Deutsche Post, Entgelt bezahlt G 3059 WelternährungWelternährung DIE ZEITUNG DER DEUTSCHEN WELTHUNGERHILFE

DWHH — 1. QUARTAL 2005 — 34. JAHRGANG — WWW.WELTHUNGERHILFE.DE

DIREKT VON DER KUH NACH DER FLUT GEWALTLOS GEFRAGT Dossier: Milcherzeugung Sonderberichte Die »Kriegsmütter« Models in Afrika aus Südostasien von Liberia aus Afrika Seiten 9–11 Seiten 3 und 4 Seite 7 Seite 8 Absender: Deutsche WHH e.V. · Friedrich-Ebert-Straße 1 53173 Bonn Absender: Deutsche WHH e.V.

EDITORIAL

Langer Atem ist gefragt

Die Hilfsbereitschaft für die Flutopfer in Asien war bisher beeindruckend. Sie ist ein Zeichen dafür, dass die Welt zusammengewachsen und uns das Schicksal von Menschen auf der anderen Seite des Globus nicht gleichgültig ist. Bei vielen, die durch die Katastrophe alles verloren haben, ist diese Bot- schaft angekommen. Neue Hoffnung keimt auf, dass sie nochmals eine Chance bekommen. Dass sie ihrem Leben in Armut entrinnen, ihre Kinder sogar zur Schule schicken können. Sollen sie nicht ent- täuscht werden, brauchen sie verlässliche Unter- stützung – und wir einen langen Atem. Wir in Deutschland wissen, dass der Wiederaufbau nicht in ein paar Tagen erledigt ist, dass er gemein- sam mit der einheimischen Bevölkerung organisiert werden muss. So geht die Deutsche Welthunger- hilfe nun auch in Süd- und Südostasien vor. Glücklicherweise kooperieren wir mit erfahrenen und langjährigen Partnerorganisationen in Indien, und , um weitere gemeinsame Projekte zu planen. Dabei verbindet uns das ge- meinsame Ziel: Nach der ersten Nothilfe konzen- trieren wir uns darauf, vor allem den Ärmsten neue und tragfähige Lebensperspektiven zu eröffnen.

Iris Schöninger © Lohnes Fröhliche Farben für einen neuen Anfang nach der Flutwelle: In den Werften von Cuddalore werden die neuen Boote vor der Jungfernfahrt bemalt. PROJEKTE Neue Boote, neue Hoffnung »Aktion Bonn hilft« unterstützt Fischer im indischen Cuddalore

Sechs Wochen lang haben sie das Meer gemieden, die Fischer von wurden bereits der Welthungerhilfe übergeben, zusammengebracht Cuddalore. Zu schrecklich waren die Erinnerungen nach der großen von Schulen, Unternehmen und privaten Spendern. Gagandeep

Flut. Ende Februar erhielten dann die ersten Familien reparierte Singh Bedi, oberster Regierungsbeamter für den Distrikt Cuddalore, © Lohnes schätzt die Unterstützung der Bonner sehr: »Die Zusage einer dauer- und neue Boote von der Deutschen Welthungerhilfe, finanziell haften Zusammenarbeit bietet den Menschen hier eine verlässliche Der Wiederaufbau ist angelaufen unterstützt von der »Aktion Bonn hilft«. In Kürze werden auch die Perspektive.« Jetzt gehe es vor allem darum, die zerstörten Dörfer Dörfer an der Küste Südostindiens wieder aufgebaut. nicht genauso wiederherzustellen wie vor der Katastrophe, sondern Partnerschaften nach dem Tsunami: mit Verbesserungen. In Pudhupettai beispielsweise soll ein vernetztes Neben Bonn haben sich weitere Städte bereit er- Abwassersystem die unhygienische Abwasserbeseitigung aus der Zeit Von Stefanie Koop klärt, mit der Deutschen Welthungerhilfe langfris- vor dem Tsunami ersetzen. Neue Brunnen werden sauberes Wasser tig den Wiederaufbau in Regionen zu unterstüt- liefern und so helfen, Krankheiten zu vermeiden. Zudem möchten chon vor der Katastrophe herrschte im Distrikt Cuddalore zen, die vom Tsunami verwüstet wurden. Bisher die indischen Partner der Welthungerhilfe erdbeben- und flutsichere gibt es folgende Kooperationen: nicht gerade der Wohlstand. Immerhin: Man hatte sein Aus- Häuser bauen und Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für den kommen. Wie eine Perlenkette reiht sich hier Fischerdorf an Indien: Bonn, und Leverkusen unterstüt- ärmeren Teil der Bevölkerung schaffen. zen den Wiederaufbau im Distrikt Cuddalore. Fischerdorf, gut zwei Drittel der Menschen an der Küste leb- S Sri Lanka: Hamburg und Kiel sind im Rahmen des ten vom Fischfang. Kaum einer der hölzernen Katamarane hielt der Bis die Regierung Grundstücke für neue Dörfer in sicherem Ab- Bündnisses »Hamburg hilft« eine Partnerschaft mit zerstörerischen Kraft des Tsunami am 26. Dezember 2004 stand. stand zum Meer zur Bebauung freigegeben hat, leben die Menschen dem Distrikt Jaffna eingegangen. Hamm unter- Selbst größere Boote wurden weit ins Landesinnere geschleudert, in provisorischen Unterkünften. Schon jetzt aber planen sie für die stützt ebenfalls ein Projekt in dieser Region. Biele- ganze Dörfer fortgespült. Eingestürzte Hauswände, Berge Zukunft: Die Dorfgemeinschaften treffen sich und ent- feld fördert den Wiederaufbau in Mullaittivu, von Ziegelsteinen und bizarr in die Höhe ragende Ze- werfen mit farbiger Kreide das Bild ihres künftigen Dor- Hannover unterstützt Projekte im Distrikt Killinochi. »Die mentbodenplatten zeugen noch immer von der Wucht fes. So haben auch diejenigen, die des Lesens und Schrei- Indonesien: Frankfurt leistet finanzielle Hilfe für der Wellen. Partnerschaft bens nicht mächtig sind, eine Chance, ihre neue Umge- die Instandsetzung der Kinderabteilung des Kran- bung mitzugestalten. kenhauses in Banda Aceh. Mit Unterstützung der Deutschen Welthungerhilfe be- bietet den Für weitere Informationen rund um das Thema gannen die langjährigen indischen Partnerorganisatio- Menschen eine Die Menschen sollen selbst zu Wort kommen, sei es »langfristige Projektpartnerschaften« wenden Sie nen Indo-Global Social Service Society und Life Help Center verlässliche bei der Auswahl von Booten oder der Diskussion über sich bitte an unser Team »Projektgruppe Fluthilfe«, for the Handicapped sofort damit, die Flutopfer mit dem Perspektive.« Hausmodelle. Dies ist ganz im Sinne der »Aktion Bonn Telefon: (0228) 22 88 252 bei der Deutschen Welt- Nötigsten zu versorgen. Die Welthungerhilfe und die hilft«. Welthungerhilfe-Mitarbeiter Martin Dietz in Cud- hungerhilfe, Bonn. Stadt Bonn schlossen unter dem Motto »Bonn hilft« die dalore macht deutlich: »Es geht vor allem um ein res- erste Partnerschaft in Deutschland, um den Wiederaufbau Cuddalores pektvolles Miteinander. Die Menschen hier müssen sich mit dem, zu unterstützen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte in seiner was wir ihnen zur Verfügung stellen, identifizieren können.« So wie Neujahrsansprache für solche langfristige Partnerschaften von Län- Pudhupettai mit seinen ersten Schritten des Wiederaufbaus als Mo- dern, Regionen und Städten plädiert. dell für andere Dörfer gelten kann, könnte die Zusammenarbeit von »Aktion Bonn hilft«, Welthungerhilfe und dem Distrikt Cuddalore Seitdem engagieren sich Bonner Bürger in verschiedensten Aktio- auch Vorbild für weitere Partnerschaften werden. nen für die indische Region, so mit Benefizkonzerten, Lesungen oder ONLINESPENDEN: www.welthungerhilfe.de Sponsorenläufen. Mit beachtlichem Ergebnis: Über 400 000 Euro Stefanie Koop ist Mitarbeiterin der Deutschen Welthungerhilfe in Bonn. 2 | Welternährung 1/2005 Nachrichten

ZURÜCK VON DER REISE Mehr Armut – häufiger Krieg Vom Offizier zum Entwicklungshelfer Armut gefährdet in erster Linie den innerstaatlichen Frieden Projektleiter Marcus Sack wechselte für drei Monate aus dem Kongo nach Bonn Untersuchungen zeigen: Je ärmer ein Land ist, sich Konflikte um Wasser, Ackerland oder Roh- desto eher bricht dort ein Bürgerkrieg aus. Je stoffe, um ethnische oder religiöse Macht. Von Michael Ruffert höher das Nationaleinkommen, desto geringer Die Kluft zwischen armen und reichen Staa- die Gefahr eines Waffengangs. Bricht das Wirt- ten und zwischen Arm und Reich innerhalb schaftswachstum um fünf Prozent ein, steigt die ür drei Monate arbeitet er in der Marcus Sack ist für seine Arbeit im Kri- einzelner Länder ist in den letzten Jahrzehnten statistische Wahrscheinlichkeit eines bewaffne- Welthungerhilfe-Zentrale in Bonn, sengebiet gut gerüstet: Bevor er bei der dramatisch tiefer geworden. Parallel dazu kon- F normalerweise lebt er in einer der Welthungerhilfe begann, war er Berufs- ten Konflikts um 50 Prozent. Verdoppelt sich zentrieren sich bewaffnete Auseinandersetzun- unruhigen Regionen der Demokratischen offizier bei der österreichischen Armee. das Bruttosozialprodukt von 250 auf 500 $ pro gen stärker auf die armen Regionen der Erde. Republik Kongo. Im Distrikt Ituri koordi- »Ich kann bei der Welthungerhilfe viel Kopf, halbiert sich die Wahrscheinlichkeit, dass Interessant dabei: Es lässt sich kein statistischer niert Marcus Sack vier Projekte der Welt- einsetzen, was ich beim Militär gelernt es den nächsten fünf Jahren zum Bürgerkrieg Zusammenhang zwischen Wohlstand und zwi- hungerhilfe. Es geht darum, die Ernäh- habe«, meint Sack. Kennengelernt hatte er kommt. schenstaatlichen Kriegen herstellen. Armut ge- rung von Flüchtlingen, Vertriebenen und die Deutsche Welthungerhilfe bei einem Natürlich sind die Ursachen für Bürgerkriege fährdet offenbar vor allem den innerstaatlichen Rückkehrern zu sichern, Straßen und Einsatz in Tadschikistan. Ihre Arbeit über- vielfältig. Doch statistisch lässt sich der Zu- Frieden. Schulen zu bauen, die Landwirtschaft zeugte ihn so, dass er von der Armee in sammenhang eindeutig nachweisen. Das zeigen Wer Bürgerkriegen vorbeugen will, muss also die Entwicklungs- und Nothilfe wech- verschiedene Studien der letzten Jahre (u.a. Collier die Armut bekämpfen. Besonders friedenswirk- selte. and Hoeffler, 2002 und Macartan Humphreys, sam ist die Entwicklungszusammenarbeit mit 2003 und 2005). Offen ist, ob Armut zu Krieg den ärmsten Staaten. In der Realität konzentrie- führt oder umgekehrt Konflikte die Armut ver- Ex-Feinde kooperieren ren die meisten Industrieländer ihre Wirt- stärken. In der Regel gilt beides. Wohlhabende schafts- und Entwicklungspolitik freilich auf Gesellschaften können die Werte im eigenen Schwellenländer und fortgeschrittene Entwick- Im Hügelland des Ostkongo hat der Ex- Land besser schützen. Umgekehrt führt Armut lungsländer – zum Nutzen der eigenen Wirt- Soldat einen »Blick für die Gefahr« entwi- oft zu Wanderungen zwischen Regionen oder schaft, die an leistungsfähigen Handelspartnern ckelt, so dass er Bewegungen auch im un- vom Land in die Städte. Dadurch verschärfen und lohnenden Absatzmärkten interessiert ist. durchdringlichen Dschungel wahrnimmt. Erfahrungen, an denen es den UN-Trup-

© privat pen aus Pakistan, Bangladesch und Nepal KRIEGSGEFAHR »Dort liegt Ituri…« Marcus Sack zeigt, seines Erachtens noch fehlt. Sack hofft, wo er normalerweise lebt und arbeitet. dass die Arbeit der Welthungerhilfe zum Frieden beiträgt. Beim Straßenbau zum Armut fördert Bürgerkriege wieder in Gang zu bringen. In einem Ge- Beispiel werden Angehörige verschiede- Mit wachsendem Wohlstand sinkt die Gefahr gewaltsamer Konflikte biet, in dem es immer wieder zu Mord ner Ethnien eingesetzt – bislang rund und Totschlag, zu Gefechten zwischen 5000 Arbeiter, die für ihre Arbeit Geld be- rivalisierenden Milizen kommt. »Im Prin- kommen. »Wer miteinander arbeitet, Wahrscheinlichkeit eines Konflikts in Prozent zip kämpft hier jeden gegen jeden«, sagt schlägt sich nicht«, stellt Marcus Sack Sack. 16 Ethnien leben in Ituri, es gibt Re- pragmatisch fest. Längst ist die rund 70 15 bellengruppen und Banden, aber auch Kilometer lange Straße vom Albert-See Uganda und Ruanda machen in der roh- nach Bunia ein wichtiger neuer Wirt- 12 stoffreichen Region immer wieder ihren schaftsweg geworden, von dem alle Völ- Einfluss geltend. ker in Ituri profitieren. 9 Aber es bleibt die wichtige Aufgabe, Krieg um Rohstoffe Notleidende mit Nahrung zu versorgen, mit Maismehl, Bohnen, Speiseöl und 6 Salz. Wer die Rückkehr in sein Dorf wagt, Erst kürzlich sollen ruandische Truppen wird mit Saatgut und Werkzeugen unter- wieder nach Kongo vorgestoßen sein, 3 stützt. Doch langfristige Hilfe in der Re- wohl, um sich den Zugriff auf die Gold- gion bleibt schwierig – denn immer dro- und Coltanvorkommen zu sichern. In hen neue Kämpfe bereits erzielte Erfolge 0 den vergangenen Jahren sind in Ituri rund zu gefährden. 500 1000 2000 3000 4000 5000 50 000 Menschen umgekommen, mehr als eine halbe Million wurde vertrieben. Michael Ruffert ist Journalist in Frankfurt/Main. Bruttosozialprodukt je Kopf in US-Dollar

