2 | 14 2 Vorwort Aktivitäten 3 Liebe Vereinsmitglieder, Tage der Archive liebe Leserinnen und Leser,

Schwerpunkthema in dieser Ausgabe uch in diesem Jahr veranstaltete der In unserer Vitrine sind die Hirschfeld-Tage NRW 2014, ein- Arbeitskreis Kölner Archive (AKA) zeigten wir Bei- mal die LBGTQ-Konferenz in der Uni- denA Tag der Archive: Nach dem Einsturz spiele von unserer versität (S. 6) und die szenische Lesung des Stadtarchivs ist die Sorge um die Arbeit an der Ge- im NS-Dokumentationszentrum, die das Archive und Öffentlichkeitsarbeit für schichte schwuler Leben von Schwulen und Lesben der Archive nötiger denn je. In Zusammen- Kneipen in Köln – Seite 40er bis 60er Jahre in O-Tönen anschau- arbeit mit dem Schauspiel Köln war das Bilder, Buchseiten, lich machen sollte (S. 4). Der zweite Teil Carlswerk in Köln-Mülheim als Ort der Kurztexte. Damit hatten wir auch eine Aktivitäten 3 unserer Serie über die Rosa Listen be- Veranstaltung ausgewählt worden. Dort- Verbindung zum Thema Frauen: Trude Erinnerung 9 handelt den Fall Gerd Blömer (S. 12). Ein hin, in Gebäude der längst ausgezoge- Herr in der Bar „Barberina“ ist ja nur ein für die gay Community Kölns wichtiges nen Drahtfabrik Felten & Guilleaume, Beispiel für viele Frauen, die als Besitze- Gedenktage 16 Ereignis ist die Benennung eines Platzes ist das Theater umgezogen, solange das rinnen, Wirtinnen oder in anderen Funk- Buchvorstellung 19 in Bahnhofsnähe nach dem schwulen eigene Gebäude am Offenbachplatz re- tionen in der schwulen Kneipenszene Schriftsteller Felix Rexhausen (S. 9). Der noviert wird. AKA und Schauspiel Köln tätig waren und sind. Und viele Zeitzeu- Termine 20 offizielle Tauf-Akt findet wahrscheinlich versprachen sich Synergie-Effekte durch gen wissen zu berichten, dass diese Frau- im Juni statt, Infos über den genauen Ter- die Zusammenarbeit – Kulturinteressier- en anerkannt und geschätzt waren. min rechtzeitig auf der Homepage und te an der einen oder anderen Institution der Facebook-Seite des CSG. Wie in den würden kommen, sich umschauen, sich Andere Stände waren der Geschichte Jahren zuvor war das CSG beim „Tag der informieren lassen. des Carlswerks gewidmet, der Initiative Titel: Archive“ mit neuem Standkonzept und Flughafenmuseum Köln-Butzweilerhof, Flugblatt von 1979: Freispruch für Gerd Öffentlichkeits-Design erfolgreich -ver Das Theater hatte einige Lesungen für dem Frauengeschichtsverein, dem Mu- Blömer; Herausgeber: glf – Köln e.V. (Gay Liberation Front) und Schwule Aktion Köln treten (S. 3). diesen Tag organisiert, der AKA stell- sikarchiv Köln und dem Archiv des Erz- In diesem Jahr hat das CSG sein 30-jäh- te sich und seine Mitglieder vor. Der bistums, das übrigens wieder unmittel- riges Vereinsjubiläum: Für uns ist das 8. März, der Internationale Frauentag, barer Nachbar unseres Standes war. Impressum: Herausforderung und Ansporn, unsere gab gewissermaßen automatisch das In den Reihen 16 Arbeit zu verbessern und das Ergebnis Thema „Frauen“ vor, in mehreren Dis- Samstag, der 8. März, war der erste wirk- 51103 Köln einem noch breiteren Publikum zugäng- kussionen in der Vorbereitungsphase lich warme Frühlingstag – deshalb war Postfach 270308 lich zu machen. kam es dann zum Zweitthema „ÜBER. der Besuch etwas geringer als erwartet, 50509 Köln Wir würden uns über ein Feedback zu Arbeiten“. auch weil die Organisatoren im Vorhi- Fon: 0221/98558348 Mobil: 0176/68862443 Inhalt und Design des HIStory freuen – nein an Werbung gespart hatten. Das Mail: [email protected] Mail an [email protected]. Unter all den Ständen der Mitgliedsar- Medienecho war aber gut, nicht nur der www.csgkoeln.org chive und -sammlungen des AKA waren Stadt-Anzeiger berichtete anschließend. Redaktion: Herbert Potthoff Viel Spaß beim Lesen! wir wohl der auffallendste, die Vertreter So konnte das CSG mit seinem Auftritt von Print- und Funkmedien zeigten das außerordentlich zufrieden sein – und Grafik: Holger Willms Holger Wilms mit ihrem Verhalten: Zum Einstieg ein kann beim nächsten Mal hoffentlich mit Beiträger: Axel Bach, Für den Vorstand des CSG Willi Kutsch, Eindruck vom CSG-Stand. Unsere Roll- größeren Zuspruch des Publikums rech- Herbert Potthoff, Ups, die Vitrine mit der Info-Fläche da- nen. Ein Besuch unseres Standes wird Friedrich Schregel, Martin Sölle, vor – so geschickt hatte niemand seinen sich lohnen.

Marcus Velke Foto: Holger Willms Stand zu nutzen gewusst. Friedrich Schregel 4 Aktivitäten 5 Schwule und Lesben nach 1945 Eine notwenige Erinnerung v.l.n.r. Marcus Velke (CSG), Birgit (Biggi) Wanninger, Christian Schüler, Irene Franken, Klaus Nierhoff

