker*innen zwischen Mitte März und Mitte hervor: Suja (1953), Christel (1956), Markus (1957) und September täglich 5 ½ Stunden lang eigene Werke im so- Majella (1961). genannten Kugelauditorium zu Gehör. Das Kugelaudito- Anfang der 1960er Jahre lernte Stockhausen die Künstle- rium hatte er gemeinsam mit dem Architekten Fritz Bor- rin kennen. In ihrem Atelier in der nemann entworfen, um erstmals eine umfassende räumli- Kölner Lintgasse waren 1960/61 bei avantgardistischen che Projektion der Musik um das Publikum herum ver- Veranstaltungen namhafte Akteure wie , wirklichen zu können. Gegen Ende der Weltausstellungs- , , Hans G Helms, George Maciu- zeit und noch in Japan schrieb Stockhausen das Klavier- nas, Christo und andere zu Gast. Stockhausen und Bauer- stück als Auftakt der sogenannten Formel- meister lebten zunächst einige Jahre unverheiratet zu- Komposition, ein komplexes serielles Verfahren, dem er sammen; die Eheschließung erfolgte 1967, 1972 wurden bis zu seinem Tod verpflichtet blieb. So bildete auch eine sie wieder geschieden. 1966 kam Tochter Julika auf die kurze dreischichtige sogenannte Superformel die Matrix Welt, 1967 Sohn Simon. Von 1974 bis zu seinem Tod für den monumentalen Opernzyklus „LICHT – Die sie- 2007 lebte Stockhausen mit der amerikanischen Klarinet- ben Tage der Woche“, den Stockhausen zwischen 1977 tistin zusammen, ab 1982 auch mit und 2003 komponierte. Der Heptalogie vorausgegangen der holländischen Flötistin . Für beide waren in den frühen 1970er Jahren andere szenische Musikerinnen komponierte er zahlreiche Werke, die sie (Einzel-)Werke wie , ALPHABET für LIÈGE, AM in der Regel uraufführten und die überwiegend zum HIMMEL WANDRE ICH, u.a., daneben Opernzyklus LICHT gehören. In enger Zusammenarbeit Werke wie SIRIUS und TIERKREIS, die ebenfalls Zeitzy- mit Musikerinnen und Musikern – darunter seine Kin- klen – die vier Jahreszeiten bzw. die zwölf astrologischen der Markus, Majella und Simon – entstanden viele Wer- Sternzeichen – zum Thema haben. Die sieben Opern aus ke Stockhausens, was zu einer deutlichen Erweiterung LICHT wurden szenisch uraufgeführt in der Reihenfolge der Spieltechniken und Ausdrucksspektren der jeweili- (1981, Scala di Milano); gen Instrumente führte. Intensive Kooperation mit den

– 3 – Stockhausen, Karlheinz

Interpretinnen und Interpreten seiner Werke hatte Stock- met. Bemerkenswert ist dieser Aspekt insofern, als Stock- hausen bereits in den 1950er Jahren; zu nennen sind hausen Zeit seines Lebens in unterschiedlicher Hinsicht hier beispielsweise die Pianisten Alfons und Aloys Kon- durch Frauen inspiriert wurde, mit denen er liiert war, tarsky, der Schlagzeuger oder der Pia- wenngleich er sein Werk in erster Linie „als eine musika- nist David Tudor; in den 1970er Jahren gab es die soge- lische Lobpreisung Gottes“ begriff (Stockhausen, nannte Gruppe Stockhausen, die Solo- und Ensemblewer- Karlheinz. „Die Essenz des Alls“. In: Texte 14, S. ke etwa bei den Darmstädter Ferienkursen oder bei der 317–333. Zitat S. 317). Im Rahmen einer zunächst katho- Weltausstellung in Osaka aufführte. Zu dieser Gruppe ge- lischen, dann immer universaleren Glaubenshaltung war hörten im Kern , Alfred Alings, Harald es für ihn selbstverständlich, dass nicht nur die göttliche, Bojé, Rolf Gelhaar und Aloys Kontarsky. Bei den Urauf- sondern auch die irdische Liebe Reflexe im Werk zeigt. führungen der LICHT-Opern waren neben Kathinka Pas- Allerdings ging es ihm vordinglich nie um den musikali- veer, Suzanne Stephens, Majella, Simon und Markus schen Ausdruck subjektiv-emotionaler Qualitäten, son- Stockhausen auch Annette Merriweather, Julian Pike, Mi- dern stets um das universale Prinzip, das mit der Liebe chèle Noiret, Alain Louafi, Angela Tunstall, Nicholas Is- verknüpft ist. herwood, Matthias Hölle und Antonio Pérez Abellan be- teiligt. „Eros ist ja Liebe, und Liebe ist die Musik des Lebens.“ Stockhausen war ein sehr kommunikativer Mensch, der (Stockhausen, Karlheinz. „Liebe ist die Musik des Le- sich mit vielen Menschen schriftlich und mündlich aus- bens“. In: Texte 17, S. 241ff. Zitat S. 243). tauschte. Zu den wichtigsten Korrespondenzen gehört „Erotik ist eine göttliche List, der man erliegen muss, um der Briefwechsel mit dem belgischen Komponisten Karel zu schmunzeln und mit den Göttern dieses ewig zu Goeyvaerts aus den Jahren 1951 bis 1958 (Stockhausen- erneuern. Kinder kommen daraus – aber auch Kunst.“ Verlag, Kürten 2017), der den Beginn seines kompositori- (Stockhausen, Karlheinz. „Texte in STIMMUNG. Brief- schen Schaffens erhellt. Auch mit dem französischen wechsel mit dem Sohn Markus Stockhausen“. In: Texte Komponisten schrieb sich Stockhausen 7, S. 163f. Zitat S. 164.) über lange Jahre hinweg, allerdings ist diese Korrespon- denz, die sowohl in der Paul Sacher Stiftung in Basel als MOMENTE auch im Stockhausen-Archiv in Kürten verwahrt ist, no- Ein besonderes Beispiel für den Niederschlag einer Bezie- ch nicht veröffentlicht. Mit anderen Komponisten wie hungskonstellation im musikalischen Werk stellen die , , Luciano Be- MOMENTE (1960-62) für Solosopran, 4 Chorgruppen rio, oder korrespondierte und 13 Instrumentalisten dar, in denen sich das Dreiecks- Stockhausen mehr oder weniger kontinuierlich und in- verhältnis zwischen Stockhausen, seiner damaligen Frau tensiv, ebenso mit zahlreichen prominenten Vertreterin- Doris und der bildenden Künstlerin Mary Bauermeister nen und Vertretern aus Kunst, Politik und Wissenschaft. sedimentierte – sie lebten Anfang der 1960er Jahre im Komposition studierten bei ihm , Clarence katholisch-konservativen Köln eine sogenannte Menage Barlow, , Nicolaus A. Huber, Helmut à trois. Bei den MOMENTEN handelt es sich um eine of- Lachenmann, Robert HP Platz, Wolfgang Rihm, Makoto fene Komposition, die „keinen eindeutig festgelegten An- Shinohara, Claude Vivier u.a. fang, Formablauf, kein bestimmtes Ende“ hat (Stockhau- sen, Karlheinz. „MOMENTE (1962) für Solosopran, 4 Ch- Würdigung orgruppen und 13 Instrumentalisten“. In: Texte 3, S. Noch während seines Studiums an der Staatlichen Hoch- 31–39. Zitat S. 31). schule für Musik in Köln komponierte Stockhausen 1950 Selbständige „Momente“ im Sinne musikalischer Ab- die ersten (A-cappella-)Werke CHÖRE FÜR DORIS und schnitte werden nach bestimmten Regeln variabel mitein- , die er seiner damaligen Partnerin und späte- ander verbunden. Die Anfangsbuchstaben der Namen ren Frau Doris widmete. Auch weitere frühe Werke wie Karlheinz, Mary und Doris korrespondieren mit drei Ar- die DREI LIEDER für Altstimme und Kammerorchester ten von Momenten: in den M-Momenten steht die Melo- (1950), für Violine und Klavier (1951) oder die-Komposition im Zentrum, K-Momente fokussieren KREUZSPIEL für Oboe, Bassklarinette, Klavier und 3 Klang-Komposition, D-Momente beziehen sich auf Dau- Schlagzeuger (1951) sind ihr, der Mutter der vier gemein- ern-Komposition. Dem Aspekt ‚Klang‘ ist Folgendes zuge- samen Kinder Suja, Christel, Markus und Majella, gewid- ordnet: „Vertikalität, Homophonie, Regelmäßigkeit, Ge-

