8. Februar 2019 Alain Altinoglu … Dies Apokalyptische Umschlagen in Der So Enthusiastisch Begonnenen Humanen Entwicklung Des 20
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8. Februar 2019 Alain Altinoglu … dies apokalyptische Umschlagen in der so enthusiastisch begonnenen humanen Entwicklung des 20. Jahrhunderts – … er hörte und sah die herannahenden, riesigen, in der Geschichte noch nie dagewesenen Menschheitsvernichtungen nicht – oder wollte besser nichts sehen … Dieses Nichtzulassen der „surrealistischen“ Schreckenswirklichkeit, dieses Sich-nicht-Beugen, dieses Sich-nicht-Gestatten von Tränen, dieses Nichteingehen auf Beschimpfungen – das schien Rettung zu sein. Doch diese Rettung war leider nur Illusion – der noch wichtigere, der unsichtbare, der wesentlichste Teil dieser sportlich- geschäftsmännischen Persönlichkeit Prokofjew verdrängte das Unüberwundene so tief, dass es ihn nicht mehr losließ und mit 61 Jahren in den Tod riss. … Er gehörte zu denen, die bei allen schrecklichen Umständen ihre menschliche Würde bewahrten und den scheinbar allmächtigen Alltagssituationen nicht die Oberhand ließen. Er leistete einen stillen, aber umso zäheren Widerstand. Alfred Schnittke über Sergei Prokofjew, 1990 4 PROGRAMM 5 Fr 8. Februar 19 20 Uhr Konzerthaus Berlin RSB Konzerthaus-Abo Gold RSB Abo Goldene Mischung Alain Altinoglu Ludwig van Beethoven Sergei Prokofjew Emmanuel Pahud / Flöte (1770 – 1827) (1891 – 1853) Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Ouvertüre zu Heinrich Joseph Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100 von Collins Trauerspiel „Coriolan“ › Andante c-Moll op. 62 › Allegro marcato 18.45 Uhr, Werner-Otto-Saal › Allegro con brio › Adagio Einführung von Steffen Georgi › Allegro giocoso Matthias Pintscher (geb. 1971) „Transir“ für Flöte und Kammerorchester Pause rlic tü h a n Konzert mit und Live-Übertragung. Europaweit. In Berlin auf 89,6 MHz; Kabel 97,55; Digitalradio (DAB); Satellit; online und per App. Wir bitten um etwas Geduld zu Beginn der beiden Konzerthälften. Es kommt zu kleinen Verzögerungen wegen der Abstimmung mit den Radioprogrammen. 6 Steffen Georgi Stolz und starr Am Ende stürzt er sich ins Ludwig van Beethoven eigene Schwert: Gaius Marcius „Coriolan“-Ouvertüre c-Moll Coriolanus, römischer Feldherr op. 62 des frühen 5. Jahrhunderts vor Christus. Plutarch berichtete im Besetzung 1. Jahrhundert nach Christus von 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, ihm, Shakespeare (1607) und 2 Fagotte, 2 Hörner, Brecht (1952/53) setzten sich mit 2 Trompeten, Pauken, Streicher seinem Schicksal auseinander. Dazwischen verdichtete der k.u.k. Dauer Hofsekretär Heinrich Joseph von ca. 9 Minuten Collin (1771–1811) das Leben des Coriolanus zu einem fünfaktigen Verlag Trauerspiel, das 1802 am Wiener Breitkopf & Härtel Burgtheater uraufgeführt wurde Wiesbaden, Leipzig und fünf Jahre lang im Repertoire blieb. Ein mit Collin gut bekannter, Entstanden ortsansässiger Musiker kompo- 1807 nierte 1807 eine reichlich ver- spätete Ouvertüre dazu. Uraufführung So könnte eine missglückte März 1807 Zusammenarbeit – man plante Wien immer wieder gemeinsame Opern- oder Oratorienprojekte, aus denen nichts wurde – zu einer Marginalie der Musikgeschichte verplätschern, wenn, ja wenn es sich bei