m Rahmen der Hirschfeld-Tage 2014 schen Aktivitäten darum, die Erinne- Sie machen klar, dass homosexuelles Daraufhin hab ich also diese Frau ein- fand im Kölner NS-Dokumentations- rung an eine noch gar nicht so lang zu- Leben in den 50er und 60er Jahren nicht geladen, um mit ihr darüber zu spre- zentrumI am Appellhofplatz eine sze- rück liegende Zeit und ihre Menschen nur durch Einschränkung und Diskrimi- chen. Es gab eine kurze und heftige nische Lesung statt, die das Leben von wach zu halten, eine Zeit, in der homo- nierung gekennzeichnet war, sondern Liaison – ich traf einfach eine Frau, die Schwulen und Lesben der 40er bis 60er sexuelles Leben nicht wie heute durch durchaus auch seine lebenswerten Seiten dat selbe Schicksal hatte und das hat Jahre in O-Tönen anschaulich machen Selbstbestimmung, Chancen und Ent- hatte. Schwule und Lesben suchten und mich schon sehr beruhigt. Ich bitte zu sollte. Hintergrund der Veranstaltung faltungsmöglichkeiten, sondern durch fanden Nischen für sich und bereiteten berücksichtigen, es gab keinerlei Lite- sind Bemühungen von politischer Seite vielfältige Formen der Unterdrückung durch ihr Leben und Engagement vor, ratur, es gab keinerlei Sendungen, Ra- (vor allem Grüne und Linke) und aus gekennzeichnet war. Noch leben Opfer was wir heute als selbstverständlich be- dio, Fernsehen, Zeitungsberichte oder der Szene (Arcus-Stiftung, Schwules und Zeugen dieser Verhältnisse; sie war- anspruchen dürfen und können. oder. Ich hatte einfach, ich lebte in dem Netzwerk, Landesarbeitsgemeinschaft ten auf Entschuldigung, Rehabilitierung Bewußtsein, ich bin alleine auf der Lesben) an das Schicksal der schwulen und Entschädigung und sie haben es ver- Lebhafter Beifall bezeugte, dass der Welt und hab jetzt ne zweite getroffen dient, dass sie nicht vergessen werden. Abend ein Thema aufgriff, für das Inte- und das gab mir bereits die Kraft, zu Einen Beitrag dazu sollte und konnte die resse besteht, aber noch mehr Interesse Und dann musste ich nach Frankreich, als Soldat … Hier denken: Und das will ich jetzt auch le- Veranstaltung im EL-DE-Haus leisten. geweckt werden muss, um das politische ging‘s lustig zu, wenigstens bis zu einem bestimmten Tag ben und das kann ich jetzt auch leben. Ziel der Rehabilitierung gegen Wider- 1943: Wir Soldaten hatten uns im kleinen Kreis getroffen, Der Abend wurde vom CSG und dem stand von konservativer Seite zu errei- ein Kreis, der durchaus interessiert war an Männern – glau- Kölner Frauengeschichtsverein in Ko- wegungen und Mitgründerin einer der chen. Herbert Potthoff ben Sie nicht, was? – und dann haben wir gesoffen, und im operation mit der Arcus-Stiftung organi- ersten Lesbengruppen Deutschlands. Suff haben wir Penis-Messen veranstaltet. Der Unteroffizier siert und inhaltlich vorbereitet. Textaus- Erzählt wurde auf der Basis von Texten – wow, so ein Prachtexemplar, den hab ich dann direkt ver- Niemand konnte sicher sein, wen oder was er da traf so im Lo- wahl und -montage lagen in den Händen Gertraut Müllers von ihrem Versuch nascht. Auf dem Bett des Schwadronschefs bin ich über den kal ... zum Beispiel in der legendären Kölner Barberina ... Ein- von Marcus Velke (Historiker und Vor- „normal“ zu leben – im Konflikt mit der hergefallen und hab den fertig gemacht. Leider wurde unsere mal war ich mit einem Hetero-Ehepaar da, zu Karneval, 60er standsmitglied des CSG) und Irene Fran- Herausbildung und Festigung ihrer les- kleine Orgie verpfiffen, ich wurde erst erpresst und dann vor Jahre. Der Mann von meiner Freundin findet da eine Besu- ken (Historikerin und seit Jahren aktiv bischen und feministischen Identität. Für den Kadi gezerrt ... den Rest können Sie sich denken – Haft cherin sowas von anziehend, dass er unbedingt mit ihr tanzen im Frauengeschichtsverein). Für die Le- die schwule Hälfte des Abends waren und KZ. will. Seine Frau ermuntert ihn auch noch, sie anzusprechen – sung konnten Profis gewonnen werden: zwei homosexuelle Männer und ihre Ge- der macht das, tanzt mit ihr – und kommt mit hochrotem Kopf Birgit (Biggi) Wanninger (Comedian und schichte ausgewählt, einer, der die NS- zurück, weil er da unter dem Rock einen erigierten Penis fand Männer und lesbischen Frauen in den langjährige Präsidentin der Stunksit- Zeit er- und überlebte, ein zweiter, der … In den Läden konnte man vielleicht leicht anbändeln. Wer ersten Nachkriegsjahrzehnten zu erin- zung), Klaus Nierhoff (Film- und Thea- sich in den 50er Jahren als Schwuler zu aber unbedingt noch vor Ort klüngeln wollte, das war schwie- nern. Schwules Leben war damals durch terschauspieler – u. a. Lindenstraße, Ma- entfalten begann. Grundlage dieser kon- rig. Die Wirte mussten ja auch den § 175 beachten, wenn sie den berüchtigten § 175 von polizeilicher rienhof, Krupp – eine deutsche Familie) struierten Biografien sind 16 von mehr nicht ihre Konzession verlieren wollten. Wenn Sie da mit ei- Verfolgung und Haft bedroht. § 175 galt und Christian Schüler (Engagements an als 50 Zeitzeugen-Interviews, die das nem Mann länger als fünf Minuten auf der Toilette waren, zwar nicht für Lesben, aber politische verschiedenen Theatern; las vor zwei CSG seit den späten 1980er Jahren mit dann wurde schon geklopft von den Wirten: „Wie lang dauert und gesellschaftliche Vorurteile gegen- Jahren bei einer Veranstaltung des CSG betroffenen Männern geführt und doku- das noch bei euch? Könnt ihr alles draußen machen, aber nicht über Frauen allgemein und lesbischen Texte von Heinrich von Kleist). mentiert hat. hier!“ Lustig war – ich habe in den 50ern und 60ern noch bei Frauen im Besonderen be- und verhin- einer Zimmerwirtin gelebt – lustig war, dass von der Zimmer- derten auch deren Möglichkeiten, ein Die Geschichte der Lesben wurde am Die Texte in den Kästen auf diesen Seiten wirtin als erstes die Ansage gekommen war „Bitte kein Da- selbstbestimmtes Leben zu führen. Im Beispiel von Gertraut Müller präsentiert, sind kurze, charakteristische Auszüge menbesuch“. Herrenbesuch war für die nicht so schlimm … die Kern geht es bei den genannten politi- sie war aktiv in vielfältigen sozialen Be- Foto: Holger Willms aus dem Drehbuch der Veranstaltung. nahm gar nicht an, dass mein Besuch zum Klüngeln da war. 6 Aktivitäten 7 Queer/Gender/Historiographie – Aktuelle Tendenzen Und Projekte