Quelle: UNDP, 2005

NEUES AUS ALLER WELT

Was bringt Grüne Gentechnik ? papier mit Empfehlungen, die in zwei zentrale Berichte des Par- laments zum Thema Kinderarbeit und Grundbildung einfließen sollen: Die Organisationen fordern eine kohärente EU-Politik »Food for All – Including Genetic Manipulated Food Crop?« lau- und ein höheres Budget für Grundbildung. Alle Kinder bis 14 tete der Titel eines Symposiums am 10. Dezember 2004 bei der Jahre sollen eine staatliche Schulbildung erhalten, Kinderarbeit Deutschen Welthungerhilfe in Bonn. Es trafen sich Wissenschaft- soll abgeschafft werden. ler und Praktiker, Vertreter staatlicher und nicht-staatlicher Ent- wicklungsorganisationen, internationaler Organisationen sowie von Industrie und Medien. Befürworter und Gegner diskutierten, Botenjunge im Basar von Kunduz (Afghanistan). inwieweit genverändertes Saatgut und genmanipulierte Pflanzen Nach UN-Schätzungen müssen weltweit rund 350 Millionen Kinder und zur Beseitigung von Armut und Hunger in Entwicklungsländern Jugendliche zwischen fünf und 17 Jahren Erwerbsarbeit verrichten. beitragen können. Den Bericht finden Sie unter dem Titel »Report of the Proceedings« unter www.welthungerhilfe.de. © Still Pictures Jetzt auch ökologisch: Cashew-Nüsse aus Mosambik Kinderarbeit und Bildung

Am 17. Februar 2004 fand in Brüssel ein Diskussionsforum zu Knackige Cashew-Nüsse »Kinderarbeit und Grundbildung« statt. Organisiert wurde es von der Alliance2015 – einem Zusammenschluss europäischer Die Welthungerhilfe (DWHH) unterstützt den ökologischen und Hilfsorganisationen, dem auch die Welthungerhilfe angehört – sozialverträglichen Anbau von Cashew-Nüssen in der nördlichen im Rahmen der Kampagne »Stopp Kinderarbeit! Schule ist der Provinz Cabo Delgado in Mosambik. Rund 5000 Bauernfami- beste Arbeitsplatz«. Am Gespräch nahmen Experten für EU-Ent- lien profitieren von diesem Projekt. Die DWHH berät sie in wicklungspolitik, Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie Baumpflege, Produktion, Vermarktung und Zertifizierung. Die Vertreter der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, von Global Welthungerhilfe kooperiert bei diesem Projekt mit dem Nationa- March, Global Campaign for Education, Education Internatio- len Cashew-Institut, der Schweizer Entwicklungsorganisation nal, dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (ICFTU), Helvetas, dem Fairhandelsunternehmen dwp und der Zertifizie- Oxfam/Novib und Plan International teil. Die Organisationen

rungsorganisation Naturland. Mehr dazu unter www.dwp-rv.de überreichten den EU-Politikern ein gemeinsames Positions- © Hartmann Nach dem Tsunami Welternährung 1/2005 | 3 Nur das nackte Leben gerettet Sri Lanka: Der Wiederaufbau nach dem Tsunami ist angelaufen, doch die Angst der Menschen vor dem Meer sitzt tief

Eingestürzte Mauern, Wellblech und seine Trauer – das ist dem Fischer Thillai Chidamparam geblieben. Sieben Mitglieder seiner Familie sind umgekommen. © Dickerhof

Schon einen Tag nach dem Tsunami war Lanka Foundation mit der Deutschen Welthun- instand gesetzt, Grundstücke von Müll befreit, Thillai fährt aufs Meer, seit er 12 Jahre alt ist. die Deutsche Welthungerhilfe im Nordosten gerhilfe aufgebaut hat. Hier werden die Über- die Brunnen entsalzt. Und es werden vorerst Trotz großer Angst will er möglichst schnell Sri Lankas im Einsatz. Gemeinsam mit der lebenden versorgt. Schwer zu ertragen ist für sie provisorische Unterkünfte errichtet. Denn bis wieder fischen. Sein größter Wunsch: Ein neues die Ungewissheit, wie es weitergeht. Viele trau- die Landrechte für neue permanente Häuser ge- Boot. Einige seiner Kollegen sagen, sie könnten Partnerorganisation »Sewa Lanka Founda- ern um Angehörige, viele haben Angst vor dem klärt sind, werden noch Monate ins Land ge- nie wieder hinausfahren. Andere fischen bereits tion« versorgte sie Obdachlose mit Nahrung, Meer und werden seit der Flutwelle von schwe- hen. Wenn es soweit ist, können die Flutopfer wieder mit den wenigen noch intakten Booten. Trinkwasser und Küchenutensilien. Besonders ren Alpträumen gequält. ihre Provisorien aus Ziegelsteinen und Palm- Doch auf sie wartet bereits das nächste Prob- hart hat es die Fischerfamilien in den Küsten- blättern abbauen und für ihre Häuser wieder- lem: Viele Menschen im Land essen keinen dörfern getroffen. Jetzt läuft der Wiederauf- Inzwischen organisieren DWHH-Mitarbeiter verwenden. Allerdings braucht es viel Finger- Fisch mehr. Es heißt, die Fische würden die Lei- bau an. erste Wiederaufbaumaßnahmen. Dabei werden spitzengefühl, um die zunehmenden Spannun- chen derjenigen fressen, die nicht mehr gefun- sie von Flutopfern unterstützt, die hierfür einen gen um Fragen des Bodenrechts – besonders in den wurden. bescheidenen Lohn – pro Tag rund 2,50 Euro – von den tamilischen Befreiungstigern (LTTE) erhalten. So wird die lokale Wirtschaft wieder kontrollierten Gebieten – zur Zufriedenheit al- Ralph Dickerhof ist Mitarbeiter der Deutschen Welthun- Von Ralph Dickerhof angekurbelt. Wichtige Straßen werden wieder ler zu lösen. gerhilfe in Indonesien.

hillai Chidamparam ist immer noch fassungslos. Hilflos steht der 44-jäh- rige Fischer vor den Trümmern sei- HILFSMASSNAHMEN nes Hauses. Seine Frau liegt verletzt imT Krankenhaus, die beiden Töchter – und fünf weitere Familienmitglieder – musste er in Indien Massengräbern beerdigen. Seine Erwerbsgrund- lagen, das Boot und die Netze, hat das Meer Thailand verschlungen.

100 Opfer beklagt sein Dorf; bis auf zwei Sri Lanka Männer allesamt Frauen und Kinder. Vaeloor Was macht die Welthungerhilfe? im Distrikt Trincomallee im Osten Sri Lankas ist heute ein gespenstischer Ort. Strand und Knapp drei Monate nach der großen Flutwelle ist die unmittelbare Not überwunden Indonesien Dorf sind übersät von entwurzelten Bäumen und der langfristige Wiederaufbau bereits in vollem Gange. Die Welthungerhilfe und Kokosnüssen. Fischernetze haben sich um leistet in folgenden Regionen Unterstützung für Tsunamiopfer: die Bäume gewickelt. Überall Mauerreste, Müll, Plastik, Bootsteile, Kochtöpfe. Bilder wie aus ■ Indien: Über 60 000 Menschen in Tamil und Küchenuntensilien – über 70 Prozent nach Banda Aceh – sobald politische Situa- dem Krieg. Nadu und Kerala erhielten Soforthilfe mit der Boote sind beschädigt, Fischer bekom- tion es zulässt, beginnt Wiederaufbau von Reis, Bohnen, Kindernahrung, Kochgeschirr men Reparaturmaterial, Netze und Boots- Fischereiwesen und Landwirtschaft – bisher und Kleidung – Wiederaufbau von fünf motoren – mobiles Team betreut in Kürze wurden 1,7 Millionen Euro für Projekte ein- Dörfern im Distrikt Kanyakumari und von traumatisierte Kinder in Küstendörfern – geplant. Donner im Ohr fünf Dörfern im Distrikt Cuddalore, u.a. in DWHH kooperiert mit einheimischen Orga- ■ Sri Lanka: 55 000 Menschen wurden sofort Pudhupettai: 155 Familien bekommen neue nisationen Thai German Development, mit Reis, Wasser, Haushaltsgegenständen, An einen Bombenangriff dachte auch Thillai, Häuser, Fischer erhalten 23 Fiberglasboote Pattanarak Foundation und Population and Kleidung versorgt – Bau von insgesamt 3800 als er an jenem Unglückstag gerade seine Netze und Netze, 72 Boote werden repariert – Community Association – bisher wurden provisorischen Hütten in den Distrikten flickte und das gigantische Donnern hörte. 1000 Kinder im Distrikt Kanyakumari erhal- 3,7 Millionen Euro für Hilfe eingeplant. Jaffna, Mullaitivu, Kilinochchi und Trinco- »Diesen Lärm höre ich nun jede Nacht. Das ten in Kürze Unterstützung bei Trauma- ■ Indonesien: 50 000 Flutopfer in Banda Aceh malee hat begonnnen – nach Klärung der bewältigung und Ausbildung – Nothilfe und Calang erhielten Reis, Trockenfisch, Landrechte beginnt Aufbau neuer Dörfer - werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Ich und erste Wiederaufbauhilfe für 8000 Men- Matten, Kleidung, Wasser, Kindernahrung Fischer werden mit Booten und Arbeitsma- nahm meine kleine Tochter und rannte los, schen der Andamanen- und Nicobaren- und Haushaltsartikel – Kinderstation des terial ausgestattet – beim Bau von Molen aber die Welle hat sie mir entrissen«, erzählt er Inselgruppe – DWHH kooperiert mit Part- Zainal-Abidin-Krankenhauses in Banda Aceh als Schutz vor neuen Flutwellen erhalten unter Tränen. nerorganisationen Life Help Centre for the wurde renoviert und mit Möbeln, Betten, Helfer bescheidene Vergütung – DWHH Handicapped und Indo-Global Social Service medizinischen Geräten und Spielzeug aus- arbeitet mit der bewährten Partnerorgani- Über 20 Jahre hat Thillai mit seiner Familie hier Society, Gramoday – 8 Millionen Euro wur- gestattet, anschließend die Radiologie-, sation Sewa Lanka zusammen – bisher wur- gewohnt. Jetzt kann er nicht zurück, selbst den bisher von DWHH für Projekte einge- Pulmonologie- und Gynäkologieabteilung den 11,2 Millionen Euro für Projekte ein- wenn er wollte: Als Reaktion auf den Tsunami plant. instand gesetzt – Organisation von zwei geplant. hat die Regierung verboten, Wohnhäuser inner- ■ Thailand: Rund 15 000 Menschen in Phangna Hilfstransporten aus Pakistan und Deutsch- halb eines 200-Meter-Streifens an der Küste und Ranong sowie dem Distrikt Kapur er- land mit 700 Zelten, zwei Geländefahrzeu- Weitere Infos zu Hilfsmaßnahmen in der Flutregion wiederaufzubauen. Zurzeit lebt der Tamile in hielten Soforthilfe, 104 Familien Gaskocher gen, 1000 Wasserkanistern und 2000 Planen finden Sie unter www.welthungerhilfe.de einer provisorischen Unterkunft, die die Sewa D wie eseinmalgewesen ist Nichts wirdsosein, schließende Tsunamitatseinübriges. das Land.VieleDörferwurdenzerstört,deran- men, erschütterteeinErdbebenderStärkeneun nicht langebevordiegewaltigenFlutwellenka- organisiert. DiePanikistverständlich,denn Nord-Sumatra denTransportvonHilfsgütern sche Welthungerhilfe(DWHH)inAcehund berichtetJörgMeier,derfürdieDeut- nami‹«, Straßen undschreienhilflos›Tsunami,Tsu- cken. »Dannrennensieschutzsuchendaufdie stöße dieMenschenwiederinAngstundSchre- 4 | Welternährung 1/2005 Welternährung1/2005 | 4 Fünf deutscheHilfsorganisationenschließensichzusammen »Gemeinsam fürMenschen inNot–Entwicklunghilft« gewiesen. NochimmerwerdenKerosinkocher, heute aufdieNothilfederWelthungerhilfean- gleichgemacht. DiebetroffenenGebietesindbis Leben, fastdiehalbeStadtwurdedemErdboden Banda AcehverloreinDrittelderEinwohnerihr 000werdennochvermisst.In 000,130 120 Zahl derTotenalleinaufSumatraüber Seltenheit. InoffizielleSchätzungenbezifferndie am TagwarenindenvergangenWochenkeine Immer nochfindenAufräumkräfteLeichen,500 Straßen undBrückenzurSeitegeräumtwerden. sen nochentwurzeltePalmen,zerstörteHütten, Auch jetzt,WochennachderKatastrophe,müs- Hilfe gehtweiter Mitarbeiter istbereitswiederabgereist. Thailands aus.DerdortigeWelthungerhilfe- nicht absehen.BessersiehtesimSüdwesten sichts derschwierigenpolitischenLagenoch dieser jedochaussehensoll,lässtsichange- Menschen bereitfüreinenNeuanfang.Wie scheint dieLethargieüberwunden,sind Tsunami amschwerstenbetroffen.Nun Die indonesischeProvinzAcehwarvom Schuldenerlass undfaire Handelsbeziehungen. und demSchutzderMenschenrechte auchein Hierzu gehörenneben der Armutsbekämpfung lichen Entwicklungin denKrisenregionen. tige Förderungdersozialenundwirtschaft- akute Notlindern.Notwendigistdielangfris- phen. kämpfung derUrsachenvonNotundKatastro- antwortung derIndustrieländerbeiBe- Hilfe undappellierenandiepolitischeMitver- hilfe –forderneinelangfristigausgerichtete des hommesunddieDeutscheWelthunger- die Welt,medicointernational,Misereor,terre det. DiebeteiligtenOrganisationen–Brotfür gegrün- !« Menschen inNot–Entwicklunghilft tische HilfswerkedasBündnis»Gemeinsamfür Indonesien undThailand:NachderKatastrophesehnensichdieMenschennachNormalität V Wirksame Katastrophenhilfedarfnichtnur 2005 fünfdeutscheentwicklungspoli- phe inSüdasienhabenam10.Januar or demHintergrundderFlutkatastro- Und jedesMalversetzendieErd- Nordwestspitze derInselSumatra. ben. Immernochbebtesander ie ErdewilleinfachkeineRuhege- Von JuttaLohkamp