der Ouvertüre nicht um ein Meisterwerk von Ludwig van Beethoven gehandelt hätte. Ludwig van Beethoven 8 BEETHOVEN – „CORIOLAN“-OUVERTÜRE 9 „Coriolan“-Ouvertüre von allen elf Zerrissen zwischen dem brennen- angetrieben wird. Zusehends RSB-Aufführungen seit 1945 Ouvertüren Beethovens die erste, den Wunsch nach Vergeltung und gewinnt das Seitenthema an 31. Dezember 1954, welche der Symbiose mit dem einer leidenschaftlichen Vater- Bedeutung: Mit ihm erst findet die Hermann Abendroth Theater nicht länger bedurfte und landsliebe, wählt der Verzweifelte Reprise in harmonisch „richtige“ 14. Januar 1963, ein Eigenleben als selbständige den Freitod, nachdem er den Bahnen. Und das Seitenthema ist György Lehel Konzertouvertüre führen konnte – Friedensschluss herbeigeführt es, das nach dem krachenden Zu- 8. März 1970, Juri Alijew ein nicht hoch genug zu schätzen- hat – „Ich hasse jedes Menschen- sammenbruch auf einen einsamen 18. März 1982, Heinz Rögner, der Auftakt für die Herausbildung antlitz, bin mir selbst ein Rätsel.“ Hornruf antwortet – auf das Bitten Funkhaus Nalepastraße der sogenannten Programmmusik Beethoven mochte sich durch von Mutter und Gattin. Der Held (Aufnahme) im 19. Jahrhundert. Das binnen den tragischen Konflikt zwischen zieht die harte Konsequenz: Nicht 28. Oktober 1992, Jan Krenz zwei Monaten komponierte Werk Utopie und Enttäuschung, zwi- Rom, sondern Coriolan fällt. 22. Oktober – 1. November 1999, avancierte zu einem der gelun- schen individuellem Willen und Karl Anton Rickenbacher (Berlin, gensten Beispiele für Beethovens gesellschaftlichen Konventionen Bern, Lausanne, Zürich, Genf, stupende Fähigkeit, Musik zu persönlich berührt gefühlt haben, St. Gallen, Schaffhausen, Olten, dramatisieren, in dem Fall das galt er doch selber nicht weni- La Chaux-de-Fonds) Schauspiel in die Welt der Töne gen seiner Zeitgenossen als ein 28. September – 17. Oktober hineinzuholen, ohne es nachzu- stolzer, ja menschenfeindlicher 2000, Rafael Frühbeck de Burgos erzählen. Sonderling, dem man die humani- (Taiwan, Tottori, Tokio, Kyushu) tären Ideale, die ihn leiteten, nicht 20. November 2002, Theater ohne Text unbedingt auf den ersten Blick Michael Sanderling ansah. 14. November – 1. Dezember Coriolan, dem einstmals gefeier- Es ist nur logisch, dass der Kom- 2003, Marek Janowski ten Feldherrn wird – so ist dem ponist den römischen Feldherrn, (Yokohama, Kakamigahara, Kyoto) eröffnenden Gespräch zwischen einen „Fremdling auf der Erde“ 24./25. April 2014, seiner Mutter und seiner Frau zu (Collin), innerhalb der als Sona- Marek Janowski entnehmen – vorgeworfen, sein tensatz angelegten Ouvertüre in politisches Amt einseitig zum seiner ganzen tragischen Ambiva- Vorteil einer Elite und gegen das lenz beleuchtet. Das heldenhaft Volk benutzt zu haben. Auf die Unbeugsame spricht aus dem Möglicherweise haben strategi- Verbannung reagiert das gekränk- unruhig pulsierenden, von Gene- sche Überlegungen eine Rolle te Ego des Helden so stolz wie ralpausen und Tuttischlägen zer- gespielt (Beethoven bewarb sich – uneinsichtig. Grimmig sinnt er furchten Hauptthema. Der zutiefst vergeblich – um die Stelle eines auf Rache und verbündet sich mit menschliche Zug Coriolans aber Hoftheaterkomponisten), als er den Feinden Roms. Das Schicksal klingt als fast