nter diesem Titel veranstalteten das Konferenz für Nachwuchswissenschaft- der beigefügten Übersicht entnommen CSG und Prof. Dr. Norbert Finzsch ler_*Innen, aber auch für etablierte so- werden. (UniversitätU zu Köln, Historisches Ins- wie unabhängige Forscher_*Innen aus titut/Anglo-Amerikanische Abteilung) dem Bereich der LGBTIQ-Geschichte zu Einen von mehreren Höhepunkten bil- vom 15.-17. Mai 2014 im Rahmen der organisieren. dete der Vortrag „Is your favorite color Hirschfeld-Tage NRW eine gut besuch- pink?“ zweier türkischer Nachwuchs- te Konferenz an der Kölner Universität. Aufgeteilt auf sieben Sektionen wur- wissenschaftler_Innen, in denen der Um- Finanziell und ideell unterstützt wurde den in 21 Vorträgen neueste Tendenzen gang der türkischen Armee mit Wehr- die Veranstaltung von der Bundesstif- und Projekte im Bereich der homose- pflichtigen dargestellt wurde, die sich tung Magnus Hirschfeld und der Arcus- xuellen Historiographien sowie der wegen ihrer Homosexualität ausmustern Stiftung Köln. Queer und Gender Studies vorgestellt. lassen möchten. Es handelte sich hierbei Robert Beachy (Department of Histo- Themen waren u. a. die westdeutsche um ein Thema, über das in der Türkei ry/Goucher College, Baltimore/USA) Zur Schreibweise: Die Motivation Schwulenbewegung der 1970er Jahre, zwar gesprochen werden darf, das aber widmete sich in seiner Lecture „Ich bin LGBTIQ bedeutet: lesbisch/gay/bise- zur Organisation Altersdeutungen schwuler Männer, trotzdem noch stark tabubehaftet ist. schwul – W. H. Auden in Weimar “ xuell/transsexuell – transgender/inter- dieser Konferenz Trans*-Bewegungen oder auch Analver- Entsprechend vorsichtig mussten die der Topographie homosexuellen Lebens sexuell/queer – so sollen alle Varianten ergab sich aus den kehr in Film und Belletristik. Ein Beitrag beiden Referent_Innen bei ihren Recher- in der Reichshauptstadt der 1920er und sexueller Identitäten erfasst werden. Hirschfeld Lec- beschäftigte sich mit der historischen chen und der Ausformulierung ihrer Er- 1930er Jahre und zeigte auf, wie sehr die Die Kombination Unterstrich/Sternchen (_*) ist ein inzwischen weit verbreite- tures, einer Vor- Entwicklung des Begriffes „Pädophilie“ gebnisse vorgehen, um Schwierigkeiten im damaligen europäischen Vergleich li- tes Symbol, das es dem Schreiber_*/ lesungsreihe, die und seiner heutigen Nutzung durch ho- mit den türkischen Behörden zu vermei- beralen Lebensumstände für Homosexu- Leser_* freistellt, das seiner Meinung seit einigen Jahren mophobe Gruppierungen und Gesell- den. elle in Berlin es britischen Intellektuellen zutreffende Adjektiv aus der oben aus- von der Bundes- schaftsschichten in ihrem Kampf gegen wie W. H. Auden oder Christopher Isher- geschriebenen Liste einzusetzen. stiftung Magnus die Gleichstellung von LGBTIQ-Lebens- Die Hirschfeld Lectures wurden von wood ermöglichten, ihr homosexuelles Hirschfeld orga- formen. Hinzu kamen Beiträge über die Claudia Breger und Robert Beachy be- Coming out zu (er)leben. nisiert wird. Seit den ersten Hirschfeld- Möglichkeiten und Grenzen der Archi- stritten. Claudia Breger (Department tagen 2012 in Berlin sind einzelne der vierung von FrauenLesbengeschichte, of Gender Studies/Indiana Universi- Die Lectures werden von der Bundestif- Lectures in diese Veranstaltungsreihe über Geschlechtlichkeit im Sport oder ty, USA) widmete sich unter dem Titel tung Magnus Hirschfeld im Rahmen ei- integriert. Sie bieten renommierten auch über die Westkontakte der Ost-Ber- „Nach dem Sex?“ den Affect Studies, die ner eigenen Reihe publiziert werden. Die Wissenschaftler_*innen aus dem Bereich liner Schwulenbewegung in den 1970er in der akademischen Landschaft derzeit Tagungsbeiträge sollen in einen für 2015 der Geschichtswissenschaften sowie der und 1980er Jahren. Auch die Rezeption als Nachfolger der Queer und Gender geplanten Sammelband einfließen. -Da Queer und Gender Studies die Gelegen- lesbisch-schwuler Themen im österrei- Studies der 1990er Jahre sehr en vogue rüber hinaus wurden erste lockere Ab- heit, ihre neuesten Forschungen zum chischen Nationalrat (entspricht dem seien. Unter anderem zeigte Breger am sprachen getroffen, um gemeinsam mit Thema Homosexualitäten etc. zu prä- deutschen Bundestag) war Thema oder Beispiel des Polizisten-Dramas „Frei- Norbert Finzsch und der Bundesstiftung sentieren. Für 2014 wurde das CSG mit die Überlieferung zum Thema Homose- er Fall“, wie sehr sich die Darstellung Magnus Hirschfeld Fördergelder (bei- der Organisation und Durchführung der xualität der 1950er und 1960er Jahre im gleichgeschlechtlicher Sexualität im spielsweise der Deutschen Forschungs- Lectures in Köln beauftragt. Um einen Spiegel kirchlicher Archive. Kunst- und Film – wohl auch als Folge der ak- gemeinschaft DFG) für ein mögliches angemessenen Rahmen für die zu erwar- theaterwissenschaftliche Vorträge sowie tuellen Wirtschafts- und Gesell- langfristiges Forschungsprojekt zur tenden hochkarätigen Vorträge zu schaf- Beiträge zur Homosexualität in der Frü- schaftskrisen – verändert hat. LGBTIQ-Geschichte zu bekommen. Die fen, entwickelte CSG-Vorstandsmitglied hen Neuzeit rundeten die Konferenz in- Konferenz war also in jeder Hinsicht ein

Marcus Velke die Idee, drum herum eine haltlich ab. Die Titel der Vorträge können Kutsch Foto: Willi voller Erfolg. Marcus Velke QUEER/GENDER/ HISTORIOGRAPHIE – AKTUELLE TENDENZEN UND PROJEKTE Erinnerung 8 KONFERENZ 9 im Rahmen der Hirschfeld-Lectures an der Universität zu Köln 15.05.-17.05.2014 Felix-Rexhausen-Platz, 50668 Köln Panelübersicht Panel 4: „Geschichten“ Panel 1: „Bewegungen“ Teresa Tammer (Berlin): Die Westkontakte der Patsy Henze (Berlin): „Raus aus den Klappen – Ost-Berliner Schwulenbewegung in den 1970er Rein in die Straßen!“ – Zur Schwulenbewegung und 1980er Jahren der 1970er Jahre Köln benennt einen Platz nach Martin Gössl (Graz/Österreich): Die Rezeption beiter begann er Lea Schütze (München): Alt und anders? – Alters- lesbisch-schwuler Themen und Rechte im dem streitbaren Journalisten und 1961 eine Tätigkeit deutungen älterer schwuler Männer österreichischen Nationalrat von 1945-2002. Eine Satiriker beim WDR in der analytische Auseinandersetzung Elaine Lauwaert (Bielefeld): Zwischen Identitäts- Redaktion „Echo politik und Aufgehen in normative Zweige- Marcus Velke (Köln/Bonn/Marburg): „Was in So- n Köln gibt es 5543 Straßen, Plätze und des Tages“ – auf schlechtlichkeit – Betrachtungen zu politischen dom geschehen sollte, hat mit der uns bekannten Strategien von Trans*-Bewegungen in Deutsch- Homosexualität nur wenig gemein.“ – Homosexu- Parks. Rund 1500 davon sind nach Empfehlung eines land in den 1980er Jahren anhand der Analyse alität in NRW in den 1950er und 1960er Jahren im PersonenI benannt, einige davon auch WDR-Kollegen, zweier Zeitungen Spiegel kirchlicher Archive nach Schwulen; zum Beispiel die Oscar- der ihn in einer Panel 2: „Diskurse“ Panel 5: „Gedenken“ Wilde-Straße in Köln-Weiden, die Mar- Studentenkneipe