– 4 – Stockhausen, Karlheinz räusche, Schlagzeug, Männer“; die K-Momente ‚stehen MENTE.“ (Stockhausen, Karlheinz. „Fünf Gedanken zu immer im Zentrum‘. Die M-Momente mit der Eigen- MOMENTE“. In: Texte 11, S. 121–136; Zitat S. 135. schaft „Melodie“ stehen für „Horizontalität, Monopho- nie, Heterophonie, Zufälligkeit, Töne und Geräusche STIMMUNG, AM HIMMEL WANDRE ICH, AUS DEN gleichberechtigt gemischt, Trompeten und Posaunen, So- SIEBEN TAGEN losopran“, während die Kategorie „Dauern“ der D-Mo- Ein weiteres Beispiel für eine Komposition, die Aspekte mente „Diagonalität, [vertikal + horizontal], Polyphonie, der Beziehung mit Mary Bauermeister reflektiert und zu- Unregelmäßigkeit [‚synkopisch‘], Töne, elektrische Or- gleich eine kompositorische Festschreibung von heterose- geln, Frauen“ umfasst [Stockhausen, Karlheinz. „MO- xuellen Geschlechterrollen impliziert, ist STIMMUNG MENTE für Solosopran, 4 Chorgruppen und 13 Instru- für 6 Vokalisten. Das Werk entstand als Auftrag der mentalisten (1962-64/69). Europa Version 1972“. In: Stadt Köln für das Collegium Vocale Köln und basiert auf Texte 4, S. 57–68. Zitat S. 57]. Texten, die Stockhausen „in verliebten Tagen des April Das Geflecht und die Wechselwirkungen zwischen den 1967“ schrieb, als er mit Mary Bauermeister durch Kali- musikalischen Momenten verstand Stockhausen explizit fornien reiste (Stockhausen, Karlheinz. „STIMMUNG für als kompositorische Spiegelung der Dreiecksliaison; es 6 Vokalisten“. In: Texte 3, S. 108–111; Zitat S. 108). gibt „‚reine‘ Momente M, K, D, die in sich reflektieren“, Daneben verwendete Stockhausen „Magische Namen“ und um diese „sind solche gruppiert, die sowohl in sich, von Gottheiten, die ihm die Anthropologin Nancy Wyle als auch einen oder die beiden anderen reflektieren“ zusammengestellt hatte, mit der er damals zwischenzeitli- [Stockhausen, Karlheinz. „MOMENTE (1962) für Soloso- ch ebenfalls enger liiert war. Drei Sängerinnen und drei pran, 4 Chorgruppen und 13 Instrumentalisten“. In: Tex- Sänger sieht die Partitur vor; sie singen vor allem in te 3, S. 31–39. Zitat S. 37]. Obertontechnik Klang-Modelle in reiner Stimmung. In Weiter heißt es an anderer Stelle: „Die K-Momente blei- den 1990er Jahren nahm ein Frauenensemble STIM- ben immer im Zentrum…; M (m) hängt fest an KM (d)… MUNG in sein Konzertprogramm auf. Um die Partitur Die Untergruppe K (d) mit KD (m) und KD und die Un- den Frauenstimmlagen anzupassen, transponierte das tergruppe K (m) mit KM (d) und KM können vertauscht Ensemble den in reiner Stimmung notierten Grundak- werden…“. Diese Art der Formgebung lässt sich also kord von STIMMUNG um eine kleine Terz in die Höhe; durchaus mit Blick auf die drei Personen Karlheinz, Do- als Rechtfertigung diente Stockhausens Partiturvermerk, ris und Mary interpretieren. Die Texte, die Stockhausen dass die Obertonreihe von STIMMUNG „etwas aufwärts in den MOMENTEN verwendete, stammen aus dem Ho- oder abwärts transponiert werden“ könne (Partiturvor- helied Salomos, aus einem Brief Mary Bauermeisters, wort zu STIMMUNG). Bei Stockhausen stieß dieses Vor- von William Blake, aus Märchen und anderen Quellen. gehen, als er davon erfuhr, auf großes Befremden und Publikumsreaktionen wie Zurufe und Phrasen sowie nachdrücklichen Widerspruch: „STIMMUNG ist ein sa- selbsterfundene Namen fanden ebenfalls Eingang. Die krales Werk und eine Musik der Liebe zwischen Mann „wesentliche Nachricht“ der MOMENTE – so Stockhau- und Frau. Die Komposition für drei Frauen und drei sen – ist fokussiert in einer Passage, die die Sopranistin Männer hat einen tiefen, heiligen Sinn, den man nicht singt: „‘Hört die MOMENTE – Musik der Liebe – Musik, travestieren darf.“ (Stockhausen, Karlheinz. „Zur Auffüh- die das ganze Universum zusammenhält. Damit sich in rungspraxis von STIMMUNG – Was kann ich tun???“. uns allen die Liebe erneuere.‘ Das ist die wesentliche In: Texte 11, S. 201–214; Zitat S. 212.) – „Meine Texte Nachricht der MOMENTE. Wie mehr oder weniger inten- sind erotisch, und die den Männern zugeordneten Ge- siv musikalische Ereignisse – magnetisch angezogen – dichte sprechen zum Teil eine Mann-Frau-Sprache, zum zusammengehören oder sich abstoßen, ist eigentlich das Beispiel: ‚Mein Hahn ist meine Seele, wenn ich Dich ver- Thema. Ich habe einmal gesagt, die Liebe ist der ‚kosmi- senke.‘ Von einer Altistin dieses und ähnliches zu einer sche Leim‘. Dadurch werden entweder die subatomaren Frau gesprochen“ zu hören, grenze an Perversion (eben- Elemente, die Atome, alle Lebewesen, die Planeten, die da, S. 209), und es könne nur „total falsch“ sein, wenn Sonnen in den Galaxien und die Galaxien in den Haufen- man zudem „alle Obertöne um 4:5 verschiebt“ (ebenda, Galaxien voneinander abgestoßen oder angezogen. bis S. 213). sie sich durch eine Supernova erneuern oder für eine ge- Eine so eindeutige und fixe Zuschreibung von Geschlech- wisse Zeit in ein schwarzes Loch fallen: ‚Die Liebe, die tern zu Stimmen oder Gesangspartien ist bei Stockhau- das Ganze zusammenhält.‘ Das ist das Thema von MO- sen aber gleichwohl kontextbezogen beziehungsweise