© DWHH nen, istnochnichtabsehbar.VieleSiedlungen zerstörten Dörferwiederaufgebautwerdenkön- Landwirtschaft konzentrieren.«Wannjedochdie wird sichzuerstaufdasFischereiwesenunddie Projektleiter JörgMeier:»DerWiederaufbau Wiederaufbau kannJahredauern troffenen OrtschaftenbereitsimvollenGange. doch diePlanungenzumWiederaufbauderbe- Hilfsbedürftige verteilt.Paralleldazusindje- Nahrungsmittel undHaushaltsutensilienan Mehr Informationenunterwww.entwicklung-hilft.de unter FernsehmoderatorJohannesB.Kerner. von zahlreichenProminentenunterstützt,dar- Ein entsprechenderAufrufdesBündnisseswird In Südwestthailand Im Hintergrundzusehen:DWHH-MitarbeiterStefanJauch. Nach demTsunami wenig vergessen. Erfahrungen ein ihre schlimmen können dieKinder Beim Spielen verteilt die Thai GermanDevelopmentFoundation die WelthungerhilfedenMenschenlangfristig ihrer zerstörtenHäuserunterzukommen.Will suchen dieFlutopfer,wennmöglichinderNähe möglichen, schildertJörgMeier.Allerdingsver- eine bessereKontrolleüberdieMenschener- zahlreiche Barackensiedlungenerrichten,die eindruckt vonderTsunami-Tragödie.Sieließ weiterhin gegendieBevölkerung–völligunbe- langen BürgerkrieggezeichnetenLandesarbeitet ziert. DenndieRegierungdesdurcheinenjahre- Regelung derEigentumsverhältnisseistkompli- muss gesichertundverteiltwerden–dochdie hat dasMeereinfachverschluckt.NeuesLand ENGAGEMENT Neben StädtenundKommunen(sieheSeite1)unterstützenunsbisher: Verbänden oderMedien–Wiederaufbau-ProjekteinSüd-undSüdostasienunterstützen. Die DeutscheWelthungerhilfewirdimRahmenlangfristigerPartnerschaften–etwamit Unterstützung fürFlutopfer–waskönnenSietun? etr no ne 02)28 252. 88 Weitere Infosunter(0228)22 www.welthungerhilfe.de/W Zahlreiche Möglichkeiten,um aktivzuwerden,findenSieunter Wollen auchSiesich–alsVertreter einerStadt,Schule,FirmaoderalsEinzelperson –engagieren? ■ ■ ■ Commerzbank Stiftung,OfficeDepot,BHW,WestLB Neuapostolische Kirche,DeutscheBank,Post, DaimlerChrysler, Deutscher Landfrauenverband,ZentralverbanddesDeutschen Baugewerbes Deutscher Genossenschafts-undRaiffeisenverband, Bauernverband, Firmen, KirchenundOrganisationen: Mitgliedsverbände: Medien undVerlags-Partner: Stiftung AntenneBayern,BILDhilfte.V. Stiftung Stern,General-AnzeigerBonn,Berliner Tagesspiegel, Hilfsgüter. HHDE/download/positionen/aktionsideen_staedte.pdf

© DWHH schafft werden. schen neugebaut,Netzegeflicktoderange- spiel BooterepariertodervondenEinheimi- Dank derSpendengelderkönnenjetztzumBei- mit ihrenPartnerndortdenWiederaufbau. unterstützt undkoordiniertdieWelthungerhilfe mehr«, soseinUrteil.Bereitsseitlängerem Ranong undimDistriktKapurkeineakuteNot geht, herrschtindenProvinzenPhangna, Foundation. Partnerorganisation enger Zusammenarbeitmitdereinheimischen maßnahmen begleitetundkoordinierthat–in nachdem erfürmehrereWochendieNothilfe- hat denEinsatzvorwenigenTagenbeendet, westthailand. DWHH-MitarbeiterStefanJauch von mindestensfünfJahrenbedeuten. helfen, könntedieseineWiederaufbauphase Jutta LohkampistJournalistininKöln. es malwar. den –auchwennnichtsmehrsoseinwird,wie Der NeubeginnsolltealsChancebetrachtetwer- troffenen insichunddieZukunftzustärken. und durchMenschlichkeitdasVertrauenderBe- Welthungerhilfe hofft,durchmaterielleHilfe ten könnennichtausradiertwerden.Dochdie hen machen,dieschrecklichenBilderdesErleb- durch dieMenschen. der BewältigungtraumatischenErlebnisse len Projektenhier,wieauchinIndonesien,mit befasst sichdieWelthungerhilfeinihrenaktuel- viele solcherGeschichten.AusdiesemGrund kehrt. Dochniemandkam.«StefanJauchkennt seine beiderFlutertrunkeneFamiliezurück- nes Hauseswachteunddaraufwartete,dass einem Fischer,derfünfTagevordenRuinensei- Wunden davongetragen.»Manerzähltemirvon Doch auchhierhabendieMenschenseelische Seelische Wundenbleiben »Was NahrungsmittelundTrinkwasseran- Etwas entspannteristdieSituationinSüd- Die Ereignissekannzwarniemandungesche- Thai GermanDevelopment Fotoreportage Welternährung 1/2005 | 5

1. Zweisprachigkeit 1. 2. Handzeichen für Buchstaben

2. »Was heißt das?« Die Gebärdensprache will gelernt sein.

3. Sprungbrett in die Selbständigkeit: die Schreinerausbildung

4. Fleißiger Schüler: Dickson im Unterricht

5. Sie vermittelt Selbstvertrauen: Schulleiterin Monica Aloo Okwaro

Von Antje Sina | Fotos: Silke Wernet

ickson Juma Rawindi ist ein guter Schüler. Mit einem Bruder und ei- ner Schwester besucht er die Ge- hörlosenschule in Maseno, rund D20 Kilometer entfernt von Kenias drittgrößter Stadt Kusumu. Der Ort ist ein kleines Paradies, liegt ruhig und abseits der Straße. Die Kinder gehen gern zur Schule und sind sich ihres Glücks bewusst. Denn sie können hier eine Sprechen Ausbildung in der Schreinerei machen. 176 Schüler werden an der Schule unterrichtet, schon seit 1978 ist die Welthungerhilfe Partner der Einrichtung. ohne Worte

3.

»Die Integration von Gehörlosen ist unser größtes Anliegen«, sagt Schulleiterin Monica Aloo Okwaro. Nur in Maseno gebe es ausgebil- dete Lehrer für Gehörlose, die ihren Schülerin- nen und Schülern auch Selbstvertrauen vermit- teln. »Wir geben den Kindern das Rüstzeug mit, damit sie als Erwachsene einen Job fin- den, sich selbständig machen und sich in einer hörenden Welt behaupten können.« Dickson und seine Geschwister wissen das zu schätzen. Ihr Vater ist ebenfalls taub. Dank seiner Ausbil- dung in einer Gehörlosenschule kann er heute als Fahrer arbeiten und seine achtköpfige Familie ernähren.

4. 5. 6 | Welternährung 1/2005 Land & Leute Wie man »Wasser erntet« Mit einfachen Mitteln werden in indischen Dörfern Dürre und Flut bekämpft, die Folgen von Raubbau und Klimawandel sind © Hörig Das ganze Dorf packt mit an, um Erdwälle anzulegen, Gräben zu ziehen und Bäume zu pflanzen. Sie sind nötig, um später »Wasser ernten« zu können.

Ein »guter« Monsun, also reichhaltiger Regen, Dort sind sie von Ökokatastrophen am härtes- auch von der Weltbank geförderte Privatisierung mehr Wasser führen die Brunnen. Damit kön- ist für die Menschen in Südasien überlebens- ten betroffen. Einen Teil der Verantwortung tra- der Wasserversorgung sei keine Lösung für In- nen die Felder wieder bewässert, oft sogar zu- wichtig. Doch wo Naturressourcen, vor allem gen die Bürger der wohlhabenden Industriestaa- dien. Sie sei für die Verbraucher zu teuer und sätzliche Ernten eingefahren werden. So man- ten. Achtzig Millionen Deutsche blasen ebenso schließe die Armen von der Versorgung aus. Die ches Dorf kann inzwischen Nahrungsmittel ver- Wälder, zerstört wurden, kann der Monsun viel schädliche Treibhausgase in die Atmosphäre meisten Wasserprobleme auf Dorfebene könn- kaufen. zur Katastrophe werden. In Dorfprojekten wie eine Milliarde Inder. ten über die Regenerierung der Wasserressour- Immer mehr Organisationen verschreiben wird diese Entwicklung gebremst. cen gelöst werden. In Indien ist diese kosten- Dürren und Überschwemmungen sind Vor- sich der Regeneration natürlicher Wasserkreis- günstige Methode unter dem Begriff »Watershed boten einer umfassenden Wasserkrise, auf die läufe, selbst die Regierung legt entsprechende Development« bekannt, manche nennen sie Länder wie Indien zusteuern. Intensive landwirt- Programme auf. Entscheidend für den Erfolg, so auch »Wasser-Ernten«. Von Rainer Hörig schaftliche Nutzung hat oft das Grundwasser die Teilnehmer des Workshops, sei jedoch die mit Nitraten und Pestiziden verseucht, oder der Die Dorfbewohner heben flache Gräben quer aktive Teilnahme der Landbevölkerung. Viele m Sommer 2004 meldeten indische Meteo- Grundwasserspiegel ist nach jahrelangem Raub- zu den Berghängen aus, legen kleine Erddämme Teilnehmer lobten den Erfahrungsaustausch und rologen einen »guten« Monsun. Doch we- bau drastisch gefallen. Da die Zerstörung der in Bachläufen und Miniatur-Stauseen in Fluss- den in Pune versammelten Sachverstand. »Wir nig später kamen die ersten Nachrichten Wälder voranschreitet, führen viele Flüsse zu- läufen an. Solche preiswerten Wasserbauten werden zusammen mit unseren Partnerorganisa- über eine Flutkatastrophe im östlichen In- künftig weniger Wasser. Gleichzeitig wächst der bremsen die Erosion und halten das Regenwas- tionen ähnliche Workshops zu weiteren Themen Idien und in Bangladesh. Die Welt schickte Hilfs- Wasserbedarf der Bevölkerung. ser zurück, so dass es ins Erdreich sickert und organisieren,« kündigte Anke Schürmann an, die teams und Versorgungsgüter. Zur selben Zeit die Grundwasservorräte auffüllt. Die Dorfbe- das neue Regionalprogramm Indien der Welt- litten, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, wohner pflanzen Bäume und füttern ihr Vieh im hungerhilfe von Bangalore aus betreut. Millionen Menschen in Zentralindien und im Trinkwasser wird immer knapper Stall, statt es weiden und die Triebe abfressen zu Wüstenstaat Rajasthan unter einer Dürre. Dürre lassen. Je mehr sich die Vegetation erholt, um so Rainer Hörig ist Journalist in Pune/Indien. und Flut sind zwei Seiten derselben Medaille. Das Wasserproblem werde dieses Jahrhun- dert bestimmen und zu zahlreichen Konflikten Seit der Kolonialzeit werden die Wälder Süd- führen, warnte der indische Entwicklungsberater asiens geplündert. Nur noch zehn Prozent des J. K. Arora bei einem Workshop, zu dem die ursprünglichen Bestandes sind übrig, schätzen KAMPAGNE Deutsche Welthungerhilfe Ende 2004 ihre ein- Naturschützer. Ein gesunder Wald wirkt wie ein heimischen Partnerorganisationen nach Pune Schwamm. In der Regenzeit saugt er Wasser auf bei Mumbai eingeladen hatte. Arora schilderte und gibt es wohldosiert wieder ab, so dass Bä- Indiens Erfahrungen mit der Grünen Revolution che und Flüsse auch in der Trockenperiode Was- und großen Bewässerungsprojekten: Große »Watershed Development« ser führen. Heute rauschen die Regengüsse je- Staudämme hätten die Erwartungen nicht er- doch ungebremst über nackte Hänge und verur- oder Privatisierung? füllt, sondern rund 40 Millionen Menschen von

sachen in den Tälern Überschwemmungen. Nichtregierungsorganisationen kritisieren die indische Wasserpolitik © Hörig Haus und Hof vertrieben, fruchtbare Äcker und Die wilden Flüsse aus dem Himalaya wollte Waldgebiete überflutet. In den meisten Regio- man durch Staudämme und Uferdeiche zäh- nen Indiens, so Arora, werde Trinkwasser immer Achyut Das leitet die Organisation Agragamee, Sonst wird es zu Kämpfen ums Wasser zwischen men. Damit nahm man ihnen aber auch die knapper. Schon heute schwelten Konflikte, etwa die Projekte zur Dorfentwicklung in den Bergen Brüdern und Nachbarn kommen, zwischen Dorf- Möglichkeit, sich auszudehnen und hohe Was- am Kaveri-Fluss in Südindien, dessen Anrainer von Orissa organisiert. Am Rande des Workshops gemeinschaften, zwischen Unionsstaaten. Wir müs- serstände auszugleichen. Bricht nun ein Deich, sich über die Aufteilung des Wassers für die in Pune kritisierte er die Wasserpolitik der indischen sen ins Bewusstsein rücken, dass Wasser eine werden ganze Landstriche überflutet. Weil das Landwirtschaft streiten. Der Wasserexperte Sud- Regierung. überlebenswichtige Ressource ist, die man keinem Wasser nicht mehr in die Flüsse zurückströmen hirendar Sharma schätzt, dass nicht einmal die Menschen verwehren kann. kann, hält die Flut mehrere Monate an. Die Bau- Hälfte aller indischen Dörfer eine funktionie- »Wir brauchen eine breite Debatte über das Was- Indien liegt nicht in der Sahara. In Kalahandi etwa, ern können ihre Felder nicht bestellen. rende Trinkwasserversorgung hat. Noch schlim- ser und über dessen Management. Die Regierung fördert die Privatisierung, Multis bemächtigen sich der Dürrezone von Orissa, fällt selbst in einem tro- mer, so betonte er beim Workshop, sei die Lage Weltweit gerät das Klima aus der Balance, unserer Naturressourcen und verkaufen Wasser ckenen Jahr immer noch relativ viel Niederschlag: der Armen in den Städten. auch in Südasien häufen sich Stürme, Wolken- auf dem Markt. Darauf müssen wir eine Antwort 1000 mm. Die Frage ist nur, ob und wie das brüche und Dürren. Die Ärmsten der Armen Der Workshop diente dem Austausch von Er- finden. Dazu müssen gerade wir Nichtregierungs- Wasser aufgefangen wird, damit es auch in der organisationen die Debatte in die Dörfer tragen Trockenzeit verfügbar ist. Die magische Formel sind gezwungen, ihren Lebensunterhalt in ge- fahrungen und der Vernetzung von Gruppen, und dort nach lokalen Lösungen suchen. lautet: Watershed Development.« fährdeten Gebieten wie Flussinseln, Küstenstrei- die Wasserversorgung und -management verbes- fen, Steppen und Sümpfen zu erwirtschaften. sern wollen. Übereinstimmende Meinung: Die Partner & Projekte Welternährung 1/2005 | 7