Katrin M. Kämpf Gottfried Lorenz (): Hamburger Homo- cel-Proust-Promenade in Lindenthal und als „sehr witzig“ (Berlin): Das P-Wort: sexuellen-Geschichte nach 1945 der im Jahr 2000 nach Jean Claude Letist kennengelernt Pädophilie als benannten Platz. Am 27. März 2014 hat hatte. In diese Zeit Grenzfigur sexueller Rainer Hoffschildt (Hannover): „Namen und Normalisierung und Gesichter“. Datenbank der im NS verfolgten die Bezirksvertretung Innenstadt nun ei- fiel auch die Grün- historiographische Schwulen nen weiteren Platz nach einem Schwulen dung der deut- Leerstelle Hirschfeld Lecture II: benannt: Felix Rexhausen. Viele kennen schen Sektion von Benedikt Wolf (Berlin): ihn sicherlich wegen seines Romans „La- Amnesty Interna- Analverkehr und ho- Claudia Breger (Indiana University, USA): „Nach mosexuelle Belletristik dem Sex“? Sexualwissenschaft und Affect vendelschwert“, andere wegen seiner tional, die er ver- – Eine Spurensuche Studies WDR-Glosse „Mit Bayern leben“ und mutlich am 28. Juli Felix Rexhausen 1966 wiederum andere, weil er die deutsche 1961 zusammen Jakob Michelsen Panel 6: „Kulturen“ (Hamburg): Sodomie in Sektion von Amnesty International mit- mit , Gerd Ruge und ande- Sascha Förster (Köln): Von Engeln, Erinnerungen der Frühen Neuzeit in gegründet hat. Schon diese Aufzählung ren in Köln gründete. Für mindestens Brandenburg-Preußen und Zukunft: Szenen queerer Imaginationen und Hamburg zeigt: Obwohl er nur 59 Jahre alt wurde, drei Jahre war er deren Schatzmeister, er- Onur Çiftçi/Deniz Öksüz (Istanbul/Berlin): hat Felix Rexhausen Spuren hinterlassen innert sich Gerd Ruge, der im WDR übri- Erwin In het Panhuis „Is Your Favorite Color Pink?“ Turkish Armed (Köln): Von Hein- Forces Diagnoses Homosexuality und (schwule) Geschichte geschrieben. gens sein Chef war: „Die Sendung ,Echo rich Heine bis Pulp des Tages‘ war fast eine kabarettistisch Nicholas Maniu (München): Ikonographie des Fiction – Schwuler Vom Wissenschaftler zum aufgezogene Tagesschau, sehr raffiniert Analverkehr in Literatur Verlangens – Die Darstellung mann-männlichen und Film Begehrens in der Kunst Journalisten geschrieben und der Rexhausen konnte das eben auch, wie sich sehr schnell he- Hirschfeld Lecture I Christian Mühling (Marburg): Homosexualität am französischen Königshof: Das Beispiel Philipps Felix Rexhausen erblickte am 31. De- rausstellte, obwohl er das vorher nie ge- I. von Orléans (1640-1701) Robert Beachy (Baltimore, USA): „Ich bin zember 1932 in Köln das Licht der Welt, macht hatte.“ schwul.“ W.H. Auden in Weimar Berlin Panel 7: „Postcolonial“ wuchs jedoch in und Hamburg Panel 3: „FrauenLesben“ Mit Bayern leben Jane Preuß (Berlin): Nation, Ethnie, Sexualität: auf. Vermutlich 1954 kam er zum Stu- Ilona Scheidle (Mannheim/): Frau- Schwule Identitätskonstruktion zwischen Traditi- dium der Sozialökonomie nach Köln enLesbengeschichte ARCHIVIEREN: Zu den on und „Moderne“ in Shyam Selvadurais Roman zurück, wo er 1959 bei Günter Schmöl- Seine satirische Schreibe machte ihn Herausforderungen des „UN“-sichtbaren, „UN“- Funny Boy sagbaren, „UN“-bedeutsamen ders mit dem Thema „Der Unternehmer dann am 19. September 1963 auf einen Kristoff Kerl (Köln): „The vice of Sodom is the und die volkswirtschaftliche Entwick- Schlag deutschlandweit berühmt: Er vice of civilization, not of barbarism“: Rassifizierte Josefine Paul (Münster): Sporting Queers – Quee- lung“ zum Doktor rer. pol. promoviert habe Geschichte geschrieben – deutsche ring Sports. Wechselwirkungen der Verfasstheit Sexualitäten, jüdische Männlichkeit und Kapitalis- und Konstruiertheit von „Geschlechtlichkeit im mus im Leo Frank Case wurde. Wahrscheinlich noch während Satire-Geschichte, so der WDR-Autor

Sport“ Bild Abtl. Anglo-Amerikanische Idee: Norbert Finzsch/Universität zu Köln, Historisches Institut, Abtl, Öffentlichkeitsarbeit, Universität zu Köln/Philosophische Fakultät Alpen, Umsetzung: Constanze Gembardt Foto: Georgia seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitar- Thomas Pfaff in einem „Zeitzeichen“, 10 11

Felix-Rexhausen-Platz zwischen Eigelstein und Hauptbahnhof, Karte der Stadt Köln Rexhausens letzte Wohnadresse in Hamburg: Hansastraße 38

das genau 50 Jahre nach der Ausstrah- Hamburg, als Rudolf Augstein ihn als Edinburgh benannten sich nach diesem „Die lung seiner Glosse „Mit Bayern leben“ Autor für den „Spiegel“ haben wollte. Romantitel. Der Kölner Laden in der Schwulen stellen einen erschienen ist. Darin forderte Rexhausen, Zur Zeit der ersten großen Koalition in Bayardsgasse 3 (Nähe Neumarkt) ist in- Querschnitt durch die Bevölke- das Land Bayern aus der Deutschland erfand er – frei nach Wil- zwischen Geschichte. Männerschwarm- rung dar und sind ebenso uner- freulich wie diese.“ Bundesrepublik zu helm Buschs Bildergeschichte über zwei Verleger Detlef Grumbach über Felix