verschütteter, zarter sich Anfang 1807 entschloss, scheint ihm günstig gewogen. Es-Dur-Kern im Seitenthema an. für das schon etwas in die Jahre Siegessicher erreicht er die Tore Beide Themen ringen in der seuf- gekommene Trauerspiel von seiner Heimatstadt, wird dort aber zerreichen Durchführung mitein- Collin eine Ouvertüre zu kompo- von Freunden und Familie dazu ander, während das tönende Rad nieren. Jedenfalls war die noch bewogen, Rom und damit sein des Schicksals von den Streichern für das Schauspiel konzipierte eigenes Gewissen zu schonen. in starrer, eigensinniger Bewegung 10 Atmende Traumgesichte Am Anfang weiß man beim Hören Matthias Pintscher manchmal gar nicht, wo sie „Transir“ herkommen. Die Geräusche, aus für Flöte und Kammerorchester denen sich Matthias Pintschers Komposition „Transir“ heraus- Besetzung schält, scheinen aus dem Nichts 2 Flöten (2. auch Piccolo), aufzutauchen. Einzelne, ver- 2 Oboen, 2 Klarinetten (2. auch sprengte Laute weben allmählich Bassklarinette), 2 Fagotte einen traumartigen Klangraum, (2. auch Kontrafagott), 2 Hörner, in welchem die Flöte, das Solo- 2 Trompeten, 1 Posaune, instrument, zu leben beginnt. Schlagzeug, Harfe, Streicher Viele Werke von Matthias Pint- scher „thematisieren Mythen Dauer von Schöpfung und Zerstörung, ca. 20 Minuten Entstehen und Auslöschung“ (Marie Luise Maintz). In „Transir“ Verlag ist es die Flöte, die gleichsam Bärenreiter eine Innenschau der Seele Kassel u. a. zelebriert, indem sie sich nach und nach mit allen Laut- und Entstehung Geräuschäußerungen hören lässt, 2005 – 2006 die in Wechselwirkung eines versierten Instrumentalisten Uraufführung mit diesem Instrument möglich 13. August 2006, Luzern sind. Von rauen, kehligen Lauten Emmanuel Pahud, Flöte; über zartes Flüstern, flatterndes Mahler Chamber Orchestra; Hauchen, wellenartiges Singen, Daniel Harding, Dirigent ruhiges Pulsieren und Überblasen mit Stimme bis hin zu stechen- dem Pfeifen ist alles möglich. Matthias Pintscher 12 PINTSCHER – „TRANSIR“ 13 An keiner Stelle wird verhohlen, Orchester mehrfach in einen len Projekten ebneten. Die Oper kian Orchestra, dem Finnischen dass Flötespielen mit Atmen Dialog, nachdem sie vorher mehr „Thomas Chatterton“ kam 1998 Rundfunk-Sinfonieorchester, zu tun hat. Ähnlich wie die oder weniger gemeinsam agiert an der Semperoper in Dresden dem Rundfunk-Sinfonieorchester Trompete, die Matthias Pintscher haben. Ein Abschnitt ist nur dem heraus, „L’espace dernier“ folgte Berlin, dem Mahler Chamber einige Jahre später auslotet, Orchester vorbehalten, Laut- 2004 an der Opéra National de Orchestra (Beethovens 9. Sin- erfährt die Flöte hier über weite stärke, Tondichte und Vielstim- Paris. 2002 war er Composer fonie), dem Saint Paul Chamber Strecken die elementarste Form migkeit nehmen plötzlich zu, die in Residence beim Cleveland Orchestra und dem Orchestre der Klangwerdung als hörbares, Erregungskurve steigt – die Flöte Orchestra, danach im Konzert- de la Suisse Romande. Zudem tonhöhenrelevantes, extrem schweigt. Dann „antwortet“ die haus Dortmund, beim Lucerne debütierte Matthias Pintscher geräuschdifferenziertes Atmen. Flöte mit einer deeskalierenden Festival, beim Radio-Sympho- beim Königlichen Concertgebouw- „Trompete assoziieren wir sofort Kadenz, die von wenigen Tönen nie-Orchestra