– 5 – Stockhausen, Karlheinz werkabhängig. Ein Beispiel dafür ist die Komposition (Bass-)Klarinette und Bassetthorn als auch kammermusi- „Am Himmel wandre ich. Indianerlieder“ für 2 Singstim- kalische Werke und Ensemblestücke, die überwiegend men aus dem Jahr 1972. Stockhausen hatte für die bei- als Teile des Opernzyklus LICHT entstanden. Neben der den Sängerinnen Gaby Rodens und Helga Hamm-Alb- szenischen Version gab Stockhausen oftmals auch kon- recht ein Duett geschrieben, doch kurz vor der Urauffüh- zertante Fassungen heraus, die von einer Bühnenrealisa- rung gab es eine Änderung der Besetzung, weshalb Stock- tion unabhängige Darbietungen erlauben. Übersehen hausen die Lieder mit der Vorstellung weiterkomponier- darf man allerdings nicht, dass Stockhausen desgleichen te, dass sie auch von einem Mann und einer Frau gesun- etwa für seine beiden Söhne Markus (Trompete) und Si- gen werden könnten. Auch zwei männliche Interpreten mon () eine Reihe von Kompositionen sch- seien möglich, räumte Stockhausen später in einem Ge- rieb, sodass es verkürzt wäre, von einer ausschließlich spräch ein, „wenn es im richtigen Zusammenhang vers- aus heterosexuellen Liebesbeziehungen entspringenden tändlich“ und „humorvoll“ sei, denn die Lieder bekämen Inspiration zu sprechen. Vielmehr wurzelt der wichtigste dadurch „leicht einen travestitischen Aspekt“: „Ja, und? Impuls, der allen diesen Werken zugrunde liegt, im Ich muß doch damit rechnen, daß irgendwann einmal fruchtbaren Zusammenspiel der exzellenten Musikerin- zwei überzeugte Travestiten das Stück aufführen, und nen und Musiker mit der kreativen Komponistenpersön- daß einer der beiden eventuell die Frauenrolle spielt und lichkeit Stockhausen. So erklärt sich größtenteils auch der andere die Männerrolle. Laßt sie doch alle die Musik die Verbindung bestimmter Instrumente wie Bassett- benutzen! Je mehr Aspekte, um so gültiger ist sie doch. horn und Trompete mit den Figuren Eva und Michael be- Entscheidend ist die künstlerische Qualität und die Rein- ziehungsweise Flöte mit den weiblichen Nebenrollen der heit der Beziehung.“ (Stockhausen, Karlheinz. „Vor und Eva in LICHT durch die künstlerische Symbiose mit Su- nach SAMSTAG aus LICHT“. In: Texte 6, S. 247–318; Zi- zanne Stephens, Markus Stockhausen und Kathinka Pas- tat: S. 307f.) veer. Unabhängig von seinen musikalischen Werken setzte si- ch Stockhausen nachdrücklich gegen jede Form von sexu- Mit Beginn des Opernzyklus „LICHT – Die sieben Tage eller Unterdrückung und Verfolgung ein, so etwa 1968 in der Woche“ gewann die Verbindung von musikalischen einem Beitrag zum Buch „Verfolgung der Homosexuel- Eigenschaften mit den Geschlechterkategorien männlich len in Deutschland“ von Rolf Italiaander. – weiblich eine neue Dimension. Sie liegt im Kern in der Um abschließend noch einmal auf die Beziehung mit Ma- sogenannten „Superformel für LICHT“ beschlossen und ry Bauermeister zurückzukommen, so war die künstleri- gelangt in jeder der sieben abendfüllenden Opern unter- sche Befruchtung zwischen ihr und Stockhausen in den schiedlich zur Entfaltung. Die Superformel für LICHT ist besten Zeiten gegenseitig. Aber auch der Trennungsmo- ein dreistimmiges, rund einminütiges melodisches Gebil- ment hinterließ eine Spur in Stockhausens Werk: Nach- de, das in Art einer Matrix oder eines genetischen Codes dem Mary Bauermeister ihn endgültig verlassen hatte, die gesamte Opernheptalogie generierte. Die drei musika- zog Stockhausen sich in das noch nicht ganz fertiggestell- lischen Schichten stehen für die drei Hauptfiguren des te Haus in Kürten zurück. Nach einer Woche sozialen Werkes: Eva, Michael und Luzifer. Sie stellen keine Men- und musikalischen ‚Fastens‘ schrieb er die Textkomposi- schen dar, sondern Geistwesen, kosmische, zeitlose We- tionen als Höhepunkt der so- sen, die in der Hierarchie zwischen Gott und den Men- genannten Intuitiven Musik. schen angesiedelt sind. Zahlreiche kulturgeschichtliche Vorbilder lassen sich lokalisieren – in der jüdisch-christ- LICHT – Die sieben Tage der Woche lichen Überlieferung ebenso wie in anderen religiösen, Als besonders produktiv erwies sich in der Folge die Be- mythologischen, mystischen, märchenhaften und literari- gegnung und Kooperation mit den beiden Lebensgefähr- schen Quellen. Eva steht im Sinne eines Prinzips, einer tinnen und Instrumentalistinnen Suzanne Stephens und Energie oder Kraft für alles Weibliche, für Wachstum Kathinka Pasveer. Stockhausen schrieb für die Klarinet- und Geburt, für Harmonie, Ausgleich und Vermittlung; tistin Suzanne Stephens, mit der er 33 Jahre verbunden die Anspielung auf die biblischen Vorbilder der Eva und war, über 40 Werke, und fast ebenso viele für die Flötis- Maria sowie auf Venus und Aphrodite ist intendiert. Ver- tin Kathinka Pasveer, die ihm 25 Jahre als Partnerin zur gleichbare referenzielle Hintergründe gibt es bei Luzifer Seite stand. Zu diesen Werkbeständen gehören sowohl und Michael. Luzifer, der gefallene Lichtbringer, der der zahlreiche Solokompositionen für (Piccolo-)Flöte, Überlieferung nach aus dem Kreis der Erzengel verbannt