„Seid nicht ver- Axel Bach, 2014 Foto: entlassen. Doch ungezogene junge Hunde – „Plisch und Rexhausen: Er hat „etwas über die Le- Rexhausen schreckt, verwürgt, niederge- und zu die Bayern Plum“, die für die damaligen Bundes- benswirklichkeit zu Kenntnis gebracht, drückt; sondern seid aufrecht und provozieren, was bis heute verstanden minister Schiller und Strauß standen. was sonst kaum jemand zur Kenntnis gerade die, die ihr seid: Nämlich so zum Nachdenken anregt. Und des- offensicht- Seine erfolgreichste Zeit als Satiriker hat- gebracht hat. Er war mutig und hatte und so und so und außerdem wegen war er auch der ideale Namens- lich keinen te er dann jedoch ab 1968 über beinahe eine Haltung. Deshalb ist er ein Vorbild!“ schwul: Seid stolze Schwule!“ patron für den Medienpreis des Bundes Spaß und auch zehn Jahre beim NDR – in den Hörfunk- In seinen Texten ging es auch darum, Rexhausen Lesbischer und Schwuler JournalistIn- keine Satire. In sendungen „Lappen für Lappen“ und Grenzen auszutesten nen (BLSJ), der seit dem Jahr 2001 nach der Lawine „Schulfunk für Erwachsene“. 1978 be- Felix Rexhausen benannt ist. von Protest- schreiben stellte ihn die Hamburger Kulturbehör- war ebenfalls eines des damali- de für ein halbes Jahr zum Stadtschreiber Der eigene Nachruf gen bayrischen Ministerpräsidenten Al- für Harvestehude (vgl. Buchempfehlun- fons Goppel: „Im Namen des Freistaates gen). Im Sammelband „Vorletzte Worte – Bayern erhebe ich den schärfsten Protest Schriftsteller schreiben ihren eigenen gegen die in ihrem Inhalt nicht zu qua- Das Lavendelschwert – und die Nachruf“ schrieb er 1985, was er sich lifizierende Glosse über Bayern. Ich bin Folgen als Text auf seinem Grabstein wünsche: der Erwartung, daß der Westdeutsche „So viele Träume“. Er galt als Satiriker. Rundfunk die geeigneten Schritte zur Felix Rexhausen war ein mutiger Mann Er ist tot. Sieben Jahre später stirbt Felix Wiederherstellung der Ehre Bayerns un- und ein selbstbewusst-schwuler Journa- Rexhausen am 6. Februar 1992 allein in ternimmt.“ (Die Glosse und Reaktionen list und Autor. Als in den 1960er-Jahren seiner Hamburger Wohnung. Axel Bach darauf hat Rexhausen auch als Buch he- noch der § 175 in der Nazi-Fassung galt, rausgegeben; vgl. Buchemp- thematisierte er bereits fehlungen) „Schwul? Mach Dir die Lebensumstände nichts draus! Die anderen schwuler Männer Felix Rexhausen lesen Zurück nach Ham- sind hetero – und machen eindringlich, aber • Mit Bayern leben, 1963 burg sich auch nichts draus.“ auch ironisch und • Mit deutscher Tinte, 1965 selbstkritisch. Als • Lavendelschwert, 1966 Rexhausen (neu aufgelegt 1999; incl. seines eigenen Nachrufs) Die Situation für ihn im erstes Buch mit • Die Sache, 1971 WDR war nach den heftigen Reaktio- schwuler The- • In Harvestehude, 1979 nen auf seine Glosse nicht mehr ideal. matik aus seiner Feder Felix Rexhausen hören Er durfte zwar weiterhin für den WDR erschien 1966 „Lavendelschwert“, • Das WDR-Zeitzeichen als Podcast zum Herunterladen: arbeiten, jedoch nicht mehr unter seinem in dem er satirisch Dokumente einer http://bit.ly/1oSYcXw Namen – so der Kompromiss. 1964 und fiktiven schwulen Revolution im - Ade Cover des 1999 neu Informationen über den Felix-Rexhausen-Preis 1965 arbeitete er auch für den Kölner nauer-Deutschland zusammenstellte. aufgelegten Rexhausen-Buches • www.felix-rexhausen-preis.de Stadtanzeiger. Doch er ging zurück nach Die schwulen Buchläden in Köln und „Lavendelschwert“ 12 Erinnerung: Listen mit Folgen 13 Teil 2 – Der Fall Blömer

m Jahre 1979 wurde Gerd Blömer, Köl- vorgelegt. Er forderte darin zu unter- für Nord- ßerungen, die Kriminalpolizei entsende ner SPD-Mitglied, Jungsozialist und suchen, ob es bei der Kölner Kriminal- rhein- „Spitzel“ in Homosexuellentreffpunkte VorsitzenderI der Kölner „Schwusos“ polizei Karteien gebe, in denen Homo- Westfalen und bei Polizeibeamten herrschten „fa- (Schwule Sozialdemokraten) vom Amts- sexuelle, ohne dass sie gegen Gesetze bestätigte schistische“ Ansichten vor, entbehrten gericht Köln zu einer Geldstrafe von 450 verstoßen hatten, erfasst wurden – soge- 1980, dass jeglicher Grundlage und stellten eine Mark verurteilt. Die Herren Wölbert, nannte „Rosa Listen“, wie sie schon im „eine ge- üble Nachrede dar. Am 15. November Keller und Simon, drei Kölner Kriminal- Kaiserreich und der NS-Zeit existierten. nerelle Bereinigung dieser Alt-Akten schloss sich der Kölner Polizeipräsident kommissare, hatten gegen Blömer Straf- Sollte dieses zutreffen, wurde die Polizei nicht stattgefunden hatte“ – „wegen Jürgen Hosse dieser Anzeige an. Im Mai antrag wegen übler Nachrede gestellt. aufgefordert, diese Karteien unverzüg- des Umfangs des zu überprüfenden Ak- 1979 erhob die Staatsanwaltschaft Ankla- lich zu vernichten. Dar- tenbestands“. Ein weiterer Punkt in der ge beim Amtsgericht. Blömer wurde vor- über hinaus gab die Be- Anfrage war die Behauptung, dass bei geworfen, „die Angehörigen der Polizei, gründung des Antrags der Kölner Polizeibehörde faschistische die mit der Aufgabe betreut waren, mög- Gerüchte anonymer Ansichten verbreitet seien und an junge liche Straftaten gegen Homosexuelle zu homosexueller Polizis- Beamte weitergegeben würden. verhindern, verächtlich gemacht und in ten wieder, wonach die der öffentlichen Meinung herabgewür-