Schon zu Kriegszeiten haben Liberias Frauen schen Welthungerhilfe finanziell unterstützt sich für den Frieden eingesetzt. Dabei konnten wird, leisten diese Frauen unermüdlich Über- sie immer wieder kleine Erfolge verbuchen. zeugungsarbeit für den Frieden. Gelegentlich »Kriegsmütter« gehen sie mutig dazwischen, wenn neuer Streit Sie haben gute Kontakte zu Frauen aus dem entbrennt. Auch bei den letzten Ausschreitun- Umfeld von Ex-Präsident Taylor. Regelmäßig gen in Monrovia im November 2004, als Kir- demonstrieren Zehntausende des »Women in chen und Moscheen brannten und über 20 Peace Building Network Program« im ehe- Menschen starben. Manchmal riskieren die Frie- maligen Bürgerkriegsland für eine friedliche für den Frieden densfrauen sogar ihr Leben: Margaret Malee aus Zukunft. Monrovia haben die Rebellen der LURD, der In Liberia kämpfen tausende von Frauen für ein Ende der Gewalt »Vereinigten Liberianer für Versöhnung und Demokratie«, vor ein paar Jahren den rechten Unterarm abgehackt. Dennoch kämpft sie wei- Von Alexander Göbel ter – mit Worten. »Ich bin eine Kriegsmutter«, sagt sie, »und ich will, dass unsere Kinder end- lich die Waffen abgeben und zu uns zurück- argaret Malee, Hadja Aissata kommen. Wir lassen sie nicht im Stich. Sie Kondakai und die anderen wol- müssen darüber sprechen, was ihnen widerfah- len gesehen und gehört werden. ren ist. Wir haben sie geboren, und sie sind die Wieder einmal haben sich Zukunft des Landes. Wer sonst soll Liberia wie- Mknapp 100 Frauen auf dem Sandfeld an der der aufbauen?« Hauptstraße nach Sinkor versammelt, einem Stadtteil der Hauptstadt Monrovia. Ab sechs Margaret, Hadja und die anderen Frauen auf Uhr früh sitzen sie hier zweimal pro Woche in dem Sandfeld glauben an ihr Land, an den Frie- der glühenden Hitze – über alle Glaubensrich- den, an Konfliktlösung ohne Gewalt. Und sie tungen hinweg und ganz in Weiß. Sie beten hoffen, dass Liberias Jugend das begreift, auch schweigend, oder sie singen: Davon, dass Frie- wenn die meisten nichts anderes kennen als den einkehren möge in Liberia, 15 Jahre nach Gewalt. dem Aufstieg des Diktators Charles Taylor und Alexander Göbel arbeitet als Journalist in Bonn. dem Beginn eines Bürgerkrieges, der das kleine Land an der westafrikanischen »Pfefferküste« völlig ruiniert hat.

»Wir lassen sie nicht im Stich«

Die Mitglieder von WIPNET, dem Women in Peace Building Network Program sind mutig. Vor zwei Jahren, noch vor Taylors Flucht ins nigeri- anische Exil, haben 60 unbewaffnete Frauen Unter dem Motto »Überleben: Frauen- das geschafft, was keinem Soldaten je gelang: sache« stellt die Welthungerhilfe seit 2003 Ganz in weiß und schweigend besetzten sie für den Alltag von Frauen im Krieg – ob Ge- mehrere Stunden Taylors Büro. Der Diktator waltopfer, Überlebenskämpferinnen oder

konnte nicht anders, er musste die Frauen emp- © Göbel Friedensaktivistinnen – in den Mittelpunkt fangen. Ganz in Weiß: Mit ihren regelmäßigen Sit-ins erregen die Frauen Aufsehen. Immer dabei ist Margaret Malee. der Öffentlichkeitsarbeit. Sie lässt sich nicht einschüchtern, obwohl ihr Rebellen den Unterarm abgehackt haben. Die Broschüre dazu mit Lebensgeschichten Hoffnung keimt auf, seit die größte UN-Mis- aus verschiedenen Kontinenten und einen sion der Welt den Friedensvertrag vom August Kurzfilm erhalten Sie unter [email protected] 2003 durchsetzt, die Entwaffnung von über und Telefon (0228)22 88 134. Neu ist unser der Menschen. Hunderttausende wurden getö- sellschaft. Und hier spielen Liberias Frauen eine 100 000 Kämpfern organisiert, während sich Comic »Überleben: Frauensache« als Poster tet, ganze Landstriche entvölkert, zahllose besondere Rolle. Denn diese Kämpfer sind ihre internationale Hilfsorganisationen mit den Li- und Postkarte. Frauen und Kinder vergewaltigt. Nichts ist Kinder. berianern um den Wiederaufbau kümmern. Weitere Infos unter schwieriger als die Wiedereingliederung der Zehntausende ihrer Mütter gehören zum www.welthungerhilfe.de Doch Liberia erholt sich nur mühsam. Zu ehemals bis an die Zähne bewaffneten, unter Women in Peace Building Network Program. Als schwer sind die Zerstörungen, zu tief sind die Drogen gesetzten und völlig traumatisierten Teil des 1999 gegründeten Westafrikanischen Wunden des Krieges, vor allem in den Köpfen Kindersoldaten in die ohnehin zersplitterte Ge- Friedensnetzwerks WANEP, das von der Deut-

Endlich wieder im Ausland Alles nur Theater: Die Theatergruppe von Meluco geht mit viel Spaß ernste Themen wie Aids an. Walburga Greiner arbeitet in Mosambik für die Welthungerhilfe

Meluco, Provinz Cabo Delgado: Die Kinder schütteln sich vor Lachen, die Alten johlen. Mitten auf dem Dorfplatz liebt sich ein Paar. Nur die Capulera verdeckt die Körper. Das bunte Tuch schlingen sich die Frauen in Mosambik normalerweise als Rock um die Hüften. Den Liebenden dient es als Schutz der Privatsphäre. Vor allem, wenn das ganze Dorf zuschaut.

kenpfleger und Lehrer. Gemüsegärten werden Von Constanze Bandowski angelegt, um die Ernährung der Bevölkerung langfristig zu sichern und ihr Immunsystem zu stärken. »Gesunde Ernährung kann ein Leben ie Theatergruppe von Meluco führt Ihr mit dem Virus verbessern«, weiß die ehemalige neuestes Stück auf. Es handelt von Krankenschwester. Aids – auf Portugiesisch »Sida«, In allen Projektdörfern hängen Plakate. Die D © Kropke ebenso auf Makua, Sena, Tswa oder Chopi. Die Büros der DWHH bieten Broschüren und Kon- Krankheit ist zu neu, als dass die tradi- dome umsonst an. »Ich erschlage die Ortswechsel ins Sambesi-Delta: Der Jeep hol- nehmen«, fordert Walburga Greiner auf einer tionellen Sprachen ein Wort dafür hät- Leute mit Informationen«, lacht Wal- pert über die rote Sandpiste, wühlt sich durch Dorfversammlung. »Wir können euch dabei nur ten. Die roten Aids-Schleifen sind in burga Greiner. Nach 27 Jahren Entwick- die Schlammkuhlen des letzten Regens. Bei der unterstützen.« Das Konzept trägt erste Früchte. ganz Mosambik allgegenwärtig, auf lungshilfe sprüht die zweifache Mutter Flutkatastrophe 2001 war das gesamte Sambesi- Strahlend geht die Koordinatorin durch die blü- Mauern, Masten oder Schildern. In noch immer vor Tatendrang. Zwölf Delta überschwemmt. Walburga Greiner startete henden Gärten von Chinde. »Es gibt Tomaten«, manchen Gegenden ist jeder Zweite in- Jahre lang arbeitete sie im Innendienst ein Nothilfeprogramm für 22 000 Opfer. Eine sagt sie. »Das nenne ich Fortschritt.« fiziert, im Durchschnitt sind es 13,8 bei der DWHH, baute das Nothilfepro- logistische Meisterleistung, denn die Dörfer im

© Kropke Erfolge wie diese und die Hoffnung, Armut Prozent der Bevölkerung. gramm mit auf und koordinierte die Delta waren nur per Boot zu erreichen. und Aids nachhaltig einzudämmen geben ihr »Aids ist für Afrika eine Katastro- Will etwas Projekte im südlichen Afrika. Seit Januar Antrieb. »Mich fasziniert die Kreativität der phe«, sagt Walburga Greiner nach der bewegen: Wal- 2004 leitet die 49-jährige Betriebswirtin Gärten blühen wieder Menschen«, sagt sie. »Trotz der Not finden sie Vorstellung. Die DWHH-Landeskoordi- burga Greiner, das Landesbüro in Maputo. Ihre Familie Wege, etwas zu verändern.« Das unterstützt Wal- natorin hat sich das Ziel gesetzt, HIV- DWHH-Landes- ist mitgekommen. »Die Kinder sind mit Heute ist die Phase der Nahrungsmittelvertei- burga Greiner mit aller Kraft. Die nächsten Pro- Prävention in alle Projekte zu integrie- koordinatorin 14 und 17 Jahren alt genug fürs Aus- lung vorbei. Die Menschen erhalten Saatgut. Sie jektanträge liegen schon in der Schublade. ren. Seit April bilden ihre Mitarbeiter für Mosambik land«, meint sie und freut sich, wieder errichten Schulen, Gesundheitsposten und Latri- Aids-Aktivisten aus: Hebammen, Kran- etwas vor Ort bewegen zu können. nen. »Ihr müsst euer Leben selbst in die Hand Constanze Bandowski ist Journalistin in Hamburg. 8 | Welternährung 1/2005 Nahaufnahme Wer, bitteschön, ist Claudia Schiffer? Auf dem Laufsteg in die große Welt: Ein äthiopisches hat es geschafft. Viele träumen jedoch vergeblich

Viele Mädchen in Äthiopien träumen davon, Fotograf Peter Beard sie entdeckte. Die Somalie- dem harten Existenzkampf in einem der ärms- rin heiratete den Sänger David Bowie, zog nach ten Länder des afrikanischen Kontinents New York und ist dort heute noch erfolgreich. über den Laufsteg zu entkommen. Yordi ist Yordi wiederum verdankt den Einstieg in eine der wenigen, die es geschafft haben. ihre Karriere der Rockgruppe eines Freundes. »Die engagierten mich für ihre Auftritte, weil ich klasse aussah und so gut tanze.« Das fand auch ein Agent im Publikum. Er sprach die da- Von Antje Passenheim mals 17-Jährige an. »Erst präsentierte ich Braut- kleider, dann Klamotten für äthiopische Desi- gner und schließlich landete ich bei Gigi, einer italienischen Designerin«, sagt Yordi stolz und fügt lachend hinzu: »Das war wie ein großer er ? Claudia Schiffer, Heidi Losgewinn: Es verschlägt nämlich nicht viele Klum?« Yordi kämmt mit ihren internationale Designer ausgerechnet nach langen, beringten Fingern kokett » Äthiopien.« Wdie schwarzen Locken in den Na- cken. »Noch nie gehört, sollte ich die kennen?« 1,77 Meter groß, 53 Kilo leicht, hellbraun Die 20-Jährige dreht ratlos den Kopf hin und und elegant schwebt Yordi über die Laufstege her und setzt sich im knappen Top und hauten- der internationalen Hotels in Addis. »Schön«, gen Jeans in Pose. Stilsicher drapiert sie ihre lächelt ihr pink gemalter Mund, »schön war ich langen Beine auf dem Leopardensofa des Szene- schon als Kind. Das hat mir vieles erleichtert, cafés »Le Notre« im Casanches-Viertel der äthio- denn alle hofierten mich.« pischen Hauptstadt Addis Abeba. Mit vier Brüdern und einer Schwester wuchs Hier zieht es die Jungen und Schönen hin, Yordi in einem Mittelklasseviertel von Addis die sich das leisten können. Hier ist Yordi Abeba auf. Dass sie die Schule und später ein Stammgast. Und die »Le Notre«-Chefin ist stolz. College besuchen sollte, stand niemals in Frage Ohne Aufforderung bringt sie ihr persönlich – und unterscheidet sie vom Großteil der den obligatorischen Orangensaft an den Tisch. Frauen ihres Landes, in dem nur 70 Prozent der Ein paar Männer an der Bar folgen der Wirtin Bevölkerung das Privileg hat, lesen und schrei- mit ihren Blicken zu Yordis Platz und verdre- ben zu lernen. Die meisten Analphabeten sind hen feixend die Hälse nach ihr. Yordi genießt, Frauen. indem sie es ignoriert. Sie thront auf dem Divan. Verstoß gegen die Tradition Aus den Lautsprechern rieselt Discomusik. Yordis Körper tanzt, ohne dass er sich wirklich »Meine Mutter sparte immer darauf, dass ich bewegen muss. Er ist Yordis Kapital – und wenn mal einen richtigen Beruf erlernen konnte«, sagt alles gut geht ihre Eintrittskarte in die westliche Yordi. »Als sie erfuhr, womit ich mein eigenes Welt. Wer es geschafft hat, wird dann in den erstes Geld verdiente, brach sie vor Wut und westlichen Glamourmagazinen zur »geschmei- Scham in Tränen aus.« Das Modeln fügt sich digen Katze des Dschungels«, zur »Gazelle vom noch immer in keine afrikanische Tradition. Nil« oder zur »Wüstenblume«. Die meisten Älteren, gerade in Ländern mit ei- Von afrikanischen Topmodels wie Naomi nem hohen Anteil an Moslems, haben Pro- Campbell, Alek Wek oder Waris Dirie trennt bleme mit der Körperschau, die sie mit der Pro- Yordi vielleicht gar nicht mehr viel. Dritte stitution gleichsetzen. »Zum Glück ist meine wurde sie schon bei der Landesauswahl zur Mutter sehr modern«, sagt Yordi. »Und als ich Miss World-Wahl. Beim großen Schönheits- die ersten Gagen nach Hause brachte, staunte wettbewerb »« kürte die sie nicht schlecht.« Yordi ihrerseits kam Jury sie im vergangenen November im baden- der Mutter entgegen und begann eine württembergischen Ettlingen zum zweitschön- Ausbildung zur Bürokauffrau. »Ich weiß sten Model auf Erden. Der erhoffte große Ver- schließlich, was es in einem Land wie trag blieb zwar aus. »Aber immerhin«, sagt meinem bedeutet, die Chance für so was Yordi ernst, »habe ich die meisten weit hinter zu haben«, zwinkert sie mit ihren schräg mir gelassen.« geschnittenen, tiefschwarzen Augen. © Wernet Ihren eigenen Ruhm würde Yordi Schönheit auf dem Sprung zur Weltkarriere: gerne nutzen, um gegen die Missstände Ethno, aber bitte nicht zuviel Models aus Afrika sind international gefragt. Und Yordi bringt das nötige Selbstbewusstsein mit. ihres Landes zu kämpfen. »Zum Beispiel für eine bessere Wasserversorgung der Die meisten, das sind Tausende junger Mäd- Menschen auf dem Land«, sagt sie. Dort chen in Afrika südlich der Sahara, die sich jedes hat weniger als ein Viertel der Menschen Jahr neue Hoffnungen machen: Auf einen Ver- Unzählige lokale und internationale Wettbe- Zugang zu sauberem Trinkwasser. »Oder trag mit einer Agentur, einem Modedesigner, werbe locken die Mädchen in die Discos und mal wie das somalische Fotomodell Waris auf die Krönung zur Schönheitskönigin. Re- Hotels der afrikanischen Großstädte. Die erste Dirie gegen Frauenbeschneidung zu nommierte internationale Agenturen heizen Hürde zur Karriere ist für die meisten das hohe kämpfen«, sinniert Yordi vor sich hin. diese Sehnsucht an. Von Äthiopiens Nachbar- Startgeld, nicht selten ein Mittelstands-Monats- land Kenia aus starten sie zu Safaris in die abge- Dennoch will sie zumindest in einem verdienst. »Die meisten wirklich erfolgreichen legensten Winkel Ostafrikas, auf der Jagd nach Punkt nicht mit berühmteren Models tau- Karrieren«, weiß Yordi jedoch, »fangen ohnehin neuen African Queens. »Das Problem ist«, er- schen: »Ich will zwar ganz viel reisen, aber nicht mit so einem Wettbewerb an, sondern per klärt der kenianische Model-Agent Leakey so richtig im Ausland leben? In New Zufall im richtigen Leben.« Odera, »dass die Geschmäcker so verschieden York, Paris oder einer anderen fremden sind. Das Schönheitsideal der meisten Afrikaner Auf diese Weise wurde auch 1975 das erste Großstadt? Nie!« erklärt sie. »Dafür liebe ist nach wie vor eher rund und füllig. Damit afrikanische Supermodel in der kenianischen ich mein Land und meine Familie zu sehr.«