– 6 – Stockhausen, Karlheinz wurde, weil er gegen Gott und die Erschaffung des Men- sam. Das, was Eva als Geistwesen in LICHT repräsen- schen rebelliert hatte, ist im Opernzyklus ebenfalls derje- tiert, ist zwar keine Projektion einer Idealfrau des realen nige, der die göttliche Ordnung des Kosmos in Frage Lebens, sondern ein kulturgeschichtlich geprägtes Ab- stellt und die Allmacht Gottes anzweifelt. Michael ähnelt bild weiblicher Eigenschaften und Qualitäten. Gerade die- dem biblischen Gottessohn Jesus, daneben Thor, Donar, se Zuschreibungen perpetuieren aber zahlreiche Stereoty- Jovis und Hermes Trismegistos. Er ist vom göttlichen pe und Klischees, trotz aller positiven Wertschätzung, Plan überzeugt: Für ihn macht es Sinn, dass Gott den die der Eva-Figur im LICHT-Zyklus widerfährt. Im Kern Menschen geschaffen hat, selbst wenn der Mensch im wurzelt die Polarisierung zwischen Eva und den männli- Unterschied zu den Engeln und anderen geistigen Wesen chen Protagonisten im biologischen Unterschied, denn unvollkommen ist und am Ende seines Lebens sterben Eva steht in erster Linie für die Geburt. Die Geburt sym- muss. bolisiert in LICHT den Ursprung allen Lebens, die Wie- Jeder Wochentag ist seinen Bezeichnungen nach mit ei- dergeburt und damit das Zyklisch-Spiralartige der göttli- nem Gestirn oder einer Gottheit verknüpft. Aus diesen chen Schöpfung. Eine zentrale Idee der LICHT-Heptalo- leiten sich bestimmte Themen her, die im Zentrum der gie ist mit diesem Prozess korreliert: Der Mensch ist ver- Operntage stehen. Montag (Monday, Lundi, Lunedì), pflichtet, seine Zeit auf der Erde zur persönlichen, geisti- Tag des Mondes, ist der Tag der Frau, der Geburt, Wie- gen, musikalischen Weiterentwicklung zu nutzen, um dergeburt und des Eros; Dienstag (Tuesday, Mardi, Mar- auf einer höheren, besseren Stufe wiedergeboren zu wer- tedì), Tius- oder Marstag, ist der Tag des Krieges und der den. Evas Aufgabe ist es, ihn dabei zu unterstützen. Eva, Auseinandersetzung; Mittwoch (Wednesday, Mercredi, die durch die Geburt Leben schenkt, ist in LICHT des Mercoledì) ist auf den Merkur bezogen und steht für Weiteren verknüpft mit Natur und Intuition, Hingabe, Kommunikation und Zusammenarbeit; Donnerstag Fürsorge, Zauber und Magie. Tendenziell ist sie passiv (Thursday, Jeudi, Jovedì), Donars- oder Thorstag, ist als und empfangend, während das aktive, rational bestimm- Michaelstag der Tag des Lernens, während der Freitag te Handeln typischerweise den männlichen Figuren Mi- (Friday, Vendredi, Venerdì) als Freia- oder Venustag die chael und Luzifer vorbehalten ist. Luzifer und Michael Versuchung zum Gegenstand hat; der Samstag hingegen sind in LICHT zwar selten explizit als ‚Männer‘ bezeich- (Saturday, Samedi, Sabato) verweist auf den Saturn und net oder namentlich mit ‚männlichen‘ Attributen verse- den mit ihm assoziierten Tod; der Sonntag, Sonnentag hen, dennoch kennzeichnen vor allem Luzifer Zuschrei- (Sunday, Dimanche, Domenica) ist als Wochenhöhe- bungen, die man auch in anderen Zusammenhängen tra- punkt der Tag der Gottesverehrung und mystischen Ver- ditionell auf Seiten der Männer findet: Konflikt, Krieg einigung. Jeder Operntag ist einem, zwei oder allen drei und Kampf, Widerspruch, Rebellion und Tod. Bei Micha- Geistwesen gewidmet: Montag ist der Tag Evas, am Di- el hingegen stehen Eigenschaften im Zentrum, die mit enstag ist der Konflikt zwischen den Kontrahenten Mi- seiner Funktion als ‚Gottessohn‘ und geistigem „Lenker chael und Luzifer bestimmend, am Mittwoch kooperie- unseres Universums“ assoziiert sind, wie Lernen, Liebe ren alle drei, Donnerstag ist Michael gewidmet, am Frei- – zu den Menschen in allgemeinem Sinne – und Weis- tag steht die Versuchung Evas durch Luzifer im Mittel- heit, oder die Fähigkeit zur Vervollkommnung [Stockhau- punkt. Samstag fokussiert als Luzifer-Tag den Tod, Sonn- sen, Karlheinz. „7 x LICHT im Rundfunk (2001-2007). 4. tag befasst sich mit der mystischen Vereinigung von Eva Teil: DONNERSTAG aus LICHT.“ In: Texte 16, S. 93-111; und Michael, die dem Thema der Geburt am Montag vor- Zitat S. 93]. ausgeht. Aus kompositorischer Sicht hat die Superformel für Dieses Handlungsgerüst füllte Stockhausen im Verlauf LICHT je eine horizontale musikalische Schicht für jede des Kompositionsprozesses mit Szenarien – LICHT liegt der drei Figuren und besteht vertikal aus sieben Glie- kein vorab vorhandenes Libretto zugrunde, das in Musik dern, die den Wochentagen entsprechen. Im Sinne eines gesetzt wurde. Text und Bühnenereignisse entfalten sich komplexen seriellen Prinzips sind in den Formeln nicht in den einzelnen Opernteilen mehr oder weniger strin- nur die Tonhöhen, Intervalle, Akkorde, dynamischen gent, aber immer abhängig von der Superformel für Grade, Rhythmen und Dauern individuell bestimmt, son- LICHT und dem Bezugsrahmen, den die Wochentage, ih- dern auch weitere Eigenschaften wie Geräusche, Echos, re Themen und die darin eingebundenen Figuren vorge- Improvisationen und Skalen: „Jede der drei Melodien ben. Übergeordnet ist bei Eva, Michael und Luzifer eine hat die Charaktere ihres Geistes. MICHAELs Melodie klare binäre, polarisierende Geschlechterauffassung wirk- senkt sich nieder. EVAs Melodie ist steigend – fallend –