Kölner Kriminalpoli- Verlauf der Ereignisse digt zu haben“. Die „tageszeitung“ vom zei Spitzel in Homo- sexuellentreffpunkte Am 12. September 1978 erschien im entsandte, um Namen SPD-Ortsverein Köln-Mitte ein Infoblatt, und Anschriften der in dem der Antrag zur Diskussion und Besucher festzuhalten Abstimmung vorgelegt worden war. Er und karteimäßig zu er- wurde von den Mitgliedern einstimmig fassen. Das war und ist angenommen und einige Tage später an nach geltendem Recht die SPD-Ratsfraktion und den Polizeibei- in der Bundesrepublik rat der Stadt Köln weitergeleitet. Damit verboten. Das „Hand- nahm das Verfahren zunächst seinen buch der Kriminalis- üblichen Verlauf. Im November erhielt tik“ sah noch 1978 die Blömer eine Antwort des Polizeibeirats: Führung von Homo- Die Kriminalpolizei habe mitgeteilt, es sexuellenkarteien als existiere keine Homosexuellenkartei und 6.6.79 schrieb hierzu: „Kölns Schwule notwendige Maßnah- es gebe kein faschistisches Gedankengut. leben in paradiesische Zeiten: In keiner me zur Wahrnehmung Die Angelegenheit schien für Gerd Blö- BRD-Stadt werden sie so sicher gehegt der polizeilichen Si- mer und die SPD erledigt zu sein. Nicht und behütet wie hier, wo es sich der Po- Der Anlass cherungsaufgaben an. Eintragungen im aber für die Kriminalkommissare Wöl- lizeipräsident selbst angelegen sein lässt, Strafregister wurden nach 1969, nach der bert, Keller und Simon. Sie stellten am um die Sicherheit der Trinen, Schwestern Was war geschehen? Im September 1978 ersten Reform des § 175, gelöscht. Die 8. November 1978 bei der Staatsanwalt- und schwulen Macker besorgt zu sein. hatte Blömer in einer Versammlung des polizeilichen Datensammlungen wur- schaft Strafantrag gegen Gerd Blömer. Er hat ein spezielles Greifkommando SPD-Unterbezirks Mitte einen internen den allerdings nicht oder nur teilweise Begründet wurde dieser damit, dass gebildet, das im Nahbereich des Doms

Parteiantrag an die SPD-Ratsfraktion vernichtet. Der Datenschutzbeauftragte 163 967 RBA Foto: Rheinisches Bildarchiv, Quelle: Dokumentation „Der Fall Blömer“, Herausgegeben von den Jungsozialisten in der SPD, des CSG) Archiv im 1978/1979 (vorhanden/einsehbar Zeitungsartikel aus den Jahren die von Herrn Blömer gemachten Äu- für Sauberkeit sorgt. Es sind drei forsche 14 15

junge Männer um ten aber keinen Beweis liefern. Im weite- die 30, die da ein- ren Verlauf der Befragung verweigerten zig und allein zum sie die Aussage zu einzelnen Fragen mit Schutz der Schwu- dem Hinweis auf fehlende Genehmi- len durch die Bars gung seitens ihres Dienstherren. Somit tingeln, Weib und blieb zunächst die Fahndungsmethode Freizeit nicht ach- der Kölner Kripo im Dunkeln, ebenso ten. Wer grinst da? die Frage nach der Existenz von Kartei- Der Staatsanwalt en zur Ermittlung von homosexuellen bleibt ganz ernst“. Handlungen nach §175 (der inzwischen gründung des Urteils versuchte Richter nur noch für gleichgeschlechtlichen Sex Krömer den Beweis zu führen, dass Blö- Das Gerichts- mit Minderjährigen galt). Richter und mers Äußerung bezüglich faschistischer verfahren Staatsanwalt legten den Klägern nahe, Ansichten bei Polizeibeamten Tatsachen- ihren Strafantrag zurückzuziehen. Bei- behauptungen seien. Blömers Faschis- Im Mai eröffnete de sahen während der Verhandlung den mus-Vorwurf, entschied das Gericht, Richter Eckhard Tatbestand der üblen Nachrede „dahin- stelle eine „eigene Meinungs- Krömer das Ver- schwimmen“. Die Polizeibeamten leh- kundgebung des Angeklagten fahren gegen Blö- nen ab. dar und erfülle den Tatbestand Rose Listen bei der Kölner mer, die Hauptverhandlung wurde für der Beleidigung“. Die Wieder- Polizei? den 30. Juli angesetzt. Als Zeugen traten Das Urteil gabe von Gerüchten zu „Rosa die drei sich beleidigt fühlenden Krimi- Listen“ wurde vom Gericht In der schriftlichen Urteilsbegründung nalkommissare sowie ihr Chef Krimi- Angesichts der für den Angeklagten nicht geahndet. gab das Gericht Gerd Blömer Recht hin- nalhauptkommissar Wolf auf. Schon zu scheinbar positiven Wendung des Pro- sichtlich seiner Besorgnis, dass Dienst- Prozessauftakt kam es zum Eklat. Rich- zessverlaufs war das Urteil: Geldstrafe Die Verteidigung legte gegen das Urteil stellen in der Bundesrepublik Listen über ter Krömer ließ den Saal teilweise räu- Revision ein, u. a. mit folgendem zusätz- Homosexuelle führten; dies sei durch men, zu viele Neugierige saßen in Tuch- lichen Beweisantrag: „Bei der Polizei in Gerichtsurteile bestätigt. Im „Spiegel“, fühlung auf dem Fußboden und den Köln werden jedenfalls Listen über tat- Heft 19/1979, sei von Polizeibeamten Besucherbänken. Das bunt-gemischte sächliche und vermeintliche homosexu- und einem Staatsanwalt auf die Existenz Publikum, einige Besucher trugen zum elle ,Strichjungen‘ geführt“. Die Polizei derartiger Listen hingewiesen worden. himmelblauen Overall eine rosa Brosche gibt insoweit auch Auskunft an andere Dennoch – was war erreicht? Vieles blieb mit der Aufschrift „Gay against Fas- Behörden und Dienststellen. Diese Fra- im Dunkeln. Die Frage stellt sich: Wurde cism“, versprach sich vom Prozess Auf- gen seien bei der Urteilsfindung nicht hier die Justiz bemüht, um die Aufde- schluss, ob in Köln, wie vermutlich auch ausreichend berücksichtigt worden, so ckung skandalöser Zustände bei der Köl- anderswo, polizeiliche „Schwulenkartei- die Verteidigung. Bei der Berufungsver- ner Kripo zu behindern? Die Vermutung en“ existierten. Im Verlauf der Verhand- handlung fand keine Zeugenbefragung liegt nahe, dass versucht wurde, von der lung befragte Verteidiger Reiner Buchelt mehr statt. Das Urteil der ersten Instanz Existenz von Homosexuellenkarteien Zeugen nach Karteien, in denen nicht von 450 Mark „wegen übler Nachrede wurde bestätigt – trotz Solidaritätsbe- und von der Bespitzelung von Homo- straffällig gewordene Homosexuelle ge- und Beleidigung nach §186 StGB“ nicht kundungen für Gerd Blömer weit über sexuellen abzulenken und Tatsachen zu führt würden. Diese bestritten das, konn- gerechtfertigt. In der schriftlichen Be- die Schwulenbewegung hinaus. vertuschen. Willi Kutsch 16 Gedenktage 17 † 17.8.1982 Herbert Tobias, Fotograf