kommen die Models auf dem internationalen Hauptstadt Nairobi entdeckt: Iman. Die in © DWHH Markt nicht weiter. Da ist zwar Exotik gefragt, Mogadischu geborene Iman Abdulmajid jobbte Der Traum vieler Mädchen – auch in Afrika: Antje Passenheim arbeitet als Journalistin aber zuviel Ethno darf’s dann doch nicht sein.« als Politikstudentin in einem Reisebüro, als der Als Model zu Reichtum zu kommen. beim WDR in Köln . Dossier Welternährung 1/2005 | 9

Junge Gesichter prägen die Städte in den Entwicklungsländern. Doch auch die armen Länder „altern“ – und zwar insbesondere auf dem Lande. Nach UN-Berechnungen wird sich bis In Deutschland kommt die zum Jahr 2025 die Zahl der über 60- Milch aus der Tüte – in den Jährigen in den ländlichen Regionen Entwicklungsländern in aller Afrikas, Asiens und Lateinamerikas Regel nicht. Milch wird dort verdoppeln. Vielerorts ist der Anteil meist direkt von Kleinbauern der Älteren auf dem Land schon dop- an die Verbraucher verkauft. pelt so hoch wie in der Stadt, insbe- Dieser Verkauf über informelle sondere in Afrika südlich der Sahara. Kanäle schafft Arbeitsplätze, Die alten Menschen sind besonders beschert den Bauern ein gutes Zusatzeinkommen – und die von Elend und Not betroffen. Rohmilch ist preiswert. Aber Rohmilch ist unter hygieni- schen Gesichtspunkten nicht unbedenklich. Und die Bauern

Dossier ringen mit vielen Hindernissen. © KNA Mit Milch gegen Mangelernährung: In Kenia sind Kinder in Haushalten mit Milchkühen besser ernährt. Milch macht Afrika munter Der Milchmarkt in Afrika ist weitgehend in der Hand von Kleinbauern. Konservierung ist entscheidend

Mary Kanyi, Francis Mburumbugua, Ezekiel Kariuki und seine Frau haben etwas siver Milchvermarktung. Die Milchhändler sind MILCHWIRTSCHAFT gemeinsam: Sie leben im kenianischen Hochland nahe Nairobi. Und sie halten selten motorisiert. Sie nehmen die Milch jeden Milchkühe. Die Milcherzeugung hat für Kleinbauern Vorteile: Mit der Vieh- Morgen von »ihren« Bauern an, bezahlen sie meist direkt und verkaufen sie dann an einen haltung können sie ihre Böden intensiver und nachhaltiger nutzen, also höhere festen Kundenkreis im näheren Umkreis. Das Milch in Afrika – Beispiel Kenia: Erträge erzielen. Die Kühe sind eine inflationssichere Notreserve, der Verkauf bringt Arbeitsplätze. Normalerweise gilt: Wo der frischen Milch bringt regelmäßige Einnahmen, und die Jungtiere können täglich 100 Liter Milch vermarktet werden, ent- In Kenia werden derzeit schätzungsweise 2,3 genutzt oder verkauft werden. Milch bringt oft doppelt so viel Gewinn wie andere stehen ein halber bis zwei informelle Arbeits- bis 2,8 Millionen Tonnen Kuhmilch pro Jahr er- landwirtschaftliche Produktion. plätze. Der Monatslohn liegt schätzungsweise zeugt. Zum Vergleich: In der EU der 15 sind es immerhin bei rund 50 Euro. Allein In Nairobi 116 Millionen Tonnen, in den USA 76 Millio- nen, in Brasilien mindestens 23 Millionen Ton- gibt es mindestens 4000 solcher Milchhändler, Von Uwe Kerkow nen und in Indien je nach Schätzung zwischen in ganz Kenia rund 20 000. 37,5 und über 80 Millionen Tonnen Kuhmilch. erzeugt immerhin noch 18 Millionen Tonnen. er größte Teil der Milch in den Ent- Nachfrage steigt wicklungsländern wird nicht über Dennoch ist Kenia nach dem Sudan und sogar vor Südafrika der zweitgrößte Milchproduzent Molkereien und Supermärkte ver- Zwar sind in vielen Entwicklungsländern – Afrikas. Das Land bestreitet etwa 18 Prozent marktet, sondern über informelle anders als in Zentralkenia – wegen der Trocken- der afrikanischen Produktion. Der gesamte DKanäle. Kleinbauern erzeugen die Milch, lokale heit die Voraussetzungen für eine nachhaltige Kontinent bringt derzeit jedoch nur etwa drei Zwischenhändler verkaufen sie direkt an die Prozent der Welterzeugung auf. Milchkuhwirtschaft schlecht. Die Bauern greifen Konsumenten. In welchem Umfang Milch in dann eher auf Ziegen, Schafe oder Kamele zu- Der kenianische Milchsektor erwirtschaftet Entwicklungsländern auf diesem informellen etwa ein Viertel des landwirtschaftlichen Natio- rück. Zudem verhindert in vielen zentral- und Weg erzeugt und konsumiert wird, ist nur naleinkommens. Der gesamte Agrarsektor westafrikanischen Ländern die Tsetsefliege die schwer zu bestimmen. In vielen Ländern liegt wiederum macht etwa 52 Prozent des Brutto- Kuhhaltung. Außerdem ist modernes Hochleis- der Anteil bei bis zu 90 Prozent der gesamten nationaleinkommens, 60 Prozent der Exporter- tungs-Milchvieh nur begrenzt für die Tropen ge- löse und der Beschäftigung sowie 45 Prozent Milcherzeugung. In Indien und Brasilien ist es Wo täglich eignet. Und in den meisten Entwicklungslän- der Staatseinnahmen aus. schätzungsweise jeder zweite Liter. In Kenia ge- 100 Liter Milch dern ist die Milchproduktion durch die Trocken- Schätzungsweise 10 Prozent des kenianischen langen etwa 85 Prozent und in Jamaika 90 Pro- zeiten starken saisonalen Schwankungen unter- Nationaleinkommens entstehen also in der vermarktet wer- zent der Milch nie in die Nähe einer Molkerei. worfen. Milchwirtschaft. den, entstehen ein halber bis Doch Milch wird von der FAO als Schlüssel- Milch schafft Arbeitsplätze element in der Ernährungssicherung angesehen. zwei informelle Literatur zum Weiterlesen Die Organisation empfiehlt einen Konsum von Arbeitsplätze Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorgani- umgerechnet 200 Kilo pro Person und Jahr. Die Die überschätzte Gefahr sation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, größten Steigerungen in der weltweiten Nach- Subventionierte Milch(pulver)exporte: dass über 80 Prozent der in Entwicklungslän- frage nach Milch werden zukünftig in Entwick- Probleme von Milcherzeugern und -konsumenten in Entwicklungsländern dern erzeugten Milch – insgesamt etwa 200 lungsländern erwartet. Schon zwischen 1998 Millionen Tonnen – informell vermarktet wer- und 2001 stieg der Wert ihrer Milchimporte um Studie im Auftrag der Deutschen Welthungerhilfe von Uwe Kerkow den. Die Mehrheit der Milcherzeuger in Ent- 43 Prozent. In den nächsten 20 Jahren wird mit wicklungsländern sind Kleinbauern. einem weiteren Anstieg der Nachfrage um min- Erhältlich unter Telefon (0228) 2288134 oder als download unter destens 25 Prozent gerechnet. Die meisten dieser Länder verfügen über ein www.welthungerhilfe.de ausgeklügeltes, dezentrales System arbeitsinten- Uwe Kerkow ist Journalist in Königswinter. 10 | Welternährung 1/2005 Dossier

ben Tage die Woche als Knecht auf dem Hof Von Uwe Kerkow von Mburumbugua. Dafür erhält er 2.500 keni- anische Shilling (derzeit 25 Euro) monatlich. Mburumbugua stehen umgerechnet knapp 4,5 and ist knapp in der Region Kühe sehen Hektar Land zur Verfügung. Er ist Besitzer eines um Nairobi. In einigen Land- Pickup-Lieferwagens und erwägt, sich als Milch- kreisen leben bis zu 800 Men- händler selbstständig zu machen. L schen auf einem Quadratkilo- meter. Die relativ hohe Bevölke- keine Weide Bei Ezekiel Kariuki stehen zwei Milchkühe, rungsdichte zwingt die Bauern zu eine kalbende Kuh und drei Färsen im Stall. Der einer ungewöhnlichen Methode: Nebenerwerbslandwirt nennt immerhin über Sie erzeugen die Milch im so ge- Milchwirtschaft im kenianischen Limuru 5,5 Hektar Land sein eigen. Da er nicht bewäs- nannten zero-grazing System. Da sern kann, macht seinem Betrieb die andau- die Kühe nicht auf der Weide gra- In Kenia wird der größte Teil der Milch von kleinen und kleinsten Betrieben produziert. Die ernde Trockenheit zu schaffen. Als pensionier- sen können, wird das Futter (vor Angaben schwanken zwischen 600.000 und 700.000 Kleinbauern. Viele von ihnen betreiben ter Staatsangestellter hat er ein festes Einkom- allem Napier-Gras und Maisstroh) die Milchwirtschaft im Nebenerwerb. Nach Schätzungen erzeugen sie 80 bis 90 Prozent der men. Seine Frau ist Lehrerin und heute eben- im intensiven Ackerbau gepflanzt. falls pensioniert. Früher bestand Kariukis Herde gesamten kenianischen Milchproduktion. Zahlreiche dieser kleinbäuerlichen Betriebe finden Die Tiere stehen das ganze Jahr im aus mehr als 15 Tieren. Doch heute erscheinen Stall und werden damit versorgt. sich nahe der Hauptstadt Nairobi. ihm die Kosten für das Futter zu hoch und die Milchwirtschaft ist für viele Klein- Preise für die Milch zu niedrig. Derzeit zahlt die bäuerinnen und -bauern, die oft Kanyi steht einer sechsköpfigen Familie vor. Sie den Erlösen finanziert Kanyi sogar das Schul- Kooperative zwischen 14 und 15 kenianische im Nebenerwerb wirtschaften, ein besitzt drei Milchkühe, von denen eine derzeit geld für ihre Kinder. Shilling (KSh) pro Liter. Ein KSh entspricht der- interessanter Zusatzverdienst. trocken steht. Die Tiere geben durchschnittlich zeit etwa einem Eurocent. Für Futter muss Kari- Francis Mburumbugua wiederum ist Neben- 10 Liter Milch pro Tag. uki 100 bis 120 KSh pro 25-Kilo-Ballen Heu in- Kleinbäuerin Mary Kanyi ist erwerbslandwirt. Er bezieht ein festes Gehalt vestieren. Das Futter für seine zwei verbliebe- Mitglied der Limuru-Molkereige- Kanyi besitzt selber kein Land, hat aber etwa von der Limuru-Molkereigenossenschaft, wo er nen Milchkühe kann Kariuki allerdings mit viel nossenschaft. Als größten Vorteil 1,4 Hektar von verschiedenen Nachbarn ge- eine Milchsammelstelle überwacht. Seine zwei Eigenarbeit günstiger produzieren. sieht sie die kostenlose tierärztli- pachtet. Nur die morgens erzeugte Milch ver- Milchkühe und zwei Färsen lässt er von seinem che Versorgung. Nur die Medika- kauft sie an die nahe gelegene Kooperative. Die Gehilfen versorgen und melken. Der hat die mente muss sie bezahlen. Mary Abendmilch wird privat weiter verkauft. Aus Schule vorzeitig verlassen und arbeitet nun sie- Uwe Kerkow ist Journalist in Königswinter.