– 7 – Stockhausen, Karlheinz steigend, LUZIFERs Melodie springt zweimal auf und lischen Tradition als Nachfolge von Lilith oder Inanna fällt jedes Mal danach. LUZIFER hat das dissonanteste noch in vorbiblischen Kulturen“; ihre Aufgabe ist es, Intervall zu Beginn, MICHAEL spielt am Ende mit einem „Menschen in die Welt zu bringen, die musikalischer und schwebenden Tritonus. MICHAELs Hauptmerkmal ist damit schöner und vollkommener sind [Stockhausen, Farbe, EVAs ist Melodie mit feinen Glissandi, LUZIFERs Karlheinz. „7 x LICHT im Rundfunk (2001–2007). 1. ist Rhythmus (seine Formel ist besonders durch ungerad- Teil: MONTAG aus LICHT. Gespräch mit Reinhard Er- zahlige Rhythmen – vor allem auch Neuner, Elfer, Drei- men am 6. Oktober 2001“. In: Texte 16, S. 43-66; Zitat S. zehner – und unregelmäßige Komplexität gekennzeich- 48]. Die Vorstellung schönerer und vollkommenerer net)“; Michael „ist Trompeter, aber mit vielen Farbände- Menschen mag befremden, meint aber nicht durch gene- rungen durch Dämpfer und dergleichen. EVA ist Sopran. tische Manipulation, sportliches Training oder kosmeti- Auch sie hat relativ viele Farben durch die verschiedenen sche Techniken perfektionierte Körper. Vielmehr kom- Vokale und Vokaländerungen. LUZIFER hat viele Geräu- men hier eine Haltung und ein Anspruch zum Ausdruck: sche, stimmlose Konsonanten. EVA ist so eine richtige das menschliche Dasein wird als eine sinnvolle Aufgabe Mischung von allem, und sie hat eine ganz runde Melo- begriffen, die es bestmöglich zu erfüllen gilt. Als irdi- die.“ (Stockhausen, Karlheinz. Stockhausen – Sound In- sches Wesen ist der Mensch an sich nicht vollkommen, ternational. In: Texte 6, S. 347-366; Zitat S. 357f.) aber er kann seine Aufgabe möglichst gut erfüllen, um si- Den drei Formeln liegt ein chromatisches Total mit drei- ch in den spiralartig verlaufenden kosmischen Prozessen mal zwölf Tönen zugrunde, die aber nicht gleichmäßig der göttlichen Vollkommenheit immer weiter anzunä- verteilt sind. Eva hat zwölf Halbtöne, Luzifer, der quasi hern. In Stockhausens musikalischer Woche liegt es na- etwas unvollkommen ist, nur elf, während Michael, der he, dass die menschliche Aufgabe musikalischer Art ist, Gottessohn, etwas mehr als vollkommen ist und daher 13 so wie auch Eva im MONTAG aus LICHT symbolisch Töne hat. Darüber hinaus beinhaltet die Superformel durch ein Musikstück befruchtet wird. zwölf chromatische Tempi zwischen 60 und 120 MM. Die Akte vom MONTAG aus LICHT heißen EVAs Erstge- Die drei kosmischen Geister Eva, Michael und Luzifer burt, EVAs Zweitgeburt und EVAs Zauber, das Element werden in den Opernteilen singend, spielend und tan- vom MONTAG ist das Wasser, die Farben sind Grün und zend vervielfältigt; die Bewegungen der Musikerinnen Silber. Geburtsarien werden gesungen, eine Erstgeburt und Musiker sind in der Regel kompositorisch festgesch- findet statt und geht schief, sieben Heinzelmännchen rieben. Die Figur der Eva ist gekoppelt ans Bassetthorn, werden dabei geboren, halb Tier, halb Mensch und nicht Michael ist verbunden mit der Trompete, Luzifers Instru- fähig zu singen. Luzifer taucht schließlich auf und macht ment ist die Posaune. Für jeden Wochentag gibt es Far- dem ein Ende: „Alle wieder rein!! Das Ganze nochmal ben, Zeichen, Düfte, Elemente und anderes, abhängig von vorne!!!“. Erst nach einer MÄDCHENPROZESSION von der Thematik des Wochentags. – einem Fruchtbarkeitsritual – und der Befruchtung ei- Zur näheren Veranschaulichung bietet sich ein kurzer ex- ner großen EVA-Figur durch ein Klavierstück werden bei emplarischer Blick auf den MONTAG aus LICHT an: Der der Zweitgeburt sechs musikalisch hochbegabte Jungen Montag ist bereits namentlich mit dem Mond verbun- geboren, die nach den Tagen der Woche Montags- bis den, der in vielen Kulturen Weiblichkeit symbolisiert, Sonntagsknabe benannt sind und die Lieder der Woche ebenso wie die Sonne als männliches Attribut gilt. Dem- singen. entsprechend ist der MONTAG aus LICHT der Tag Evas, Durch den Rückgriff auf Weiblichkeitsmythen, Legen- „eine musikalische Feier zur Verehrung der Mutter, ein den, Märchen und andere Überlieferungen setzt LICHT Fest der Geburt und der Neugeburt des Menschen“, aber zwangsläufig eine Fülle von Stereotypen fort. So ist bei- auch der Tag der Frau und der Kinder [Stockhausen, spielsweise Eva als Folge des Gebärens die Fürsorge zuge- Karlheinz. „MONTAG aus LICHT (1984–88). Allgemeine schrieben, also umsorgen die Frauen den Nachwuchs, un- Einführung“. In:Texte 7, S. 295–307; Zitat S. 298.]. abhängig davon, ob es sich um Zwitterwesen (halb Men- Der MONTAG aus LICHT schreibt damit die in zahlrei- sch, halb Tier) handelt oder um – bezeichnenderweise – chen Mythen und Legenden überlieferte Kopplung von hochmusikalische Knaben. Den Mädchen hingegen ob- Fruchtbarkeit, Empfängnis, Geburt mit dem Mond und liegt im MONTAG aus LICHT die MÄDCHENPROZESSI- der Frau fort. Vor diesem Hintergrund verkörpert Eva in ON, mit der sie – spirituell-naturverbunden – bei Mond- LICHT keine weltliche Person, sondern „die kosmische licht Eva für eine Neugeburt vorbereiten. Den heran- Mutter der Menschen, und zwar nicht nur wie in der bib- wachsenden Kindern bringen die Frauen Wesentliches