erbert Tobias, geboren am 14. De- schaft, aus der er Ende 1945 entlassen zember 1924 in Dessau, zählt als „Tobias gehörte zu den ersten beken- wurde. „Die verräterische Kühnheit, außerhalb der Modephotogra- ModefotografH zu den herausragenden nenden Schwulen. Jahrzehnte, bevor phie kaum Frauen zu photographieren, Männer stattdessen deutschen Fotografen der 50er und frü- es gefahrlos war, für die ,Gay Libera- 1947 erfüllte sich ein Kindheitswunsch. mit Hingabe, widerruft Tobias durch betonte Unverfäng- hen 60er Jahre. Als künstlerisch beson- tion‘ zu kämpfen, aus der Gruppe den Er ging nach Siegburg (Rheinland) auf lichkeit. Fast nur an den Augen der Photographierten ist ders wertvoll gelten seine Portraitstudi- Mut zu beziehen. Aber es kostete ihn eine Schauspielschule. Nach erfolgrei- ablesbar, dass der Portraitist mehr von ihnen wollen könnte en, seine russischen Aufnahmen aus dem Jahre, ehe er zum ersten Mal einen chem Abschluss erhielt er ein Engage- als eine Aufnahme“ – Gerd Mattenklott in dem erwähnten Zweiten Weltkrieg und seine homoeroti- nackten Mann photographierte. ,Ero- ment bei der Niedersachsen-Bühne, Ausstellungskatalog. Beispiele für Tobias‘ Männerbilder schen Männerbilder. tisch‘ waren seine Bilder immer. Ero- einem Tournee-Theater. Mit der Wäh- können wir leider aus urheberrechtlichen Gründen nicht do- tisch waren sie auch immer gemeint. rungsreform 1948 brach das Unter- kumentieren. Für Interessierte: in unserm Archiv finden sich Aber seine Kamera hatte Mühe, die nehmen zusammen. Mit drei Kollegen Kataloge von Ausstellungen von Herbert Tobias; außerdem Schwelle der Prüderie zu überwinden. machte er auf eigene Faust weiter. Sie besitzen wir vollständig Him / Applaus, die wichtigste Ho- Aus den letzten Lebensjahren gibt es lebten von der Hand in den Mund, die mo-Zeitschrift der 70er Jahre, in der sich Beispiele für Tobias‘ dann endlich die Liebe zweier Männer Hände oft so leer wie die Abendkasse. Kunst finden). im Bild.“ Im gleichen Jahr begegnete Tobias in Heidelberg seiner ersten großen Liebe: dem Amerikaner Dick, einem Zivilan- fant terrible der deutschen Fotografen- Herbert Tobias, Sohn eines Büchsenma- gestellten der Besatzungsmacht. In die- szene, ein rebellischer Star, dessen Name chers, war Autodidakt und brachte sich se Zeit fiel auch Tobias‘ Coming-out. heute nur noch wenigen geläufig ist. im Alter von zehn Jahren das Fotogra- Sie wurden denunziert. Dick musste Aber man kennt seine Bilder: verführe- fieren und später auch das Entwickeln Deutschland verlassen. Tobias folgte rische Modefotos und erotische Männer- selbst bei. Eigentlich wollte er Schau- dem Freund nach , wo Dick studie- fotografien. Der junge Kinski, die Knef, spieler werden, aber der frühe Tod des ren wollte. In der französischen Haupt- Andreas Baader, … ließen sich Vaters 1936 verhinderte das. stadt, wo Tobias von 1951 bis 1953 mit von ihm porträtieren. In Kennerkreisen seinem Freund Dick lebte, begegnete wurde Tobias zur Legende. Angesehene Seine Jugend verbrachte Tobias in er dem Fotografen Willy Maywald, für Couturiers und Modemagazine wurden Höxter/Weser. Er macht eine Land- den er tätig wurde und der ihm erste auf den unkonventionellen Fotografen vermesserlehre, wurde 1942 acht- Kontakte in die Modewelt eröffnete. aufmerksam. Gerade in den Modeauf- zehnjährig zur eingezo- So begann seine Laufbahn als Fotograf. nahmen konnte Tobias seiner Lust an gen und an die Ostfront geschickt, Hier entstanden stimmungsvolle Stadt- fulminanten Inszenierungen und Gla- wo erste bedeutende Aufnahmen ansichten, eindringliche Porträts der mour freien Lauf lassen. entstanden. Kurz vor Kriegsende existentialistischen Boheme und erste desertierte er an der Westfront und Modeaufnahmen für die Vogue. Zeitgleich mit den mondänen Auftrags- geriet in amerikanische Gefangen- arbeiten entstanden Bilder aus dem zer- Nach Deutschland zurückgekehrt, störten, später geteilten Berlin, wo Tobias Katalog: machte sich Tobias schnell einen Namen. bis 1969 lebte. Ohne Pathos und Sen- Herbert Tobias. Photographien. Die Kritik begeisterte sich für seine Bil- timentalität fing er die absurde Poesie Parkland Verlag, Stuttgart 1987 der voller „giftig-süßer Erotik“. In den des Trümmeralltags, aber auch den Le- späten 50er Jahren war Tobias das En- benswillen der Nachkriegszeit ein. Seine 18 Buchvorstellung 19 Christoph Poschenrieder: Das Sandkorn