Milch – ein ganz besonderer Stoff Das Problem der Haltbarkeit lässt sich mit einfachen Mitteln lösen

Milch ist ebenso nahrhaft wie leicht verderblich. Man kann sie zu Hunderten verschiedener Produkte verarbeiten. Milchbestandteile kommen in unzähligen Nahrungsmitteln vor. Doch Milch ist leicht verderblich. Nun gibt es eine neue Unter freiem Methode, sie auch ohne Kühlung kurz- Himmel: Ein junger fristig haltbarer zu machen. Kunde wartet auf die Rohmilch, die er in der Nähe von Naivasha direkt vom Bauern kauft. © Kerkow

verunreinigt, wobei die Werte zwischen vier fügung, Milch für einige Stunden ungekühlt zu eine Zeitspanne, die ausreicht, um die verderbli- Von Uwe Kerkow Prozent in der Regenzeit und bis 27 Prozent in konservieren. Diese Form der Milchkonservie- che Ware zu verkaufen, zu konsumieren oder sie Zeiten oder Gegenden mit geringem Milchan- rung wird von der UN-Ernährungs- und Land- zur nächsten Molkerei zu transportieren. Die gebot schwanken. wirtschaftsorganisation FAO propagiert. Sie Reagenzien werden rückstandsfrei abgebaut und ilch in herkömmlichen stützt sich auf ein natürliches Enzym, das in Zu- kommen auch natürlich in der Milch vor. Molkereien zu verarbeiten • Bei mangelnder Kühlung ist Milch schnell sammenhang mit dem ebenfalls natürlich in der und haltbar zu machen, bakteriell verseucht. Tuberkulose kann von Untersuchungen in Kenia haben gezeigt, dass Milch vorhandenen oxidierten Thiozyanat anti- ist – vor allem wegen der der Kuh über die Milch auf den Menschen diese LPS-Konservierung umgerechnet 1,02 bis bakterielle Eigenschaften entwickelt. Strepto- Mnotwendigen Kühlung – technisch übertragen werden. 1,09 Euro-Cent pro Kilo Milch kostet, während kokken und Laktobakterien, die auch in der anspruchsvoll, kapitalintensiv und für die Kühlung zwischen 1,1 und 1,3 Cent auf- • Sehr gefährlich ist die im informellen Markt Darmflora vorkommen und für die Säuerung setzt ein funktionierendes Trans- gewandt werden müssen. Doch dieser Preisvor- immer wieder beobachtete Praxis, Rohmilch der Milch verantwortlich sind, werden von dem portwesen voraus. Daher sind teil ist weniger entscheidend als die dezentrale mittels handelsüblicher Antibiotika haltbarer LP-System gehemmt, schädliche Bakterien wie Milchprodukte aus einer Molkerei Anwendbarkeit des LP-Systems, die den Vertrieb zu machen. Salmonellen sogar abgetötet. Unter natürlichen erheblich teurer als Rohmilch von Milch erheblich vereinfachen kann. Denn Bedingungen bleibt die Milch für zwei Stunden oder traditionelle Rohmilchpro- Doch ist zumindest in Kenia ist das Verbrau- viele Entwicklungsländer sind noch nicht in der frisch – so lange braucht es in etwa, bis das Kalb dukte wie Sauer- oder Dickmilch. cherbewusstsein hoch. 60 bis 92 Prozent aller Lage, ein flächendeckendes System von Kühl- die Milch verdaut hat. Die wichtigsten Argumente gegen Verbraucher kochen die Milch vor dem Verzehr zentren mit der dazugehörigen Stromversor- den Verzehr von Rohmilch sind ab. Weitere Verbesserungen wären möglich, gung einzurichten. gesundheitliche Gefahren: wenn die Händler im Umgang mit dem kostba- Allerdings kämpfen die Molkereien und Le- ren Gut geschult würden. Zudem bewegt sich Methode ist überall einsetzbar • Rohmilch wird von den Zwi- bensmittelkonzerne gegen die Methode der LPS- der informelle Handel in einem ungünstigen schenhändlern immer wieder Setzt man der frischen Milch etwa zehn Milli- Konservierung. Denn diese billige und techno- politischen Umfeld. mit Wasser gestreckt. In Kenia gramm Thiozyanat und Wasserstoffperoxid pro logisch weniger anspruchsvolle Alternative zur ist durchschnittlich jede zehnte Mit der Lactoperoxidase-Konservierung (LPS) Kilo zu, verlängern diese Substanzen die Wirk- Kühlung könnte ihre Kontrolle über die Märkte gemessene Probe auf diese Art steht eine simple und sichere Methode zur Ver- samkeit des LP-Systems um einige Stunden – gefährden. Dossier Welternährung 1/2005 | 11 Kleinbauern produzieren effizienter

Theresa Kirima ist bei der »Limuru Dairy Milch der Mitglieder verarbeitet. Außerdem hält F.C.S. Ltd«, der lokalen Molkereigenossen- die Genossenschaft Anteile an der Co-op-Bank schaft in der Nähe der kenianischen Haupt- Kenias und einer Co-op-Versicherungsgesell- schaft. Die 1995 gegründete Molkerei der stadt Nairobi, für landwirtschaftliche Limuru Dairy F.S.C. hat eine Verarbeitungska- Beratung und die Qualitätskontrolle der an- pazität von 60 Tonnen täglich. Tatsächlich wird gelieferten Milch zuständig. Jeden Morgen der Betrieb derzeit meist mit nur halb so ho- und jeden Abend nimmt sie bei den Bauern hem Durchsatz gefahren. Hergestellt werden Stichproben. pasteurisierte Frischmilch, Mala (eine Art Dick- milch), verschiedene (Frucht-)Joghurts sowie Butter und Ghee, ein flüssiges Butterfett, das vor allem bei indischstämmigen Kenianern verwen- Von Uwe Kerkow det wird.

nsere Genossenschaft«, erzählt Auch die Ärmsten trinken Milch Kirima nicht ohne Stolz, »wurde » 1962 gegründet. Heute hat sie Typisch für Kenia: Im formell organisierten 8771 Mitglieder, von denen etwa Sektor werden jährlich zwischen 250 000 und Udie Hälfte aktiv ist. Unsere wichtigste Dienst- 300 000 Tonnen Milch verarbeitet. Derzeit hal- leistung ist das Einsammeln der Milch in 25 ten 52 Molkereien eine Lizenz, Sammelstellen.« Täglich prüft von denen jedoch nur 34 tat- sie die Milch mit dem Säuretest sächlich produzieren. In der auf Frische und mit dem Dichte- Molkereien Branche existieren etwa 10 000 test auf Beimengungen von Was- Arbeitsplätze, doch große Verar- ser. Dann wird die Milch gewo- sind gegenüber beitungskapazitäten liegen der- gen, das Gewicht in doppelter dem informellen zeit brach. Insgesamt könnten Buchführung notiert; ein Beleg Markt nicht kenianische Molkereien täglich bleibt beim Bauern. konkurrenzfähig 2500 Tonnen Milch verarbeiten. Die Genossenschaft zahlt den Doch die Molkereien sind gegen- Bauern zwischen 14 und 15 ke- über dem informellen Markt nianische Shilling pro Liter zum nicht konkurrenzfähig: Verarbei- Ende jeden Monats – falls die Zahlung pünkt- tete und verpackte Milch kostet zwischen 39 und lich erfolgt, was nicht die Regel ist. Theresa Ki- 52 KSh pro Liter. Im informellen Sektor liegen rima erklärt: »Neben der Milchsammlung und die Verbraucherpreise dagegen zwischen 25 und -vermarktung im genossenschaftseigenen Kühl- 30 KSh pro Liter. haus vergibt die Organisation Kredite. Günstig Erstaunlich ist, dass in Kenia selbst die Ärm- für die Bauern ist, dass die Rückzahlung ihres sten noch Milch kaufen. Die Ausgaben für Mais Kredits mit der Vergütung für die von ihnen ge- und Grundnahrungsmittel liegen im Durch- lieferte Milch verrechnet wird.« Daneben bietet schnitt bei 27 Prozent des Lebensmittelbudgets, die Genossenschaft kostenlose landwirtschaftli- gefolgt von Milch und Milchprodukten mit 18 che Beratung, tierärztliche Dienste und verbil- Prozent. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Ver- ligte künstliche Befruchtung sowie Weiterbil- brauch an Milchprodukten in Kenia liegt bei 80 dungsseminare für die Mitglieder. bis 90 Litern Milch jährlich – ein Wert, der weit Die Genossenschaft hat in verschiedene Pro- über dem afrikanischen Durchschnitt liegt, aber

jekte investiert, unter anderem in eine Muster- immer noch deutlich unter dem Maß von 200 © Kerkow farm und eine Molkerei, die einen Teil der Litern, das die FAO empfiehlt. Besonders die kleinbäuerliche Milcherzeugung schafft Arbeitplätze: Ein Melker bei der Arbeit.

Mit Milch gegen Mangelernährung bei Kindern

Steven Staal, stellvertretender Direktor des International Lifestock Research Institute in Nairobi zu den Marktchancen für Milchproduktion

Welternährung (WE): Welche Probleme ha- Professionalisierung, indem man die Händler WE: Ist es sinnvoll, die Vermarktung von missbrauchen das Verbot, um Roh- ben Milchbauern in Entwicklungsländern? weiterbildet und Zertifizierungs- und Zulas- Rohmilch zu fördern? milch als unhygienisch zu diskreditie- sungsverfahren entwickelt. Andererseits müssen ren. Es geht also um die Frage, ob Roh- STAAL: Interessanterweise haben beispiels- STAAL: Ja, denn Milch hilft, die Ernährung auf die informellen Märkte legalisiert werden. Der milch eine Zukunft hat. weise in Kenia vor allem die größeren Milchfar- hohem Niveau zu sichern. Unsere Untersu- Verkauf von Rohmilch ist in Kenia praktisch mer finanziell zu kämpfen. Die Kleinbauern chungen in Kenia haben gezeigt, dass Kinder in WE: Warum ist ein solches Engage- verboten. Allerdings wird er nicht bestraft. Auch produzieren effizienter. Unsere Untersuchun- Haushalten mit Milchkühen seltener fehl- oder ment wichtig? gen haben ergeben, dass die Kleinbauern in in vielen anderen Ländern – etwa in Indien – mangelernährt sind. günstigen Lagen im Durchschnitt ab einem Ver- gibt es ähnliche Probleme. STAAL: Die FAO beziffert die Verluste WE: Was können wir im Norden tun? durch verdorbene Milch allein für kaufspreis von 12 Shilling pro Liter Profite er- WE: Können Sie die kurz darstellen? zielen. STAAL: Lobbyarbeit könnte zum Beispiel auf Ostafrika und den Nahen Osten auf STAAL: Ein Beispiel: Die größte Milchkoopera- den international verbindlichen Codex Alimen- über 90 Millionen US-Dollar. Mit die- WE: Viele Menschen können sich die teure tive in der indischen Hauptstadt New Delhi tarius hin ausgerichtet werden, der die Qualitäts- sem Geld könnten sechs Millionen Milch aus den Molkereien nicht leisten. Wie setzt Lactoperoxidase zur Konservierung von standards von Lebensmitteln festlegt. Das damit Kinder ein ganzes Jahr lang ernährt kann man den informell organisierten Ver- Frischmilch ein, der Vertrieb der Produkte verbundene Lactoperoxidase-Verbot für Milch, werden. Durch einen breiten Einsatz kauf von Milch fördern und den Verzehr unterliegt jedoch Einschränkungen. Dabei ver- die exportiert werden soll, ist das größte Hemm- des LP-Systems (siehe Seite 10) könnte von Rohmilch sicherer machen? zeichnet der informelle indische Milchmarkt nis für die Entfaltung der informellen Milch- diese Vergeudung – gerade in sehr ar- STAAL: Die lokalen Märkte müssen besser re- mengenmäßig größere Umsätze als der formelle märkte. Die Behörden in vielen Entwicklungs- men Ländern wie Uganda, Tansania guliert werden. Das beinhaltet einerseits eine Weltmarkt. ländern und verschiedene Interessengruppen und Äthiopien – verhindert werden. 12 | Welternährung 1/2005 Kontrovers © dpa Trümmerbeseitigung in Frankfurt am Main. Der Marshallplan half Deutschland beim raschen Wiederaufbau. Entwicklungsländer dagegen brauchen nachhaltige Entwicklung. Das dauert länger. Wiederaufbau oder nachhaltige Entwicklung? Über unsere kurzfristige Wahrnehmung von Problemen, die langfristiger Lösung bedürfen