– 8 – Stockhausen, Karlheinz bei; sie sind zuständig für Wachstum und Werden, den Ivanka Stoianova, die sich eingehender mit der Gender- Fortschritt und schließlich die Wiedergeburt. Ein weite- thematik im MONTAG aus LICHT befasst hat, erklärt rer Bereich, der Eva im MONTAG aus LICHT zugewie- die geschlechtliche Mehrdeutigkeit Evas mit dem mytho- sen ist, erfüllt erneut eine standardisierte Geschlechter- logischen Hintergrund von LICHT: „EVA kann per defini- rolle: Eros und Verführung sind auf ihrer Seite, Erwach- tionem nicht eindeutig und festgelegt sein“, denn es ha- sene erliegen ihrem Charme, Kinder ihrer Musik: ben „viele Göttinnen, die in sehr verschiedenen kulturel- Der 3. Akt EVAs ZAUBER umfasst die drei Szenen BOT- len Traditionen beheimatet sind, deutlich solche bisexuel- SCHAFT, DER KINDERFÄNGER und ENTFÜHRUNG. le Eigenschaften“ [Stoianova, Ivanka. Der ‚Coup de lune‘ BOTSCHAFT hat weitere vier Teilszenen: EVAs SPIE- von Stockhausen: MONTAG aus LICHT. In: Musikkultur- GEL, NACHRICHT, SUSANI und AVE. Der Spiegel asso- geschichte. Festschrift für Constantin Floros. Peter Peter- ziiert Märchenhaftes, Eva erscheint auf der Bühne in der sen (Hg.). Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 1990, S. Gestalt von Coeur de Basset, einer Bassetthornspielerin. 195-212; Zitat S. 207]. In gläsernen Behältern und Gefäßen, die mit Wasser, dem Element vom MONTAG, gefüllt sind, spiegelt sich Geschlechterrelevante Aspekte lassen sich selbstverständ- ihr Antlitz, das sie selbstverliebt beobachtet. In NACH- lich auch in den Opernteilen DIENSTAG bis SONNTAG RICHT kündigt ein Frauenchor die Ankunft eines wun- aus LICHT aufzeigen und analysieren, nicht nur mit Bli- derschönen, bezaubernden Musikus an. Doch zuvor ck auf die Eva-Figur, sondern auch bei den männlichen spielt Coeur de Basset – während sie ein verliebter Män- Protagonisten Michael und Luzifer, den Nebenerschei- nerchor umsingt – in der Szene SUSANI einen höchst vir- nungen aller drei Hauptfiguren sowie in ihrem jeweili- tuosen Bassetthornpart, „verführerisch, verträumt, ko- gen Zusammenwirken. kett, zart, spritzig, abweisend, frech, charmant und sehr Quellen humorvoll“ (Stockhausen, Karlheinz. Montag aus Licht. In: Programmheft WDR Köln, 7.4.1988. S. 98f.). SUSA- Primärquellen NI ist – wie der Titel schon andeutet – Suzanne Ste- phens gewidmet. Dass es im universalen Kontext von Stockhausen, Karlheinz. Texte zur Musik 1952-2007, Bd. LICHT immer wieder konkrete Spuren aus Stockhausens 1-17: Leben gibt, ist typisch für die Heptalogie – das prominen- teste Beispiel stellt die autobiographisch geprägte Szene Texte 1: Texte zur elektronischen und instrumentalen KINDHEIT im DONNERSTAG aus LICHT dar. Musik. Bd. 1: „Aufsätze 1952-1962 zur Theorie des Kom- In der Szene AVE tritt – in Anlehnung an den Rattenfän- ponierens“. (Hg.). Köln: DuMont 1963. ger von Hameln – der Musikus auf, „eine als junger Mann verkleidete Altflötistin“ (Partitur MONTAG aus Texte 2: Texte zu eigenen Werken, zur Kunst Anderer, LICHT). Ave verkörpert sowohl auf der szenischen als Aktuelles. Bd. 2: „Aufsätze 1952-1962 zur musikalischen auch auf der musikalischen Ebene die Spiegelung Evas, Praxis“. Dieter Schnebel (Hg.). Köln: DuMont 1963. die bislang nur als Bild existierte. Die beiden Instrumen- talistinnen, eine weibliche und eine männliche Erschei- Texte 3: Texte zur Musik 1963-1970. Bd. 3: „Einführun- nungsform von Eva, spielen miteinander ein Duett und gen und Projekte. Kurse. Sendungen. Standpunkte. Ne- erstarren am Ende „in einer kompliziert verschlungenen bennoten“. Dieter Schnebel (Hg.). Köln: DuMont 1971. Pose“ (Partitur MONTAG aus LICHT). Ging es in der Sze- ne SUSANI explizit um die erotische Anziehung, die Texte 4: Texte zur Musik 1970–1977. Bd. 4: „Werk-Ein- Frauen auf Männer ausüben, sind in AVE homoerotische führungen, Elektronische Musik. Weltmusik. Vorschläge und bisexuelle Dimensionen im Fokus. Den Frauen sind und Standpunkte. Zum Werk Anderer“. Christoph von Bl- in LICHT Zauber und Magie zugeschrieben, und daher umröder (Hg.). Köln: DuMont 1978. verzaubern sie nicht nur Männer, sondern auch Frauen – und schließlich Kinder. Denn der Musikus, der nur wie Texte 5: Texte zur Musik 1977–1984. Bd. 5: „Kompositi- ein Mann aussieht, aber eine Eva-Erscheinung ist, betört on“. Christoph von Blumröder (Hg.). Köln: DuMont die Kinder mit seinem Flötenspiel und entführt sie endli- 1989. ch in den Himmel. Der Himmel wiederum ist im Ideen- kosmos von LICHT das Ziel aller Wesen. Texte 6: Texte zur Musik 1977–1984. Bd. 6: „Interpretati-

– 9 – Stockhausen, Karlheinz on“. Christoph von Blumröder (Hg.). Köln: DuMont lus. Geist und Musik. Ausblicke“. Imke Misch (Hg.). Kür- 1989. ten: Stockhausen-Verlag 2014.