„Him/Applaus“. In , Ber- in Mann streut Sand aus Süditalien versucht in Süditalien zu vergessen, lin und Frankfurt fanden viel beachtete auf den Straßen von Berlin aus. So was natürlich nicht gelingt. Der im Ausstellungen seiner Arbeiten statt. Das einE Verhalten ist nicht nur seltsam, son- Deutschen Reich geltende § 175 Straf- hier abgebildete Cover stammt vom Ka- dern verdächtig. Der Kommissar, der den gesetzbuch schwebt weiter über ihnen. talog zur Ausstellung im Frankfurter Fall übernimmt, stößt dabei auf eine Ge- Die rechtliche Situation wird besonders Kunstverein 1987, die einen umfassen- schichte zwischen Liebe und Tabu, zwi- deutlich in der realen Figur des Krimi- den Überblick über Tobias Schaffen bot schen zwei Männern und einer Frau. Ein nalkommissars Hans von Tresckow, der Tobias‘ Grabstein auf dem Hauptfriedhof Hamburg-Altona (kuratiert von Peter Weiermeier, einem Zeitbild von 1914, aus drei ungewöhn- als Mensch erkennt, dass die Verfolgung ausgewiesenen Kenner und Liebhaber lichen Perspektiven. Es sind die letzten der Homosexuellen Unrecht ist, der je- Aufnahmen transportieren den Zeitgeist der homoerotischen Fotografie; der Band Jahre des Kaiserreichs, an der Schwelle doch als Polizist weiß, dass er aufgrund und entfalten zugleich eine zeitlose Prä- enthält auch einen informativen Aufsatz zum Ersten Weltkrieg. Jacob Tolmeyn, der Gesetzeslage ermitteln und verfol- Christoph Poschenrieder: senz. Darüber hinaus tritt Tobias zuneh- von Gerd Mattenklott über Tobias‘ Schaf- Kunsthistoriker aus Berlin, befürchtet, gen muss. Er trifft eine Entscheidung, Das Sandkorn mend als homosexueller Künstler in Er- fen und ein Portrait von Tobias, verfasst wegen seiner Homosexualität erpresst eine fatale Entscheidung im beginnen- Roman, scheinung. Seinen erotisch aufgeladenen von Pali Meller Marcovics, Tobias‘ lang- und verfolgt zu werden. Er nimmt ei- den Weltkrieg … Diogenes Verlag Blick auf die Männer hat er nie verleug- jährigem Freund). nen Forschungsauftrag in Süditalien an, 2014, 416 Seiten, 22,90 € net, sondern offen zur Schau gestellt. In weit weg vom gefährlichen Großstadt- Der Roman ist seiner ver- einer Zeit, in der Homosexualität noch Und er begann zu schreiben. Mehr und kiez. Doch auch bei der Vermessung schachtelten Komposition unter Strafe stand, waren Tobias’ Bilder mehr gehen Text und Bild eine Einheit der staufischen Kastelle – zusammen sehr überzeugend: es gibt nicht nur ein persönliches Bekenntnis, ein. Im Eigenverlag erscheinen Bildse- mit seinem Assistenten Beat, unter der die Perspektive der Ar- sondern auch ein politisches Statement. rien: „Marlene, Chansons in Bildern von Aufsicht der Italienerin Letizia – steht er chäologen und den Rück- Kerlen“, „Chant d‘amour“, „No return“. bald vor Problemen. Muss er auch in Ita- blick des Kriminalkom- Mitte der 60er Jahre stieg Tobias aus der 1982 erkrankte er schwer. Er starb am 17. lien vor Denunzianten zittern? Zurück in missars, der aber das Ende glanzvollen Karriere aus. Es folgten ex- August des Jahres als eines der ersten Deutschland gerät er trotz aller Vorsicht nicht vorwegnimmt. Po- zessive Jahre, in denen die Fotografie prominenten AIDS-Opfer in Deutsch- ins Visier eines Berliner Kommissars – ei- schenrieder gelingt es, die nur eine untergeordnete Rolle spielte. land. Tobias‘ Ruhestätte auf dem Haupt- nes Spürhunds, der der Fährte aus Sand Vagheit der Andeutun- Ab 1972 erschienen erste Arbeiten von friedhof Hamburg-Altona wurde 2007 folgt, die Tolmeyn selbst gelegt hat. gen über Homosexuali- Tobias in verschiedenen Schwulenma- vom Hamburger Senat zum Ehrengrab tät, die nicht ausgelebte gazinen, insbesondere in der Zeitschrift erklärt. Christoph Poschenrieder zeichnet in sei- Sexualität und beson- nem Roman ein präzises Stimmungsbild, ders die latente Bedro- Seinen fotografischen Nachlass -ver das die Befindlichkeiten und Realitäten hung durch Gesetz und „Die Natur war freundlich mit ihm umgegangen. Er war machte Tobias der Berlinischen Galerie der Protagonisten eindrücklich wieder- Erpressung genau zu schön, als er jung war und er war lange jung. ,Zu hübsch für (Landesmuseum für Moderne Kunst, gibt. Die beiden Archäologen haben ihre schildern. Daneben sind einen Mann‘, sagte er selbst. Und doch hat er früh begonnen, Fotografie und Architektur), die seinem schwule Sexualität mehr oder weniger auch die Vorkriegsstim- dieser ,Hübschheit‘ mit großem Geschick nachzuhelfen. Und Werk von Mai bis August 2008 eine gro- versteckt ausgelebt und dadurch unter- mung und die Technik- er sah toll aus – später. Bis zum Ende. Daß er der Gefahr ße Retrospektive mit 200 Exponaten wid- schiedliche dramatische Erlebnisse ge- begeisterung der Zeit schwuler Selbst-Liebe nicht erlag, hatte zwei Gründe. Zu mete. Sie war 2009 auch in den Hambur- habt. Sie können sich ihre Gefühle aber Themen, die gut nach- sehr sehnte er sich nach dem Gegenüber – und er war nicht ger Deichtorhallen zu sehen. erst in der Stunde des Abschieds einge- vollziehbar dargestellt sein Typ.“ Willi Kutsch stehen. Beide haben ihre angestammte werden.

Foto: © Chester100, CC-BY-SA-3.0 Umgebung fluchtartig verlassen und Martin Sölle Pinnwand Termine Die Kölner schwule Kultur – hat viele entdeckenswerte Seiten Mit der Stadtführung „Warme Meilen“ erlebt Ihr die ver-- gangene, vielfältige schwule Szene von Köln, ob Lokale oder Bars mit ihren Geschichten aus früheren Zeiten, die Anfänge des vor dreißig Jahren entstandenen sogenannten Bermuda- dreiecks und ehemalige „Klappen“ mit ihren Skandalge- schichten. Näheres zu unseren Stadtfürungen findet Ihr unter www.csgkoeln.org „Warme Meilen“ – Führungen organisiert das Centrum Schwule Geschichte seit 15 Jahren. Informativer und unterhaltsamer geht es durch die Kölner Schwulen Kultur mit unseren erfahrenen Stadtfürern. Ihr erfahrt mehr über die speziellen – und durchaus auch sehr unterschiedli- chen – schwulen Seiten der Stadt Köln. Auch als Kölner werdet Ihr mit uns viel Neues, Amü- santes und Unbekanntes entdecken!

Führungen und Termine Warme Meilen Sonntag 07. September 2014, Treffpunkt: Hahnentor am Rudolfplatz 15 Uhr Die Aids-Stele hinter Sonntag 05. Oktober 2014, St. Maria im Kapitol ist eine der 15 Uhr Stationen der Stadtführung

Warme Meilen Waidmarkt Samstag 05. Juli 2014 (CSD), Treffpunkt: Brunnen auf dem Waidmarkt (gegenüber dem Neubau 15 Uhr Waidmarktquartier)

Amor und Colonia Sonntag 15. Juni 2014, Treffpunkt: Zeitungsbrunnen hinter Karstadt, Breite Str. 15 Uhr Sonntag 10. August 2014, 15 Uhr

Preis 9 €/7 € ermäßigt. Anmeldung nicht erforderlich. Gruppenführungen auf Anfrage

Bitte vormerken: Das CSG wird im Herbst 30 Jahre alt. Wir wollen das angemessen feiern. Nähere Informationen im nächs- ten HIStory!