Sicher muss ihnen geholfen werden. Aber es Hälfte der Bevölkerung den Tsunami nicht über- tert, wie mehr Geld zur Erreichung der Millenni- sind Hunderte von Millionen, die auch ohne lebt hat, müssen Dörfer ihre Schulen zu- ums-Entwicklungsziele mobilisiert werden eine solche Katastrophe im schlimmsten Elend sammenlegen. Dazu braucht es eine überörtli- könnte, es wird wieder über die Tobin-Steuer ge- leben, nicht nur rund um den Indischen Ozean, che Planung und Zusammenarbeit. Auch die eu- sprochen, über Abgaben auf Kerosin und auf sondern in allen Südkontinenten. Dauerhafte ropäischen Hilfsorganisationen müssen sich ko- Flugtickets. England hat die Gründung eines Anstrengungen sind nötig, um die Armut in der ordinieren. Die vom Tsunami betroffenen Län- neuen internationalen Fonds vorgeschlagen, der Welt zu verringern, nicht ein einmaliger Auf- der werden mit der Organisation von Projekten International Finance Facility (IFF). Eine Globale Reinold E. Thiel ist freier Journalist und schwung. Wird der Tsunami den Blick auf die überschüttet, die ihre Verwaltung nicht bewälti- Marshall-Plan-Initiative will das Modell der Dritte Welt verändern, wird die Staatengemein- gen kann. Wenn eine deutsche Stadt oder eine Wiederaufbauhilfe, die Europa nach dem Zwei- Autor. Von 1971 bis 1989 arbeitete er schaft von jetzt an die Probleme der Entwick- deutsche Schule helfen wollen, finden sie nur ten Weltkrieg erhielt, auf die Dritte Welt übertra- für verschiedene Organisationen der lungsländer ernster nehmen? noch schwer lokale Partner. gen. Günter Jauch, Claudia Schiffer und Alfred Entwicklungszusammenarbeit in Afrika Biolek haben den Bundeskanzler aufgefordert, Außenminister Fischer hat gesagt, es könne »endlich ernst zu machen mit der Armuts- und in Nahost. Von 1992 bis 2003 war sein, dass der Tsunami die Geburtsstunde einer Schulen brauchen auch Personal bekämpfung«. Wie sinnvoll ist das alles? er Chefredakteur der Zeitschrift neuen Weltpolitik war. Aber es war wohl eine »Entwicklung und Zusammenarbeit«. kurzfristige Regung, die ihn veranlasst hat, dies Deshalb ist es notwendig, in größeren Ein- zu sagen. Ernst nehmen kann man das nicht. heiten zu denken. Die Deutsche Welthunger- Hier stellt er regelmäßig kontroverse Sinnvoll ist alles, was langfristig ist Auch nach einer Jahrhundertkatastrophe wie hilfe arbeitet mit zahlreichen solchen Spendern Themen zur Diskussion. dieser kommt bald wieder der Alltag, und die und Spendergruppen zusammen. Aber sie baut Der Marshallplan war ein Instrument zum knappe Wahl Ende Februar in Schleswig- nicht eine einzelne Schule in Indonesien, die Wiederaufbau eines hoch entwickelten Konti- Holstein erscheint dann wichtiger als 300 000 mit einer einzelnen deutschen Schule in Kon- nents, der zerstört war und nur repariert werden eine Spenden mehr, die zweckgebun- Tote. Längst gab es eine weitere Ka- takt gebracht wird. Das würde ei- musste. Die Infrastruktur, das Wissen in den den für die Opfer der Tsunami-Katas- tastrophe mit dem Erdbeben im nen zu großen Verwaltungsauf- »Es geht nicht nur Köpfen waren vorhanden. Es war also ein kurz- trophe bestimmt sind – so lautete ein Iran. Was lernen wir daraus? Hilfe, wand erfordern. Sie unterstützt fristiges Projekt: In weniger als zehn Jahren Aufruf der »Ärzte ohne Grenzen«. An- wenn sie wirklich helfen soll, muss ›einfach‹ um Programme zum Wiederaufbau stand Europa wieder auf eigenen Füßen. Das ist Kdere Hilfsorganisationen schlossen sich an. Zu- langfristig angelegt sein. Bei einer von Schulen in einem Distrikt Wiederaufbau, nicht vergleichbar mit der Aufgabe, den Ländern gleich gingen die Spenden für Afrika stark zurück, Dürrekatastrophe müssen Nah- oder einer Region und teilt dies sondern darum, der Dritten Welt zur Entwicklung zu verhelfen, wie das Welternährungsprogramm der UN be- rungsmittel bereitgestellt werden, den deutschen Spendern und etwas zu also etwas zu schaffen, was vorher nicht vorhan- klagte. Zwei Symptome für die gespaltene Wahr- damit die Menschen nicht verhun- Unterstützern mit. Zugleich muss den war. Der Tsunami mag zu dem Gedanken nehmung, die unser Verhältnis zu Not und Ar- gern, aber dann muss man daran- schaffen, was dafür gesorgt werden, dass nicht verleiten, es gehe um Wiederaufbau. Aber wer mut kennzeichnet. Auch die Regierungen, denen gehen, eine nachhaltige Landwirt- vorher nicht vor- nur der Bau dieser Schulen finan- glaubt, für nachhaltige Entwicklung aus der sonst die Armut in der Welt nur eine Fußnote ih- schaft zu fördern, Bewässerungs- ziert wird, sondern dass sie auch handen war.« Marshallplan-Initiative lernen zu können, der rer Politik wert ist, ließen sich durch den Tsu- systeme zu schaffen, Vorratslager künftig funktionieren können und irrt sich. Ähnliches gilt für die IFF, die von vorn- nami bewegen und machten Zusagen über große anzulegen. Nach einem Erdbeben über das notwendige Personal ver- herein auf zehn Jahre beschränkt ist und ihre Beträge. Kanzler Schröder versprach Anfang Ja- braucht man kurzfristig Zelte, Nahrungsmittel, fügen. Es muss um das Schulsystem des Landes Mittel auf dem Kapitalmarkt beschaffen muss. nuar 500 Millionen Euro – wann hat er jemals in Wasseraufbereitungsanlagen, aber dann muss gehen, nicht um die einzelne Schule. Und Schu- Ab 2015 sollen die Mittel zurückgezahlt werden: solchen Dimensionen und mit solcher konkre- man sicherstellen, dass die neuen Häuser erdbe- len beispielsweise müssen auch in Ländern aus den normalen Entwicklungshilfe-Mitteln der ten Entschlossenheit von Hilfe für andere Län- bensicher gebaut werden – und dafür braucht unterstützt werden, in denen nicht das Seebe- beteiligten Staaten. Als ob in zehn Jahren kein der gesprochen, in denen doch auch Menschen man beispielsweise eine funktionierende Bau- ben wütete, die aber ebenso arm sind. neues Geld mehr gebraucht würde! Die Entwick- sterben – an Hunger, an Krankheiten, täglich? aufsicht. Auch deren Aufbau kann sinnvolles lung der Dritten Welt ist eine Jahrhundert- Ziel eines Entwicklungsprojektes sein. Ein Marshallplan für arme Länder? aufgabe. Ändert der Tsunami die Politik? Wir lesen von zerstörten Schulen. 170 sind es Sinnvoll ist das Konzept globaler Steuern, auf in Sri Lanka, mehr als 1000 in Sumatra, viele Tatsächlich ist lange nicht soviel über Armut Devisentransaktionen, Kerosin, Waffenhandel Sicher: Unermessliches Leid ist über die von Hunderte kommen noch in anderen Ländern und nachhaltige Armutsbekämpfung geredet oder anderes. Sinnvoll ist alles, was langfristig ist. diesem Seebeben betroffenen Länder hereinge- dazu. Die müssen wieder aufgebaut werden. Das worden wie in den letzten zwei Jahren. Daran Wenn dieses Konzept endlich durchgesetzt wer- brochen. 300 000 Tote sind zu beklagen, und erfordert gewaltige Anstrengungen. Aber man mag Minister Fischer gedacht haben. Der Tsu- den könnte, wäre das ein wirklicher Fortschritt. diese Zahl muss man hochrechnen auf Millio- kann nicht einfach das wiederherstellen, was es nami hat diese Debatte nur hörbarer gemacht. Aber noch sind es nur wenige unter den interna- nen, deren Existenzgrundlage vernichtet wurde. vorher gab. Wenn in einigen Regionen die Die Finanzminister der G7-Staaten haben erör- tionalen Politikern, die das wirklich wollen. Hintergrund Welternährung 1/2005 | 13 Hunger ist teuer Die gezielte Bekämpfung von Hunger und FAO: Investitionen in die Hungerbekämpfung fördern Wirtschaftswachstum Unterernährung könnte Millionen Menschen- leben retten und entscheidend zu mehr Wirt- schaftswachstum in den armen Ländern bei- tragen. In ihrem Weltbericht zu Hunger und Unterernährung 2004 kritisiert die UN- Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, dass die internationale Gemeinschaft die extrem hohen Kosten von Hunger und Unterernährung ignoriere und den Hunger nicht entschieden genug bekämpfe.

Von Erwin Northoff

eltweit sind 852 Millionen Menschen chronisch unterer- nährt. Sie sind in ihrer körper- Wlichen und geistigen Entwicklung eingeschränkt, sind nicht voll leistungsfähig und wirtschaftlich aktiv. Jährlich sterben mehr als fünf Millionen Kinder an den Folgen von Hun- ger und Fehlernährung. Hunger und Unterernährung verursachen in © Shirley den Entwicklungsländern – abgesehen vom HUNGER menschlichen Leid – Einbußen beim Bruttosozi- Brotverkäuferinnen alprodukt von über 500 Milliarden Dollar, da in Tadschikistan. Zahl der Unterernährten 2000–2002 Kinder ihre volle Lebensarbeitsleistung nicht er- Eigentlich ist genug für Transformationsländer 28 (In Millionen) 9 Industrialierte Länder reichen. Verglichen damit kosten Programme alle da, denn weltweit Naher Osten /Nordafrika 39 zur Hungerbekämpfung wenig. Trotz beacht- könnte genug Nahrung Lateinamerika/Karibik 53 licher Erfolge in vielen Ländern hat es weltweit produziert werden. 221 Indien keinen entscheidenden Durchbruch bei der Be- Doch nicht jeder kann kämpfung des Hungers gegeben. Die Zahl der abends mit vollem Unterernährten ist nach neuesten Schätzungen Magen ins Bett gehen nahezu unverändert geblieben. Subsahara-Afrika 204 Zwischen 2000 und 2002 – so die aktuellsten Zahlen – waren 815 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern, 28 Millionen Menschen 142 China in den Transformationsstaaten des ehemaligen Den Bericht zu Hunger Ostblocks und neun Millionen Menschen in und Unterernährung 2004 Entwicklungsländer: 815 Millionen Menschen können Sie herunterladen den Industriestaaten chronisch unterernährt. Welt: 852 Millionen Menschen Asien/Pazifik 204 unter www.fao.org (Ohne China und Indien) Erwin Northoff ist Mitarbeiter der FAO in Rom (Stichwort »SOFI«) Quelle: FAO »Es gibt genügend Nahrung für alle«

die Kleinbauern, Zugangsrechte der Frauen zu dern nicht satt. Es geht vielmehr darum, ihre Ein Interview mit Hartwig de Haen, Wasser, Boden, Produktionsmitteln, Ausbil- Produktions- und Einkommenschancen zu ver- dung und außerlandwirtschaftliche Arbeits- bessern, damit sie sich entweder selbst besser Beigeordneter Generaldirektor der FAO plätze. Das hilft den Armen direkt und ver- ernähren können oder das Einkommen erwirt- langsamt zudem die Abwanderung in die ohne- schaften, um sich Nahrung kaufen zu können. © privat hin vielfach übervölkerten Städte. WE: Mit zunehmender Abwanderung in die Welternährung (WE): Warum gibt es ei- WE: Wer ist dafür verantwortlich, dass es WE: Was muss international geschehen? Städte werden in Zukunft viele Menschen gentlich immer noch Hunger? Hunger gibt? ihre Ernährungsgewohnheiten ändern. DE HAEN: Die Entwicklungszusammenarbeit DE HAEN: Es gibt auf der Welt genügend Nah- DE HAEN: Zuerst die Regierungen der betroffe- Welche Konsequenzen hat das? muss intensiviert werden. Und sie sollte wieder rung für alle, und das wird auch in Zukunft so nen Länder, die oft die falschen Prioritäten set- gezielter auf Landwirtschaft und ländliche Ge- DE HAEN: Wegen des Wachstums der Städte sein. Leider sind viele Menschen aber zu arm, zen, indem sie nicht für politische Stabilität, biete gerichtet werden. Leider sind in den ver- und der Globalisierung ändern sich die Kon- um sich Nahrungsmittel kaufen zu können, Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und sozi- gangenen 20 Jahren immer weniger Entwick- sumgewohnheiten. Die Menschen essen öfter oder sie haben keinen Zugang zu Wasser, Bo- ale Sicherung sorgen und den Armen und Hun- lungshilfegelder in die Landwirt- Fertiggerichte, die mehr Salz und den und zu landwirtschaftlichen Produktions- gernden nicht genügend Möglichkeiten zur Ent- schaft geflossen. Vor allem sollte Zucker und weniger Ballaststoffe mitteln, um selbst Nahrung erzeugen zu kön- wicklung ihrer Potenziale bieten. Aber auch die internationale Hilfe die diesbe- enthalten. Diese Produkte werden nen. Hunger ist ein gesamtwirtschaftliches Pro- Handelspartner der armen Länder, vor allem, züglichen eigene Anstrengungen inzwischen auch in den Entwick- blem. aber nicht nur in der OECD, deren Agrar- und der Entwicklungsländer ergänzen. lungsländern verstärkt in Super- Handelspolitik die eigene Agrarproduktion Hunger ist WE: Welche Länder haben es geschafft, die märkten verkauft. Ihr Konsum subventioniert und die Agrarpreise verzerrt, so- Der internationale Agrarhandel ein gesamt- Zahl der Hungernden zu verringern? führt – zusammen mit dem Rück- dass die Bauern in armen Ländern einem un- muss zudem fairer und offener ge- wirtschaftliches gang körperlicher Betätigung – DE HAEN: Die größten Fortschritte wurden in gleichen und unfairen Wettbewerb ausgesetzt staltet werden. Vor allem subven- Problem. nach Ansicht von Gesundheitsex- Asien erzielt, insbesondere in Ost- und Südost- sind. tionierter Zucker, aber auch Ge- perten zu einer Zunahme von asien. China hat die größten Erfolge, außerhalb treide- und Tierprodukte landen WE: Wie lässt sich der Hunger erfolgreich Übergewicht und chronischen Chinas sind es Länder wie Vietnam, Thailand, immer noch zu verbilligten Prei- bekämpfen? Krankheiten wie Diabetes und Ghana oder Mosambik, um nur die wichtigsten sen auf den Märkten der armen Herzerkrankungen. zu nennen. In diesen Ländern haben viele und DE HAEN: Bis zu 70 Prozent der Armen und Länder. Außerdem geht es um die weitere Öff- unterschiedliche Faktoren zum Erfolg beigetra- Hungernden leben in ländlichen Gebieten. Um nung der Märkte in den Industriestaaten für die Wenn dieser Entwicklung nicht Einhalt geboten gen. Gemeinsam aber war allen, dass sie die diese Menschen zu unterstützen, müssen politi- Produkte aus Entwicklungsländern. wird, kommt es bald zu einer doppelten Belas- landwirtschaftliche Produktion und Produkti- sche Reformen, Investitionen und Staatsausga- tung: Hunger und Unterernährung auf der ei- WE: Kann Konsumverzicht in den Industrie- vität gefördert, öffentliche Investitionen für ben mehr den Menschen in den ländlichen Ge- nen Seite und Überernährung auf der anderen staaten zur Hungerbekämpfung beitragen? Gesundheits- und Hungerbekämpfungspro- bieten zugute kommen. Unter Beteiligung der Seite. Diesen Trend müssen wir durch bessere gramme mobilisiert und für makroökonomi- Menschen und der ländlichen Gemeinden DE HAEN: Konsumverzicht in den Industrie- Ernährungsberatung und eine Änderung der sche und gesellschaftliche Stabilität (keine muss mehr in Infrastruktur investiert werden, staaten löst das Problem des Hungers nicht, da- Konsumgewohnheiten stoppen. Da kommt Kriege oder Bürgerkriege) gesorgt haben. in Agrarforschung, Produktivitätserhöhung für von werden die Menschen in den armen Län- eine riesengroße Aufgabe auf uns zu. 14 | Welternährung 1/2005 Aktionen & Berichte 1

Hamburg setzt Partnerschaft mit Welthungerhilfe fort 2005: Tsunami-Opfer in Sri Lanka erhalten Unterstützung

Eigentlich sollte die Partnerschaft zwischen Darboven, Siegfried Lenz und Loki Hamburg und der Deutschen Welthunger- Schmidt. Die DWHH-Vorsitzende Ingeborg hilfe offiziell am 24. Januar 2005 enden. Schäuble dankte den Spendern: »Ham- Nach einem Jahr enger Zusammenarbeit burg hat seinem Ruf als weltoffene Stadt zugunsten von drei Projekten in Mali, alle Ehre gemacht.« Sie fügte hinzu: »Die Indien und Kuba wäre die Staffel an die Zusammenarbeit geht weiter. Im Rahmen nächste Stadt weitergewandert. Doch dann der Aktion ›Hamburg hilft‹ wird die kam die Flutkatastrophe in Südostasien. Welthungerhilfe in Sri Lanka Wieder- © Staatliche Pressestelle Hansestadt Hamburg Sie schmiedete die »Partner für Wasser« aufbauhilfe nach dem Tsunami organisie- Großer Bahnhof im Hamburger Rathaus für Unterstützer und Paten der Partnerschaft noch einmal zusammen. ren.« mit der Welthungerhilfe. Auch 2005 wird die erfolgreiche Partnerschaft fortgesetzt. Über eine Million Euro haben die Gemeinsam mit der DWHH engagieren Hamburger der Deutschen Welthunger- sich acht Hilfsorganisationen, fünf Medien hilfe im Partnerschaftsjahr 2004 gespen- und der Hamburger Senat in dem Bündnis. det. Am 24. Januar gab es im Hamburger Mit den Spenden sollen zerstörte Dörfer, Rathaus einen Empfang für die Unter- Häfen und Schulen in den Küstenregionen stützer und Paten – darunter Albrecht wieder aufgebaut werden. 2

Leuchtende Farben, glitzernde Stoffe… Extravaganz das Material für die farbenprächtigen und extravaganten Welt- und Farbenpracht Gewänder stammt aus Indien, Mali und . WeltGewänder – ein internationales Modeprojekt

Ungewöhnlicher Auftakt für eine Welt- Mit dieser Modenschau am 9. Dezember hungerhilfe-Aktion: Models in farben- 2004 startete die Deutsche Welthunger- prächtigen Gewändern schreiten durch hilfe ihre internationale Aktion »WeltGe- die Indische Botschaft in . Über 300 wänder – Mode auf Reisen«, die in diesem Gäste, darunter die DWHH-Vorsitzende In- Jahr mit Hochschulen für Mode und geborg Schäuble, applaudieren den Design aus Indien und Deutschland fort- außergewöhnlichen Kreationen, entwor- gesetzt wird. Oswald Boateng gehört der fen von Modestudenten renommierter internationalen Jury an, die auf der 1. Inter- deutscher Mode- und Designschulen. Ein- nationalen WeltGewänder-Modenschau im geladen hat Botschafter T.C.A. Ranga- November 2005 in Berlin die Sieger- chari. Die Stoffe stammen aus drei Projekt- modelle prämieren wird.