Texte 7: Texte zur Musik 1984–1991. Bd. 7: „Neues zu Stockhausen, Karlheinz. Aus dem Film „Lichtwerke“, Werken vor LICHT. Zu LICHT bis MONTAG. MONTAG 1988. Original in Englisch. http://www.stockhausen-verl aus LICHT“. Christoph von Blumröder (Hg.). Kürten: ag.com/DVD_Translations/3_LICHT_WERKE_En- Stockhausen-Verlag 1998. gl.pdf

Texte 8: Texte zur Musik 1984–1991. Bd. 8: „DIENSTAG Sekundärliteratur aus LICHT. Elektronische Musik“. Christoph von Blumrö- der (Hg.). Kürten: Stockhausen-Verlag 1998. Bandur, Markus. „Vom Spiel der Kräfte. DIENSTAG aus LICHT von Karlheinz Stockhausen“. Musica XLVII. Texte 9: Texte zur Musik 1984–1991. Bd. 9: „Über 1993, S. 219–220. LICHT. Komponist und Interpret. Zeitwende“. Christoph von Blumröder (Hg.). Kürten: Stockhausen-Verlag 1998. Bandur, Markus. “The Composition of Meaning: Const- ruction and Semantics in Karlheinz Stockhausen's LUZI- Texte 10: Texte zur Musik 1984–1991. Bd. 10: „Astroni- FER-GRUSS vom SAMSTAG aus LICHT“. In: A Seventie- sche Musik. Echos von Echos“. Christoph von Blumröder th-Birthday Festschrift for Karlheinz Stockhausen (Part (Hg.). Kürten: Stockhausen-Verlag 1998. three), PNM XXXVII. 1999, H. 1, S. 157–178.

Texte 11: Texte zur Musik 1991–1998. Bd. 11: „Nachsätze: Bandur, Markus. „Komponieren mit der Superformel“. Zu KREUZSPIEL (1951) bis LIBRA (1977). Werktreue. Er- In: Internationales Stockhausen-Symposion 1998. Musik- gänzendes zu LICHT“. Imke Misch (Hg.). Kürten: Stock- wissenschaftliches Institut der Universität zu Köln, 11. hausen-Verlag 2014. bis 14. November 1998. Tagungsbericht. I. Misch, Chr. von Blumröder et. al. (Hg.) (= Signale aus Köln. Beiträge Texte 12: Texte zur Musik 1991–1998. Bd. 12: „FREITAG zur Musik der Zeit, Bd. 4). Saarbrücken: Pfau-Verlag aus LICHT. Neue Konzertpraxis“. Imke Misch (Hg.). Kür- 1999, S. 234–251. ten: Stockhausen-Verlag 2014. Bandur, Markus. „Luzifers Grüße: Konstruktion und Se- Texte 13: Texte zur Musik 1991–1998. Bd. 13: „MITTWO- mantik in Karlheinz Stockhausens SAMSTAG aus CH aus LICHT. Elektronische Musik“. Imke Misch (Hg.). LICHT“. In: Gedenkschrift für Stockhausen. Kürten: Kürten: Stockhausen-Verlag 2014. Stockhausen-Verlag 2008, S. 1–17.

Texte 14: Texte zur Musik 1998–2007. Bd. 14: „Über Mu- Bauermeister, Mary. „Ich hänge im Triolengitter. Mein sik, Kunst, Gott und die Welt. Blickwinkel. Komponisten- Leben mit Karlheinz Stockhausen.“ München: C. Bertels- alltag“. Imke Misch (Hg.). Kürten: Stockhausen-Verlag mann 2011. 2014. Brotbeck, Roman. „Anmerkungen zu PIETÀ, in: Interna- Texte 15: Texte zur Musik 1998–2007. Bd. 15: „SONN- tionales Stockhausen-Symposion 2000: LICHT. Musik- TAG aus LICHT. Neue Einzelwerke. Stockhausen-Kurse wissenschaftliches Institut der Universität zu Köln, 19. Kürten“. Imke Misch (Hg.). Kürten: Stockhausen-Verlag bis 22. Oktober 2000. Tagungsbericht. I Misch, Chr. von 2014. Blumröder (Hg.). (=Signale aus Köln. Beiträge zur Musik der Zeit, Bd. 10). Münster: Lit-Verlag 2004, S. 51–60. Texte 16: Texte zur Musik 1998–2007. Bd. 16: „LICHT- Reflexe. Seitenzweige. Klangproduktion/Klangprojekti- Frisius, Rudolf. „Komposition als Versuch der strukturel- on“. Imke Misch (Hg.). Kürten: Stockhausen-Verlag len und semantischen Synthese. Karlheinz Stockhausen 2014. und sein Werk-Projekt LICHT“. In: Neuland II. 1981/82, S. 160–178. Texte 17: Texte zur Musik 1998–2007. Bd. 17: „Klangzyk-

– 10 – Stockhausen, Karlheinz

Frisius, Rudolf. „Zeremonie und Magie.‘Evas Lied‘: schrift für Constantin Floros zum 60. Geburtstag. Peter Karlheinz Stockhausens neues Teilstück aus ‚Licht‘“. In: Petersen (Hg.). Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 1990, S. MusikTexte, 1986, H. 17, S. 17–20. 185-212.

