Fundgrube Vergangenheit

Pionierarbeit Die Physikochemikerin Erika Cremer revolutionierte Ende der 40er Jahre mit ihrem Dissertanten Fritz Prior die Gaschromatografie. Was damals nicht beachtet wurde, heute aber weltweit anerkannt ist.

en Dr. habil. geben wir Ihnen, eine Dozentur bekommen Sie nie“, meinte der Dekan der ma- thematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät anD der Universität Berlin im Jahr 1939 zu Erika Cre­mer­. Er sollte sich täuschen. Schon ein Jahr später war die Phy- sikochemikerin Dozentin an der Universität . Ihre Karriere war bis dahin schon beachtlich, immerhin studierte sie bei den Nobelpreisträgern , und , arbeitete mit und zusammen, erlebte aber auch die Schat- tenseiten des wissenschaftlichen Arbeitens. Nach ihrer Dissertation im Jahr 1927 tingelte sie in Deutschland von einer Post-Doc-Stelle zur anderen, nach der Machtüber- nahme der Nationalsozialisten musste sie miterleben, Erika Cremer wie die Crème de la crème der deutschen Wissenschaft und viele ihrer Arbeitskollegen emigrieren mussten. Geboren am 20. Mai 1900 in München, studiert die nobelpreiswürdig Tochter des Physiologiepro- 1940 kann die Uni Innsbruck in der physikalischen Che- fessors Max Cremer ab mie noch auf keine lange Tradition aufbauen. Karl Hopf- 1921 in Berlin und dissertiert gartner war 1904 zum ersten für pharmazeu- 1927 über „Die Reaktion von tische und physikalische Chemie berufen worden, 1939 Chlor, Wasserstoff und Sau- wurde eine eigene Lehrkanzel für physikalische Chemie erstoff im Licht“. 1937 und eingerichtet. Nach dem Krieg fehlt es an allen Ecken und 1938 arbeitet Erika Cremer Enden. Cremer betreut ihre Studenten aber intensiv wei- am Berliner Kaiser-Wilhelm- ter. Einer davon ist Fritz Prior. Dieser will neben seiner Institut in der Arbeitsgruppe Lehrertätigkeit dissertieren. Cremer beschäftigte sich Otto Hahns während der schon seit einiger Zeit mit der Möglichkeit, durch ein Entdeckung der Kernspal- Adsorptionsverfahren kleine Mengen von Acetylen und tung. Nach ihrer Habilitation Ethylen zu trennen. Sie hatte auch ein Konzept einer gas- 1939 nimmt sie ein Jahr chromatografischen Apparatur, also zur Trennung von später eine Dozentur an der Gasen, entworfen, eine Realisierung wurde allerdings Uni Innsbruck an, 1948 wird von der Fachliteratur angezweifelt. 1945 schlägt Cremer sie zur außerordentlichen Pro- Prior dieses Thema vor, zwei Jahre später gibt er seine fessorin ernannt, 1951 wird Dissertation ab. Aufbauend auf Cremers Theorie gelingt sie Vorstand des Physikalisch- ihm der entscheidende Schritt in der Gaschromatogra- Chemischen Instituts. 1959 fie. Doch die Bedingungen in Innsbruck sind ungünstig. stößt Cremer in eine absolute Die Arbeit wird erst 1951 publiziert, noch dazu nur auf Männerdomäne vor und Auf dem Gebiet der Gaschromatografie Deutsch, was ihr international zu wenig Beachtung ein- wird die erste Ordentliche gelang Erika Cremer von 1946 bis 1947 bringt. 1952 erhalten und Richard Sygne Professorin an der Leopold- gemeinsam mit ihrem Schüler, dem späteren den Chemie-Nobelpreis für die Papierchromatografie, in Franzens-Universität. Die Tiroler Kulturlandesrat Fritz Prior (1921– diesem Jahr veröffentlicht Martin erst seinen ersten Auf- mehrfach ausgezeichnete 1996), eine Pionierarbeit. Die Arbeit von satz zur Gaschromatografie. Heute gilt die Arbeit von Cremer emeritiert im Jahr Cremer und Prior wird allerdings nur auf Cremer und Prior als wichtige Grundlage der Gaschro- 1970 und stirbt am 21. Sep- Deutsch und erst 1951 publiziert. matografie – und als nobelpreiswürdig. ah tember 1996 in Innsbruck.

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