© Ludwig ländern der Deutschen Welthungerhilfe: Weitere Infos: Aktion WeltGewänder, Indien, Mali und Peru. Begeistert ist auch Dr. Regina Köthe, Tel: (030) 28 87 49 13, Stardesigner Oswald Boateng: »Das ist Fax: (030) 28 87 49 19, wirklich fantastisch, was hier zu sehen ist.« [email protected]

3 Waffeln vom Präsidenten persönlich Benefiz und Prominenz auf der Grünen Woche

Das ließ sich der Bundespräsident nicht Gmelin, Vorsitzende des Ausschusses für nehmen: Waffeln zu backen. Am 26. Ja- Verbraucherschutz, Ernährung und Land- nuar rührte Horst Köhler auf der »Grünen wirtschaft und ehemalige Bundesjustizmi- Woche« in Berlin gemeinsam mit anderen nisterin, griffen zum Waffeleisen. Initiato- Politikern und Prominenten für die Welt- ren des Benefiz-Events waren der Deut- hungerhilfe im Waffelteig. Das brachte sche Bauernverband und der Deutsche 1.860 Euro für Wiederaufbauprojekte in Landfrauenverband. Der überreichte In- Nord-Sumatra und Indien ein. geborg Schäuble außerdem 15 000 Euro Weitere prominente Waffelbäcker Spenden für den Wiederaufbau in Süd- waren Peter Hahne vom ZDF, Michael asien. Preetz von Hertha BSC, Horst Milde, Orga- Tags zuvor hatten außerdem Europas nisator des Berlin-Marathon, Starkoch Miniköche unter dem Motto »Die Welt Hans-Peter Wodarz von »Pomp Duck and trifft sich auf dem Erlebnisbauernhof« für Circumstance« sowie Natalie Alison und Botschafter aus aller Welt gekocht – eine Wolfgang Bahro, Schauspieler der RTL- Gemeinschaftsaktion von Welthunger- © Ludwig Serie GZSZ. Auch die beiden General- hilfe, Deutschem Bauernverband und der Prominenter Waffelbäcker: Bundespräsident Horst Köhler am sekretäre Klaus-Uwe Benneter (SPD) und Fördergemeinschaft Nachhaltige Land- Welthungerhilfe-Stand auf der Grünen Woche in Berlin. Helmut Born (DBV) und Herta Däubler- wirtschaft. Medien & Informationen Welternährung 1/2005 | 15

NEUE INFO-MATERIALIEN

Filme, Ausstellungen, Publikationen Soeben erschienen: die aktuelle Übersicht über sämt- liche Publikationen, Videos und DVDs sowie Ausstel- lungen der Welthungerhilfe für Bildungsarbeit, Schule und zu Ihrer Information. Kurzbeschreibun- gen in der kostenlosen Materialmappe 2005 infor-

© privat mieren über Inhalt, Zielgruppe und möglichen Ein- Die Kinder der Victoriaschule in Kronberg präsentieren den Scheck, den sie erlaufen haben. satz der Materialien. Afrika total normal Wie leben eigentlich Jugendliche in Westafrika? Ant- »Kilometergeld« wort gibt unsere soeben aktualisierte Wandzeitung »Afrika total normal« und das dazugehörige Materialheft. Jugendliche aus Burkina Faso und Mali, für Flutopfer ihr Alltag, ihre Hobbys, Träume und Sorgen werden in vielen Fotos und Texten lebendig. Die Wandzei- 180 Schülerinnen und Schüler der Victoria- und Freunden darum geworben, ihren tung mit vielen Anregungen und Hintergrundinfor- schule im hessischen Kronberg wurden Lauf finanziell zu sponsern. Mit Erfolg! mationen ist einzeln (freiwillige Schutzgebühr: 1,50 nach der Flutwelle in Asien kurzerhand Nach 11 805 Hallenrunden hatten sich die Euro) oder im Set mit einem Materialheft (5 Euro) zu aktiv. Am 17. Januar organisierten sie ei- Kinder 12 360 Euro quasi als »Kilometer- beziehen. Beides ist für den Unterricht ab Sekundar- nen »LebensLauf« in der Turnhalle ihrer geld« erlaufen. Mit diesem Geld baut die stufe I und auch für die Jugendarbeit geeignet. Schule. Tage vorher schon hatten die Erst- Welthungerhilfe jetzt zerstörte Schulen in bis Viertklässler bei Familienangehörigen Sri Lanka wieder auf. Überleben: Frauensache Unter dem Motto »Über- leben: Frauensache« stellt die Welthungerhilfe seit Neue »WeltGeschichten« 2003 den Alltag von Frauen im Krieg – ob Ge- waltopfer, Überlebens- Die Welthungerhilfe fördert nicht nur Pro- Ndiaye (Senegal), Isabel Lipthay (Chile), kämpferinnen oder Frie- jekte in Entwicklungsländern, sondern Teresa Ruiz Rosas (Peru), Maria Nancy densaktivistinnen – in den auch den Dialog zwischen verschiedenen Sánchez Pérez (Bolivien) und Manfred Mittelpunkt der Öffent- Kulturen. Wir vermitteln Ihnen Künstlerin- Sestendrup. lichkeitsarbeit. Kostenlos nen und Künstler aus unseren Partnerlän- Außerdem neu in unserem Programm: die erhalten Sie die Broschüre zum Thema mit dern, die Sie zu einer Veranstaltung einla- WeltGeschichten-Bücherliste 2005/2006 Lebensgeschichten aus verschiedenen Kontinenten. den können. Oder wie wäre es, wenn Sie mit aktueller Literatur aus drei Kontinen- Außerdem können Sie einen Kurzfilm ausleihen. Neu: eine Ausstellung mit Buchtiteln von Auto- ten, das WeltGeschichten-Leseheft 2005/ ein Poster und eine Postkarte von der bekannten rinnen und Autoren aus Afrika, Asien und 2006 mit Texten unseres im Juni verstor- Comiczeichnerin Isabel Kreitz (siehe Abbildung). Lateinamerika organisieren? benen indischen Kulturbotschafters Pronab Mazumdar und ein Faltblatt zur Alle Materialien können Sie unter (02 28) 22 88134 Neues Faltblatt Organisation einer Bücherausstellung. oder [email protected] bestellen In unserem neuen Faltblatt stellen wir Ih- nen – neben bekannten Gesichtern – neue Informationen unter (0228)22 88 215 oder Künstlerinnen und Künstler vor: Patrick [email protected] Addai (Ghana), Esther Andradi (Argenti- nien), Jean-Félix Belinga-Belinga (Kame- run), Zé do Rock (Brasilien), Ibrahima IMPRESSUM

Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e.V., Friedrich-Ebert-Str. 1, 53173 Bonn Redaktion: Marion Aberle (verantwortlich), Dr. Iris Schöninger, Reinold E. Thiel (ständiger Mitarbeiter), Wolfgang Wagener (Media Company Berlin GmbH), Telefon (02 28) 22 88 -128, Telefax (02 28) 22 88 333 Internet: www.welthungerhilfe.de, E-Mail: [email protected] Nachrichtendienste: IPS, FAO, Layout: MediaCompany Berlin GmbH, Büro Bonn / Juan González, Gestaltungs-Konzept: Querformat Design, Hamburg / Aline Hoffbauer, Ingrid Nündel, Druck: Joh. Heider Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Die Welternährung erscheint vierteljährlich. Die Herausgabe der Zeitung wird aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft unterstützt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Nachdruck erwünscht mit Quellenangaben und Belegexemplar.

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Straße Nach dem Tsunami gibt es ein enormes eine Loseblattsammlung mit Unterrichts- Interesse von Kindern und Jugendlichen und Aktionsvorschlägen sowie ausführ- an den betroffenen Länder und den lichen Informationen zur Flutkatastrophe PLZ, Ort Hintergründen der Katastrophe. In Koope- in Südostasien. ration mit logo!, den Nachrichten für Kin- Sie ist gegen eine freiwillige Schutzgebühr E-Mail: der im ZDF, und dem Ki.KA hat die Welt- von 1,50 Euro zu bestellen unter (0228) hungerhilfe eine Materialmappe erstellt: 22 88-134 oder [email protected] Deutsche Welthungerhilfe e.V. Redaktion »Welternährung« Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn Telefon (02 28) 22 88-134, Telefax (02 28) 22 07-10 E-Mail: [email protected] 16 | Welternährung 1/2005 Unterhaltung

Neulich in… Banda Aceh Reisen Wie viele Länder und Regionen sind im folgenden Text versteckt? (Manche Schreibfehler sind beabsichtigt.) Von Willi Germund Der Gebäudereiniger Ian Miller aus Aberdeen in Schottland plante eine m Dorf von Mirzans Großvater haben sich Reise mit seiner Freundin Dominica aus Jamaica. Indonesiens Militärs und die »Bewegung Er wollte im Nordwestland von Australien Ballonfahren üben. Freies Aceh« (GAM) gerade eine heftige Schießerei geliefert. Sein jüngerer Bruder Der Schilehrer Anton gab ihm einen Tipp: Er war einmal in der Mongolei Iwurde durch die verheerende Flutwelle vom 26. gewesen und fand das super und flog bis in den Kaukasus. Aber es war der Dezember nach nur drei Monaten Ehe zum Wit- Arme nie nach Tschetschenien gekommen. Er meinte zusammenfassend: »It’s wer. Doch der Kopf des 31-jährigen Mirzan cheaper to go with Panamarican Airlines in die neuen EU-Mitgliedsländer.« schwebt über den Wolken. Selbst wenn er sein Moped auf über 60 Stundenkilometer hoch- Vitali entkam bei einem Übungsflug in der Karibik mit einer EX-Monarchin dreht und das Gesicht mit einem Halstuch ge- gen den Staub schützt, will dem jungen, schlak- aus Bulgarien an Bord nur knapp dem Hurracan Adam. sigen Mann inmitten der Trümmerfelder von Ian erzählt: »Ich rief ihn an und dann kam er und gab uns wichtige Infos. Banda Aceh seine Freundin nicht aus dem Kopf Er warnte uns vor der Malawia, deren Inkubationszeit nur drei Tage beträgt. gehen. »Ich möchte genug Geld sparen, um sie Er meinte ›ich muss mal tanken‹ und dann trank er mit Ramona Coca-Cola zu heiraten«, sagt er. mit Rum.« Noch immer mögen 2500 freiwillige Helfer des indonesischen Roten Kreuzes Tote bergen. Mit Vitali, dem Diakon, gondelten sie dem Nordpol entgegen – unter sich Mirzan zählt lieber seine Rupiahs. »Ich muss ödes Eisland. Einmal flogen sie genau rund um einen Geysir an der Küste ne- Ziegen für den Vater meiner Freundin kaufen.« ben Inseln aus Eis. Über Grönland glaubten sie, eine Palme zu sehen. Einmal Das kann zwischen vier und zwölf Millionen begann der Ballon zu schwanken. Ian warf die eisernen Girlanden ab. © Germund Rupiah ( ca. 340 bis 1000 Euro) kosten – und Heirat oder Rendite?: trotzdem nicht reichen. »Ein paar Mal haben Vä- Ramona bekam Hunger und meuterte: »Ich will etwas essen, egal wo, und Mirzan mit dem Moped ist unschlüssig. ter schon abgelehnt«, erzählt Mirzan besorgt. wenn es in seinem Sud angebranntes Robbenfleisch ist.« Sie wurden sich Der junge Mann voller Ideen galt besorgten El- Banda Acehs Fischer suchen Kredite für Eis, einig erst nach zwei Tagen und landeten in Norwegen, wo sie bei Vitalis tern als unsicherer Kantonist. »Sie wollen lieber Netze und Diesel, damit sie wieder auf Fang- Oma Nudeltopf mit pakistanischem Renfrikassee assen. jemand, der eine Stelle im Staatsdienst hat«, fahrt gehen können. 7,5 Millionen Rupiah (630

meint er, »wegen der Pension.« Das alles hält Euro), so hat der kleine Bruder ausgerechnet,

ihn nicht davon ab, weiter auf ein Happy End brauchen die Geschwister, um einen Fischer Pakistan Oman, Norwegen, Niger, Sudan, Senegal, Irland, Kenia, Nepal, Grönland,

zu hoffen. auszustatten. »Ich muss überlegen«, sagt Mirzan, Benin, Iran, Nauru, Island, Polen, Kongo, Monaco, Malta, Kuba, Malawi, Gabun, Kamerun, »mein Bruder glaubt, wir können pro Woche bis , Bulgarien, China, Karibik, Italien, EU-Mitglieder), (neue 10 Indien, ,

»Ich habe mit meiner Freundin noch nicht

zu zehn Prozent Profit machen.« Liebe in Zeiten Togo, Tschetschenien, Armenien, Kaukasus, Peru, Mongolei, Mali, Tonga, Chile, Australien, über Heirat gesprochen«, gesteht Mirzan, der 15 Estland, Jamaica, Dominica, Schottland, USA, Nigeria, Reihenfolge: der in Nämlich der Tsunami-Verwüstung kann auch wegen In-

Jahre in Java gelebt hat und erst vor fünf Mona- vestitionschancen scheitern. 55 Lösung: ten wieder in seine Heimat zurückgekehrt ist. Vielleicht überlegt er es sich noch anders. Denn Willi Germund ist Korrespondent in Bangkok. © Kreiz