Frisius, Rudolf. „Stockhausen. Einführung in das Gesamt- Stoianova, Ivanka. „Mythen der Weiblichkeit in den acht- werk. Gespräche“ (Bd. 1). „Die Werke (1950-1977)“ (Bd. ziger und neunziger Jahren. Wiederaneignung und Neu- 2). „Die Werkzyklen 1977-2007“ (Bd. 3), Mainz: Schott bestimmung: Stockhausen, Eloy“. In: Wiederaneignung 1996, 2008, 2013. und Neubestimmung. Der Fall „Postmoderne“ in der Mu- sik (=Studienzur Wertungsforschung, Bd. 26). Oskar Kol- Grohmann, Katharina. „Karlheinz Stockhausens Oper leritsch (Hg.). Wien / Graz 1993. S. 87-116. MITTWOCH aus LICHT“. (=Kölner Beiträge zur Musik- wissenschaft, Bd. 12). Kassel 2010. Stoianova, Ivanka. „…aus dem Bauch / Figuren der Weib- lichkeit in Stockhausens Licht“. In: Neue Zeitschrift für Kurtz, Michael. „Stockhausen. Eine Biographie“. Kassel: Musik. H. 4. 2003, S. 33-37. Bärenreiter 1988. Ulrich, Thomas. „Stockhausen. A Theological Interpreta- Peters, Günter. „Heiliger Ernst im Spiel. Zur Symbolik tion“. Kürten: Stockhausen-Verlag 2012. von LICHT“. In: Internationales Stockhausen-Symposi- on 2000: LICHT. Musikwissenschaftliches Institut der Ulrich, Thomas. „Stockhausens Zyklus LICHT. Ein Universität zu Köln, 19. bis 22. Oktober 2000. Tagungs- Opernführer“. Köln: Böhlau 2017. bericht. I. Misch u. Chr. von Blumröder (Hg.) (=Signale Forschung aus Köln. Beiträge zur Musik der Zeit, Bd. 10). Münster: Lit-Verlag 2004, S. 159–176. Unter Gendergesichtspunkten hat Stockhausens Schaf- fen bislang nur wenig Beachtung gefunden. Eine Ausnah- Reiner, Svenja. Artikel „Suzanne Stephens“, in: MUGI. me bildet der MONTAG aus LICHT, mit dem sich Ivanka Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und Stoianova ausführlicher befasst hat. In ihren Überlegun- multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard gen fokussiert sie speziell die Figur der Eva und darüber und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater hinaus allgemeiner „Figuren der Weiblichkeit“. (Stoiano- Hamburg, 2003ff. Stand vom 25.4.2018. URL: http://m va, Ivanka. „Der ‚Coup de lune‘ von Stockhausen: MON- ugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Suzanne_Stephens TAG aus LICHT“. In: Musikkulturgeschichte. Festschrift für Constantin Floros zum 60. Geburtstag. Peter Peter- Reiner, Svenja. Artikel „Kathinka Pasveer“, in: MUGI. sen (Hg.). Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 1990, S. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und 185-212. Dies. „Mythen der Weiblichkeit in den achtziger multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und neunziger Jahren. Wiederaneignung und Neubestim- und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater mung: Stockhausen, Eloy“. In: Wiederaneignung und Hamburg, 2003ff. Stand vom 21.11.2017. URL: http://m Neubestimmung. Der Fall „Postmoderne“ in der Musik ugi.hfmt-hamburg.de/Artikel/Kathinka_Pasveer (=Studienzur Wertungsforschung, Bd. 26). Oskar Kolle- ritsch (Hg.). Wien / Graz 1993. S. 87-116. Dies. „…aus Schwerdtfeger, Dettloff. „Karlheinz Stockhausens Oper dem Bauch / Figuren der Weiblichkeit in Stockhausens DONNERSTAG aus LICHT – Ziel und Anfang einer kom- Licht“. In: Neue Zeitschrift für Musik. H. 4. 2003, S. positorischen Entwicklung“. Kürten: Stockhausen-Verlag 33-37.) 2000. Thomas Ulrich streift in seinem Opernführer zu LICHT Smalley, Roger. „‚Momente'. Material for the listener and zumindest den Aspekt Gender, wenn auch ohne sich in ei- “. In: The Musical Times. CXV. 1974. S. 23–28 ner Diskussion darüber ‚verlieren‘ zu wollen. Er betont u. 289–295. zu Recht, dass es sich bei der Figur der Eva nicht um ei- ne „‚ideale Frau‘ im Sinne Stockhausens“ handelt, son- Stoianova, Ivanka. „Der ‚Coup de lune‘ von Stockhausen: dern zuallererst um eine „Eva-Energie“, eine weibliche MONTAG aus LICHT“. In: Musikkulturgeschichte. Fest- Energie, die im Zusammenspiel mit den männlichen Mi-

– 11 – Stockhausen, Karlheinz

chael- und Luzifer-Energien das Grundprinzip allen Le- Autor/innen bens symbolisiert. Ulrich warnt daher auch davor, Eva „mit einer feministischen Brille bewaffnet zu betrach- Imke Misch ten“, obwohl der Eva-Geist sich „mit dem Bild der Frau“ Bearbeitungsstand berühre, „wie es uns in der Religion-, der Kulturgeschich- te überliefert ist“. (Ulrich, Thomas. „Stockhausens Zyk- Redaktion: Martina Bick lus LICHT. Ein Opernführer“. Köln: Böhlau 2017. S. Zuerst eingegeben am .. 177f.) Zuletzt bearbeitet am 15.10.2018

Forschungsbedarf mugi.hfmt-hamburg.de Naheliegend und prospektiv wünschenswert wäre eine Forschungsprojekt an der umfassende kultur- und musikwissenschaftliche Analyse Hochschule für Musik und Theater Hamburg der drei Hauptfiguren Eva, Luzifer und Michael im Projektleitung: Prof. Dr. Beatrix Borchard Opernzyklus „LICHT – Die sieben Tage der Woche“, die Harvestehuder Weg 12 unter Genderaspekten sowohl nach den historisch über- D – 20148 Hamburg lieferten Attributen und ihren Quellen als auch nach den persönlich-künstlerischen Inventionen Stockhausens dif- ferenziert. Insbesondere die Verzahnung musikalischer Eigenschaften mit geschlechtsspezifischen Rollen, wie sie die Superformel für LICHT und die daraus gewonne- nen Szenen zum Ausdruck bringen, wäre ein äußerst loh- nenswerter Forschungsgegenstand, zumal in jenem Span- nungsfeld von kultureller Überlieferung und kompositori- scher Innovation, in das der LICHT-Zyklus eingebettet ist. Daneben eröffnen auch die Nebenrollen in LICHT aufschlussreiche Genderperspektiven, ebenso wie sich die Heptalogie zugleich nach speziellen Themenschwer- punkten untersuchen ließe, wie beispielsweise unter dem Stichwort „Verführung“: Neben der Verführung der Kin- der durch den Musikus im MONTAG aus LICHT gibt es im DONNERSTAG aus LICHT das Sternenmädchen MONDEVA, das Michael betört und in den Himmel mit- nimmt; im Zentrum vom FREITAG aus LICHT steht die FREITAG-VERSUCHUNG, bei der Ludon, eine Spielart der Gestalt Luzifers, Eva dazu bringt, mit seinem Sohn Kaino einen Sohn zu zeugen, der die Evolution der Menschheit beschleunigen soll. Evas ZUSTIMMUNG und FALL folgt ein KINDER-KRIEG – Evas REUE bildet den Abschluss. Andere denkbare Stichworte wären bei- spielsweise Krieg und Konflikt, Liebe oder Kommunikati- on.

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